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Anwendungsgebiete
Von den zweifellos vielen Anwendungsfällen für akustische Fragestellungen werden in diesem
Kapitel drei miteinander verknüpfte Bereiche behandelt. Die Bauakustik widmet sich dem
Schallschutz gegenüber Außengeräuschen und zwischen Räumen in Gebäuden, einschließ-
lich der dort entstehenden Geräusche von technischen Anlagen und dergleichen. Unter dem
Begriff Raumakustik werden Schallfelder und Gestaltungsmaßnahmen in Räumen zusam-
mengefasst, die dort z.B. zur Geräuschminderung, zur Verständlichkeit von Sprache und zur
Hörsamkeit von Musik beitragen. Physikalisch bedingt beeinflussen sich die bau- und raum-
akustischen Eigenschaften gegenseitig in unterschiedlichem Maße. So hängt z.B. der resul-
tierende Schallschutz zwischen benachbarten Räumen sowohl von der Schalldämmung der
Wandbauteile als auch von der akustischen Dämpfung in den Räumen ab. Zum Anwendungs-
gebiet Schallimmissionsschutz zählen die Beschreibung der vielfältigen Schallquellen im
Freien und die Schallausbreitung bis zu Orten mit Betroffenen. So liefert diese Betrachtung
u.a. den Außenlärmpegel als Ausgangspunkt für die bauliche Schallschutzplanung von Fas-
saden.
Methodisch gilt für alle drei Gebiete die gleiche systematische Vorgehensweise von der Quelle
(Emission) entlang der Übertragungswege (Transmission) bis zum Empfänger (Immission).
Trotz der Vielfalt von Szenarien bezüglich Art der Quellen und Übertragungswege sowie der
Empfangssituationen ist diese Systematik von großer Bedeutung sowohl für die Messung und
Berechnung als auch für die Bewertung und Beeinflussung jedes einzelnen Anwendungsfalls.
Und noch eine Verbindung besteht zwischen den drei genannten Bereichen: Das Ziel der
akustischen Behandlung besteht in der Schaffung angemessener Bedingungen, um
− Gesundheit (als ein Zustand vollständigen physischen, seelischen und sozialen Wohlbefin-
dens) und
− Leistungsfähigkeit (mit Bezug auf alle physischen, psychischen und insbesondere kogniti-
ven Leistungen)
zu fördern oder zumindest nicht zu beeinträchtigen. Das bedeutet, die Berücksichtigung der
sehr vielfältigen und weitreichenden Wirkungen von Schall steht im Vordergrund der Gestal-
tung. Besondere Aspekte können sich z.B. aus Forderungen nach Privatsphäre, Vertraulich-
keit bis hin zur Abhörsicherheit ergeben.
Bei dieser Zielsetzung ist zudem zu beachten, dass Außen- und Innenräume immer einen
Nutzungs- und Nutzerbezug aufweisen. Außerdem ist Akustik als integraler Bestandteil der
architektonischen und organisatorischen, bautechnischen, und bauphysikalischen Raum- und
Gebäudegestaltung zu verstehen. Leider ist das noch keine allgemein anerkannte Selbstver-
ständlichkeit, so dass Schallschutz und Raumakustik immer noch viel zu oft verdrängt, ver-
nachlässigt oder auch dem Kostendruck geopfert werden. Nur wenn akustische Aspekte von
Anfang an berücksichtigt werden, kann die Akustik als angemessener Bestandteil einer integ-
ralen und detaillierten Planung und Gestaltung funktional und wirtschaftlich am besten verwirk-
licht werden.
153
So lässt sich hochwertige Akustik heute problemlos mit all den anderen Anforderungen an
Räume und Gebäude verbinden. Es gibt zahlreiche bauliche Angebote, um etwa Brandschutz,
Wärmeschutz (im Sommer und Winter) sowie Schallschutz gleichermaßen zu gewährleisten
oder Raumklima, Raumlicht und Raumakustik in Einklang zu bringen. Gemeinsam stellen sie
Kriterien für nachhaltige Lebens- und Arbeitsräume dar, deren Wert nicht nur an den Baukos-
ten gemessen wird. Und dennoch bedeutet eine nachhaltige Akustik keineswegs Kostenex-
plosion, da sich hinreichend Spielraum für wirtschaftlich ausgewogene Lösungen bietet.
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II.1. Bauakustik
Das Ziel der Bauakustik (auch baulicher Schallschutz oder Schallschutz im Hochbau) besteht
letztlich in der Einhaltung eines mittleren resultierenden Stör- oder Fremdgeräuschpegels in
Räumen von Gebäuden. Diese Zielgröße ergibt sich aus den Erwartungen der Menschen und
aus der Gesamtschau der normativ vereinbarten Kenngrößen. Die zulässige Höhe des Pegels
richtet sich nach der Nutzung in den Räumen des Gebäudes. Dabei geht es um Geräusche,
die durch Schallquellen außerhalb dieser Räume verursacht werden, z.B. Verkehrslärm aller
Arten, um Schallereignisse aus anderen Räumen des Gebäudes sowie um Geräusche durch
haustechnische Anlagen und Installationen. In Bild II.1.1 sind die wesentlichen Bauteile eines
Gebäudes und die bauakustischen Teilaspekte illustriert.
Dachfenster
(Regengeräusche)
Heizungs-
anlage
Außenwand
Rolladen-
kasten
Lüftungs-
anlage Fenster
Sanitär- Lüftungs-
installation öffnung
Wasser-
installation Gebäudetrenn-
Treppe wand
Decke
Tür
Decke
Wände
Tür
Bild II.1.1: Zuordnung von Bauteilen und bauakustischen Teilaspekten am Beispiel eines Wohnge-
bäudes
155
Diese gelten im Prinzip für alle Gebäude mit Aufenthaltsräumen, wie
− den in der Gesamtheit resultierenden (Luft-) Schallschutz aller Trennbauteile, z.B. Wände
(außen, innen), Decken, Dächern, Türen und Fenstern gegenüber Geräuschen wie Ver-
kehrslärm Sprache, Musik und dergleichen,
− den in der Gesamtheit resultierenden Schutz aller betroffenen Bauteile, z.B. Decken und
Treppen, gegenüber Trittschall laufender Personen, Bewegen von Stühlen und derglei-
chen,
− den Schallschutz gegenüber Geräuschen aller Arten von haustechnischen Anlagen (Hei-
zung, Lüftung) und Installationen (Sanitärinstallationen, Wasser- und Abwasserleitungen).
Es ist naheliegend, dass die Luft- und Trittschallschutzeigenschaften von Bauteilen, wie z.B.
Decken, miteinander verknüpft sind, auch wenn diese Verknüpfungen unterschiedlich ausge-
prägt sind. Außerdem ist zu beachten, dass sich die verschiedenen, von außen eindringenden
Geräusche in einem Raum überlagern. Für diese Überlagerung gibt es einige Grundregeln:
Das lauteste Geräusch bestimmt das resultierende Gesamtfremdgeräusch maßgeblich und
mehrere, etwa gleich laute Fremdgeräusche summieren sich auf. Das hat Konsequenzen für
die Behandlung der einzelnen Schallquellen und Ausbreitungswege. Eine einzige unter-
schätzte Schallquelle macht die erfolgreichen Bemühungen an allen anderen Stellen zunichte
und jede Schallquelle muss zumindest soweit unterdrückt werden, dass sie auch noch in der
Gesamtaddition mit allen anderen Quellen den Zielwert einhält.
Die zentralen Kenngrößen für die genannten bauakustischen Eigenschaften lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
(LUFT-) SCHALLSCHUTZ
R Schalldämm-Maß in dB,
zehnfacher dekadischer Logarithmus des Verhältnisses von auf ein Trennbauteil (z.B.
Wand, Decke) auftreffender Schallleistung LW1 zur auf der Rückseite abgestrahlten
Schallleistung LW2, frequenzabhängig (für Terzbänder) angegebenen.
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𝐿
𝑅 = 10 lg 𝐿𝑊1 dB (II.1.1)
𝑊2
bzw. Gl. (II.1.2), wenn diffuse Schallfelder in den Räumen vorliegen und L1 der energetisch
gemittelte Schalldruckpegel im Senderaum, L2 der energetisch gemittelte Schalldruckpegel im
Empfangsraum, S (in m2) die Fläche des Trennbauteils und A (in m2) die äquivalente
Schallabsorptionsfläche im Empfangsraum sind.
𝑆
𝑅 = 𝐿1 − 𝐿2 + 10 lg 𝐴 dB (II.1.2)
Zur Bestimmung der äquivalenten Schallabsorptionsfläche sei an die in Kap. I.4.4 eingeführte
Berechnung der Nachhallzeit T nach Gl. (I.4.70) erinnert, da der Wert von A über die Messung
von T ermittelt wird. Der zugehörige bewertete Einzahlwert erhält den Index „w“.
Insbesondere für Bauteile, deren schallabstrahlende Fläche sich nicht genau angeben lässt,
wie z.B. Lüftungsöffnungen und Rollladenkästen, wird mitunter statt R eine weitere Kenngröße
verwendet.
10 𝑚2
𝐷𝑛,𝑒 = 𝐿1 − 𝐿2 + 10 lg 𝐴
dB (II.1.3)
Die bisherigen Kenngrößen beziehen sich ausschließlich auf das Trennbauteil, so dass für die
Praxis mit mehreren Schallausbreitungswegen zwischen Räumen in Gebäuden eine Erweite-
rung nötig ist, das so genannte Bau-Schalldämm-Maß
Die Schallübertragung von Bauteilen erfolgt generell durch Luft- oder Körperschallanregung in
einem Raum, anschließende Schallausbreitung (Luft- und/oder Körperschall) im Bauteil und
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schließlich Luftschallabstrahlung in einen anderen, z.B. benachbarten Raum. Diese Übertra-
gung ist aber in Gebäuden nicht nur über das direkt trennende Bauteil zwischen zwei Räumen
möglich, auch wenn dies sicher der naheliegende und oftmals auch bestimmende Übertra-
gungsweg ist. In Bild II.1.2 ist illustriert, dass auch die so genannten flankierenden Bauteile,
also Wände und Decken, angeregt werden. In diesen Bauteilen breitet sich Schall, meist Kör-
perschall, ebenfalls aus und ein Teil davon wird auch in den benachbarten Raum hinter dem
Trennbauteil abgestrahlt. Je nach konstruktiver Verbindung von Trennbauteil und flankieren-
den Bauteilen sind, wie in Bild II.1.2 gezeigt, insgesamt 13 Übertragungswege möglich:
𝐿𝑊1
𝑅′ = 10 lg 𝐿 dB mit LWn für die Übertragungswege Ff, Fd und Df (II.1.4)
𝑊2 +𝐿𝑊𝑛
An dieser Stelle sei erwähnt, dass in bauakustischen Prüfständen zur möglichst unbeeinfluss-
ten Ermittlung des Übertragungsweges Dd als bauteilspezifischer Eigenschaft die flankierende
Schallübertragung mit zum Teil erheblichem Aufwand unterdrückt wird, z.B. durch Entkopp-
lung der Sende- und Empfangsräume.
3
Schallquelle 4
1 Dd
2 Ff (4x)
3 Df (4x)
4 Fd (4x)
Bild II.1.2: Illustration der möglichen Schallübertragungswege durch ein Trennbauteil (direkt, D bzw.
d) und über die unterschiedlichen flankierenden Bauteile (F bzw. f)
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Über diese Schalldämm-Maße hinaus wird für Angaben zum (Luft-) Schallschutz mitunter auch
die Standard-Schallpegeldifferenz verwendet. Sie berücksichtigt die Nachhallzeit des Emp-
fangsraumes und schließt somit die zweifellos relevanten raumakustischen Verhältnisse mit
ein. In diesem Sinne repräsentiert sie den Schallschutz zwischen den Räumen, charakterisiert
aber nicht das Verhalten der Trennbauteile.
𝑇
𝐷𝑛𝑇,𝑤 = 𝐿1 − 𝐿2 + 10 lg 𝑇 dB (II.1.5)
0
Die Beziehung zwischen DnT,w und R’w lässt sich mit Gl. (I.4.70), d.h. mit der Nachhallzeit T
und dem Volumen VE des Empfangsraumes folgendermaßen herstellen:
𝑇 𝑆
𝐷𝑛𝑇,𝑤 − 10 lg 𝑇 = 𝐿1 − 𝐿2 = 𝑅𝑤′ − 10 lg 𝐴 dB (II.1.6)
0
𝑉
𝑆 0,16 𝐴𝐸 𝑆 0,5𝐴
𝐷𝑛𝑇,𝑤 = 𝑅′𝑤 − 10 lg 𝐴 + 10 lg 0,5
′
= 𝑅𝑤 − 10 lg (
𝐴 0,16𝑉𝐸
) dB
′ 𝑆
𝐷𝑛𝑇,𝑤 = 𝑅𝑤 − 10 lg (3,1 𝑉 𝑙0 ) dB mit l0 = 1 m
𝐸
Die Beziehung besagt also, dass der Schallschutz zwischen unterschiedlichen Räumen, die
durch das gleiche Trennbauteil mit dem Schalldämm-Maß R'w getrennt sind, zusätzlich von
der Nachhallzeit bzw. vom Volumen des Empfangsraumes abhängt.
Weitere Maße und Größen ergänzen das Angebot an Kenngrößen, z.B. speziell für flankie-
rende Bauteile die bewertete Norm-Flankenpegeldifferenz Dn,f,w. Außerdem können Zusatz-
bauteile, wie z.B. Vorsatzschalen vor Wänden, mit Verbesserungsmaßen wie R (gelesen:
Delta R) beschrieben werden.
Bezüglich des Schallschutzes gegenüber Außenlärm gilt für Außenbauteile ebenfalls das be-
wertete Schalldämm-Maß R'w, allerdings bei aus mehreren Bauteilen zusammengesetzten
Fassaden mit dem Zusatz Rw,res für die zusammengefasste Schalldämmung aller Einzelele-
mente. Auf dessen Definition bzw. Berechnung wurde bereits in Kap. I.5.4 eingegangen.
TRITTSCHALLSCHUTZ
Während beim (Luft-) Schallschutz trotz unterschiedlicher Kenngrößen immer eine Art Pe-
geldifferenz bzw. Schalldämmung beschrieben wird, erfolgt die Charakterisierung des Tritt-
schalls durch Pegelangaben. Das Besondere an diesen Pegelangaben ist, dass sie im Sen-
deraum z.B. auf einer Geschossdecke durch das so genannte Norm-Hammerwerk angeregt
und im Empfangsraum bestimmt werden. In Bild II.1.3 ist diese Situation schematisch darge-
stellt.
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Bild II.1.3: Illustration der Anregung (im Senderaum 1) und Messung (im Empfangsraum 2) von Tritt-
schall
𝐴
𝐿′𝑛 = 𝐿𝑖 + 10 lg 𝐴 dB (II.1.7)
0
Auch für den Trittschallpegel gibt es eine Bewertungsprozedur zur Bestimmung einer Einzahl-
angabe.
Auch beim Trittschallschutz können Zusatzbauteile, wie z.B. Deckenauflagen oder Bodenbe-
läge, mit Verbesserungsmaßen beschrieben werden. In diesem Fall handelt es sich um die
Trittschallminderung L (gelesen: Delta L) bzw. um die bewertete Trittschallminderung Lw
und damit um einen Wert mit dem Charakter einer „Schalldämmung“. Schließlich sei hier noch
erwähnt, dass Trittschallausbreitung nicht nur vertikal, sondern auch horizontal stattfindet.
GERÄUSCHPEGEL
Neben den Kenngrößen zum Luft- und Trittschallschutz werden auch Schallpegel verwendet,
um insbesondere Außenlärm und technische Geräuschquellen im Gebäude zu charakterisie-
ren. Der maßgebliche Außenlärmpegel La ist, vereinfacht gesagt, der mittlere Lärmpegel, der
tagsüber auf das betrachtete Außenbauteil einwirkt.
160
La maßgeblicher Außengeräuschpegel in dB, mitunter auch La,res oder La,ges,
Pegel für die Bemessung der Schalldämmung zum Schutz gegen Außengeräusche.
Seine Ermittlung erfolgt in der Regel rechnerisch und bei mehreren unterschiedlichen Lärm-
quellen, z.B. Straßen- und Schienenverkehr, werden zunächst die Pegel La,i der einzelnen
Quellen berechnet. Anschließend werden die Anteile dann energetisch addiert.
Zur Berechnung der verschiedenen Lärmarten sind Regelwerke (siehe auch Kap. II.3) heran-
zuziehen.
Straßenverkehr Schallschutz im Städtebau - DIN 18005-1 (2002), Richtlinie für den Lärm-
schutz an Straßen - RLS (1990, 2019)
Schienenverkehr Schallschutz im Städtebau - DIN 18005-1 (2002), Berechnung des Beur-
teilungspegels für Schienenwege - Schall 03 (2014)
Wasserverkehr Schallschutz im Städtebau - DIN 18005-1 (2002)
Fluglärm Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (2007)
Gewerbelärm Tages-Immissionsrichtwerte gemäß Bebauungsplan
Sind Gewerbebetriebe baulich z.B. mit Wohngebäuden verbunden, wird zur Kennzeichnung
der davon ausgehenden Geräusche der Beurteilungspegel Lr, herangezogen.
Lr Beurteilungspegel in dB,
Maß für die Stärke der Schallbelastung innerhalb der Beurteilungszeit Tr. Der Beur-
teilungspegel setzt sich zusammen aus dem äquivalenten Dauerschallpegel Leq und
Zuschlägen, z.B. für Impulshaltigkeit und Tonalität. Er leitet sich aus vorgegebenen
Schallimmissionsrichtwerten her.
Für haustechnische Anlagen (z.B. Heizung, Lüftung) und Installationen (Sanitär- und Abwas-
serinstallationen) dient der Pegelwert LAF als Kenngröße.
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Er wird im Vergleich zum Grundgeräuschpegel LAF,95 betrachtet, der zum Ausdruck bringt, wie
laut es in Aufenthaltsräumen infolge ihrer Nutzung ohne gebäudebezogene Geräuschquellen
ist. Als eine relevante Größenordnung wird ein LAF,95 ≥ 40 dB angesehen.
Eine besondere Größe, der Armaturengeräuschpegel Lap, wurde für alle Arten von Wasserar-
maturen (z.B. Auslaufarmaturen, Duschköpfe, Spülkästen) festgelegt.
ANFORDERUNGEN
Die Kenngrößen zur bauakustischen Charakterisierung eines Gebäudes umfassen damit eine
Vielzahl von Pegeldifferenzen (nicht direkt wahrnehmbar) und verschiedenartig bewerteten
Schallpegeln (teils direkt, teils indirekt wahrnehmbar), wie in Bild II.1. schematisch dargestellt.
mittlerer resultierender
Zielgröße im Raum Gesamtschalldruckpegel
eines Gebäudes
Da jedoch ein mittlerer resultierender Gesamtgeräuschpegel nicht definiert wird, eignet sich
das System in dieser Form weder insgesamt noch im Detail für eine wirkungs-, nutzungs- und
gebäudebezogene Klassifizierung, die auch für Menschen im Gebäude nachvollziehbar ist.
Umso mehr kommt es auf eine verlässliche Planung, Ausführung und Kommunikation der
akustischen Gebäudequalität durch die Fachleute an.
Die hierzulande gültigen Anforderungen sind als gesetzliche Mindestwerte in der DIN 4109
(Teil 1) angegeben. Sie beziehen sich größtenteils auf die Kenngrößen R'w und L'n,w (früher
mit einem „erf.“ für „erforderlich“ markiert) sowie LAF,max,n und La. So gelten z.B. für die Luft-
162
und Trittschalldämmung zwischen fremden Nutzungseinheiten (z.B. Wohnungen, Büros, Arzt-
praxen) in Gebäuden mit Wohn- oder Arbeitsbereichen die Anforderungswerte nach Tabelle
II.1.1.
Tabelle II.1.1: Anforderungen nach DIN 4109-1 (dort Tab. 2) an die Luft- und Trittschalldämmung in
Mehrfamilienhäusern, Bürogebäuden und in gemischt genutzten Gebäuden
Bauteile Anforderungen
R'w in dB L'n,w in dB
Decken
Decken unter allgemein nutzbaren Dachräumen, z.B. Trockenböden, Abstellräu-
≥ 53 ≤ 52
men und ihren Zugängen
Wohnungstrenndecken (auch Treppen) ≥ 54 ≤ 50
Trenndecken (auch Treppen) zwischen fremden Arbeitsräumen bzw. vergleich-
≥ 54 ≤ 53
baren Nutzungseinheiten
Decken über Kellern, Hausfluren, Treppenräumen unter Aufenthaltsräumen ≥ 52 ≤ 50
Decken über Durchfahrten, Einfahrten von Sammelgaragen und ähnliches
≥ 55 ≤ 50
unter Aufenthaltsräumen
Decken unter/über Spiel- oder ähnlichen Gemeinschaftsräumen ≥ 55 ≤ 46
Decken unter Terrassen und Loggien über Aufenthaltsräumen ≤ 50
Decken unter Laubengängen ≤ 53
Decken und Treppen innerhalb von Wohnungen, die sich über zwei Geschosse
≤ 50
erstrecken
Decken unter Bad und WC ohne/mit Bodenentwässerung ≥ 54 ≤ 53
Decken unter Hausfluren ≤ 50
Treppen
Treppenläufe und -podeste ≤ 53
Wände
Wohnungstrennwände und Wände zwischen fremden Arbeitsräumen ≥ 53
Treppenraumwände und Wände neben Hausfluren ≥ 53
Wände neben Durchfahrten, Sammelgaragen, einschließlich Einfahrten ≥ 55
Wände von Spiel- oder ähnlichen Gemeinschaftsräumen ≥ 55
Schachtwände von Aufzugsanlagen an Aufenthaltsräumen ≥ 57
Türen
Türen, die von Hausfluren oder Treppenräumen in geschlossene Flure und Die-
≥ 27
len von Wohnungen und Wohnheimen oder von Arbeitsräumen führen
Türen, die von Hausfluren oder Treppenräumen unmittelbar in Aufenthaltsräume
≥ 37
- außer Flure und Dielen - von Wohnungen führen
Bei an sich gleicher Nutzung, aber anderer, insbesondere höherwertiger baulicher Ausführung
sieht die Norm auch höhere Anforderungen vor. Den Vergleich z.B. zwischen Wohnungen in
einem mehrgeschossigen Gebäude und Reihen- bzw. Doppelhäusern ermöglicht Tabelle
II.1.2. Die einzuhaltenden Anforderungen orientieren sich also nicht nur am nötigen, sondern
auch am möglichen Schallschutz.
163
Tabelle II.1.2: Anforderungen nach DIN 4109-1 (dort Tab. 3) an die Luft- und Trittschalldämmung
zwischen Einfamilien-Reihenhäusern und zwischen Doppelhäusern
Bauteile Anforderungen
R'w in dB L'n,w in dB
Decken
Decken ≤ 41
Bodenplatte auf Erdreich bzw. Decke über Kellergeschoss ≤ 46
Treppen
Treppenläufe und -podeste ≤ 46
Wände
Haustrennwände zu Aufenthaltsräumen, die im untersten Geschoss (erdberührt
≥ 59
oder nicht) eines Gebäudes gelegen sind
Haustrennwände zu Aufenthaltsräumen, unter denen mindestens 1 Geschoss
≥ 62
(erdberührt oder nicht) des Gebäudes vorhanden ist
Eine weitere Unterscheidung der normativen Anforderungen betrifft die Nutzung. So enthält
Tabelle II.1.3 die Werte für Hotels und dergleichen. Dort sind einerseits andere Nutzungsbe-
reiche möglich, wie z.B. Schwimmbäder. Andererseits wird aus wirtschaftlichen Erwägungen
mancher Anforderungswert gegenüber Wohngebäuden reduziert. Inwieweit dies den Erwar-
tungen der Hotelgäste im Kontext der unterschiedlichen Qualitätsversprechen (z.B. Ho-
telsterne-Klassifizierung) entspricht, bleibt offen. Weitere nutzungsbezogene Anforderungen
betreffen Krankenhäuser, Schulen und dergleichen.
Tabelle II.1.3: Anforderungen nach DIN 4109-1 (dort Tab. 4) an die Luft- und Trittschalldämmung in
Hotels und Beherbergungsstätten
Bauteile Anforderungen
R'w in dB L'n,w in dB
Decken
Decken, einschließlich Decken unter Fluren ≥ 54 ≤ 50
Decken unter/über Schwimmbädern, Spiel- oder ähnlichen Gemeinschaftsräu-
≥ 55 ≤ 46
men zum Schutz gegenüber Schlafräumen
Decken unter Bad und WC ohne/mit Bodenentwässerung ≥ 54 ≤ 53
Treppen
Treppenläufe und -podeste ≤ 58
Wände
Wände zwischen Übernachtungsräumen sowie Fluren und Übernachtungsräu-
≥ 47
men
Türen
Türen zwischen Fluren und Übernachtungsräumen ≥ 32
164
Außenfläche (z.B. Wand- und Fensterfläche) eines Raumes SS zur Grundfläche des Raumes
SG mit einem Korrekturfaktor KAL zu korrigieren ist.
𝑆
𝐾𝐴𝐿 = 10 lg 0,8𝑆𝑆 (II.1.9)
𝐺
Tabelle II.1.4: Anforderungen nach DIN 4109-1 (dort Tab. 7) an die Schalldämmung zwischen Außen
und Räumen in Gebäuden
Nutzungsarten
Bettenräume in Aufenthaltsräume in Wohnun- Büroräume und
Krankenhäusern gen, Hotels, Schulen dergleichen
Lärmpegelbereich La in dB R'w,ges in dB des Außenbauteils
I bis 55 35 30
II 56 bis 60 35 30 30
III 61 bis 65 40 35 30
IV 66 bis 70 45 40 35
V 71 bis 75 50 45 40
VI 76 bis 80 * 50 45
VII > 80 * * 50
* Die Anforderungen sind hier aufgrund der örtlichen Gegebenheiten fest-
zulegen.
Damit bleiben noch die Anforderungen an die Geräusche von haustechnischen Anlagen und
Installationen, die in Tabelle II.1.5 nutzungsorientiert wiedergegeben sind.
Tabelle II.1.5: Anforderungen nach DIN 4109-1 (dort Tab. 9) an die Werte von LAF,max,n und Lr in
fremden schutzbedürftigen Räumen, erzeugt von haustechnischen Anlagen und bau-
lich mit dem Gebäude verbundenen Betrieben
Sanitärtechnik/Wasserinstallationen (Wasserversor-
LAF,max,n ≤ 30 LAF,max,n ≤ 35
gungs- und Abwasseranlagen gemeinsam)
165
Obgleich es sich teilweise um nicht zu überschreitende Maximalwerte handelt, werden z.B.
einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen, die beim Betätigen (Öffnen, Schließen, Umstellen, Un-
terbrechen) der Armaturen und Sanitärinstallationen entstehen, nicht berücksichtigt. Dieses
Defizit ist unverständlich, da diese Geräusche natürlich zu Aufwachreaktionen und dergleichen
führen können. Es gilt auch für Armaturen und die Anforderungen an den Armaturengeräusch-
pegel in Tabelle II.1.6.
Tabelle II.1.6: Anforderungen nach DIN 4109-1 (dort Tab. 9) an Armaturen und Geräte der Trink-
wasser-Installation
SPEKTRUM-ANPASSUNGSWERTE
Eine weitere Option zur Festlegung von Anforderungen ergibt sich aus der Verwendung und
Berechnung bauakustischer Einzahlangaben, wie z.B. dem Rw. In Kap. I.5.4 wurde die Bewer-
tungsprozedur vorgestellt und zugleich die begrenzte Aussagekraft angesprochen. Das be-
wertete Schalldämm-Maß bereitet diverse Probleme, da
− der zur Bewertung herangezogene Frequenzbereich (100 bis 3150 Hz) eingeschränkt ist
und maßgebende Geräuschanteile ausklammern kann.
− die Bewertungskurve auf Wohngeräusche zugeschnitten und als Maßstab für Außenbau-
teile ungeeignet ist.
− Einbrüche in der Schalldämmkurve nur unzureichend erfasst werden.
Der Vergleich in Bild II.1.5 für Außenwandkonstruktionen in Massiv- und Leichtbauweise zeigt,
dass die Schallschutzwirkung insbesondere leichter mehrschaliger Außenbauteile durch das
Rw erheblich überschätzt wird. Zur Behebung dieses Problems wurden nicht nur für Außenge-
räusche so genannte Spektrum-Anpassungswerte (CFrequenzbereich) definiert, und zwar:
166
Bei den Ctr-Werten steht das „tr“ im Index für „Traffic“, sie sind für Fenster und andere Außen-
bauteile heranzuziehen, möglichst stets für den vollen Frequenzbereich von 50 bis 5000 Hz.
Um C und Ctr für die Bauteile anzugeben, sind auch keine zusätzlichen Messungen erforder-
lich. Die Ermittlung erfolgt auch nachträglich rechnerisch aus den vorhandenen Schalldämm-
kurven.
Bei Fenstern und anderen mehrschaligen Außenbauteilen sind die Werte von Ctr,50-5000 immer
kleiner 0, so dass die Schalldämmung anhand der Summe (Rw + Ctr,50-5000) immer kleiner als
der Rw-Wert ist. Für das Beispiel in Bild II.1.5 bedeutet das, bei gleichem Rw von 45 dB unter-
scheiden sich die Konstruktionen durch Rw + Ctr,50-5000 = 42 dB für die Massivwand und Rw +
Ctr,50-5000 = 31 dB für die mehrschalige Holzwand. Dieser Unterschied insbesondere bei tiefen
Frequenzen ist auch subjektiv wahrnehmbar.
70
Holzwand, 2-schalig
60
Schalldämm-Maß [dB]
50 Rw
40
Massivwand, einschalig
30
20
10
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.5: Schematischer Vergleich der Schalldämmung von zwei Bauteilen mit unterschiedlicher
Konstruktion und frequenzabhängigem Schalldämm-Maß, aber gleichem bewerteten
Schalldämm-Maß Rw = 45 dB.
Die nach DIN EN ISO 717-1 zur Bewertung mit den Spektrum-Anpassungswerten C50-5000 und
Ctr,50-5000 heranzuziehenden Schallpegel sind im Vergleich zur Bezugskurve für das bewertete
Schalldämm-Maß in Bild II.1.6 dargestellt. Es wird deutlich, dass der zu tiefen Frequenzen
erweiterte Bewertungsbereich eine stärkere Berücksichtigung derartiger Verkehrsgeräusche,
z.B. verursacht durch den Lkw-Anteil, mit sich bringt. Dies führt zu einem typischen Ctr-Wer-
tebereich zwischen -11 dB und -3 dB für Isolierglasscheiben (Zwei- und Dreifachverglasun-
gen).
167
0 60
Rw
-10 50
Ctr
Schallpegel [dB] -20 40
-30 30
C
-40 20
-50 10
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.6: Für die Bewertung mit den Spektrum-Anpassungswerten C50-5000 und Ctr,50-5000 heranzu-
ziehende Schallpegel (linke y-Achse) im Vergleich zur Bezugskurve (rechte y-Achse) für
das bewertete Schalldämm-Maß.
Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass auch für den Trittschallpegel ein Spekt-
rum-Anpassungswert CI definiert wurde. Er ist zur Einzahlangabe L'n,w zu addieren, um den
unbewerteten Trittschallpegel zu berücksichtigen und so die Merkmale typischer Gehge-
räuschspektren (also nicht die Geräusche des Norm-Hammerwerks) darzustellen.
II.1.2. Luftschalldämmung
168
Bild II.1.7: Beispielhafte massive Bauteile
Oben: Wandbauteile aus Beton, Mauerwerk, Loch- oder Verfüllsteinen, jeweils beidseitig
verputzt und gegebenenfalls mit elastischer Unterlage (links, unter dem Wandbauteil, z.B.
als Randstreifen bei Gips-Wandbauplatten) zur Entkopplung
Unten: Beton-Deckenbauteile als Voll-, Hohl- oder Stegplatten mit Bodenbelag
Trotz dieser Struktur- und Materialeigenschaften wird das spektrale Schalldämmverhalten von
der Massenträgheit (ausgedrückt durch die flächenbezogene Masse) und dem Einfluss der
Koinzidenz bestimmt.
Die Mechanismen für einschalige Bauteile lassen sich anhand der schematischen Darstellung
in Bild II.1.8 zusammenfassen. Dabei liegen Platten- bzw. Biegeeigenschwingungen überwie-
gend bei sehr tiefen Frequenzen unterhalb des rechnerisch und messtechnisch ausgewerteten
Bereichs. Relevante Einflussfaktoren sind neben der Dicke, Dichte und Biegesteifigkeit das
Plattenformat, die seitlichen Einspannbedingungen und in gewissem Maße auch die Verlust-
faktoren.
169
Bild II.1.8: Frequenzbereiche, zugrundliegende Phänomene der und Einflussfaktoren auf die Schall-
dämmung einschaliger Bauteile
Für die masse-bedingte Schalldämmung sind die flächenbezogenen Massen m“ wie folgt zu-
sammenzufassen:
′′ ′′ ′′
𝑚𝑔𝑒𝑠 = 𝑚𝑊𝑎𝑛𝑑 + 𝑚𝑃𝑢𝑡𝑧 (II.1.10)
10000
Koinzidenzfrequenz [Hz]
1000
100
Stahl
Glas
10 Beton
GKB-Platten
Spanplatten
Porenbeton
1
0,001 0,01 0,1 1
Dicke [m]
170
Ein Blick auf massive Bauteile, z.B. aus Beton, in Bild II.1.9 verdeutlicht die niedrigen Werte
der Koinzidenzfrequenzen einschaliger Wandkonstruktionen, meist unterhalb von 250 Hz. Für
die Abschätzung der frequenzabhängigen Schalldämmung massiver einschaliger Bauteile
lässt sich damit ein vereinfachtes Modell verwenden. Sein Hintergrund beruht auf einer Aus-
wertung theoretischer Erkenntnisse und praktischen Ergebnisse, nach der zwischen zwei Fre-
quenzbereichen unterschieden wird. Unterhalb der Frequenz fP (fP ist nicht identisch mit der
Koinzidenzfrequenz) wird von einer konstanten Schalldämmung mit dem Wert RP ausgegan-
gen. Oberhalb dieses Plateaus schließt sich eine ansteigende Gerade mit einer Steigung von
ca. 7,5 dB je Oktave an. Die Frequenz fP und das Schalldämm-Maß RP hängen von der flä-
chenbezogenen Masse m“ der Wand ab. Die Berechnungsformeln für die Schalldämmung
lauten:
mit
2
𝑚′′ 𝑚′′
𝑅𝑃 = 𝐴𝑅 (lg 1𝑘𝑔/𝑚2 ) + 𝐵𝑅 (lg 1𝑘𝑔/𝑚2 ) + 𝐶𝑅 dB (II.1.12)
2
𝑚′′ 𝑚′′
𝑓𝑃 = 𝐴𝑓 (lg 1𝑘𝑔/𝑚2 ) − 𝐵𝑓 (lg 1𝑘𝑔/𝑚2) + 𝐶𝑓 Hz (II.1.13)
Die Berechnungsformel ist für Wände mit einer flächenbezogenen Masse zwischen 100 kg/m2
und 500 kg/m2 anwendbar, wobei für die Größen AR bis CR und Af bis Cf ein gewisser Anpas-
sungsspielraum besteht. Dann stellt sie trotz ihrer Einfachheit in vielen Fällen eine zutreffende
Näherung dar. Auch das aus dem Frequenzverlauf ermittelte bewertete Schalldämm-Maß
stimmt zumeist gut mit den gebräuchlichen Massekurven überein. Zwei Beispiele der mit der
Formel berechneten Schalldämmkurven sind in Bild II.1.10 wiedergegeben und Messwerten
gegenübergestellt.
171
80
m" = 150 kg/m²
m" = 300 kg/m²
70
Schalldämm-Maß [dB] 60
50
40
30
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.10: Berechnete Schalldämmkurven für 2 Massivwände (unterschiedliche Materialien und flä-
chenbezogene Massen) im Vergleich zu Messwerten
Das bewertete Schalldämm-Maß Rw von Beton und Mauerwerk aus Betonsteinen, Kalksand-
steinen, Mauerziegeln und Verfüllsteinen wird nach DIN 4109-32 wie folgt berechnet
𝑚′′
𝑅𝑤 = 30,9 lg 1𝑘𝑔/𝑚2 − 22,2 dB (II.1.14)
70
Bewertets Schalldämm-Maß [dB]
60
50
Beton usw.
Porenbeton
40
30
10 100 1000
Flächenbezogene Masse [kg/m²]
Bild II.1.11: Bewertetes Schalldämm-Maß für 2 Typen von Massivbauteilen in Abhängigkeit von deren
flächenbezogener Masse.
172
Gl. (II.1.14) gilt für flächenbezogene Massen zwischen 65 kg/m2 und 720 kg/m2. Die Werte für
Leichtbeton (140 kg/m2 < m'' < 480 kg/m2) liegen etwa 2 dB darunter. Eine etwas andere For-
mel ist für Porenbeton (50 kg/m2 < m'' < 150 kg/m2) zu verwenden:
𝑚′′
𝑅𝑤 = 32,6 lg 1𝑘𝑔/𝑚2 − 22,5 dB (II.1.15)
Zweifellos bietet die gebaute Praxis noch eine ganze Reihe weiterer Wandkonstruktionen, ge-
legentlich sogar Neuentwicklungen mit innovativem Charakter. Im Wesentlichen folgt aber de-
ren Schalldämmverhalten den hier bislang vorgestellten Effekten und Bemessungswerte für
die Planung beruhen nahezu ausschließlich auf Messwerten.
Um alle wärme- und schalltechnischen sowie weiteren Anforderungen (Statik, Ästhetik usw.)
zu erfüllen, werden viele massive einschalige Wand- und Deckenkonstruktionen um zusätzli-
che Schichten ergänzt. In Bild II.1.12 sind einige Beispiele dargestellt, wie mehrschalige
Trennwände insbesondere bei Doppel- und Reihenhäusern mit deutlich höherer Schalldäm-
mung (siehe auch Tabelle II.1.2). Massive Wände erhalten mitunter auch so genannte Vor-
satzschalen zur Verbesserung des Schall- und Wärmeschutzes (Innendämmung) etwa bei
Gebäudesanierungen. Und schließlich bilden auch die weit verbreiteten Wärmedämm-Ver-
bundsysteme auf massiven (Außen-) Wänden mehrschalige Systeme, wenn auch nicht mit
akustischer Intention verbunden. Ganz ähnlich verhält es sich mit den mehrschaligen Decken-
bauteilen, wobei hier die Vorsatzkonstruktionen schwimmender Estrich und Unterdecke hei-
ßen und neben der schalltechnischen Verbesserung Platz für die verborgene Verlegung von
Installationen (z.B. Heizung, Lüftung) bieten.
173
Bild II.1.12: Mehrschalige Konstruktionen mit massiven Bauteilen
Oben: Doppelschalige massive Trennwand (Links), massive Wand mit Vorsatzkonstruk-
tion z.B. als Innendämmung (Mitte) und Wand mit Wärmedämm-Verbundsystem (Rechts)
Unten: Mehrschalige massive Deckenkonstruktionen mit schwimmendem Estrich und
unterschiedlichen Unterdecken (links: direkt verbunden, rechts: abgehängt)
All diesen Systemen aus Massivbauteil(en) und Vorsatzkonstruktion(en) gemeinsam ist die
Eigenschaft, dass die Wände bzw. Schalen durch eine Dämmschicht, mitunter zusätzlich
durch eine Luftschicht (z.B. bei Vorhangfassaden), voneinander getrennt sind. Dadurch wer-
den Sie akustisch zu zwei- bzw. mehrschaligen Bauteilen, deren akustisches Funktionsprinzip
bereits in Kap. I.5 angesprochen und vorgestellt wurden. Die zentralen akustischen Merkmale
sind zur Erinnerung nochmals in Bild II.1.13 illustriert und kommentiert.
Bild II.1.13: Frequenzbereiche, zugrundliegende Phänomene der und Einflussfaktoren auf die Schall-
dämmung zweischaliger Bauteile
174
In erster Näherung liegt das akustische Übertragungsverhalten eines Masse-Feder-Masse-
Resonanzsystems aus Wand, Dämmschicht und Vorsatzkonstruktion zugrunde. Dies zeigt
sich an der geringen Schalldämmung im Bereich der Resonanzfrequenz f R des Systems. Eine
Möglichkeit zu deren Berechnung bezieht die beiden flächenbezogenen Massen m“ und die
dynamische Steifigkeit s‘ (N/m3) der Schicht ein. Letztere ergibt sich aus dem Quotient aus
Elastizitätsmodul E und Schichtdicke t.
𝐸
𝑠′ = 𝑡
(II.1.16)
1 1
𝑓𝑅 = 2𝜋 √𝑠 ′ (𝑚′′ + 𝑚′′ )
1
(II.1.17)
1 2
und bei einem luftgefüllten Hohlraum der Dicke t0 gilt analog zu Gl. (I.5.70):
1 𝜌0 𝑐02 1 1 (II.1.18)
𝑓𝑅 = 2𝜋 √ 𝑡0
(
𝑚1′′
+
𝑚2′′
)
Oberhalb der Resonanz steigt die Schalldämmung mit der Frequenz, wobei dieser Anstieg
zwischen theoretisch möglichen 18 dB/Oktave (vollständig getrennte Schalen, elastische und
absorbierende Dämmstoffe) und vielfach realistischen 6 dB/Oktave (mechanische Verbindung
der Schalen über Befestigungselemente, steife Dämmstoffe) liegt. Schließlich kommen noch
die Koinzidenzeffekte der Wand und der Vorsatzkonstruktion hinzu (siehe Bild II.1.13), wobei
sich ihre Koinzidenzfrequenzen (siehe Gl. (I.4.19) ff. in Kap. I.4) aufgrund der unterschiedli-
chen Masse und Biegesteifigkeit deutlich unterscheiden kann. Die im Zwischenraum mögli-
chen Hohlraumresonanzen, so genannte „stehende Wellen“, bleiben größtenteils ohne Ein-
fluss, wenn der Zwischenraum mit Dämmstoff gefüllt ist.
Aus dem Vergleich der Schalldämm-Maße von ein- und zweischaligen Bauteilen lässt sich die
erwartete Veränderung bzw. Verbesserung R einer einschaligen Wand durch Vorsatzkon-
struktionen ableiten, sowohl in frequenzabhängiger Form
Der auf theoretischen Überlegungen und zahlreichen Messungen beruhende prinzipielle Ver-
lauf dieser Verbesserung ist in Bild II.1.13 dargestellt. Im Bereich der Resonanzfrequenz wird
danach die Schalldämmung der Gesamtkonstruktion unter dem Schalldämm-Maß des ein-
schaligen Bauteils allein liegen. Diese Verschlechterung bei meist tiefen Frequenzen kann bei
Außenbauteilen und tieffrequentem Verkehrslärm (z.B. durch hohen Lkw-Anteil) sogar hörbar
175
sein. Oberhalb der Resonanzfrequenz des zweischaligen Systems tritt die erwartete Verbes-
serung ein, sie ist ebenfalls hörbar. Insbesondere aus messtechnischen Untersuchungen
ergibt sich, dass bei höheren Frequenzen die Verbesserung nicht weiter steigt, erkennbar am
„Abknicken“ der Kurve in Bild II.1.14. Im Zuge der Modellierung wurde daher eine so genannte
Knick-Frequenz fK zur Beschreibung dieses Verhaltens definiert.
Zusammenfassend lässt sich die Verbesserung der Schalldämmung einer Massivwand durch
eine Vorsatzschale in Abhängigkeit von der Frequenz wie folgt beschreiben:
f < ½ fR Bei Frequenzen (weit) unterhalb der Resonanz schwingen Wand und Vorsatz-
schale als starres Gebilde. Die Vorsatzschale wirkt als Beschwerung der Grund-
wand und für ΔR gilt:
𝑚′′𝑊𝑎𝑛𝑑 +𝑚′′𝑉𝑜𝑟𝑠𝑎𝑡𝑧𝑠𝑐ℎ𝑎𝑙𝑒
∆𝑅 = 10 lg ( ) dB (II.1.21)
𝑚′′𝑊𝑎𝑛𝑑
Wenn die Vorsatzschale deutlich leichter als die Wand ist, kann diese Erhöhung
in der Praxis vernachlässigt werden.
½ fR < f < fR Im Bereich der Resonanzfrequenz schwingen Wand und Vorsatzschale gegen-
phasig und mit großer Amplitude, so dass eine Verschlechterung der Schall-
dämmung eintritt (ΔR < 0). Sie hängt von den inneren Verlusten des schwin-
genden Systems ab und wird mit zunehmender Dämpfung geringer. Mit einer
176
Unterscheidung in freistehende Vorsatzschalen und Verbundsysteme beruht
eine Abschätzung auf der Relation:
f R < f < fK Oberhalb der Resonanzfrequenz steigt die Verbesserung der Schalldämmung
theoretisch mit 12 dB/Oktave an. In der Praxis fällt der Anstieg zumeist etwas
schwächer aus. Dies gilt insbesondere für stark gedämpfte Systeme. Bei der
Abschätzung der Werte für R ist frequenzbezogen der jeweilige Maximalwert
der Berechnung mit Gl. (II.1.22) und der mit folgender Gleichung heranzuzie-
hen:
4𝜋𝜌0 𝑐0 𝑓
∆𝑅 = 𝑅𝑉𝑜𝑟𝑠𝑎𝑡𝑧𝑠𝑐ℎ𝑎𝑙𝑒 + 20 lg ( ) dB (II.1.23)
𝑠′
Die dafür nötigen Werte für das Schalldämm-Maß der Vorsatzschale (allein)
können entweder auf Messergebnissen beruhen oder mit der Formel für das
Massegesetz berechnet werden.
f > fK Bei hohen Frequenzen stagniert die Verbesserung der Schalldämmung, mitun-
ter nimmt die Verbesserung sogar wieder ab. Die Frequenz fK, bei der dies un-
gefähr eintritt, lässt sich wie folgt abschätzen
′′
4 𝑡 𝑚𝑉𝑜𝑟𝑠𝑎𝑡𝑧𝑠𝑐ℎ𝑎𝑙𝑒
𝑓𝐾 = 3,9𝑓𝑅 √ 𝑡𝑜 ′′ mit t0 = 1 m (II.1.24)
𝑚𝑊𝑎𝑛𝑑
4𝜋𝜌0 𝑐0 𝑓 𝑓
∆𝑅 = 𝑅𝑉𝑜𝑟𝑠𝑎𝑡𝑧𝑠𝑐ℎ𝑎𝑙𝑒 + 20 lg ( ) − 33 lg (𝑓 ) dB (II.1.25)
𝑠′ 𝐾
Bereits in Kap. I.5.4 wurde auf den Einfluss der vielfach konstruktiv notwendigen Verbindungs-
elemente zwischen den Schalen hingewiesen. Dieser Einfluss sei hier nochmals am Beispiel
der Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) und der zur Befestigung des Dämmstoffes an der
Wand verwendeten Dübel aufgegriffen. In Bild II.1.15 sind Messwerte dargestellt, die den Ef-
fekt auf das Schalldämm-Maß verdeutlichen.
177
90
Schalldämm-Maß [dB]
70
60
50
40
Wand ohne WDVS (Rw = 53 dB)
30
20
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.15: Messwerte zur Schalldämmung einer Wand (Kalksand-Vollsteine, m“ = 350 kg/m2) ohne
WDVS im Vergleich zu den Schalldämm-Maßen mit WDVS bzw. mit und ohne Dämm-
stoffdübel (6 Dübel pro m 2)
Die Dübel stellen so genannte Schallbrücken zwischen Putzschicht und Wand dar, die unter-
halb der Resonanzfrequenz kaum eine Änderung bewirken, da hier auch die Dämmschicht als
akustisch starr anzusehen ist. Im Bereich der Resonanz werden die Schwingungen der nun
stärker angekoppelten Putzschicht etwas gebremst und der Einbruch der Schalldämmung re-
duziert. Besonders bedeutsam ist die geringere Verbesserung der Schalldämmung bei Fre-
quenzen oberhalb der Resonanz infolge der verstärkten Schallübertragung über die Dübel.
Neben den Dübeln gibt es aber noch weitere Einflussgrößen auf das akustische Verhalten von
WDVS, die in der folgenden Formel
als Korrekturwerte für die Verdübelung (KD), für den Flächenanteil der Verklebung (KK), den
Strömungswiderstand der Dämmung (KS , als Ausdruck der Hohlraumdämpfung) und auch für
die Art der Wand (KW) berücksichtigt werden. Darin ist der Wert Rw,WDVS die Verbesserung
unter Standardbedingungen, d.h. keine Dübel, 40% Klebefläche und eine Wand mit Rw = 53
dB.
Die Korrekturwerte können fallspezifisch den folgenden Tabellen entnommen werden, wobei
KD und KW von der Resonanzfrequenz nach Gl. (II.1.7) abhängen.
178
Tabelle II.1.7: Korrekturwerte (Rw,WDVS – KD) zur Bestimmung der bewerteten Verbesserung des
Schalldämm-Maßes nach Gl. (II.1.26)
Tabelle II.1.8: Korrekturwerte KK zur Bestimmung der bewerteten Verbesserung Rw des Schall-
dämm-Maßes nach Gl. (II.1.26)
Tabelle II.1.9: Korrekturwerte KS zur Bestimmung der bewerteten Verbesserung Rw des Schall-
dämm-Maßes nach Gl. (II.1.26) mit dem längenbezogenen Strömungswiderstand r
und nur für Mineralfaser (MF) – Dämmstoffe
r in kPa s/m² 10 15 20 25 30 35 40
KS in dB für MF-Putzträgerplatten 3 2 2 1 0 0 -1
KS in dB für MF-Lamellenplatten 6 4 2 0 -2 -4 -6
179
Tabelle II.1.10: Korrekturwerte KW zur Bestimmung der bewerteten Verbesserung des Schalldämm-
Maßes nach Gl. (II.1.26)
Korrekturwerte KW in dB in Abhängigkeit
Resonanzfrequenz vom bewerteten Schalldämm-Maß Rw der Wand
43 - 45 46 - 48 49 - 51 52 - 54 55 - 57 58 - 60
fR 54 Hz -11 -7 -4 0 4 7
54 Hz fR 75 Hz -10 -6 -3 0 3 6
75 Hz fR 104 Hz -8 -5 -3 0 3 5
104 Hz fR 145 Hz -6 -4 -2 0 2 4
145 Hz fR 200 Hz -4 -3 -1 0 1 3
200 Hz fR 280 Hz -2 -2 -1 0 1 2
280 Hz fR 390 Hz -1 0 0 0 0 0
390 Hz fR 540 Hz 1 1 0 0 0 -1
540 Hz fR 2 1 1 0 -1 -1
Gerade anhand der Tabelle II.1.10 wird erkennbar, dass die zweifellos thermisch wertvolle
und daher sehr verbreitete Vorsatzkonstruktion WDVS schalltechnisch jedenfalls nicht immer
und nicht uneingeschränkt Vorteile mit sich bringt. Dies gilt auch für Innendämmungen, wie sie
z.B. bei der energetischen Sanierung häufig zum Einsatz kommt. Für eine bauphysikalisch
ganzheitliche Verbesserung ist daher grundsätzlich eine auch schalltechnisch detaillierte Ana-
lyse und Planung angebracht, um hörbare Defizite zu vermeiden.
Im Vergleich zu massiven bzw. schweren Wänden und Decken werden leichte – meist nicht-
tragende – Wand-, Decken- und auch Dachkonstruktionen praktisch nahezu ausschließlich
mehrschalig eingesetzt. Abgesehen von der Verwendung als leichte Vorsatzkonstruktionen
sind sie Teil des Innenausbaus, wie z.B. Gipskartonbau-Platten (GKB-Platten), Gipsfaser-Plat-
ten und zahlreiche Varianten von Holzwerkstoff-Platten. In Bürogebäuden kommen noch Glas-
wände hinzu, die auch einschalig sein können.
180
Bild II.1.16: Beispielhafte leichte Wandkonstruktionen
Oben: Beplankte Ständerwände mit Metall- und Holzständern, unterschiedlicher Füllung
des Hohlraums mit Dämmstoff sowie gegebenenfalls mit elastischer Unterlage (links, un-
ter dem Wandbauteil) zur Entkopplung
Unten: Möglichkeiten zur Erhöhung der Schalldämmung durch doppelte Beplankung so-
wie getrennte Metall- und Holzständer
181
Tabelle II.1.11: Bewertete Schalldämm-Maße Rw nach DIN 4109-33 (dort Tab. 2) von Metallständer-
wänden mit Gipsplatten (nach DIN 18183-1) und Dämmschichten aus Mineralwolle
Natürlich kamen und kommen immer wieder neue oder modifizierte leichte Wandkonstruktio-
nen auf den Markt, z.B. mit anderen Plattendicken und -dichten, modifizierten Ständern sowie
Boden- und Randanschlusselementen. Dadurch bleibt für die Auswahl und Planung dieser
Bauteile neben dem Fundus in der DIN 4109 fast nur der Blick in Produktunterlagen bzw.
bauakustische Prüfzeugnisse. Ein großer Variantenreichtum trifft auch auf Holzständerwände,
alle Arten von Holzdecken und Dachkonstruktionen zu. Am Beispiel einer Holzbalkendecke
ohne und mit zusätzlichen Bauteilen, wie Estrich und Unterdecke, ist gut vorstellbar, wie viele
Variationsmöglichkeiten bestehen (siehe Bild II.1.17). Allein die angebotenen Estrich-Sys-
teme, bestehend aus Estrich- und Dämmschicht, aber auch die Hohlraumfüllungen (Dämm-
stoffe, Beschwerungen usw.) sind überaus vielgestaltig.
182
Ein Verfahren zur frequenzabhängigen Berechnung sei hier dennoch vorgestellt. Es teilt den
bauakustisch relevanten Frequenzbereich in 4 Abschnitte: Die Bereiche tiefer und hoher Fre-
quenzen sowie die Umgebung der Koinzidenzfrequenz fc, in der nochmals zwischen Frequen-
zen unter- und oberhalb von fc unterschieden wird. Ausgangspunkte für die Berechnung sind
die bereits in Kap. I.4 genannten Gleichungen zur Bestimmung von fc nach Gl. (I.4.19) und Gl.
(I.4.20), hier zusammengefasst für die Annahmen µ = 0,3 und c0 = 340 m/s,
𝑓𝑐 = 60 798√
𝑚′′ (II.1.27)
𝐸𝑡3
und für die Schalldämmung RMG gemäß dem Massegesetz bei diffusem Schalleinfall nach Gl.
(I.4.23).
𝑓 < 𝑓𝑐 /1,41 𝑅 = 𝑅1
𝑓𝑐 /1,41 < 𝑓 < 𝑓𝑐 𝑅 = 𝑀𝑎𝑥(𝑅1 , 𝑅3 )
𝑓𝑐 < 𝑓 < 𝑓𝑐 ∙ 1,41 𝑅 = 𝑀𝑎𝑥(𝑅2 , 𝑅3 ) (II.1.29)
𝑓 > 𝑓𝑐 ∙ 1,41 𝑅 = 𝑅2
Der in der Nähe von fc einsetzende Einfluss der Koinzidenz wird durch die Größe R1 mit einer
Ergänzung des Verhaltens gemäß Massegesetz ausgedrückt.
𝑓
𝑅1 = 𝑅𝑀𝐺 + 10 lg (1 − 𝑓 ) dB (II.1.30)
𝑐
Deutlich oberhalb fc wird ein Verlauf des Schalldämm-Maßes mit dem Wert R2 nach Gl. (II.1.31)
angesetzt. Darin ist ein mechanischer Verlustfaktor enthalten, der bei typischen Leichtbau-
platten durch den Wert 0,03 gut abgebildet ist.
𝑓
𝑅2 = 𝑅𝑀𝐺 + {5 + 5 lg (𝑓 − 1) + 10 lg(2𝜂)} dB (II.1.31)
𝑐
Im unmittelbaren Umfeld von fc, also im Bereich der durch Koinzidenz verursachten Minderung
der Schalldämmung, wird laut Gl. (II.1.29) aus jeweils zwei Werten der Maximalwert gebildet
und damit die Schalldämm-Kurve bestimmt. Da R1 und R2 bei fc eine Singularität aufweisen,
wird bei dieser Frequenz eine weitere Gleichung für die Größe R3 erforderlich, die als zusätz-
liche Werte die Abmessungen (Breite Lx und Höhe Ly) der Platte berücksichtigt.
2
10𝜋𝜂𝑓𝑐 𝑚′′ 𝐿
√𝐿 ) dB
𝑥
𝑅3 = 10 lg (2(𝐿 2 (II.1.32)
𝑥 +𝐿𝑦 )𝜌0 𝑐0 𝑦
Zusammengefasst stellt sich mit den Werten m“ = 7,8 kg/m2, Lx = 4 m, Ly = 2,5 m und
fc = 3,2 kHz die berechnete frequenzabhängige Schalldämmung wie in Bild II.1.18 ein. Der
183
Einfluss der Wandabmessungen kann bei dieser Berechnungsprozedur nicht beliebig variiert
werden, er gilt nur für typische Wandformate in Gebäuden.
50
40
Schalldämm-Maß [dB]
1 3
30
2
20
1 fc / 1,41
2 fc
10
3 fc · 1,41
0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.18: Schalldämm-Maß einer einzelnen Platte berechnet nach den Gln. (II.1.28) bis (II.1.32)
Derartige Berechnungsansätze wurden mehrfach formuliert, so dass die hier vorgestellte Pro-
zedur nur als Beispiel zu verstehen ist. Ihre praktische Bedeutung ist sehr begrenzt, da ein-
zelne Leichtbauplatten lediglich im Zusammenhang mit Vorsatzkonstruktionen zum Einsatz
kommen. Allerdings ließen sich mit diesem Gedankengang auch doppelschalige Leichtbau-
wände interpretieren, sozusagen als leichte Platte mit einer ebenso leichten Vorsatzkonstruk-
tion.
Im Kap. I.5.4 wurden bereits zweischalige Wände vorgestellt, einschließlich eines Ansatzes
zur Berechnung der Schalldämmung bei senkrechtem Schalleinfall. Bei diffusem Schalleinfall
und vollständig entkoppelten Platten sowie mit Dämmstoff gefülltem Raum zwischen den Plat-
ten ergibt sich folgender idealisierter Ausdruck für die Schalldämmung:
4𝜋𝑓𝜌0 𝑐0
𝑅 = 𝑅𝑀𝐺,1.𝑃𝑙𝑎𝑡𝑡𝑒 + 𝑅𝑀𝐺,2.𝑃𝑙𝑎𝑡𝑡𝑒 + ⏟ lg (
20 ) dB
𝑠′ (II.1.33)
𝑃𝑙𝑎𝑡𝑡𝑒𝑛𝑎𝑏𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑 𝑚𝑖𝑡 𝐷ä𝑚𝑚𝑠𝑡𝑜𝑓𝑓
Darin werden die Schalldämm-Maße der Platten jeweils unabhängig voneinander nach dem
Massegesetz, siehe z.B. Gl. (II.1.28), berechnet und der durch die Feder dazwischen gebildete
Term hinzugefügt. Das Resultat ist eine zwischen der Resonanz- und der Koinzidenzfrequenz
um 18 dB pro Oktave ansteigende Schalldämmung (Bild II.1.19). Dieser Anstieg wird aber
praktisch nur ansatzweise erreicht. Jede mechanische Kopplung der Platten, ob an den Rän-
184
dern oder in der Fläche durch Ständer usw., und auch eine nicht angemessene Hohlraum-
dämpfung (zu gering, zu steif) führen zu Einschränkungen des frequenzabhängigen Anstiegs
der Schalldämmung. Die Werte in Bild II.1.19 dienen als Beispiele in diesem Sinne ohne Ver-
bindungen nach Art von Ständern.
100
Koinzidenz
80 18 dB/Oktave
Schalldämm-Maß [dB]
60
Resonanz
40
6 dB/Oktave
20
0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Angesichts dieser Komplexität und der damit verbundenen Schwierigkeiten, einen zutreffen-
den Berechnungsansatz für mehrschalige Leichtbaukonstruktionen zu formulieren, wird hier
auf die große Anzahl von Messwerten und auf die Planungswerte in Tabelle II.1.11 verwiesen.
FLANKIERENDE SCHALLÜBERTRAGUNG
Da in Gebäuden grundsätzlich Wände mit anderen Wänden oder mit Decken konstruktiv und
damit auch akustisch verbunden sind, breitet sich auch Schall über diese Verbindungen aus.
Im Senderaum werden sowohl das direkt trennende Bauteil als auch die flankierenden Bauteile
vom Luftschall zu Schwingungen angeregt. Diese Schwingungen breiten sich als Körperschall
in den Bauteilen und über die Verbindungen bzw. Stoßstellen auch zwischen den Bauteilen
aus. Erreicht Körperschall dann die Oberflächen zum Empfangsraum, werden sie von diesen
Oberflächen wieder als Luftschall abgestrahlt. Im Zusammenhang mit Bild II.1.2 wurde diese
Schallübertragung über flankierende Bauteile bereits thematisiert und die möglichen Übertra-
gungspfade sind dort schematisch dargestellt. Zugleich wurde festgehalten, dass durch die
bautypische flankierende Schallübertragung bei der Kennzeichnung des Schalldämm-Maßes
des Trennbauteils statt R die Angabe R‘ verwendet wird.
185
Daran wird nun wieder angeknüpft, um diesen Einfluss genauer abzubilden, da die Verbindun-
gen in der Praxis konstruktiv äußerst vielfältig ausgeführt sind, z.B. als Verzahnung, Stumpf-
stoß oder über elastische Trennstreifen. Bild II.1.20 deutet den Zusammenhang und einige
Beispiele an.
Trennbauteil
Trennbauteil
(zweischalig)
(einschalig)
Schall-
anregung
Vorsatzschalen Vorsatzschalen
Trennbauteil
Trennbauteil
(einschalig)
(einschalig)
getrennt durchgehend
Zunächst sind weitere kennzeichnende Größen einzuführen. Mit den in Bild II.1.2 bezeichne-
ten Übertragungspfaden sind insgesamt 12 Indizes i,j bzw. Wege (4 mal Df, 4 mal Fd und
4 mal Ff) für das Flankendämm-Maß Rij möglich. Es wird in gleicher Weise wie das Durch-
gangsdämm-Maß RDd des Trennbauteils definiert und ebenfalls auf dessen Fläche S bezogen.
Für die Gesamtschalldämmung massiver Konstruktionen gilt damit:
Jeder einzelne Wert Rij kann gemessen werden, zumeist wird er aber rechnerisch ermittelt.
𝑅𝑖 +𝑅𝑗 𝑆
𝑅𝑖𝑗 = + ΔR ij + 𝐾𝑖𝑗 + 10 lg ( ) dB (II.1.35)
2 𝑙𝑖𝑗 𝑙0
Darin sind Ri und Rj die (Direkt-) Schalldämm-Maße der das Trennbauteil flankierenden Bau-
teile i und j vor und nach der Stoßstelle, die entweder als Messwerte vorliegen oder mithilfe
der vorgestellten Formeln berechnet werden können. In Gl. (II.1.35) wird eine Art Mittelwert
dieser Schalldämm-Maße berücksichtigt. Da sie in vielen Fällen gleich sind, z.B. bei einer die
186
Wohnungstrennwand flankierenden Außenwand, fällt diese Mittelung kaum ins Gewicht. Wei-
tere Größen sind das Stoßstellendämm-Maß Kij (in dB) der Verbindungsstelle, die Trennwand-
fläche S (in m2) und die Kopplungslänge lij (in m, mit l0 = 1 m), z.B. bei Wänden meist die
Raumhöhe. Befinden sich Vorsatzkonstruktionen auf den flankierenden Bauteilen, wird die ge-
samte Verbesserung des Schalldämm-Maßes in Gl. (II.1.35) durch den Term Rij ausgedrückt.
Die Einflussgrößen sind in Bild II.1.21 dargestellt.
Bauteil j
Stoßstelle flächenbezogene Masse mj“
Stoßstellendämm-Maß Kij Schalldämm-Maß Rj
Fläche Sj
Bauteil i Trennbauteil
flächenbezogene Masse mi“ flächenbezogene Masse m“
Schalldämm-Maß Ri Schalldämm-Maß RDd
Fläche Si Kopplungs- Fläche S
länge lij
Bild II.1.21: Einflussgrößen auf die Schallübertragung über flankierende Bauteile einer Trennwand
Eine für die Schallübertragung an der Verbindung von Trennwand und flankierenden Wänden
wichtige Größe ist das Stoßstellendämm-Maß, für dessen Bestimmung die folgende Gleichung
gilt:
Darin enthalten sind die Schnellepegeldifferenz Dv,ij (in dB) zwischen den Bauteilen i und j bei
Anregung des Bauteils i, die Schnellepegeldifferenz Dv,ji (in dB) zwischen i und j bei Anregung
des Bauteils j sowie die äquivalenten Schallabsorptionslängen ai und aj (in m) der Bauteile i
und j. Sie stehen gleichsam für Energiedissipation im Sinne mechanischer Verlustfaktoren.
Obwohl die relevanten Schnellepegeldifferenzen gemessen werden können, wird Kij fast im-
mer rechnerisch bestimmt, und zwar in erster Näherung frequenzunabhängig. Die konstrukti-
ven Einflüsse sind insbesondere die flächenbezogenen Massen der Bauteile, die Art der Bau-
teilverbindung (z.B. T-Stoß, Kreuzstoß) und die Ausführung des Kontaktes zwischen den Bau-
teilen (z.B. starr oder elastisch). Für die sich daraus ergebenden Varianten gibt es entspre-
chende Berechnungsvorschriften, die jeweils auf die Hilfsgröße M
𝑚′′⊥𝑖
𝑀 = lg ( ) dB (II.1.37)
𝑚′′𝑖
zurückgreifen. Sie hängt von den flächenbezogenen Massen des Bauteils i im Übertragungs-
weg ij und der flächenbezogenen Masse des anderen die Stoßstelle bildenden Bauteils ab.
Letzteres steht meist senkrecht dazu, daher das Symbol ⊥ im Index. In Bild II.1.21 ist es z.B.
187
das Trennbauteil. Die folgenden Gleichungen gelten für massive, homogene und biegesteif
miteinander verbundene Bauteile. (Alle Werte von Kij in dB.)
2
𝐾12 = (2,7 + 2,7𝑀2 ) L-Stoß (II.1.38)
1
2 Kreuzstoß für
𝐾12 = (5,7 + 15,4𝑀2 )
𝐾13 2)
= (8,7 + 17,1𝑀 + 5,7𝑀 𝑓ü𝑟 𝑀 < 0,182 1 3 (𝑚1′′ = 𝑚3′′ ) und (II.1.40)
= (9,6 + 11,0𝑀) 𝑓ü𝑟 𝑀 ≥ 0,182 4 (𝑚2′′ = 𝑚4′′ )
Eine weitere Illustration zu Stoßstellendämm-Maßen in Bild II.1.23 zeigt den Einfluss der be-
teiligten Wände anhand berechneter Werte für eine Kreuzstoß-Konstellation in Abhängigkeit
vom Verhältnis der flächenbezogenen Massen der Wände. Die Bauteile 1 und 3 sowie 2 und
188
4 haben dabei jeweils gleiche flächenbezogene Massen und die Berechnungen beruhen auf
Gl. (II.1.40). Die Kurven verdeutlichen die je nach Übertragungsweg unterschiedliche Bedeu-
tung des quer verlaufenden Wandbauteils 2 auf die Werte K12 und K13.
Grundsätzlich sei noch auf einen Mindestwert des Stoßstellendämm-Maßes Kij,min nach
Gl. (II.1.41) verwiesen. Er hängt von der Kopplungslänge zwischen den Bauteilen sowie von
deren Flächen ab und ist immer dann zu verwenden, wenn die anders berechneten Werte
kleiner sind.
1 1
𝐾𝑖𝑗,𝑚𝑖𝑛 = 10 lg (𝑙𝑖𝑗 𝑙0 [𝑆 + 𝑆 ]) dB (II.1.41)
𝑖 𝑗
30
25
Stoßstellendämm-Maß [dB]
20
15 K13
10
5
K12
0
0,1 1 10
Quotient m2" / m1"
Bild II.1.23: Berechnete Stoßstellendämm-Maße für eine Kreuzstoß-Konstellation in Abhängigkeit
vom Verhältnis der flächenbezogenen Massen der Wände
mit:
𝑙𝑙𝑎𝑏 𝑆
𝑅𝐹𝑓 = 𝐷𝑛,𝑓 + 10 lg 𝑙𝑓
+ 10 lg
𝐴0
dB (A0 = 10 m2) (II.1.43)
Als zusätzliche Größen tauchen darin die meist gemessene Norm-Flankenpegeldifferenz Dn,f
(in dB) eines flankierenden Bauteils sowie die Bezugskantenlänge llab (in m) auf. Letztere erhält
189
den Wert 2,8 m für Fassaden und Innenwände sowie 4,5 m für horizontale Kanten (Wand-
Decke), sofern nicht aus Prüfberichten eine Bezugskantenlänge hervorgeht.
Die Vielfalt der konstruktiven Möglichkeiten für die Gestaltung und Einflussnahme auf die flan-
kierende Schallübertragung leichter Wandbauteile ist groß und für eine Stoßstelle beispielhaft
in Bild II.1.24 skizziert. Die Trennung der innenseitigen Beplankung (Innenschale) im Bereich
der Stoßstelle führt zu einer deutlichen Erhöhung der Norm-Flankenpegeldifferenz Dn,f,w bei
einfach beplankten Wänden. Auch ein vergleichsweise einfacher Fugenschnitt in der Innen-
schale reduziert die flankierende Schallübertragung.
Außenschale Außenschale
Innenschale Innenschale
Befestigung Befestigungen
durchgehend getrennt
Trennwand Trennwand
Bild II.1.24: Ausbildung der Stoßstelle zwischen Trennwand und flankierender Wand (GK-Ständer-
wände, einlagig beplankt)
Allerdings ist die im Senderaum angeregte und im Empfangsraum abstrahlende (leichte) In-
nenschale nicht allein für die Schallausbreitung über den Weg Ff verantwortlich. Von den in
Bild II.1.25 skizzierten weiteren möglichen Übertragungswegen trägt bei Ständerwänden die
Außenschale wesentlich zur flankierenden Schallausbreitung bei. In bestimmten Konstellatio-
nen darf auch die Luftschallübertragung über den Außenraum nicht vernachlässigt werden.
Dies gilt jedoch im Wesentlichen im Bereich tiefer Frequenzen.
Schallübertragung:
.. über den Außenraum
.. über die Außenschale
.. über den Wandhohlraum
Trennwand
flankierende Wand
Bild II.1.25: Schallausbreitung über den Weg Ff einer flankierenden Ständerwand
190
Zur Frequenzabhängigkeit flankierender Schallübertragung lässt sich festhalten, dass prak-
tisch in den meisten Fällen nur Einzahlwerte für die Planung usw. Verwendung finden. Den-
noch sei hier ein durchaus typisches Beispiel vorgestellt, das die wesentlichen Zusammen-
hänge erklärt. Bild II.1.26 zeigt dazu die Verläufe von Messkurven von Schalldämm-Maß und
Norm-Flankenpegeldifferenz ein und derselben GK-Ständerwand (einlagig beplankt). Zum
Vergleich ist außerdem die Schalldämmung einer einfachen Gipskartonplatte (Einzelschale)
dargestellt, aus denen die Wand besteht. Daraus lässt sich folgendes Verhalten erkennen: Bei
Frequenzen unterhalb von 1,6 kHz verlaufen flankierende und direkte Schalldämmung annä-
hernd parallel. Die Norm-Flankenpegeldifferenz weist ca. 15 dB höhere Werte auf als das
Schalldämm-Maß. Der infolge Koinzidenz erkennbare Rückgang der Schalldämmung liegt für
beide Kurven bei etwa der gleichen Frequenz, er ist aber bei der flankierenden Übertragung
erheblich stärker ausgeprägt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass hier zwei unabhängig von-
einander schwingende Wände (Sende- und Empfangsraum) beteiligt sind, die beide Koinzi-
denzverhalten zeigen.
70
60
Norm-Flankenpegeldifferenz [dB]
GK-Wand
Schalldämm-Maß [dB]
50
40 GK-Wand
30
GK-Platte
20
Koinzidenz
10
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.26: Gemessene Werte des Schalldämm-Maßes und der Norm-Flankenpegeldifferenz einer
GK-Ständerwand (einlagig beplankt). Zum Vergleich ist außerdem die Schalldämmung
einer einfachen Gipskartonplatte dargestellt.
Im Kontext der massiven Bauteile bzw. der massiven Geschossdecken wurden bereits in Bild
II.1.12 abgehängte Unterdecken ins Blickfeld gerückt. Derartige Konstruktionen, also neben
Unterdecken auch Doppel- und Hohlraumböden, treten natürlich auch als flankierende Bau-
teile von Trennwänden auf und bedürfen einer gesonderten Behandlung. Bild II.1.27 zeigt den
als Übertragungsweg neu hinzukommenden Deckenhohlraum, der z.B. in Bürogebäuden auch
für die Verlegung und Verteilung von Lüftungs- und Elektroinstallationen genutzt wird.
191
Geschossdecke (massiv)
Unterdecke
Schallübertragung Platten- oder
Absorberschott
Trennwand
Bild II.1.27: Flankierende Schallübertragung bei abgehängten Unterdecken und Beeinflussung dieser
Übertragung durch Schotts im Deckenhohlraum über der Trennwand
Da sich die Abhängehöhe der Unterdecke maßgeblich auf die Schallübertragung auswirkt,
sollte sie möglichst gering bleiben. Um die Schallübertragung konstruktiv zu beeinflussen,
kann zunächst der Schalleintritt durch gegebenenfalls mehrfache Beplankung der Unterdecke
und deren Trennung (z.B. Fugenschnitt) im Wandbereich reduziert werden. Im Hohlraum
selbst helfen schallabsorbierende Deckenauflagen und vor allem Schotts aus Schallabsorbern
und Platten, die Schallausbreitung zu minimieren. Diese Schotts sind mitunter auch brand-
schutztechnisch erforderlich, sie behindern aber auch die genannte Nutzung für Installationen.
Diese Maßnahmen, ihre Vor- und Nachteile, lassen sich in sehr ähnlicher Form auch auf Dop-
pel- und Hohlraumböden übertragen. Die Übertragbarkeit gilt auch für den zusätzlichen (flan-
kierenden) Schallausbreitungsweg, der mit Lüftungskanälen und entsprechenden Luftausläs-
sen in Unterdecken oder Doppelböden verbunden ist. Bild II.1.28 illustriert diesen Fall anhand
eines Lüftungskanals in einem Deckenhohlraum mit Kanalabzweigen (und Luftauslässen) in
zwei durch eine Wand getrennten Räume. Einerseits kommt auf diesem Weg (Ventilator-)
Schall und Strömung aus der Lüftungsanlage in die Räume. Andererseits kann sich über den
Weg „Abzweig / Kanal / Abzweig“ so genannter Telefonie-Schall von einem Raum zum ande-
ren ausbreiten. Die zu dessen Reduzierung eingesetzten Schalldämpfer (siehe Bild II.1.28)
werden deshalb in der Praxis auch als „Telefonie-Schalldämpfer“ bezeichnet.
Schall Schalldämpfer
(Strömung)
Unterdecke Trennwand
Schall
192
Ein vereinfachter Schallschutznachweis für das erforderliche Bau-Schalldämm-Maß, d.h. für
die direkte und sämtliche flankierenden Schallübertragungswege zusammen, berücksichtigt
im Skelett- und Leichtbau Rechen- oder Messwerte als Eingangsdaten, um damit folgende
Bedingungen einzuhalten:
Diese Bedingungen erscheinen plausibel, da sich für den ungünstigsten Fall von 5 gleichen
Schalldämm-Maßen (1 x Dd, 4 x Ff) in Höhe von jeweils (R'w + 5 dB) in Summe ein resultie-
rendes Schalldämm-Maß ergibt, das 2 dB unter der R’w - Forderung liegt. Diese 2 dB entspre-
chen dem so genannten Vorhaltemaß, so dass die Forderung noch als erfüllt anzusehen ist.
Allerdings sind hierbei weitere Übertragungswege, wie z.B. der „Telefonie-Schall“ noch nicht
berücksichtigt, so dass durchaus höhere Planungswerte für die Norm-Flankenpegeldifferenz
usw. als angebracht erscheinen.
Zusammenfassend ist für den (Luft-) Schallschutz in horizontaler und vertikaler Richtung zu
konstatieren, dass bei niedriger Schalldämmung der Trennwand die Schallübertragung über
die Flankenbauteile von untergeordneter Bedeutung ist. Mit zunehmender Schalldämmung der
Trennwand gewinnt die flankierende Schallausbreitung immer mehr an Bedeutung und entwi-
ckelt sich schließlich zum maßgebenden Übertragungsweg. Ist die Schalldämmung der Trenn-
wand so hoch, dass der direkte Schalldurchgang keine Rolle mehr spielt, bestimmt das Flan-
kenbauteil mit der niedrigsten Schalldämmung den Schallschutz zwischen Räumen. In den
folgenden Abschnitten wird die flankierende Schallübertragung weiter eine Rolle spielen, z.B.
bei speziellen Bauteilen und Baukonstruktionen sowie beim Trittschallschutz von Decken.
In den folgenden Abschnitten werden einige weitere Gebäude- bzw. Bauteile unter dem Blick-
winkel ihrer Luftschalldämmung behandelt. Die bisher erläuterten grundlegenden (Massege-
setz, Koinzidenz, Resonanzverhalten) und anwendungsbezogenen (flankierende Schallüber-
tragung, Einflüsse von Befestigungen und Abdichtungen) Zusammenhänge gelten unverän-
dert. Es kommen jedoch mitunter konstruktiv oder nutzungsbedingt neue Aspekte hinzu, die
sich auf den Schallschutz auswirken.
DÄCHER
Für Dächer von Gebäuden gilt, dass es sich in nahezu allen Fällen und leichte mehrschalige
Bauteile handelt (siehe Bild II.1.29). Die akustischen Eigenschaften hängen dann von der je-
weiligen Nutzung des Gebäudes und von dessen Umgebungsbedingungen ab. Die schalltech-
nische Planung umfasst daher folgende Aspekte:
193
Für das Schalldämm-Maß sind die Dachdeckung (z.B. verschiedene Dachsteine und -ziegel),
die verwendete Wärmedämmung (Aufsparren- oder Zwischensparren-Dämmung oder Kombi-
nation) sowie die innenseitige Verkleidung (Holzbau- oder Gipskartonplatten) von Bedeutung.
Je nach Ausführung erreichen geneigte Dächer Schalldämm-Maße Rw zwischen 35 und na-
hezu 60 dB, letztere meist mit 200 mm dicken Dämmstoffschichten und 3-fach beplankter In-
nenverkleidung.
Dachdeckung
(Konter-) Lattung
Dämmstoff (Folien)
Außen Lattung
(Innen-) Verkleidung
Innen
Bild II.1.29: Typischer Aufbau und Elemente eines geneigten Daches am Beispiel einer Ausführung
mit Zwischensparrendämmung
Weitere akustisch bedeutsame Fragestellungen treten auf, wenn sich gebäudetechnische An-
lagen (z.B. Lüftungszentralen, Rückkühlwerke, Maschinenräume von Aufzügen) und Installa-
tionen auf dem Dach befinden. Sie können sowohl Lärm in der Umgebung erzeugen als auch
Schwingungen und Körperschall in der Dachkonstruktion anregen, die zur Schallabstrahlung
im Innenraum führen. Mit entsprechenden Kapselungen und Schwingungsisolationen lassen
sich diese Effekte reduzieren.
194
Oberlichter, Dachventilatoren,
Lichtkuppeln Naturzug-Lüftung
(Flach-) Dach
Trennwand
Bild II.1.30: Aufbau und schallschutzrelevante Bauteile eines Flachdaches
Insbesondere bei Dächern von gewerblich genutzten Gebäuden mit intensivem Lüftungsbe-
darf kommen so genannte Dachventilatoren und Naturzug-Lüftungsanlagen hinzu. Damit wird
Abluft über Dachöffnungen aus dem Gebäude transportiert. Kommen Ventilatoren zum Ein-
satz, sind sie als Schallquellen zu behandeln. Die meist großflächigen Naturzugöffnungen sind
an sich mit Lüftungskanälen vergleichbar und erfordern dementsprechend den Einsatz von
Schalldämpfern (siehe Kap. I.5.3).
Die besondere Funktionalität von Fenstern (Durchsichtigkeit, Öffnen und Schließen) in Kom-
bination mit den Wärmeschutzanforderungen macht sie auch zu akustisch anspruchsvollen
Bauteilen. Die Vielfalt der Ausführungen von Fenstern, wie z.B. die hierzulande dominierenden
Drehkippfenster, aber auch Schwing-, Hebe-, Wende- und alle Arten von Schiebefenstern, ist
sehr groß. Dabei sind Schiebefenster wegen ihrer Dichtungen akustisch oft problematisch,
während sich Doppel- und Kastenfenster fast nur noch im Altbau finden lassen. Die heute
meist zwei- oder dreischaligen Verglasungen als flächenmäßig größter Anteil bestimmen na-
türlich die Schalldämmung. Eine Reihe anderer Elemente beeinflusst jedoch die resultierende
Schallschutzwirkung (siehe Bild II.1.31). Direkt beteiligt sind der Flügel- und Blendrahmen,
gegebenenfalls mit integrierten Lüftungskanälen, sowie die zum Teil mehrfachen Dichtungs-
ebenen. Für den Anpressdruck der Dichtungen wiederum müssen Fensterbänder und -be-
schläge entsprechend ausgebildet sein. Schließlich können mit dem Fenster diverse Zusatz-
einrichtungen verbunden sein, wie z.B. Fensterbrett und -bank, feste und bewegliche Sonnen-
schutz- und Verschattungsanlagen, Roll- und Fensterläden, Verdunkelungsanlagen und Vor-
hänge. In Außenwänden mit zunehmend dickeren Dämmschichten spielt auch die Einbaulage
in der Laibung (z.B. außen- oder innenwandbündig) eine akustische Rolle.
195
Dieser Vielfalt und Komplexität entsprechend bedarf die Schallschutzplanung und Auswahl
einer Gesamtschau aller Details. Letztlich gilt üblicherweise das Schalldämm-Maß des ge-
schlossenen Fensters ohne Sonnenschutz oder dergleichen als Zielgröße. Dennoch wird mit-
unter auch ein verbleibender Schallschutz im gekippten Zustand des Fensters gefordert, um
die Wirkung bei natürlicher Lüftung bewerten zu können.
Mehrscheiben-
verglasung
Blendrahmen
Flügelrahmen
Dichtung
Abstandshalter
Dichtung
Profil
Dämmstoff
Armierung
Obwohl bei der akustischen Fensterauswahl überwiegend auf Mess- und Prüfwerte für ge-
samte Fenster oder einzelne Zusatzeinrichtungen (z.B. Rollladenkästen) zurückgegriffen wird,
sollen hier einige orientierende Daten vorgestellt werden. Sie dienen auch der praxisbezoge-
nen Illustration akustischer Grundlagen zur Luftschalldämmung von Bauteilen. Zunächst zeigt
Bild II.1.32 die auf der Basis zahlreicher Messwerte gemittelten bzw. standardisierten Schall-
dämm-Maße einfacher (einschaliger) Glasscheiben unterschiedlicher Dicke. Gut erkennbar
sind der Kurvenanstieg mit ca. 6 dB pro Oktave sowie die ausgeprägte Koinzidenz bei höheren
Frequenzen in Abhängigkeit von der Dicke.
196
50
Einfachglas (Dicke)
3 mm
40
6 mm
Schalldämm-Maß [dB]
12 mm
30
20
10
125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Für die Berechnung der Koinzidenzgrenzfrequenzen von Glasscheiben lässt sich die folgende,
sehr vereinfachte Formel heranziehen.
12 000 𝐻𝑧
𝑓𝑔 = 𝑑 [𝑖𝑛 𝑚𝑚] Hz (II.1.45)
Der recht tiefe Einbruch der Schalldämmung bei Koinzidenz wird reduziert, wenn Verbund-
bzw. Verbundsichergläser mit zwischen zwei gleich dicken Glasscheiben eingelegten Folien
aus Polymerwerkstoffen verwendet werden. Der hauptsächliche Zweck dieser elastischen
reißfesten Folien besteht in einer Sicherheitsfunktion, um beim Bruch der Scheibe ein Zer-
springen zu verhindern. Darüber hinaus können diese Folien aber auch die Strahlungsdurch-
lässigkeit beeinflussen und dekorative Zwecke erfüllen. Bild II.1.33 zeigt anhand des Ver-
gleichs gleich dicker Einfach- und Verbundgläser, dass die Folien auch akustisch wirksam sein
können.
50
Dicke 6 mm
10 mm
40 Einfach ____
Schalldämm-Maß [dB]
Verbund - - - -
30
20
10
125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.33: Mittlere Werte des Schalldämm-Maßes von Einfach- und Verbundverglasungen (Oktav-
frequenzen nach DIN 4109-35) unterschiedlicher Dicke
197
Der Vergleich in Bild II.1.34 geht einen Schritt weiter, indem Einfach- und Verbundglas mit
10 mm Gesamtdicke einer Isolierverglasung gegenübergestellt werden. Die durch einen
Scheibenzwischenraum (SZR) getrennten Einfachgläser haben die Dicken 6 und 4 mm, also
insgesamt die gleiche Glasdicke bzw. die gleiche flächenbezogene Masse wie die Einfach-
und Verbundgläser. Die Schalldämmkurve der Isolierverglasung verdeutlicht das Verhalten ei-
ner zweischaligen Konstruktion mit einer Resonanzfrequenz fr von ca. 250 Hz. Dieser Wert
lässt sich mit der folgenden, für diese Art von Verglasungen vereinfachten Formel berechnen.
Dabei ist zu beachten, dass der Scheibenzwischenraum SZR (hier z.B. 10 mm) und die Dicken
d1,2 in mm einzusetzen sind.
1 1 1
𝑓𝑟 = 1200√𝑆𝑍𝑅 (𝑑 + 𝑑 ) Hz (II.1.46)
1 2
Zur Interpretation des Schalldämm-Maßes der Isolierglasscheibe sei noch festgehalten, dass
nach dem Anstieg oberhalb der Resonanz natürlich auch ein koinzidenz-bedingter Einbruch
folgt. Dessen spektrale Lage bestimmt hier das dickere der beiden Einfachgläser, in diesem
Fall mit d = 6 mm und fg bei ca. 2 kHz.
50
Einfachglas
Verbundglas
40 Isolierglas
Schalldämm-Maß [dB]
30
20
10
125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.34: Mittlere Werte des Schalldämm-Maßes von Einfach- und Verbundgläsern der Gesamtdi-
cke 10 mm sowie einer Isolierverglasung aus zwei Einfachgläsern mit 6 bzw. 4 mm Dicke
und Scheibenzwischenraum (Oktavfrequenzen nach DIN 4109-35)
In der von wichtigen Ausführungsdetails geprägten Praxis, in der z.B. auch die Art der Folien
in Verbundsicherheitsgläsern eine Rolle spielt, stehen jedoch nicht die frequenzabhängigen
Schalldämm-Maße, sondern die Einzahlwerte Rw im Vordergrund. Dazu enthält Tabelle II.1.12
eine Reihe von Daten auch zu den Spektrum-Anpassungswerten Ctr, die gerade für Fenster
als Außenbauteile von Bedeutung sind. Die Ctr-Werte von Verglasungen sind grundsätzlich
negativ und unterstreichen ihre teils sehr beachtliche Schwäche bei tiefen Frequenzen, die
z.B. bei tieffrequentem Verkehrslärm auffällig wird.
198
Tabelle II.1.12: Bewertete Schalldämm-Maße Rw nach DIN 4109-35 (dort Tab. 3) von Verglasungen
Insgesamt lässt sich für Verglasungen konstatieren, dass höhere Schalldämmwerte durch fol-
gende Maßnahmen erreicht werden:
Beim Schritt von der Verglasung zum Fenster kommen weitere konstruktive Einflüsse auf die
Schalldämmung hinzu. Dazu zählen die Falzdichtungen (Außen-, Mittel- und Innendichtung)
im Flügelüberschlag. Mindestens eine umlaufende elastische Dichtung, in der Regel als Mit-
teldichtung angeordnet, ist erforderlich. Bei höheren Schallschutzanforderungen sind 2 Dich-
tungen vorzusehen, typischerweise als Mittel- und Innendichtung oder auch als Außen- und
Innendichtung angeordnet. Der Fensterrahmen beeinflusst die Schalldämmung durch die Ma-
terialwahl (flächenbezogene Masse) und seinen Flächenanteil sowie durch gegebenenfalls
vorhandene kleine Öffnungen (Lüftung, Dampfdruckausgleich). Die Veränderung des Schall-
dämm-Maßes der Verglasung durch den Fensterrahmen kann tendenziell wie folgt zusam-
mengefasst werden: Für Rw Werte von Verglasungen kleiner 36 dB wird das Schalldämm-Maß
199
des Fensters in der Regel etwas größer sein. Für höhere Rw Werte von Verglasungen wird das
Schalldämm-Maß des Fensters etwas geringer sein. Weitere Besonderheiten sind z.B. bei
Stulpfenstern (zweiflügelige Fenster ohne festes Mittelstück) und glasteilenden Sprossen zu
beachten.
Schließlich ist die Schalldämmung von Fenstern abhängig von ihrem Scheibenformat (große
Abmessungen und schmale Formate verschlechtern die Dämmung) sowie von der Einbausi-
tuation in der Wandöffnung (z.B. außenbündig oder mittig in der Laibung) und vom Schallein-
fallswinkel. Die Schalldämmung bei 45° Einfallswinkel entspricht etwa dem Wert im Diffusfeld
bzw. im Prüfstand. Für Einfallswinkel größer 45°, d.h. bei sehr schrägem Schalleinfall erfolgt
eine starke Abnahme der Schalldämmung. In Bild II.1.35 wird dies an einem Beispiel verdeut-
licht, wobei in der dort illustrierten Situation zu berücksichtigen ist, dass bei schrägem Schal-
leinfall auch die Entfernung zwischen Quelle und Fenster zunimmt bzw. die akustische Ge-
samtsituation eine Rolle spielt. Ungeachtet dessen muss der Einfluss des Schalleinfallswinkels
auf das Schalldämmverhalten beachtet werden, in der Praxis z.B. bei Fluglärmszenarien.
Auf eine Zusatzeinrichtung von Fenstern, den Rollladen bzw. den Rollladenkasten, sei hier
noch eingegangen. Von den möglichen Konstruktionsvarianten sind die Vorbaukästen (vor der
Außenwand oder vor dem Fenster) akustisch in der Regel unkritisch, da sie sich außen vor
den schalldämmenden Bauelementen befinden. Anders die Sturz- oder Aufsatzkasten, die
sich über dem Fenster befinden und sozusagen als Teil der Außenwand fungieren. Zentrale
akustische Voraussetzungen sind daher die Dichtheit des Kastens (z.B. im Bereich der Revi-
sionsöffnung) sowie die ausreichende flächenbezogene Masse von Rückwand und Boden.
Deren Schalldämmung lässt sich mit Blechen oder Schwermatten deutlich verbessern. Im In-
neren des Kastens wirkt sich schallabsorbierendes Material positiv aus und eine zusätzliche
Dichtung am Auslass-Schlitz (z.B. Schlauch- oder Bürstendichtung) kann die Schalldämmung
erhöhen. Bei ausgefahrenem Rollladen, d.h. bei (fast) leerem Panzer vermindert sich die
Schalldämmung meist um ca. 2 bis 3 dB.
50
Schalldämm-M aß [dB]
40
75°
30
20 0° Rw = 42 dB 45°
45° Rw = 35 dB
75° Rw = 31 dB
10
125 250 500 1k 2k 4k
0°
Frequenz [Hz]
Bild II.1.35: Gemessene Schalldämm-Maße und Einzahlwerte eines Fensters in Abhängigkeit vom
Schalleinfallswinkel
200
FASSADEN
Die konstruktive Ausgestaltung von Vorhangfassaden, also nicht von den bereits behandelten
Außenwänden aus Mauerwerk mit Wärmedämmung usw., erfolgt in der Praxis in vielerlei Art.
Vorgehängte hinterlüftete Fassaden, Glasfassaden in Pfosten-Riegelbauweise und Glasdop-
pelfassaden sind einige Beispiele für diese Vielfalt. Bei deren schalltechnischer Betrachtung
kann zweifellos auf langjährige und fundierte Erfahrungen zurückgegriffen werden, eine sys-
tematische Auswertung blieb jedoch bislang aus, so dass meist eine Einzelfallbetrachtung er-
folgt. Natürlich fließen dabei die grundlegenden Erkenntnisse ein, die z.B. zu Fenstern oder
leichten mehrschaligen Konstruktionen vorliegen. An erster Stelle steht die Schalldämmung
von außen nach innen, gelegentlich auch umgekehrt. Erfahrungsgemäß sind heute die Flä-
chenbauteile problemlos in der Lage, auch hohe Schalldämmwerte zu erreichen. Als nach wie
vor kritisch in punkto Schallschutzwirkung erweisen sich alle Arten von Fugen, Anschlüssen
und Durchdringungen, z.B. Lüftungsöffnungen. Während der Schutz gegen Außengeräusche
maßgeblich vom Standort des Gebäudes und dessen Orientierung bestimmt wird, gilt diese
Abhängigkeit für die flankierende Schallübertragung zwischen benachbarten Räumen im Ge-
bäude nicht. Die Fassade als flankierendes Bauteil, ob in horizontaler oder vertikaler Richtung,
entscheidet in vielen Fällen über den resultierenden Schallschutz zwischen den Räumen. Ein
zunehmend wichtiger Schallschutzaspekt ist die Geräuschentstehung von motorisierten Lüf-
tungs- und Verschattungssystemen und dergleichen. Ähnlich sind windinduzierte Geräusche
an exponierten Fassadenelementen zu betrachten. Dabei handelt es sich meist nicht um oh-
renbetäubenden Lärm, die entstehenden Schallpegel sind mitunter sogar akzeptabel. Die
spektrale und zeitliche Charakteristik der Geräusche hat jedoch Störpotenzial, so dass sie
nicht vernachlässigt werden sollte.
TÜREN
An Fenster und insbesondere Türen werden zum Teil gegensätzliche Anforderungen gestellt.
Schallschutz bedarf einer bestimmten Masse, aber die Türen dürfen nicht zu schwer sein.
Schallschutz erfordert eine dauerhafte Dichtigkeit, aber die Türen müssen sich häufig und
leicht öffnen und schließen lassen.
Bild II.1.36 illustriert wichtige konstruktive Elemente von Innen- und Außentüren. Die Anforde-
rungen konzentrieren sich natürlich auf den direkten Schallschutz zwischen benachbarten
Räumen bzw. gegenüber Außengeräuschen. Dafür müssen Türsystem und die umgebende
Wand gut aufeinander abgestimmt sein. Ebenso bedeutsam ist für den Schallschutz im einge-
bauten Zustand die flankierende Luft- und Trittschallübertragung, insbesondere horizontal
über den Boden. In diesem Sinne sind alle in Bild II.1.36 markierten Ausführungsdetails sorg-
sam zu planen und umzusetzen.
201
Bei Außentüren ist zusätzlich
ein kombinierter Schall- und
Bänder Türblatt Zarge Wand
Wärmeschutz zu beachten.
(Justierung, (mehr- Hinterfüllung (vollständig)
Wartung) schichtig, Abdichtung (zweiseitig)
maßhaltig)
Falz
mit elastischen Dichtungen
(einfach, doppelt)
Absenkdichtung
(automatisch) Trennfuge (im Boden)
Bild II.1.36: Für den Schallschutz relevante Elemente und Eigenschaften eingebauter Innen- und Au-
ßentüren
Dies gilt umso mehr, da sich der Schallschutz von Türen in der Praxis häufig als unzureichend
erweist, obgleich sie an sich das erforderliche und geplante Schallschutzpotenzial aufweisen.
Meist liegen die Ursachen für unzureichende Wirkung im Einbau und anschließend in der zu
seltenen Pflege und Wartung trotz starker Beanspruchung. Daher sind spezielle Ausführungs-
hinweise wertvoll, wie sie auszugsweise in Tabelle II.1.13 genannt sind.
Türzarge Holz oder Metall, Einfach- oder Doppelfalz, Block- oder Blendrahmen
202
Tür darstellen. Damit wird eine „akustische Schleuse“ z.B. als so genannter Windfang zwi-
schen Flur und Wohnung erreicht und die geforderte Schalldämmung auf zwei Türen verteilt.
Als Folge können einfachere und leichtere Türen verwendet werden. Angesichts der meist
sehr häufigen Nutzung sollten regelmäßige Überprüfungen, Justierungen und gegebenenfalls
der Wechsel von Verbrauchsmaterialien wie Dichtungen erfolgen.
Neben der Schalldämmung können aber auch Windgeräusche bei Undichtigkeiten sowie Be-
tätigungs- oder Schließgeräusche z.B. in Hotels von Zimmer- und Brandschutztüren eine Rolle
spielen. Sie erreichen mitunter Spitzenwerte, zumal dieser Donnerhall von den Hotelgästen
oftmals nicht beeinflusst werden kann. In manchen Fällen macht es aber auch die Menge,
wenn morgens die automatischen Zimmertüren kurz hintereinander ins Schloss fallen. Diese
Störungen sind überflüssig, da sie sich mit technischen Mitteln minimieren lassen.
MOBILE TRENNWÄNDE
Eine den Türen ähnliche Wandkonstruktion repräsentieren mobile Trennwände, die ebenfalls
- wenn auch deutlich seltener - geöffnet und geschlossen werden können (siehe Bild II.1.37).
Diese Option ist für die vielfach dringend erforderliche Flächeneffizienz in Gebäuden sehr wert-
voll. Mobile Trennwände ermöglichen eine sinnvolle Flexibilität und attraktive Funktionalität für
eine Vielzahl von Nutzungen, z.B. in Kitas und Schulen, in Restaurants und Veranstaltungs-
räumen sowie an mehreren Stellen in Bürogebäuden.
Bild II.1.37: Unterscheidung von immobilen (Links) und mobilen Trennwänden (Mitte, hier als Falt-
wand) und Stellwänden bzw. Schallschirmen (Rechts).
Diese mobile Raumtrennung muss natürlich mit einer bedarfsgerechten Schalldämmung ein-
hergehen, wobei in manchen Fällen auch noch eine für die Raumakustik hilfreiche Schall-
absorption auf den Wandoberflächen ergänzt werden kann.
Der Aufbau mobiler Trennwänden ist in Bild II.1.38 (Links) skizziert. Die mindestens zweischa-
ligen Wandelemente, meist aus verschiedenen Mehrschichtplatten in Rahmenbauweise, sind
über Elementverbindungen (Dichtungen) miteinander sowie über bewegliche laterale An-
schlüsse (Hubelemente, Dichtungen) mit Boden, Decke und Wänden (einschließlich der Fas-
sade) verbunden. Für diese Bewegungen enthalten die Elemente in ihrem Inneren eine Me-
chanik, mitunter auch motorisch angetrieben.
203
Für die direkte Schallübertragung sind die Wand- und Hubelemente, einschließlich der Dich-
tungen von zentraler Bedeutung. Die flankierende Schallausbreitung kann auf mehreren We-
gen erfolgen, wie Bild II.1.38 (Rechts) zeigt. Ob als Luft- oder als Trittschall sind daran Boden,
Decke und Wände beteiligt, aber auch Kanäle und Durchführungen. Diese doch zahlreichen
Übertragungswege beeinflussen das Ergebnis je nach Schallschutzniveau auf unterschiedli-
che Weise. So ist für eine hohe Schalldämmung im Bodensystem unbedingt eine dauerhaft
hochwertige Trennfuge richtig zu positionieren und auszuführen. Ähnliches gilt für Fassaden-
anschlüsse, wobei hier wegen der mitunter beträchtlichen Bewegungen der Fassade (mehrere
Millimeter) keine Schraubverbindungen oder dergleichen erlaubt sind.
Elementstöße Schallüber-
tragungswege
Wandelemente
Dichtungen Luftdurchlass
Doppelboden Schott
Wand (Fassade)
Bild II.1.38: Für den Schallschutz bedeutsame Elemente und Eigenschaften (Links) sowie relevante
Schallübertragungswege (Rechts) mobiler Trennwände
70
60
Prüfstand
Schalldämm-Maß [dB]
50
Praxis "normal"
40
30 Praxis schlecht
20
125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
204
Bild II.1.40 illustriert dazu den Einfluss von flächenbezogener Masse und zunehmender Ab-
dichtung auf die Schalldämmung. Qualitativ können diese Entwicklungen übrigens auch auf
Türen übertragen werden.
70
60 Einfluss der
Schalldämm-M aß [dB]
Beschwerung
50
40 Einfluss der
Abdichtung
30
20
125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.40: Vereinfachte Kurven des Schalldämm-Maßes mobiler Trennwände bei zunehmender flä-
chenbezogener Masse und Abdichtung
Da natürlich auch mobile Trennwände für den täglichen Gebrauch Türen enthalten können, ist
deren Einfluss nochmals gesondert zu betrachten. Bild II.1.41 zeigt Ergebnisse eine der bis-
lang seltenen Messungen im Prüfstand. Auch hier tritt der Einfluss der Undichtigkeit deutlich
zu Tage.
80
70
Schalldämm-M aß [dB]
ohne Tür
60
50
mit Tür
40
30
125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.41: Im Prüfstand gemessene Schalldämm-Maße (Links) einer beispielhaften mobilen Trenn-
wand ohne und mit eingebauter Tür (Rechts, Bild nicht im Prüfstand)
205
ÖFFNUNGEN IN WANDBAUTEILEN
𝑅1 𝑅2 𝑅𝑊𝑎𝑛𝑑 𝑆Ö𝑓𝑓𝑛𝑢𝑛𝑔
1
𝑅𝑟𝑒𝑠 = −10 lg (𝑆 [𝑆1 10− 10 + 𝑆2 10− 10 ]) ≅ −10 lg (10− 10 + ) dB (II.1.47)
𝑔𝑒𝑠 𝑆𝑊𝑎𝑛𝑑
Eine beispielhafte Anwendung dieser Formel ist in Bild II.1.42 veranschaulicht. Ausgangs-
punkt ist dabei eine 10 m2 große Wand mit unterschiedlichen bewerteten Schalldämm-Maßen
und einer Öffnung, deren Fläche zwischen 100 und 500 mm2 variiert. Anhand des resultieren-
den Schalldämm-Maßes Rw,res wird deutlich, dass der Einfluss der Öffnung mit ihrer Fläche
und mit dem Schalldämm-Maß der Wand zunimmt.
Rw der Wand:
30 dB 40 dB
60
50 dB 60 dB
50
40
500 mm² 100 mm²
30
20
0 100 200 300 400 500
Fläche der Öffnung [mm²]
Bild II.1.42: Einfluss des resultierenden Schalldämm-Maßes einer Wand mit einer Öffnung vom be-
werteten Schalldämm-Maß der Wand und von der Fläche der Öffnung
Diese sehr einfache Betrachtung gibt jedoch die Realität nicht ganz wieder, da in einer Öffnung
mehr passiert als ungehinderter Schalldurchgang. Im Kap. I wurde bereits mehrfach dargelegt,
dass sich in einer engen kanalartigen Öffnung ebene Schallwellen ausbreiten, während an
den Mündungen Kugelwellen abgestrahlt werden. Der damit verbundene Impedanzwechsel
von Z0 zur Strahlungsimpedanz Zr führt zwar auch zu Transmission, also zu Schallaustritt bzw.
-abstrahlung. Zugleich finden mehrfache Reflexionen statt, die wiederum stehende Wellen in
der Öffnung begründen. Bild II.1.43 deutet diese Zusammenhänge an. Allein die Relation von
206
Öffnungstiefe und Wellenlänge muss also eine Frequenzabhängigkeit des Schalldurchgangs
mit sich bringen. Aber auch der je nach Einfallswinkel unterschiedliche Eintritt in die Öffnung
wirkt sich in diesem Sinne aus.
A A-A
Wand
Stehwellen in
der Öffnung
20
Loch:
D = 16 mm
t = 1 mm
Schalldämm-M aß [dB]
10 S = 200 mm2
Loch:
0
D = 8 mm
t = 64 mm
S = 50 mm2
-10
Schlitz:
400 mm x 3 mm
-20 t = 10 mm
125 250 500 1k 2k 4k S = 1200 mm2
Frequenz [Hz]
Bild II.1.44: Gemessene Schalldämm-Maße (und spektrale Mittelwerte: ---) von unterschiedlichen
Öffnungen (mit Bezug auf die tatsächliche Öffnungsfläche) in einer einschaligen Wand
unterschiedlicher Dicke
207
Öffnungen in Wandbauteilen müssen jedoch in der Praxis nicht immer durchgehend ausgebil-
det sein. Fugenrisse oder auch Einbauten, wie z.B. Hohlwanddosen für Schalter oder Steck-
dosen verursachen mitunter nur in einer Wandschale eine Öffnung und zudem behindert die
Dämmstoff-Füllung im Hohlraum einen gänzlich ungehinderten Schalldurchgang. Anhand der
Messergebnisse in Bild II.1.45 wird erkennbar, dass ein Schlitz in nur einer Wandschale das
Schalldämm-Maß kaum beeinflusst. Dieses Ergebnis ist zwar nicht für alle Fälle repräsentativ,
gibt aber doch eine gewisse Erfahrung wieder. Bestehen in beiden Wandschalen Öffnungen,
spielt neben der Öffnungsfläche und -tiefe zusätzlich die Lage der Öffnungen zueinander eine
Rolle. Im Beispiel von Bild II.1.45 liegen die Öffnungen direkt gegenüber und reduzieren so
das bewertete Schalldämm-Maß um 8 dB. Bei einer versetzten Anordnung wird der Einfluss
der Öffnungen wieder deutlich geringer. Natürlich ist aber die Vermeidung oder die Abdeckung
von Öffnungen die bevorzugte Lösung zur Erhaltung der Schallschutzwirkung entsprechender
Wände.
80
Rw = 63 dB
70 Rw = 63 dB
Schalldämm-M aß [dB]
Rw = 55 dB
ohne Schlitz
60
50
30
125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz] mit zwei Schlitzen
Bild II.1.45: Gemessene Schalldämm-Maße einer zweischaligen, mit Dämmstoff gefüllten Wand ohne
Schlitz sowie mit Schlitz (400 x 3 mm, t = 10 mm) in einer Schale und beiden Schalen
Allerdings besteht mitunter die Notwendigkeit, das durch Öffnungen in Wänden, Fenstern und
Türen eine Luftströmung ermöglicht wird, z.B. damit Abluft einen Raum verlässt oder Zuluft
ihn erreicht. Auch in diesen Fällen bestehen jedoch akustische Gestaltungsmöglichkeiten mit
so genannten Überström-Kanälen bzw. -Elementen in den Bauteilen. Bild II.1.46 illustriert zwei
Varianten, wie sie in der Praxis vorkommen und zu denen auch akustische Messwerte verfüg-
bar sind.
208
Öffnung Öffnung
Wand Wand
Labyrinth
Bild II.1.46: Überström-Öffnungen in zweischaligen Wandbauteilen
Insgesamt sei festgehalten, dass Öffnungen jedweder Art in Trennbauteilen eine Schwach-
stelle des Schallschutzes darstellen und daher vermieden oder gezielt konstruktiv behandelt
gestaltet werden müssen. Dafür bestehen nicht nur Erkenntnisse zu ihrer Bewertung, sondern
auch technische Optionen zu ihrer Ausgestaltung.
1 Toe
Das Produkt aus Kraft und Zeit entspricht dem Impuls (Einheit Ns) und hängt von der Masse
und der Geschwindigkeit der Krafteinleitung ab. Dieser Impuls leitet Energie in den Boden,
vereinfacht z.B. als Platte betrachtet, die zu einer Verformung führt. Ist die Bodenoberfläche
extrem nachgiebig und weist eine hohe innere Dämpfung (z.B. eine Sandschicht auf der Platte)
auf, bleibt es bei einer Verformung am Ort der Anregung. Ist dies nicht oder nur teilweise der
209
Fall, äußert sich die Verformung als (dynamische) Biegebeanspruchung der Platte. Diese wie-
derum führt zu Biegeschwingungen, die sich als Biegewellen (Körperschall) in bzw. auf der
Platte ausbreiten und schließlich von der Platte als Luftschall abgestrahlt werden (siehe Bild
II.1.48).
Anregung
Biegeschwingungen
Ausbreitung Bauteil
Abstrahlung
Biegewellen
Bild II.1.48: Durch dynamische Krafteinleitung ausgelöste Anregung, Ausbreitung und Abstrahlung
von Biegeschwingungen bzw. Biegewellen in einer Platte
Genauso wie die Anregung hängen auch die Ausbreitung und Abstrahlung von der Geometrie
(seitliche Abmessungen und Dicke) und den vibro-akustischen Eigenschaften der Platte ab.
Zu Letzteren zählen insbesondere die bereits in Kap. I.4.2 im Kontext des Koinzidenz-Effektes
bei Platten eingeführte Biegesteifigkeit B (einschließlich Elastizitätsmodul E und POISSON-
Zahl ) und die flächenbezogene Masse m“. Hinzu kommt der mechanische Verlustfaktor
als Ausdruck für die innere Dämpfung. Während bei tiefen Frequenzen einzelne diskrete Bie-
geeigenschwingungen das Schwingungsverhalten der Platte bestimmen, nimmt die Anzahl
der Biegeeigenschwingungen pro Frequenzband - auch Modendichte genannt - mit der Fre-
quenz zu und bildet schließlich ein regelrecht diffuses Biegewellenfeld. Mit Gl. (II.1.48) lässt
sich diese Entwicklung näherungsweise berechnen, die in Bild II.1.49 beispielhaft dargestellt
ist.
𝑚′′ 𝑆
𝑁 = √𝐵 ∆𝑓𝑇𝑒𝑟𝑧𝑏𝑎𝑛𝑑 (II.1.48)
2
Anhand der Formel wird deutlich, dass die Modendichte leichter und biegesteifer Platten be-
sonders hoch ist. Bei einem realen und bezüglich Trittschall relevanten Bauteil, wie der Be-
ton(roh)decke in Bild II.1.49, kann von einem diffusen Biegewellenfeld oberhalb von 1000 Hz
ausgegangen werden.
210
50
30
diffuses Biege-
20 wellenfeld
einzelne
10 Biegeeigen-
schwingungen
0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.49: Anzahl N der Biegeeigenschwingungen pro Terzband (f ) einer 18 cm dicken Betonplatte
(414 kg/m2) mit den Abmessungen 2,5 m x 4,0 m
Für biegesteife und schwach gedämpfte Bauteile gilt, dass sie relativ breitbandig und über die
gesamte Platten Schall abstrahlen. Bei biegeweichen Bauteilen mit einer gewissen inneren
Dämpfung nimmt die Amplitude der Biegewellen mit zunehmender Entfernung vom Anre-
gungsort und mit der Frequenz ab. Grundsätzlich gilt aber auch, dass sich biegesteife und
insbesondere schwere Bauteile im Vergleich weniger stark anregen lassen als leichte Ele-
mente.
Diese Aussagen lassen sich aber nicht ohne weiteres auf konkrete Deckenkonstruktionen in
Gebäuden übertragen. Dennoch deuten sie sich im Vergleich von Konstruktionen an, wie z.B.
die gemessenen Trittschallpegel in Bild II.1.50 veranschaulichen. Gehende Personen mit hart
besohltem Schuhwerk erzeugen bei der Stahl- und Holzbalkendecke (beide ohne Estrich, Bo-
denbelag und dergleichen) ein breitbandiges Trittschallpegelspektrum. Die moderaten Spit-
zenwerte liegen bei tiefen Frequenzen, wobei im Fall der Holzbalkendecke die Pegel deutlich
höher ausfallen und bei ca. 100 Hz sogar eine resonanzartige Spitze auffällt. Sie geht vermut-
lich auf eine Hohlraumresonanz im Deckenkasten zurück, obgleich dieser mit Dämmstoff ge-
füllt ist. Die Pegelabnahme mit der Frequenz gilt für beide Decken, allerdings für die Stahlbe-
tondecke im Bereich bis 1000 Hz etwas geringer. Laufen die Personen ohne Schuhwerk auf
den Decken, verringern sich die Trittschallpegel erheblich und bei der Stahlbetondecke prägt
sich der Pegelabfall mit der Frequenz noch deutlicher aus. Pegelbestimmend sind bei beiden
Decken nur noch die Werte unterhalb 125 Hz.
211
90
Stahlbetondecke
80 Holzbalkendecke
70 mit Schuhen ___
ohne Schuhe - - -
Trittschallpegel [dB]
60
50
40
30
20
10
0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.50: Gemessene Trittschallpegel von gehenden Personen (mit hart besohlten Schuhen und
ohne Schuhe) auf einer Stahlbetondecke und einer Holzbalkendecke
An dieser Stelle sei der kurze Exkurs von der Physik zur Realität jedoch schon wieder beendet,
da die Messprozedur unter Zuhilfenahme gehender Personen natürlich Fragen nach der Prak-
tikabilität und Reproduzierbarkeit aufwirft, zumal nicht nur Decken, sondern auch Deckenauf-
lagen sowie Treppen und Podeste auf ihr Trittschallverhalten zu untersuchen sind.
Daher soll ein Rückblick auf Bild II.1.4 an die Gesamtschau der bauakustischen Kenngrößen
für Geräusche erinnern, die durch unterschiedliche Schallquellen innerhalb und außerhalb von
Räumen in Gebäuden verursacht und deren Ausbreitung durch Bauteile reduziert werden.
Dazu zählt auch der Trittschall, der insbesondere von laufenden Personen auf Decken erzeugt
und im Raum darunter hörbar wird. Dort überlagert sich dieser Schall mit anderen Geräuschen,
z.B. Luftschall aus Nachbarräumen, und für diese Überlagerung gibt es einige Grundregeln:
Das lauteste Geräusch bestimmt das resultierende Gesamtgeräusch maßgeblich und meh-
rere, etwa gleich laute Geräusche summieren sich auf. Das hat Konsequenzen für die Behand-
lung der einzelnen Schallquellen und -ausbreitungswege. Eine einzige „unterschätzte“ Schall-
quelle macht die erfolgreichen Bemühungen an allen anderen Stellen zunichte und jede
Schallquelle muss zumindest soweit unterdrückt werden, dass sie auch noch in der Gesamt-
addition mit allen anderen Quellen den Zielwert einhält. Um diese Regeln und das Ziel eines
angemessenen Gesamtgeräuschpegels zu berücksichtigen, sollten die einzelnen Kenngrößen
für Luft-, Körper- und Trittschall vergleichbar behandelt werden. Während jedoch beim Luft-
schall die Dämmung (Schalldämm-Maße) als charakteristische Größe dient, wird beim Tritt-
schall überwiegend der Geräuschpegel verwendet. Er sollte also niedrige Werte aufweisen,
während bei der Schalldämmung hohe Werte für eine ruhige Umgebung stehen.
212
Zu dieser ersten Besonderheit des Themas Trittschall in Gebäuden kommt aber noch eine
weitere hinzu. Sie manifestiert sich in einer zumindest hierzulande historisch etablierten Tritt-
schallquelle, dem so genannten Norm-Hammerwerk (siehe Bild II.1.51). Wie auch immer die
Entwicklung dieses Hammerwerks verlaufen ist, die von ihm angeregten Geräusche unter-
scheiden sich deutlich von denen bei realer Anregung beim Begehen durch Personen von
Decken. Dabei sind gehende Personen nur eine Störquelle, die in Verbindung mit der Nutzung
von Decken auftreten können. Weitere Quellen sind mit springenden Personen (z.B. Kindern),
mit dem Aufprallen von Bällen (z.B. in Sporträumen) oder dem Rollen von Koffern (z.B. in
Hotelfluren) und dem Rücken von Stühlen (z.B. in Schulräumen) verknüpft und können erheb-
liche Geräusche erzeugen.
Das Norm-Hammerwerk kann bestenfalls einen Teil dieser Realität abbilden, ist aber dennoch
die zentrale Apparatur zur Anregung bzw. Messung von Trittschall. Diese Tatsache muss in-
sofern immer bedacht werden, da in der Praxis regelmäßig und häufig Diskussionen auftreten,
wenn z.B. Anforderungen laut Norm (-Hammerwerk-Messung) eingehalten werden, aber die
Nutzenden dennoch mit der erlebten Realität unzufrieden sind.
Zur Einordnung der Realitätsnähe des Norm-Hammerwerks wird zunächst der Vergleich von
Stahlbeton- und Holzbalkendecke aus Bild II.1.52 nochmals aufgegriffen und nun den Norm-
Trittschallpegeln, erzeugt durch das Hammerwerk, gegenübergestellt. Bild II.1.52 zeigt ers-
tens, dass die Norm-Trittschallpegel um 30 dB und mehr über den Trittschallpegeln liegen, die
von gehenden Personen erzeugt werden. Zweitens fällt insbesondere bei der Stahlbetondecke
auf, dass die Pegel bei Anregung mit dem Hammerwerk nicht mehr mit der Frequenz abneh-
men. Damit ist die Frage der Realitätsnähe zwar weitgehend beantwortet, aber es bleibt dabei:
Trittschall-Messungen und -Anforderungen beruhen auf dem Norm-Hammerwerk.
213
90
80
Norm-Trittschallpegel [dB]
70
60
50
40
30
Stahlbetondecke
20 Holzbalkendecke
10 mit Norm-Hammerwerk ___
mit Schuhen ---
0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.52: Gemessene Trittschallpegel von gehenden Personen (mit hart besohlten Schuhen) und
Norm-Trittschallpegel einer Stahlbetondecke und einer Holzbalkendecke
BEWERTETER NORM-TRITTSCHALLPEGEL
Wie bereits bei in Kap. II.1.1 (Kenngrößen) angekündigt, gibt es auch eine Einzahlangabe für
den Trittschallpegel sowie eine Bewertungsprozedur zu seiner Bestimmung. In Bild II.1.53
sind zum Vergleich die jeweiligen Kurven zur Bildung des bewerteten Schalldämm-Maßes Rw
und des bewerteten Norm-Trittschallpegels Ln,w dar- bzw. gegenübergestellt. Für beide Grö-
ßen sind Bezugskurven festgelegt, die in 1-dB-Schritten solange verschoben werden, bis die
Summe der ungünstigen Abweichungen so groß wie möglich ist, aber höchstens 32 dB be-
trägt. Beim Trittschallpegel bedeutet ungünstigste Abweichung, dass der Messwert über der
Bezugskurve liegt, beim Schalldämm-Maß ist es umgekehrt. Bei beiden Verfahren gleich ist
wiederum, dass der Einzahlwert dem Wert der verschobenen Bezugskurve bei 500 Hz ent-
spricht.
100 100
Bezugskurve
Ln,w
verschobene Bezugskurve
Norm-Trittschallpegel [dB]
80 80
Schalldämm-Maß [dB]
Schalldämmung
60 60
40 Rw 40
20 20
Bezugskurve
verschobene Bezugskurve
Norm-Trittschallpegel
0 0
63 125 250 500 1k 2k 4k 63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz] Frequenz [Hz]
Bild II.1.53: Links: Schalldämmung eines Bauteils und Bestimmung des bewerteten Schalldämm-
Maßes Rw (hier 35 dB) mittels der verschobenen Bezugskurve
Rechts: Norm-Trittschallpegel eines Bauteils und Bestimmung des bewerteten Norm-
Trittschallpegels Ln,w (hier 78 dB) mittels der verschobenen Bezugskurve
214
Auch beim Trittschall hat dieses Verfahren Schwächen, da es den Frequenzbereich unter
100 Hz und damit wesentliche Geräuschanteile insbesondere bei leichten Decken ausblendet.
Es liefert nur dann zufriedenstellende Ergebnisse, wenn sich Messwerte und Bezugskurve im
Frequenzverlauf nicht allzu stark voneinander unterscheiden. Um die Diskrepanz zwischen
Ln,w und der subjektiven Trittschallwahrnehmung zu reduzieren, wurde ein Spektrum-Anpas-
sungswert CI eingeführt. Er ist so angelegt, dass die Summe (Ln,w + CI) bis auf eine konstante
Differenz dem Gesamtschallpegel des Norm-Hammerwerks ohne A-Bewertung entspricht.
𝐿𝑛,𝑖
𝐶𝐼 = 𝐿𝑛,𝑠𝑢𝑚 − 𝐿𝑛,𝑤 − 15 = 10 lg (∑𝑖 10 10 ) − 𝐿𝑛,𝑤 − 15 dB
⏟
energetische Summe der
(II.1.49)
unbewerteten Terzpegel
Wichtig ist dabei die Berücksichtigung des Frequenzbereiches von 50 bis 2500 Hz (CI,50 - 2500).
Bei Anwendung der derzeitigen Schallschutzanforderungen auf (Ln,w + CI,50-2500) entsprechen
typische Werte von CI,50-2500 einer resultierenden Verschärfung bzw. Abschwächung der An-
forderungen. Mit Blick auf folgende Beispielwerte
hat der Spektrum-Anpassungswert also starke Auswirkungen vor allem bei Massivdecken
ohne Auflage sowie bei leichten Decken mit hoher Trittschalldämmung.
MASSIVDECKEN
Neben der Bezugskurve zur Berechnung des bewerteten Norm-Trittschallpegels sind zudem
der Norm-Trittschallpegel Ln,r,0 einer Bezugsdecke zur Berechnung der bewerteten Trittschall-
minderung Lw von Deckenauflagen sowie die Trittschallminderung Lr einer genormten Be-
zugsdeckenauflage definiert (siehe Bild II.1.54).
215
100 90
Bezugskurve
Trittschallpegelminderung [dB]
80 Bezugsdecke
Norm-Trittschallpegel [dB]
70
60 50
40 30
20 10
Bezugsdeckenauflage
0 -10
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.54: Bezugsspektren zur Bewertung von Trittschallschutzwerten in Gebäuden und von Bau-
teilen
Im Massivbau wird der bewertete Norm-Trittschallpegel Ln,w von Decken mit dem äquivalenten
bewerteten Norm-Trittschallpegel Ln,eq,0,w und der bewerteten Trittschallminderung Lw von De-
ckenauflagen bestimmt. Der Einfluss flankierender, massiver Bauteile wird durch einen Kor-
rekturterm K in Abhängigkeit von der mittleren flächenbezogenen Masse der Flankenbauteile
und der flächenbezogenen Masse der Massivdecke berücksichtigt.
Der Wert von Ln,eq,0,w ergibt sich nach Gl. (II.1.51) bzw. Bild II.1.55 aus der flächenbezogenen
Masse, wobei hierfür die Massivdecke mit einem gegebenenfalls vorhandenen Verbundestrich
und Putz anzusetzen ist.
𝑚′′
𝐿𝑛,𝑒𝑞,0,𝑤 = 164 − 35 lg (𝑚′′ ) dB mit (𝑚′′0 = 1 𝑘𝑔/𝑚2 ) dB (II.1.51)
0
Ein schwimmender Estrich oder dergleichen wird als Deckenauflage betrachtet und über die
bewertete Trittschallminderung berücksichtigt.
216
100
90
Norm-Trittschallpegel [dB]
Äquivalenter bewerteter
80
70
60
50
40
100 200 300 400 500 600 700
Flächenbezogene Masse [kg/m²]
Der Korrekturterm K ist davon abhängig, ob die Massivdecke mit oder ohne Unterdecke aus-
geführt wird. Fehlt eine Unterdecke und ist die flächenbezogene Masse der Massivdecke grö-
ßer als die der flankierenden Wände (Mittelwert), gilt:
′′
𝑚Massivdecke
𝐾ohne Unterdecke = 0,6 + 5,5 lg (𝑚′′ ) dB (II.1.52)
Flankierende Bauteile
Für den umgekehrten Fall, dass die mittlere flächenbezogene Masse der massiven, flankie-
renden Bauteile größer als die flächenbezogene Masse der Massivdecke ist, wird K = 0 ange-
setzt. Bei vorhandener Unterdecke gilt hingegen die folgende Berechnungsvorschrift. Die Kur-
ven zu K enthält Bild II.1.56.
′′
𝑚Massivdecke
𝐾mit Unterdecke = −5,3 + 10,2 lg (𝑚′′ ) dB (II.1.53)
Flankierende Bauteile
10
8 ohne Unterdecke
6 mit Unterdecke
4
Korrekturwert [dB]
2
0
-2
-4
-6
-8
-10
1 10
Quotient m"Massivdecke / m"Flankierende Wände
Bild II.1.56: Bestimmung der Korrekturwerte K zur Berücksichtigung der Flankenübertragung auf den
bewerteten Norm-Trittschallpegel von Massivdecken mit und ohne Unterdecke
217
Zur Erläuterung der flankierenden (Körper-) Schallübertragung zeigt Bild II.1.57 die Anregung
von Biegewellen im horizontalen Bauteil und deren Ausbreitung bis zu einer Stoßstelle. Dort
werden je nach Ausgestaltung (Massenrelation, Ankopplungsbedingungen usw.) Biegewellen
im vertikalen Bauteil angeregt. Sie breiten sich aus und werden schließlich wieder als Luft-
schall abgestrahlt.
Stoßstelle
Biegewellen
Bild II.1.57: Ausbreitung bzw. Übertragung von Biegewellen infolge der Trittschallanregung eines
Bauteils an Stoßstellen zu flankierenden Bauteilen.
Noch einen weiteren Schritt in Richtung Praxis mit mehreren Empfangsräumen veranschau-
licht Bild II.1.58, da im Senderaum durch die Trittschallanregung auch Luftschall entsteht.
Während reale Gehgeräusche nicht allzu laut sind, erzeugt das Norm-Hammerwerk erhebliche
Schallpegel, die ebenfalls auf angrenzende Bauteil treffen und übertragen werden können.
Senderaum Empfangsraum
Empfangsraum Empfangsraum
Wenn dann z.B. der Trittschallschutz hoch, aber die direkte und flankierende (Luft-) Schall-
dämmung gering ist, können die übertragenen Gehgeräusche in den Empfangsräumen sogar
218
lauter als der übertragene Trittschall sein. Zumindest ist dieser Übertragungsweg in Betracht
zu ziehen, nicht zuletzt bei Labormessungen.
HOLZDECKEN
Holz- bzw. Holzbalkendecken (siehe Bild II.1.59) und ihre schalltechnischen Eigenschaften
bzw. Eigenheiten erfordern besondere Aufmerksamkeit. Einerseits verhalten sich die leichten
und komplexen Konstruktionen, wie bereits im Vergleich gezeigt, deutlich anders als massive
Decken.
Bodenbelag
Unterlage
Estrich
Dämmschicht
Beplankung (oben und unten)
Hohlkasten (mit Balken)
Dämmschicht
Unterdecke
Bild II.1.59: Aufbau einer Holzbalkendecke und komplexe Anordnung von Masse- und Federelemen-
ten (Bodenbelag, Deckenauflage, Beplankung und Versteifung sowie Unterdecke)
Andererseits müssen nicht nur Anforderungen an die Luft- und Trittschalldämmung, ein-
schließlich Flankenübertragung, eingehalten werden, sondern es bedarf einer ausgewogenen
Berücksichtigung der statischen, bau- und brandschutztechnischen sowie bauphysikalischen
Ansprüche. Allein die Kollision von Statik und Akustik, d.h. von tragfähiger Steifigkeit und Kör-
perschallentkopplung, lässt nur wenig Gestaltungsspielraum. Bei Gebäuden in Holztafelbau-
weise etwa bestehen die Decken aus dem üblichen Stab- oder Balkentragwerk, auf dessen
Oberseite eine versteifende Platte, z.B. Beplankung aus Holzwerkstoffplatten, fest verschraubt
oder vernagelt ist. Erst zusammen mit dieser Platte verfügt das Stabwerk und auch die seitlich
angrenzende Gebäudekonstruktion über die notwendige Eigenstabilität, um die verschieden-
artigen Lasten aufnehmen bzw. ableiten zu können. Der auffällige akustische Nachteil dieser
Konstruktion resultiert aus der nahezu ungehinderten Übertragung des eingeleiteten Tritt-
schalls. Ein zusätzlicher Fußbodenaufbau als schwimmender Estrich bewirkt zwar eine deut-
liche Trittschalldämmung, er ist aber aufwendig und erhöht den Fußboden. Ebenso häufig wird
die Beplankung auf der Unterseite der Decke praktiziert, die durch eine Konterlattung oder
Federschienen vom Tragwerk teilweise entkoppelt ist. Hinzu kommen unterschiedliche Füllun-
gen zwischen den Balken zur akustischen Dämpfung im Deckenhohlraum. Bild II.1.60 zeigt
dazu einige Messergebnisse, die den Einfluss unterschiedlicher Ausführungen des Estrichs
(schwer, leicht) und der Abhängung (Holzlatten, Federschienen) der unterseitigen Beplankung
(einfach und doppelt beplankt).
219
90
80
70
Norm-Trittschallpegel [dB]
Zementestrich
Trockenestrich
60
50
40
30
An sich kann die akustische Dimensionierung analog zu massiven Decken erfolgen, also mit
einer Gesamtrechnung aus Rohdecke, Deckenauflage, Unterdecke und dergleichen. Aller-
dings bleibt der Erkenntnisgewinn entsprechender Formeln gering, da für nahezu jede Spielart
eigene, spezifische Zusammenhänge gelten. Daher werden Holzbalkendecken beim Neubau
als Fertigteile geplant, und auch bei der Sanierung, z.B. in Altbauten mit massiven Wänden
und Holzbalken-Geschossdecken, muss in den meisten Fällen eine besondere Untersuchung
des Bestands und die entsprechende Anpassung von Modifikationen erfolgen.
Bei Treppenanlagen einschließlich Treppenpodesten ist allein der Trittschall von Bedeutung.
Durch das Begehen wird die Treppenanlage zu Schwingungen angeregt, die sich über die
Auflager an Wänden und Decken ins Gebäude übertragen und von den Flächenbauteilen als
Luftschall abgestrahlt werden. Dies gilt es mit entsprechenden Lagerungen (siehe Bild II.1.61)
zu minimieren.
Wand
Körperschall- Treppenpodest
entkopplung
220
Ein zumindest näherungsweises Bemessungsverfahren wie z.B. bei Massivdecken gibt es bis-
lang nicht. Anhaltspunkte bieten die Werte in Tabelle II.1.14 für Stahlbetonpodeste oder -trep-
penläufe, die dicker als 120 mm sind. Die Zahlen vermitteln einen Eindruck über die Wirksam-
keit trittschallmindernder Maßnahmen.
Hierzulande kommen neben massiven Treppen auch Stahl-Holz- bzw. Massivholztreppen zum
Einsatz. Trittschallprobleme treten auf, wenn diese Treppenanlagen direkt an der Gebäude-
trennwand befestigt werden, z.B. über starre Auflager bzw. starre Verschraubungen. Daher
sind auch hierfür elastisch entkoppelte Anbindungen an die Wand einzuplanen (siehe Bild
II.1.62).
Grundsätzlich stehen auch bei Treppen die für Decken infrage kommenden Maßnahmen zur
Verfügung, d.h. die Minderung der Trittschalleinleitung und der Körperschallübertragung. Eine
erste Überlegung sollte dabei immer dem Gebäudegrundriss gelten und wie sich kritische
Konstellationen mit Treppen direkt an Trennbauteilen vermeiden lassen. Bei mehrschaligen
(Haus-) Trennwänden mag diese Frage etwas anders beantwortet werden als bei einschaligen
Wohnungstrennwänden. Weitere wichtige Größen für die Trittschalldämmung der Treppe sind
die flächenbezogene Masse der Treppenläufe und -podeste, trittschallmindernde Auflagen auf
Läufen und Podesten (weichfedernde Gehbeläge, schwimmend verlegte Stufenbeläge,
schwimmende Estriche auf Podesten), und die Art der Anbindung von Läufen und Podesten
an den Baukörper (starr eingebunden, mit Trennfugen, körperschallentkoppelt).
221
Wand
Stufe oder
Träger Halterung in
Elastomer-Lager
© www.treppen.net
TRITTSCHALLMINDERUNG
Bodenbelag m“ Masse
Unterlage s‘ Feder
Estrich m“ Masse
Dämmschicht s‘
Feder
Massivdecke m“
Masse
Hohlraum (Plenum)
Dämmschicht
Unterdecke
Bild II.1.63: Aufbau und Masse-Feder-Wirkprinzip einer Massivdecke mit Bodenbelag, Deckenauf-
lage und Unterdecke
222
Die frequenzabhängige Trittschallminderung lässt sich analog zur Verbesserung des Schall-
dämm-Maßes durch Vorsatzschalen (siehe Bild II.1.14) interpretieren, wie in Bild II.1.64 dar-
gestellt. Den maßgebenden Einfluss hat die Resonanzfrequenz nach Gl. (II.1.17), die sich aus
den flächenbezogenen Massen von Rohdecke und Deckenauflage sowie aus der dynami-
schen Steifigkeit der Dämmschicht ergibt. Unterhalb der Resonanz verhält sich die schwim-
mend verlegte Deckenauflage akustisch neutral. Im Resonanzbereich kann sogar eine Ver-
schlechterung der Trittschalldämmung (L < 0) eintreten. Oberhalb der Resonanz steigt die
Verbesserung mit je nach System 12 bis 20 dB/Oktave an, wobei im Bereich höherer Frequen-
zen eine Abflachung oder sogar Richtungsumkehr des Anstiegs zu beobachten ist.
Masse-
Feder- Anstieg minmale
Resonanz je nach System Verbesserung
Trittschallmindeurng [dB]
ca. 12 bis
20 dB/Okt. fK
0 dB
f0
Frequenz [Hz]
Die Möglichkeiten zur Beeinflussung von Trittschallentstehung und -minderung lassen sich
qualitativ mit der Übersicht in Tabelle II.1.15 zusammenfassen.
223
Obwohl auch (abgehängte) Unterdecken möglich und sinnvoll sind, fokussiert sich die Bestim-
mung der Trittschallminderung auf Deckenauflagen. Dies ist insofern nachvollziehbar, da ein
Eingriff an der Stelle der Anregung sicher die erste Wahl sein sollte. Die Trittschallminderung
ist zwar in den einzelnen Terzen von der Rohdecke unabhängig, bei den Einzahlangaben kön-
nen aber Unterschiede auftreten. Um den Schallschutznachweis dennoch mit Einzahlangaben
durchführen zu können, werden die Trittschallminderung der Auflage und der Norm-Trittschall-
pegel der Rohdecke jeweils auf genormte Referenzbauteile bezogen. Die Bestimmung der
bewerteten Trittschallminderung Lw beruht auf den gemessenen Terzwerten der Trittschall-
minderung L, die wie folgt ermittelt werden:
Aus dem Ergebnis wird mittels der Bezugskurve der Einzahlwert, also ein bewerteter Norm-
Trittschallpegel bestimmt, der schließlich vom bewerteten Norm-Trittschallpegel der Bezugs-
rohdecke angezogen wird.
Zur Veranschaulichung dieser Schritte dient die beispielhafte Darstellung in Bild II.1.65.
100 90
Trittschallpegelminderung [dB]
70
60 50
20 10
L (Messwerte)
0 -10
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.1.65: Beispielhafte Darstellung der Schritte zur Bestimmung der bewerteten Trittschallminde-
rung
224
Das Verfahren gilt nicht nur für Massivdecken, sondern auch für Holzbalkendecken, jedoch
mit insgesamt 3 anderen Bezugsdecken.
Bei der rechnerischen Ermittlung der bewerteten Trittschallminderung Lw durch Deckenauf-
lagen auf Massivdecken wird zwischen schwimmenden Estrichen wie folgt unterschieden:
𝑚′′ 𝑠′
∆𝐿𝑤 = 13 lg (𝑚′′ ) − 14,2 lg (𝑠′ ) + 20,8 dB (II.1.58)
0 0
𝑚′′ 𝑠′ 𝑚′′
∆𝐿𝑤 = (−0,21 lg ( ′′ ) − 5,45) lg ( ′ ) + 0,46 lg ( ′′ ) + 23,8 dB (II.1.59)
𝑚0 𝑠0 𝑚0
wobei die dynamische Steifigkeit in MN/m3 einzusetzen ist. Werden zwei übereinanderlie-
gende Trittschall-Dämmschichten verwendet, berechnet sich die resultierende dynamische
Steifigkeit s‘res wie folgt:
1
𝑠′𝑟𝑒𝑠 = (1/𝑠′ +1/𝑠′ ) (II.1.60)
1 2
225
Bild II.1.66: Bewertete Trittschallminderung Lw schwimmender Estriche in Abhängigkeit von ihrer Art
(Zement, Gussasphalt), der flächenbezogenen Masse und der dynamischen Steifigkeit
der Dämmschicht
Allerdings dürfen keine starren Verbindungen, z.B. so genannte Schallbrücken, zwischen De-
cke und Estrichplatte bestehen. Leider sind dies aber die häufigsten Ausführungsfehler, ins-
besondere an den wandseitigen Rändern des schwimmenden Estrichs. Hier muss ein Rand-
dämmstreifen unbedingt für Entkopplung sorgen (siehe Bild II.1.67), möglichst unter Einbe-
ziehung der Sockelleiste. Aber auch andere Schallbrücken tauchen immer wieder auf, wenn
z.B. bei der Verlegung von Zementestrich die Dämmschicht an den Fugen der Dämmplatten
durchbrochen wird oder gar die Dämmplatten zur einfacheren Verlegung mit Dämmstoffdübeln
fixiert werden. Derlei Mängel verschlechtern spür- und messbar die Trittschallminderung und
ihre Beseitigung ist meist sehr aufwendig und natürlich auch teuer.
Randdämmstreifen
vollständige
seitliche Entkopplung
Vermeidung
von Schallbrücken
226
Wie bereits erwähnt, sind zur Einhaltung der Trittschallanforderungen schwimmende Estriche
auf Decken in der Regel unverzichtbar. In bestehenden Gebäuden sind aber mitunter Decken-
typen aus Beton oder Holz vorzufinden, deren Belastbarkeitsgrenze bereits erreicht ist. Hier
besteht bei der Sanierung von Decken der Zwang oder zumindest der Wunsch, die vorhan-
dene Raumhöhe zu erhalten und das Bodenniveau nicht wesentlich zu erhöhen. In diesen
Fällen werden schlanke Deckenauflagen, d.h. Trockenestriche aus Holzwerkstoff- oder Gips-
faserplatten mit reduzierter Bauhöhe eingesetzt. Die Dicke der Dämmschicht beträgt bei der-
artigen Konstruktionen oft nur wenige Millimeter. Ähnliche Verhältnisse gelten für die verbrei-
teten Systeme zur schwimmenden Verlegung von Laminat oder Parkett. Diese schlanken De-
ckenauflagen sind als einfache und kostengünstige Konstruktion mit akustischem Verbesse-
rungspotenzial bei mittleren und hohen Frequenzen anzusehen. In dem für den Trittschall-
schutz oftmals maßgebenden Bereich tiefer Frequenzen ist die Wirkung allerdings nur sehr
gering. Dafür geht der Einbau schlanker Deckenauflagen jedoch sehr einfach und schnell von-
statten.
Ein wichtiger Praxishinweis betrifft die Einordnung der Angaben zur Trittschallminderung,
wenn schlanke Deckenauflagen mit (elastischer) Unterlage zusätzlich auf Estriche verlegt wer-
den. Die bewertete Trittschallminderung beider Systeme wird getrennt voneinander auf einer
Geschossdecke bestimmt. Die so gemessene Verbesserung wird jedoch bei der Verlegung
von Bodenbelägen auf Estrichen nicht erreicht, sondern meist deutlich unterschritten. Zahlen-
werte von 20 dB und mehr schmelzen in der Praxis dann auf wenige dB zusammen, wie Bild
II.1.68 exemplarisch illustriert.
Laminat
40
Betondecke
Trittschallminderung [dB]
28,2
30
26,3 Estrich
Dämmschicht
schwimmendem Estrich
19,5
20 Betondecke
schwimmender
Laminat
Laminat auf
Laminat auf
Betondecke
10 Estrich
Estrich
Dämmschicht
0 Betondecke
Bild II.1.68: Bewertete Trittschallminderung einer Massivdecke mit Kombinationen aus schwimmen-
dem Estrich und Bodenbelag
Es ist also Vorsicht beim Umgang mit diesen Werten mit Bodenbelägen geboten, um enttäu-
schende Überraschungen zu vermeiden.
227
WEITERE MERKMALE VON DECKEN UND BODENBELÄGEN
Neben der Luft- und Trittschalldämmung werden im Vergleich zwischen harten und weichen
Bodenbelägen auch die im Raum selbst angeregten Gehgeräusche adressiert und diskutiert.
Dazu gibt es zwar (noch) keine geregelten Anforderungen, aber es besteht Störpotential und
damit Marktbedarf an bewertbaren Aussagen. Bislang kursieren hierzu sehr unterschiedliche
Angaben, die auf unterschiedlichen Mess- und Bewertungsverfahren beruhen. Ein fundierter
Produktvergleich wird dadurch erheblich erschwert. Die im Zusammenhang mit Bodenbelägen
auftretenden Geräusche können aber noch weitere Ursachen haben. In Sporträumen können
springende Menschen und aufprallende Bälle beachtliche Schallpegel erzeugen, die üblichen
Trittschall und Gehgeräusche bei weitem übertreffen. In Hotelfluren sind es wiederum Rollkof-
fer, deren Rollgeräusche erheblich stören können. Messverfahren oder gar Angaben zur ge-
räuschmindernden Wirkung von Bodenbelägen sind jedoch für diese Verursacher nicht be-
kannt. Die Berücksichtigung bleibt also bestenfalls der individuellen Erfahrung des umsichti-
gen Planers, Nutzers oder Betreibers überlassen. Natürlich kann hier auch nicht nur die Akus-
tik allein über die Auswahl des Bodenbelags entscheiden. Belastbarkeit und Reinigbarkeit,
Brandschutz und Schallschutz, einige andere Parameter und nicht zuletzt die Ästhetik sind als
maßgebende Kriterien in Einklang zu bringen. Keine leichte Aufgabe, die sich bei fehlenden
oder unsicheren Bewertungsdaten oft genug als unlösbar erweist.
Eine weitere Schallquelle, an der Bodenbeläge beteiligt sind, ist die Geräuschentstehung in-
folge Stühlerücken, wenn sich Personen von einem Stuhl erheben oder sich hinsetzen (siehe
Bild II.1.69). In hellhörigen Räumen, wie z.B. in Schulen oder Restaurants, übertreffen die
verursachten Schallpegel mitunter deutlich den Sprachpegel im Raum, so dass bei wiederhol-
tem Auftreten weder Kommunikation noch Ruhe möglich sind. Aber auch im Raum darunter
werden Geräusche hörbar, die lauter als der sonstige Trittschall sein können. Beispielhafte
Messergebnisse zeigt Bild II.1.70.
Als wichtigster Einfluss auf die Geräuschentstehung steht die Materialkombination aus Stuhl-
füßen, Stuhlgleitern und Bodenbelag sicher im Vordergrund. Sie bestimmt das jeweilige Slip-
Stick-Risiko bei Bewegung der Stühle. Hinzu kommen die Gewichtsbelastung und Geschwin-
digkeit des bewegten Stuhls, die jedoch der Nutzer bestimmt. Schließlich bietet aber auch die
Konstruktion und Beschaffenheit des Stuhls Ansatzpunkte zur Geräuschbeeinflussung, z.B.
die Steifigkeit und Schwingungsneigung des Gestells sowie die Verbindung mit Sitzfläche und
Rückenlehne.
228
Senderaum
Bodenbelag
Decke
Empfangsraum
Bild II.1.69: Räumliche Mess-Situation zur Bestimmung von Geräuschen infolge Stühlerücken. Die
Bewegung des Stuhls erfolgt statt mit einer Versuchsperson mittels einer mechanischen
Vorrichtung, die den Stuhl mit reproduzierbarer Geschwindigkeit und Last bewegt.
80
Pegel im Senderaum (oben)
70 Pegel im Empfangsraum (unten)
1
60
Schallpegel dB(A)
50
2
40
30
3
20
10
4
0
1 2 3 4 5 Geher
Anregungsquelle (Stühle, Person)
5
Bild II.1.70: Messergebnisse (Verfahren nach Bild II.1.69) an fünf zufällig ausgewählten Stühlen auf
einer Betondecke (140 mm) mit Laminatboden und Schaumstoffunterlage im Vergleich
zu einem männlichen Geher mit Sportschuhen
229
II.1.4. Geräusche haustechnischer Anlagen und Installationen
In den letzten Jahren hat die Anzahl hautechnischer Anlagen und Installationen deutlich zuge-
nommen, insbesondere zur Komfortsteigerung in Wohnräumen. Aber auch in anders genutz-
ten Gebäuden sind zahlreiche Arten von technischen Anlagen vorzufinden. Grundsätzlich gilt
auch für deren Geräusche, dass diese in fremden, z.B. benachbarten, Räumen je nach Nut-
zung bestimmte Grenzen nicht überschreiten dürfen (siehe auch Kap. II.1, dort Tabelle II.1.5).
Vergleichsweise hohe Anforderungen im Sinne geringer Schallpegel gelten für Wohn- und
Schlafräume, ob in Wohnungen, Hotels oder gar Krankenhäusern. Betroffen von diesen An-
forderungen sind:
Nicht betroffen sind hingegen mobile Maschinen und Geräte, wie z.B. Staubsauger, Wasch-
maschinen, Küchengeräte und Sportgeräte im eigenen Wohnbereich. Natürlich können auch
diese Geräte akustisch stören. Hier obliegt es aber den Nutzenden, bei der Auswahl bzw.
Anschaffung auf entsprechende Werte zu achten. Auch so genannte Nutzergeräusche bleiben
außen vor. Dazu zählen z.B. Schallereignisse durch das Aufstellen eines Zahnputzbechers
auf einer Abstellplatte oder das (lautstarke) Öffnen und Schließen des WC-Deckels.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass es nicht nur auf die (Dauer-) Geräuschpegel an-
kommt, sondern auch auf Impuls-, Ton- und Informationshaltigkeit sowie auf andere Geräusch-
merkmale, die besonders störend wirken. So wird etwa für fest installierte Raumlufttechnik im
eigenen Wohn- und Arbeitsbereich ein Schallpegel von LAF,max,n ≤ 30 dB in Wohn- und Schlaf-
räumen sowie von LAF,max,n ≤ 33 dB in Küchen gefordert. Darüber hinaus dürfen einerseits ein-
zelne, kurzzeitige Geräuschspitzen, die beim Ein- und Ausschalten der Anlagen auftreten kön-
nen, diese Grenzwerte um maximal 5 dB überschreiten. Andererseits sind um 5 dB höhere
Werte zulässig, sofern es sich um Dauergeräusche ohne auffällige Einzeltöne handelt.
230
SYSTEMATIK DER GERÄUSCHBEHANDLUNG
Ausgehend von einer Zielsetzung im Sinne akustischer Anforderungen hat sich eine grund-
sätzliche, systematische Vorgehensweise der akustischen Gestaltung, zumeist zur Ge-
räuschminderung, bewährt (siehe Bild II.1.71). Sie beginnt mit der Erfassung und Analyse der
jeweiligen Situation, umfasst die Auswahl und Umsetzung von Maßnahmen und schließt mit
der Überprüfung und Bewertung, um das Ergebnis zu dokumentieren oder gegebenenfalls
nachzubessern. Diese Schritte erscheinen naheliegend, dennoch werden sie nicht immer be-
achtet. Die höchste akustische Priorität sollte immer und zuerst der Geräuschreduzierung an
der Quelle (Emission) gelten. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass sofort mit der Entwicklung
und Umsetzung primärer Minderungsmaßnahmen begonnen wird. In vielen Fällen lohnt es
sich, Prozesse, Geräte und Anlagen nach akustischen Gesichtspunkten zu vergleichen und a
priori leise Lösungen auszuwählen. Auch die nutzungsspezifischen Einsatz- bzw. Randbedin-
gungen (Grundriss, Aufstellort, Gesamtkonstellation im Gebäude, sonstige Belästigungen Be-
lastungen und Gefährdungen) können von Anfang entscheidende Gestaltungshinweise ge-
ben, gerade wenn es auch um Wirtschaftlichkeit und andere Kriterien geht. Im Anschluss an
die organisatorischen, baulichen und technischen Maßnahmen an der Quelle folgt die Beein-
flussung der Schallausbreitung und den Abschluss bilden Schritte zur Reduzierung der Schall-
immission, also am Ort oder in unmittelbarer Nähe der Schallwirkung.
Strömung, Turbulenz,
Luftschall
Stoß, Pulsation
Turbulenz, Stoß,
Erzeugung Flüssigkeitsschall
Pulsation, Kavitation
Dämmung (Kapseln),
Luftschall
Dämpfung, Schirmung
Dämmung (Isolierung),
Körperschall
Dämpfung
Raumakustik,
Luftschall
Immissionsschutz
Abstrahlung
Schallschutz im Gebäude
Körperschall
Immissionsschutz
Bild II.1.71: Systematik und Aspekte der geräuscharmen Gestaltung von haustechnischen Anlagen
und Installationen
231
Mit Blick auf die vielfach anwendbare Konstellation in Bild I.5.1 sind die häufig genutzten Maß-
nahmen auf dem Ausbreitungsweg, wie z.B.
erst dann in Betracht zu ziehen, wenn der eigentliche Mechanismus der Schallentstehung nicht
mehr mit vertretbarem Aufwand beeinflusst werden kann. In den vorangegangenen Kapiteln
kamen bereits theoretische Grundlagen und anwendungsorientierte Aspekte zur Sprache, die
zur Behandlung zahlreicher haustechnischer Anlagen nützlich sind. Beispielhaft sei auf die für
alle Arten von Geräten mit Lufttransport zutreffenden strömungsinduzierten Schallquellen so-
wie auf die Bauteile zur Schalldämmung, -absorption und -dämpfung verwiesen. In diesem
Kapitel wird noch auf einen Bereich eingegangen, der in allen Wohn- und Hotelgebäuden von
Bedeutung ist und zugleich eine Reihe spezieller Merkmale aufweist.
Im eigenen Bad fallen Sanitärgeräusche kaum negativ auf. Dringen sie jedoch zum Nachbarn
durch, werden sie dort trotz einer vergleichsweise geringen Lautstärke als außerordentlich
störend empfunden. Daher gelten hier durchaus hohe Schallschutzanforderungen. Die schall-
technische Qualität einer Installation wird zum großen Teil bereits durch Produktauswahl und
Planung im Vorfeld bestimmt. Viele Hersteller lassen deshalb Messungen in bauakustischen
Prüfständen durchführen, um so die Qualität und Eignung ihrer Produkte nachzuweisen. Der
Prüfstand dient hierbei als Musterbau, so dass sich die Ergebnisse auf reale Gebäude mit
vergleichbarer Bauweise übertragen lassen. Dennoch, um Fehler zu vermeiden, sind in der
Praxis einige wichtige Aspekte zu beachten.
232
Die in Wasserinstallationen auftretenden Geräusche sind vielfältig und können hydraulisch
oder mechanisch hervorgerufen werden, z.B. durch einen auf die Duschwanne auftreffenden
Wasserstrahl. Der so erzeugte Körperschall (Schwingungen der Duschwanne) wird über die
vorhandenen Kontaktstellen ins Bauwerk übertragen und breitet sich dort aus. Da es sich um
den wichtigsten Übertragungsweg handelt, sind Schallschutzmaßnahmen hier besonders
wirksam, z.B. eine elastische, schwingungsisolierende Lagerung. Neben der direkten Körper-
schallübertragung ins Bauwerk wird außerdem auch Luftschall in den Installationsraum abge-
strahlt. Dadurch entsteht ein Schallfeld, das seinerseits Boden, Wände und Decke des Rau-
mes anregt und auf diese Weise gleichfalls zur Schallübertragung beiträgt. In der Praxis spielt
die Luftschallabstrahlung der Installation zumeist nur eine untergeordnete Rolle. Eine Aus-
nahme bilden jedoch gut schwingungsisolierte Installationen mit großer Bauteiloberfläche, z.B.
eine Badewanne auf einem schwimmenden Estrich.
Bei fachgerechter Planung und Verwendung geeigneter Produkte lässt sich zumeist auch un-
ter ungünstigen baulichen Verhältnissen ein hinreichender Schallschutz erreichen. Für ein ho-
hes Schallschutzniveau sind neben dem Einsatz akustisch hochwertiger Bauteile allerdings in
der Regel geeignete bauliche Voraussetzungen erforderlich. Das gilt auch für Wasserarmatu-
ren, da auch die von ihnen direkt im Nachbarraum verursachten Geräusche, charakterisiert
durch den so genannten Armaturengeräuschpegel, ein akustisches Störpotential haben. Die
Geräusche entstehen durch turbulente Verwirbelung der Strömung im Bereich der Drossel-
stelle sowie durch Kavitation bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten. Die gelegentlich auftre-
tenden Pfeifgeräusche bei bestimmten Ventilstellungen sind auf Resonanzerscheinungen in
den wassergefüllten Hohlräumen der Armatur zurückzuführen. Sie verschwinden in der Regel,
wenn das Ventil etwas weiter geöffnet oder geschlossen wird. Neben der Ventilgeometrie
hängt die Geräuschentstehung in Armaturen in starkem Maße vom Druck in der Zuleitung ab.
Bei den Auslaufvorrichtungen, wie z.B. Perlatoren, ist zu beachten, dass Armaturengruppe
und Durchflussklasse übereinstimmen müssen, da ansonsten eine Erhöhung des Geräusch-
pegels eintreten kann.
Der dennoch an der Armatur entstandene Schall macht sich schließlich auf den Weg ins Ge-
bäude (Bild II.1.72). Zunächst über die Befestigungsstelle der Armatur, so dass bei der Mon-
tage nach Möglichkeit körperschallisolierende Maßnahmen, z.B. Dämmunterlagen für Arma-
turenwandscheiben, vorzusehen sind. Die Schallübertragung setzt sich entlang der Wasser-
leitung fort und kann daher auch noch weit entfernt spürbar sein. Sie findet sowohl über die
Rohrwand (Rohrschall) als auch über die Wassersäule im Rohr (Wasserschall) statt. Rohr-
und Wasserschall stehen in Wechselbeziehung und tauschen Schallenergie aus.
233
Armatur Geräuschentstehung
Körperschall
Körperschall
Wasserschall
Rohrschelle
Wand
Bild II.1.72: Links: Übertragung von Armaturengeräuschen ins Bauwerk (schematisch),
Rechts: Wasserschalldämpfer für S-Anschlüsse zur Reduzierung von Armaturengeräu-
schen
Hier zeigt sich einmal mehr, dass hohe akustische Qualität keinesfalls hohe Kosten verursa-
chen muss. Gerade bei Armaturen bestehen erhebliche Preisunterschiede, die insbesondere
durch das Design bestimmt sind. Da deren Armaturengeräuschpegel äußerlich und für Laien
nicht erkennbar sind, wird dieser Pegelwert von den Herstellern akustisch anspruchsvoller
Produkte geprüft. Ein Produktvergleich von preislich sehr unterschiedlichen Armaturen (Ein-
hand-Wanne/Brause-Batterien) ergab, dass keinerlei Zusammenhang zwischen Preis und
akustischer Qualität der Armaturen festzustellen war. Es fiel jedoch auf, dass alle geräuschar-
men Armaturen der untersuchten Stichprobe über Wasserschalldämpfer (siehe Bild II.1.72,
rechts) verfügten, die üblicherweise eine Geräuschminderung von etwa 10 bis 15 dB errei-
chen. Die Kosten dieser Schalldämpfer sind minimal, so dass die Erkenntnis bleibt: Preiswerte
Armaturen können akustisch hochwertig sein und teure Produkte stehen nicht zwangsläufig
für hörbare Qualität.
Auch bei Abwasserrohren nützt es wenig, das Rohr mit einer elastischen Unterbrechung zu
versehen, da der Wasserschall ungehindert passieren kann und das Rohr hinter der Unterbre-
chung erneut anregt. Zur Befestigung sind vielmehr Rohrschellen mit körperschallisolierender
Einlage, z.B. Profilgummi, geeignet. Bild II.1.73 illustriert dies in einer Beispielsituation. Der
Maßnahmenkatalog zur Behandlung der Geräusche von Abwasserrohren umfasst aber noch
mehr Möglichkeiten:
Darüber hinaus spielen natürlich die Wände eine Rolle, wobei sich leichte Bauteile auch leich-
ter anregen lassen. Mit Blick auf die Verlegung von Wasserleitungen in Schächten können
234
auch hier entsprechend schalldämmende Ausführungen eingeplant werden. Die Wechselwir-
kungen von Leitungen und Sanitärobjekten mit der Installationswand sind grundsätzlich eine
Herausforderung, die bei Vor- und Inwandinstallationssystemen höchste Aufmerksamkeit er-
fordern. Bild II.1.74 zeigt dazu Außen- und Innenansichten, die auch das Problem verdeutli-
chen, dass auf engstem Raum viel Technik unterzubringen und zugleich die Geräuschwahr-
nehmung minimiert werden muss. Allein die Körperschallentkopplung trotz vieler Befesti-
gungselemente bedarf eines ganzheitlichen Konzeptes mit passenden Lösungen für jedes De-
tail. Dies ist umso bedeutsamer, da eine belastbare Stabilität für lange Nutzungszeiten sicher-
gestellt werden muss.
dreischichtige
Rohrwand
Befestigung
Innenschicht
Abwasserrohr
Rohrschelle
Entkopplung Mittelschicht
(Entkopplung)
Außenschicht
Decke
Rohrschelle
mit spezieller
Einlage zur
Körperschal-
Schacht Wand lisolierung
Ein weiterer akustischer Schwerpunkt im Bereich Sanitärobjekte sind die beim Baden und Du-
schen auftretenden Geräusche. Sie entstehen, wenn der aus dem Brausekopf oder der Wan-
nenarmatur austretende Wasserstrahl auf den Wannenboden oder - bei gefüllter Wanne - auf
235
die Wasseroberfläche trifft. Auch diese Geräusche werden von der Wanne über die Befesti-
gungselemente (Wannenanker und Wannenfüße bzw. Wannenträger aus Polystyrol) in Form
von Körperschall ins Bauwerk übertragen und breiten sich dort in die benachbarten Räume
aus. Wirkungsvolle Schallschutzmaßnahmen in Form körperschallisolierender Befestigungs-
elemente sind z.B. elastische Einlagen. Die Voraussetzung für deren Wirksamkeit ist aller-
dings, dass an allen Berührungsstellen der Wanne mit dem Gebäude eine Körperschallisola-
tion vorhanden ist. Bereits ein kleinflächiger Kontakt (z.B. Fliesenkleber- oder Mörtelreste)
reicht aus, um die Isolation zu beeinträchtigen. Zur Vermeidung derartiger Körperschallbrü-
cken dienen elastische Dämmstreifen, die zwischen Wanne und Wand sowie Wanne und Un-
termauerung eingelegt werden. Eine weitere Lärmminderungsmaßnahme besteht darin, die
Außenseite der Wanne mit körperschalldämpfenden Belägen (auch als Entdröhn-Matten be-
kannt) zu bekleben. Hierdurch werden die Schwingungen der Wanne und damit sowohl Kör-
perschallübertragung als auch Luftschallabstrahlung merklich vermindert. Bei fachmännisch
ausgeführter Körperschallisolation (siehe Bild II.1.75) verbleiben als Schallübertragungswege
im Wesentlichen noch die Silikonabdichtungen sowie der von der Wanne in den Installations-
raum abgestrahlte Luftschall.
Entkopplung
Wasser zur Wand
(KGN)
Entdröhnung
Wanne Entkopplung
zum Boden
Decke
Wand © IKZ
Die Messung von Installationsgeräuschen am Bau erfolgt bei Bade- und Duschwannen mit
dem vor Ort vorhandenen Brausekopf, dessen Strahl bei voll geöffneter Armatur aus 1 m Höhe
senkrecht auf den Wannenboden gerichtet wird. Der Betriebsdruck der Wasserversorgungs-
anlage wird erfasst, aber nicht verändert. Da bei leerer Wanne erfahrungsgemäß stärkere Ge-
räusche auftreten, erfolgt die Messung bei geöffnetem Wannenauslauf. Hat der Brausekopf
mehrere Einstellungen, so ist der lauteste Betriebszustand zu ermitteln und die Messung in
diesem Zustand durchzuführen. Dies ist keineswegs immer die Massagestellung, sondern
kann häufig auch die Stellung "Soft" sein, bei der das Wasser in geballter Form auf den Wan-
236
nenboden trifft, wodurch insbesondere bei tiefen Frequenzen eine verstärkte Geräuschanre-
gung erfolgt. Messgröße ist der Installations-Schallpegel im nächstgelegenen schutzbedürfti-
gen Raum.
Ein grundsätzliches Problem derartiger Messungen ist, dass das Ergebnis sehr stark von Art
und Einstellung des Brausekopfes sowie auch vom Wasserdruck abhängt. Messungen mit
Brauseköpfen haben daher in der Praxis zumeist wenig Aussagekraft, weil nicht auszuschlie-
ßen ist, dass der Brausekopf zu einem späteren Zeitpunkt gegen ein lauteres Modell ausge-
tauscht wird, so dass es gegebenenfalls zu einer Überschreitung der Schallschutzanforderun-
gen kommen kann. Für Messungen im Prüfstand, bei denen Genauigkeit, Vergleichbarkeit und
Reproduzierbarkeit der Messergebnisse im Vordergrund stehen, wird als Anregungsquelle ein
so genanntes Körperschallgeräuschnormal (KGN) verwendet. Es besteht aus einem Messing-
zylinder, in den zwei Scheiben mit versetzten Bohrungen eingelassen sind. Bei einem Fließ-
druck von 0,3 MPa weist der austretende Wasserstrahl eine gute Stabilität und Reproduzier-
barkeit auf und seine Geräuschentwicklung liegt an der Obergrenze handelsüblicher Brause-
köpfe. Gegenüber der Praxis besteht also ein ausreichender akustischer Sicherheitsspielraum
in punkto Schallschutzanforderungen. In Bild II.1.76 ist der für eine handelsübliche Bade-
wanne mit unterschiedlichen Brauseköpfen bzw. Strahleinstellungen unter ansonsten gleichen
Bedingungen ermittelte Installations-Schallpegel aufgetragen. Die gemessenen Werte unter-
scheiden sich um mehr als 15 dB(A) und verdeutlichen den beachtlichen Pegelbereich, den
die Praxis zu bieten hat.
35
KGN
30
Installations-Schallpegel [dB(A)]
25
20
15
10
0
1 4 7 10 13 16 19 22 25 28
Brausekopf bzw. Strahleinstellung
Bild II.1.76: Gemessene Installations-Schallpegel einer Badewanne bei Anregung mit unterschiedli-
chen Brauseköpfen bzw. Strahleinstellungen und ansonsten gleichen Messbedingungen.
Zum Vergleich ist außerdem der mit dem KGN ermittelte Wert enthalten.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass zumindest in der Schweiz nicht nur an die
Funktionsgeräusche, sondern auch an die Benutzungsgeräusche von Sanitärinstallationen
Anforderungen gestellt werden. Sie können durch das Verhalten der Benutzenden beeinflusst
237
werden, so dass technische Lösungen auch diesen Spielraum berücksichtigen müssen. Ein
typisches Beispiel hierfür ist das Herabklappen (oder -fallen) eines WC-Sitzes. Selbst wenn
diese Geräuschquellen hierzulande (noch) nicht geregelt sind, lohnt sich allemal ihre Berück-
sichtigung.
238
II.2. Raumakustik
Die akustische Behandlung von Räumen wird insbesondere mit Konzert-, Theater- und Opern-
⼀⼀⼀
sälen, mit Kirchen und Veranstaltungsräumen verknüpft. Tatsächlich stellen diese Räume
⼀
hohe Ansprüche an eine ausgewogene akustische Gestaltung, damit Musik und Sprache im
Raum von möglichst allen Zuhörenden in hoher Qualität gehört oder sogar genossen werden
können. Zur Erfüllung dieser Ansprüche bedarf es auch vertiefter Kenntnisse und Werkzeuge,
⼀
wie z.B. Software, zur Raumakustik und gegebenenfalls zur Beschallungstechnik. Allerdings
profitieren von diesen sehr aufwendig erzeugten akustischen Hörbedingungen nur wenige
Menschen, die sich z.B. abendlich einem Konzert oder einem Theaterstück widmen.
Noch wichtiger erscheint daher die Akustik von bzw. in Räumen, die von vielen Menschen
dauerhaft genutzt werden. Die Bedeutung der unmittelbaren akustischen Umgebungsbedin-
gungen für das Arbeiten und Kommunizieren, Lehren und Lernen, Signalisierung und Alarmie-
ren ist wissenschaftlich und praktisch bewiesen. Schlechte Akustik beeinträchtigt Gesundheit
und Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Sicherheit und sogar sozial-emotionale Faktoren.
Dabei sind Kleinkinder, Jugendliche und Erwachsene in unterschiedlichem Maße betroffen,
aber akute, chronische und kumulative Wirkungen betreffen alle zusammen und jeden einzel-
nen.
Lärm und Nachhall beeinträchtigen z.B. das Lernen von Kindern auf vielfältige Weise. Auf-
merksamkeits-, Gedächtnis- und Sprachverstehensprozesse, die für eine normale kindliche
Entwicklung wesentlich sind, werden nachweislich gestört. Betroffen sind vor allem jüngere
Kinder in Kitas und Grundschulen, weil im Vergleich zu Jugendlichen und Erwachsenen der
Sprachentwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Die Sprachwahrnehmungskatego-
rien sind noch nicht vollständig ausgebildet, so dass es ihnen schwerfällt, Hintergrundgeräu-
sche auszublenden und fehlende Elemente der sprachlichen Information anhand des Kontex-
tes zu ergänzen. Die Wirkung raumakustischer Maßnahmen zeigt einen signifikanten Zusam-
menhang mit den sprachlichen Fähigkeiten der in der Einrichtung betreuten Kinder.
Optimale akustische Bedingungen sind insbesondere dann erforderlich, wenn Kinder wegen
Lern-, Aufmerksamkeits- oder Sprachentwicklungsstörungen bzw. nichtdeutscher Mutterspra-
che eine höhere Empfindlichkeit bezüglich Lärmwirkungen aufweisen. Das Sprachverstehen
dieser Kinder wird im Vergleich zu anderen durch Lärm und Nachhall noch stärker beeinträch-
tigt. Es fällt ihnen schwerer, aktiv am Gruppengeschehen teilzunehmen. Zu viel Lärm wirkt
sich also auch negativ auf Inklusion und Integration benachteiligter Kinder aus. Schlechte Um-
gebungsakustik beeinflusst aber nicht nur kognitive Leistungen, sondern auch das emotionale
Erleben und Sozialverhalten. Lärm setzt z.B. die Bereitschaft zu prosozialem Verhalten herab
und das soziale Miteinander wird beeinträchtigt. So bewerten Kinder in Klassenräumen mit
mangelhafter Akustik das soziale Klima in der Klasse weniger positiv als Kinder, die in akus-
tisch guten Klassenräumen unterrichtet werden. Nicht nur Kinder sind durch die Akustik der
Räume beeinflusst, sondern auch die Unterrichtenden. Die Freundlichkeit und Geduld des Er-
ziehungs- und Lehrpersonals nimmt in Räumen mit schlechter Akustik schneller ab als in sol-
chen mit passenden akustischen Bedingungen. Angesichts der Bedeutung eines sensiblen
239
und vertrauensvollen Umgangs der Betreuungspersonen mit Kindern für deren Entwicklung,
muss Lärm als dominierende Kraft unter den beruflichen Belastungsfaktoren anerkannt wer-
den.
Trotz gewachsener Routine sind auch Jugendliche und Erwachsene von Lärm und Nachhall
in Räumen betroffen. Mit lärmbedingt beeinträchtigter Wahrnehmung und Aufmerksamkeit
werden Informationsaufnahme und -verarbeitung gestört, Gedächtnis- und Entscheidungspro-
zesse beeinträchtigt. Sind Störgeräuschpegel zu hoch und Nachhallzeiten zu lang, werden
Sprachsignale verzerrt und falsch oder gar nicht verstanden. Durch die erworbene Sprach-
kompetenz gelingt es Erwachsenen zwar auch unter schwierigen Hörbedingungen Informati-
onen zu extrahieren, die erhöhte Höranstrengung führt aber zu deutlich schnellerer Ermüdung.
Zudem verringern sich die Ressourcen, die für das Behalten und Verarbeiten der gehörten
Information zur Verfügung stehen. Werden z.B. Erwachsenen Silbenfolgen in höherem Umge-
bungsrauschen oder in Ruhe präsentiert, dann ist das Erinnern der Silbenfolgen in der
Rauschbedingung signifikant verschlechtert, auch wenn die Identifizierung einzeln präsentier-
ter Silben in beiden Bedingungen gleich gut gelingt. Lärm und schlechte Raumakustik verur-
sachen Stress. Es ist davon auszugehen, dass sie zu Störungen der zentralen Hörverarbei-
tung und der Aufmerksamkeitskontrolle führen. Dies gilt auch, wenn der Lärm keine extremen,
sondern nur mittlere Schallpegel aufweist.
Darüber hinaus besteht z.B. in Klassenräumen ein Zusammenhang zwischen der Nachhallzeit
und den Fehlzeiten der Lehrerinnen und Lehrer. Bei langer Nachhallzeit ergeben sich im Ver-
gleich zu kurzen Nachhallzeiten höhere Absentismus-Raten. Gehörschäden bzw. -verlust,
Schwindel, chronischer Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Angstgefühle sind zudem nicht
nur medizinisch relevant, sie beeinträchtigen auch das Sozialleben. Schließlich sind auch Si-
cherheitsaspekte direkt berührt, wenn Signale überhört oder nicht richtig verstanden werden
können.
Neben baulichem und technischem Schutz vor Lärmquellen außerhalb und innerhalb des Ge-
bäudes gelten für die Reduzierung der eigenen, nutzungsbedingten Geräusche und die Ge-
währleistung guter Kommunikation in den Räumen entsprechende Anforderungen.
In vielen Fällen beginnt gute Raumakustik mit der partizipativen Analyse der Nutzung und des
zugehörigen Bedarfs. Anschließend ist sie Teil der ganzheitlichen Bauplanung unter Berück-
sichtigung des baulichen und technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Spielrau-
mes. Allein die Wirtschaftlichkeit gebietet diesen integralen Ansatz für gute Akustik im Kontext
anderer baulicher Belange. All dies gilt für Neubau, Umbau und Sanierung gleichermaßen.
240
Das verfügbare Planungs- und Gestaltungswissen sowie das Angebot an Bauteilen und
Bausystemen reichen aus, um gute Raumakustik auch praktisch umzusetzen. So bieten z.B.
schallabsorbierende Elemente Vielfalt und Spielraum für individuelle und intelligente Lösun-
gen, um alle Anforderungen zu erfüllen. Wichtig sind dafür eine qualitätssichere Ausführung
und die Vermeidung einzelner Schwachstellen. Gute Raumakustik kostet natürlich Geld, ge-
nauso wie gute Luft und gutes Licht. Bei Neubauten und umfassenden Sanierungen liegen die
Zusatzkosten für nutzungsgerechte Akustik häufig bei nicht mehr als 1% der Bausumme. Für
die Raumakustik gilt z.B. bei Schulgebäuden, dass ein Quadratmeter Raum so viel kostet wie
die Akustikdecke für ein ganzes Klassenzimmer. Natürlich ist aber weder Fläche durch gute
Akustik ersetzbar, noch umgekehrt.
In diesem Sinne gibt es viele gute Gründe, akustische Maßnahmen mit einer substanziellen
oder energetischen Sanierung zu verknüpfen. Auch eine zeitlich gestaffelte Vorgehensweise,
die z.B. mit den offenkundigen Schwachstellen beginnt, ist sinnvoll und nachvollziehbar.
Gründe für einen Bestandsschutz für schlechte Akustik gibt es jedenfalls nicht. Bei nutzungs-
bezogenen akustischen Anforderungen bieten der Grundriss und die Orientierung des Gebäu-
des und der jeweiligen Räume wesentliche Möglichkeiten, den baulichen Aufwand für Schall-
schutz und Raumakustik zu minimieren. Ein in diesem Sinne gewichtiges Argument ist auch
die Verwendung standardisierter baulicher Elemente. Allein aus baupraktischen Gründen soll-
ten nicht jede Wand und jedes schallabsorbierende Element für jeden Raum anders dimensi-
oniert werden. Die mögliche Einsparung von Ausführungskosten ist dabei fast genauso hoch
zu bewerten wie das vermiedene Fehlerrisiko.
Inklusion verlangt auch bei der akustischen Gestaltung nach besonderer Sorgfalt. Unabhängig
von Raumtypen und -nutzungen können Kinder und Jugendliche mit besonderen Förder-
schwerpunkten empfindlicher auf schlechte Akustik, Störungen und Lärm reagieren. Inklusion
und Integration, aber auch Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache profitieren daher von er-
höhter akustischer Qualität der Gebäude und Räume. Dies gilt gleichfalls für die etwa 14 Mil-
lionen hierzulande mit mehr oder weniger starken Hördefiziten. Ihren Ansprüchen an die
Sprachverständlichkeit sollte sich mehr gewidmet werden. 60 % aller Menschen über 65 Jahre
sind schwerhörig und 4 % aller Menschen zwischen 15 und 35 Jahren haben bereits eine
unheilbare Hörschädigung. Alle zusammen sind sie für gute Raumakustik besonders dankbar.
241
II.2.1. Kenngrößen und Anforderungen
Bei den raumakustischen Kenngrößen ist zu beachten, dass sie einerseits den Raum und
seine Eigenschaften und andererseits die Wechselwirkungen des Raumes mit Schallquellen
und -empfängern charakterisieren. Bei den Schallquellen ist in nützlichen (z.B. Sprache, Mu-
sik) und störenden Schall (z.B. Hintergrundgeräusche) zu unterscheiden, wobei die jeweilige
Definition von der Raumnutzung und dem jeweiligen Kontext abhängt. Die Kenngrößen betref-
fen zeitliche, räumliche und spektrale Eigenschaften, wie z.B. das zeitliche Abklingverhalten
von Schallereignissen oder das entfernungsabhängige Schallfeld einer Quelle, jeweils diffe-
renziert nach Frequenzbereichen.
Im Kapitel I wurden bereits einige Unterscheidungen, z.B. in modales und diffuses Schallfeld,
vorgenommen sowie raumakustisch bedeutsame Größen, wie die Nachhallzeit, die äquiva-
lente Schallabsorptionsfläche und der Schallabsorptionsgrad, eingeführt und definiert. Auf
diese Vorkenntnisse wird nun zurückgegriffen und sie werden praxisbezogen erweitert. Im
Vordergrund steht dabei das als diffus angenommene Schallfeld, wobei sich mit dieser An-
nahme die Schallausbreitung von einer Quelle zu einem Empfänger als eine Überlagerung
des Direktschalles mit zahlreichen, teils mehrfachen Reflexionen an den Raumflächen vorstel-
len lässt. In diesem Sinne lassen sich die einzelnen Teilübertragungspfade mit Hilfe eines
Schallstrahlen-Modells beschreiben (siehe Bild II.2.1). Die Verfolgung der Strahlen (auch als
„Ray Tracing“ bezeichnet) entlang ihrer Wege mit den dabei auftretenden Reflexionen (ein-
schließlich Amplitudenreduzierung infolge Schallabsorption der Raumflächen) sowie die Über-
lagerung der resultierenden Schalldruckamplituden am Empfangsort führen zum dort zu er-
wartenden Gesamtschalldruck.
Bild II.2.1: Schematische Darstellung der Schallübertragungspfade im Raum zwischen Quelle und
Empfänger
242
infolge der immer vorhandenen, aber mehr oder weniger ausgeprägten Schallabsorption der
Raumoberflächen nach und nach abnimmt.
2
Direktschall
reflektierter Schall
1
Echo
Schalldruck [Pa]
-1
Nachhall
frühe Reflexionen
-2
0 200 400 600 800 1000
Zeit [ms]
Bild II.2.2: Zeitlicher Verlauf des Schalldruckes am Empfänger bei Übertragung im Raum
Beim reflektierten Schall werden Unterschiede gemacht. So sind z.B. frühe oder Anfangsrefle-
xionen im zeitlichen Bereich von ca. 100 ms nach dem Direktschall meist als wertvoll einzu-
ordnen, da sie den Direktschall unterstützen, ohne sich hörbar zeitlich von ihm abzusetzen.
Mitunter treten Echos oder so genannte „Flatterechos“ auf, die sich nach deutlich hörbarer
Zeitspanne mit relativ hoher Amplitude äußern. Nach einer gewissen Zeit sind einzelne Refle-
xionen gar nicht mehr zu unterscheiden und es bleibt ein Nachhall, bis der Schalldruck am
Empfänger wieder auf den (Hinter-) Grundgeräuschpegel abgesunken ist, der auch vor dem
Impuls im Raum vorhanden war.
T Nachhallzeit in s
Zeit nach Abschalten einer Schallquelle im Raum, bis der Schalldruckpegel um
60 dB gefallen ist. Daher erhält sie mitunter die Bezeichnung T60. Die Nachhallzeit
ist grundsätzlich frequenzabhängig und hängt vorwiegend vom Raumvolumen so-
wie vom zusammengefassten Schallabsorptionsvermögen der einzelnen Raum-
oberflächen (siehe äquivalente Schallabsorptionsfläche) ab. Bild II.2.3 illustriert
die Bestimmung dieser Zeit aus dem Abklingverhalten eines Raumes.
T20, T30 Die Nachhallzeit kann und wird in der Praxis auf kleinere Dynamikbereiche als
60 dB bezogen, da z.B. mitunter das Hintergrundgeräusch zu hoch ist. Die ent-
sprechend bestimmte Abklingzeit wird dann auf 60 dB extrapoliert und gekenn-
zeichnet. So wird T20 aus der Zeit ermittelt, zu der die Abklingkurve erstmalig die
243
Werte 5 dB und 25 dB unter dem Anfangspegel erreicht. Mit Bezug auf Bild II.2.3
gilt also T20 = 3 · t20 und in diesem Fall ca. 0,7 s. Werden Abklingwerte von 5 dB
bis 35 dB unter dem Anfangspegel verwendet, handelt es sich um T30.
EDT Die so genannte Early Decay Time wird nach dem gleichen Schema wie die Nach-
hallzeit bestimmt, allerdings gesondert angegeben. Sie dient in manchen Fällen
der Charakterisierung des Anteils früher Reflexionen.
80
Quelle aus
-5 dB
Schalldruckpegel [dB]
60 -15 dB
-25 dB
t20
40
t30
20
T60
Grundgeräusch
0
0 200 400 600 800 1000
Zeit [ms]
Bild II.2.3: Zeitlicher Verlauf des Schalldruckpegels bei abgeschalteter Schallquelle (t = 0) und Be-
stimmung der Nachhallzeitwerte
D50 Deutlichkeitsgrad
Diese Größe gibt den Grad der Sprachverständlichkeit (insbesondere der Silben-
verständlichkeit) wieder und setzt dafür nützlichen Anteil (0 bis 50 ms) der Schall-
energie zum gesamten Anteil ins Verhältnis, jeweils ausgedrückt durch das über
einen bestimmten Zeitraum integrierte Quadrat des Schalldruckes. In Prozent an-
gegeben deutet ein Wert von D50 > 50 % auf eine gute und D50 > 70 % deutet auf
eine sehr gute Sprachverständlichkeit hin.
50 𝑚𝑠
∫𝑡=0 𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
𝐷50 = ∞ (II.2.1)
∫𝑡=0 𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
244
C50 Deutlichkeitsmaß
Auch diese logarithmische Größe ist gebräuchlich, wobei sie die nützlichen Ener-
gieanteile (0 bis 50 ms) ins Verhältnis zur anschließend eintreffenden Schallener-
gie setzt, wie in Bild II.2.4 gezeigt ist. D50 und C50 sind rechnerisch direkt verknüpft
und das so genannte Hallmaß H entspricht dem negativen Wert von C50.
50 𝑚𝑠
∫𝑡=0 𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
𝐶50 = 10 lg ∞ dB (II.2.2)
∫𝑡=50 𝑚𝑠 𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
2
Direktschall (t = 0)
1
Schalldruck [Pa]
-1 p (> 50 ms)
80 𝑚𝑠
∫𝑡=0 𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
𝐶80 = 10 lg ∞ dB (II.2.3)
∫𝑡=80 𝑚𝑠 𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
245
G Lautstärke oder Stärkemaß
Dieser Wert muss in einem Raum ausreichend hoch und seine Verteilung im Be-
reich der Zuhörer möglichst gleichmäßig sein. Ein guter Raum weist eine Schwan-
kung des Schalldruckpegels (Summenpegel) von nur ± 3 dB auf, gerade ausrei-
chend sind ± 6 dB. Im Frequenzverlauf (z.B. bei Terzbandauflösung) des relativen
Schalldruckpegels an verschiedenen Plätzen sollten sich möglichst kaum ohne
Schwankungen einstellen.
∞
∫𝑡=0 𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
𝐺 = 10 lg ∞ 2 dB (II.2.4)
∫𝑡=0 𝑝1𝑜 𝑚,𝐹𝑟𝑒𝑖𝑓𝑒𝑙𝑑 (𝑡) 𝑑𝑡
In Gl. (II.2.4) ist der Nenner des Argumentes eine Bezugsleistung, gemessen im
Freifeld in 10 m Abstand von der Schallquelle.
ts Schwerpunktzeit
Die Schwerpunktzeit kennzeichnet die Zeit des Energiemaximums der Impulsant-
wort. Optimale Werte für Sprache liegen unter 80 ms und für Musik zwischen 100
und 150 ms.
∞
∫𝑡=0 𝑡∙𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
𝑡𝑠 = 10 lg ∞ dB (II.2.5)
∫𝑡=0 𝑝2 (𝑡) 𝑑𝑡
Die bisher genannten Größen lassen sich noch um Kriterien zur empfundenen Breite der
Schallquelle oder zur „Einhüllung“ (z.B. mit dem Seitenschallgrad) der Zuhörenden ergänzen.
Zu den meisten Kenngrößen liegen auch subjektive Untersuchungen vor, bei denen akusti-
schen Raumeigenschaften aus gemessenen Impulsantworten mit subjektiv bewerteten Merk-
malen korreliert wurden. Danach beschreibt die Nachhallzeit den Raum recht grundlegen, aber
zusätzliche Werte erweitern auch die Charakterisierung und damit Gestaltung. Tabelle II.2.1
enthält Zusatzinformationen zu deren Interpretation.
Tabelle II.2.1: Akustische Größen nach Höraspekten gruppiert (nach DIN EN ISO 3382-1, dort Tab.
A1), wobei sich die Einzelfrequenz- bzw. Mittelwertbildung auf die Oktavbänder
500 und 1000 Hz konzentriert
246
S/R, SNR Signal-Rausch-Abstand, Signal-to-Noise Ratio
Diese Relation ist ein Maß für die Hörsamkeit eines akustischen Nutzsignals (z.B.
Sprache), das von einem Rauschsignal überlagert ist. Es ist definiert als das Ver-
hältnis der mittleren Schallleistung des Nutzsignals zu derjenigen des Störsignals.
𝑃Nutzsignal 𝑃
𝑆/𝑅 = 𝑃Störsignal
oder 𝑆/𝑅 = 10 lg 𝑃Nutzsignal = 𝐿Nutzsignal − 𝐿Störsignal dB (II.2.6)
Störsignal
Die Verwendung dieser Kenngröße ist eindeutig, wenn sich Nutz- und Störsignal klar interpre-
tieren lassen, z.B. als Sprache (Nutzsignal) und technisch verursachtes Störgeräusch. Wenn
sich aber mehrere Personen in einem eher halligen Raum unterhalten, stellt sich vor diesem
Hintergrund eine andere Relation von Nutz- und Störsignal ein. Das auch als Cocktail-Party-
Effekt bekannte Phänomen tritt auf, wenn von mehreren Gruppen jeweils nur eine Person
spricht und die anderen in der jeweiligen Gruppe hören zu. Mit zunehmender Anzahl von spre-
chenden Personen nimmt auch der Schallpegel im Raum zu, die Sprachverständlichkeit je-
doch nimmt ab. Deshalb wird, um sich verständlich zu machen, der Sprachpegel sozusagen
instinktiv weiter erhöht und die Sprachverständlichkeit nimmt weiter ab. Dieser Effekt kann
sogar näherungsweise quantifiziert werden. Als wesentliche Kenngröße erweist sich aber da-
bei die Sprachverständlichkeit bzw. die akustische Verständlichkeit übertragener Sprache.
247
2
moduliertes Signal
STI Skala
Modulation 0
1
unverständlich
Schalldruck [Pa]
0,3
0 schlecht verständlich
0,45
genügend verständlich
0,6
-1 gut verständlich
0,75
Störgeräusch Überlagerung
ausgezeichnet verständlich
-2
1
0 50 100 150 200 250
Zeit [ms]
Bild II.2.5: Links: Zeitlicher Verlauf des Schalldruckes bei der Bestimmung des Speech Transmis-
sion Index mit amplitudenmodulierten Signalen
Rechts: Skala der STI-Werte und Einteilung in Bereiche
Es sei hier noch hinzugefügt, dass die Sprachverständlichkeit in Form von Silben-, Wort- und
Satzverständlichkeit auch durch subjektive Tests bestimmt werden kann. Die Ergebnisse un-
terscheiden sich mitunter von denen des vorgestellten messtechnischen Verfahrens. Grund-
sätzlich lässt sich zusammenfassen, dass die Sprachverständlichkeit von folgenden Einflüs-
sen abhängt:
Die gemeinsamen Auswirkungen von Nachhall (z.B. EDT) und Störgeräusch (z.B. SNR) las-
sen sich exemplarisch anhand von Bild II.2.6 nachvollziehen. In bedämpften Räumen mit kur-
zer Nachhallzeit bzw. geringem EDT-Wert und einem hohen Signal-Rausch-Abstand stellt sich
ein hoher STI-Wert ein. Dabei ist die Nachhallzeit offenbar für ausgezeichnete Sprachver-
ständlichkeit fundamental wichtig.
248
0,8
0,5
0,6 1,0
0,5 1,5
2,0
0,4 2,5
3,0
0,3
Early Decay Time EDT [s]
0,2
5 10 15 20 25 30
Als Sprachschallpegel wird ein definiertes Spektrum normaler Sprache verwendet, gemittelt
aus weiblicher und männlicher Sprache sowie ohne besonderen Stimmaufwand. Die in einem
249
Abstand von 1 m vom akustischen Mittelpunkt der Schallquelle im Freifeld vorliegenden Ok-
tavband-Schalldruckpegel (Lp,S,1 m) sind in Tabelle II.2.2 angegeben.
Tabelle II.2.2: Schalldruckpegel der Sprache im Freifeld in einem Abstand von 1 m vom Sprecher
und A-Bewertung der Oktavbänder
Der sich ergebende A-bewertete (Summen-) Schalldruckpegel beträgt 57,4 dB. Da für die
Messungen eine ungerichtete Quelle bevorzugt wird, stellen die Schalldruckpegel die mittlere
Schallabstrahlung in alle Richtungen von der Quelle dar.
rD Ablenkungsabstand
Abstand vom Sprecher, bei dem der Sprachübertragungsindex unter 0,50 absinkt,
angegeben in m. Nach dem Überschreiten dieses Abstands beginnt eine rasche
Zunahme der Konzentrationsfähigkeit und der Privatsphäre.
rP Vertraulichkeitsabstand
Abstand vom Sprecher, bei dem der Sprachübertragungsindex unter 0,20 absinkt,
angegeben in m. Nach dem Überschreiten des Abstands werden Konzentrations-
fähigkeit und Privatsphäre weitgehend wie im Falle getrennter Büroräume wahr-
genommen. In Büros mit mangelnder privater Gesprächsumgebung oder kleinem
Volumen ist es schwierig, STI-Werte unter 0,20 zu erreichen.
Zur Interpretation der so ermittelten Werte dient die Illustration in Bild II.2.7, wobei der Ablen-
kungsradius auch deutlich größer sein kann.
250
rD Q
Lp,A,S,4 m D2,S
Großraumbüro mit
Arbeistplätzen
Bild II.2.7: Illustration der Kenngrößen für akustische Eigenschaften von Großraumbüros
Beispiele für Lp,A,S,4 m und die Abklingkurve D2,S sind in Bild II.2.8 dargestellt. Sie zeigen die
aus der Entfernungsabnahme (Messung) des Sprachschalldruckpegels ablesbaren Einzahl-
Werte. Mit Bezug auf das Fremdgeräusch ist einleuchtend, dass der Schallleistungspegel der
Schallquelle in jedem Frequenzbereich ausreichend hoch gewählt werden muss, um den
Fremdgeräuschpegel um ca. 6 dB zu überschreiten.
60
55
Schalldruckpegel [dB(A)]
50 Lp,A,S,4 m
45
40 D2,S
35
Fremdgeräusch
30
1 10 100
Entfernung zum Sprecher [m]
Bild II.2.8: Beispielhafte Darstellung der Schalldruckpegelabnahme mit der Entfernung zur Quelle
(Sprachschall) zur Bestimmung der Werte für Lp,A,S,4 m und die Abklingkurve D2,S
Die Ablenkungs- und Vertraulichkeitsabstände sind beispielhaft in Bild II.2.9 dargestellt, wobei
hier die Abnahme der STI-Messwerte (y-Achse) als Ausgangspunkt verwendet werden. Aus
251
der Praxis lässt sich ableiten, dass viele Großraumbüros unzureichende akustische Bedingun-
gen aufweisen. Einzahl-Werte liegen dort bei D2,S < 5 dB, Lp,A,S,4 m > 50 dB und rD > 10 m.
Beispiele mit angemessenen Bedingungen nähern sich Zielwerten, wie D2,S ≥ 7 dB, Lp,A,S,4 m ≤
48 dB und rD ≤ 5 m. Konkrete Anforderungen haben sich bislang nicht durchgesetzt, aber allein
das Bewusstsein für diese Thematik und der Versuch einer Berücksichtigung während der
Planung können als Fortschritt gewertet werden.
1
0,9
Speech Transmission Index
Zum Stichwort „Abstand“ ist für Räume noch eine weitere Kenngröße zu nennen. Sie trägt
dem in realen Räumen zutreffenden Umstand Rechnung, dass zwar weitgehend ein diffuses
Schallfeld vorherrscht, aber dennoch in der Nähe der Quelle eine Pegelabnahme auftritt. Ge-
rade in größeren und stark bedämpften Räumen ist dieser Effekt auch gut hörbar. Mit dieser
Annahme lässt sich folgende Größe formulieren:
rH Hallradius
Dies ist der Abstand von einer (Punkt-) Schallquelle im Raum, bei dem die Pe-
gelabnahme in ihrer Nähe in den orts- und entfernungsunabhängigen Schallpegel
des diffusen Schallfeldes übergeht.
Zu seiner Berechnung können die für den Zusammenhang zwischen Schallleistungspegel ei-
ner Schallquelle und dem Schalldruckpegel im Umfeld bekannten Formeln herangezogen wer-
den. Im Freien gelten die Gl. (I.3.32) und Gl. (I.3.33), im Raum mit diffusem Schallfeld die Gl.
(I.4.66). Der Hallradius ergibt sich aus dem Gleichsetzen der Schalldruckpegel.
𝐴 𝑟2
𝐿𝑝 (𝑟𝐻 ) = 𝐿
⏟𝑊 − 10 lg (4 ) = 𝐿 − 10 lg (4𝜋 𝐻2 ) dB mit r0 = 1 m
⏟𝑊 𝑟0 (II.2.7)
Diffusfeld Freifeld
252
Durch Umformen der Gl. (II.2.7) folgt daraus für den Hallradius:
𝐴 0,161𝑉
𝑟𝐻 = √16𝜋 = √16𝜋𝑇 m (II.2.8)
60
Eine Illustration der resultierenden Schalldruckpegelabnahme mit der Entfernung von der
Schallquelle zeigt Bild II.2.10 bei 2 Zuständen mit unterschiedlicher äquivalenter Schall-
absorptionsfläche (A2 > A1).
70
60
Schalldruckpegel [dB]
rH1,2
50
40 Diffusfeld (A1,2)
30
Freifeld
20
10
1 10 100
Entfernung [m]
Bild II.2.10: Beispielhafte Darstellung der Schalldruckpegelabnahme mit der Entfernung zur Quelle
zur Bestimmung des Hallradius für 2 unterschiedliche Werte der äquivalenten Schall-
absorptionsfläche
Befindet sich die Schallquelle auf dem Boden, in einer Kante oder Ecke des Raumes, kann
dieser Zusammenhang mit Gl. (I.3.34) noch erweitert werden.
𝐴 𝑟2 4𝜋
𝐿𝑝 (𝑟𝐻 ) = 𝐿
⏟𝑊 − 10 lg (4 ) = 𝐿 − 10 lg (4𝜋 𝐻2 ) + 10 lg ( ) dB mit r0 = 1 m
⏟𝑊 𝑟0 Θ (II.2.9)
Diffusfeld Freifeld mit Raumwinkelmaß
𝐴
𝑟𝐻 = √ m (II.2.10)
4Θ
Neben der Positionierung der Quelle kann auch noch eine Richtcharakteristik den Hallradius
beeinflussen. Zur Interpretation ist jedoch hervorzuheben:
253
− Bei gleicher Nachhallzeit stellt sich in größeren Räumen ein größerer Hallradius ein.
− Die mit schallabsorbierenden Maßnahmen nach Gl. (I.4.66) einhergehende Schallpegel-
minderung im Raum ist nur außerhalb des Hallradius erreichbar.
Die auch in diesem Abschnitt bereits zitierte äquivalente Schallabsorptionsfläche A taucht als
Berechnungsgröße neben dem Raumvolumen V bereits in der vereinfachten Gl. (I.4.70) zur
Bestimmung der Nachhallzeit auf. Insofern muss diese Größe nicht nochmals vorgestellt wer-
den. Allerdings sei hier erstens auf eine Differenzierung in bestimmten Fällen hingewiesen, in
denen sich einzelnen Teilflächen Si des Raumes nicht mehr ohne weiteres ein Schallabsorp-
tionsgrad zuordnen lässt. Dies gilt z.B. bei Einzelobjekten wie Möbelstücken oder Stell- bzw.
Abschirmwänden, die natürlich in Räumen vorkommen und immer wieder auch mit schallab-
sorbierenden Eigenschaften (Oberflächen) versehen werden. Auch Menschen in Räumen ver-
ursachen eine gewisse Schallabsorption, die kaum einer Fläche klar zugeordnet werden kann.
In diesen Fällen erhalten die Objekte eine objektbezogene äquivalente Schallabsorptionsflä-
che Aobj, z.B. durch Messung im Hallraum.
Ferner spielt bei der Schallausbreitung in großen Räumen die Luftabsorption, insbesondere
bei hohen Frequenzen, eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Dieser Einfluss lässt sich durch
eine äquivalente Schallabsorptionsfläche AL nach
𝐴𝐿 = 𝑉 𝑚 (II.2.11)
erfassen, mit dem Raumvolumen V und der Energiedämpfungskonstante m in m-1. Bei der
Schallausbreitung in Luft kommt durch Reibungs-, Zähigkeits- und Wärmeleitungsverluste
eine Dissipation bei hohen Frequenzen zustande. Sie ist von Feuchte und Temperatur abhän-
gig, wie die Näherungswerte in Tabelle II.2.3 zeigen. Tatsächlich ist nur bei hohen Frequenzen
mit einer merklichen Wirkung zu rechnen.
Tabelle II.2.3: Werte der Energiedämpfungskonstante für die Bestimmung der Luftabsorption
Unter Berücksichtigung all dieser Einflüsse ergibt sich für die gesamte äquivalente Schallab-
sorptionsfläche eines Raumes:
Der Schallabsorptionsgrad ist ebenfalls bereits eingeführt, soll aber nochmals aufgegriffen
werden, da sich weitere, in der Praxis verwendete Kenngrößen daraus ableiten.
254
Schallabsorptionsgrad
Anteil der auf eine Oberfläche auftreffenden Schallenergie, die nicht zurück in den
Raum reflektiert wird. Die Schallabsorption ist frequenzabhängig und beeinflusst
die Schallausbreitung innerhalb von Räumen, wenn dort schallabsorbierende
Oberflächen (Decke, Wände, Einrichtung) vorhanden sind.
Ein Beispiel ist in Bild II.2.11 dargestellt. Die Aussagekraft des bewerteten Schallabsorptions-
grades ist natürlich begrenzt, z.B. auf Produktvergleiche. Daher muss bedacht werden, dass
sich gute Akustik letztlich im Raum entscheidet und nicht im Messlabor oder auf der Produkt-
broschüre. Erst der Bezug zur Nutzung und die darauf abgestimmte Gesamtschau aller wirk-
samen Elemente führen zum Ziel. Daher sind in der Praxis ganzheitlich tragfähige Lösungen
gefragt und nur selten Schallabsorber mit Rekordwerten.
255
1,2
Rw
Bezugskurve
1
Schallabsorptionsgrad
0,8 w
0,6
s
p
0,4
0,2
0
63 125 250 500 1k 2k 4k
Frequenz [Hz]
Bild II.2.11: Bestimmung des praktischen und des bewerteten Schallabsorptionsgrades (bei diesem
Beispiel w = 0,9) aus Werten des Schallabsorptionsgrades s
Bereits an dieser Stelle lässt sich konstatieren, dass die Zahl und Vielfalt raumakustischer
Kenngrößen beachtlich ist. Mitunter werden noch weitere Werte verwendet, insbesondere
beim Einsatz von Beschallungsanlagen, und auch immer wieder neu kreiert. Eine Größe sei
hier noch genannt, die sich aus der Nachhallzeit ergibt und berücksichtigt, dass zum Erreichen
längerer Nachhallzeiten Räume eine bestimmte Größe haben müssen.
K Volumenkennzahl
Notwendiges Volumen pro Platz (Person) für nutzungsabhängig geeignete Nach-
hallzeiten.
Diese sehr leicht zu berechnende Volumenkennzahl hat sich etabliert und in Tabelle II.2.4 sind
Anhaltswerte für unterschiedliche Nutzungen angegeben.
Volumenkennzahl K Maximales
Nutzung
in m3/Platz Raumvolumen V in m3
Versammlungsräume, Seminarräume 3…5 1000
Sprechtheater, Hörsäle, Kongressräume 4…6 5000
Mehrzwecksäle für Sprache und Musik 4…7 8000
Musiktheater (Oper, Operette) 5…8 15000
Kammermusiksäle 6 … 10 10000
Konzertsäle für sinfonische Musik 8 … 12 25000
256
ANFORDERUNGEN
Nach der Erläuterung raumakustischer Kenngrößen folgen nun konkrete Anforderungen, wo-
bei hierzulande im Vergleich zur Bauakustik und zum Schallimmissionsschutz mit einer Aus-
nahme (Arbeitsstätten mit entsprechenden Verordnungen und Regeln), keine gesetzlichen An-
forderungen an die Raumakustik bestehen. Dennoch setzt sich das Bewusstsein für gute
Akustik immer mehr durch, indem die für Planung und Nutzung Verantwortlichen Anforde-
rungswerte formulieren und bei der Umsetzung verfolgen. Insofern sind die nachfolgend vor-
gestellten Werte als Information und Orientierung zu verstehen, zumal sie sich im Wesentli-
chen auf die Nachhallzeit beschränken. Dazu enthält die DIN 18041 (2016) sinnvolle und pas-
sende Zusammenhänge von Raumnutzung, Raumvolumen und Nachhallzeit.
Eine erste Einteilung bezieht sich auf zentrale Ansprüche von Raumnutzungsarten und unter-
scheidet kommunikationsintensiv genutzte Räume (Gruppe A) und Räume, in denen die Be-
ruhigung bzw. Bedämpfung im Vordergrund steht (Gruppe B). Diese Aufteilung ist nicht ganz
trennscharf, wie die Praxis zeigt, aber sie bietet erste Hinweise und betont die Nutzung als
relevantes Zielmerkmal auch für die Akustik. Tabelle II.2.5 enthält die Sollwerte für die Nach-
hallzeiten in Räumen der Gruppe A.
Tabelle II.2.5: Beschreibung der Nutzungsarten der Räume der Gruppe A nach DIN 18041 und For-
meln zur Berechnung der Sollwerte der Nachhallzeit in Abhängigkeit vom Raumvolu-
men
257
𝑇Soll, A4 = (0,26 ∙ lg 𝑉/𝑚3 ) − 0,14 s V = 30 … 500 m3 (II.2.16)
Die volumenabhängigen Soll-Nachhallzeiten sind in Bild II.2.12 als über den Frequenzbereich
gemittelte Werte grafisch dargestellt. Die dort zusätzlich gegenübergestellte Kurve für Sport-
hallen aus einem deutschen Nachbarland deutet an, dass die Zusammenhänge durchaus ei-
ner gewissen Interpretation unterliegen.
3,5
2,5 A1
Nachhallzeit [s]
A2
2 A3
A5
1,5
0,5
- - Sporthallen in NL
0
100 1000 10000
Raumvolumen [m³]
Bild II.2.12: Soll-Nachhallzeit in Abhängigkeit vom Raumvolumen für die Nutzungsarten A1 bis A5
Wichtiger als die Interpretation ist jedoch die Einhaltung der Anforderungen an die Nachhall-
zeit. Um bei dem Beispiel Sporthallen zu bleiben, zeigt Bild II.2.13 den Vergleich von Soll- und
Istwerten der Nachhallzeit. Der Großteil der existierenden Sporthallen verfehlt die Ziel deutlich,
verbunden mit den genauso deutlich artikulierten Beschwerden der Sportlehrkräfte.
258
3,5
Sollwerte
3 Messwerte
2,5
Nachhallzeit [s]
2
1,5
0,5
0
100 1000 10000
Raumvolumen [m³]
Bild II.2.13: Gemessene Nachhallzeiten (Beispiele) in Sporthallen (Nutzungsart A5)
Eine Art Sonderfall ist in Bild II.2.14 dokumentiert. In einer Dreifeld-Sporthalle wurden die
Nachhallzeiten der gesamten Halle ohne Trennvorhänge und des Raumes (Mittelfeld) zwi-
schen den geschlossenen Trennvorhängen, bestimmt. Beide Räume sind zu hallig, aber im
Mittelfeld zeigt sich bei ca. 200 Hz noch sehr deutlich ein störendes Flatterecho (Nachhallzeit
> 6 s). Diese Ergebnisse sind leider typisch.
7
Dreifeld-Halle mit aufge-
6 zogenen Trennvorhängen
mittleres Feld bei herab-
5 gelassenen Trennvorhängen Trennvorhänge
Nachhallzeit [s]
2
Mittelfeld
Sollwerte
Sporthalle
1
0
63 125 250 500 1000 2000 4000
Frequenz [Hz]
Bild II.2.14: Gemessene Nachhallzeiten in einer Dreifeld-Sporthalle (Nutzungsart A5) mit aufgezoge-
nen Trennvorhängen und im Mittelfeld mit herabgelassenen Trennvorhängen
Grundsätzlich wird empfohlen, die Sollwerte im möblierten und im besetzten Zustand (z.B.
80% der normalen Besetzung) zu erreichen. Etwas hoch wird allgemein der Toleranzbereich
259
der Soll-Nachhallzeiten angesetzt, die relativ formulierten Werte nach DIN 18041 sind in Bild
II.2.15 dargestellt.
2
1,8 betrachteter Frequenzbereich
Frequenz f [Hz]
Bild II.2.15: Toleranzbereich der Nachhallzeit T bezogen auf die Soll-Nachhallzeit TSoll in Abhängig-
keit von der Frequenz für die Nutzungsarten A1 bis A4, nur im Frequenzbereich 125 bis
4000 Hz.
Die Einordnung von Räumen der Gruppe B enthält Tabelle II.2.6, wobei sich die Orientie-
rungswerte auf das so genannte A/V-Verhältnis (äquivalente Absorptionsfläche geteilt durch
das Volumen des Raumes) in Abhängigkeit von der lichten Raumhöhe h beziehen, statt auf
die Nachhallzeit. Sie sind für den Frequenzbereich von 250 Hz bis 2 000 Hz gedacht und
gelten für den unbesetzten Raumzustand. Für die Raumgruppe B1 werden keine Anforderun-
gen formuliert.
Tabelle II.2.6: Beschreibung der Nutzungsarten der Räume der Gruppe B nach DIN 18041 und For-
meln zur Berechnung des A/V-Verhältnisses in Abhängigkeit von der lichten Raum-
höhe
𝐴/𝑉 ≥ (4,8 + 4,69 lg(ℎ/1 𝑚))−1 für h > 2,5 m, für h 2,5 m gilt 𝐴/𝑉 ≥ 0,15 (II.2.18)
260
Ausstellungsräume mit Interaktivität (Multimedia,
Klang-/Videokunst usw.), Verkehrsflächen in
Schulen, Kitas, Kranken- und Pflegeeinrichtun-
Räume zum längerfristi-
B3 gen, Ruheräume, Operationssäle, Behandlungs-
gen Verweilen
räume, Untersuchungsräume, Sprechzimmer,
Speiseräume, Bibliotheken, Verkaufsräume, Ein-
zelbüros
𝐴/𝑉 ≥ (3,13 + 4,69 lg(ℎ/1 𝑚))−1 für h > 2,5 m, für h 2,5 m gilt 𝐴/𝑉 ≥ 0,2 (II.2.19)
𝐴/𝑉 ≥ (2,13 + 4,69 lg(ℎ/1 𝑚))−1 für h > 2,5 m, für h 2,5 m gilt 𝐴/𝑉 ≥ 0,25 (II.2.20)
𝐴/𝑉 ≥ (1,47 + 4,69 lg(ℎ/1 𝑚))−1 für h > 2,5 m, für h 2,5 m gilt 𝐴/𝑉 ≥ 0,3 (II.2.21)
Eine grundsätzliche Anmerkung sei hier noch zum Frequenzspektrum der Nachhallzeit bzw.
zum A/V-Verhältnis hervorgehoben: Grundsätzlich sollte eine im gesamten Frequenzbereich
gleiche oder weitgehend gleiche Nachhallzeit angestrebt werden. Einzelne Bereiche mit län-
gerer Nachhallzeit, ob bei tiefen, mittleren oder hohen Frequenzen, wirken sich immer ungüns-
tig aus. Dies kann sowohl den Raumeindruck (z.B. Dröhnen bei tiefen Frequenzen, Flatte-
rechos bei mittleren Frequenzen) als auch die Sprachverständlichkeit und andere Merkmale
betreffen.
Die bereits genannte Ausnahme bezüglich gesetzlicher Anforderungen an die akustischen Be-
dingungen in Räumen beruht auf der seit 2007 gültigen zentralen Regelung zu Lärm am Ar-
beitsplatz, auf der „Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm
und Vibrationen“ (kurz: LärmVibrationsArbSchV). Wie der Titel schon sagt, sind darin die
grundlegenden Vorschriften zu Belastungen sowohl durch Lärm als auch durch Vibrationen
bei der Arbeit zusammengefasst. Nur in wenigen Sonderfällen (Bergbau, Landesverteidigung)
sind Ausnahmen zulässig und im Übrigen gilt die Verordnung für Beschäftige und Auszubil-
dende (Schule, Studium, Beruf) gleichermaßen. Die Lektüre und Beachtung dieser Verord-
nung ist für Unternehmen mit Produktionsstätten unerlässlich, aber in den meisten Fällen auch
gängige Praxis, z.B. für Sicherheitsfachkräfte. Mit dem Aktualisierungsstand 2010 gibt es zu
dieser Verordnung Technische Regeln, die deutlich umfangreichere und detailliertere Informa-
tionen zum Hintergrund, zum Stand der Technik und zu gesicherten Erkenntnissen in diesem
Kontext enthalten. Dazu zählen z.B. auch wertvolle und praktische Hinweise zur Auswahl und
Gestaltung von Lärmschutzmaßnahmen an Arbeitsplätzen. Zwei Arten von Lärmpegel werden
bei der Beurteilung herangezogen, ob durch Analyse der jeweiligen Arbeitssituation oder durch
Messungen bestimmt.
261
− Der Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h, angegeben in dB(A), repräsentiert eine Art Lärm-
dosis bezogen auf einen Zeitraum von 8 Stunden.
− Der Spitzenschalldruckpegel LpC,peak, angegeben in dB(C), dient als Ausdruck für die mög-
liche maximale Lärmbelastung, auch wenn sie sehr kurzzeitig auftritt.
Diese beiden Werte, ermittelt in der jeweils konkreten Situation, werden Richtwerten gegen-
übergestellt und je nach Ergebnis ergeben sich daraus Lärmschutzmaßnahmen. Während in
der Vergangenheit lediglich ein Grenzwert bestand, gibt es in der heute gültigen Verordnung
zwei so genannte Auslösewerte jeweils für die beiden Pegelgrößen.
Eine einfache raumakustische Planung beschränkt sich in vielen Fällen auf die Erfassung von
Nutzungsart und Raumvolumen, aus der sich die Soll-Nachhallzeit oder ein A/V-Verhältnis
ergibt, die anschließend mit Schritt für Schritt ausgelegten schallabsorbierenden Maßnahmen
(Bauteile, Flächen) erreicht werden soll. Die „mathematischen Werkzeuge“ dafür sind im Prin-
zip mit den Formeln für die Nachhallzeit (nach SABINE) und für die äquivalente Absorptions-
fläche gegeben. An sich lassen sich damit und mit etwas Erfahrung die vielen einfachen, qua-
derförmigen Räume für zahlreiche Nutzungsarten auch meist gut gestalten.
Bei komplexeren Räumen und Nutzungen sollte der Planungs- und Gestaltungsprozess weiter
gefasst werden. Die Darstellung in Bild II.2.16 gibt dazu einige Hinweise. Natürlich steht am
Beginn die Verständigung und Festlegung der Gestaltungsziele mit Blick auf die Nutzung und
deren Randbedingungen. Daraus resultieren konkrete akustische Anforderungen, die anhand
der vorgestellten Kenngrößen quantifiziert werden.
Zur Raum- und Akustikplanung, die möglichst eng aufeinander abgestimmt erfolgen sollten,
stehen sowohl Maßnahmen als auch Werkzeuge zur Verfügung. Deren Repertoire hat sich in
der Vergangenheit erheblich erweitert. Allein die Software-Entwicklung, aber auch das Ange-
bot an Bauteilen bietet heute für die meisten raumakustischen Gestaltungsaufgaben alle Vor-
aussetzungen, so dass auch im Austausch mit anderen an der Planung Beteiligten (Architek-
tur, Bauphysik, Arbeitsorganisation usw.) genügend Spielraum für die gemeinsame Optimie-
rung besteht.
262
Raumplanung
Primär- und
Sekundärstruktur
Planungswerkzeuge
Grafische Verfahren
Übertragung
Kenngrößen, Rechenverfahren
Ziele und
Anforderungen Computersimulation
Randbedingungen
(Raum, Akustik) Auralisation
Nutzung und (Hör-) Modellmesstechnik
Erwartungen Bemusterung
Akustikplanung
Dämpfen, Lenken,
Schirmen, (Dämmen)
Für die Primärstruktur des Raumes lassen sich hier einige grundlegende Hinweise festhalten.
So sollten auf Grund der möglichen Fokus-Bildung kreisförmige und elliptische Grundrisse
ohne ergänzende raumakustische Maßnahmen vermieden werden. Gleiches gilt für konkav
nach außen gewölbte Wand- und Deckenflächen. Bei trapezförmigem Grundriss sind mit Be-
zug auf die Darbietungsrichtung konvergierend geführte Seitenwände zu bevorzugen. Für Hör-
plätze gedachte Balkone, Emporen, Galerien und Ränge sollten mindestens die darunterlie-
gende Zuschauerebene um die halbe bis einfache Tiefe des überragenden Raumbereiches
überragen. Auch die Sitzreihen untereinander sollten eine ansteigende Erhöhung in Darbie-
tungsrichtung aufweisen. So verbessert sich neben der Sichtbarkeit auch die Versorgung mit
Direktschall. Ist dies nicht möglich, müssen Bühne oder Podium angehoben werden.
Die Sekundärstruktur des Raumes bezieht sich auf die Gestaltung der Raum(ober)flächen.
Neben ihrer schallabsorbierenden Auskleidung können sie zur Schalllenkung und zur Schall-
streuung beitragen. Dabei sind bestimmte Entfernungen zu beachten, die sich auf Laufzeitun-
terschiede zwischen Direktschall und frühen bzw. späten Reflexionen auswirken. Beträgt z.B.
der Abstand zwischen den Wandflächen hinter und gegenüber der Bühne mehr als ca. 9 m,
so ist die Rückwand hinter dem Publikumsbereich raumakustisch zu behandeln. Erwünschte
und nützliche Anfangsreflexionen lassen sich durch schallreflektierende Deckenbereiche rea-
lisieren, bei Musiknutzung mitunter auch durch zusätzliche Stellwandelemente auf der Bühne.
Parallele Flächen im Raum ohne zusätzliche raumakustische Maßnahmen (teilweise schall-
absorbierend, diffus streuend oder mindestens geneigt) sollten grundsätzlich vermieden wer-
den. Die Flächen im Bühnenbereich sind schallreflektierend auszubilden.
Bezüglich es Einsatzes und der Positionierung schallabsorbierender Flächen ist eine gleich-
mäßige Verteilung auf den Raumoberflächen sehr sinnvoll. Für kleine bis mittelgroße Räume
der Nutzungsarten A2 bis A4 enthält Bild II.2.17 einige Hinweise, wobei der Boden aus prak-
tischen Gründen meist ausscheidet. Die Größe und das Schallabsorptionsspektrum der ein-
gesetzten Bauteile richtet sich nach dem angestrebten Ziel (Nachhallzeit). Oberflächen sind
den nach Anhang A berechneten Werten anzupassen. Wichtig dabei ist die möglichst gleiche
Nachhallzeit im gesamten Frequenzbereich, ob durch das Mobiliar und die sonstige Raum-
ausstattung oder spezielle schallabsorbierende Bauteile erreicht. Schallabsorber mit tieffre-
quenter Wirksamkeit erzielen diese in der Nähe der Schallquelle und in Raumecken oder
263
-kanten. Eine vollständig und hoch schallabsorbierend ausgekleidete Decke kann zu Flatte-
rechos führen, wenn nicht auch Wände Schallabsorber enthalten oder der Raum schallstreu-
ende Elemente (z.B. Mobiliar) enthält. Zur Vermeidung kann ebenfalls ein mittleres Deckenfeld
schallreflektierend belassen werden (siehe Bild II.2.17). In diesem Fall muss die insgesamt
erforderliche Schallabsorptionsfläche auf den Wänden untergebracht werden. Dabei sollte je-
doch die Wand hinter der Schallquelle, wie schon bei den Bühnen erwähnt, grundsätzlich
schallreflektierend bleiben.
günstig positionierte
schallabsorbierende
Flächen vollflächig
Varianten
Raum mit
Zuhörenden teilflächig
ungünstig positionierte
Schallabsorberfläche
Bild II.2.17: Platzierung schallabsorbierender Flächen und Bauteil in kleinen bis mittelgroßen Räu-
men Nutzungsarten A2 bis A4 (siehe Tabelle II.2.5)
Weisen quaderförmige Räume eine Länge von 10 m und mehr auf, sind zur ausreichenden
Schallversorgung der hinteren Raumbereiche besondere Maßnahmen vorzusehen. Ein teilflä-
chig reflektierendes Deckenfeld trägt dazu bei, aber auch die Rückwand kann mit schalllen-
kenden Elementen zur Verbesserung beitragen.
ABSCHIRMELEMENTE
264
Abschirmung mit Schallabsorbern
Schallabsorbierende Verkleidungen der Elemente sind in den meisten Fällen vorteilhaft. In den
vergangenen Jahren haben auch noch andere schallschirmende Bauteile ihren Weg in die
Büroraumpraxis gefunden. Dabei werden Stühle mit deutlich erhöhten und rückseitig umschlie-
ßenden Lehnen versehen, wie Bild II.2.19 illustriert. Die Vielfalt nimmt derzeit zu und erfasst
auch mehrsitzige Elemente für kleinere Besprechungs- oder auch Ruhezonen.
Q Schallpegel L 0°
Verstärkung
Minderung
Schallpegel L x° Schallpegel L 180°
Winkelbereich
Q Q
An sich sind diese Stühle und dergleichen auch durchaus wichtige Gestaltungselemente für
eine gute Balance zwischen Konzentration und Kommunikation in Großraumbüros und Büro-
landschaften. Allerdings sind dafür einige Szenarien zu berücksichtigen, wie sie Bild II.2.19
andeutet, die jedenfalls beim Produktvergleich messtechnisch untersucht werden sollten.
SCHALLABSORBER
265
in der passenden Kombination der Gebrauchseigenschaften je nach Nutzungsprofil und
Raumeigenschaften. Bei Räumen mit überwiegend massiven Wänden (Mauerwerk, Beton)
und Decken (Beton) sollten z.B. Schallabsorber eingesetzt werden, die breitbandig auch bei
tiefen Frequenzen wirksam sind. So lässt sich störendes Dröhnen der Räume vermeiden. In
großflächig verglasten Räumen und bei Leichtbauwänden prägen sich z.B. tieffrequente Re-
sonanzeffekte (Dröhnen) weniger deutlich aus. Auch aus gestalterischen Gründen gibt es nicht
den Schall absorbierenden „Allrounder“. Vielmehr ist ein breites Angebot technologisch aus-
gereifter, funktional integrierbarer und architektonisch gestaltbarer Lösungen gefragt.
Das Repertoire der Materialien ist daher breit gefächert, wie Tabelle II.2.7 darstellt. Bei richti-
ger Wahl der Stoffeigenschaften können an sich alle porösen Schichten gleichermaßen breit-
bandig Schall absorbieren. Lediglich die Dicke begrenzt in der Praxis die akustische Leistungs-
fähigkeit. Die wesentlichen Unterschiede resultieren daher aus Gesichtspunkten wie Brand-
schutz und Hygiene, Gewicht und natürlich Kosten.
Die akustische Wirkung von Flächengebilden mit Decken- oder Wandabstand, z.B. voll- und
teilflächige abgehängte Unterdecken, ist meist auf einen Frequenzbereich beschränkt, der
vom gewählten Wand- oder Deckenabstand abhängt. Darüber hinaus eröffnen Flächengebilde
266
(Baffle, Segel) zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten, z.B. in puncto räumlicher Formenvielfalt,
Lichtdurchlässigkeit und Hygiene (siehe Bild II.2.20).
Bild II.2.20: Abgehängte schallabsorbierende Unterdecken und Flächengebilde (Baffle, Segel) eröff-
nen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, auch bei thermisch aktivierten Betondecken
Steht im Raum nur eine begrenzte Oberfläche zur akustischen Verfügung, so bieten sich hoch-
absorbierende, im gesamten Frequenzspektrum wirkende Schallabsorber an. Dieser An-
spruch lässt sich praktisch nur mit kombinierten Bauteilen erfüllen, die üblicherweise den Spiel-
raum hinsichtlich Gestaltung, Dicke und Material einschränken. Umgekehrt sind bei ausrei-
chender Fläche Abstriche beim Absorptionsvermögen akzeptabel. Ausführung und Platzie-
rung der Schallabsorber sollten unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet werden. So
können z.B. Befestigungsmöglichkeiten in denkmalgeschützten Gebäuden, thermisch aktive
Betondecken, die nicht vollständig verdeckt werden dürfen, und andere Randbedingungen
eine geschlossene Akustikdecke ausschließen. In diesen Fällen sind schallabsorbierende Se-
gel oder andere Einzelelemente an verschiedenen Raumflächen realisierbar. Schließlich kön-
nen in offenen Raumbereichen auch Stell- und Schirmwände sowie das Mobiliar (z.B. Front-
flächen von Kastenmöbeln) gezielt zur Schallabsorption beitragen.
267
Bild II.2.21: Mögliche Ausführungen von Schallabsorbern mit Holzelementen bzw. -fronten
Formenvielfalt ist auch mit porösen Materialien möglich, ob geschichtet oder strukturiert (siehe
Bild II.2.22). Allerdings müssen dafür ebenfalls die geeigneten Stoffe herangezogen, werden.
Für mehr oder weniger filigrane oder gar ornamentische Erscheinungsbilder lassen sich z.B.
Schäume oder textile Materialien verwenden.
ebene strukturierte
Schallabsorber Schallabsorber
Bild II.2.22: Schallabsorbierende Schichten mit ebener und strukturierter Oberfläche
In Veranstaltungsräumen ist für eine vollständige Planung nicht nur die meist vorhandene Be-
stuhlung und deren akustisches Verhalten einzubeziehen, sondern auch die (anzunehmende
mittlere) Personenzahl bzw. der Unterschied von besetzter und unbesetzter Bestuhlung. Ta-
belle II.2.8 und Tabelle II.2.9 enthalten Beispielwerte für den Schallabsorptionsgrad von Be-
stuhlungen und für die äquivalente Schallabsorptionsfläche von Personen in Abhängigkeit von
der Frequenz. In besonders anspruchsvollen Fällen mit geforderter höchster akustischer
(Hör-) Präzision muss darauf geachtet werden, dass sich besetzte und unbesetzte Sitze mög-
lichst akustisch gleich verhalten. Diese Forderung ist bereits beim Design der Sitz- und Stuhl-
flächen zu beachten.
Bestuhlung Schallabsorptionsgrad
125 Hz 250 Hz 500 Hz 1 kHz 2 kHz 4 kHz
Holzstühle unbesetzt 0,05 0,05 0,05 0,05 0,05 0,05
Polsterstühle unbesetzt 0,45 0,60 0,70 0,80 0,80 0,80
Holzstühle besetzt 0,40 0,60 0,75 0,80 0,85 0,80
Polsterstühle besetzt 0,60 0,75 0,80 0,85 0,90 0,85
268
Tabelle II.2.9: Äquivalente Schallabsorptionsfläche von Personen nach DIN 18041 (dort Tab. A1)
Der akustische Idealzustand einer lautlosen Arbeitsumgebung ist aus heutiger Sicht praktisch
unerreichbar. Unter bestimmten Aspekten ist er auch nicht erstrebenswert, da eine „akustische
Rückkopplung“ z.B. von Maschinen und Anlagen durchaus erwünscht sein kann, um deren
Zustand oder die laufenden Produktionsprozesse bewerten zu können. Aber auch von diesem
Geräuschniveau sind die meisten realen Arbeitsräume weit entfernt, so dass die Zielsetzung
in einer sinnvollen Minimierung von Belastung und Belästigung liegt. In jedem Fall müssen
aber gesetzliche Anforderungen beachtet und eingehalten werden, die sich auf Lärmpegel an
Arbeitsplätzen beziehen. Darüber hinaus ist es sehr zu empfehlen, im Sinne der Betroffenen
auch die erläuterten anderen Schallwirkungen möglichst zu berücksichtigen.
Wird auch der obere Auslösewerte erreicht oder überschritten sind folgende Maßnahmen er-
forderlich:
269
− Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten den persönlichen Ge-
hörschutz bestimmungsgemäß verwenden.
− Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sind zu veranlassen.
Zweifellos resultieren aus diesen Anforderungen für manche Produktionsstätten echte Her-
ausforderungen. Dennoch sollte dieser Aufwand als Investition in die Zukunft verstanden wer-
den, nicht nur unter dem Aspekt, Ordnungswidrigkeiten oder gar Straftaten im Sinne der ge-
setzlichen Regelungen auszuschließen. Optimale Arbeitsbedingungen sind zu allererst ein
Garant für nachhaltige Effizienz und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten. Die technischen,
organisatorischen, baulichen und individuellen Maßnahmen zur Geräuschminderung sind viel-
fältig, so dass an sich kein Betroffener kritischem Lärm ausgesetzt sein muss. Da die Maß-
nahmen auch kostenwirksam sind, hilft eine konkrete und kompetente Planung unter Aus-
schöpfung aller Möglichkeiten bei der ökonomischen Optimierung.
Bei der Vorgehensweise zur Lärmminderung kann auf zahlreiche Erfahrungen und Erkennt-
nisse, auch spezifischer Art zurückgegriffen werden. Einige Grundregeln seien hier kurz er-
wähnt, wie z.B.
− der Vergleich von Arbeitsverfahren (Prozesse, Maschinen) unter dem Gesichtspunkt der
Lärmminderung, einschließlich zusätzlicher Maßnahmen zur Beruhigung der Maschinen,
− die Überwachung und Wartung von Maschinen und Anlagen, die in vielen Fällen anstei-
gende Lärmpegel verhindern kann,
− die technische und räumliche Ausstattung der Arbeitsplätze sowie arbeitsorganisatorische
Maßnahmen (Ruhezonen und -zeiten).
Stellen sich infolge all dieser Lärmschutzmaßnahmen Expositionspegel unterhalb der Auslö-
sewerte ein, können zumindest die gesetzlichen Anforderungen als erfüllt betrachtet werden.
Überschreiten sie diese Auslösewerte immer noch, ist ein persönlicher Gehörschutz unver-
meidlich. Natürlich muss nun mit diesem Gehörschutz die Lärmexposition dauerhaft ausrei-
chend vermindert werden. Zur Auswahl stehen Kapselgehörschützer, zum Teil mit Zusatzfunk-
tionen wie Kommunikationseinrichtung oder Musikwiedergabe, Gehörschutzstöpsel und Oto-
plastiken, d.h. individuell angepasste Formteile mit vergleichsweise hoher Wirkung und hohem
Tragekomfort. Der Kostenaufwand selbst für hochwertige Gehörschützer liegt in vielen Fällen
weit unter dem Aufwand für technischen und baulichen Lärmschutz.
270
Dennoch bleibt eine Reihe von Argumenten, die bei der dauerhaften Einführung von persönli-
chem Gehörschutz beachtet werden sollte. Das Gehör ist das Alarmorgan des Menschen, so
dass bei zu starker „Abkopplung“ von der Umwelt auch Warnsignale wirkungslos bleiben kön-
nen. Hygienische Fragen können auftreten und gerade bei körperlicher Anstrengung kann ein
Gehörschützer als zusätzliche Belastung empfunden werden. Diese und weitere Aspekte mün-
den mitunter in einer allgemeinen Ablehnung, so dass der Zwang zum dauerhaften Tragen
eine erhebliche Einschränkung bedeuten kann. Trotz aller individuellen Unterschiede sollten
diese Erfahrungen in die Planung und Bewertung eines geeigneten Gesamt-Lärmschutzan-
satzes unbedingt einfließen.
BÜRO-RAUMAKUSTIK
Die akustische Herausforderung Büroraum geht nicht nur auf unterschiedliche Nutzungssze-
narien zurück. Ihre Besonderheit ergibt sich in gleichem Maße aus der architektonischen Ge-
staltung, den ergonomischen Vorgaben, aus bauphysikalischen Entwicklungen und ökonomi-
schen Zwängen. Die Verknüpfungen sind vielfältig und führen zu Integrationsansprüchen an
akustische Lösungen, die über das eine oder andere Bauteil weit hinausgehen. Zum Beispiel
kollidieren Unterdecken nicht nur mit thermisch aktivierten Betondecken und konventionelle
Wandabsorber mit vorwiegend transparenten, raumbildenden Flächen.
BÜRORAUMKONZEPTE
Vorwiegend geschlossene Raumstrukturen werden nach wie vor mit hohem Bedarf an Kon-
zentration und Vertraulichkeit sowie gewiss auch mit dem Image der Insassen verbunden.
Abgesehen von einer in allen Details effizienten Schalldämmung führt die auf den ersten Blick
überschaubare Raumakustik in Zellenbüros oft genug zur Vernachlässigung. Dabei lassen
sich z.B. störende Reflexionen bei hohen und Interferenzeffekte bei mittleren Frequenzen oder
die dröhnenden Raumresonanzen bei tiefen Frequenzen nicht nur gut wahrnehmen, sondern
auch mit kompakten und gestaltbaren Absorbern problemlos eliminieren. Selbst wenn sich hier
die Kommunikation auf Dialoge oder Telefonate beschränkt, sollte wie bei anderen Kommuni-
kationsformen (Fax oder E-Mail) auch gelten, dass jedes vermeidbare Defizit zu verhindern
ist.
Um gleich an dieser Stelle kurz auf die tiefen Frequenzen einzugehen, deren akustischer Stel-
lenwert weder über- noch unterschätzt werden darf, sei an die kaum nachzuvollziehende Pra-
xis erinnert. Während bei Lärmquellen im Freien völlig selbstverständlich bis zu tiefsten Fre-
quenzen hin reglementiert, gemessen und bewertet wird, lässt dieser Ehrgeiz beim Schall-
schutz am und im Gebäude schon deutlich nach und führt zu einer Kompromissgrenze bei
mehr oder weniger 100 Hz. Natürlich lassen sich tieferfrequente Geräusche davon nicht be-
eindrucken und ihre Wahrnehmung ebenso wenig. Bei der raumakustischen Behandlung geht
es noch einen Schritt höher im Frequenzbereich, als ob nun nicht mehr das Gehör, sondern
allein die als solche definierte Sprachverständlichkeit über das Gehörte entscheidet. Bei allen
Schwierigkeiten im Umgang mit tiefen Frequenzen, sei es bei der Messung, Berechnung oder
Minderung, sollte die Akustik die Oberhand behalten.
271
Vorwiegend offene Raumstrukturen haben eine beachtliche Geschichte. Retrospektiv betrach-
tet, ließen sich anscheinend vor 40 Jahren auch in Großraumbüros Arbeitsplätze mit hohen
Anforderungen an Konzentrationsfähigkeit organisieren. Dies mag z.B. am sparsamen und
eventuell auch disziplinierten Kommunikationsverhalten im damaligen Bürobetrieb gelegen
haben: Telefonieren war teuer und die Mitarbeiter einer Tischgruppe teilten sich häufig einen
Apparat – entsprechend wurde möbliert. Inzwischen sind Telekommunikation, informeller In-
formationsaustausch und die spontane Bildung von Arbeitsgruppen selbstverständlicher und
gewünschter Bestandteil moderner Büroarbeit. Damit ergeben sich die akustischen Unzuläng-
lichkeiten in offenen Bürotypen fast zwangsläufig. In Europa wurde in den 1980er Jahren ver-
sucht, die Vorteile von Großraum- und Zellenbüro im Kombibüro zu vereinen. In seiner Rein-
form bietet der Typ standardisierte verschließbare Zellenbüros sowie eine gemeinschaftlich
genutzte Mittelzone. Ungestörtes Arbeiten ist jederzeit möglich und Teamarbeit und sprachli-
cher Austausch werden nicht durch fortwährendes Rücksichtnehmen ausgebremst. Eine häu-
fig anzutreffende Ausgestaltung des Kombibüros beruht auf der optischen Transparenz oder
wenigstens Lichtdurchlässigkeit der Trennwände zwischen den Zellen und der Mittelzone. Für
die akustische Behandlung gibt es trotzdem Lösungen in Gestalt mikroperforierter Acrylglas-
und PET-Paneele oder Folien in verschiedenen Ausführungen.
Richtlinien, wie z.B. die VDI 2569, behandeln die zur Verfügung stehenden raumakustischen
Maßnahmen Schallabsorption und -schirmung. Zur Raumbedämpfung werden sogar klare
Vorgaben gemacht: Pro Kubikmeter Raum sollen Schallabsorber mit einer äquivalenten Ab-
sorptionsfläche von 0,3 bis 0,35 m2 eingebaut werden. Vorrangig sollte ein Beurteilungspegel
von 55 dB(A) eingehalten werden, wie ihn die ehemalige Arbeitsstättenrichtlinie forderte.
In akustisch behandelten, offenen Raumstrukturen ergibt sich jedoch meist eine völlig andere
Problematik. Die schallabsorbierende Wirkung von Möbeln und Arbeitsmitteln führt bereits zu
moderaten Nachhallzeiten, die sich mit effizienten Absorbereinbauten weiter senken lassen.
Großraumbüros mit Nachhallzeiten von ca. 0,4 s sind gar nicht so selten. Bleibt aber unter
diesen Bedingungen die gegenseitige Abschirmung der Arbeitsplätze aus, wirkt sich die hohe
Raumbedämpfung fatal aus: Die Störpegel im Betrieb liegen meist um den niedrigen Wert von
45 dB(A)! Zudem erhöht die hohe Raumbedämpfung die Sprachverständlichkeit. Das Problem
verlagert sich vom Lärm hin zu verständlichen Gesprächen, die zwangsläufig mitgehört wer-
den müssen.
272
Die geistige Leistungsfähigkeit wird hiervon nachweislich beeinträchtigt. Neuere Untersuchun-
gen verdeutlichen den Einfluss von mitgehörten Schallanteilen auf kognitive Basisfunktionen
(Irrelevant Sound Effect). So führen Tests, die Gedächtnisleistungen erfassen, zu deutlich
schlechteren Ergebnissen, wenn verständliche sprachliche Information selbst mit sehr niedri-
gen Pegeln eingespielt wird. Die Fehlerraten erhöhen sich mit dem Grad der Verständlichkeit.
Die Auswirkungen auf komplexe kognitive Funktionen wie beispielsweise das Textverständnis
sind unstrittig, wenn auch noch nicht genau zu beziffern. Beschwerden von Mitarbeitern in
hoch bedämpften Büros mit schlechter Abschirmung richten sich folglich gegen die mangel-
haften Möglichkeiten sich zu konzentrieren. Die Raumbedämpfung muss also mit einer wir-
kungsvollen Schallschirmung einhergehen. Die immer noch als Akustik-Maßnahme verkauften
Trennelemente von 1,40 m Höhe reichen hier nicht aus. Schirmwände sind im Idealfall raum-
hoch und schließen direkt an die Fassade an. Akustisch lässt sich auch eine entfernungsab-
hängige Schallpegelabnahme formulieren, wie es Bild II.2.23 illustriert.
0
6 dB (pro Entfernungsverdopplung)
-5
Schallpegelabnahme [dB]
-10
-15
(zu) geringe
-20 Pegelabnahme
Entfernung [m]
Bild II.2.23: Bereiche der entfernungsabhängigen Schallpegelabnahme in Büroräumen
Die blaue Linie beschreibt eine Pegelabnahme von 6 dB pro Entfernungsverdopplung. Ein
bereits anspruchsvoller aber erreichbarer Wert, wenn neben der Geometrie auch die Topolo-
gie der Abschirmung berücksichtigt wird. Hier jedoch verbirgt sich erneut eine Herausforde-
rung der Büroakustik für komplexe Organisationsformen. Offene Bürolandschaften verlangen
nach einer abgestimmten Planung. Es ist notwendig, dass die Nutzung einschließlich der ar-
beitsorganisatorischen Flexibilität und Adaptivität der einzelnen Räume zu Planungsbeginn
bekannt ist, dass die Zuständigkeiten zwischen Planern und Nutzern geklärt sind und dass die
raumakustische Umgebung von Anfang an als Zusammenspiel aller zur Verfügung stehenden
Maßnahmen geplant wird. Im Idealfall werden nicht nur die Raumbegrenzungsflächen sondern
auch Stellwände und Möblierung bei der Planung in das Konzept eingebunden. Das erfordert
Kommunikation zwischen den Beteiligten.
273
FLEXIBLE UND ADAPTIVE BÜROAKUSTIK
Flexibilität ist ein Entwicklungsergebnis und Kriterium moderner Bürokonzepte sowie gleich-
zeitig eine Folge der angestrebten Prozess- und Flächenwirtschaftlichkeit zeitgemäßer Büro-
landschaften. Sie geht auf veränderte Unternehmenshierarchien und Arbeitsstrukturen sowie
auf flexible Aufgaben- und Zielsetzungen zurück. Die neue und sich dynamisch verändernde
Informations- und Kommunikationstechnologie wurde schon erwähnt. Flexibilität hat eine lang-
fristige Ausprägung, da allein in Deutschland mehrere 10.000 Büroarbeitsplätze jährlich neu
entstehen oder verändert werden. Mitunter kommen Wechsel von Nutzern und/oder Raum-
konzeptionen im Bestand hinzu. Die kurzfristige Flexibilität resultiert aus einem fast perma-
nenten Wechsel von Nutzung und Erscheinungsbild. Auf die Individualität von Konzentration
und Kommunikation muss mit einer handhabbaren, akzeptierten Flexibilität reagiert werden
können. Sie betrifft Schreibplätze, Kommunikationszonen und Denkerzellen gleichermaßen,
da gerade der Wechsel von konzentriertem und kommunikativem Arbeiten die Produktivität
und das Wohlbefinden steigert.
Bei Arbeitsplätzen und Nutzungskonzepten mit derartigen Anforderungen kann sogar eine auf-
wendige Kombination von Schallabsorption und -schirmung nicht ausreichen, wie es schon für
Szenarien mit höchster Vertraulichkeit festgestellt wurde. Als Konsequenz daraus wird das
Erzeugen (z.B. mittels Wasserspielen) oder Einspielen (elektroakustisch) von Maskier-Geräu-
schen angesehen, um damit Sprachanteile zu verdecken und so die Verständlichkeit zu ver-
ringern. Dies ist jedoch theoretisch wie praktisch äußerst schwierig, wie bereits anhand der
vereinfachten Relation in Bild II.2.23 deutlich wurde. Eine hohe Raumdämpfung bzw. kurze
Nachhallzeit vorausgesetzt lässt sich zwar mit einem hohen/niedrigen Verhältnis von Nutzsig-
nal zu Hintergrundrauschen eine hohe/niedrige Sprachverständlichkeit „einstellen“. Allerdings
ist der Spielraum zu niedrig, um zwischen den Situationen einfach hin- und her zu schalten,
ganz abgesehen von der Akzeptanz einer angestiegenen Lautstärke der wie auch immer ge-
wählten Maskier-Geräusche. Die akustische Adaptivität muss also weitergehen. Lokalisierung
und Fokussierung sind erforderlich, verbunden mit geeigneten Schallstrahlern und intelligen-
ten Feedback-Systemen, die ein Schallfeld nicht nur erzeugen, sondern zugleich darauf rea-
gieren. Letztlich ist das Ziel, Informationsgehalt (räumlich, und zeitlich flexibel) zu verbergen
statt zu übertönen.
AKUSTIK IN RESTAURANTS
Gute Akustik in Restaurants ist kostenwirksam, so dass sich die Frage stellt, ob und inwieweit
sich diese Investition lohnt. Der teure Ärger mit den Nachbarn und andere Blickwinkel wurden
schon angesprochen. Die Gäste wählen ein Restaurant beim ersten Mal sicher nicht nach
besonders guter Akustik aus. Passt aber das hörbare Ambiente, bleiben sie länger und ver-
zehren eventuell mehr. Mit größerer Wahrscheinlichkeit kommen sie wieder, wenn die Hörein-
drücke ihren Erwartungen entsprechen. Dazu zählt auch, dass Gäste und Bedienung einander
(akustisch) verstehen, ohne sich wiederholt und lautstark ansprechen zu müssen. Missver-
ständnisse können zu falsch verstandenen Bestellungen führen und einen unprofessionellen
274
Eindruck hinterlassen. Im Restaurant sind daher zwei akustisch wesentliche Kriterien zu be-
rücksichtigen: Klang und Kommunikation.
Der Geräuschpegel sollte weder zu hoch (Lärm) noch zu niedrig (Sterilität) sein und die vor-
kommenden (Fremd-) Geräusche nicht zu auffällig und informationshaltig. Gäste haben unter-
schiedliche Erwartungen an eine passende Geräuschkulisse im Restaurant. Sie unterscheiden
sich aber nicht nur individuell, sondern hängen auch vom Zeitpunkt, vom Anlass und vom je-
weiligen Kontext ab. Manche Schallquellen sind jedoch einfach nur überflüssig, wie z.B. Lüf-
tungs- und Klimaanlagen, und können heute problemlos beruhigt werden. Auch Geräusche,
die durch Rücken von Stühlen mit den falschen Stuhlgleitern für den vorhandenen Bodenbelag
entstehen, sind auf Dauer laut und klingen regelrecht „schmerzhaft“. Eine sinnvolle Verbindung
von Beruhigung und Sound Design ist hingegen bei Kaffeemaschinen, Mixern und anderen
Küchengeräten angebracht. Das Mahlen von Kaffeebohnen, das Sprudeln von heißem Was-
ser und das Aufschäumen von Milch dürfen hörbar sein und nahende Gaumenfreude signali-
sieren. Sind sie permanent zu laut und mit knirschenden, knarrenden Geräuschen verbunden,
kippt die Stimmung und die Schallereignisse werden zur Belastung.
Die offene Integration der Küche in den Gastraum kann besondere Effekte auslösen. Diese
Sicht- und Spürbarkeit ist interessant, aufregend und vielfach attraktiv. Allerdings müssen auch
die akustischen Konsequenzen bedacht und behandelt werden. Ablufthauben, Küchengeräte
und Anweisungen können zu einem erheblichen Dauerlärmpegel anwachsen, wobei unvor-
hersehbare Geräuschspitzen besonders stören. Sind Küche und Gastraum getrennt, sollte es
auch spürbar leiser werden. Ohne visuellen, ursächlichen Zusammenhang treten die Geräu-
sche unerwartet und überraschend auf und strapazieren das Alarmorgan Gehör. Auch sonst
sind unterschiedlich genutzte Bereiche, z.B. die Bar oder der Empfangsbereich im Restaurant
akustisch zu differenzieren und entsprechend zu gestalten. Vernachlässigte Sanitärräume
sind ebenfalls akustisch relevant. Von denen geht zwar kein Lärm aus, aber der Informations-
gehalt der Geräusche kann zumindest irritieren.
Musik im Restaurant ist ein großes und »schwer zu bändigendes« Thema. Sie kann störende
oder unerwünschte Geräusche, wie z.B. Lüftungs- oder Sanitärgeräusche, maskieren. Die
richtige Lautstärke zu finden, um nicht auch die Gespräche zu übertönen, erweist sich jedoch
als schwieriger Prozess. Für einen kontextbezogen passenden Musikgeschmack für alle
Gäste gibt es (immer noch) keine verwertbaren Anhaltspunkte. Hier ist das Feld offen für be-
hutsame Experimente. Ein besonderer Reiz geht zweifellos von Live-Auftritten oder Tanzver-
anstaltungen aus, auch wenn dies nicht in allzu vielen Restaurants vorkommt. Eine gesund-
heitlich unbedenkliche Lautstärke gibt es wohl nur in den wenigsten Fällen, vielmehr wird meist
deutlich überzogen, so dass nicht nur Jugendliche über zeitweilige Hörschwellenverschiebun-
gen berichten. Angesichts dieses akuten Effektes auf die Gesundheit, sollten DJs nicht nur
Gehörschützer tragen, sie sollten auch Ihre Verantwortung für die Unversehrtheit der beschall-
ten Menschen kennen.
Ein Grundgedanke bei der akustischen Gestaltung eines Restaurants ist das Gefühl von Pri-
vatsphäre. Ähnlich wie im Großraumbüro dürfen die Gespräche anderer durchaus hörbar sein,
275
aber sie sollten nicht (sprach-) verständlich sein. Nur dann stellt sich eine empfundene Privat-
heit ein, die darauf beruht, dass es sich umgekehrt genauso verhält. Die eigene Sprache wird
zwar gehört, aber nicht verstanden. Der zweite Gedanke betrifft die möglichst ungehinderte
Kommunikation am Tisch zwischen den Gästen und mit der Bedienung. Sowohl die Sprech-
als auch die Höranstrengung sollten minimal sein. Beide Gestaltungsziele zu vereinen, also
gute Sprachverständlichkeit im unmittelbaren Umfeld und geringe Sprachverständlichkeit ge-
genüber dem sonstigen Raum, ist nicht nur eine Herausforderung an die Raumakustik.
Die akustische Sprachverständlichkeit wird vom Geräuschpegel und vom Nachhall im Raum
bestimmt. Wie bereits dargestellt gilt, je höher der Störpegel und halliger der Raum, desto
niedriger die Sprachverständlichkeit. Danach würde das offene Restaurant in einer Bahnhofs-
halle die Privatsphäre der Gäste am besten gewährleisten. Allerdings sind Gespräche dort
äußerst schwierig und der Geräuschpegel erhöht sich sukzessive bis auf ein unerträgliches
Maß. Um sich trotz anderer Gespräche zu verstehen, wird lauter gesprochen. Die anderen
Gespräche müssen ihrerseits nachlegen und so weiter. Umgekehrt werden in einer ruhigen,
mit Schall absorbierenden Oberflächen gedämpften Umgebung die Gespräche „automatisch“
leiser geführt, da ein Übertönen nicht mehr notwendig ist. Um dennoch eine gewisse Maskie-
rung der Gesprächsinhalte zu erreichen, muss erneut eine geeignete Balance gefunden und
eingestellt werden. Darin bestehen die Kunst und der Bedarf, Restaurants akustisch zu gestal-
ten. Die Instrumente und Regeln sind nicht neu. Richtige Planung, angepasst an das jeweilige
Nutzungs- und Gästeprofil, ist der erste und zentrale Schritt zu guter Qualität mit angemesse-
nen Kosten. Daraus ergeben sich sowohl das Layout von Gastraum, Küche, Sanitär- und War-
tebereichen als auch die bauliche und räumliche Ausstattung in allen Details.
II.2.3. Spezialfälle
276
II.3. Schallimmissionsschutz
Technische und wirtschaftliche Entwicklung sind Voraussetzungen für den Erhalt der Lebens-
bedingungen in vielen Regionen weltweit. Um diese gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit sicher
zu stellen, müssen unterschiedliche Entwicklungsaspekte berücksichtigt werden. Dazu zählt
sicher auch Lärm, so dass die Vermeidung zusätzlicher und die Verminderung vorhandener
Geräusche weitreichende und zugleich vielschichtige Herausforderung darstellen. Einerseits
sind Kollisionen von übergeordneten und spezifischen Ansprüchen vielfältiger Art zu behan-
deln. Andererseits treffen aktuelle regionale Entwicklungen auf eine Ausgangssituation, die
bereits durch andere Geräuschverursacher geprägt ist.
Die individuelle Bewertung der gehörten Umwelt beruht aber gerade auf einer Gesamtbilanz
von akustischen Reizen, die nahezu überall und ständig präsent sind. Dabei ist das Gehör
ständig gefordert, da es sich als ‚Alarmorgan‘ nicht abschalten lässt. Auch geht es nicht nur
um laut und leise, selbst kaum hörbare Geräusche führen zu teils drastischen Reaktionen,
wenn sie bestimmte Inhalte transportieren. Die jeweilige Intensität, Dosis und Charakteristik
dieser Schallereignisse sowie eine Reihe von Begleitfaktoren führen zu einer Gesamtwirkung,
die immer häufiger das erträgliche Maß überschreitet. Trotz der offenkundigen gesundheitli-
chen Folgen lässt aber der technisch verursachte Lärm nicht nach, akustisch geeignete
Räume und Gebäude sind keinesfalls die Regel und auch auf das bewusste Hören, ob als
Klangerlebnis oder Kommunikation, mag nicht verzichtet werden. Vor diesem Hintergrund der
immer seltener werdenden Orte der Ruhe wächst die Bedeutung einer ganzheitlichen akusti-
schen Umweltgestaltung.
Dennoch, die bekannten Schallwirkungen führen nicht etwa zur „Lärmflucht“. Weltweit ist z.B.
die Urbanisierung einer der Mega-Trends. Städte ziehen durch den Reichtum an Möglichkeiten
immer mehr Menschen an. Die Betroffenheit von Lärm ist dabei nicht gleich verteilt und die
aktuell zunehmende lärmkritische Haltung vieler Menschen darf nicht über eine verbreitete
Unbedarftheit im Umgang mit der hörbaren Umwelt hinwegtäuschen. Tatsächlich ist die Prio-
rität der akustischen Umweltbewertung und -gestaltung zeitlichen Schwankungen unterwor-
fen, auch in Abhängigkeit anderer sozialer, ökonomischer und ökologischer Themen. Insbe-
sondere in Städten geht es immer mehr um eine tragfähige Balance von gesellschaftlichen
Erfordernissen und individuellen Bedürfnissen, die durch Kollision und Koinzidenz geprägt ist.
Dies äußert sich auch in der Beurteilung von Umweltqualität und Lebensqualität durch die von
Lärm Betroffenen. Eine der vielen Erhebungen und Untersuchungen zur Lärmwirkung enthält
Bild II.3.1.
277
zu vielen Orten auf? Eine Antwort könnte die besondere Fokussierung auf Wohngebiete ge-
ben, da dort der ungestörte Schlaf einen hohen Stellenwert einnimmt. Aber nicht nur der ur-
bane Schlaf ist vom Lärm beeinträchtigt, sondern auch das urbane Leben. Es findet außerhalb
der Gebäude statt, auf Terrassen und Balkonen, auf Straßen und Plätzen, in Freizeit- und
Erholungsgebieten.
Bild II.3.1: Ergebnisse einer Online-Umfrage des Umweltbundesamtes (2011) zur Belästigung durch
unterschiedliche Lärmverursacher.
Mit Blick in die Zukunft gilt es mehr denn je, die akustischen Umgebungseinflüsse in nahezu
allen Lebensräumen zu erkennen, konkret zu bewerten und in den meisten Fällen geeignet zu
behandeln. Dabei ist es ratsam, nicht einzelne Aspekte oder Lebensräume hervorzuheben,
278
sondern eine nachhaltige Gesamtbilanz in den Vordergrund zu stellen. Dazu zählt auch die
Einbeziehung in den Gesamtkontext der Umweltgestaltung, um sowohl akustische Qualität als
spürbare Umweltqualität zu etablieren als auch akustische Belange in Gestaltungsprozesse
zu integrieren. Interessierte und Engagierte, Betroffene und Beteiligte stehen also vor mehre-
ren Aufgaben. Erstens muss nach wie vor für verständliche Information und breite Kommuni-
kation gesorgt werden. Zur Versachlichung dieses Austausches stehen immer mehr und auch
bessere Hilfsmittel zur Verfügung. Zweitens müssen noch mehr gesicherte Erkenntnisse in
verbindliche Regeln überführt werden. Drittens bedarf es für eine Reihe von Gestaltungskon-
flikten, z.B. zwischen Mobilität und Ruhe, zwischen Wirtschaftlichkeit und Lebensqualität, auch
der Einbeziehung neuer, praktikabler Schallschutztechnologien.
Obgleich es ein allgemeines und umfassendes Recht auf Ruhe nicht gibt, bestehen je nach
Art, Quelle und Ort des Auftretens von Geräuschen entsprechende Regelungen, wie z.B. das
Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG). Anhand dieser Regelungen lässt sich in vielen
Situationen der konkrete Handlungsbedarf beurteilen. Gemeinsam ist allen gesetzlichen Re-
gelungen zu Lärm und Lärmschutz beispielsweise, dass für unterschiedliche Nutzungsarten
unterschiedliche Schutzniveaus definiert werden. So wird in Deutschland aus dem Rahmen-
dokument Bundes-Immissionsschutzgesetz heraus auf verschiedene Verordnungen und der-
gleichen verwiesen, z.B. auf die Verkehrslärmschutzverordnung. Diese Verordnung legt
Grenzwerte für Geräusche durch Straßen- und Schienenverkehr fest, wenn öffentliche Ver-
kehrswege neu gebaut oder wesentlich geändert werden. Die Grenzwerte unterscheiden sich,
wie in anderen Regelungen auch, in zeitlicher Hinsicht (tagsüber und nachts) und nach dem
Wirkungsort der Geräusche, also z.B. Wohn-, Misch und Gewerbegebieten sowie an beson-
ders schützenswerten Orten wie Krankenhäusern und dergleichen, siehe Tabelle II.3.1.
Tabelle II.3.1: Immissionsgrenzwerte für Verkehrsgeräusche beim Bau oder wesentlichen Änderun-
gen (16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, 16.
BImSchV)
Tag Nacht
in Gewerbegebieten 69 59
Eine weitere europaweite Regelung betrifft die am 18. Juli 2002 in Kraft getretene Richtlinie
des Europäischen Parlaments und Rates über die Bekämpfung von Umgebungslärm (Umge-
bungslärmrichtlinie). Sie verfolgt das Ziel, ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau
durch die rechtliche Regelung von Lärm und Geräuschemissionen zu gewährleisten. Folgende
Meilensteine wurden dabei definiert, um besonders die schädlichen Auswirkungen von Lärm
zu begrenzen:
279
− Regelmäßige Ermittlung der Belastung,
− Sicherstellung der Information der Öffentlichkeit durch Lärmkarten und Berichte,
− Entwicklung von Aktionsplänen zur Minderung des Lärms.
Anhand der Lärmkarten, die ausschließlich mit standardisierten Methoden berechnet werden,
soll eine Bewertung der aktuellen Lärmsituation mittels einheitlicher Indizes ermöglicht wer-
den. Zur Beschreibung der Lärmbelastung wurden die Indizes LDEN (DEN: Day Evening Night)
und Lnight eingeführt. Sie werden in dB(A) angegeben, sind jedoch keine Schalldruckpegel im
physikalischen Sinne, sondern rechnerisch ermittelte Kenngrößen (Indizes). Die Immissions-
punkte für die Berechnungen liegen immer in 4 Metern Höhe über dem Boden, in urbanen
Gebieten unmittelbar vor Gebäudefassaden.
Im Ergebnis liegen diese Lärmkarten z.B. im Internet frei verfügbar vor und geben einen Über-
blick über die Situationen an den betroffenen Orten. Bild II.3.2 zeigt ein Beispiel für Schienen-
wege. Dargestellt ist hier der Lärmindex LDEN als Repräsentant für einen 24-Stunden-Wert. Mit
Hilfe der den LDEN - Pegelstufen zugeordneten Farbskala können die betroffenen Gebiete im
Umfeld der Schienenwege beurteilt werden. Mit diesen einzeln für Straßen-, Bahn- und Flug-
verkehr sowie für Industrie- und Gewerbebetriebe vorliegenden Karten lässt sich auch ein Ein-
druck vom Gesamtlärm an einem Ort zusammentragen. So können auch eventuell geplante
Änderungen bei einzelnen oder mehreren Geräuschquellen in eine Neubewertung einbezogen
werden.
Bild II.3.2: Lärmkarte für Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes im Raum Mannheim (Daten-
grundlage: © Eisenbahn-Bundesamt 2009)
280
Die Umgebungslärmrichtlinie geht aber, wie gesagt, noch weiter und regelt auch die Aufstel-
lung von Lärmaktionsplänen anhand des erfassten Bestandes. Im Rahmen eines Prozesses
mit an sich uneingeschränkter öffentlicher Beteiligung werden regional die Lärmsituationen
untersucht und bewertet sowie Möglichkeiten zur Lärmminderung erörtert und zusammenge-
fasst. Solche Planungen fokussieren u.a. auf folgende für den Lärmschutz wirksamen Kern-
punkte:
Bereits bis zu diesem Punkt wird deutlich, dass die Kartierung und auch die fundierte Aktions-
planung einen erheblichen Aufwand erfordern. Noch teurer wird aber in den meisten Fällen
die logische Konsequenz der EU-Umgebungslärmrichtlinie, die Umsetzung der als geeignet
identifizierten Lärmschutzmaßnahmen. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich z.B. beim
Schienenverkehr. Die jeweils betreffenden Gebietskörperschaften sind zwar für die Lärmakti-
onsplanung zuständig, nicht jedoch für Bau, Betrieb und Unterhaltung der Schienenwege und
damit auch nicht für mögliche Lärmminderungsmaßnahmen. Spätestens an dieser Stelle wer-
den also organisatorische, technische und natürlich auch wirtschaftliche Grenzen der Umsetz-
barkeit offenkundig. Hinzu kommt die häufig nicht vorhandene Akzeptanz gegenüber bestimm-
ten, durchaus realisierbaren Lärmschutzmaßnahmen, wenn z.B. der mit ihnen verbundene
Eingriff in das Erscheinungsbild der Umgebung als nicht tragfähig eingeschätzt wird.
Jedenfalls lässt sich mit diesem Fundus an Regelungen und Richtlinien bzw. an daraus her-
vorgehenden Informationen der Handlungsbedarf in vielen Situationen recht klar umreißen.
Um mit dem Ziel der Beeinflussung der Situation auch den Handlungsspielraum ausschöpfen
zu können, ist es sehr zu empfehlen, sich einen möglichst umfassenden Überblick über kon-
ventionelle und auch neue Schallschutzmaßnahmen zu verschaffen. Auf dieser Basis und an-
hand einer ganzheitlichen Bewertung der im jeweils konkreten Fall möglichen Lösungen las-
sen sich schließlich die passenden Lärmminderungsschritte auswählen.
Schallschutzmaßnahmen sind in großer Zahl verfügbar und auch bereits in der Praxis vielfach
zu finden. Tausende Schallschutzfenster und viele Kilometer Lärmschutzwände stehen als
Beispiele für mehrere Milliarden Euro, die in Lärmschutz investiert wurden. Diese enormen,
auch volkswirtschaftlich relevanten Mittel verdeutlichen einerseits die Dimension dieser The-
matik. Andererseits können und werden die Aufwendungen für Schallschutz nicht nachlassen,
da sowohl bestehende als auch ständig neu hinzu kommende Situationen dies erfordern. Zur
281
Umsetzung stehen jedoch mehr und mehr organisatorische, technische und bauliche Möglich-
keiten zur Verfügung. Neue Schallschutztechnologien werden entwickelt und auch die politi-
schen Anstrengungen zur Motivation neuer Initiativen zur Lärmreduzierung lassen nicht nach.
In jedem Fall von Schallschutzbedarf kommt es auf die richtige Planung an. Dieser Prozess
schließt nicht nur die fachliche Bewertung und Behandlung der jeweiligen Situation ein. Um
möglichst nachhaltig Kollisionen von Interessen zu vermeiden, zählt zur Planung auch die Teil-
habe, d.h. den Betroffenen eine angemessene Information und Kommunikation nicht vorzu-
enthalten. Natürlich erleichtert das nicht in jedem Fall die Diskussion, aber es ist eine Grund-
voraussetzung für tragfähige Kompromisse und Lösungen.
Der erste Planungsschritt beinhaltet die Erfassung, Analyse und Bewertung der aktuellen oder
zu erwartenden Situation. Dazu sind viele Daten erforderlich, z.B. Art und Ausprägung der
Schienenstrecke, Art und Anzahl der Züge, urbane und landschaftliche Topografie, maßgebli-
che Immissionsorte und -grenzwerte. Mit diesen Daten lassen sich Prognose-Programme füt-
tern, die entsprechende Zahlen liefern, anhand derer sich die mutmaßliche Geräuschemission
beurteilen und die Wirkung von Schallschutzmaßnahmen quantifizieren lassen. Die verfügbare
Software bieten mehrere Unternehmen an, die jedoch alle gleichermaßen auf entsprechenden
Richtlinien zur Berechnung beruhen. Geschultes Personal kann damit die genannten Lärm-
karten oder auch ein 3D-Modell mit den wichtigen akustischen Informationen erstellen und
mögliche Maßnahmen auslegen.
Zahlen und Bilder lassen sich mit den diesen Instrumenten also erzeugen bzw. visualisieren.
Nur wenige Fachleute können jedoch mit dB(A)-Werten konkrete Hörerfahrungen verbinden.
Die meisten Menschen können erst nach der Umsetzung von Minderungsmaßnahmen ein Ur-
teil abgeben, z.B. ob ihr Ruhebedürfnis erfüllt ist. Es ist wie bei Musik, deren Klangfülle nur
von den Wenigsten anhand der Partitur beurteilt werden kann. Erst das Hörerlebnis vermittelt
diesen Eindruck. Daher wird mittlerweile auch die Hörbarmachung von Umweltlärm und seiner
Minderung verfolgt sowie in Form von Software sogar online angeboten. Ausgehend vom real
aufgenommenen Schall der Geräuschquellen, z.B. Straßen- oder Schienenverkehr, werden
die Maßnahmen zur Lärmminderung sowohl berechnet als auch hörbar dargeboten. Diese
Form der Simulation nennt sich Auralisation. Statt der Bewertung von Zahlen steht der Hör-
eindruck im Vordergrund. Derartige Software kann z.B. den Planungs- und Bewertungspro-
zess begleiten und in vielen Fällen zur Versachlichung der Diskussion beitragen.
Die Hauptaktivitäten des Lärmschutzes richten sich gegen den Verkehrslärm. Dem Straßen-
verkehrslärm wird eine große Bedeutung beigemessen, weil er die dominierende Verkehrs-
lärmquelle darstellt und, wie es Bild II.3.1 deutlich zeigt, vom Großteil der Lärmbetroffenen als
die Hauptquelle ihrer Belästigung angegeben wird. Die Dominanz des Straßenverkehrs als
Lärmquelle wird auch damit begründet, dass er nicht wie die anderen Verkehrsarten ortsge-
bunden ist. Während z.B. der Schienen- bzw. Flugverkehr hauptsächlich die Umgebung der
Schienenanlagen bzw. des Flughafens durch den Lärm beeinträchtigt, belastet der Straßen-
verkehrslärm jeden Ort, der von Menschen bewohnt bzw. genutzt wird.
282
II.3.1. Kenngrößen und Anforderungen
II.3.1.1. Beurteilungsgrößen
Die Charakterisierung der subjektiven Empfindung des zeitlich intermittierenden Schalls, wie
z.B. Verkehrsgeräusche, ist dagegen etwas komplizierter. Im Gegensatz zu den kontinuierli-
chen Geräuschen weisen sie eine ständige Schwankung ihrer Intensität bzw. des Schallpegels
sowie ihres Spektrums auf. Auch der Informationsgehalt dieser Geräusche ist größer als der
der Dauergeräusche. Als Informationsträger ist hierbei nicht die Frequenzänderung, sondern
vielmehr die Pegelschwankung anzusehen. Um das Ausmaß dieser Geräusche bezüglich ih-
rer Störwirkung durch einen Einzahlwert angeben zu können, ist eine Vielzahl von Beurtei-
lungsverfahren entwickelt worden, die zum größten Teil auf Intensitätsmittelung basieren. Es
ist immer noch umstritten, welches der vorhandenen Bewertungsverfahren zur Beschreibung
der durch ein zeitlich verändertes Geräusch verursachten Lärmbelastung bei betroffenen Men-
schen am besten geeignet ist. Im Folgenden werden die in der Praxis am häufigsten benutzten
Beurteilungsverfahren zusammengefasst. Der zeitliche Verlauf einiger der Kenngrößen ist
weiter unten im Bild II.3.4 für eine Zeitperiode von 24 Stunden dargestellt.
A) Mittelungspegel
Eine der bekanntesten und in der Praxis gebräuchlichsten Beurteilungsgrößen der zeitlich
schwankenden Geräusche ist der Mittelungspegel Lm nach ISO 1996 und DIN 45641. Er wird
durch die energetische Mittelung der Intensität eines Schallvorgangs während eines betrach-
teten Zeitintervalls gebildet und entspricht dem Pegel eines zeitlich wenig veränderlichen Ge-
räusches der gleichen Dauer. D.h., dass die Störwirkung eines zeitlich schwankenden Geräu-
sches der eines gleich bleibenden Geräusches, dessen Pegel dem Pegel des schwankenden
Geräusches gleichgesetzt wird, äquivalent ist (energieäquivalenter Dauerschallpegel).
lg 2
q 1 T ( )L(t)
Leq = lg 2
lg [T ∫0 10 q dt] [dB(A)] (II.3.1)
mit
q Halbierungsparameter [-]
T Beobachtungszeit [h]
L(t) Schallpegel zur Zeit t [dB(A)]
Der Halbierungsparameter q gibt an, welche Pegelzu- oder -abnahme einer Verdoppelung o-
der Halbierung der Einwirkzeit eines zeitunabhängigen Pegels gleichgesetzt wird. Für den
Sonderfall q = 3, welcher der Einheitlichkeit wegen in vielen Normen und Richtlinien verwendet
wird, geht die Gleichung (II.3.2) über in den Mittelungspegel (siehe Bild II.3.3):
283
1 T
Lm = 10 lg [T ∫0 100,1 L(t) dt] [dB(A)] (II.3.2)
Bild II.3.3: Schematische Darstellung einer Schallpegelverteilung in Abhängigkeit von der Zeit und
der jeweils zugehörigen Mittelungspegel Lm.
Eine Erhöhung bzw. Verringerung des A-bewerteten Schallpegels eines gleichbleibenden Ge-
räusches um 3 dB(A) bedeutet hier eine Verdoppelung bzw. Halbierung seiner Einwirkzeit T.
Zur Beurteilung von Fluglärm wird in Deutschland q = 4 benutzt. Es ist umstritten, ob der Mit-
telungspegel geeignet ist, insbesondere beim Verkehrslärm den Empfindungsgrad des Men-
schen wiederzugeben.
B) Beurteilungspegel
mit
Tr Beurteilungszeit [h]
Ti Teilzeit [h]
284
Lmi Mittelungspegel im Zeitintervall Ti [dB(A)]
KI,i, KT,i, KR,i Korrekturzuschläge für Impulshaltigkeit, für Tonhaltigkeit, für Ruhezeiten [dB(A)]
KS,i Zu- oder Abschlag für bestimmte Geräusche und Situationen während [dB(A)]
der zugehörigen Teilzeit Ti
Tabelle II.3.2: Zuordnung von Zeitblöcken und des Zuschlags für Ruhezeiten zu den Beurteilungs-
zeiten.
Zuschlag für
Zeitblock Beurteilungszeit
Ruhezeiten [dB]
Zeitblock 1 7 – 19 Uhr 0
Tr = 16 h
6 – 7 Uhr
Zeitblock 2 6
19 – 22 Uhr
Werktags
Tr3 = 1 h
Zeitblock 3 0 – 6 Uhr
0 bzw.
(Nacht) 22 – 24 Uhr
Tr3 = 8 h
Zeitblock 1 7 – 22 Uhr 6 Tr = 15 h
Sonn- und
Tr3 = 1 h
feiertags Zeitblock 2 0 – 7 Uhr
0 bzw.
(Nacht) 22 – 24 Uhr
Tr3 = 9 h
ANMERKUNG 1: Die Einführung der Bezeichnung "Zeitblock" soll der einfachen Verständigung dienen. Zeit-
blöcke sind festgelegte Zeitintervalle. Für den Werktag bilden die Zeitblöcke 1 und 2 zusammen die Beurtei-
lungszeit für den Tag.
ANMERKUNG 2: An Sonn- und Feiertagen wurde die Nachtzeit auf den Zeitraum von 22 bis 7 Uhr ausge-
dehnt.
1 T
Lr = 10 lg [T ∫0 r 100,1(L(t) + K(t)) dt] [dB(A)] (II.3.4)
r
mit
C) Summenhäufigkeitspegel
Mit Hilfe der statistischen Beurteilungsverfahren erhält man zusätzliche Informationen über die
Verteilung des Geräuschpegels während der Messzeit T. Zu diesem Zwecke sind verschie-
dene Summenhäufigkeitspegel (Perzentile) Lx gebräuchlich. Der Summenhäufigkeitspegel Lx
285
gibt an, dass in X % der Messzeit ein bestimmter Pegel erreicht und überschritten wird. Ge-
bräuchlich sind:
Noise Pollution Level beruht auf dem Mittelungspegel Lm und berücksichtigt zusätzlich die Pe-
gelschwankungsbreite. Hierzu wird dem Mittelungspegel der statistische Kennwert der Schall-
pegelschwankung, die Standardabweichung , multipliziert mit dem statistischen Faktor 2,56,
hinzuaddiert. Mit diesem Verfahren werden die Pegelverläufe mit starken Schwankungen, wie
z.B. Straßenverkehrsgeräusche, stärker bewertet.
10
∆L = 3
σ und ∆L = L5 - L95 [dB(A)] (II.3.6)
Traffic Noise Index beinhaltet die Summenhäufigkeitspegel L10 und L90 und berücksichtigt
ebenfalls die Pegelschwankungsbreite:
286
F) Takt-Maximal-Verfahren
Dieses in der TA-Lärm verankerte Verfahren ist geeignet zur Erfassung der Geräuscheinwir-
kungen von sowohl zeitlich wenig als auch zeitlich stark veränderlichen Geräuschen. Hierbei
wird die Mittelungszeit in gleichmäßige Takte (5 sec.) unterteilt. Der Maximalpegel, der inner-
halb eines Zeittaktes auftritt, wird als maßgebender Messwert betrachtet. Der Taktmaximalpe-
gel kann bei der Zeitbewertung "fast" mit dem Schallpegelmesser gemessen werden.
G) Verkehrslärmbelastung
Dieses Verfahren, das zur Beurteilung von Verkehrslärmbelastung entwickelt worden ist, be-
rücksichtigt neben den Summenhäufigkeitspegeln L50 und L99 auch die Verkehrsstärke M.
mit
M Verkehrsstärke [Kfz/h]
Bild II.3.4: Gemessene Straßenverkehrsbelastung in Abhängigkeit von der Uhrzeit. Dargestellt sind
die zeitlichen Verläufe von einigen zuvor erläuterten Kenngrößen.
287
II.3.1.2. Grenz- und Richtwerte
Die Norm wird von den zuständigen Ministerien zur Anwendung in der Bauleitplanung emp-
fohlen. Sie wird bei der Prüfung von Bebauungsplänen und Flächennutzungsplänen bezüglich
der Lärmimmissionswerte von den Prüfungsbehörden angewandt (Tabelle 4).
Die TA-Lärm gilt für Anlagen, die als genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbe-
dürftige Anlagen den Anforderungen des Zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgeset-
zes (BImSchG) unterliegen, mit Ausnahme folgender Anlagen:
Anmerkung:
Den Wortlaut der TA-Lärm finden Sie auch beim Umweltbundesamt
(http://www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/gesetze.html)
3. Fluglärmgesetz
Ziel des Fluglärmgesetzes ist es sicherzustellen, dass die Allgemeinheit und die Nachbar-
schaft durch bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz in der Umgebung
von Flugplätzen vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen verur-
sacht durch Fluglärm geschützt wird.
288
Dazu werden im § 2 Lärmschutzbereiche nach dem Maße der Lärmbelastung in Tag- und
Nacht-Schutzzonen eingeteilt. Schutzzonen sind jeweils diejenigen Gebiete, in denen der
durch Fluglärm hervorgerufene äquivalente Dauerschallpegel LAeq sowie bei der Nachtschutz-
zone auch der fluglärmbedingte Maximalpegel LAmax die nachfolgend genannten Werte über-
steigt, wobei die Häufigkeit aus dem Mittelwert über die sechs verkehrsreichsten Monate des
Prognosejahres bestimmt wird. Die Schutzzonen sind wie folgt definiert:
Entsprechende Bauverbote, Beschränkungen der baulichen Nutzung, die Erstattung von Auf-
wendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen, Entschädigung für die Beeinträchtigung
des Außenwohnbereichs sind ebenfalls im Fluglärmschutzgesetz geregelt.
Diese schreibt für die Planung und Durchführung von Lärmschutzmaßnahmen an Straßen und
Schienenwegen Immissionsgrenzwerte vor (Tabelle 4).
Anwendungsgebiete:
1. Die Verordnung gilt für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen
sowie von Schienenwegen der Eisenbahnen und Straßenbahnen (Straßen und Schienen-
wege).
2. Die Änderung ist wesentlich, wenn
− eine Straße um einen oder mehrere durchgehende Fahrstreifen für den Kraftfahrzeug-
verkehr oder ein Schienenweg um ein oder mehrere durchgehende Gleise baulich er-
weitert wird oder
289
− durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu än-
dernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 Dezibel (A) oder
auf mindestens 70 Dezibel (A) am Tage oder mindestens 60 Dezibel (A) in der Nacht
erhöht wird.
Eine Änderung ist auch wesentlich, wenn der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden
Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms von mindestens 70 dB(A) am Tage oder 60 dB (A)
in der Nacht durch einen erheblichen baulichen Eingriff erhöht wird; dies gilt nicht in Gewerbe-
gebieten.
B) Außenlärmpegel in Räumen
Die VDI 2719 (Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrichtungen) gibt Anhalts-
werte für zulässige Innenschallpegel, die zur Vermeidung unzumutbarer Lärmbelästigung
nicht überschritten werden sollten. Diese sind nur für den von außen in Aufenthaltsräume ein-
dringenden Schall gültig (Tabelle II.3.4).
Tabelle II.3.3: Zusammenstellung der Immissionsrichtwerte für Tag und Nacht nach TA-Lärm und
Allgemeiner Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm-Geräuschimmissio-
nen (AVSB) sowie der Orientierungswert nach der DIN 18005, Teil 1 (2002) und der
Immissionsgrenzwerte nach der 16. Verordnung zum BImSchG.
Baugebiete1
Tag Nacht Tag Nacht Tag Nacht
TA- TA-
AVSB* AVSB* DIN 18005-1 BImSchG
Lärm* Lärm*
Reines Wohngebiet
(WR)
50 50 35 35 50 40/35 59 49
Wochenendhausge-
biet (SW)
Allgemeines Wohn-
gebiet (WA)
55 55 40 40 55 45/40 59 49
Kleinsiedlungsgebiet
(WS)
Friedhöfe, Kleingar-
- - - - 55 55 - -
ten- und Parkanlagen
Kurgebiet,
Krankenhaus, 45 45 35 35 - - 57 47
Pflegeanstalt
290
Dorfgebiete (MD)2
60 60 45 45 60 50/45 64 54
Mischgebiete (MI)
Kerngebiete (MK)
Gewerbegebiete 60, 65 65 45, 50 50 65 55/50 64, 69 54, 59
(GE)
5.2.3 + 5.2.3 +
Industriegebiete (GI) 70 70 70 70 - -
7.5 7.5
Sondergebiete (SO) - - - - 45 - 65 35 - 65 - -
Wohnungen in allen
35 - 25 - - - - -
Gebieten
Seltene Ereignisse 70 - 55 - - - - -
Tabelle II.3.4: Anhaltswerte für Mittelungspegel des Innengeräusches von Räumen verschiedener
Nutzungsart nach VDI-2719 - Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrich-
tungen.
Schlafräume nachts:
− Reine und allgemeine Wohngebiete, Krankenhaus- und − 25 bis 30 − 25 bis 30
Kurgebiete
− übrige Gebiete − 30 bis 35 − 30 bis 35
291
Wohnräume tagsüber:
− Reine und allgemeine Wohngebiete, Krankenhaus- und − 30 bis 35 − 40 bis 45
Kurgebiete
− übrige Gebiete − 35 bis 40 − 45 bis 50
− Großraumbüros, Gaststätten
40 bis 50 50 bis 60
− Schalterräume, Läden
II.3.2. Lärmquellen
Die Verursacher oder Quellen des Lärms wurden bereits genannt, sie lassen sich in Gruppen
zusammenfassen (Bild II.3.5). Wegen der unterschiedlichen Geräuschart, des unterschiedli-
chen räumlichen und zeitlichen Daseins verschiedener Quellen sowie wegen der unterschied-
lichen Verursacher der einzelnen Lärmarten ist es notwendig, die Quellengruppen differenziert
zu betrachten.
Jede der im Bild II.3.5 genannten Lärmquellengruppen birgt eine Vielzahl von Lärm-Einzel-
quellen in sich. Insbesondere der Verkehr bildet den größten Anteil der Lärmemissionen, die
von folgenden verschiedenen Verkehrsarten ausgehen:
− Straßenverkehr,
− Schienenverkehr,
− Flugverkehr,
− Schiffsverkehr,
− Wasserverkehr.
292
Eine detaillierte Betrachtung einzelner der im Bild II.3.5 aufgeführten Lärmquellen würde den
Rahmen dieser Lehrveranstaltung sprengen. Daher wird hier der Straßenverkehr ausführlich
behandelt und alle anderen Lärmquellen nur kurz angerissen.
II.3.2.1. Straßenverkehr
Der Straßenverkehr stellt die dominierende Lärmquelle überhaupt dar. Mehr als 70 % der von
Lärm gestörten Menschen in der Bundesrepublik Deutschland geben ihn als Hauptquelle ihrer
Belästigung an. Der Verursacher des Lärms im Straßenverkehr ist, wie es der linke Teil im Bild
II.3.6 verdeutlicht, das Kraftfahrzeug. Die Geräusche gehen aus
Beeinflusst wird der emittierte Lärm neben der Art, dem Zustand und der Belastung des Fahr-
zeuges durch die unten genannten Parameter I bis IV, die im rechten Teil vom Bild II.3.6 über-
sichtlich zusammengefasst sind:
Straßenverkehr
Fahrzeug Umfeld
293
Zur Reduzierung des vom Straßenverkehr ausgehenden Lärms muss bekannt sein, wie der
Lärmpegel im Einzelnen von den obengenannten Einflussparametern abhängt. Diese Abhän-
gigkeiten werden in den gültigen Vorschriften und Richtlinien im Allgemeinen für den Mitte-
lungspegel Lm angegeben.
II.3.2.1.1. Fahrzeug
Das Fahrzeug ist, wie bereits ausgeführt, die Quelle des Lärms im Straßenverkehr. Seine
Fahrgeräusche setzen sich zusammen aus Antriebs-, Roll- bzw. Reifengeräuschen, siehe Bild
II.3.6 und Bild II.3.7, und aerodynamisch erzeugten Geräuschen an der Fahrzeugoberfläche.
Die Antriebsgeräusche umfassen die Geräusche des Motors, des Getriebes sowie der An-
saug- und Auspuffanlage. Die Reifen des Fahrzeugs sind die Erzeuger der Rollgeräusche.
Das Ausmaß der Fahrgeräusche hängt im Wesentlichen von der Art des Kraftfahrzeuges -
Pkw, Lkw, Busse, sowie motorisierte Zweiräder - ab. Bei den Lastkraftwagen wird zusätzlich
zwischen leichten und schweren Lkws unterschieden. Die Pegelwerte der Lkws liegen allge-
mein 5 dB bis 10 dB über denen der Pkws, wobei bei den schweren Lkws die höchsten Pegel-
werte festgestellt werden. Die motorisierten Zweiräder unterteilen sich in Kategorien wie Mo-
torräder, Mopeds, Mofas usw. Die Motorräder können dabei sogar die Pegelwerte der schwe-
ren Lkws erreichen. Die Anzahl der motorisierten Zweiräder bildet insgesamt etwa 10% des
Gesamtfahrzeugbestandes der Bundesrepublik Deutschland und damit einen kleinen Anteil
des gesamten Straßenfahrgeräuschpegels. Ihre Geräusche können aber, da sie einen großen
Anteil an hohen Frequenzen besitzen, häufig lästiger wirken als die der anderen Straßenfahr-
zeuge.
90
ng
ng
ng
ng
Ga
Ga
Ga
Ga
Antriebsgeräusche
2.
4.
3.
1.
Schallpegel [dB(A)]
80
70
Rollgeräusche
60
10 15 30 50 70 90 120 160
Fahrgeschwindigkeit [km/h]
Bild II.3.7: Antriebs- und Rollgeräusche von Pkws in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit, nach
[1].
294
II.3.2.1.2. Verkehrsstärke
Die Verkehrsstärke M gibt die Anzahl der Kraftfahrzeuge an, die pro Stunde in beiden Fahrt-
richtungen die Fahrbahn passieren. Da die Verkehrszusammensetzung meist aus unter-
schiedlichen Kraftfahrzeugarten besteht, muss dies auch bei der Betrachtung der Verkehrs-
stärke zur Beurteilung einer Geräuschsituation berücksichtigt werden. Ausschlaggebend für
die Schallemission sind die Pkws und Lkws. Der Einfluss der anderen Fahrzeugarten bleibt
wegen ihrer kleinen Anzahl für die Gesamtbeurteilung gering. Fasst man die Abhängigkeit des
Mittelungspegels von der Entfernung, Geschwindigkeit und allen anderen Faktoren und Grö-
ßen, die ihn beeinflussen in einer Größe A zusammen, dann ist:
Lm = A + 10 lg M [dB(A)] (II.3.10)
Das bedeutet, dass bei allen sonst gleichbleibenden Größen der Mittelungspegel bei Verdop-
pelung bzw. Halbierung der Verkehrsstärke sich jeweils um 3 dB(A) ändert. Da die Schalle-
mission von Pkws und Lkws unterschiedlich ist, ist es üblich, die Anteile der Pkws und Lkws
je Stunde bei der Gesamtverkehrsstärke gesondert anzugeben. Nach RLS-90 berechnet sich
der Mittelungspegel in 25 m Entfernung von der Fahrbahnmitte gemäß Gleichung (II.3.11).
Bild II.3.8 stellt Gleichung (II.3.11) für die angegebenen Randbedingungen grafisch dar.
mit
p Lkw-Anteil [%]
A = 37,3 dB(A)
80
75
Mittelungspegel T, N (25) [dB(A)]
70
LKW-Anteil [%]
100
70
65 50
30
20
60 10
5
0
55
Daten
Abstand: 25 m von der Fahrbahnmitte
Straßenoberfläche: nicht geriffelter Gußasphalt
50 zul. Höchstgeschwindigkeit: 100 km/h
Ausbreitungsbedingungen: freie Schallausbreitung
hm = 2,25 m
45
10 20 50 100 200 500 1000 2000 5000 10000
Verkehrsstärke [KFz/h]
Bild II.3.8: Mittelungspegel in Abhängigkeit von der Verkehrsstärke nach RLS-90, nach [2].
295
II.3.2.1.3. Fahrgeschwindigkeit
Die Erfahrung zeigt, dass ein Fahrzeug umso lauter wird, je schneller es fährt. Dennoch muss
die Abhängigkeit des Lärmemissionspegels von der Geschwindigkeit unter zwei Aspekten ge-
sehen werden:
− Allgemein steigt die Lärmemission des einzelnen Fahrzeuges mit zunehmender Geschwin-
digkeit an.
− Die Dauer der Geräuschwirkung ist bei schnell fahrenden Fahrzeugen jedoch kürzer als bei
langsam fahrenden.
Bei Pkws insbesondere erhöht sich mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit der Rollgeräusch-
pegel. Er überdeckt die Antriebsgeräusche nahezu, wenn das Fahrzeug ohne Beschleunigung
gefahren wird. Bei den Lkws dagegen überwiegen fast bei allen Geschwindigkeiten die Motor-
und Antriebsgeräusche. Im Mittel steigt der Rollgeräuschpegel bei Pkws je Geschwindigkeits-
verdoppelung um 9 dB(A) bis 12 dB(A), der Fahrgeräuschpegel um 10 dB(A) bis 12 dB(A) an.
Im Bild II.3.9 ist die Abhängigkeit des Schallpegels von der Geschwindigkeit für PKW, LKW
und KKR graphisch dargestellt. Näherungsweise kann zur Bestimmung des Fahr-, wie auch
Rollgeräuschpegels, die Beziehung nach Gleichung (II.3.12) angegeben werden:
L = C + D lg v [dB(A)] (II.3.12)
Fahrgeräusche
Rollgeräusche
Schallpegel [dB(A)]
296
II.3.2.1.4. Fahrbahndecke
Die Fahrbahn zählt zu den wichtigsten Einflussgrößen des Straßenverkehrslärms. Die Be-
schaffenheit ihrer Oberfläche kann zur erheblichen Lärmpegelerhöhung oder auch zur Lärm-
pegelminderung beitragen. Hauptsächlich führen zwei Parameter der Fahrbahndecke zur Be-
einflussung des Straßenlärmpegels:
Fahrbahnbelag
100
80
70
60
40 60 80 100 120 140
Fahrgeschwindigkeit [km/h]
Bild II.3.10: Mittelungspegel von Straßenverkehrsgeräuschen in Abhängigkeit von der Fahrgeschwin-
digkeit für verschiedene Fahrbahnbeläge, nach [6].
Bei der Oberflächenbeschaffenheit der Fahrbahn kommt es darauf an, ob die Oberfläche rau,
glatt (Bild II.3.11), nass oder trocken (Bild II.3.12) ist. In der Praxis ist eine ganz getrennte
Darstellung der Einflussparameter a) und b) nicht möglich, weil sie sich gegenseitig beeinflus-
sen.
297
95
schwere LKWs
leichte LKWs
PKW
Schallpegel [dB(A)]
85
75
65
0,00 0,25 0,50 0,75 1,00 1,25 1,50
Fahrbahnoberflächenrauheit [mm]
Bild II.3.11: Schallpegel in Abhängigkeit von der Fahrbahnoberflächenrauheit für verschiedene Fahr-
zeugarten, nach [7].
90 90
A: Asphaltbelag
B: Betonbelag Lastzug
Rollgeräuschpegel [dB(A)]
B
Vorbeifahrtpegel [dB(A)]
80 A
80
B PKW
A
70 70
60 60
trockene Fahrbahn trockene Fahrbahn
nasse Fahrbahn nasse Fahrbahn
50 50
30 40 50 60 70 80 90 60 70 80 90 100 110 120 130 140
Rollgeschwindigkeit [km/h] Fahrgeschwindigkeit [km/h]
Bild II.3.12: Rollgeräuschpegel in Abhängigkeit von Rollgeschwindigkeit (links) und Vorbeifahrtpegel
in Abhängigkeit von der Fahrbahngeschwindigkeit (rechts), Asphaltbeton- und Betonbe-
lag im trockenen und nassen Zustand für Pkws und Lastzüge, nach [8],[9].
Trocken Nass
90 90
S: Sommerreifen S: Sommerreifen
Rollgeräuschpegel [dB(A)]
W: Winterreifen W: Winterreifen
W W
85 S 85 S
W W
S
80 S
80
75 75
Betonfahrbahn; unbefahren Betonfahrbahn; unbefahren
Betonfahrbahn; unbefahren mit Rillen Betonfahrbahn; unbefahren mit Rillen
70 70
80 90 100 110 120 80 90 100 110
Rollgeschwindigkeit [km/h] Rollgeschwindigkeit [km/h]
Bild II.3.13: Rollgeräuschpegel in Abhängigkeit von der Rollgeschwindigkeit für zwei verschiedene
Fahrbahnarten im trockenen und nassen Zustand bei Fahrten mit Sommer- und Winter-
reifen, nach [10].
298
Es hat sich gezeigt, dass:
I. das Fahrbahnmaterial zu einer Erhöhung des Lärmpegels bis zu 17 dB(A) führen kann. Der
Asphaltbelag stellt bei den üblichen Fahrbahnbelägen zurzeit die leiseste und die Pflaster-
straße die lauteste Straße dar. Offenporige Asphaltdecken reduzieren den Lärmpegel um
2 dB(A) bis 5 dB(A) im Vergleich zu geschlossenen Asphaltdecken.
II. der Lärmpegel mit zunehmender Tiefe der Oberflächenrauheit des Fahrbahnbelags an-
steigt. Eine Verdoppelung der Rauheitstiefe kann den Lärmpegel um 3 dB(A) bis 6 dB(A)
erhöhen.
III. nasse Fahrbahnen zu einer Erhöhung des Straßenverkehrslärms führen. Diese Erhöhung
kann bis zu 10 dB(A) und mehr betragen.
Das Frequenzspektrum von Rollgeräuschen der Pkws ist in Bild II.3.14 wiedergegeben. Sie
werden im Wesentlichen durch den Kontakt der Fahrbahn mit dem Fahrzeugreifen hervorge-
rufen. Das Reifenmaterial und das Profil bestimmen das Rollgeräusch, Bild II.3.13 Maßge-
bend dafür sind
Wesentlich leisere Decken lassen sich nur noch dadurch konstruieren, dass aerodynamische
Schallquellen im Reifenprofil ausgeschaltet werden.
Bild II.3.14: Pkw-Rollgeräuschpegel in Abhängigkeit von der Frequenz bei trockener und nasser
Fahrbahn, nach [10].
Durch die oben genannte Wechselwirkung entstehen, wie Bild II.3.15 zeigt, zum einen me-
chanische Schwingung als Radial- und Gürtelschwingungen im Reifen, die eher niederfre-
299
quente Schwingungen (unter 1 kHz) sind. Zum anderen kommt es zu aerodynamischen Effek-
ten in Form von "Air Pumping" (über 1 kHz), Horneffekt oder auch Resonanzeffekte (Helm-
holtz- oder Röhrenresonanz). Insbesondere trägt der "Air Pumpingeffekt" zur Entstehung von
Rollgeräuschen bei. Dabei wird beim Durchfahren von Fahrzeugreifen Luft zwischen dem Rei-
fenprofil und der Fahrbahn komprimiert (Bild II.3.15, oben), die beim Weiterrollen des Reifens
expandiert. Diese Expansion der Luft ist mit Geräuschen verbunden. Wird es erreicht, dass
durch entsprechende Reifenkonstruktionen, sowie Fahrbahndecken die beschriebenen me-
chanischen und aerodynamischen Schwingungen nicht entstehen bzw. kompensiert werden,
so lassen sich die Rollgeräusche erheblich reduzieren. Dies ist möglich, wenn als Straßende-
cke offenporige, hohlraumreiche Asphaltbeläge verwendet werden. Damit wird erreicht, dass
im Reifenprofil während des Durchlaufens an der Berührungsfläche Reifen/Straße keine Luft-
volumina mehr komprimiert werden können, Bild II.3.15 unten.
Gürtel- Horneffekt
schwingungen
Bild II.3.15: Schematische Darstellung der mechanischen Schwingungen und aerodynamischen Ef-
fekte, die durch die Wechselwirkung von Fahrbahn und Fahrzeugreifen entstehen.
Eine neue Entwicklung auf diesem Gebiet ist der "Dränasphalt". Dränasphaltbeläge sind of-
fenporige Asphaltdecken, die zunächst entwickelt wurden, um die Verdrängung des Oberflä-
chenwassers von der Fahrbahn zu ermöglichen. Es wurde angenommen, dass das Fahr-
bahnoberflächenwasser durch die Dränasphaltschichten, die auf eine dichte Unterlage aufge-
bracht sind, seitlich besser abgeführt wird (Bild II.3.17). Damit sollte erreicht werden, dass
sich auf der Fahrbahnoberfläche keine Wasserglätte und Wasserpfützen bilden und die Ver-
kehrssicherheit erhöht wird.
300
Die wichtigsten Merkmale der Dränasphaltbeläge sind:
− Absorption der Schallenergie und dadurch Verringerung der Abstrahlung der durch Schwin-
gungsanregung der Reifendecke erzeugten Geräusche. Dieser Effekt kann den Mittelungs-
pegel zwischen 3 dB(A) und 6 dB(A) reduzieren. Damit möglichst viel Schallenergie in den
Asphaltbelag eindringen kann, sollte das Material einen Hohlraumgehalt von 15 bis 20-Vol.-
% besitzen. Damit beispielsweise bei einer Frequenz von 1000 Hz die maximale Absorption
erreicht werden kann, ist eine Belagsmindestdicke von 4 cm wünschenswert.
− um 25 bis 30 % höhere Herstellungskosten als bei den vergleichbaren Fahrbahnen,
− kürzere Nutzungsdauer, höhere Erhaltungs- und Betriebskosten.
tangential
Pneumatische Effekte,
abhängig von der Art der pneumatische Effekte gering,
geschlossenen Krater da Luft entweichen kann
Bild II.3.16: Schematische Darstellung des Zusammenwirkens von Reifen/Fahrbahnoberfläche und
des Airpumping-Effektes, nach [11].
Dränasphalt
Versiegelung und
Spannungsausgleich
2,5 %
q = 0,6 %
Neben den hohen Herstellungskosten und kurzer Lebensdauer haben offenporige Asphaltde-
cken eine Reihe von weiteren Nachteilen:
− Glatte Oberflächen im Winter durch rasche und lang anhaltende Eis- und Reifglättebildung,
− 2 bis 3 mal mehr Streusalzverbrauch als bei einer Fahrbahn mit glatter Oberfläche,
− Die Fahrbahn ist nur dann akustisch voll wirksam, wenn die Poren frei und offen sind. Split,
Sand, Erde, Staub und Gummiabriebe der Fahrzeugreifen vernichten die schallschlu-
ckende Eigenschaft des Dränasphalts.
301
− Ungeeignet für normale Wohnstraßen. Die Fahrbahn verliert bei Reparaturarbeiten ihre
Lärm mindernde Eigenschaft und der Abtransport von Regen und Schneewasser wird un-
terbrochen.
II.3.2.1.5. Fahrbahngradient
Der Einfluss des Fahrbahngradienten auf den Lärmemissionspegel wird vielfach durch einen
Korrekturzuschlag berücksichtigt. Bild II.3.18 gibt die Abhängigkeit des Vorbeifahrtpegels von
der Fahrgeschwindigkeit für PKW und LKW wieder. Dargestellt ist diese Abhängigkeit für eine
7%ige Steigung und eine 7%ige Gefällestrecke im Vergleich zu einer ebenen Fahrbahn. Nä-
herungsweise kann die infolge der Straßenlängsneigung entstandene Lärmpegeldifferenz im
Vergleich zu einer ebenen Straße berechnet werden:
LG gibt den Lärmpegelzuschlag in [dB(A)] an. G ist die Straßensteigung in [%].
Fahrbahngradient
85
LKW
80
Vorbeifahrtpegel [dB(A)]
LKW
75
PKW
7%-ige Steigungsstrecke
7%-ige Gefällestrecke
Ebene Strecke
70
65
20 40 60 80 100 120
Fahrgeschwindigkeit [km/h]
Bild II.3.18: Vorbeifahrtpegel von Straßenfahrzeugen in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit
bei verschiedenen Fahrbahnneigungen, nach [6],[5].
302
II.3.2.2. Schienenverkehr
Bremsen (Wagen)
Container, Behälter usw. (Wagen)
Rad und Schiene (Lok und Wagen)
Antriebsstrang und Fahrmotor (Lok)
Kühler und Lüfter (Lok)
Wind (Lok und Wagen)
Bild II.3.19: Ausgangspunkte und Entstehungsorte von Geräuschen bei Schienenverkehr.
Die Intensität und Dominanz der wichtigsten Geräuschquellen hängen von der Fahrgeschwin-
digkeit ab, wie in Bild II.3.19 illustriert. Bei niedrigen Geschwindigkeiten wie z.B. bei langsamer
Ortsdurchfahrt oder Annäherung an einen Bahnhof bestimmen die Antriebsaggregate das Ge-
samtgeräusch. Mit zunehmender Geschwindigkeit und zugleich im praktisch größten Ge-
schwindigkeitsbereich steht das Rollgeräusch an erster Stelle.
Bild II.3.20: Zusammenhang zwischen Schalldruckpegel und Geschwindigkeit für ein-zelne Mecha-
nismen der Geräuschentstehung
303
Da die anderen Verursacher keinen Beitrag leisten, lässt sich hier bereits ein Schallminde-
rungspotential beispielhaft quantifizieren. Danach ist eine Halbierung der Geschwindigkeit von
200 auf 100 km/h mit einem um ca. 6 dB reduzierten Geräusch verbunden. Schienenverkehr
verursacht neben dem Luftschall zusätzlich auch Körperschall, der sich in weit entfernt liegen-
den Bereichen ausbreiten kann. Ähnlich wie beim Straßenverkehr hängt auch beim schienen-
gebundenen Verkehr die Lärmemission von vielen Einflussfaktoren ab (Bild II.3.21).
Bild II.3.22: Beispielhafte Schallschutzmaßnahmen bei Schienenverkehr nach Art und Anwendung
unterteilt
304
Schallschutzmaßnahmen an der Quelle
Maßnahmen an der Quelle sind an sich die wirkungsvollsten sowie oft auch wirtschaftlicher
und ökologischer als Maßnahmen, die den sich ausbreitenden Schall behindern sollen.
Anzahl der Züge: Da der absolute Schallpegel direkt proportional zur Anzahl der Zug-Vorbei-
fahrten pro Tag ist, sollte eine Schallschutzmaßnahme keine Erhöhung der Zuganzahl zur
Folge haben. Praktisch ist es oft umgekehrt, die Verkehrszunahme führt zu Schallschutzbe-
darf. Alle Maßnahmen müssen immer im Zusammenhang mit dem Verkehrsaufkommen be-
rücksichtigt werden. Bis zu 3 dB lässt sich Schallpegel bei einer Halbierung der Zugfrequenz
mindern.
Geschwindigkeit: Wie schon in Bild II.3.20 erläutert wirkt sich die Reduktion der Geschwindig-
keit in einem weiten Bereich schallmindernd aus. Eine von 80 km/h auf 50 km/h reduzierte
Fahrgeschwindigkeit ist z.B. mit einer Pegelreduktion um ca. 5 dB verbunden, also ein klarer
Effekt.
Trassenpreise: Eine Motivation, moderne und leisere Fahrzeuge einzusetzen, stellt ein Tras-
senpreissystem dar, das diese Fahrzeuge bevorzugt. Dazu sind unterschiedliche Modelle vor-
stellbar. In der Schweiz und mittlerweile auch in Deutschland wird dies mit Erfolg praktiziert.
Für eine quantifizierbare Wirkungsangabe ist sicher noch ein längerer Beobachtungszeitraum
erforderlich. Der entlastende Effekt wird aber mit zunehmend leiseren Güterzügen direkt wahr-
nehmbar.
Räder: Insbesondere bei Güterzügen können Bremsbeläge bzw. -sohlen für mehr Ruhe sor-
gen, auch als Nachrüstung an älteren Wagen. Werden statt der herkömmlichen Grauguss-
Bremsklötze neue, so genannte K-, L- oder LL-Sohlen (Verbundstoff-Bremssohlen) verwen-
det, lassen sich Geräuschminderungen zwischen 2 und 10 dB erreichen. Dieser Effekt beruht
auf einer glatteren Radoberfläche, die in Verbindung mit dem Gleis (Rad-Schiene-Kontakt) zu
einem verringerten Rollgeräusch beiträgt. Der Minderungswert hängt dabei von einigen Rand-
bedingungen ab. K-Sohlen reduzieren den Lärm etwas mehr als L-Sohlen, benötigen aber
Anpassungen des Bremssystems, während L-Sohlen ohne solche Anpassungen eingebaut
werden können. Aus diesem Grund ist die Anpassung an K-Sohlen kostenintensiver, allerdings
sind sie seit 2003 zugelassen. Studien zur Wirtschaftlichkeit zeigen, dass zur Lärmreduktion
die Umrüstung der Güterwagen mit Verbundstoff-Bremssohlen ein hohes Kosten-Nutzen Ver-
hältnis aufweist. Dies lässt sich noch weiter erhöhen, wenn sie mit anderen Lärmminderungs-
maßnahmen kombiniert werden. Dazu zählen z.B. Radabsorber oder anderweitig akustisch
optimierte Räder, die mittels Dämpfung eine verringerte Schallabstrahlung der schwingenden
Radoberflächen bewirken.
Fahrwerk: Die Optimierung der Fahrwerke birgt Studien zufolge ein hohes Potential zur Lärm-
minderung. Mit speziellen Radabsorbern und Bremsen ist eine Minderungswirkung bis 10 dB
möglich. Es handelt sich ebenfalls um eine Maßnahme an der Quelle, die unabhängig von der
305
topografischen Lage und der Lage maßgeblicher Immissionsorte ist. Sie ist also auch für be-
stehende Strecken wirksam.
Antriebe und Aggregate: Geräusche von Motoren, Kühlaggregaten und entsprechenden Lüf-
tern treten praktisch nach Bild II.3.20 bei langsamer Fahrt und Stillstand in den Vordergrund.
Obgleich sie auf einem niedrigeren Niveau als Rollgeräusch bei voller Fahrt liegen, können sie
dennoch in Siedlungsnähe sehr stören. Meist handelt sich um tieffrequentes Brummen o. dgl.,
das leider nur schwer zu reduzieren ist.
Gleisqualität: Zu Beginn dieses Kapitels wurde bereits auf mechanische Schwingungen als
Ursache für die Geräuschentstehung hingewiesen. Jede Reduzierung dieser Schwingungen
führt daher auch zur Geräuschminderung. Wie bei den Rädern mit glatter Radlauffläche und
bedämpften Radoberflächen lässt sich auch beim Gleis einiges erreichen. Eine verringerte
Rauheit des Gleises kann zwischen 2 und 5 dB Geräuschminderung bewirken. Ähnliches gilt
für weitere Maßnahmen, wie z.B. Schwingungsabsorber am Gleis. Da die Gleisqualität nut-
zungsbedingt mit der Zeit abnimmt, müssen Wartungsintervalle entsprechend festgelegt wer-
den.
II.3.2.2.1. Fahrzeug
Beim Abrollen des Rades auf glatter, gerader und riffelfreier Schiene entsteht ein breitbandiges
Geräusch, das vorwiegend vom Rad und von der Schiene abgestrahlt wird. Aber auch weitere
Elemente der Eisenbahn, wie Fahrgestell oder Wagenkästen, tragen zur Schallabstrahlung
bei. Bild II.3.21 stellt schematisch dar, welche Geräuscharten von Schienenverkehr ausgehen.
Das Ausmaß der Geräuschentwicklung hängt auch von der Konstruktion und dem Zustand der
Fahrzeugteile ab. Zusätzlich kann es neben den beschriebenen Rollgeräuschen durch die Rif-
felbildung auf den Schienen zu ausgeprägten Heultönen kommen, deren Frequenz geschwin-
digkeitsabhängig ist. Beim Gleiten der Radfläche auf der Schienenoberfläche entstehen ferner
Quietschgeräusche, die als Dehneigenfrequenz (f > 4000 Hz bis 16 kHz) der Radscheiben zu
deuten sind. Ausgeprägt sind bei Schienenfahrzeugen auch die Bremsgeräusche (f > 4000
Hz), die durch Anregung der Dehneigenfrequenz der Radscheibe durch die Bremsklötze ver-
ursacht werden. Die Geräuschabstrahlung hierbei hängt sehr stark vom Material und von der
Bauart der Radscheibe ab. Bild II.3.23 stellt exemplarisch den Vorbeifahrtpegel von Eisen-
bahnzügen bei 120 km/h (gemessen bei 7 Zügen mit Gleis im Schotterbett) in Abhängigkeit
von der Frequenz dar.
306
Vorbeifahrgeräusch von Eisenbahnzügen
(bei 120 km/h, 7 Züge, Gleis im Schotterbett)
90
80
70
60
50
40
16 31,5 63 125 250 500 1 2 4 8 16
[Hz] [kHz]
II.3.2.2.2. Verkehrsbedingungen
Der Mittelungspegel des Schienenverkehrs ist ähnlich wie beim Straßenverkehr abhängig von
der Verkehrsstärke M und nimmt je Verdoppelung der Verkehrsstärke um 3 dB zu, Bild II.3.24.
Die Geschwindigkeitsabhängigkeit des Lärmpegels ist bei den Zügen ausgeprägter als bei den
Kraftfahrzeugen (Bild II.3.25). Auf ein und derselben Strecke sind verschiedene Züge je nach
Geschwindigkeit und Konstruktion verschieden laut. Genauso ist die von ein und demselben
Zug bei gleicher Geschwindigkeit abgestrahlte Schallleistung auf verschiedenen Fahrstrecken
je nach Unterbau unterschiedlich.
307
90
80
70
60
50
40
0 1 2
10 2 4 6 8 10 2 4 6 8 10
Verkehrsstärke [Anzahl/Stunde]
Fernverkehr (Schnellzüge, Personen- und Güterzüge)
Regionalverkehr (Regionalbahn, Regionalexpress)
Nahverkehr (S-Bahn, Vorortbahn)
Stadtverkehr (U-Bahn, Straßenbahn)
Bild II.3.24: Mittelungspegel von Schienenfahrzeugen in Abhängigkeit von der Verkehrsstärke bei
freier Schallausbreitung, gemessen in 25 m von der Gleismitte bei 3,5 m über Schienen-
oberkante, nach [13].
20
120 km/h / 80 km/h
150 km/h / 80 km/h
10
-10
16 31,5 63 125 250 500 1000 2000 4000 8000 16000
Frequenz [Hz]
Bild II.3.25: Schallpegeldifferenz in Abhängigkeit von der Frequenz bei Zugfahrten, wenn die Fahrge-
schwindigkeit.
a: von 120 km/h auf 80 km/h
b: von 150 km/h auf 80 km/h
herabgesetzt wird, nach [12].
Eine Vielzahl von fahrbahnabhängigen Parametern führt zur Beeinflussung des vom Schie-
nenverkehr ausgehenden Lärms. Dafür sind die in Tabelle II.3.4 genannten oberbauabhängi-
gen Einflussfaktoren ausschlaggebend. Die Werte der Pegeländerung geben an, um wie viel
dB(A) der Schallpegel eines vorbeifahrenden Zuges im Vergleich zu geschliffenen Schienen-
und Radlaufflächen, lückenlos verschweißtem Gleis auf Schotterbett und bei freier Schallaus-
breitung erhöht oder gemindert wird.
308
Tabelle II.3.5: Oberbauabhängige Einflussfaktoren auf den Vorbeifahrtpegel von Eisenbahnen.
Betonviadukt 5 bis 10
Kurven > 10
Schienenriffeln > 10
L25 ist der Mittelungspegel eines Zuges, der in 25 m Entfernung pro Stunde entstehen würde.
M gibt die Anzahl der Züge pro Stunde in beiden Richtungen an. Für L25 gelten je nach Zug-
und Betriebsart unterschiedliche Pegelwerte. Für praktische Zwecke kann mit folgenden Wer-
ten gerechnet werden:
309
II.3.2.2.3. Körperschallabstrahlung
Aus Betriebssicherheitsgründen wird das Gleis bei Geschwindigkeiten zwischen 200 km/h bis
300 km/h möglicherweise auf vorgespannten Betonplatten verlegt. Die Schienen können dann
ohne Schotterbett direkt oder unter Einbringung gummielastischer Systeme auf der Beton-
platte befestigt sein. Im Vergleich zum Gleis mit Schotterbett erhöht sich hierbei der Luftschall-
pegel bis zu 5 dB(A). Die Zunahme des Körperschallpegels an benachbarten Erdpfählen kann
bei solchen Konstruktionen (in einem Frequenzbereich von 25 Hz bis 500 Hz) bis zu 11 dB
streuen. Bild II.3.26 zeigt exemplarisch für einige Situationen den Schallschnellepegel in Ab-
hängigkeit von der Frequenz.
Körperschallschnellespektrum
70
60
Schallschnellepegel [dB]
50
40
1 3
30
5
20
10 2
4
6
0
16 31,5 63 125 250 500 1000 2000
Frequenz [Hz]
Bild II.3.26: Schallschnellepegel in Abhängigkeit von der Frequenz, gemessen bei einem Gleis im
Schotterbett, nach [12].
1. S - Bahn, Tunnelwand, 60 km/h 68 dB
2. S - Bahn, Kellerwand, 60 km/h, 14 m Abstand 57 dB
3. U - Bahn, Tunnelwand,60 km/h 68 dB
4. U - Bahn, Kellerwand, 60 km/h, 14 m Abstand 51 dB
5. Straßenbahn, Hauswand, 60 km/h, 13 m Abstand, Sommer 55 dB
6. Straßenbahn, Hauswand, 45 km/h, 13 m Abstand, Winter 60 dB
310
II.3.2.2.4. Berechnung der Schallemission
− Fahrgeschwindigkeit,
− Zuglänge,
− Bremsbauart (Klotz- oder Scheibenbremse),
− Besonderheiten am Fahrzeug (z.B. Radbremsscheiben),
− Fahrflächenzustand (Rauigkeit von Schienen- und Radlaufflächen),
− Fahrbahnart (Schotteroberbau mit Holz-/Betonschwellen, "Feste Fahrbahn" d.h. schotterlo-
ser Oberbau),
− Besonderheiten am Fahrweg (z.B. Brücken, Bahnübergänge usw.).
Kenngröße: Grundwert
Grundwert ist der Emissionspegel Lm,E [dB(A)] eines 100 m langen, 100 km/h schnellen und
zu 100 % aus Fahrzeugen mit Scheibenbremsen zusammengesetzten Zuges auf Schotter-
oberbau mit Holzschwellen, bezogen auf den Zeitraum von einer Stunde.
a. Geschwindigkeit
v
Dv = k ∙ lg v0
[dB(A)] (II.3.16)
Mittelungspegel k = 20
mittlerer Vorbeifahrtpegel k = 30
l
Dl = 10 ∙ lg l0
[dB(A)] (II.3.17)
l0 = 100 m
311
c. Bremsbauart
p prozentualer Anteil der Länge scheibengebremster Fahrzeuge an der Länge des Zuges
einschließlich der Lokomotive
II.3.2.3. Luftverkehr
Bild II.3.27 stellt zusammenfassend die verschiedenen Arten der Flugzeuge und deren ein-
zelne Lärmerzeuger dar.
Die rasante Entwicklung des Luftverkehrs führte insbesondere in Verbindung mit dem Einsatz
von Strahltriebwerken zu einer starken Lärmbelästigung sowohl des flugtechnischen Perso-
nals als auch der Flughafenanwohner.
312
100
90
Terzpegel [dB]
80
70
Start
60
50
31,5 63 125 250 500 1000 2000 4000 8000
Frequenz [Hz]
100
90
Terzpegel [dB]
80
70
Landung
60
50
31,5 63 125 250 500 1000 2000 4000 8000
Frequenz [Hz]
Die Hauptlärmbelastung der Flughafenanwohner entsteht durch den Start- und Landelärm.
Beim Start wird die volle Schubkraft der Triebwerke benötigt, um eine kurze Rollstrecke und
einen möglichst steilen Anstieg bis zum Erreichen der Sicherheitshöhe von 210 m zu erzielen.
Bei der Landung wird die Start- und Landebahn im Sinkflug bzw. mit reduzierter Triebwerks-
leistung und verminderter Geschwindigkeit auf einem fest vorgegebenen Kurs- und Gleitweg
313
angesteuert. Bild II.3.28 gibt die Start- und Landespektren vier verschiedener Flugzeuge wie-
der.
Bild II.3.29: Schallpegel eines am Immissionsort P vorbeifliegenden Flugzeugs als Funktion der Zeit.
1 ∞ L(t)/10
teff = ∫-∞ 10 dt [h] (II.3.20)
10Lmax /10
τ
LE = Lmax + k lg τref
[dB(A)] (II.3.21)
314
Nach DIN 45643, Teil 1 gilt:
k = 13,3
L = LA
= t10
ref = 20 s
Bild II.3.30: Schematische Darstellung eines sich im Abstand d zum Immissionspunkt P befindenden
Flugzeuges. ist dabei der Abstrahlwinkel.
2,94 d
t10 = [s] (II.3.22)
√1 + 0,939 αd v
Der Schallpegel L(s,,) am Immissionsort P beim Vorbeiflug kann nach folgender Gleichung
bestimmt werden. Die Berechnung für die Lärmkartierung ist in der "Bekanntmachung der vor-
läufigen Berechnungsverfahren für den Umgebungslärm nach § 5 Abs. 1 der Verordnung über
die Lärmkartierung (34. BImSchV)" beschrieben. Auf den Rechengang der "Anleitung zur Be-
rechnung von Lärmschutzbereichen" (AzB) wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
315
Bild II.3.31: Schematische Darstellung eines startenden Flugzeuges.
α∙s
t10 = V(σ' ) + s/b
[s] (II.3.24)
mit
II.3.2.4. Wasserverkehr
Bild II.3.32 stellt schematisch die Schallquellen der wassergebundenen Fahrzeuge und
Schallarten, die von diesen Fahrzeugen erzeugt werden, dar.
316
Bild II.3.32: Übersichtsdarstellung von Schallquellen und Schallarten des wassergebundenen Ver-
kehrs.
Bild II.3.33 zeigt exemplarisch ein Wasserfahrzeug und die gemessenen Schallpegel in seinen
verschiedenen Räumen in Abhängigkeit von der Frequenz. Die möglichen Maßnahmen, die
zur Reduzierung des Schallpegels in Einzelbereichen des Fahrzeugs führen können, sind:
Bild II.3.33: Gemessene Schallpegel in Abhängigkeit von der Frequenz in verschiedenen Räumen
des oben dargestellten Wasserfahrzeuges, nach [14].
317
II.3.2.5. Gewerbe- und Industrielärm
Rund 14 % der Bundesbevölkerung fühlt sich durch den Lärm der Gewerbe- und Industriebe-
triebe belästigt. Der von ihnen ausgehende Lärm ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern
stellt auch ein Arbeitsplatzproblem dar. Sowohl bei Gewerbe- als auch bei Industriebetrieben
tritt eine Vielzahl von Lärmquellen auf, die sich aufgrund ihrer technisch unterschiedlichen Art
in der Lautstärke, in der Zusammensetzung des Frequenzspektrums und auch im zeitlichen
Verlauf des Schallpegels stark unterscheiden. Die Charakteristika der Geräusche einzelner
Quellen reichen von unregelmäßig verteilten Impulsgeräuschen, wie z.B. beim Hammerwerk,
bis hin zu zeitlich wenig schwankenden Dauergeräuschen, wie z.B. beim Stahlwerk. Einen
gemittelten Oktavgeräuschpegelverlauf von verschieden Industrieanlagen zeigt das Bild
II.3.34.
80
70
Schallpegel [dB]
60
50
40
30
20
12,5 25 50 100 200 400 800 1600 3200 6400
Frequenz [Hz]
Bild II.3.34: Beispiel für die Oktavschallpegel von Industriegeräuschen in Abhängigkeit von der Fre-
quenz.
II.3.2.6. Baustellenlärm
Der Baulärm wird (Bild II.3.35) hauptsächlich durch die am Bau verwendeten Maschinen und
Fahrzeuge verursacht. Die Geräuschentwicklung der Baumaschinen kann von Fabrikat zu
Fabrikat sehr unterschiedlich sein. Sie hängt auch vom Alter und Zustand der Maschinen so-
wie von der Art des Untergrundes, auf dem gearbeitet wird, ab. Tabelle II.3.6 gibt eine Zusam-
menstellung von Schallemissionspegeln einiger Baumaschinen wieder. Im Allgemeinen kann
davon ausgegangen werden, dass bei großen Baumaschinen, z. B. Baggern, Raupen usw.,
im Wesentlichen die Antriebsgeräusche überwiegen. Die Fahrgeräusche spielen nur bei Gleis-
kettenfahrzeugen und bei Baustellenfahrzeugen eine Rolle. Obwohl die Anzahl der vom Bau-
lärm belästigten Menschen geringer ist als die Anzahl derer, die sich z. B. von straßen- oder
schienengebundenen Geräuschen gestört fühlen, kann der Baulärm dennoch in bestimmten
Situationen gravierende Ausmaße annehmen. Baulärm in lärmempfindlichen Zonen, wie z. B.
Krankenhäusern, Sanatorien oder auch reinen Wohngebieten, ist vielfach ausschlaggebender,
318
als der Verkehrslärm, vorausgesetzt, die oben genannten Zonen befinden sich nicht an Ver-
kehrshauptwegen.
Emissionspegel Schallpegel
Baumaschine Vorgang
in 10 m [dB(A)] am Ohr [dB(A)]
Baukreissäge Sägen 93 99
Transportbetonmischer + Auto-
Pumpen 81 bis 88 90 bis95
Betonpumpe
Trennschleifmaschine Schleifen 87 99
II.3.2.7. Freizeitlärm
Bild II.3.36 zeigt die Quellen des Freizeit- und Nachbarschaftslärms. Bislang liegen jedoch
keine systematischen Untersuchungen vor, in denen diese Art der Lärmquelle ausführlich er-
forscht wird. Zum Stand der Kenntnisse kann folgendes gesagt werden:
319
− Freizeiteinrichtungen und Freizeitveranstaltungen werden von der Bevölkerung akzeptiert,
da die meisten Menschen selbst dort teilnehmen, da die Dauer der Veranstaltungen vor-
hersehbar und kurz ist und da die Traditionen eine Rolle spielen.
− Sportplätze in Wohngebieten genießen keine Sympathie, da sie dauerhaft existieren und
da sie durch zu hohe Lärmpegel insbesondere während der Erholungs- und Ruhezeiten
(Wochenende, abends usw.) stören.
− Viele mit den Freizeitveranstaltungen verbundene Lärmsituationen führen zum Rechts-
streit.
Festzustellen bleibt, dass Richt- und Grenzwerte auch hier eingehalten werden müssen!
Die Grundlagen der Schallausbreitung im Freien wurden bereits im Kap. I behandelt, ein-
schließlich der Schallfelder von Punkt-, Linien- und Flächenschallquellen. Auf dem Ausbrei-
tungsweg unterliegt der Schall aber einer Vielzahl von Vorgängen und Einflussgrößen, wie
z.B. durch
Die Berücksichtigung der Einflussweise o.g. Parameter auf den Schallpegel ist von praktischer
Bedeutung. Um gegen den unerwünschten Schall (Lärm) wirksame Schutzmaßnahmen treffen
zu können, ist die Kenntnis der Zusammenhänge zwischen den Schallfeldgrößen und den o.g.
Effekten wichtig.
320
Der Mittelungspegel in einem beliebigen Immissionsort lässt sich unter Berücksichtigung der
o.g. Einflussgrößen berechnen zu:
Lm (r) = Lm (r0 ) - ∆Lgeo - ∆LLuft - ∆LBod - ∆LBew - ∆LMet - ∆LBeb - ∆LAbs [dB(A)] (II.3.25)
Es sind
Das vorliegende Kapitel befasst sich mit den in Gleichung (II.3.25) angegebenen Größen bei
der Ausbreitung des Straßenverkehrslärms. Viele Zusammenhänge sind auf andere Quellen
übertragbar.
II.3.3.1. Luftabsorption
Bei der Ausbreitung der Schallwellen in der Luft treten Schallenergieverluste auf, die auf die
innere Reibung (Viskosität) und Wärmeleitfähigkeit - klassische Absorption - bzw. auf die Re-
laxationsvorgänge der Luft - molekulare Absorption - zurückzuführen sind. Die klassische Ab-
sorption k ist frequenzabhängig.
mit
f Frequenz [Hz]
Sie tritt erst bei sehr hohen Frequenzen auf und daher ist ihr Einfluss für die städtische Lärm-
bekämpfungspraxis vernachlässigbar klein.
Den größten Teil der Luftabsorption (Dissipation) verursachen die Relaxationsvorgänge der
Luftmoleküle. Diese molekulare Zusatzdämpfung ist nicht nur dem Quadrat der Frequenz pro-
321
portional, sondern sie hängt außerdem von der relativen Feuchte der Luft und der Lufttem-
peratur ab. Die Abnahme des Schallpegels infolge der molekularen Luftabsorption ist der
Ausbreitungsstrecke proportional und wird mit
angegeben. M nimmt mit wachsender Frequenz zu und fällt bei steigender Luftfeuchte für alle
Temperaturen ab. Sein Maximum verschiebt sich dabei jeweils zu den höheren Temperaturen
(Bild II.3.37) hin.
Im Entfernungsbereich 25 m bis 400 m von der Schallquelle kann die Abnahme des Mitte-
lungspegels der von der Straße ausgehenden Geräusche durch die Luftabsorption näherungs-
weise mit Gleichung (II.3.28) beschrieben werden:
r
∆LLuft = 2 lg 25 [dB(A)] (II.3.28)
mit
0,20 1,0 5
125 Hz 500 Hz 2000 Hz
0,18 0,8 4
10 %
0,16 0,6 3
15 %
40 % 20 %
30% 20 % 15 % 10 % 30%
0,14 0,4 2
0,12 0,2 1
50 % 70 % 90 %
40 % 50 % 70 % 90 %
Dämpfungskonstante [dB/100m]
Dämpfungskonstante [dB/100m]
Dämpfungskonstante [dB/100m]
0,10 0 0
0,08 2,2 11
20 %
10 %
1000 Hz 4000 Hz 10 %
30% 15 % 2,0 10
0,06
0,04 1,8 9
15 %
0,02 1,6 8
40 % 50 % 70 % 90 % 20 %
1,4 7
30%
10 %
0,5 1,2 6
15 %
250 Hz 20 %
40 %
0,4 1,0 5
50 %
30%
0,3 0,8 4
70 %
50 % 40 %
0,2 0,6 70 % 3 90 %
30% 20 % 15 % 10 %
0,1 0,4 90 % 2
40 % 50 % 70 % 90 %
0 0 0
-10 5 0 5 10 15 20 25 30 -10 5 0 5 10 15 20 25 30 -10 5 0 5 10 15 20 25 30
Temperatur [°C] Temperatur [°C] Temperatur [°C]
Bild II.3.37: Dämpfungskonstante der Luftabsorption in Abhängigkeit von der Lufttemperatur. Darge-
stellt sind jeweils die Absorptionskurven bei den verschiedenen Frequenzen. Als Para-
meter ist die relative Feuchte der Luft aufgetragen, nach [1].
322
Straßenverkehrsgeräusche
-6
A
10
B
20
30
40
50
15 25 50 100 200 500 1000 2000 5000 10 km
Abstand [m]
A: geometrische Ausbreitungsdämpfung ohne LL
B: mit LL bei = 50% , = 20°C
Bild II.3.38: Pegelabnahme von Straßengeräuschen in Abhängigkeit vom Abstand ohne und mit Luft-
absorption.
Ähnliche Zahlenwertangaben sind auch in der DIN ISO 9613-2 zu finden. Danach beträgt die
Abnahme des Mittelungspegels von Straßenverkehrsgeräuschen 0,37 dB pro 100 m für die
Oktave um 1 kHz und 3,28 dB je 100 m für die Oktave um 4 kHz.
II.3.3.2. Bodenabsorption
Die Schallwellen, die sich dicht über dem Boden ausbreiten, werden durch die akustischen
Eigenschaften des Bodens beeinflusst, Bild II.3.39.
323
Schallquelle
Bild II.3.39: Schematische Darstellung des Bodeneinflusses auf die von einer Punktschallquelle aus-
gehende Schallwellen.
-10
10
20
30
40
50
15 20 30 50 100 200 500 1000 2000 5000 10000
Abstand [m]
Bild II.3.40: Pegelabnahme in Abhängigkeit vom Abstand ohne und mit Bodenabsorption.
Hat der Boden einen Schallabsorptionsgrad der Größe B (Reflexionsgrad B = 1 - B), so trifft
in einem Beobachtungspunkt neben dem Direktschall noch ein vom Boden reflektierender
Schallanteil ein (Interferenzerscheinung, Bild II.3.41). Dieser Anteil, der von einer Spiegel-
schallquelle S' herzukommen scheint, kann im Beobachtungspunkt E je nach Frequenz zur
Verstärkung oder Löschung des direkten Schallanteils führen. Befindet sich die Schallquelle
dicht am Boden, so dass der Einfallswinkel = 90° wird (streifender Schalleinfall), so werden
die Schallwellen total reflektiert. Dadurch kann sich der Schallpegel im Beobachtungspunkt
um 3 dB erhöhen.
324
Bild II.3.41: Schematische Darstellung der Schallreflexion an einem schallharten Boden.
Mit zunehmender Höhe über dem Grund verringert sich die Schallpegelminderung durch den
Boden, Bild II.3.42. Die Pegelminderung wird umso kleiner, je höher sich der Emissions- bzw.
Immissionsort über dem Boden befindet (siehe Tabelle II.3.7).
Bild II.3.42: Schematische Darstellung von Schallstrahlen zwischen Schallsender und Schallempfän-
ger bei unterschiedlichen Geländetopologien, nach [2].
325
Tabelle II.3.7: Zusatzdämpfung von Verkehrsgeräuschen durch die Bodenabsorption für verschie-
dene Höhen des Empfängers über dem Boden
6 0
3 3
1,5 6
0,7 9
Bild II.3.43 stellt den Zusammenhang zwischen der zu erwartenden Zusatzdämpfung in Ab-
hängigkeit vom Höhenwinkel zwischen Schallquelle und Empfänger dar. Dabei ist neben dem
Einfluss des Bodens auch der Einfluss der Meteorologie auf die Schallausbreitung berücksich-
tigt worden. In den meisten Fällen befinden sich die Schallquellen und der Empfänger in kleiner
Höhe über dem Boden.
Bild II.3.43: Zusatzdämpfung durch den Boden in Abhängigkeit vom Höhenwinkel, nach [3].
Bei einem schallabsorbierenden Gelände, z.B. einem Grasfeld, werden die Schallstrahlen zum
Boden hin gebeugt, wodurch eine stärkere Abnahme des Schallpegels verursacht wird als die,
die nur auf Grund der geometrischen Dämpfung erwartet würde. Ein schallharter Untergrund
hat die Erhöhung des Schallpegels und damit eine Reduzierung der Pegelminderung in einem
Beobachtungsort zur Folge. Der vom Boden reflektierte Schallanteil kann z. B. in den Wohn-
326
bzw. anderen bebauten Gebieten durch Mehrfachreflexionen zur Aufhebung der durch die Be-
bauung verursachten Zusatzdämpfung führen. Der Einfluss der Bodenabsorption, der mit zu-
nehmender Höhe kleiner wird (Bild II.3.43), ist im Wesentlichen in nicht zu großen Entfernun-
gen von der Schallquelle von besonderer Bedeutung. Bei den größeren Entfernungen domi-
nieren die meteorologischen Einflüsse und können je nach Ort und Situation sogar zur völligen
Aufhebung der durch die Bodenabsorption erreichten Pegelminderung führen (Bild II.3.44).
Im Frequenzbereich von 300 Hz bis 5000 Hz kann die Zusatzdämpfung durch die Bodenab-
sorption in einem offenen ebenen Gelände bei Entfernungen bis zu 1,5 km mehr als 25 dB bis
30 dB betragen. Im Frequenzbereich von 500 Hz bis 4000 Hz steigt die Zusatzdämpfung um
0,2 dB pro m je Frequenzverdoppelung an. Ein unbedeckter Boden dämpft besonders die tie-
fen und mittleren Frequenzen zwischen 200 Hz bis 1000 Hz. Bild II.3.44 zeigt exemplarisch
die Schallpegelminderung durch einen Sandboden in Abhängigkeit von der Frequenz.
0 5m
Entfernung r
10m
-10
Pegelminderung [dB]
50m
-20
100m
-30
150m
250m
-40
500m
-50
63 125 250 500 1000 2000 4000
Frequenz [Hz]
Bild II.3.44: Schallpegelminderung infolge der Bodenabsorption eines Sandbodens in Abhängigkeit
der Frequenz. Dargestellt ist die gemessene Pegelminderung. Die Höhen der Schall-
quelle und des Empfängers betrugen jeweils 5 m über dem Boden, nach [4].
Die Frequenz der maximalen Dämpfung hängt von der akustischen Impedanz des Bodens ab.
Zur Ermittlung der Zusatzdämpfung durch den Boden liegen verschiedene Berechnungsmo-
delle vor. Eines davon gibt die Gleichung (II.3.29) wieder:
r
∆LBod = Kf ∙ lg (h + hE
) + Bf [dB] (II.3.29)
S
mit
327
Kf frequenzabhängige Konstante [-]
Bf frequenzabhängige Konstante [-]
r direkter Abstand zwischen der Schallquelle und dem Empfänger [m]
hS Höhe der Schallquelle über dem Boden [m]
hE Höhe des Empfängers über dem Boden [m]
Sommer
Mitwind Gegenwind
Frequenz
[Hz]
Kf Bf Kf Bf
Winter
Mitwind Gegenwind
Frequenz
[Hz]
Kf Bf Kf Bf
nach [5].
Der frequenzabhängige Verlauf der Zusatzdämpfung durch den Boden (Bild II.3.45), zeigt,
dass der Einfluss des Bodens, insbesondere bei Frequenzen zwischen ca. 200 Hz bis 500 Hz,
den Schallpegel stark absenkt. Die Lage des Minimums ist vom Abstand Schallquelle - Emp-
fänger und von der Höhe der Schallquelle und des Empfängers abhängig.
328
-10
50m
Zusatzdämpfung [dB]
0 100m
200m
10 500m
1000m
20
30
0,05 0,1 0,2 0,3 0,5 0,7 1 2 3 4 5
Frequenz [kHz]
Bild II.3.45: Zusatzdämpfung durch den Boden in Abhängigkeit von der Frequenz. Als Parameter ist
die Entfernung von der Schallquelle aufgetragen. Höhe der Quelle 2 m, Höhe des Emp-
fängers 1,6 m, nach [2].
II.3.3.3. Meteorologie
Die Erdatmosphäre besteht nicht aus einem ruhenden Gas mit immer konstanten meteorolo-
gischen Bedingungen. Die veränderlichen meteorologischen Verhältnisse beeinflussen, ins-
besondere bei großen Entfernungen von der Schallquelle, die Schallausbreitung. Der Wind
und die Schwankungen der Lufttemperatur können den Schallpegel in einem Beobachtungs-
punkt bis zu 20 dB und mehr verändern. Auch Nebel, Rauch, Schnee und Regen beeinflussen
die Ausbreitung des Schalls. Ebenso führt, wie unter Ziffer II.3.3.1 aufgeführt, die Luftfeuchte
zur Beeinflussung der Schallausbreitung.
Bei der Planung und Konzipierung städtebaulicher Lärmschutzanlagen ist die Berücksichti-
gung der Witterungsverhältnisse unerlässlich, da ungünstige meteorologische Situationen zur
erheblichen Reduzierung der Wirkungsweise der Lärmschutzmaßnahmen führen können.
Unter den normalen Wetterbedingungen weist die Lufttemperatur tagsüber entlang der Höhe
dϑ
h über dem Boden einen negativen Gradienten < 0 auf. D.h., die Temperatur nimmt mit
dh
dϑ
zunehmender Höhe über dem Boden ab (labile Schichtung). Liegt der umgekehrte Fall mit
dh
> 0 vor, so spricht man von einer Inversionswetterlage, die meist nachts herrscht (stark stabile
329
Schichtung). Die Ursache des Temperaturabfalls bei der Inversionswetterlage liegt darin, dass
die tagsüber durch Sonneneinstrahlung erwärmte Erdoberfläche nachts ihre Wärme an die
Umgebung verliert. Bei vorhandener Wetterlage mit Nebelbildung kann auch tagsüber eine
Inversionswetterlage herrschen. Neben diesen beiden erläuterten Fällen können noch leicht
stabile Schichtung, Bodeninversion und Höheninversion auftreten. Bild II.3.46 stellt diese ver-
schiedenen Wetterlagen schematisch dar.
Die maßgebende temperaturabhängige Größe der Schallausbreitung in der Luft ist die Schall-
geschwindigkeit c. Sie nimmt mit steigender Lufttemperatur [°C] entsprechend zu.
330
Bild II.3.47: Brechung der Schallstrahlen an der Grenzschicht zweier Medien mit unterschiedlichen
Temperaturen.
Die Brechung der Schallstrahlen erfolgt gemäß dem Berechnungsgesetz nach Gleichung
(II.3.30) immer von den Luftschichten höherer Temperatur in die Schichten mit geringerer Luft-
temperatur.
sin α c1 T1
n= = =√ [-] (II.3.30)
sin β c2 T2
mit
Da die Temperaturen der einzelnen Luftschichten verschieden sind, werden die Strahlen bei
jedem Übergang anders gebrochen, so dass dies auf der gesamten Ausbreitungsstrecke zur
Krümmung der Strahlen führt. Diese Krümmungen stellen bei konstanten Gradienten der
Schallgeschwindigkeit
dc
c' = dh
= konst (II.3.31)
c0
ρk = c'
[m] (II.3.32)
Bild II.3.48 stellt schematisch den Verlauf der Schallstrahlen einer Punktschallquelle unter
dem Einfluss der Lufttemperatur dar. Es zeigt den Verlauf bei einem negativen (oben) und
331
einem positiven Temperaturgradienten (unten). Die Schallstrahlen breiten sich symmetrisch
zu der Höhenachse h aus. Nimmt die Temperatur mit der Höhe ab, so werden die Schallstrah-
len vom Boden weg gebrochen und es bildet sich in einem bestimmten Abstand von der Schall-
quelle eine Schallschattenzone - blau eingefärbter Bereich. Unter Schallschattenzone ist ein
Bereich zu verstehen, in den nahezu kein Schall eindringen kann. Die Strahlen werden zum
Boden hin gebrochen, wenn die Temperatur mit der Höhe h ansteigt. Dieser Fall führt zur
Erhöhung des Schallpegels in bodennahen Bereichen.
Bild II.3.48: Schematische Darstellung der Ausbreitung der von einer Punktschallquelle ausgehenden
Schallstrahlen unter dem Einfluss der Lufttemperatur. Dargestellt sind links jeweils die
Lufttemperatur-Höhenprofile, rechts die Schallstrahlen in Abhängigkeit von der Entfer-
nung von der Schallquelle, nach [6].
Oben: Normalwetterlage
Unten: Inversionswetterlage
Während beim erstgenannten Fall der Schall vom Beobachter wegtransportiert wird, erreicht
er bei der zuletzt genannten Situation den Beobachtungsort mit voller Stärke.
Der Wind entsteht durch Luftbewegungen, die als Folge des ungleichmäßigen Drucks in ver-
schiedenen Luftschichten zustande kommen. Die Ursache des ungleichmäßigen Luftdrucks
liegt in unterschiedlichen Temperaturgradienten der Atmosphäre. Die Geschwindigkeit des
Windes nimmt mit zunehmender Höhe über dem Boden zu. In der Nähe des Bodens werden
332
die Luftströmungen durch die Reibung an Hindernissen (z.B. Bebauung, Bepflanzung usw.)
gebremst, was eine Reduzierung der Windgeschwindigkeit zur Folge hat, Bild II.3.49.
500
400
Höhe [m]
300
200
100
0
Windgeschwindigkeit [m/s] Windgeschwindigkeit [m/s] Windgeschwindigkeit [m/s]
Bild II.3.49: Höhenprofil der Windgeschwindigkeit.
Während die Temperatur die Schallausbreitung in alle Richtungen gleichmäßig beeinflusst, ist
der Windeinfluss richtungsabhängig. Weil die Geschwindigkeiten des Windes und die des
Schalls sich vektoriell addieren, erfolgt die Ausbreitung des Schalls um die Höhenachse der
Schallquelle nicht mehr symmetrisch. Die Schallausbreitungsgeschwindigkeit ist in Richtung
dϑ
des Windes größer als in Gegenwindrichtung. An einem klaren windreichen Tag mit <0
dh
kann eine Gegenwindsituation unter sonst gleichen Bedingungen im Vergleich zu einer Mit-
windsituation im Schallschattenbereich zu Zusatzpegelminderungen von 25 dB bis 30 dB füh-
ren.
Wegen der Höhenabhängigkeit der Windgeschwindigkeit breitet sich der Schall in jeder Luft-
schicht mit anderer Geschwindigkeit aus. Aufgrund dieser Tatsache weichen die Schallstrah-
len von ihrem gradlinigen Verlauf ab und breiten sich auf gekrümmten Bahnen aus. Hierbei
werden sie immer in die Schichten kleinerer Schallgeschwindigkeiten, d.h. Schichten niedriger
Lufttemperatur, hinein gebrochen. Bei einer Mitwindsituation werden sie zum Boden hin und
beim Gegenwind vom Boden weg gebrochen. Bild II.3.50 zeigt den Verlauf der Schallstrahlen
einer Punktschallquelle bei konstanten Windgeschwindigkeitsgradienten. Bei der Ausbreitung
des Schalls gegen die Windrichtung entsteht in bestimmter Entfernung von der Schallquelle
eine Schallschattenzone, die im Bild blau dargestellt ist. Bild II.3.51 zeigt den Einfluss der
Geschwindigkeit auf den gemessenen Mittelungspegel der Straßenverkehrsgeräusche in Ab-
hängigkeit von der mittleren Windgeschwindigkeit.
333
Wind
Schattenzone
Bild II.3.50: Schematische Darstellung der Ausbreitung der von einer Punktschallquelle ausgehenden
Schallstrahlen unter Einfluss des Windes, nach [6].
Straßenverkehrsgeräusche
55
Mittelungspegel [dB(A)]
50
45
40
35
0 2 4 6 8
mittlere Windgeschwindigkeit [m/s]
- nachts
- Meßpunkt 730 m entfernt von der Autobahn
Bild II.3.51: Mittelungspegel von Straßenverkehrsgeräuschen in Abhängigkeit der mittleren Windge-
schwindigkeit, nach [7].
Während in den beiden vorangegangenen Abschnitten der Einfluss der Temperatur und des
Windes auf die Schallausbreitung getrennt beschrieben wurde, wird im Folgenden die kombi-
nierte Wirkung dieser beiden Effekte betrachtet. Zur Beurteilung einer Situation ist es auch
wichtig, den gemeinsamen Einfluss dieser beiden Effekte zu analysieren, da sie in der Natur
auch zusammen auftreten.
Bei einem kombinierten Temperatur- und Windgradientenfeld wird die Wirkung des Tempera-
turgradienten bei einer Mitwindsituation durch den Windgradienten kompensiert. Das ist dann
der Fall, wenn der Windgradient mehr als das 0,6-fache des Temperaturgradienten beträgt. Ist
334
der Windgradient größer als das 0,6-fache des Temperaturgradienten, so gibt es einen Sektor
der Öffnung 2W0, in dem die Schallstrahlen nach unten hin gebrochen werden. Der Öffnungs-
winkel kann zwischen 60° und 180° variieren. Er ist definiert als:
c0 GW 1
cos φW0 = 2ϑ0 Gϑ sin φW (II.3.33)
mit
GW Windgradient
G Temperaturgradient
W der Winkel zwischen der Windrichtung und der direkten Verbindungslinie der Schall-
quelle und dem Empfangsort.
Innerhalb des kritischen Winkels W0 entsprechend der Gleichung (II.3.33) kompensieren sich
die Wind- und Temperaturgradienten, weswegen die Schattenzonenbildung nicht mehr mög-
lich ist. In der Gegenwindrichtung superponieren sich der Wind- und der Temperaturgradient,
wodurch sich eine verstärkte Schallschattenzone bildet. Die Entfernung rS der Schallschatten-
zonen kann nach Gleichung (II.3.34) berechnet werden:
2c0
rS = √G (√hS + √hE ) (II.3.34)
C - GW
mit
Die Reichweite der Schallstrahlen nimmt mit dem größer werdenden Einstrahlwinkel (Winkel
zur Horizontalen) zu. Unter der Reichweite ist die Entfernung zu verstehen, bei der die nach
oben abgestrahlten Schallstrahlen wieder den Boden treffen. Die für die Schallausbreitung
maßgebenden Bereiche liegen bis in Höhen von ca. 100 m. In der Umgebung von Industrie-
anlagen sind die meteorologischen Einflüsse auf die Schallausbreitung zur Einhaltung der Im-
missionsrichtwerte bis zu Reichweiten von 2 bis 4 km maßgebend.
Besonders nachts nehmen die Abschirmwirkung der natürlichen Hindernisse und die Wirk-
samkeit der Bodenabsorption unter dem Einfluss der Meteorologie stark ab, so dass die Schal-
lausbreitung sich fast ungehindert zum Immissionsort fortsetzen kann. Die Wirkung der Schal-
lausbreitungshindernisse kann durch die meteorologischen Einflüsse besonders bei Mitwind-
situationen stark herabgesetzt werden. Insbesondere ist der zuletzt genannte Effekt für die
Praxis der Lärmbekämpfung von großer Bedeutung.
Die Ursache dieser Verschlechterung des Schallschutzeffektes der Hindernisse liegt darin,
dass die Schallstrahlen bei den die Schallausbreitung begünstigenden Wetterverhältnissen -
335
Mitwind, positiver Temperaturgradient - nach bestimmter Entfernung von der Schallquelle zum
Boden zurückkehren und in Bereiche hinter den Hindernissen hineindringen. Insbesondere
wird die Minderung des Abschirmeffektes in größeren Entfernungen von der Schallquelle be-
obachtet. Eine Mitwindsituation kann bei einer Windgeschwindigkeit von 5 m/s die Wirkung
eines Schallschirms gegen den Straßenverkehrslärm um 5 dB(A) herabsetzen. Ein Gegenwind
gleicher Geschwindigkeit verbessert die Wirksamkeit des Schirmes um lediglich 3 dB(A). In
der Praxis, wo die Windgeschwindigkeit meist 2 bis 3 m/s beträgt, beträgt die Abnahme der
Schirmwirkung durch Windeinfluss 2 bis 3 dB(A). Es ist unerlässlich, bei der Planung und Kon-
zipierung von schallschützenden Hindernissen, insbesondere von Schallschirmen u.ä., den
Einfluss des Windes und der Temperatur zu beachten. Es ist ohne Zweifel möglich, dass ein
Schirm, der unter realen atmosphärischen Bedingungen konzipiert und entworfen wird, nach
dem Einsatz seine Funktion versagt. Die Verluste der Abschirmwirkung der Schallschirme in-
folge der Wind- und Temperatureinflüsse können auch rechnerisch ermittelt werden.
Die meteorologische Korrektur Cmet berücksichtigt Witterungseinflüsse, die sich sowohl günstig
als auch ungünstig auf die Schallausbreitung auswirken können. Entsprechend DIN ISO 9613-
2 wird der Langzeitmittelungspegel bei einer Mitwindsituation um Cmet gemäß den Gleichungen
(II.3.35) und (II.3.36) korrigiert. Diese gelten für eine Punktschallquelle, deren Leistung über
die Zeit effektiv konstant ist. Das Zeitintervall für den Langzeitmittelungspegel liegt zwischen
mehreren Monaten und einem Jahr.
mit
Näherungsweise gilt für die Zusatzdämpfung in bebauten Gebieten bei Gegen- und Mitwind-
situationen die Gleichung (II.3.37):
r
∆Lmet ≈ Amet ∙lg r [dB(A)] (II.3.37)
0
mit
336
Amet Amet = 1,5 für Gegenwind
Amet = -2 für Mitwind
r0 Referenzentfernung, hier 25 m
In nicht bebauten Gebieten kann die Abnahme des Mittelungspegels unter dem Einfluss der
Meteorologie näherungsweise mithilfe der Gleichungen (II.3.38) und (II.3.39) ermittelt werden.
Mitwind:
r
∆Lm = 14 lg 25 [dB(A)] (II.3.38)
Gegenwind:
r
∆Lm = 16 lg 25 [dB(A)] (II.3.39)
337
II.3.3.3.5. Sonstige Einflüsse
Die Luft beinhaltet neben verschiedenen Gasen noch sehr kleine, feste oder flüssige Teilchen,
die zur Bindung von Staub bzw. Nebel beitragen. Sowohl der Nebel wie auch der Staub und
auch Rauch können je nach ihrer Konzentration in der Luft die Schallausbreitung beeinflussen.
Wie stark sich diese Größen auf die Schallausbreitung auswirken, ist wenig untersucht und
vorhandene Kenntnisse sind sehr widersprüchlich.
Im Vergleich zu einem Mineralölnebel der Konzentration c = 0,99 g/m3 (mittlerer Radius der
Nebeltröpfchen rm = 5 m) wurden bei einem Nebel aus Wasser der Konzentration c = 2 g/m3,
bei dem der mittlere Radius jedes Nebeltröpfchens rm = 6,25 m betrug, bei den hohen Fre-
quenzen höhere Schalldämpfungen festgestellt als bei tiefen Frequenzen. Die Ursache dieser
unterschiedlichen Dämpfungen wird auf die Verdampfung und Kondensationsfähigkeit der Ne-
beltröpfchen zurückgeführt, die bei Wassertropfen größer sind als bei Ölnebel. Bei = 22 °C
und 500 Hz zeigt Wassernebel eine Zusatzdämpfung von 14 dB je km und bei 8000 Hz eine
solche von 38 dB je km. Der Ölnebel konnte dagegen bei 500 Hz eine Zusatzdämpfung von
4,6 dB je km und bei 8000 Hz von 60,6 dB liefern.
Abgesehen von sehr großflächigen unbebauten Ebenen stehen fast immer irgendwelche Hin-
dernisse, wie z.B. Gebäude, Mauern, topografische Höhenunterschiede, Erdwälle, Bewuchs
usw., der Schallausbreitung im Wege. Diese machen die freie Ausbreitung der Schallwellen
unmöglich und führen an einem bestimmten Beobachtungspunkt, verglichen mit der freien,
ungehinderten Schallausbreitung, zur Senkung bzw. Erhöhung des Schallpegels. Der Effekt
der Schallpegelminderung durch Aufstellen von Hindernissen im Ausbreitungsweg der Schall-
wellen wird heute in der Stadtbauphysik zur Bekämpfung des Lärms und insbesondere des
Straßenverkehrslärms ausgenutzt. Hierbei wird das zu schützende Gebiet durch das Platzie-
ren eines Hindernisses gegen den eindringenden Lärm abgeschirmt. Die Schallabschirmung
zählt zu den häufig angewandten Lärmschutzmöglichkeiten. Es wird unterschieden zwischen
1 natürlichen Hindernissen:
− topografische Höhenunterschiede des Bodens
− Bewuchs und Bepflanzung
− Bebauung,
2 künstlichen Hindernissen:
− Lärmschutzwände
− Erdwälle
− künstliche Wälle.
Trifft eine Schallwelle auf die Grenzschicht zweier dämpfungsfreier, homogener und isotroper
Medien 1 und 2 mit den Wellenwiderständen Z1 und Z2, dann wird ein Teil der Schallenergie
338
reflektiert, ein Teil durchgelassen und bei den schallabsorbierenden Oberflächen, je nach Ab-
sorptionsfähigkeit der Oberfläche, ein Teil absorbiert, s. Bild II.3.52.
E2
E1
Bild II.3.52: Schematische Darstellung eines Hindernisses mit Angabe der von einer Punktschall-
quelle kommenden Schallstrahlen.
Die im Bild II.3.52 angedeuteten Vorgänge lassen sich anhand der schematischen Darstellung
im Bild II.3.53 beschreiben.
a) Reflexion:
Für die schubspannungsfreien Medien 1 und 2 gilt die amplitudenbezogene Größe Reflexions-
faktor
339
p̂ r Z2 - Z1 ρ2 c2 cos α - ρ1 c1 cos β
r= p̂ e
= Z2 + Z1
= ρ2 c2 cos α + ρ1 c1 cos β
[-] (II.3.40)
mit -1 ≤ r ≤ 1.
Reflexionsgrad
2
Ir p̂ r
ρ= = 2 = |r|2 [-] (II.3.41)
Ie p̂ e
Entsprechend sind amplituden- und intensitätsbezogene Größen für die Transmission und Ab-
sorption definiert:
b) Transmission: für Z = Z1 = Z2
Transmissionsfaktor
p̂ d 2Z
T= p̂ e
= 2Z + ZW
[-] (II.3.43)
Wandtrennimpedanz ZW = jm
Transmissionsgrad
2
Id p̂ 1
τ= Ie
= |p̂ d | = ωm 2
[-] (II.3.44)
e 1+( )
2Z
c) Absorption:
340
Absorptionsfaktor
p̂ abs 2Z2
α= = [-] (II.3.45)
p̂ e Z1 + Z2
Absorptionsgrad
Iabs (Z2 - Z1 )2
α=1-ρ= Ie
=1- (Z2 + Z1)2
[-] (II.3.46)
Beugung
Die Beugung ist ein Phänomen, das die Ausbreitung des Schalls merklich beeinflussen kann,
ähnlich wie es aus der Optik bekannt ist. Sie spielt bei der Abschirmwirkung von Schallschir-
men und anderen schallundurchlässigen Hindernissen eine besondere Rolle. Beugung des
Schalls tritt überall dort auf, wo die Ausmaße von Hindernissen mit der Schallwellenlänge l
vergleichbar sind; entsprechendes gilt auch für Öffnungen in trennenden Bauteilen. Trifft eine
Schallwelle auf ein Hindernis, dessen Länge kleiner ist als die einfallende Schallwellenlänge,
dann wird der Schall um das Hindernis gebeugt. Die Beugungserscheinung, die durch das
Huygensche Prinzip beschrieben wird, entsteht dadurch, dass jeder Punkt am Hindernisrand,
auf den die Schallwelle trifft, selbst eine neue Schallwelle anregt. Es gelten dann die Gesetz-
mäßigkeiten der geometrischen Schallreflexion nicht mehr und der Schall gelangt auch in den
Schallschattenbereich hinter dem Hindernis. Es erfolgt auch eine Schallstreuung. Ist dagegen
die Hindernislänge größer als die Schallwellenlänge, so entsteht hinter dem Hindernis ein
Schallschatten. An den Kanten des Hindernisses entstehen auch in diesem Fall Beugungsef-
fekte. Das hat zur Folge, dass die meisten Strukturen, auf die Schall auftrifft, keine scharf
umrissene akustische Schattenbildung zeigen, wie es vom Licht oder auch von sehr hochfre-
quentem Ultraschall her bekannt ist. Aufgrund der Beugung entsteht stattdessen ein "verwa-
schenes" Feldbild. Klicken Sie auf das Bild II.3.54. Dort werden diese Erscheinungen animiert
dargestellt.
341
Bild II.3.54: Schematische Darstellung von Beugungs- und Schallschatteneffekten um ein und hinter
einem Hindernis.
Bei einer Beugung werden wellenartige Vorgänge um Hindernisse oder Kanten "herumge-
lenkt". Ursachen der Beugungserscheinung an den Kanten des Hindernisses:
Treffen ebene Schallwellen auf eine Wand auf, die eine Öffnung (Blende, Spalt) besitzt, deren
Abmessungen groß sind gegenüber der auftreffenden Schallwellenlänge , so ist das hindurch
tretende Wellenbündel näherungsweise ein "Abbild" der Öffnungsgeometrie, Bild II.3.54 (oben
links). Sind die Abmessungen der Öffnung dagegen gleich oder gar kleiner als die Schallwel-
lenlänge, erfährt das primär einfallende, schmale Schallwellenbündel eine starke Beugung
nach allen Seiten, dass daraus wieder neue kugelförmige Schallwellen entstehen, die sich
342
nach allen Seiten des Halbraumes gleichmäßig ausbreiten; die Öffnung wird quasi zur Quelle
neuer Kugelwellen, Bild II.3.54 (oben rechts). Das ist auch die Erklärung dafür, dass der Schall
aus Nachbarräumen noch gut wahrgenommen werden kann, wenn die trennenden Bauteile
kleine "Undichtigkeiten" enthalten, z. B. Türspalten.
Wird umgekehrt anstelle einer Blendenöffnung ein Hindernis gegen die Wellenausbreitung be-
trachtet, so wird grundsätzlich ein ganz analoges Geschehen beobachtet. Ist die Breite des
Hindernisses größer als die Wellenlänge, so lässt es einen "Schallschatten" entstehen, der
den geometrischen Strahlengrenzen entspricht, Bild II.3.54 (unten links). Ist die Hindernis-
breite dagegen kleiner als die Wellenlänge, so verschwindet jegliche Schattenbildung. Das
Hindernis verursacht höchstens eine geringfügige Störung des Wellenverlaufs, und das auch
nur in seiner allernächsten Umgebung, Bild II.3.54 (unten rechts).
Auch die Grünanlagen tragen zur Verringerung des Schallpegels bei. Der auf einen Grünkör-
per auftreffende Schall wird von ihm auf zweierlei Arten beeinflusst. Ein Teil der Schallenergie
wird von den Blättern und Zweigen des Körpers absorbiert. Der Rest dieser Energie wird ge-
streut. Der gestreute Anteil kann jedoch in manchen Beobachtungspunkten zur Erhöhung des
Schallpegels führen. Die Zusatzdämpfung durch die Bepflanzung und den Bewuchs ist fre-
quenzabhängig und steigt mit zunehmender Frequenz an, siehe Bild II.3.55.
Ausbreitungsdämpfung [dB/100 m]
100
b
c
e
20
d
10
2
100 200 500 1K 2K 5K 10K
Frequenz [Hz]
343
Sie ist ihrer Größenordnung nach nicht sehr groß und wird meistens als Längsdämpfung, d. h.
in Dämpfung je Längenabschnitt, angegeben. Im Nahbereich der Lärmquelle wird sie sehr
stark durch die Beugungseffekte beeinflusst. Hohe Dämpfungen des Schallpegels sind erst
bei höheren Frequenzen zu erreichen. Die Dämpfung des Schalls bei tiefen Frequenzen ist
relativ gering. In einem dichten Dschungel kann beispielsweise bei 100 Hz eine Zusatzdämp-
fung von 10 dB erst dann erreicht werden, wenn er eine Tiefe von mindestens 100 m besitzt.
Ein dichter Busch liefert eine mittlere Zusatzdämpfung von 0,05 dB bis 0,15 dB je m Buschtiefe.
Eine relativ bessere Wirksamkeit wird der Anordnung von aus mehreren Riegeln bestehenden
dichten Hecken zugeschrieben. Sie erreichen eine zusätzliche Dämpfung des Schallpegels in
der Größenordnung von 2 dB je Riegel. Die Zusatzdämpfung des Mittelungspegels durch ver-
schiedene Wuchsarten in Abhängigkeit von der Frequenz ist in Bild II.3.56 zusammengestellt.
Bild II.3.57 gibt den frequenzabhängigen Schallabsorptionsgrad einiger Bewuchsarten in Ab-
hängigkeit von der Frequenz wieder.
15
10
Zusatzdämpfung [dB(A)]
0
0 50 100 150 200
Bewuchstiefe [m]
Bild II.3.56: Zusatzdämpfung des Mittelungspegels in Abhängigkeit von der Bewuchstiefe. Dargestellt
ist die Zusatzdämpfung durch verschiedene Bewuchs- und Bepflanzungsarten.
344
1,2
1,0
Absorptionsgrad [-]
0,8
0,6
0,4
Frequenz [Hz]
Bild II.3.57: Schallabsorptionsgrad einiger Bewuchsarten in Abhängigkeit von der Frequenz, nach [2].
Bewuchsfelder mit hohen Bäumen, wie z.B. Kiefern und Hartgehölz, absorbieren die tiefen
Frequenzen besser als die mittleren und hohen Frequenzen. Die Zusatzdämpfung beträgt bei
4000 Hz in 1,5 m über dem Boden etwa 0,2 dB je 100 m Entfernung. Ein Wald (gemeint sind
hier Hochwälder mit wenig Unterholz) führt erst ab Entfernungen über 100 m von der Schall-
quelle zu einer Schallpegelminderung. Der Schallpegel nimmt - bis zu 400 m - mit zunehmen-
dem Abstand von der Schallquelle im Mittel um etwa 7,5 dB(A) je Entfernungsverdoppelung
ab. Nahe den Autobahnen und Straßen kann der Schallpegel durch Schallreflexion an den
Baumstämmen erhöht werden. Bild II.3.58 zeigt den Einfluss der Bewuchsdämpfung in Ab-
hängigkeit von der Entfernung auf den Mittelungspegel von Punkt- (links) und Linienschall-
quelle (rechts).
Punktschallquelle Linienschallquelle
100 100
Mittelungspegel [dB(A)]
Altholz Laubwald
Wald mit schwachem Stangenholz Nadelwald
80 80
70 70
60 60
50 50
40 40
0 0
50 100 150 200 250 300 50 100 150 200 250 300
345
Rechnerisch kann die Zusatzdämpfung einer ebenen Schallwelle durch ein Baumfeld ermittelt
werden:
mit
Für Planungszwecke ist im Anhang A der DIN ISO 9613-2 die Tabelle A.1 enthalten. Dort sind
Werte für die Zusatzdämpfung auf dem Schallausbreitungsweg durch den Bewuchs (in der
DIN mit Afol bezeichnet) in Abhängigkeit von den Oktavfrequenzen angegeben:
Tabelle II.3.9: Dämpfung infolge dichten Bewuchses der Tiefe df in Abhängigkeit von der Frequenz,
nach DIN ISO 9613-2.
Bewuchsdämpfung
63 0 0,02
125 0 0,03
250 1 0,04
500 1 0,05
1000 1 0,06
2000 1 0,08
4000 2 0,09
8000 3 0,12
II.3.3.4.2. Bebauung
Breitet sich der Schall innerhalb eines bebauten Gebietes aus, so wird der Schallpegel auf der
Ausbreitungsstrecke neben dem Bewuchs sowie der Luft- und Bodenabsorption noch durch
die Bebauung beeinflusst. In den gültigen Normwerken und Richtlinien sind häufig lediglich
pauschale Zahlenwerte zur Berücksichtigung der Zusatzdämpfung durch die Bebauung zu fin-
den.
DIN ISO 9613-2 schränkt die maximale Dämpfung des Schallpegels durch die Bebauung mit
10 dB ein. Sie hängt im Einzelnen vom Schallausbreitungsweg durch die Bebauung sowie der
Bebauungsdichte ab und kann wie unten beschrieben abgeschätzt werden. Für Industrieanla-
gen wird der Wert Asite und für bebaute Gebiete der Wert Ahous angegeben.
a) Industriebebauung
346
Bei Industriebebauung kann durch Streuung an Installationen und anderen Gegenständen
Dämpfung auftreten. Solche Hindernisse sind beispielsweise Rohre, Ventile, Kästen, Kon-
struktionselemente usw. Sofern die Einflüsse der Industriebebauung nicht bei der Abschir-
mung berücksichtigt wurden, kann eine Abschätzung der Dämpfung anhand der Tabelle
II.3.10 (nach DIN ISO 9613-2) erfolgen. Es wird jedoch empfohlen die Dämpfung durch Mes-
sungen zu ermitteln, da Asite stark von der Geländeart abhängt.
Tabelle II.3.10: Dämpfung infolge Streuung an Installationen und anderen Gegenständen in Indust-
rieanlagen in Abhängigkeit von der Frequenz, nach DIN ISO 9613-2.
Bebauungsdämpfung [dB/m]
Frequenz [Hz]
b) Wohnbebauung
Vorab ist anzumerken, dass die Dämpfung infolge Bebauung nach DIN ISO 9613-2 vernach-
lässigt wird, wenn die Bodendämpfung höhere Werte annimmt. Allgemein gilt, dass die Bo-
dendämpfung bei geringer Bebauungsdichte dominant ist, bei hoher Bebauungsdichte domi-
niert Ahous. Ahous ist definiert zu
mit
Eine zusätzliche Dämpfung Ahous,2 kann einbezogen werden, wenn Gebäudereihen in der
Nähe eines Verkehrsweges vorhanden sind:
p
Ahous,2 = -10 lg [1 - (100)] [dB] (II.3.50)
mit
347
p Länge der Fassaden bezogen auf die Gesamtlänge der Straße oder [%]
der Eisenbahnstrecke in der Nähe, mit p ≤ 90 %]
Ausbreitungsdämpfung
50
Regressionskurve
40
30
20
10
0
0 50 100 150 200 250 300 350 400
Entfernung [m]
Bild II.3.59: Gemessene Schallpegelminderung von Autobahngeräuschen in bebauten Gebieten in
Abhängigkeit von der Entfernung. Die einzelnen Punkte geben die aus den Messergeb-
nissen ermittelte Pegelminderung in einer bestimmten Stelle an, nach [3].
Werden aus den in Bild II.3.59 dargestellten Messergebnissen die Zusatzdämpfungen durch
Luft, Boden und Meteorologie eliminiert, so kann die Zusatzdämpfung durch die Bebauung
ermittelt werden. Bild II.3.60 gibt diese Bebauungsdämpfung in Wohngebieten in Abhängigkeit
von der Entfernung für die Autobahngeräusche wieder. Daraus kann entnommen werden,
dass die Bebauungsdämpfung in verschiedenen Entfernungen von der Lärmquelle nicht gleich
ist. Die Verteilung der Gebäude, ihre Lage zueinander sowie ihre Höhe können die Ausbrei-
tung des Schalls erheblich verändern. Von Bedeutung ist auch die Beschaffenheit der Außen-
oberflächen der Hindernisse, die zur Erhöhung bzw. Abschwächung des Schallpegels in einem
Beobachtungsort beitragen können. Prinzipiell kann der ankommende Schall in einem Be-
obachtungspunkt innerhalb bebauter Flächen aus folgenden Komponenten zusammengesetzt
sein:
348
Bebauungsdämpfung
25
Regressinosgerade
20
15
10
0
0 50 100 150 200 250 300 350 400
Entfernung [m]
Bild II.3.60: Zusatzdämpfung von Autobahngeräuschen durch die Bebauung in Wohngebieten in Ab-
hängigkeit von der Entfernung. Die einzelnen Punkte geben die Bebauungsdämpfung in
einem bestimmten Punkt an, nach [3].
Der reflektierte Schall kann zur Erhöhung des Schallpegels in einem Immissionspunkt führen.
Er kann sogar den Einfluss der Zusatzdämpfungen durch die Boden- und Luftabsorption in
dem betrachteten Ort aufheben. Die Absorptionsfähigkeit der Baukörperoberflächen ist im Nor-
malfall nicht sehr wesentlich. Der Grund dafür liegt darin, dass die Außenbauteile der Hinder-
nisse (z.B. Außenwände, Fenster, Türen usw.) meist aus schallharten Materialien wie Beton,
Putz, Glas usw. gebaut sind, deren Absorptionsfähigkeit sehr gering ist. Die Schallreflexion an
Gebäudeoberflächen kann den Pegel des Straßenverkehrslärms in einer Häuserschlucht bei
geschlossener Bauweise um 3 bis 6 dB(A), bei offener Bauweise um 2 bis 6 dB(A) im Vergleich
zu freier Ausbreitung erhöhen. Die unmittelbare Abschirmwirkung von Gebäuden gegen Ge-
räusche beträgt 10 bis 20 dB(A). Die maximale Pegelminderung des Straßenlärms von 30
dB(A) ist bei geschlossenen Häuserblöcken zu erreichen. Einfamilienhäuser setzen den Lärm-
pegel des Straßenverkehrs etwa um 10 dB(A) ab. Beim Verkehrslärm ist der Lärmpegel an
Hausfronten von Bebauungen, die quer zur Straße stehen im Mittel um 10 dB(A) kleiner als
an Fronten von Häusern parallel zur Straße.
Die Bebauung seitlich von Startbahnen und Flugrouten führt zu mittleren Abschirmwirkungen
von
349
Für die Wohngebiete besteht zwischen der Zusatzdämpfung durch die Bebauung, der Bebau-
ungsdichte und der Entfernung zwischen der Schallquelle und dem Empfangsort der Zusam-
menhang:
r
∆LBeb = 0,5∙ρB ∙lg [dB(A)] (II.3.51)
r0
mit
r Entfernung [m]
r0 Referenzentfernung, hier 25 m
B Bebauungsdichte [%]
Nach Gleichung (II.3.51) berechnet sich die Bebauungsdämpfung gemittelt über alle meteoro-
logischen Situationen. Gemittelt über alle Bebauungsdichten von 5 % bis 50 % ergibt Glei-
chung (II.3.51) den Verlauf gemäß Bild II.3.61.
Würde man sich für die Zusatzdämpfung durch die Bebauung bei unterschiedlichen Windaus-
breitungsrichtungen interessieren, so lassen sich diese mit Hilfe der einfachen Formeln
(II.3.52) bis (II.3.54) berechnen:
r
Mitwind ∆LBeb = 6,5 lg r [dB(A)] (II.3.52)
0
r
Normalwind ∆LBeb = 7,3 lg r [dB(A)] (II.3.53)
0
r
Gegenwind ∆LBeb = 8,2 lg r [dB(A)] (II.3.54)
0
Bebauungsdämpfung
30
Bebauungsdichte [%] 50
Zusatzdämpfung [dB(A)]
25
40
20
30
15 25
20
10
15
5 10
5
0
0 50 100 150 200 250 300 350 400
Entfernung [m]
Bild II.3.61: Zusatzdämpfung von Autobahngeräuschen durch die Bebauung in Wohngebieten in Ab-
hängigkeit von der Entfernung. Als Parameter ist die Bebauungsdichte dargestellt, nach
[3].
350
Die Zusatzdämpfung des Schallpegels durch die Bebauung in Gebieten mit regelmäßig ange-
ordneten Baukörpern, z.B. Gewerbegebieten LBeb in Abhängigkeit von der Grundflächenzahl
GRZ kann mit
r
∆LBeb = 4,25∙10-2 ∙GRZ∙lg [dB(A)] (II.3.55)
r0
rechnerisch ermittelt werden. r0 ist hierbei die Bezugsentfernung und beträgt 1 m. Die Größe
B kennzeichnet den Anteil der tatsächlichen bebauten Parzellen [%]. GRZ ist die Grundflä-
chenzahl, die das Verhältnis zwischen der Grundfläche und der bebauten Fläche angibt. Wenn
man in Gleichung (II.3.55) für GRZ
r B
∆LBeb = (0,5∙ρB ∙lg ) [dB(A)] (II.3.57)
r0 10
Diese Beziehung ist mit der Gleichung (II.3.51) sehr ähnlich. Die Gleichungen (II.3.51) und
(II.3.57) sind gleich, wenn 10 % der Fläche bebaut sind.
Die Frequenzabhängigkeit der Bebauungsdämpfung ist relativ kompliziert. Sie zeigt im Fre-
quenzbereich von 5 Hz bis 5000 Hz den Zusammenhang nach Gleichung (II.3.58):
mit
Es sind:
f 2
0,88∙ (100) ; 5 ≤ f ≤ 50 Hz
f
kF = 0,78∙lg 26 ; 50 ≤ f ≤ 500 Hz [-] (II.3.59)
f 2
{ 1,2 - 0,2∙ (lg 5000) ; 500 ≤ f ≤ 5000 Hz
0,25 im Mittel
kGRZ = { [-] (II.3.60)
0,10 für Prognosesicherheit von 80 %
351
II.3.3.4.3. Schallabschirmung durch künstliche Hindernisse
Häufig wird bei der Neuplanung von Bebauungsgebieten berücksichtigt, dass die der Schall-
quelle nahe liegenden Gebäude gleichzeitig die Aufgabe eines Schallschirms für die dahinter
liegenden Bauten übernehmen. Aber nicht immer, insbesondere bei den bestehenden Sied-
lungsgebieten, kann dieser Abschirmungseffekt ausgenutzt werden. Vielfach werden, um das
Eindringen des Schalls in ein zu schützendes Gebiet zu verhindern, künstliche Hindernisse
aufgestellt.
Befindet sich zwischen der Lärmquelle und dem Immissionsort ein Hindernis (Schallschirm),
so bildet sich auf der quellenabgewandten Seite des Schirms eine Schallschattenzone (schall-
freie Zone). Absolut schallfrei ist dieser Bereich nicht, weil über die Oberkante des Schirms
Schall ins Gebiet hineingebeugt wird. Je nach den meteorologischen Verhältnissen kann der
Anteil des so in den Schutzbereich hineingelangten Schalls auch sehr erheblich sein.
Die folgenden Abschnitte befassen sich mit der Abschirmung von Punkt- und Linienschallquel-
len. Zusammengestellt werden die Berechnungsmethoden der Lärmpegelminderung durch die
Abschirmung mit Hilfe der dünnen Schallschirme, z.B. Lärmschutzwände, der dicken Schall-
schirme, z.B. Gebäude, der trapezförmigen Schirme, z.B. Lärmschutzwälle und der keilförmi-
gen Schirme, die z.B. von den Oberkanten von Einschnitten- und Trogseitenwänden und Steil-
wällen dargestellt werden (Bild II.3.62).
352
Bild II.3.62: Schematische Darstellung von verschiedenen Schallschirmen.
Bild II.3.63 stellt schematisch die geometrische Anordnung einer Punktschallquelle Q des
Schallschirms und des Empfängers E dar.
rE
rQ E
b
Q a r hE
hQ
Q d E
Bild II.3.63: Schematisch dargestellte Anordnung einer Punktschallquelle, eines dünnen Schallschir-
mes und des Empfängers.
353
Die kennzeichnenden Größen zum Charakterisieren der Abschirmwirkung sind das Schirmein-
fügungsdämpfungsmaß De und das Abschirmmaß Lz. De gibt gemäß Gleichung (II.3.61) die
Differenz der Schallpegelminderung in einem Immissionsort für die Fälle ohne und mit Schirm
an und kann nur messtechnisch ermittelt werden. Sie berücksichtigt die tatsächlichen Schal-
lausbreitungsbedingungen.
mit
Lz wird dagegen rechnerisch bestimmt und hängt ab vom Verhältnis der effektiven Schirm-
höhe heff zur Schallwellenlänge und vom Beugungswinkel .
Je größer heff, und f sind, umso größer wird das Abschirmmaß Lz. Die Abschirmwirkung ist
umso besser, je näher der Schallschirm an der Quelle oder am Empfänger angebracht wird.
Bild II.3.64 stellt die geometrische Anordnung der Schallquelle, des Schallschirmes sowie des
Empfängers mit Angabe der oben genannten Parameter schematisch dar.
Bild II.3.64: Darstellung eines dünnen Schallschirmes zwischen der Schallquelle und dem Immissi-
onsort.
Als die wichtigste Größe geht in das Abschirmmaß der Schirmwert z ein. Dieser berücksichtigt
die geometrischen Schallverhältnisse um den Schirm und ist gemäß Bild II.3.63 definiert als:
z = rQ + rE - r [m] (II.3.63)
Wird z durch die halbe Wellenlänge des gebeugten Schalls dividiert, ergibt sich die Fresnel-
Zahl N:
354
2
N= z [m] (II.3.64)
λ
Zur Berechnung von Lz existieren eine Reihe von Ansätzen. Die wichtigsten von ihnen wer-
den im Folgenden beschrieben. Als Randbedingungen liegen ihnen zugrunde:
− Schallquelle ist eine Einzelschallquelle mit einem kleinen Radius r und einem Kugelwellen-
feld,
− Schirm und Boden reflektierend,
− Schallquelle und Empfänger befinden sich in einer Ebene senkrecht zum Schallschirm,
− rQ und rE sind größer als ,
− Schallschirm ist schalldicht und schallundurchlässig.
Als Grundlage zur Beschreibung des Abschirmeffektes dient die Beugungstheorie nach
Huygens-Fresnel. Als Grundlage zur Dimensionierung eines Schallschirmes liegt die auf der
Huygens-Fresnelschen Beugungstheorie aufgebaute Theorie nach Kirchhoff vor, die später
von Sommerfeld modifiziert wurde. Nach Kirchhoff berechnet sich:
Gleichung (II.3.65) gilt für kleine Beugungswinkel und kann zur Berechnung von nicht allzu
großen Schrittwerten, bis Lz < 15 dB, verwendet werden. Während die Theorie von Kirchhoff
sich lediglich auf kleine Beugungswinkel beschränkte, ermöglichte die Sommerfeldsche Lö-
sung die Anwendung dieser Theorie auch zur Beschreibung größerer Beugungswinkel.
Unter Voraussetzung eines kleinen Abstandes zwischen dem Schallschirm und der Schall-
quelle erstellte Readfearn die Schallpegelminderungskurven (Bild II.3.66). Die Quelle und der
Empfänger befinden sich hierbei über dem Boden. Diese Kurven geben die Minderung des
Schallpegels in Abhängigkeit des Verhältnisses der effektiven Höhe heff des Schirmes zur Wel-
lenlänge der Schallwellen für verschiedene Beugungswinkel an.
Bild II.3.65: Abschirmmaß nach Readfearn in Abhängigkeit vom Verhältnis der effektiven Höhe und
der Wellenlänge, nach [4].
355
Unter Laborbedingungen hat Maekawa für N ≥ 1 die folgende Beziehung erhalten:
N + 0,3
∆Lz = 10 lg (260 ) [dB(A)] (II.3.67)
N + 30
Die Abschirmwirkung eines Schallschirms ist gegen die Geräusche einer Linienschallquelle
nicht dieselbe, wie die gegen die Geräusche einer Punktschallquelle. Nicht nur die geometri-
schen Dimensionen beider Schallquellen sind verschieden, sondern auch das Spektrum, der
Zeitverlauf und die Richtcharakteristik der von ihnen erzeugten Geräusche. Das Abschirmmaß
der Linienschallquellen kann näherungsweise berechnet werden zu:
In der VDI 2720 bzw. DIN ISO 9613-2 wird zur Berechnung von Lz die folgende Formel an-
gegeben, die für Abstände kleiner als 100 m zwischen der Schallquelle und dem Immissionsort
(Bild II.3.63) gilt
C2
∆Lz = 10 lg (C1 + λ
C3 ∙z∙KW ) [dB(A)] (II.3.69)
heff heff
Für den Schirmwert z gilt nach VDI 2720 näherungsweise für ≤ 1 und ≤1
rQ rE
2
heff 1 1
z≈ 2 a
( + b) [m] (II.3.70)
mit
1 Einfachbeugung
5λ 2
C3 = { 1+( )
e
1 5λ 2
Mehrfachbeugung
+( )
3 e
356
1 r ∙r ∙r
exp (-
2000
√ Q2zE ) für z > 0
KW = {
1 für z ≤ 0
1 für d < 100 m
20 dB Einfachbeugung
∆Lz,max = {
25 dB Mehrfachbeugung
Die in den vorherigen Abschnitten beschriebenen Untersuchungen nehmen die Dicke des
Schallschirmes als sehr klein bis annähernd Null an. Dadurch wird der Einfluss der Schirmdi-
cke auf die Schallbeugung hinter dem Schirm vernachlässigt. Dieser Einfluss ist vernachläs-
sigbar, solange die Dicke des Schallschirms kleiner ist als die Wellenlänge des einfallenden
Schalls. Ist dies nicht der Fall, z.B. bei dicken Schallschirmen oder Gebäuden, dann muss der
Einfluss der Dicke bei der Betrachtung des Abschirmeffektes mitberücksichtigt werden. Der
Einfluss der Dicke ist auch deswegen von Interesse, weil bei den dicken Hindernissen im Ge-
gensatz zu den dünnen Schallschirmen mehrfache Beugung stattfindet.
Maekawa schlägt zur Ermittlung der Abschirmwirkung dicker Schallschirme eine einfache Me-
thode vor. Danach wird der dicke Schirm durch einen dünnen Schirm entsprechend der im
Bild II.3.66 gegebenen schematischen Darstellungen ersetzt.
rE
rQ
Q E
Bild II.3.66: Schematische Darstellung eines dicken Schallschirmes, der nach Maekawa durch einen
dünnen Schallschirm ersetzt wird.
Die Beugungskante des dünnen Schallschirms befindet sich dann genau dort, wo die von der
Schallquelle und vom Empfänger herkommenden und an den Kanten des Hindernisses ent-
langlaufenden Strahlen sich schneiden würden. Die zu erwartende Pegelminderung kann da-
nach in Abhängigkeit vom Schirmwert - Gleichung (II.3.65) - dann wie bei den dünnen Schall-
schirmen nach Gleichung (II.3.66) berechnet werden.
Es ist auch möglich, den Einfluss der Dicke d eines dicken Schirmes im Schallfeld einer Punkt-
quelle, das näherungsweise ein ebenes Schallfeld darstellt, gemäß Bild II.3.67 zu ermitteln.
357
Danach setzt sich das Abschirmmaß Lz des Hindernisses der Dicke d zusammen aus dem
Abschirmmaß eines dünnen Schallschirms und dem Einfluss der Dicke der Platte.
mit
Die Einflussgröße der Hindernisdicke F(d) berechnet sich nach Gleichung (II.3.72):
mit
k Wellenzahl [m-1]
d Hindernisdicke [m]
Die Größe Kd, die von den sogenannten Profilwinkeln abhängt, kann aus Bild II.3.67 grafisch
ermittelt werden.
Bild II.3.67: Rechnerisch ermittelte Abhängigkeit von Profilwinkeln , , s und E zur Bestimmung
des Einflusses der Schirmdicke auf die Schallpegelminderung nach Maekawa (____) und
Kurra (-----), nach [5].
358
Wird der dicke Schallschirm durch einen Schirm mit zwei Beugungskanten ersetzt (Bild
II.3.68), so kann Lz für die Geräusche von Linienschallquellen gemäß Gleichung (II.3.73) be-
rechnet werden.
rQ1 rE2
rQ2 rE1
r
Q E
Bild II.3.68: Schematische Darstellung eines dicken Schallschirmes mit Angabe der Schallumwege.
Die Schallpegelminderung L1 und L2 über die einzelnen Schirmkanten berechnen sich nach
Gleichung (II.3.66). Die Gleichung (II.3.73) gilt nur, wenn als Minimalpegelminderung über der
ersten Schirmkante L1 = 5 dB für 0 < N1 < 0,15 und für die Beugung an der zweiten Schirm-
kante ein Minimalwert von L2 = 0 dB für 0 < N2 < 0,025 angenommen wird.
Bild II.3.69: Schematische Darstellung eines trapezförmigen Schallschirmes mit Angabe der Profil-
winkel und Schallumwege
359
Bild II.3.70: Rechnerisch ermittelte Schallpegelminderung durch einen trapezförmigen Schallschirm
in Abhängigkeit von der Entfernung des Empfängers. Als Parameter ist die Frequenz
aufgetragen, nach [6].
Zugrunde gelegte Bedingungen:
RQ = 20 cm
Q = 270°
Q = 67,5°
E = 230°
E = 45°
d = 20 cm
RE Entfernung zum Immissionspunkt
Die Berechnung der Abschirmwirkung keilförmiger Schallschirme ist etwas komplizierter als
die der vorhergehenden Schirmarten (Bild II.3.71).
Bild II.3.71: Schematische Darstellung eines keilförmigen Schallschirmes mit Angabe des Keilwinkels
und der Schallwege
360
Die Pegelminderung einer Punktschallquelle durch einen keilförmigen Schirm lässt sich nähe-
rungsweise nach der Gleichung (II.3.66) berechnen, wenn dem Ergebnis die Korrektur K ent-
sprechend Gleichung (II.3.74) hinzugefügt wird:
2π π2 Φ 1 1
K = -20 lg Ω
sin ( Ω
) sin ( 2 ) [ π2 π
+ π2 π
] [dB] (II.3.74)
cos( ) - cos{ (π + Φ)} cos( ) - cos{ (2ΘE + Φ + π)}
Ω Ω Ω Ω
mit
Keilwinkel [°]
Beugungswinkel [°]
E Schallempfangswinkel [°]
Grafisch ist die Abschirmwirkung eines keilförmigen Schallschirms nach Gleichung (II.3.74) in
Bild II.3.72 dargestellt.
361
II.3.4. Maßnahmen und Elemente zur Lärmminderung
Die Schutzmaßnahmen gegen den Lärm werden grundsätzlich in zwei Hautgruppen unterteilt:
I. Aktiver Lärmschutz
II. Passiver Lärmschutz
Der passive Lärmschutz umfasst die Maßnahmen, die am vom Lärm betroffenen Ort (Ge-
bäude) - Immissionsort - getroffen werden.
Das folgende Kapitel hat das Ziel, die möglichen Schutzmaßnahmen am Beispiel des Stra-
ßenverkehrslärms zusammenzustellen und deren schalltechnische Eigenschaften und Wirk-
samkeit zu beschreiben. Hiermit soll ein Überblick darüber gegeben werden, wann welche
Schutzmaßnahmen getroffen werden können bzw. müssen und welchen Schutzeffekt sie auf-
weisen.
Als Quellenort (Quellenbereich) wird der Verkehrsweg und sein nahes Umfeld bezeichnet. Die
Lärmschutzmaßnahmen, die in diesem Bereich getroffen werden können, umfassen:
362
− planerische Maßnahmen
− verkehrstechnische Maßnahmen.
Mit diesen beiden Lärmschutzmöglichkeiten wird versucht, den Lärm vom Aufenthaltsort der
betroffenen Menschen fernzuhalten oder seinen Immissionspegel dort unterhalb von Richt-
oder Grenzwerte zu halten.
Diese Art Maßnahmen schließen all die Überlegungen ein, die bei der städtebaulichen Pla-
nung zum Zweck des Lärmschutzes berücksichtigt werden müssen. Als Beispiel hierzu können
die untenstehenden Möglichkeiten genannt werden:
Die Einflüsse der Fahrbahndecke und des Straßengradienten auf den Lärmpegel sind in den
früheren Abschnitten II.3.2.1.4 und II.3.2.1.5 ausführlich behandelt worden. Hier werden die
wichtigsten Erkenntnisse dieser Abhandlungen zusammengefasst.
II.3.4.1.2.1.1 Fahrbahndecke
Die Verbesserung der Fahrbahndecke, d.h. des Fahrbahnbelags, zum Zwecke des Lärmschut-
zes ist eine Maßnahme, die sowohl bei der Planung berücksichtigt werden kann, als auch
nachträglich durchführbar ist. Ein nachträglicher Wechsel des Belags ist mit zusätzlichen, zum
Teil hohen Mehrkosten verbunden. Die Erkenntnisse des Abschnittes II.3.2.1.4 zeigen, dass:
− eine raue und strukturierte Oberfläche der Fahrbahndecke zur Erhöhung des Pegels des
von der Straße ausgehenden Lärms führt. Diese Pegelerhöhung variiert zwischen 3 dB(A)
und 10 dB(A).
− unter den traditionellen Fahrbahndecken Asphaltfeinbeton der leiseste, Kopfsteinpflaster
der lauteste Fahrbahnbelag ist.
363
II.3.4.1.2.1.2 Fahrbahndecke
Abschnitt II.3.2.1.5 beschreibt den Einfluss der Steigung auf den Lärmemissionspegel. Im un-
günstigsten Fall kann sich je 1 % Straßensteigung der Mittelungspegel um 0,5 dB(A) erhöhen.
II.3.4.1.2.1.3 Fahrbahnübergänge
Bei hochgelegenen Fahrbahnen, besonders bei Brücken aus Stahlkonstruktionen, wird, wenn
sie an Fahrbahnübergängen zu Schwingungen angeregt werden, der eingeleitete Körperschall
von der gesamten Konstruktion als Luftschall abgestrahlt. Sonst beschränkt sich die durch die
Fahrbahnunebenheit hervorgerufene Stoßanregung und der damit verbundene Zusatzlärm auf
dessen nähere Umgebung. In der Nähe von Fahrbahnübergängen (ca. 5 m Entfernung) treten
Pegelerhöhungen gegenüber dem normalen Fahrgeräusch eines 30 m entfernten Vergleichs-
querschnitts je nach Typ des Übergangs bis zu 10 dB(A) auf. Mit wachsender Entfernung von
der Brücke wird das vom Übergang ausgehende Geräusch zunehmend durch den Lärm an-
derer Fahrzeuge überlagert. Solche stoßartigen Geräusche, die mit erheblichen Pegelsprün-
gen und mit einer Änderung des Frequenzspektrums verbunden sind, werden dennoch vom
Beobachter selbst noch in größeren Entfernungen als recht lästig empfunden, auch wenn dies
nicht im resultierenden Mittelungspegel zum Ausdruck kommt.
Bild II.3.73: Beispiel für die Ausführung eines geeigneten Fahrbahnübergangs, bei dem die Dämp-
fung durch Anpressfedern regulierbar ist.
II.3.4.1.2.1.4 Kapselung
364
− Verlegung der Straße in einen Tunnel,
− Einhausung der Straße, Ab- bzw. Überdeckung der Straße,
− Überbauung der Straße.
Abdeckung Einhausung
a) einseitig
offen
b) oben offen
c) oben offen
d) oben offen
e) geschlossen
Tunnel Umbauung
Bild II.3.74: Schematische Darstellung von verschiedenen Abdeckungen und Einhausungen, nach
[1].
II.3.4.1.2.1.4.1 Tunnel
Eine der wirksamsten städtebaulichen Maßnahmen gegen den Lärm besteht darin, dass die
Straße in einem Tunnel geführt wird. Die Führung kritischer Straßenabschnitte im Tunnel
bringt sowohl schallschutztechnische aber auch verkehrstechnische Vorteile mit sich. Ver-
kehrstechnisch haben übertunnelte Verkehrswege den Vorteil, dass
− der Fahrzeugverkehr von den Fußgängerbereichen ferngehalten wird, was erheblich zur
Verkehrssicherheit beiträgt
− den Verkehrsteilnehmern eine kreuzungsfreie Verkehrsführung angeboten wird. Dadurch
werden die zusätzlichen Brems- und Anfahrgeräusche vermieden.
365
Schalltechnisch kapselt der Straßentunnel die Lärmquelle ab und bietet damit den Anliegern
einen perfekten Lärmschutz an. Die dadurch erreichbare Pegelminderung kann bis etwa 60
dB(A) und mehr betragen.
Den Tunneln sind neben den genannten Vorteilen auch Nachteile zuzuschreiben. Durch die
Mehrfachreflexion an seinen schallharten Wänden und die hallraumähnlichen Eigenschaften
des Tunnelraums kann die Lärmbelästigung im Inneren des Tunnels erheblich zunehmen. Au-
ßerdem stellt sich an Tunnelein- und -ausfahrten eine konzentrierte Emission des Lärms und
der Abgase ein. Bei einer Absorptionsfähigkeit der Wände von = 0,07 eines langen Tunnels
kann die Erhöhung des Mittelungspegels am Tunnelrand 12,5 dB(A) und in der Mitte des Tun-
nels 15,5 dB(A) betragen. In Wohngebieten, die sich auf der Höhe des Tunnelendes befinden,
wird bei freier Schallausbreitung nur eine Schallpegelminderung von 3 dB(A) durch den Tunnel
erreicht, vorausgesetzt, der durch Mehrfachreflexionen im Tunnelraum entstandene Lärm
dringt nicht nach draußen. Dies ist nur möglich, wenn neben der schallabsorbierenden Ver-
kleidung der Innenwände an den Enden des Tunnels zusätzliche Schallschutzwände ange-
bracht werden. Rechnerische und messtechnische Untersuchungen haben gezeigt, dass der
Mittelungspegel in der Mitte und am Rand von Tunneln mit halbkreisförmigem Querschnitt
ansteigt. Die Schallpegelerhöhung am Tunnelrand lässt sich näherungsweise berechnen zu:
4 l/ρ 2
∆Lm,Rand = 10 lg [1 + ∙ (√1 + ( ) - 1)] [dB(A)] (II.3.75)
π 1 + α∙l/ρ
Die Pegelerhöhung in der Mitte des Tunnels lässt sich aus Gleichung (II.3.75) herleiten, wenn
das Bauwerk als aus zwei Teiltunneln der halben Länge zusammengesetzt angenommen wird:
2
8 0,5∙l/ρ
∆Lm,Mitte = 10 lg [1 + π ∙ (√1 + (1 + 0,5∙α∙l/ρ) - 1)] [dB(A)] (II.3.76)
mit
In Bild II.3.75 sind für den Schwab-, den Österfeld- und den Heslachtunnel in Stuttgart die
gemessenen Mittelungspegeldifferenzen zwischen dem Referenzpunkt und den einzelnen
Messpunkten in Abhängigkeit von der Entfernung zum Referenzpunkt grafisch dargestellt. Die
Darstellungen zeigen, dass bei allen Objekten die Pegelverteilung unterschiedlich ist.
366
Schwabtunnel Heslachtunnel Österfeldtunnel
Bild II.3.75: Fotografische Abbildungen und Mittelungspegeldifferenzen in Abhängigkeit von der Ent-
fernung zum Tunnelportal für das Südportal des Schwabtunnels (links), das Nordportal
des Heslachtunnels (Mitte) und das Westportal des Österfeldtunnels (rechts). Die Kurven
stellen die durch logarithmische Regressionsanalyse ermittelten Verläufe der Messergeb-
nisse dar.
Bei allen drei Bauwerken steigt der Pegel mit abnehmender Entfernung zum Portal an, insbe-
sondere ist dieser Anstieg in den letzten 10 m ausgeprägt. Wenn auch bei den Messergebnis-
sen einzelner Tunnel Unterschiede feststellbar sind, so zeigen die Darstellungen tendenziell
einen ähnlichen Verlauf. Mit abnehmender Entfernung zum Portal wird die Pegelminderung
kleiner. Ca. 20 m vor dem Portal liegt eine starke Pegelzunahme bzw. Abnahme der Pegel-
minderung vor. Dies weist auf eine Erhöhung des Schallpegels am Portal aufgrund der starken
Schallabstrahlung aus dem Tunnelmund hin. Am Schwabtunnel stehen sich beiderseits des
Portals Gebäude in kleinem Abstand gegenüber (Bild II.3.75, oben). Aufgrund der Schallre-
flexion an ihren Oberflächen herrscht im Straßenraum ein relativ gleichmäßiges Schallfeld.
Daher erfolgt dort mit ca. 0,2 dB(A)/m eine schwache Abnahme des Pegels mit der Entfernung
vor dem Tunnel. In Straßenräumen dieser Art mit beidseitiger geschlossener Bebauung mit
schallharter Oberfläche sind Schallpegelerhöhungen bis zu 5 dB(A) zu erwarten. Hingegen ist
die Schallpegelminderung am Österfeldtunnel mit 0,5 dB(A)/m am größten, da dort vor dem
Portal keine Bebauung vorhanden ist und die beidseitig des Portals aufgestellten 60 m langen
Lärmschutzwände hochschallabsorbierend verkleidet sind. Beim Heslachtunnel stehen sich,
wie am Schwabtunnel auch, direkt vor dem Portal schallharte Gebäudeoberflächen gegen-
über. Da die Entfernungen der Gebäude hier deutlich größer sind, wie aus Bild II.3.75 ersicht-
lich ist, nimmt der Schallpegel mit ca. 0,4 dB(A)/m etwas schneller ab.
Innerhalb der Bauwerke Schwab- und Österfeldtunnel liegt nach den Ergebnissen in Bild
II.3.75 eine nahezu gleich schwache, im Heslachtunnel dagegen eine stärkere Pegelerhöhung
mit zunehmender Entfernung vom Portal vor. Die Erhöhung des Mittelungspegels im
Heslachtunnel beträgt gegenüber dem Referenzpunkt fast 5 dB(A), am Schwab- bzw. Öster-
367
feldtunnel nur knapp 2,5 dB(A). Da die Oberflächen der Tunnelumschließungen bei allen Ob-
jekten gleichermaßen schallhart ausgeführt sind, wird diese unterschiedliche Pegeländerung
auf die geometrische Form des Tunnels zurückgeführt. Der Schwab- und Österfeldtunnel be-
sitzen einen nahezu kreisförmigen Deckenabschluss, dagegen ist der Heslachtunnel recht-
eckig ausgebildet. Rechteckräume weisen grundsätzlich eine gleichmäßigere Schallpegelver-
teilung auf als Räume mit hohl gekrümmten Flächen. Auch das Verhältnis Breite zu Höhe des
Bauwerks ist mitentscheidend. Gerade beim Heslachtunnel verkleinert sich die Tunnelbreite
nach innen. Auch dies könnte ein Grund für die deutliche Pegelzunahme dort sein. Wie Bild
II.3.76 (links) entnommen werden kann, liegt aufgrund der rechteckigen Tunnelform des
Heslachtunnels im Tunnelinnern eine gleichmäßige Pegelverteilung des Schalls vor. Beim
Schwab- und Österfeldtunnel dagegen stellt sich eine gleichmäßige Schallpegelverteilung nä-
herungsweise nur im unteren Bereich des Tunnels, wo der Direktschall auf die senkrechten
Umschließungswände trifft, ein (Bild II.3.76, rechts). Im oberen Tunnelbereich erfolgt die
Schallreflexion an der gewölbten Decke; es stellt sich der bekannte Tonnengewölbe-Effekt ein,
es kommt in dem Tunnelraum zu keiner gleichmäßigen Raumfüllung mit dem Schall.
Bild II.3.76: Schematische Darstellung eines Rechtecktunnels (links) und eines Tunnels mit einem
Gewölbe (rechts) mit Angabe der Schallquellen SL und SR sowie der Spiegelschallquellen
S‘L, S‘R, S‘‘L und S‘‘R.
Aus Bild II.3.76 ist zu ersehen, dass bei den beiden Fahrspuren die am Gewölbe reflektierten
Schallstrahlen jeweils in einem Fokussierungspunkt S1 und S2 zusammentreffen. Diese stel-
len, auf die gesamte Länge des Tunnels betrachtet, zusätzliche Linienquellen dar, die zu einer
weiteren Schallabstrahlung im oberen Bereich des Portals führen, aber im Vergleich zu den
beiden Primärschallquellen SL und SR wesentlich weniger Schallenergie abgeben. Ferner ist
auch die in S1 und S2 von der Kuppel reflektierte Schallenergie schwächer als die, die von
einer ebenen Decke in Scheitelhöhe reflektiert wird.
368
Bild II.3.77: Schematische Darstellung eines Gewölbetunnels mit Angabe der Schallquellen S L und
SR sowie der Fokussierungsstellen und der reflektierten Schallstrahlen.
Rot: Direktschall
Blau: Reflexionen an den Wänden
Violet: Reflexionen an der Decke.
Bei verschiedenen Höhen zeigen die Pegelverteilungen beim Schwab- und Heslachtunnel vor
dem Bauwerk keine nennenswerte Abweichung (Bild II.3.75). Dort liegen, wie bereits ausge-
führt, bedingt durch die beidseitige Bebauung am Portal Mehrfachreflexionen vor, die die Mes-
sergebnisse auch höhenabhängig beeinflussen und zur Kompensation des Bodeneinflusses
auf den Schallpegel führen. Am Österfeldtunnel dagegen nimmt der Schallpegel mit zuneh-
mender Höhe deutlich ab. Die überhöhten Abweichungen in einzelnen Immissionspunkten vor
dem Österfeldtunnel resultieren nicht aus dem Einfluss der Höhe, sondern aus der Lage des
Mikrofons, da dort nicht nur der direkte Schall aus dem Tunnel, sondern zum Teil auch der an
der Tunneloberkante gestreute Schall gemessen wurde. Ein ähnliches Phänomen ist auch am
Schwabtunnel zu erkennen.
Zur Ermittlung des Einflusses der Messhöhe auf die Mittelungspegeldifferenz innerhalb des
Tunnels stehen nur die Messergebnisse aus dem Schwabtunnel zur Verfügung. Die Verläufe
im Bild II.3.75 (links) zeigen, dass diese Differenzen dort bei allen Höhen fast aufeinander
liegen und einen relativ flachen Anstieg mit der Entfernung vorweisen. In der Höhe von 5 m
über dem Boden liegt vergleichsweise die kleinste Mittelungspegeldifferenz vor, da dort ent-
sprechend der schematischen Darstellung im Bild 5.5 die sekundären Schallquellen S1 und S2
wirksam werden.
369
Abschließend ist hinsichtlich der Tunnelanlagen festzustellen, dass die problematische Stelle
bei Tunnelanlagen das Tunnelportal ist. Während der größte Teil der Anwohner vor dem Ver-
kehrslärm im Tunnel geschützt bleibt, werden die in der Nähe des Tunnelportals wohnenden
Menschen teilweise stärker lärmbelästigt als die Anwohner einer stark befahrenen Straße. In
der Praxis ist der Einsatz von Tunneleinrichtungen insbesondere wegen der hohen Bau- und
Betriebskosten eingeschränkt.
Die Einhausung der Straße erfolgt durch ein langes, hallenförmiges Bauwerk über den Ver-
kehrsweg, durch den kein Lärm in die zu schützende Nachbarschaft gelangen kann. Unter-
schieden wird hierbei zwischen den offenen und geschlossenen Einhausungen, wie Bild
II.3.78 es schematisch wiedergibt. Unter Straßenüberdeckung wird ein deckelförmiger Bau-
körper verstanden, der über einen tieferliegenden Verkehrsweg aufgebracht wird. Die Abde-
ckung liegt in der Regel auf Böschungen oder Stützmauern und verhindert mindestens auf
einer Seite den Lärmaustritt aus dem Verkehrsweg. Völlig überdeckte Straßen weisen schall-
technisch einen ähnlichen Effekt auf wie Tunnelanlagen. Die teilabgedeckten Verkehrsräume
werden gezielt zum Schutz von Teilgebieten eingesetzt. Ähnlich wie Tunnelanlagen bringen
die durch Einhausung überdeckten Straßenräume den Nachteil mit sich, dass der Lärmpegel
im Straßenraum durch Mehrfachreflexionen ansteigt. Diese Pegelerhöhung ist, wie Bild II.3.78
es zeigt, je nach Konstruktion verschieden und kann bei vollständig abgedeckten Straßenräu-
men bis zu 15 dB betragen. Gegenüber den Tunneleinrichtungen zeigen sie den Vorteil, dass
sie nachträglich an bestehenden Straßen errichtet werden können.
− neben dem Verkehrsweg sich befindende hohe Gebäude vor Lärm geschützt werden sol-
len, wo hohe Lärmschutzwände (Bild II.3.79) aus konstruktiven aber auch aus Gründen der
Sichtbehinderung und Tageslichtversorgung nicht in Frage kommen.
− im zu schützenden Gebiet Schallpegelminderungen von mehr als 12 dB(A) erreicht werden
sollen.
370
1. Offene Abdeckung oder Einhausung
A) Abkapselung eines Viertels der Fahrbahn
+ 4 dB
+ 6 dB
+ 9 dB
+15 dB
Bild II.3.78: Schematische Darstellung von verschiedenen überdeckten Straßenräumen mit Angabe
der Lärmpegelerhöhung durch Mehrfachreflexionen im Straßenraum, nach [1].
Bild II.3.79: Schematische Darstellung des Einsatzgebietes von Abdeckungen im Vergleich zu dem
der Lärmschutzwand.
Die Einhausungen und Überdeckungen werden in der Regel aus verschiedenen Konstruktio-
nen unterschiedlicher Materialien, wie vorgefertigten Betonelementen mit zusätzlicher Absorp-
tionsverkleidung, Kunststoff-, Glasfaser- und Stahlkonstruktionen sowie Plexiglasplatten her-
gestellt und finden in der Regel dort Anwendung, wo außer dem Eigengewicht des Bauwerks
sonst keine besondere Belastung zu erwarten ist. Wegen ihrer leichten Bauweise sind die
Überdeckungen lärmtechnisch nicht so optimal wie der Tunnel.
371
Eine mögliche Form der Überdeckung besteht aus einer Dachkonstruktion mit jalousieartig
angebrachten Lamellen, wie Bild II.3.80 es schematisch wiedergibt.
Übersicht Lärmschutzkonstruktionen
Form 31
Trogquerschnitt mit vertikal ausgerichteter, schall-
reflektierender Rasterabdeckung
Form 32
Trogquerschnitt mit vertikal ausgerichteter Rasterab-
deckung, schallabsorbierend verkleidet
Form 33
Trogquerschnitt mit trichterförmiger Rasterabdeckung,
Zellenwände schallreflektierend
Form 34
Trogquerschnitt mit trichterförmiger Rasterabdeckung,
teilweise schallabsorbierend verkleidet
Form 35
Trogquerschnitt mit Schrägrasterabdeckung, Zellen-
wände schallabsorbierend
Form 36
Trogquerschnitt mit Schrägrasterabdeckung, Zellen-
wände schallabsorbierend verkleidet
Eine weitere Möglichkeit, den Lärm von den Aufenthaltsorten der Menschen fern zu halten
besteht darin, dass die Straße im Vergleich zur Grundfläche eines bebauten Gebietes auf ein
372
anderes Höhenniveau gelegt wird, Bild II.3.81. Dadurch wird erreicht, dass die Schallausbrei-
tung auf andere Wege und Richtungen in nicht schutzbedürftige Bereiche und Ebenen gelenkt
wird. Dazu bestehen zwei Möglichkeiten:
− Straßenhochlage,
− Straßentieflage.
II.3.4.1.2.1.4.3 Straßenhochlage
In vielen Fällen, z.B. wenn Wohnhäuser o. ä. sich in der Nähe der Straßen befinden, ist es
sinnvoll, die Verkehrsstraße in einer Hochlage zu bauen. Diese Maßnahme hat den Vorteil,
dass die dicht an der Straße liegenden Gebäude gegen den Lärm geschützt werden, siehe
Bild II.3.82.
Hier wirken die seitlichen Ränder der Brücke wie ein Schallschirm, und der von der Quelle
abgestrahlte Lärm wird, wie Bild II.3.83 es schematisch zeigt, stark abgeschirmt. Die Straßen-
hochlage hat jedoch den Nachteil, dass die entfernt liegenden Bereiche aufgrund der abneh-
menden effektiven Höhe der schallabschirmenden Brückenränder und des Einflusses der Me-
teorologie stark beschallt werden.
373
Emissionsort
A
0,5 m
B Immissionsort
H
s
Dieser Nachteil kann häufig mit zusätzlichen seitlichen Lärmschutzwänden an der Straßen-
hochlage behoben werden, wie Bild II.3.84 es schematisch zeigt. Die Abschirmwirkung dieser
sogenannten Trogbrücken wird durch das Verhältnis Breite zur Höhe des Trogquerschnitts
beeinflusst. Bei den Trogbrücken mit relativ niedrigen Seitenwänden im Verhältnis zu ihrer
Breite kann der Direktschall eher über die Wandkante in das zu schützende Gebiet eindringen
als bei Trogbrücken mit höheren Seitenwänden.
Form 10
Vergleichsquerschnitt
Hochstraße auf Stützen
Übersicht Lärmschutzkontionen
Form 11
Hochstraße mit vertikalen, schallreflektierenden Seitenwände
Form 12
Hochstraße mit schallreflektierenden Seitenwände
Form 13
Hochstraße mit vertikalen, auf der Innenseite lamellen-
artig ausgebildeten Seitenwänden
Form 14
Hochstraße mit nach außen geneigten, reflektierenden
Wänden
Form 15
Hochstraße mit vertikalen Wänden und Teilabdeckung
- absorbierend -
Form 16
Hochstraße mit geneigten Seitenwänden und
schräg angeordneter Teilabdeckung
374
Um die Mehrfachreflexionen im Innenraum der Troganlage - wie bei den Tunneln auch - zu
vermeiden, werden die den Schallquellen zugewandten Oberflächen der Lärmschutzwände
schallabsorbierend verkleidet.
II.3.4.1.2.1.4.4 Straßentieflage
Bei der Straßentieflage werden die Straßen, wie Bild II.3.85 es schematisch zeigt, in einen
künstlichen Einschnitt mit schrägen oder senkrechten Seitenwänden gelegt. Hierbei werden
im Gegensatz zu den Hochstraßen die weiter entfernt liegenden Gebiete stärker geschützt.
Die nahe an der Straße gelegenen Häuser haben in diesem Fall keinen ausreichenden Lärm-
schutz.
Lärmgeschützt Lärmbelastet
Einschnitt
Trog
Die Böschungen sowie die Seitenwände der Tieflagen wirken, wie Bild II.3.86 es schematisch
zeigt, als Schallschirm und führen zur Schallpegelminderung in der Nachbarschaft des Stra-
ßenraumes. Der zunehmende Böschungswinkel erhöht die Abschirmwirkung der Einschnitte.
Sie erreicht bei einem Winkel von 60° ihr Maximum von etwa 10 dB.
375
Lärmgeschützt Lärmbelastet
Einschnitt
Trog
Bild II.3.86: Schematische Darstellung von Straßentieflagen mit Angabe von Schallumwegen.
Die Tiefstraßen mit den schrägen Seitenwänden sind in den meisten Fällen in den Städten
nicht einfach zu realisieren, weil viele Gründe, z.B. Platzbedarf, Höhe des Grundwasserspie-
gels, Verlegung der Kanalisation und auch ökologische Aspekte dagegen sprechen. Um aber
aus Platzgründen auf die schalltechnische Schutzwirkung von Tiefstraßen nicht verzichten zu
müssen, bietet sich dafür der Bau der Troganlage an. Tröge sind im Prinzip Straßen im Ein-
schnitt mit senkrechten Seitenwänden. Ihre Abschirmwirkung kann mit den Berechnungsme-
thoden der keilförmigen Schallschirme berechnet werden.
Tröge mit senkrechten, schallharten Wänden weisen Nachteile auf. Zum Einen können auch
bei Trögen die Mehrfachreflexionen an den glatten Oberflächen der Seitenwände zur Erhö-
hung des Schallpegels im Troginneren führen, zum Anderen aber können diese mehrfach re-
flektierten Schallstrahlen nach außerhalb des Trogbereiches gelangen und damit zur stärkeren
Belästigung der Nachbarschaft führen. Um die störenden und unerwünschten Schallreflexio-
nen zu verhindern, werden die Oberflächen der Trogwände schallabsorbierend verkleidet.
Dadurch lassen sich in Bereichen, die im Schallschattenbereich liegen, Verbesserungen von
3 dB(A) bis 5 dB(A) erzielen.
Eine weitere Verbesserung der Schallschutzwirkung der Troganlagen wird, ähnlich wie bei den
Straßenhochlagen (Bild II.3.84), durch die zusätzlichen seitlichen Lärmschutzwände, die an
den Oberkanten des Trogs aufgestellt werden, erreicht. Hierdurch werden die nach oben ab-
gestrahlten Schallstrahlen so abgelenkt, dass sie nicht in die zu schützenden Gebiete eindrin-
gen können. Zusätzliche Überkragungen, die sowohl direkt an den Oberkanten des Trogs, als
auch an den Oberkanten der genannten Lärmschutzwände angebracht werden können, füh-
ren ebenfalls zur Verbesserung der Lärmschutzwirkung der Tröge.
376
II.3.4.1.2.1.4.5 Überbauung
Aus der Sicht des Lärmschutzes sind die überbauten Straßenabschnitte genauso vollkommen
wie die Tunnelanlagen. Auch die Probleme bzw. die Nachteile der überbauten Verkehrswege
sind die gleichen wie die der Tunnel. Die Erhöhung des Lärmpegels im Innenraum durch die
Mehrfachreflexion im überbauten Raum und an den Endpunkten der Anlage durch die hohe
Emissionskonzentration stellen auch hier die Schwachstellen dar. Bei Straßenüberbauungen,
schematisches Bild II.3.87, kommt zusätzlich das Problem der Körperschallausbreitung in den
Baukörpern hinzu.
14. OG
13. OG
12. OG
11. OG
10. OG
9. OG
8. OG
7. OG
6. OG
5. OG
4. OG
3. OG
2. OG
1. OG
EG
BAB - Tunnel
Bild II.3.87: Schematische Darstellung eines überbauten Verkehrsweges, nach [1].
Es ist möglich, auch durch eine Reihe von verkehrstechnischen Maßnahmen die Lärmentwick-
lung zu reduzieren. Zu diesen Maßnahmen gehören:
377
− lärmschutzgerechte Planung der Kreuzungen,
− Einrichtung von Einbahn- und Anliegerstraßen,
− planungsbedingte passive Maßnahmen, wie z.B. Gebäudeorientierung, lärmabschirmende
Bauweise usw.
Diese Maßnahmen können sowohl bei der Neuplanung von Wohnanlagen mitberücksichtigt
werden, als auch bei den vorhandenen Anlagen nachträglich getroffen werden.
Neben den oben beschriebenen Maßnahmen wird auch die verkehrstechnische Gestaltung
der Straße in den verkehrsberuhigten Bereichen als weiterer Aspekt zur Reduzierung des
Lärmpegels angesehen. Durch Begrünung des Straßenbereiches soll einerseits ermöglicht
werden, dass die Schallenergie stärker absorbiert wird, andererseits soll aber auch das Fahr-
verhalten des Autofahrers beeinflusst werden. Diese Maßnahmen sollen ferner dazu führen,
dass sich die betroffenen Bewohner subjektiv weniger durch den Lärm belastet fühlen.
Wenn es aus städtebaulichen, technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist,
den Lärm an der Quelle oder im Quellenbereich zu bekämpfen, so besteht die Möglichkeit,
Maßnahmen zu treffen, um seine Ausbreitung zu beeinflussen. Hierzu werden zwischen der
Lärmquelle bzw. dem Quellenbereich und dem lärmbetroffenen Ort feste Hindernisse aufge-
stellt. Zu den bekannten und in der Praxis angewandten Abschirmeinrichtungen zählen
378
− Lärmschutzwände,
− Lärmschutzwälle,
− Abschirmgebäude,
− Bewuchs und Bepflanzung.
Wo welche Maßnahme im Einzelnen verwirklicht und durchgeführt werden kann, hängt von
verschiedenen Faktoren ab, wie
Durch diese Maßnahmen wird das Schutzgebiet gegen den Lärm abgeschirmt, indem die ge-
radlinige Ausbreitung der Schallwellen verhindert wird. Eine totale Abschirmung ist, wie bereits
unter Abschnitt II.3.3.4.3 ausgeführt, aber nicht möglich, da um und über die Kanten der Hin-
dernisse Schallwellen gebeugt werden und dadurch in das Schutzgebiet eindringen.
II.3.4.1.3.1. Lärmschutzwand
Lärmschutzwände sind dünne, lang gestreckte Baukörper entlang von Verkehrswegen, die
den Schall an seiner ungestörten Ausbreitung hindern. Dabei bildet sich auf der schallquellen-
abgewandten Seite der Wand eine "Schallschattenzone". Schallfrei ist dieser Bereich nicht, da
über die Wandoberkante wie auch an den Bauteilrändern Schall hinter die Wand gebeugt wird.
Maßgebend für die schalltechnische Wirksamkeit einer Lärmschutzwand ist ihre Schallabschir-
mung. Ihre schallabschirmende Wirkung wird mit den im Abschnitt II.3.3.4.3.1 behandelten
Berechnungsmethoden ermittelt. Im Vergleich zu vielen anderen Abschirmmaßnahmen sind
Lärmschutzwände kostengünstig und daher häufig bevorzugt. Außerdem macht ihr geringer
Platzbedarf sie noch beliebter und vergrößert ihren Einsatzbereich entsprechend. Sie sind im
Prinzip überall einsetzbar. Auch die Montage und Aufstellung der Lärmschutzwände ist relativ
einfach, da sie meist aus vorgefertigten Einzelelementen zusammengebaut werden.
379
Lärmschutzwand
Städtebauphysikalische Städtebauliche
Aspekte Aspekte
Lärm Wind
Schadstoffe Temperatur
Staub Strahlung
Die Materialien, aus denen sie hergestellt werden, umfassen ein breites Spektrum, von sehr
schweren Baustoffen wie Beton und Stahl sowie Glas bis zu mittelschweren Materialien wie
Holz und Kunststoffen und sogar Folien und Membrane. Bild II.3.88 stellt die städtebauphysi-
kalischen und städtebaulichen Aspekte der Lärmschutzwände zusammen. Tabelle II.3.11 gibt
einen Überblick über die Auswirkung des Materials, der Form und der Farbe von Lärmschutz-
wänden auf die Stadtbauphysik des Bauwerksumfeldes.
Bild II.3.89: Lärmschutzwände aus verschiedenen Materialien wie Holz, Glas oder Kunststoff.
380
Tabelle II.3.11: Auswirkung des Materials, der Form und der Farbe von Lärmschutzwänden auf die
Stadtbauphysik des Bauwerksumfeldes.
Mineralisch 0 ++ 0 + +++
Metall 0 ++ 0 + +++
Holz 0 ++ 0 + +++
Kunststoff
nicht transparent 0 ++ 0 + +
transparent 0 ++ 0 + -
Glas 0 + 0 + -
Begrünung +++ ++ ++ + +
Farbe - ++ - + +
Form ++ ++ +++ - +++
Generell können die Anforderungen, die an Anwendung, Gestaltung und Ausführung von
Lärmschutzwänden gestellt werden, unterteilt werden in:
a. Wirtschaftlichkeit
− Kosten des Grunderwerbs
− Investitionskosten
− Unterhaltungskosten
− Reparaturfreundlichkeit
b. Lebensdauer
− Verhalten unter Einwirkung von Witterung, Tausalzlösungen, Abgasen, Reinigungs-
mitteln usw.
c. verfügbarer Platz
d. Umweltfreundlichkeit
− Landschaft- und Stadtbild
− Ästhetik
− optische Wirkung
381
II. Bautechnische Anforderungen, sie umfassen:
a. Materialauswahl
− nicht brennbar
− nicht entflammbar
− selbstlöschend
− keine Erzeugung von toxischen Gasen
b. Standsicherheit
c. Fluchtwege müssen vorhanden sein
d. Randbedingungen müssen beachtet werden:
− mechanische Beanspruchung, z. B. Steinschlag
− Umgebungsbedingungen, z. B. korrodierende Luftverunreinigungen
e. Witterungseinfluss
− hohe Luftfeuchtigkeit
− UV-Strahlung
− hohe Lufttemperaturen
− Sonne, Frost usw.
f. Beachtung von technischen Vorschriften für die Ausführung
III. Akustische Anforderungen, siehe weiter unten in diesem Kapitel (schalltechnische Anfor-
derungen).
Schalltechnisch sind Lärmschutzwände umso wirksamer, je näher sie an der Lärmquelle an-
gebracht werden. Nicht nur das Flächengewicht und das Material und damit auch das Schall-
dämm-Maß bestimmen die lärmschützende Wirkung einer solchen Wand, auch ihre geomet-
rische Dimensionierung, ihre konstruktive Gestaltung und ihr Standort können dabei von aus-
schlaggebender Bedeutung sein. Wenn z.B. eine Lärmschutzwand nicht die notwendige
Länge besitzt, so besteht die Gefahr, dass der Schall seitlich der Wand in das zu schützende
Gebiet eindringt und somit ihre Lärmschutzwirkung aufhebt. Das gleiche gilt auch für eine zu
niedrig konzipierte Lärmschutzwand, wodurch der um ihre Oberkante gebeugte Schall voll in
das dahinterliegende Gebiet gelangen kann.
− reflektierend L < 4 dB
− absorbierend 4 dB < L < 8 dB
− hochabsorbierend L > 8 dB
L gibt an, um wie viel dB der an einer Oberfläche reflektierte Schall im Vergleich zum auftref-
fenden Schall gemindert wird.
382
Ästhetisch sind die nichttransparenten Lärmschutzwände weniger oder kaum befriedigend,
Bild II.3.90 zeigt ein Beispiel dazu. Es wird vielfach versucht, sie durch Farbgebung und Be-
pflanzung ihrer Oberflächen in die optische Landschaft der Umgebung einzupassen, damit sie
auf die Anlieger nicht so bedrückend wirken.
Die Bepflanzung der Wandoberfläche gibt ihnen nicht nur eine ästhetisch bessere Gestaltung,
sondern führt auch zur Verbesserung ihrer Schallabsorptionswirkung. Sehr hohe Lärmschutz-
wände können, insbesondere wenn sie, wie in Bild II.3.91, sehr nahe an die Wohngebäude
heranreichen, bei den betroffenen Menschen erhebliche Belastungen physischer sowie psy-
chischer Art hervorrufen.
Bei den Autofahrern können Lärmschutzwände, besonders wenn sie, wie in Bild II.3.92, bei-
derseits der Straße stehen und optisch sowie ästhetisch nicht angenehm gestaltet sind, zu
einem bedrückenden Gefühl der Einengung führen.
383
Bild II.3.92: Beispiel einer beidseitigen Lärmschutzwand.
Nicht transparente Wände bringen häufig eine Reihe von bauphysikalischen Problemen, z.B.
Verhinderung der Tageslichtversorgung der dahinterliegenden Gebäude, mit sich. Aus diesen
sowie ästhetischen und optischen Gesichtspunkten werden in bestimmten Fällen Lärmschutz-
wände aus transparenten Materialien aufgestellt, siehe Bild II.3.93. Die Wände aus durchsich-
tigen Materialien werden vielfach besser bewertet als die herkömmlichen, nicht transparenten
Schallschirme.
Sie bedürfen andererseits aber einer bestimmten Gewöhnungszeit, bis ihre schalltechnische
Wirksamkeit bewusst und spürbar wahrgenommen wird. Trotz vieler Vorteile, die den transpa-
renten Lärmschutzwänden zugeschrieben werden, liegen wirtschaftliche sowie sicherheits-
technische Gründe vor, die gegen sie sprechen. Die Vorteile eines transparenten Schallschir-
mes lassen sich wie folgt zusammenfassen:
384
− keine Beeinträchtigung der Belichtung der Räume, wenn die Wand dicht an Gebäude her-
anrücken muss,
− keine Verhinderung der Sonnenstrahlung auf die Bereiche hinter der Wand,
− keine Störung, besonders der Bewohner unterer Stockwerke von Hochhäusern, wenn die
Wand direkt vor dem Haus steht,
− keine Versperrung besonders schöner Aussichten,
− keine Verschlechterung der optischen Wirkung von ästhetisch optimierten Brücken.
− mögliche Störung des Autofahrers durch Flimmereffekte und Blendungen, die bei tiefste-
hender Sonne durch Schattenwerfen der Pfosten oder Konstruktionsrahmen der Wandele-
mente oder durch Reflexionen der Scheinwerfer an die Wandoberfläche entstehen könnten,
− Gefährdung der Vögel, insbesondere, wenn die Wand gut gereinigt ist und damit unsichtbar
wird,
− Gefährdung der Menschen, insbesondere Ortsfremder, wenn die Wand schwer erkennbar
ist,
− leichte Zerstörung,
− Körperverletzung durch Splitter beim Bruch von Glaswänden,
− ständige Reinigung und Wartung,
− hohe Gefährdung der Oberfläche durch Kratzer und andere Beschädigungen bei Kunst-
stoffschirmen.
Es ist aber möglich, einem Teil dieser Nachteile durch entsprechende Maßnahmen entgegen-
zuwirken, z.B. durch
385
Bild II.3.94: Beispiele für Lärmschutzwände mit partieller Verglasung und Betonsockel.
Aufgrund der hohen Herstellungs- und Wartungskosten sowie hinsichtlich des Kosten- und
Nutzenverhältnisses muss die Errichtung eines durchsichtigen Schallschirmes gründlich über-
legt und abgewogen werden. Häufig werden aus diesen und aus Gründen der Ästhetik, An-
passung an die Landschaft usw. auch kombinierte Lärmschutzwände eingesetzt, wie Bild
II.3.95 es exemplarisch zeigt.
Bild II.3.95: Kombinierte (transparente/nicht transparente) Lärmschutzwand, zum Teil auch begrünt.
Als Material für transparente Lärmschutzwände haben sich bei den Glasschirmen Einschei-
bensicherheitsglas und bei Kunststoffen Polycarbonate bewährt. Die Polycarbonate besitzen
aufgrund ihrer höheren Materialdämpfung ein höheres Schalldämm-Maß als Glas. Die Lärm-
schutzwände aus Kunststoff haben gegenüber den Glasschirmen den Vorteil, dass sie unzer-
brechlich sind. Ihnen wird auch eine relativ hohe Temperaturbeständigkeit (bis 135°C), eine
hohe Widerstandsfähigkeit gegen Sprödigkeit, gute Witterungsbeständigkeit und klare Durch-
sicht zugeschrieben.
Maßgebend für die schalltechnische Wirksamkeit einer Lärmschutzwand sind an erster Stelle
das Flächengewicht des Materials, die geometrische Dimensionierung der Wand, ihre Form
und Dichtigkeit sowie ihre Oberflächenbeschaffenheit. Hinzu kommen noch die meteorologi-
schen und verkehrstechnischen Bedingungen, welche die Abschirmwirkung der Lärmschutz-
wände mitbestimmen. Unter den an Straßen vorherrschenden Bedingungen lassen sich durch
die Schallschutzwände, je nach Wandhöhe und Abstand des zu schützenden Ortes von der
386
Wand, Schallpegelminderungen von 5 dB(A) bis 15 dB(A) erreichen. Um diese Pegelminde-
rungen zu erzielen, muss die Wand ein Schalldämm-Maß von mindestens R = 15 dB(A) bis
30 dB(A) besitzen. Bei einschaligen, homogenen und dichten Wänden können diese Werte
erzielt werden, wenn das Bauteil ein Flächengewicht von 5 kg/m2 bis 10 kg/m2 aufweist. In
"Zusätzliche Technische Vorschriften und Richtlinien für die Ausführung von Lärmschutzwän-
den an Straßen" ZTV-Lsw 06 werden folgende Anforderungen gestellt:
I. Material
Beton 80 bzw. 70
Glas 12,0
Holz 8,0
Kunststoff 6,0 bzw. 2,5
Leichtmetall 1,0
Stahl 1,0
Ziegel -
a. Mindest-Schalldämm-Maß 25 dB,
b. flächenbezogene Masse, mindestens 40 kg/m2,
c. der von der Wand reflektierte Schall muss
− bei reflektierender Oberfläche einen um weniger als 4 dB,
− bei absorbierender Oberfläche einen um mindestens 4 dB aber weniger als 8 dB,
− bei hochabsorbierender Oberfläche einen um mindestens 8 dB
geringeren Schallpegel als der auf diese Fläche auftreffende Schall haben.
III. Standsicherheit
IV. Verkehrssicherheit
V. Beständigkeit
387
Schallabschirmung
Bild II.3.96 stellt schematisch die geometrische Anordnung einer Schallquelle (Emissionsort),
eines dünnen Schallschirms und eines Empfängers (Immissionsort) dar. Der resultierende Im-
missionspegel hinter dem Schirm ergibt sich durch Überlagerung des an den Kanten und Rän-
dern gebeugten und des durch den Schirm durchgehenden Schalls. Der über die Kanten ge-
beugte Schall hängt im Wesentlichen von den geometrischen Verhältnissen des Schallschir-
mes ab. Die maßgebende Größe zur Beurteilung der Wirkungsweise eines Schallschirms ist
die erreichbare Pegelminderung, d. h. Abschirmwirkung L, die durch frequenzabhängige Grö-
ßen Einfügungsdämpfungsmaß De und Abschirmmaß Lz charakterisiert wird. De gibt gemäß
Gleichung (II.3.77) die Differenz der Schallpegelminderung in einem Immissionsort für die
Fälle mit und ohne Schirm an und kann nur messtechnisch ermittelt werden.
Bild II.3.96: Schematisch dargestellte Anordnung einer Punktschallquelle, eines dünnen Schallschir-
mes und des Empfängers mit Angabe der Schallumwege, der effektiven Höhe und des
Beugungswinkels.
mit
Das Abschirmmaß Lz wird im Wesentlichen von den Schallumwegen um die Wand bestimmt.
Für eine dünne Schallschutzwand gemäß Bild II.3.96 ergibt sich der Schirmwert z zu
2
heff 1 1
z = rQ + rE - r = 2 a
( + b) [m] (II.3.78)
388
Auch die geometrische Dimensionierung der Lärmschutzwände, ihre konstruktive Gestaltung,
der Standort, die Lage zur Lärmquelle und die meteorologischen Gegebenheiten des Standor-
tes beeinflussen ihre Abschirmwirkung. Der Einfluss der meteorologischen Bedingungen auf
die Abschirmwirkung ist zum Teil gravierend. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang
insbesondere die Wind- und Temperaturverhältnisse im Umfeld des Bauteils. Beeinflusst wird
die Wirksamkeit einer Lärmschutzwand insbesondere durch ihre Wechselwirkung mit den Bau-
körpern in bebauten Gebieten, wie Bild II.3.97 es exemplarisch zeigt. Infolge dieser Wechsel-
wirkung ist sogar eine Erhöhung des Lärmpegels nach der Errichtung einer Lärmschutzwand
nicht ausgeschlossen.
Bild II.3.97: Berechnete Schallpegelverteilung in zwei bebauten Gebieten. Oben werden die Situatio-
nen abgeschirmtes bebautes Gebiet mit einem freien Gelände verglichen. Unten wird die
Schallpegelverteilung in einem bebauten Gebiet unter Auswirkung unterschiedlicher
Lärmschutzwände wiedergegeben.
389
Windströmung
Die Luft verhält sich bei üblichen atmosphärischen Drücken annähernd inkompressibel. Dies
führt bei einer Verengung des Durchlassquerschnittes, zum Beispiel zwischen Gebäuden, zu
einer Erhöhung der Windgeschwindigkeit. Hindernisse führen ihrerseits zu einer Ab- und Um-
lenkung der Strömung, die sich in einiger Entfernung zum Hindernis auswirkt, Bild II.3.98 bis
Bild II.3.101.
Bild II.3.98: Berechnete Windströmung in einem bebauten Gebiet ohne und mit Lärmschutzwand,
nach [3].
Bild II.3.99: Darstellung der Windströmung in einem bebauten Gebiet. Ergebnisse der strömungsme-
chanischen Berechnungen in vektorieller Darstellung für Ostwind von 2 m/s, eingefärbt
nach der Geschwindigkeit, nach [3].
390
Bild II.3.100: Dreidimensionale Darstellung der Windströmung in einem bebauten Gebiet. Ergebnisse
der strömungsmechanischen Berechnungen in vektorieller Darstellung für Ostwind von 2
m/s, eingefärbt nach der Geschwindigkeit, nach [3].
Bild II.3.101: Dreidimensionale Darstellung der Windströmung in einem bebauten Gebiet. Ergebnisse
der strömungsmechanischen Berechnungen für Ostwind von 2 m/s, dargestellt als Strom-
linien und eingefärbt nach der Geschwindigkeit, nach [3].
Wie Bild II.3.102 zeigt, können durch die Lage der Lärmschutzwände zueinander und zu an-
deren Bauwerken insbesondere die folgenden Strömungseffekte entstehen, die zu erhöhter
Windgeschwindigkeit führen können:
− Lückeneffekt entsteht beim Durchströmen von Wind durch Lücken in einem ansonsten ge-
schlossenen Strömungshindernis. Dies ist z.B. gegeben, wenn Straßenkreuzungen den
Verlauf einer Lärmschutzwand unterbrechen. Durch den Abriss der Strömung an den Kan-
ten der Seitenflächen entstehen Turbulenzen und eine Erhöhung der Windgeschwindigkeit.
− Düseneffekte treten auf, wenn sich z. B. Gebäuden der Wand schräg annähern. Dabei wer-
den die Stromlinien durch den sich verkleinernden Baukörperabstand kontinuierlich zusam-
mengedrängt, was aufgrund des inkompressiblen Verhaltens der Windströmung zu einer
Vergrößerung der Windgeschwindigkeit führt.
− Umlenkeffekte entstehen, wenn Lärmschutzwände zueinander oder zu den anderen Bau-
körpern versetzt angeordnet sind. Dabei entsteht bei der Baukörperanströmung auf der
391
Luvseite ein Überdruck auf der Leeseite ein Unterdruck, wodurch die Luft von der vorderen
Seite eines Baukörpers zur Rückseite des anderen abgesaugt wird. Dadurch wird die Wind-
strömung beschleunigt und von der ursprünglichen Richtung abgelenkt, Bild II.3.103.
Bild II.3.102: Schematische Darstellung von Strömungseffekten, die sich aufgrund der Baukörperano-
rdnung einstellen, nach [4].
Nicht selten versagen die Lärmschutzwände in Wohngebieten. Der Vergleich der Messergeb-
nisse gemäß Bild II.3.105, die bereits vor der Aufstellung einer Lärmschutzwand im Wohnge-
biet (Bild II.3.104), ermittelt wurden, mit denen nach der Aufstellung der Wand, bestätigen
dies. Es stellte sich heraus, dass die Lärmbelastung im Wohngebiet nach dem Bau der Lärm-
schutzwand stellenweise größer geworden ist als vorher. Dies bestätigen auch die Ergebnisse
einer gleichzeitig durchgeführten Befragung der Anwohner gemäß Bild II.3.106. Danach be-
urteilen 58 % der Probanden die Lärmsituation in ihrem Wohngebiet als unverändert und 19
% von ihnen sind der Auffassung, dass sie schlechter geworden ist als vorher. D. h., dass für
77 % der Anwohner die Lärmschutzmaßnahme keine Verbesserung herbeigerufen hat. 19 %
von Ihnen waren sogar vor der Aufstellung der Wand weniger lärmbelastet als danach.
392
Bild II.3.104: Schematische Darstellung des untersuchten Wohngebiets mit Angabe der Messpunkte
und der Lärmschutzwand (gestrichelte Linie), nach [5].
393
Bild II.3.105: Gemessene Mittelungspegel im Wohngebiet gemäß Bild II.3.104. Dargestellt sind die
Pegel in Abhängigkeit von der Entfernung zur Lärmquelle in verschiedenen Höhen, nach
[5].
Bild II.3.106: Beurteilung der Lärmsituation im Gebiet nach Bild II.3.104 nach dem Aufstellen der Lärm-
schutzwand durch die Anwohner, nach [5].
Bild II.3.104 kann entnommen werden, dass sich dicht hinter der Lärmschutzwand eine deut-
liche Abschirmwirkung einstellt, die aber sehr schnell mit der Entfernung abnimmt. Im Nahbe-
reich liegen die Mittelungspegel ohne Lärmschutzwand über denen mit Wand, ab einer Ent-
fernung von etwa 100 m zur Lärmquelle kehren sich die Verhältnisse um. Während die Lärm-
pegelverteilung vor dem Bau der Lärmschutzwand in 1,5 m über dem Boden einen von der
Entfernung abhängigen logarithmischen Verlauf zeigt, stellt sich nach dem Bau der Wand ein
eher entfernungsunabhängiger Pegel ein. Diese Situation ähnelt dem Pegelverlauf in Räumen
bei diffusem Schallfeld außerhalb des Hallradius, Bild II.3.106. Dieser Effekt führt im unter-
suchten Raum (Wohngebiet) zu einem gleichmäßigen Geräuschpegel von etwa 50 dB(A),
Diese Feststellung wird insbesondere dadurch bestätigt, dass sich in Bodennähe (in 1,5 m
Höhe) der gleichmäßige Geräuschpegel infolge des "geschlossenen Raumes" einstellt, in der
Höhe von 5 m dagegen sich die Schallausbreitung von der Raumwirkung kaum beeinflussen
lässt.
394
Bild II.3.107: Schematische Darstellung der Schallpegelabnahme mit der Entfernung für verschiedene
Schallfelder.
Bidirektionale Schallausbreitung
Bild II.3.108: Schematische Darstellung Schallpegeländerung bei mono- und bidirektionaler Schallaus-
breitung in Abhängigkeit von der Entfernung, nach [6].
395
Bild II.3.109: Gemessene Mittelungspegel in Abhängigkeit von der Entfernung der Immissionspunkte
1 bis 16. Dargestellt ist die Abnahme des Pegels mit der Entfernung bei monodirektiona-
ler (links; Straße A) und mit der relativen Entfernung bei direktionaler Schallausbreitung
(rechts; Straßen A und B). Die durchgezogenen Kurven geben die durch die Regressi-
onsanalyse ermittelten Verläufe, links unter Zugrundelegung des logarithmischen und
rechts des parabolischen Ansatzes, nach [6].
Bild II.3.109 zeigt die gemessenen Mittelungspegel in einem Wohngebiet in Abhängigkeit von
der Entfernung. Links im Bild werden die Messergebnisse bei monodirektionaler Schallaus-
breitung und rechts die der bidirektionalen Ausbreitung dargestellt. Bei monodirektionaler
Schallausbreitung wird der Schallpegel beim Vorhandensein einer Schallquelle A mit zuneh-
mender Entfernung, je nach Geländeform und Windrichtung kleiner, wie Bild II.3.109 (links)
es verdeutlicht. Werden dagegen beide Straßen A und B zusammen betrachtet, dann nimmt
der Schallpegel von einer der Straßen betrachtet ab einer bestimmten Entfernung nicht weiter
ab, sondern wieder zu, wie Bild II.3.109 (rechts) es zeigt. In jedem beliebigen Immissionspunkt
liegt damit eine Superposition der Schallenergie beider Schallquellen vor.
Da die Abstände zwischen den beiden Lärmquellen in der Regel nicht konstant sind, wird sinn-
vollerweise eine relative Entfernung rr definiert, die im Bild II.3.109 (rechts) als Entfernungs-
skala auf der Abszisse aufgetragen ist. Definiert wird sie gemäß Gleichung (II.3.79) als Ver-
hältnis der kürzesten Entfernung r eines Messpunktes P von der einen Straße zur Summe des
Abstandes r und der Entfernung r1 des betreffenden Immissionspunktes P zu der anderen
Quelle:
r
rr = r + r1
[-] (II.3.79)
mit
396
Ein Punkt auf der Abszissenachse (Bild II.3.109, rechts) bei Null würde somit bedeuten, der
Punkt befände sich über der Fahrbahnmitte der eine Lärmquelle, der Wert 1 dagegen würde
darauf hindeuten, dass er sich über der Fahrbahnmitte der zweiten Straße befindet. Je nach-
dem, in der Nähe welcher der beiden Schallquellen der Immissionspunkt sich befindet, würde
sich dort der Einfluss der einen Quelle stärker bemerkbar machen als der der anderen.
Die Darstellung im Bild II.3.109 zeigt, dass der logarithmische Ansatz, wie er bei monodirek-
tionaler Schallausbreitung verwendet wird, im bidirektionalen Fall allerdings nur bis zu einer
bestimmten relativen Entfernung (in der sich die andere Straße noch nicht bemerkbar macht)
gültig ist. Der Schallpegelverlauf der bidirektionalen Ausbreitung kann durch eine einzige
Funktion beschrieben werden, wenn dafür statt eines logarithmischen ein polynominaler An-
satz nach Gleichung (II.3.80) verwendet wird.
Schematisch ist diese Funktion in Bild II.3.109 (rechts) als durchgezogene Kurve dargestellt.
Dem Bild kann entnommen werden, dass die Polynomfunktion die Pegeländerungen mit der
Entfernung sehr gut wiedergibt.
Bild II.3.110 stellt schematisch den akustisch wirksamen Bereich hinter einer Lärmschutzwand
dar, der in Schallgrenz-, Wandhöhen- und Bodenbereich unterteilt wird. Die Wirksamkeit von
schallabsorbierenden Maßnahmen an der Lärmschutzwand wird aus dem Bild II.3.110 (unten)
ersichtlich. Dort wird verglichen, wie die oben genannten Bereiche durch unterschiedliche An-
ordnung des Schallabsorptionsmaterials gemäß Bild II.3.111 (oben) beeinflusst werden. Im
Bild II.3.112 wird dargestellt, welchen Einfluss die schallabsorbierende Verkleidung der Beu-
gungskante (Oberkante) ausübt.
Schattengrenzbereich
Wandhöhenbereich
Bodenbereich
10 cm
4m
1m
5m 15 m
1,25 m
Bild II.3.110: Schematische Darstellung der einzelnen Bereiche hinter einer Lärmschutzwand.
397
Schallabsorbierende Lärmschutzwände
10 cm 20 cm
2m
4m A B C D
2m
4
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Schattengrenze Wandhöhe Bodennähe
A B C D
Bild II.3.111: Gemessene Verbesserung der Abschirmwirkung von unterschiedlich schallabsorbierend
verkleideten Lärmschutzwänden.
20 cm 10 cm
4m
A B
4
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Schattengrenze Wandhöhe Bodennähe
A B
Bild II.3.112: Gemessene Verbesserung der Abschirmwirkung einer an der Oberkante schallabsorbie-
rend verkleideten Lärmschutzwand.
398
Neigung
Wie Bild II.3.113 es verdeutlicht, kann durch Variation der Neigung der Lärmschutzwand ihre
Abschirmwirkung auch gesteuert werden. Eine nach innen geneigte Lärmschutzwand ( < 90°)
bewirkt eine Lärmpegelerhöhung im Straßenraum (nachteilig für die Benutzer des Fahrweges).
Dagegen wird die Lärmbelastung in der Nachbarschaft aufgrund der durch den Neigungswin-
kel gegebenen größeren effektiven Höhe der Wand reduziert. Eine Neigung der Lärmschutz-
wand nach außen ( > 90°) vermindert deren Wirksamkeit hinsichtlich des Schallschutzes in
der Umgebung der Lärmquelle. Die effektive Höhe nimmt dabei ab, und es treten im Umfeld
der Straße höhere Lärmpegel auf als bei senkrechter oder nach innen geneigter Lärmschutz-
wand. Insbesondere bei Mitwind (d.h. Windrichtung zum Immissionsort gerichtet) ist eine sol-
che Variante ungünstig.
399
Undichtigkeiten
Bild II.3.114: Beispiel für eine Überlappung der Lärmschutzwand an der Stelle, wo Fußgänger und
Radweg die Straße verlassen.
Tabelle II.3.12: Einfluss von Öffnungen und Undichtigkeiten auf die resultierende Schalldämmung von
Bauteilen bei verschiedenen Öffnungsanteilen.
Der Einfluss von Undichtigkeiten auf die Abschirmwirkung von Lärmschutzwänden wird in Bild
II.3.115 und Bild II.3.116 deutlich.
400
30
rE = 40 m
20
10
dichte Wand, 4 m
1 mm Schlitze
5 mm Schlitze
0
0 63 125 250 500 1000 2000 4000 8000
Oktav - Mittenfrequenz [Hz]
Lärmschutz-
wand 4 m
h
rQ rE
401
Auskragung
Dagegen kann die Abschirmwirkung der Lärmschutzwand verbessert werden, wenn die Ober-
kante der Wand gemäß Bild II.3.117 ausgekragt wird, wie Bild II.3.118 es verdeutlicht.
Bild II.3.118: Gemessener Schallpegelminderungsgewinn in Abhängigkeit von der Frequenz bei einer
ausgekragten Lärmschutzwand.
402
Wie bereits oben ausgeführt, ist auch die Geometrie einer Lärmschutzwand für ihre Abschirm-
wirkung maßgebend. Bild II.3.119 zeigt die Abhängigkeit des Abschirmmaßes von dem Ver-
hältnis Länge der Wand zur Entfernung von der Lärmquelle. Bild II.3.120 gibt die Abhängigkeit
des Abschirmmaßes von der Höhe der Wand wieder. Bild II.3.121 zeigt, welchen Einfluss die
Verlängerung einer Lärmschutzwand auf ihre Schallpegelminderung ausübt.
Bild II.3.119: Abschirmmaß in Abhängigkeit vom Verhältnis Länge zur Entfernung. Als Parameter ist
das Abschirmmaß einer unendlichen Lärmschutzwand aufgetragen.
20
10
0 2 4 6 8
Höhe [m]
Bild II.3.120: Abschirmmaß in Abhängigkeit von der Höhe der Lärmschutzwand.
403
16
12
m
0
m
10
0
20
8
0
0 100 200 300 400
Verlängerung [m]
eb iet
Wohng
Straße
Verlängerung
Bild II.3.121: Schallpegelminderung in Abhängigkeit von der Verlängerung einer Lärmschutzwand. Als
Parameter ist die Entfernung des Immissionsortes von der Lärmquelle aufgetragen, nach
[8].
Schalltechnisch ist es vorteilhaft, wenn die Lärmschutzwand an ihren beiden Enden erst all-
mählich ihre erforderliche Höhe erreicht. Dadurch kann eine plötzliche und unangenehme Pe-
gelschwankung an den Enden der Lärmschutzwand vermieden werden. Bild II.3.122 zeigt den
Vergleich zwischen den Schallpegelabnahmen durch eine rechteckförmige Lärmschutzwand
und einer Wand, deren Höhe am Ende des Bauteils allmählich abnimmt.
404
tatsächlicher Pegelverlauf
L0 freie Schallausbreitung
Lärmschutzwand kon-
stanter Höhe
L0
L
L
Mindestver-
längerung
Lärmschutzwand
Beobachter Straße
Entfernung
tatsächlicher Pegelverlauf
L0 freie Schallausbreitung
Lärmschutzwand kon-
stanter Höhe
L0
L
L
Mindestver-
längerung
Lärmschutzwand
Beobachter Straße
Entfernung
Bild II.3.122: Schematischer Verlauf der Schallpegelabnahme hinter einer Lärmschutzwand.
oben: rechteckförmige Wand
unten: Wand mit abnehmender Höhe am Bauteilende
Aufblasbare Schallschirme
Die Belästigung durch mobile und temporäre Lärmquellen gewinnt, wie Bild II.3.123 zeigt,
immer mehr an Bedeutung. Herkömmliche Schallschirme sind teuer und nur bei stationären
Lärmquellen geeignet. Bei mobilen Quellen mit begrenzter Betriebsdauer wird daher meist auf
den Einsatz von Schallschutzeinrichtungen verzichtet. Die Idee der aufblasbaren Schall-
schirme Bild II.3.124 besteht darin, selbsttragende, aufblasbare Elemente aus Folien oder
Membranen zu verwenden, aus denen sich Bauteile unterschiedlicher Form und Größe Bild
II.3.125 herstellen lassen, die für den temporären Einsatz geeignet sind.
405
20
Nachbarschafts-
lärm
15
10
Gewerbelärm
Freizeitanlagen
5
Kinder
Tierlärm
Sportanlagen Freizeit- Arbeits-
schützen platz Baulärm Altglas-
Glocken container
0
Bild II.3.123: Prozentueller Anteil von Betroffenen, die sich nach den statistischen Ermittlungen des
Deutschen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung in den Jahren 1998 bis 1999 über den Lärm
temporärer Quellen beschwert haben.
406
Die Elemente aufblasbarer Schallschirme bestehen aus einer geschlossenen Hülle, die mit
einem Gas - in der Regel mit Luft - gefüllt wird. Sie können eine oder mehrere Luftkammern
(Bild II.3.126) sowie elastische Verbindungsstege (Abstandhalter) zwischen den äußeren
Schalen enthalten, die die Form und Stabilität in aufgeblasenem Zustand bestimmen. In akus-
tischer Hinsicht stellen diese Elemente leichte biegeweiche Doppelschalen dar. Ihre Schall-
dämmung ist oberhalb der Resonanzfrequenz erheblich höher als bei einer gleich schweren
Einzelschale.
Luftkammer
Ventil
Luftführung
Der resultierende Immissionspegel hinter einem Schallschirm ergibt sich auch hier durch Über-
lagerung des an den Kanten gebeugten und des durch den Schirm durchgehenden Schallan-
teils. Der gebeugte Anteil hängt im Wesentlichen nur von den geometrischen Verhältnissen
des Schallschirmes ab und ist deshalb bei aufblasbaren und massiven Konstruktionen gleich
groß. Der Transmissionsanteil durch den Schirm, der bei massiven Bauteilen mit einer flä-
chenbezogenen Masse von mehr als 10 kg/m2 praktisch zu vernachlässigen ist, kann bei auf-
blasbaren Schirmen wegen der geringeren Schalldämmung unter bestimmten Voraussetzun-
gen von Bedeutung sein. Da die Einfügungsdämpfung in der Praxis aber selten mehr als 10
dB bis 15 dB beträgt, ist ein bewertetes Schalldämm-Maß von 25 dB immer ausreichend. Die-
ser Wert wird bei entsprechender Konstruktion auch von leichten, aufblasbaren Elementen
erreicht, wie dies Bild II.3.127 zeigt. Dem Bild kann entnommen werden, dass bei Bauteilen
mit Längskammern höhere Schalldämmungen erzielt werden als bei der gleichen Anzahl von
in Querrichtung angeordneten Kammern. Die Untersuchungen haben auch ergeben, dass mit
der Verfeinerung der Partionierung der Schirmfläche das Schalldämm-Maß wächst. Auch die
Geometrie der Kammern beeinflusst die Schalldämmwirkung der Gesamtkonstruktion. Die Zu-
nahme des Fülldrucks führt bei hohen Frequenzen zur Abnahme und bei niedrigen Frequen-
zen zur Zunahme der Schalldämmung.
407
30
X
X
X X
25 X
X
X X
X
X
20 X
X
X
X
15 X
X
10
Aufblasbare Schirme:
Kammern, quer Rw = 18 dB
5 Kammern, längs Rw = 20 dB
massiver Schirm Rw = 23 dB X
0
125 250 500 1000 2000 4000
Frequenz [Hz]
Bild II.3.127: Schalldämm-Maß eines massiven und zweier aufblasbarer Schallschirme als Funktion
der Frequenz nach Bild II.3.126. Der massive Schirm bestand aus 16 mm dicken Span-
platten mit einer flächenbezogenen Masse von 10,3 kg/m2. Die aufblasbaren Schirme
waren Konstruktionen mit einer Foliendicke von 0,8 mm, einer flächenbezogene Masse
von 1,99 kg/m 2 und bestanden jeweils aus 4 Kammern, nach [9].
Bild II.3.128 gibt die gemessenen Einfügungsdämpfungsmaße eines massiven und eines auf-
blasbaren Schallschirmes wieder. Die ersten Untersuchungen zeigen, dass es aufgrund der
flexiblen Formgebung der aufblasbaren Schallschutzelemente im Gegensatz zu den massiven
Konstruktionen möglich ist, den gebeugten Schallanteil erheblich zu reduzieren und damit die
Abschirmung wesentlich zu verbessern. Dies ist bei herkömmlichen Schallschirmen mit auf-
wendigen zusätzlichen Maßnahmen nur bedingt möglich. Bild II.3.129 gibt die Messergeb-
nisse beim Einsatz aufblasbarer Wandelemente entlang der Baustelle gemäß Bild II.3.125
wieder. Dem Bild kann entnommen werden, dass durch diese Konstruktionen je nach Quelle
des Lärms Schallpegelminderungen bis über 20 dB(A) erreichbar sind.
30
x massiver Schirm
Einfügungsdämpfungsmaß [dB]
25 aufblasbarer Schirm
20
x
x x
15 x x
x x x x
x x
x
10 x
x
x
x
0
125 250 500 1000 2000 4000
Frequenz [Hz]
Bild II.3.128: Einfügungsdämpfungsmaß des massiven Schallschirms gemäß Bild II.3.126 und eines
aufblasbaren Schallschirms als Funktion der Frequenz nach Bild II.3.127. Der aufblas-
bare Schirm war 13 cm dick und hatte eine flächenbezogene Masse von 1,6 kg/m 2, nach
[9].
408
90 90
80 80
70 70
60 60
50 50
40 40
RTP, Gemessen ohne Abschirmung
RTP, Gemessen mit Abschirmung
RTP, Berechnet ohne Abschirmung
RTP, Berechnet mit Abschirmung
30 30
125 250 500 1000 2000 4000 125 250 500 1000 2000 4000
Frequenz [Hz] Frequenz [Hz]
Bild II.3.129: Immissionspegel eines Baggers und einer Rüttelplatte ohne und mit Abschirmung durch
eine aufblasbare Lärmschutzwand, gemessen auf der Baustelle gemäß Bild II.3.124 in
Abhängigkeit von der Frequenz.
409