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Peter H.

Kunz

Konstruktionen

historischer Feuerwaffen

Beschreibungen und Konstruktionszeichnungen


einer Auswahl historischer Feuerwaffen
aus der Zeit von 1300 bis 1900
© Copyright 2020 by Peter H. Kunz und Stiftung Feuerwaffen Peter Kunz, Schaffhausen, Schweiz

Das Werk ist urheberrechtlich in allen Teilen geschützt.


Jede Verwertung (Vervielfältigung, Übersetzung, Microverfilmung, elektronische Erfassung u. a. m.) dieses
Werkes oder einzelner Teile davon ist ohne Zustimmung des Autors oder des Verlags unzulässig.

Autor: Peter H. Kunz, Schaffhausen

Grafik, Layout, Satz: Peter H. Kunz, Schaffhausen

Verlag: Stiftung Feuerwaffen Peter Kunz, Schaffhausen, Schweiz

Internet: www.feuerwaffen.ch

Druck: Best Price Printing, Deutschland

ISBN: 978-3-033-08077-5
Inhalts-Übersicht

Ziel des Buches, Gesetze und Sicherheit, Haftung ........... 1


Funktionsweisen, Herstellmethoden, Konstruktionen ........ 3
Um 1326 Feuerrohr, König Eduard III., England ............................ 5
Um 1340 Loshult-Büchse ............................................................ 9
Um 1380 Vierläufige Stabbüchse ................................................. 25
Um 1375 Eisernes Faustrohr ....................................................... 31
Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse .............................................. 35
Um 1430 Geschäftete Handbüchse, «Tiber-Büchse» ..................... 49
Um 1450 Frühes Luntengewehr ................................................... 56
Um 1470 Eisenstangen-Hakenbüchse ......................................... 61
Um 1470 Hinterladergeschütz ..................................................... 65
Um 1480 Mönchsbüchse ........................................................... 79
Um 1500 Kleine Hakenbüchse ................................................... 85
Um 1514 Basler Schützen-Schwammbüchse ................................. 91
Um 1525 Frühe Radschlosspistole ............................................... 97
Um 1540 Bronze-Doppelhakenbüchse ........................................ 103
Um 1540 Zusammenklappbare Lafette ........................................ 105
Um 1550 Militärische Luntenmuskete ........................................... 117
Um 1580 Prunk-Schnapphahn-Gewehr ........................................ 123
Um 1580 Schnapphahn-Pistole, Suhl ........................................... 131
Um 1590 Schwere Lafette ........................................................... 145
Um 1590 Radschloss-Karabiner ................................................... 147
Um 1600 Grosses Musketen-Radschloss ...................................... 159
Um 1600 Grosse Radschloss-Muskete ......................................... 177
Um 1600 Bandelier .................................................................... 181
Um 1619 Segmentschloss-Gewehr, System Rafaele Verdiani .......... 185
Um 1620 Prunkradschloss-Gewehr, Frankreich ............................. 207
Um 1620 Kleine Hagelbüchse, 21-läufig ..................................... 225
Um 1635 Fahrbare Hinterlader-Wallbüchse, Habsburg ................. 245
Um 1640 Florentinisches Schnapphahngewehr ............................. 255
Um 1650 Wertheimer Wallbüchse ............................................... 265
Um 1650 Pulverhorn einer Wallbüchse ........................................ 273
Um 1650 Ladeschaufel einer Wallbüchse .................................... 277
Um1650 Barock-Radschloss-Jagdbüchse .................................... 279
Um 1700 Kaukasische Radschloss-Tromblon-Pistole ..................... 297
Um 1713 Doppelhakenbüchse, Hallau ........................................ 313
Um 1760 Französisches Steinschloss ........................................... 323
Um 1750 Wender-Steinschlosspistole .......................................... 335
Um 1807 Forsyth «Roller Primer» Perkussionsgewehr ..................... 367
Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole .................... 391
1814 bis 1840 Verschiedene frühe Perkussions-Systeme ........................ 403
Ab 1840 Verschiedene Transformationsmethoden ........................ 415
Um 1842 Transformation Flintschloss M177 in Perkussion M1840 ... 417
Um 1845 Transformiertes Perkussionsschloss M1817/42/59, Schweiz 421
Um 1850 Verschiedene Transformationen ..................................... 429
Um 1860 Perkussionsschloss mit rückliegender Feder .................... 431
Schlussbetrachtungen .................................................. 433
Literatur-Nachweis ....................................................... 435
Bilder-Nachweis .......................................................... 435
Über den Autor ........................................................... 437
Weitere Bücher des Autors ........................................... 439
Waffenkammer Schloss Wellenberg .............................. 441
Ziel dieses Buches Gesetze und Sicherheit
Ziel dieses Buches
Folgende Bücher wurden bis anhin vom Autor veröffentlicht:
• Technische Entwicklung der Feuerwaffen, 1200 bis 1900
• Restaurieren von Vorderladerwaffen
• Alte Handwerkskunst erklärt an historischen Feuerwaffen
• Schiessen mit historischen Feuerwaffen
Noch fehlt jedoch ein wichtiger Teil, welcher die Konstruktionen und die damaligen Herstellmethoden
für historische Feuerwaffen darzustellen versucht. Dies ist das Ziel des vorliegenden Buches.

Gesetze und Sicherheit


Auch Vorderlader-Feuerwaffen sind Waffen und können lebensgefährlich sein.
• Durch den Eigentümer der Waffen und durch den Schützen sind unbedingt alle erforderlichen Vor-
sichtsmassnahmen bei der Handhabung der Waffen anzuwenden.
• Für den Erwerb oder Eigenbau einer Waffe sind die vorgeschriebenen Gesetze einzuhalten.
• Vor dem Einsatz einer Waffe ist sie durch einen Experten auf deren Sicherheit und Funktionstüchtigkeit
zu prüfen.
• Für den Nachbau der Waffen dürfen nur einwandfreie Werkstoffe eingesetzt werden, welche eine
Schiesstauglichkeit gewähren.
• Bestehen Zweifel hinsichtlich der hier dargestellten Konstruktionen bezüglich Schiesstauglichkeit, Funk-
tionssicherheit, Festigkeit oder Herstellbarkeit so ist alleine die den Nachbau in Auftrag gebende oder
den Nachbau durchführende Person oder Organisation dafür verantwortlich, dass der Nachbau so
verbessert wird, dass er alle entsprechenden Anforderungen erfüllt.
• Ist durch das Gesetz ein amtlicher Beschuss erforderlich, so ist dieser vorgängig zum Schiessen
durchzuführen.
• Es darf nur im Markt erhältliches Schwarzpulver eingesetzt werden. Die Qualität, Körnung und Dosie-
rung des Schwarzpulvers sowie die verwendeten Geschosse müssen auf die Waffen abgestimmt sein.
Bei Ungewissheit ist ein Experte beizuziehen.
• Die Waffen dürfen nur in einem gesetzlich zugelassenen Bereich eingesetzt werden. Die örtlichen Vor-
schriften dazu sind zu beachten.
• Empfehlenswert ist, dass beim Schiessen stets eine zweite Person, welche sich mit dem Vorderlader-
schiessen hinreichlich auskennt, anwesend ist.
• Besteht eine Ungewissheit bezüglich dem Ladezustand einer Waffe, so muss diese durch einen Waffen-
experten entsprechend untersucht und allenfalls fachmännisch entladen werden.

Haftung
Der Leser dieses Buches trägt die alleinige Verantwortung für die von ihm durchgeführten Waffenhand-
habungen oder Schiessversuche. Er ist dafür verantwortlich, dass kein Schaden entsteht und die Gesetze
eingehalten werden.
Der Verfasser lehnt jede Haftung ab.

1
Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

Bei der Belagerung der Burg Tannenberg in den Jahren 1398 bis 1399 wurden bei deren Verteidigung
von dem dort ansässigen Raubritter Hartmann der Jüngere unter anderem bronzene Stabbüchsen
eingesetzt. Die Burg wurde damals vollständig zerstört. Anlässlich von Ausgrabungen im Jahre 1849
wurde eine bronzene Stabbüchse in sehr gutem Zustand gefunden. Bei der Tannenberg-Stabbüchse ist
damit eine eindeutige Datierung vor 1399 möglich.

Tannenberg-Stabbüchse, Kaliber 15.2 mm, Lauflänge 286.4 mm, Waffenlänge 320 mm

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Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

Die Tannenbergbüchse ist in Bronze gegossen. Sie besitzt einen sich nach vorne verjüngenden
Oktogonallauf mit Mündungswulst. Der Pulverkammerbereich hat wiederum einen oktogonalen Quer-
schnitt gleichbleibender Dicke. Dieser ist jedoch grösser als jener des Laufes. Am hinteren Ende befindet
sich eine konische Tülle für die Befestigung eines wiederum oktogonalen Holzstabes. Das Zündloch auf
dem Lauf ist leicht nach links verschoben und wird von einer ovalen, flachen Pulverpfanne eingefasst.
Die Bohrung hat ein Kaliber von ca. 15.2 mm. Der Pulverraum besitzt eine Länge von 120 mm und
einen relativ kleinen Durchmesser von nur 9mm.

Hauptmasse

Originalmasse der Tannenberg-Büchse


*Gemäss Germanisches Museum, Nürnberg
**Errechnet aus Nürnberger Angaben und Abbildung

Bemerkungen zum Original


• Die Zentrierung und Parallelführung der Bohrung im Bronzekörpers ist beeindruckend.
• Wie wurden die dünnen Wandungen im vorderen Bereich des Rohres und im hinteren Bereich bei der
Tülle hergestellt? Giesstechnisch ist dies auch heute noch anspruchsvoll.
• Oder wurde die Bohrung mechanisch gefertigt und die konische Tülle spanabhebend gedreht? Auf
einer Drehbank mit Einspannvorrichtung und Zentrierung? So genau?
• Wie konnten sie damals eine nur 9 mm dicke jedoch 100 mm lange Bohrung, beginnend in einer
Tiefe von 154 mm anfertigen?
• Auch beeindruckend ist, wie relativ gleichmässig die acht Flächen über die gesamte Rohrlänge
angeordnet sind.
• Die Tannenbergbüchse stellt auch aus heutiger Sicht eine absolute Meisterleistung in der Dimen-
sionierung und in der Giess- und Bearbeitungstechnik dar.

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Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

Giessverfahren mit einteiliger Form im Wachsausschmelzverfahren

• Das Wachsausschmelzverfahren hatte den grossen Vorteil, dass eine einteilige Form verwendet werden
konnte und nach dem Giessen keine Trennnähte entfernt werden mussten.
• Das Wachsmodell musste, wie das Holzmodell, möglichst genau sein. Ob dieses Wachsmodell direkt
modelliert oder in einer Form gegossen wurde ist nicht bekannt.
• Eine Möglichkeit bestände darin, dass in einem ersten Schritt mit einem genauen Holzmodell und einer
zweiteiligen Form ein Wachsmodell mit Angusstrichter gegossen und dann die Trennnähte entfernt
wurden.

• Um dieses Wachsmodell wurde dann mit Lehm eine dickwandige Form modelliert und diese gut
trocknen gelassen.
• Durch Erwärmen über einer Holzkohlenglut wurde als Erstes das Wachs geschmolzen und aus-
gegossen.
• Diese Form wurde dann sorgfältig erst getrocknet und dann gebrannt.

Senkrechtes Vollguss-Giessverfahren

• Giessform mit Anguss G nach oben so in feuerfesten Topf H stellen, dass Aussenkonturen I genau
fluchten.
• Giessform mit Lehm, Erde oder Sand hinterfüllen. Hinterfüllung J festpressen.
• Flüssige Bronze K ohne Unterbruch so in den Anguss G füllen, dass die Luft L entweichen kann und
der Anguss G vollständig gefüllt ist.
• Giessform abkühlen lassen.
• Lehm-Formhälften aus Topf nehmen und die Lehmform zerschlagen.

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Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

Holzmodell bereitstellen

Aussenseiten der Holzmodellhälften

Innenseiten der Holzmodellhälften mit 3 Postionierungsstifte

Giessen des Tannenbergbüchse-Nachbaus

• Erste Giessformrahmen auf flache und möglichst ebene Auflage legen.


• Holzmodellhälften aussen mit Trennschicht versehen.
• Giessmodellhälfte mit vertieften Positionierungen in die Mitte des Giessformrahmens legen.
• Giessformrahmen mit Giesssand füllen und Sand feststampfen.
• Giessformrahmen so umdrehen, dass Fläche mit eingebetteter Holzmodellhälfte oben liegt.
• Oberseite und Holzmodell der ersten Giessform mit Trennmittel einpudern.
• Zweite Holzmodellhälfte auf Holzmodellhälfte in erster Giessform einstecken.
• Zweiter Giessformrahmen auf ersten Giessformrahmen auflegen und fixieren.
• Zweiter Giessformrahmen mit Giesssand füllen, festpressen und oben glatt streichen.
• Obere Formhälften abheben und so drehen, dass Modellhälfte oben ist.
• Modellhälften an beiden Giessformen sorgfältig aus dem Giesssand entfernen.
• Anguss und Steiger in den Giesssand der zweiten Formhälfte einarbeiten.
• Zweite Formhälfte drehen, dass Giesskavität unten. Angusserweiterung und Steiger herausarbeiten.
• In die Angusserweiterung einen Giesstrichter einbetten. Allfällige Formfehler korrigieren.
• Allfällige Verschmutzung in Kavitäten und Oberflächen wegblasen.
• Zweite Giessform so auf Erste auflegen, dass Giesskavitäten übereinstimmen. Fixieren, beschweren.
• Bronze sorgfältig via Eingiesstrichter in de Giessform giessen bis Steigertrichter gefüllt ist.
• Form abkalten lassen und Giessrohling entnehmen.

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Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

Untere Formhälfte mit Holzmodell Giessen in beschwerte Giessform

Rohguss mit Anguss bei Pulverkammer und Steiger bei Mündung

Anguss und Steiger entfernt

Ausführungsvarianten

Langer, dünner Pulverraum wie Original

Kurzer, dünner Pulverraum für neuzeitliches Schwarzpulver

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Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

Kein separater Pulverraum wie spätere Vorderlader

Mechanische Bearbeitung der Bohrungen und der Tüllenvertiefung

Laufbohrung auf Drehbank herausarbeiten Dünne Pulverraumbohrung anfertigen

Tüllenvertiefung auf Drehbank vorbohren Tüllenvertiefung ausdrehen

Zündloch bohren und Pulverpfanne herausmeisseln

• Sicherstellen, dass die Position des Zündloches sich im Ende der Bohrung befindet.
• Zündloch bohren.
• Kleine ovale Vertiefung um das Zündloch einmeisseln.

Oberflächen-Behandelung, Alterung

• Giesssandstruktur entfernen. (Beim Lehmguss des Originals ist keine Giesssanstruktur)


• Oberfläche an Struktur des Originals anpassen.
• Oberfläche altern.

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Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

Nachbau des Stabes

Nachgebaute Tannenbergbüchse

Schiessversuche
Für die Schiessversuche wurde die Nachbauvariante mit dem langen, dünnen Pulverraum eingesetzt. Da
auch mit der Tannenberg-Büchse ein Zielen unmöglich war, wurden die Schiessversuche auf 15 Meter
Distanz durchgeführt. Als Ladung diente 2.5 g Schwarzpulver. Bei einem grösseren Hohlraum zwischen
dem Schwarzpulver und der Kugel können angeblich starke Druckwellen entstehen, welche im Lauf zu
Blähungen führen könnten. Auf das Schwarzpulver im dünnen Pulverraum wurde daher sicherheitshalber
so viel Gries eingeschüttet, dass kein Hohlraum zwischen der Bleikugel und dem Pulverraum entsteht. In
das Zündloch und auf die kleine Pulverpfanne wurde Schwarzpulver gestreut und dieses mit einer
brennenden Lunte gezündet. Das Mündungsfeuer und der Knall waren beeindruckend. Der Rückschlag
war mässig und mit einem Anheben der Waffe begleitet. Treffen war absolute Glückssache.

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Vor 1399 Tannenberg Stabbüchse

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Um 1470 Hinterladergeschütz

Um 1470 Hinterladergeschütz

«Israhel van Meckenem der Jüngere» war ein bekannter Kupferstecher. Seine Werkstatt befand sich im
westfälischen Bocholt. Durch seine Herkunft aus Meckenheim im Rheinland führte die Familie des
Künstlers den niederdeutschen Namen «van Meckenem», oder «von Meckenheim». 1465 wirkte er in
Kleve und 1482 war er nachweislich für den Rat der Stadt Bocholt tätig. Unter anderem hatte er um
das Jahr 1470 einen Stich mit mehreren frühen Hinterladergeschützen samt Zubehör angefertigt. Auf
diesem Stich sind mehrere Hinterladergeschütze des gleichen Typs mit sehr vielen Details dargestellt.
Die Geschütze sind aus verschiedenen Richtungen zu sehen. Die Geschütze und ihr Zubehör sind so
genau dargestellt, dass deren Herstellungsmethoden und Funktionsweisen sehr gut aus dem Stich
abzulesen sind.

An sich hatten Hinterladergeschütze den grossen Vorteil, dass sie mit den kurzen, auswechselbaren
Pulverkammern sehr schnell nachgeladen und abgefeuert werden konnten. Man vermutet, dass das
Laden eines normalen Geschützes bis zu fünf mal länger dauerte. Ein grosser Nachteil lag darin, dass
durch das Entweichen von Gasen zwischen dem Hauptrohr und der eingeschoben Pulverkammer ein
grosser Druckverlust resultierte. Reichweite und Genauigkeit waren deshalb wesentlich schlechter als
bei normalen Hinterladergeschützen mit langen Rohren.

Diese Hinterladergeschütze waren z.B. ideal für das schnelle Vorpreschen zu einem Burgtor, um
dieses durch die Abgabe mehrere Schüsse zusammen zu schiessen und sich dann sofort wieder
zurückzuziehen. Für grössere Distanzen waren sie jedoch nicht geeignet. Für die damalige Kriegs-
technik war jedoch ein Geschütztyp für lange und kurze Distanzen von grossem Vorteil. Auch
besassen die normalen Vorderladergeschütze eine wesentlich grössere Durchschlagskraft. Dies war
wohl auch der Grund, weshalb damals Hinterladergeschütze nur selten im Einsatz waren und schnell
wieder in Vergessenheit gerieten.

Hinterlader-Geschütz, Kaliber 39 mm, Lauflänge 600 mm, Waffenlänge 1940 mm

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Um 1470 Hinterladergeschütz

Nachbau des Hinterladergeschützes


Für den Nachbau waren als Erstes zwei ältere Holzspeichenräder zu beschaffen, da ein Nachbau nur
durch einen Spezialisten möglich wäre. Aufgrund der Räderdurchmesser konnten dann, basierend auf
den Proprtionen im Stich, alle weiteren Mass errechnet werden. Für dieses Vorgehen wurde im Stich
das vorderste Geschütz ausgewählt.

Ansicht des Hinterladergeschützes

Beschreibung der Hinterladergeschützes

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Um 1470 Hinterladergeschütz

Holzspeichenräder

Die bei einem Bauern erstandenen Räder besassen einen Durchmesser von 510 mm. Sie waren in
einem guten Zustand und hatten die für den Nachbau geeigneten Proportionen.

Für den Nachbau eingesetztes Räderpaar

Abmessungen des zu verwendenden Räderpaars

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Um 1470 Hinterladergeschütz

Hauptmasse Lafette (errechnet aus Raddurchmesser)

Hauptmasse Rohr und Pulverkammer (errechnet aus Raddurchmesser)

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Um 1470 Hinterladergeschütz

Hinterladergeschütz von Oben

Rohr und Pulverkammer bereitstellen

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Um 1470 Hinterladergeschütz

Nachgebautes Rohr und Pulverkammer

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Um 1470 Hinterladergeschütz

Geschützlafette

Hauptmasse der Geschützelafette

Erforderliches Eichenholz

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Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

Um 1600 Grosses Musketen-Radschloss

Beim Pflügen eines Ackers in der Nähe des Dorfes Recherswil in der Schweiz, wurde von einem Landwirt
ein relativ grosses Radschloss zu Tage gefördert. Dieses durch den lehmigen Boden gut verpackte
Radschloss gelangte an den Autor, der es vom Schmutz befreite und mit Überraschung feststellte, dass
es wohl stark verrostet jedoch vollständig war. Der Hahn und der Pfannendeckel liessen sich wie im
Neuzustand bewegen. Das Rad war jedoch in seinen Lagern eingerostet und auch die Kette war nur noch
beschränkt beweglich.

Die Konstruktion des Radschlosses ist sehr zweckmässig und doch recht aufwändig. Es besitzt ein äusseres
Radlager, einen Sicherungsmechanismus sowie einen Pfannendeckel, welcher bei der Schussauslösung
über einen Exzenter und einen Hebel geöffnet wird. Im Wesentlichen entspricht seine Form jener eines
Musketen-Radschlosses, ist jedoch wesentlich grösser. Der Fundort lässt vermuten, dass es sich um ein
Reserveradschloss handelte, welches auf unerklärliche Weise verloren ging. Aus Sicht des Autors war es
ein einmaliger Glücksfall in den Besitz eines derartigen Radschlosses zu kommen. Es war daher nur
natürlich, das Radschloss und deren Einzelteile auszumessen, in Zeichnungen festzuhalten und
nachzubauen.

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Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

Nachbau des Radschlosses

Schlossplatte

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Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

161
Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

Hahnzubehör

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Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

Hauptfeder

Äusseres Radlager

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Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

Inneres Radlager

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Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

Pfannendeckel-Feder

Abzugsmechanik

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Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

Schrauben

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Um 1600 Grosses Muskete-Radschloss

Nachgebautes Radschloss

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Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole

Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole

Waffenlänge: 270 mm, Lauflänge: 400 mm, Kaliber 15 mm

Offensichtlich war Pastor Alexander Forsyth ein sehr umtriebiger Mann. Im Buch «Forsyth & Co. Patent
Gunmakers» von W-. Keith Neal & D. H. L. Back wird er als wahrhaftiges Genie, mit einem hoch-
stehenden Sinn für und einem starken Glauben an seine Erfindungen beschrieben. Er war sehr erfinde-
risch und besass grosse Fähigkeiten bezüglich mechanischer Konstruktionen und wusste über die Bedürf-
nissen der Benutzer von Feuerwaffen. Hinzu kam ein ausgesprochener Geschäftsinn und ein starker Glau-
ben an seinen Erfolg.

Nachdem er festgestellt hatte, dass ein grosser Bedarf für Feuerwaffen mit Explosionszündung bestand,
gab er seinen Pastorberuf auf und widmetet sich vollumfänglich der Konstruktion von Perkussions-
feuerwaffen. Bereits 1807 begann er mit der Herstellung der Roller Primer Schlösser für Langwaffen für
die Jagd. 1808 Gründete er seine eigene Waffenfirma und stellte wohl sehr bald fest, dass auch für
Pistolen ein grosser Bedarf für seine Explosionszündung bestand; dass aber der Roller Primer für Faust-
feuerwaffen zu sperrig war. Vor diesem Hintergrund entwickelte er den Sliding Primer mit einer Schiebe-
dosierung in den verschiedensten Aufführungen. Anfänglich waren es meist Einzelstücke oder Kleinserien.
Später wurden diese Zündschlösser in grösseren Serien hergestellt.

In diesem Kapitel wird der Sliding Primer Modell 1 behandelt, welches in der Zeit um 1813 für Pistolen
und Doppellaufpistolen in Serie hergestellt wurde.

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Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole

Auswahl verschiedener «Sliding Primer» Ausführungen

1812 Sliding Primer I 1813 Sliding Primer II 1813 Sliding Primer

1821 Sliding Primer III 1822 Sliding Primer

Konstruktionsmerkmale des Forsyth «Sliding Primers»

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Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole

Sliding Primer Mechanik

Ansicht von vorne

Ansicht von hinten

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Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole

Schlossplatte (Ansicht von Rückseite)

Gleitschiene

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Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole

Behälter für das Knallquecksilber-Pulver

Hahn mit Zündstift

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Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole
Studel, d.h. inneres Radlanger

Zu verwendender Original-Pistolenlauf

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Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole
Pistole mit «Sliding Primer» System Forsyth

400
Um 1813 Forsyth «Sliding Primer» Perkussions-Pistole
Erkenntnisse

Der «Sliding Primer» von Alexander Forsyth basiert auf einer genialen Idee und kann als sehr gut durch-
konstruiert bezeichnet werden. Zu deren Herstellung sind jedoch hoch qualifizierte Mechaniker oder bes-
ser Feinmechaniker erforderlich. Auch waren dazu sehr präzise Maschinen von Vorteil. Die Herstellung
des Knallquecksilber-Behälters mit den gebogenen Armen für die Anpressrollen, und der feinen Federkon-
struktion für die Anpressrollen wäre heute noch eine rechte Herausforderung.

Wie beim «Roller-Primerschloss» könnte es auch hier vorkommen, dass bei zu schnellem Verschieben des
Dosierkörpers, eine kleine Menge des Knallquecksilbers durch Abscherung an der Dosierlochkante irrtüm-
lich zur Explosion gebracht werden könnte. Auch hier befindet sich zur Ableitung des Explosionsdruckes
im Schraubdeckel des Einfülltrichter ein Loch mit dahinter aufgespanntem Wildleder. Dieses soll als eine
Art von Sicherheitsventil für derartige Fehlzündungen dienen.

Der «Sliding Primer» brachte gegenüber der Steinschlosszündung auch bei den Pistolen den grossen
Vorteil, dass die Zündung wetterunabhängig und deren Nachladen ausserordentlich schnell war.
Obschon Forsyth seine Ideen möglichst schnell patentieren liess, gab es recht viele illegale Kopien oder
leichte Abänderung seiner Konstruktion.

Nachbau des Forsyth «Sliding Primer» Schlosses


Auf den Nachbau der «Sliding Primer» Zündung hat der Autor bisher verzichtet. Das Studium der
Schlosskonstruktion war wohl sehr interessant. Knallquecksilber ist, soviel dem Autor bekannt ist, wegen
der Giftigkeit seines Ausgangsmaterials seit längerer Zeit nicht mehr erhältlich. Ob die Zündcharakteristik
heutiger auf Schlag reagierender Zündmittel nicht zu brisant für eine derartige Konstruktion ist, ist dem
Autor ebenfalls nicht bekannt. Hinzu kommt, dass der Nachbau dieser Zündung sehr aufwendig ist und
die Schlossteile sehr präzise ausgeführt werden müssen. Daher der bisherige Verzicht auf einen
funktionierenden Nachbau.

«Sliding Primer» Pistole vom G. Davison

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