Sie sind auf Seite 1von 3

Auch eine Frankfurter Geschichte

Mit Nutella durch ein halbes


Jahrhundert
Kinder schwärmen, Ernährungsberater verzweifeln: Nutella wird
50 Jahre alt. Die Geschichte des Brotaufstrichs ist auch eine
Frankfurter Geschichte.
13.02.2014, von MANFRED KÖHLER

Teilen Twittern Teilen E­mailen

© PATRICK SLESIONA
Angeblich fing alles an, als Schokolade noch knapp war: Nutella gibt es seit 50 Jahren

Das ist jetzt zuerst einmal zuzugeben: Den atemberaubenden Aufstieg des
Familienunternehmens Ferrero zu einem Schokoladen­Imperium, den Wandel
seiner Produkte zu regelrechten Kultartikeln ­ von alldem haben die Leser dieser
Zeitung viele Jahre wenig erfahren. Kaum ein Eintrag über Ferrero findet sich
aus diesen frühen Jahren im Archiv, geschweige denn etwas über Nutella,
Hanuta oder Kinderschokolade. Dabei spielte die Geschichte fast von Anfang an
nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland. Und schon früh auch in
Frankfurt und Mittelhessen. Daran lohnt es sich zu erinnern, wenn der Konzern
jetzt feiert, dass Nutella, das erste Produkt überhaupt aus der Erfinderküche der
Familie, in diesem Jahr 50 wird.

Nutella. Kaum jemand, der daran


Autor: Manfred Köhler,
vorbeigeht. Obwohl jeder weiß, was
Stellvertretender Ressortleiter des
Regionalteils der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung.
Ernährungsberater verkünden: zwei
Folgen: Drittel Zucker. Ein Drittel Fett. „Vor
dem Hintergrund, dass mehr als die
Hälfte aller erwachsenen Deutschen übergewichtig ist, ist Nutella kein gesundes
Frühstück“, zitiert dpa die Frankfurter Ernährungsberaterin Miriam Eisenhauer.
„Wie nach anderen Süßigkeiten, kann man auch nach Nutella süchtig werden.“

Als Scholokade nock knapp war


So ist es wohl. Aber gerade deshalb ist die Nuss­Creme ja auch so erfolgreich.
Angefangen hat es mit ihr angeblich schon 1946, als Schokolade knapp war und
der Konditor Pietro Ferrero im Piemont hilfsweise mit Haselnüssen
herumexperimentierte. Zuerst war die Creme, der er anrührte, so hart, dass sie
in Scheiben geschnitten wurde. Erst später wurde eine Paste daraus. Und
mehrfach änderte sich auch der Name. „Supercrema“, hieß es mal unbescheiden.
„Cremealba“, weil Ferrero aus Alba kam. 1964, vor 50 Jahren eben, dann:
Nutella.

„Cremealba“ war auch das erste Produkt, mit dem sich das aufstrebende
Unternehmen auf dem deutschen Markt versuchte. 1956 begann die Produktion
in Stadtallendorf, zuerst mit fünf Mitarbeitern. Später lief dort auch Mon Chéri
vom Band, 1959 kam Hanuta hinzu. 1965 schließlich, als der Markenname
Nutella auch in Deutschland eingeführt wurde, entstand die
Deutschlandzentrale in Frankfurt­Sachsenhausen. Am Hainer Weg steht sie,
etwas in die Jahre gekommen, heute noch. Frankfurt und Stadtallendorf ­ das
sind die beiden Orte, von denen Ferrero seit einem halben Jahrhundert den
deutschen Markt bearbeitet, mit Nutella vorneweg.

Schweigsames Unternehmen
So wenig die Journalisten Aufhebens um Ferrero gemacht haben, so wenig
machte Ferrero selbst von sich reden. Als der Ferrero­Sitz, damals noch
Hochhaus genannt, fertiggestellt war, listete es diese Zeitung 1965 in einer
Übersicht unter der Überschrift „Die Stadtlandschaft hat sich verändert“ auf.
Das war es dann auch. Zwei Jahre später wieder einmal zwei Sätze: „Die Inhaber
der Familie Ferrero werden mit ihrer Begleitung im Kaisersaal empfangen“, hieß
es in der F.A.Z. vom 13. Dezember 1967. „Aus diesem Grund wehen am Römer
die Fahnen Italiens.“ Und 1975 wusste man tatsächlich auch einmal etwas über
Nutella zu vermelden: dass nämlich die Marmeladenfabrik in Bad Schwartau
dem etwas entgegensetzen wolle. Davon war dann später aber nichts mehr zu
lesen.

Tatsächlich ist an Nutella niemand herangekommen. Auch wenn sich andere


Haselnuss­Cremes in den Supermärkten finden ­ Nutella hat sich als
Gattungsbegriff durchgesetzt wie etwa Tempo für Papiertaschentücher. Mehr ist
im Marketing eigentlich nicht drin. Zum Jubiläum wird allerhand Rummel
veranstaltet, im Handel locken Sondereditionen, als handele es sich um ein
Auto. Die Nuss­Creme für den deutschen Markt wird Ferrero zufolge nach wie
vor in Stadtallendorf hergestellt, wie auch eine Reihe anderer Produkte des
Konzerns. Mit 3600 Beschäftigten ist Ferrero der größte Arbeitgeber im
Landkreis Marburg­Biedenkopf.

Konzernumsatz wächst und wächst


In Frankfurt sollen 400 Frauen und Männer arbeiten. Der Konzernumsatz
wächst und wächst, Ferrero selbst nennt für das Geschäftsjahr 2011/2012 7,8
Milliarden Euro, inzwischen sind es nach Angaben der stets gut informierten
„Lebensmittel­Zeitung“ 8,5 Milliarden. Die Zuwächse in den vergangenen
Jahren sind der internationalen Expansion zu verdanken, für die unter anderem
eine Fabrik in der Türkei gebaut wurde.

Deutschland ist weiterhin ein zentraler Markt, der für einen Umsatz von 1,8
Milliarden Euro steht, wenn man der „Lebensmittel­Zeitung“ folgt. Ferrero
selbst macht dazu keine Angaben. Dass es auch in der Bundesrepublik zuletzt
wieder deutlich aufwärtsging, hat man Aldi Nord zu verdanken: Auch dort sind
seit 2012 Ferrero­Produkte zu kaufen, es war einer der letzten weißen Flecken
im Einzelhandel. Sonst leidet der Konzern etwas darunter, dass er nach wie vor
von den erfolgreichen Produkteinführungen der Wirtschaftswunderjahre lebt,
vor allem von der 1967 auf den Markt gebrachten Kinderschokolade. Aus
jüngerer Zeit ist eigentlich keine größere Erfindung in Erinnerung. Solange sich
jedoch die alten Produkte gut verkaufen, verdient Ferrero gutes Geld. Und
erträgt auch weiter gelassen Ernährungsberater, die nicht müde werden, vor der
Nuss­Creme zu warnen.

Das könnte Ihnen auch gefallen