Sie sind auf Seite 1von 54

Berg und Mädchen

Ich bin ein Stein zu ihren Füßen


sie tippt mich an
milchbedeckt

um uns herum sind die wilden Berge


braune, graue Steinschluchten
ich bin ein Hund, ich bin ein Bär

die Steinschluchten sind spitz,


sind scharf, sind halt aus Stein
sie ist eine Zauberin
B

In unserem Stadtheim,
umgeben von Stein und Holz
und Unmengen von Menschen,
von Bauten,
von Schienen, von Netzen
sitzt sie am Bett und
streift sich Kleidung an,
geformten Stoff

ich stehe, starte den Morgen


und knöpfe mir mein Hemd zu
noch etwas Zeit nur zwischen uns
dann werden beide, sie und ich,
von Leben verschluckt
und eingewoben

bevor wir gehen,


kommt sie nah
und drückt,
sticht mir was ins Fleisch
„du denkst an mich,
du gehörst mir“
flüstert sie in mein Ohr
im stillen Raum
A

Sie kettet mich,


eine Sonne liegt in mir,
wenn draußen Wind und Wolken sind

die Schluchten gröhlen,


jaulen, zeigen wilde Fratzen
sie geht aus und
kratzt und schlägt die Steine

ich warte

in diesem Raum

wo nur ich bin,

Welt,

und meine Erinnerung an sie


B

Ich sitze im Transport


neben tausend Anderen
und spüre sie
in mir leuchten
in mir werken
in mir meistern

bei jedem Kontakt


mit außen
pulsiert sie auf in mir
spüre ich es in mir
was sie am morgen
in mich tat

manchmal wird alles schwarz


und ich bin in mir
mit meiner Erinnerung an sie
mit ihr, wie ich sie verinnerlicht hatte

sie ist ein eigener Stern,


den ich schleppe
A

Sie kommt zurück,


erschöpft,
fällt in den Sessel,
brütet,
der Hammer an der Tür
biegt sich zurück,
zu wie er war,
bevor ihre Hände
ihn gegen Steine schwangen
ihn gegen Steine schlugen

sie sinkt in sich ein

ich bin allein im Raum


ohne ihre Erinnerung
unklar, was ich tun soll
aufgeregt, eingeschüchtert
kalt und nass

ich steiner ein


werd quader
unbeweglich, unlebendig
B

Im Dunkel kommt sie nah zu mir


als kleines Kind, nackt
schlingt sich an mich
und unbeholfen halte ich
weine ich mit,
verstört

ich spüre Höhle um mich rum,


in dieser Schwärze
Kälte, Schreie vom Stein

die U-Bahn hält,


und alles ruckt
ich wache auf
schwer atmend und herzrasend

die Welten teilen sich


hier draußen sind alle verschlafen
und drinnen sind sie verstört

kalt, rau
was kein Feuer wärmen kann
und keine Decke sanft machen kann
A

Ich wache auf aus Stein


und mache einen Krötenlaut
es ist morgen

wacht auf
wacht auf
wacht auf

sie liegt noch eingesunken im Sessel


und wird langsam lebendig
ich bewundere ihre schöne Haut
glänzend, mit Flaum behaart,
darunter Muskeln so voller Liebe
voller Tat, voller Moral
vollen Kampfs

„he du“ spricht sie mich an,


und ich erbebe, „es geht los,
ich spüre es“ ich quake zurück
„es ist halb Stein nur mehr,
es wurde halb Dunst, der Hammer
schlägt nicht an.“

unverständliche Worte
hoffnungsvolle Stimme
B

Die U-Bahn rattert


und ich spüre in mich,
hänge nach,
aber nur Körper,
nur dunkel
wer war das kleine Mädchen?
warum kam es zu mir?

gegenüber steht ein Paar


ineinander angeschmiegt
und eine Kuppel umgibt sie

ich steige aus


und die Wirtschaft beginnt

ich komme abends zurück,


sehe ihre Schuhe im Flur
das Licht ist gedämmt,
sie liegt im Bad,
regeneriert
A

Sie bereitet Kräuter vor,


zerhäckselt sie,
mischt sie ein und unter,
destilliert sie, sudet,
gießt, kocht

und legt mir die Pampe zum Essen hin


natürlich esse ich
und wenig später beginnen die Schmerzen
im Bauch, dann im Bein
mein ganzer Körper biegt
und zieht,
ich krächze,
kein Quaken mehr möglich, nur Schmerz

sie gießt währenddessen die Pflanzen


und schaut kurz rüber
mit runzelnder Stirn
und zugekniffenem Mund,
kommt nah,
streichelt mir über die Stirn
ich werde bewusstlos
vor Leid
B

Sie liegt in der Badewanne


voll Urin
und raucht,
die Asche fällt ins Wasser
zerbröselt, zerstäubt

sie achtet auf nichts,


in sich,
der Organismus tut

ich lasse alles ab,


übersprühe sie mit lauwarmen
frischen Wasser,
säuber ihr Haar, ihre Haut,
reibe sie frei von äußerem Schmutz

sie atmet flach,


ist wieder da
aber nicht die Augen öffnen
ich trockne sie ab
und trag sie zum Bett

im Sessel schau ich nochmal,


nicht mit der Taschenlampe diesmal,
sondern mit Kerze:
ist da ein Mädchen im Schwarz?
A

Unzählige Male
wache ich auf
und falle ich weg
dazwischen verwundert
über den Schnabel,
der aus mir ragt
und schlage mit Flügeln
den Wind durch den Raum
Notizen wirbeln umher
oha
mehr Vorsicht geboten

sie ist nicht da

ich stehe auf


langsam mit Flügel
doch wieder der Wind,
eine Flasche fällt um
es zerrt an meinem Fuß
ich bin angekettet am Boden
ich kralle ins Holz
B

Sie liegt im Bett

ich streichel sie,


streichel ihre weiche Haut,
mache mir Sorgen,
diese Urin- und Aschebäder sind komisch,
ich verstehe nichts davon

aber sie ist schön,


sie ist nicht rein,
aber schön,
anziehend, erregend

im Bett verwandelt sie sich


ihre Haut wird dunkel
die Iris ihrer Augen hell
ihr Haar wellt sich,
es war eben noch glatt
ihre Hand hat mehr Kraft,
davor war sie zart
ein kleines Stück wächst sie auch
A

die Kette ärgert mich,


sie ärgert mich
die Kette ist unnötig,
ich flieg doch nicht weg,
oder vielleicht schon,
die Kette ist krank
da alles außer Reichweite ist,
pick ich in den Boden,
ich spucke das Holz
bis zur Tür,
wirbel herum,
schlage die Flügel,
schlage noch stärker

ich spüre sie kommen,


hör auf zu schlagen,
drehe mich weg,
schaue verärgert
weg von der Tür
weg vom Raum
weg von ihr
B

"zeig mal deinen Bauch"


sie streichelt mich an der Stelle,
wo sie sich mir einverleibt hat,
eine Flechte, Struktur
"Danke"
ich schweig

wie ich immer schwieg,


(Worte fehlen der Stimme als Haus)
sie nimmt meinen Hals,
schwingt sich an mich,
schwingt mich zu sich rein,
küsst sanft meine Wange,
sanft meinen Hals,
nimmt mich an sich auf
und kurz fall ich zurück,
während sie mich hält
in das Grau unterm Schwarz,
in die Welt hinterm Körper
innerhalb des Körperraums

und ich fühle das Mädchen im Raum,


schweigend wie ich
"du bist nicht verrückt"
flüstert meine Frau mir ins Ohr
"aber du klemmst"

ich liege in Wolken,


während sie mein Herz streichelt
A

Die Flügel verschränkt


und der Rücken gekehrt,
der Schnabel desinteressiert,
empfange ich sie

sie verachtet meinen Stolz,

ich krächze sie an,


sie nimmt einen Stock
und droht
ich schlage die Flügel,
ihr Haar weht im Wind,
so schön wie ein Baum

ich lasse ab
und dreh meinen Kopf

warum dieser Streit?

warum dieser Kampf?

wenn ich doch das Gleiche will wie sie,


wenn sie ist,
so schön wie sie ist
B

Sie operiert mich am Bauch,


operiert mich am Glied,
wechselt kleine Rädchen,
tunkt sie in Öl, in Säuren,
verlegt neue Stränge in mir,
repariert meinen Leib

sie spricht mir Gedichte ins Ohr,


erzählt mir von Farben,
von Wolken, von Steinen,
von Bäumen, von Erde,
von Holz,
von der Hütte

erwähnt nicht den See

und freier und schneller und fähiger


wache ich auf, Stück für Stück
Parzelle für Parzelle, Kreislauf an Kreislauf
und ganz zum Schluss landet mein Geist
genau in mein Selbst
A

"Du fliegst hoch


und schaust, was du siehst
du schaust, was du siehst"

ich fliege hoch


bebend vor Stolz
sie braucht mich
ich schau,
schau, was ich seh,
schau auch noch anderes,
wenn ich schon mal hier bin,
fliege in Kreisen,
fliege in Stürzen

ich schau, was ich seh,


grässlicher Stein,
harter, kalter,
spitzer
fordernder Stein

lebendiger Stein,
der lechzt
und giert,
der Leben braucht,
der Liebe braucht,
der eiskaltes Wasser in sich trägt,
er sehnt sich nach Glut

ich sehe, wo sie ihn bearbeitet hat,


wo sie ihn schlug und er weichte
B

Es ist in mir ein Raum


sie hat in mir den Raum gemacht,
die Luft darin ist kalt und warm
ein Lichtschalter
es ist die Kleidung des Mädchens da,
aber nicht sie

Es ist hell genug,


angenehm,
Luft,
aber alles zu

ein Schrank,
der ist unbenutzt,
ein Stuhl,
der ist unbenutzt,
ein Bett,
das ist unbenutzt

alles hier ist unbenutzt

zu welchem Zweck ist es da,


wenn niemand es nutzt?
A (3. Perspektive)

Der Adler kommt zurück,


und sie sitzt da,
schaut auf ein Bild
des kleinen Jungen

der Adler wird rot vor Eifersucht

"Komm her" befiehlt sie dem Adler,


(er folgt)
und zeigt auf das Bild

"Das ist mein Junge,


A.,
er ist verloren.
Aber erst finden wir K."

der Adler wird von eifersüchtig


zu traurig

der Adler schaut sie


aus Menschenaugen an
B

Ich bin abgeschlossen


der Raum bringt nix
nachdem sie dunkel wurde,
(oder davor?)
hat sie etwas gemacht in mir,
das außerhalb meines Griffes liegt

wir sind getrennt


sie hat sich getrennt
und sitzt am Bett
mit angezogenen Knien
wartet bei sich,
wartet ohne mich

wir schlafen miteinander,


aber wir sind getrennt
und sie will nicht

ich bin außerhalb von mir,


in ihr,
und bin in mir,
alles ist wund

Draußen weht Wind,


spricht ruhige Worte
A

Sie schaut mich an,


ich fürchte mich

"Was hast du gesehen?"

ich berichte

"Unnütz", urteilt sie


voll Sorgen,
voll Hass,
nichts hält sie,
wenn das so weitergeht

"Komm her,
werd zu mir"

Ich spalte mich


wieder ein

entselbster Teil
des Ganzen,
das gebrochen,
viele Funktionen,
viele Wesenheiten
B

Ihr Strohhut wippt,


sie packt den Koffer,
ist in Gedanken,
ich begehre ihre Beine,
stramm, gebräunt

dieselben Beine
tragen sie raus
sie lächelt mich an
und trennt sich,
gibt mir einen Kuss
"bis in zwei Wochen"

und der Raum in mir,


den sie mir schuf,
in dem seit dann niemand lebte,
ist verlassen

er war leer davor,


seitdem ist er verlassen
es fehlt die Person,
die aber auch davor
nie darin lebte
A

Sie ist alleine


sie betrachtet die Dosen,
in denen die Geister der Tiere geschüttet sind,
das ist nun nicht mehr

sie zerschlägt alles am Boden,


verlaufene Geister,
sie finden schon Zuflucht,
irgendwo

aus der Hütte,


die letzten 200 Jahre,
den Weg entlang zum Berg,
in die Schlucht

nur die Steinfratzen um sich herum


fordert Ramona den Forderer

der Stein nimmt sie auf,


verschluckt sie
und zehrt von ihrem Fleisch,
von ihrem Leib,
von ihrer Lust
B

Als ich sie küsste,


als ich in ihr war,
ich mit ihr schlief,
als ich neben ihr erwachte,
als ich ihre suchende Hand empfing,
als ich mich in ihren abgewendeten
Blick verliebte
lachend, ich hatte das Gefühl
ein Raum wurde frei in ihr,
ein Raum mit Platz für mich
mit Platz für meine Ideen,
Platz für meine Ideale,
Platz für meine Person

wie Gott oder Schicksal sie unverwechselbar schuf


und seitdem auf Strömungen fließt
und eine Ankunft erhofft

und als sie sich trennte


und dieser Raum sich schloß,
blieb meiner offen für sie
A

Ramona wurde verschluckt


von den Fratzen aus Stein
und trotzt ihnen,
ihren Drohungen,
ihren Forderungen,
mit Spucke auf den Stein,
das ist nur Gehabe

sie berührt den Stein,


der kalt wie eh und je Farbe verliert,
der seine Forderung
aus der Liebe Ramonas zog

sie berührt
diese uralte Struktur
versteinerte Erfahrung
aus Regen und Wind

sie findet im Stein


hinter Bröseln
und Brocken
eine Muschel
vom Beginn der Zeit
B

Sie kam zurück


mit ähnlichem Lächeln
mit manchmal entferntem Blick
manchmal flatterndem Geist

sie küsste mich wie immer


und doch spürte ich
wie das Zimmer,
das ich bewohnen sollte,
verschlossen blieb
und ihres verlassen

ich liebte sie weiter


liebe bis heute
aus einfacher Freude.

was weh tat,


war ausgeschlossen zu sein,
von dort, wo ich dachte,
es sei mein Heim
A
- Ramona untersucht die Muschel -

Ramona schält die Muschel heraus


aus dem uralten Stein
aus der Kruste
zu Fleisch kristallisiertes Gefühl
und nimmt sie an sich

Sie hört entfernt Klaviermusik,


sie entfernt weiteren Stein,
sie sieht entfernt Tapete,
Postkarten, eine Lampe

das Gebirge reagiert,


feingliedrig fängts an sich zu bewegen
Spinnen kommen raus,
Mäuse und Marder,
Würmer und Käfer

Ramona erschrickt, erschaudert,


aber diese Tierwelt lässt sie in Ruhe

Wurzeln brechen den Stein


B

„Gemeinsame Liebe
gemeinsames Leben
geteilte Liebe
geteiltes Leben“

mit jedem Umzug


fällt ein weiteres Blatt zu Boden,
verdörrt,
wird zu Boden,
zu Erde,
von Würmern gefressen,
von Käfern zerbrochen,
von Vögeln vernestet,
reintegriert sich
an seinem neuen Platz,

wird trockener,
gewettert
wird härter

ein schwarz, alt glühender Bolzen,


eingebrannt am Weg,
von Steinen umgeben,
die dämpfen,
die schützen am Außen
und die eine Lichtung schaffen,
einen Platz
A
- Ramona sucht -

Ramona spürt den Wald geschehen,


spürt, sieht, riecht das Gebirge,
wie Leben strömt im grauen Riss

woher die Quelle?

Ramona nimmt Cappie,


Pfeife und Lupe

aus aufmerksam tastend und spürend


wird messerscharf suchend,
aus orientierend
wird kategorisierend
Fokus und Ziel spannt sich
in ihrer Körpermitte
in der Brust
ein weißes Licht
von Gott berührt
nicht mehr fremd

ihre Hände wachsen


feingliedrig
tasten alles ab
umrahmen, erkennen, vergleichen.

[Doch weit:
Das braune Gesicht.
Der stechende Blick.]
B

Ein Zimmer wurde nie ausgeräumt,


nie neu bezogen,
nie renoviert,
nie ausgenistet,
denn nichts darin ist meins

Es ist alles ihrs,


unberührt,
und wie ein Vater
gewahrte ich
bewahrte ich
wischte Staub
wo nichts mehr schlief

war sie einst hier?

hat sie gedacht:


das ist hier nichts?

in meinen Armen weinte sie


und ich schuf das Zimmer,
weil ich verschrocken war,
verstört

Weil ich nicht besser wusste,


was ich machen konnte,
um dieses gelbe Zerlaufen zu bannen
A
- Ramona findet den Wald -

Nun sprießen Stiele,


kleine Ästchen,
grüne Knospen,
weiße Knospen

ein Hauch weht durch,


die Blätter klatschen
Ramona riecht das Salz
von weit entfernt

sie geht weiter entlang


zwischen grün, grau,
feucht, warm, weich
und hart, bunt

ein prächtiger Baum,


der vor ihr thront,
sie geht vorbei
die Nase riecht
kalt, klar, hell

[Weit:
Die braunen Augen.
Das Tier.]
B

Das Zimmer steht in einer Annonce


doch keiner will es
ich will es nicht vermieten
an Menschen, denen es nicht angehört

so zieht eine Jahreszeit


nach der anderen vorbei
das Holz der Fenster
kriegt Risse, zieht,
das Glas kriegt stumpfe Töne

im Zimmer ist eine Kiste


darin liegt ein Brief
in ihrer Handschrift steht,
was ich nie lesen konnte,
nie lesen kann

ich sehe ihn mir an,


vorne, hinten,
verstehen nix,
uga gaga,
werfe ihn nie weg
A
- Ramona findet die Quelle -

Sie sieht sie von Weitem,


folgt dem Bach,
folgt der Harmonie,
patscht durch sumpfiges Gras
und kommt auf einen Hang

sie sieht ihn moosig


von Bäumen umragt
und erkennt seine Erinnerung von ihr,
wie sie glücklich ist,
mitteilt, dass sie glücklich ist

Ramona sieht den Abdruck des Körpers,


sieht den Abdruck der Worte,
doch von ihm keine Spur
er baute nicht, er lebte nicht,
er dachte nicht, er liebte nicht

er trug

[Hier ist sein Reich.


Der Andere.]
B

Ich zeige den Brief Menschen


sie sagen: "was ist das überhaupt?"
es ist eindeutig ein Brief,
aber geschrieben in Zeichen
situativer Bedeutung

jede Erinnerung ist ein Zeichen


ihrer Intention
ihrer Liebe
des Frei-Machens eines Zimmers für mich

aus Angst nicht gut genug zu sein,


aus Angst zu verlieren, was nicht mir gehört,
aus Scham, aus Schuld,
aus Brüchigkeit und Fehlerhaftigkeit,
aus Sorge, Auswüchse zu verstecken,
die monströs, die krebsig wirken,
war ich nicht aufmerksam

jetzt ziehe ich Linien


zwischen Erinnerungen,
erkenne Buchstaben,
erkenne Worte,
erkenne Sinn

Konstruiere Erkennen
des Inhalts vom Brief
A
- Ramona findet die Höhle -

Ramona geht tiefer in das Gebiet,


erforscht den Wald
sieht Pilze seitlich
(bevor die Hütte steht)
sieht Pilze neben der Hütte,
bevor sie steht,

sie riecht nicht den See

und da ist eine Höhle,


sie flimmert vor ihr
verschwindet wieder

Ramona erkennt,
dies hier ist Vorzeit
wo aller Raum
zu sprießen begann,
wo Krankheit wächst
B
C

Hier lebt das Monster.


Geht freien Herzen.
Durch das Gras.
Freudig.
An Fliegen und Hummeln vorbei.
An Plätzen entlang.
Die später erst bekannt werden.

Mit Hütten.
Mit Kies.
Mit Streit.

Das Monster reißt sich einen Fetzen Zeit.


Mapft drauf rum.
Während sich das Loch wieder schließt.

Das Monster ist nicht böse.


Das Monster ist der Teil der Natur.
Er ist hier richtig.

Das Monster ist Schuld.


B

Ich lerne ihn kennen,


nehm seine Hand,
sie ist sanft,
er ist stur,
er ist wild,
er ist wirr,
und er lässt Türen auf, angelehnt und zu

er sucht das gleiche Lächeln,


das sie zwischen Räume würfelte
in neuen Menschen

ich nehme seine Hand,


während sie nebenan turnt
und spüre ihn,
er ist gut,
er trägt den Willen Gottes mit
A
- Ramona sieht das Monster -

Nachts
blinzelt Ramona durch die Zeit
das Monster blickt
- ein großes Auge -
zurück
und schluckt sie an

das Monster blinzelt auf den Stein,


sieht das Glitzern
und schaut genau, ganz genau

der Stein lebt

Er nimmt den Stein.


Und wirft ihn hoch.
Weit in den Himmel.
So fest und weit er kann.
B

Verantwortung

Er ist Wert.
Er ist Sinn.
Es ist, wo ich real
als Objekt aus mir
heraussteige und Welt werde
statt nur Geist,
statt Bewusstsein,
statt nur Selbst

Verantwortung ist,
wo ich echt werde,
wo ich unsterbliche Welt werde

Und doch: ich entferne das Holz,


entferne den Stoff,
entferne die Einrichtung
der Raum war Modell
A
- Ramona gesellt sich -

Die Höhle flimmert wieder,


ist schwer sichtbar,
ist weg

„Hier also bist du,


mein Freund,
hier hast du dich versteckt,
wurdest du versteckt“

Sie setzt sich hin


im Schneidersitz

„Dies ist deine Welt?“

Hier laufen die Fäden zusammen,


hier werden Persönlichkeiten gewoben,
hier sprudeln die Quellen,
hier bricht der Himmel auf und zu
B

Ein Architekt
hängt an einem Modell
des Hauses,
das nie wer gebaut hat

die Menschen fanden Tücher,


fanden Stämme,
fanden Steine
und provisorisch
wurde progressiv

das Leben wächst selbst


ein Plan mag helfen
Bauten stabilisieren
aber Trieb > Struktur
A
- Ramona hat Kontakt -

Mit einem Griff


hat Ramona die Wurzel
und hält sie fest

flimmernd, in allen Farben,


wie glänzendes Öl

ein Drittel oben ist Sinn,


ist Zweck, ist der Versuch
zu balancieren,
ist das Wachstum,
das Schmecken der Tropfen

ein Drittel unten ist Geborgenheit,


ist unverstellte Echtheit,
ist da zu sein, wie er ist,
ist Schlaf und Ruhe

und ein Drittel, in der Mitte,


ist Magie,
ist der lebende Stein,
die glänzende Wurzel,
der Stock zwischen Zeiten
O

Der Affe nimmt den Stab,


er steckt im glühenden Stein
und klopft.

Lässt ihn auf den Boden stampfen.

Halb Werkzeug, halb Waffe.

Der Affe wurde einst gebannt,


weggesperrt,
abgetrennt.

Jetzt ist er frei,


nimmt sich sein Recht,
und alle schauen hin.

Mit einer Mischung aus Ehrfurcht


vor seiner Gewalt
schauen sie hin.

Und mit Erleichterung,


dass die Natur wieder fließt
statt zu spannen,
schauen sie hin.

Sie wissen nicht, was kommt.


A
- Ramona wird der Fremde -

Der Boden erschüttert


und Ramona hüpft auf
wie von einem Trampolin

das ist neu


das ist unbekannt
was ist da los?

Ramona sieht Vögel im Himmel aufsteigen


und manche Vögel runterstürzen
auf Jagd

der Himmel wird dunkler,


violett
die Luft wird dichter
die Sterne fallen etwas im Himmel
und positionieren sich neu
im Gleichgewicht mit ihren Nachbarn

das Land wird rot


B

Schlaf
und
Vergessen
und
Tod
O

Der Affe
betrachtet seine Hand
betrachtet seine Welt.

Es gibt einen Eindringling.

Er macht sich auf die Suche,


auf die Jagd,
betrachtet die Umgebung,
erkennt Strahlpunkte der Veränderung,
erkennt den Mittelpunkt des Fremden.

Er strebt darauf zu.

Aller Ort,
den er passiert,
jede Natur,
jeder Stein,
atmet auf,
dass er zurück ist
und nun ein Urteil fällt,
sein Urteil fällt
und Gerechtigkeit vollzieht.
A
- Ramona wird Vertriebener -

Ramona hat Angst

dies ist nicht gewohnt,


dies ist nicht bekannt,
diese Welt ist ihr fremd

sie hat keine Mittel,


sie hat keine Macht,
keinen Trank,
keine Freunde

sie steht auf und geht

sie sucht den Weg zurück,


schaut in den Himmel,
schaut in die Umgebung,
aber nichts ist mehr so wie es war

sie findet keine Orientierung


O

Der Affe findet immer mehr zu sich,


wacht wie aus Jahrtausenden Schlaf auf.

Er jagt durch den Wald,


riecht das Meer in den Trieben der Bäume,
riecht wie es im Boden versickert.

Er sieht
wie der Eindringling
umherirrt
und versucht
herauszufinden
- aber scheitert.

Er geht auf sie zu,


die Fremde hier,
schwingt seinen Hammer,
vor und zurück.

Es ist Zeit zu begleichen.

Wut, rot, blau -


Unrecht.
Die Höhle und der Junge

In diese Welt platziert lebt der Junge. Er hat keinen Hammer,


keine Karte, keine Tränke, keine Verwandlung, kaum Geist,
keine Freunde. Er steht vor der Steinwand und spürt die Kälte,
spürt wie das Leben kalt pulsiert und Raum fordert, Verhalten
fordert, Aufmerksamkeit fordert, fordert, fordert, fordert. Er
wird eingeengt von dieser Welt des Forderns, er spürt den
Kontakt und die Berührung des Forderns.
In der Höhle sind Kristalle, auch kalt, aber lila nicht grau. Sie
liegen in den Steinwänden eingekullert, warten auf Kontakt,
aber ohne Forderungen. Sie warten auf Kontakt, der sie
herauslöst, der sie wie ein Hühnerei behandelt und wärmt, in
ihnen wachsen lässt, was darauf wartet zu wachsen. Die
Kristalle lauschen auf Bewegung, lauschen in die Höhle, in den
Raum, seit einer Unendlichkeit der Existenz.
Das Leben dieser Höhle ist anders, es ist fremd, es ist alien.
Wie von einer anderen Welt, einer anderen Zeit… Es ist
fremdes Sein, aus dem diese Höhle besteht.
Der Junge schlafwandelt und ab und zu wacht er auf, kurz,
orientierungslos, versucht sich zu orientieren und erleidet
Angst, erleidet Körperlichkeit und Schwere, Trübe, Zähe,
Beklebtheit, Enteinheit, Verzweitheit, versinkt zwischen der
Luft der Höhle.

Der Höhle ist nicht zu trauen.

Wo ist das Meer? Wo ist das Salz?

Der Junge war auserkoren, das Talent der Generation die Höhle
zu erforschen und nun ist er hier versunken und gefangen. Die
Höhle ist keine Falle und doch ist er gefangen in ihr. Es gibt
keinen, der ihn ernten wird, es ist einfach nur ein Strudel der
Fremdheit, ein Labyrinth kalter Wände der Abweisung. Der
Junge rief um Hilfe, und Ramona hörte ihn irgendwie,
irgendwo. Aber sie hat keine Macht hier, keiner hat Macht hier,
es ist ein machtloser Raum, in dem alle Intentionen unter sich
selbst fallen und versinken.

Was wollte er hier? Was sollte er hier? Vergessen.

Er fängt mit jedem Funken Bewusstsein von Neuem an,


überschwemmt von der Angst der Orientierungslosigkeit und
nach und nach landet das Bewusstsein im Selbst, körperloses
Selbst, zwischen entfremdeten Erinnerungen, landet in einem
Brennpunkt zwischen allen Erinnerungen, die gesichtslos
herumschwimmen.

Die Höhle lebt. Wie ein Wurm, selbst orientierungslos. Selbst


traurig, selbst schlecht, selbst hassend, selbst geschlossen vor
sich selbst. Sie buddelt sich voran.

Der Junge brennt, der Junge friert, der Junge eist, der Junge
versteinert, der Junge schrickt. Er sehnt sich nach Familie,
Freunden und Volk, die am Meer ihr gemeinsames Haus haben,
ihre Nester, ihre Netze, die krusten vom Salz, die alle einst
Namen hatten, als die Höhle den Jungen noch nicht verschluckt
hatte.
A
- Ramona wird geruht -

Ramona sieht den Affen,


wie er den Hammer schwingt
er schlendert auf sie zu

Ramona sieht die Umgebung blühen,


sieht wie Pflanzen
sich wohlig strecken
zum Affen, zur Welt, zu sich selbst

der Boden weich,


warm die Sonne,
das Gras sanft
und für die letzten Augenblicke dieses Lebens
spürt Ramona,
wie Gott sich
auf ihre Wangen legt
und sie liebevoll streichelt
sich zu ihrer Seele gesellt.

Er spricht ihr Worte des Lobs.

Der Affe bebt


und die Welt bedankt sich für sein Beben
für das bisschen Beben,
das sie von ihm erntet

Der König
spricht
ein Urteil
O

Der Affe
sieht den Eindringling
am Boden sitzen,
am Gras verweilen,
wie er wartet.

Der Affe geht näher,


schwingt vergnügt den Hammer.

Er hebt den Hammer,


Sonnensplitter am Stein des Schlagkopfes.

Der Affe blickt in Ramonas Augen,


er erkennt ihre Seele,
erkennt den zu ihr gesellten Gott.

Nun gut.

Obwohl Ramona selbst keine Heilige war,


hatte sie viele heilige Freunde.

Das könnte Ihnen auch gefallen