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Abiturprüfung 2020
Geschichte, Leistungskurs

Aufgabenstellung:

Interpretieren Sie die vorliegende Quelle, indem Sie

1. sie analysieren, (26 Punkte)

2. sie in den historischen Kontext einordnen (14 Punkte) und ausgehend vom Text die sozio-
ökonomischen Veränderungen erläutern (14 Punkte), (28 Punkte)

3. die Aussagen des Redners beurteilen. (26 Punkte)

Materialgrundlage:

• August Bebel: Rede vor dem Reichstag vom 3. Februar 1893.


(Rechtschreibung und Zeichensetzung wie im Original)
Hinweise zum Autor und zum Material:
August Bebel (1840 – 1913): Mitbegründer und erster Vorsitzender der SPD.
Die vorliegende Rede wurde durch die SPD in gedruckter Form in einer Auflage von 1,7 Mio.
Exemplaren verbreitet.

Zugelassene Hilfsmittel:

• Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung

Abiturprüfung 2020 – Nur für den Dienstgebrauch!


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Meine Herren, die Debatte am Dienstag hatte einen Charakter angenommen, der weit über
das uns beschäftigende Thema hinausgegangen ist; sie hatte damit geendet, daß insbesondere
der Herr Abgeordnete Bachem1 in sehr lebhafter und lebendiger Weise verlangte, da nach
seiner Meinung wir bisher noch keinerlei Mittel vorgeschlagen hätten, die seiner Ansicht
5 nach ausreichten, um die bestehenden Verhältnisse zu bessern in einem alle befriedigenden
Sinne, – daß wir, die Sozialdemokratie, doch endlich hier von der Tribüne des Reichstags
herunter darlegten, was wir eigentlich wollten. Wir sollen, wie er wünscht, also ein Programm
entwickeln, und zwar verlangte er, daß wir insbesondere auseinandersetzten, wie wir uns den
sozialdemokratischen „Zukunftsstaat“ vorstellten. […]
10 Meine Herren, wir haben in allen Reden, die wir hielten, und zwar sowohl da, wo wir Ver-
besserungsvorschläge, sei es zu bestimmten Gesetzentwürfen oder solche durch Einbringen
neuer Gesetze, machten, stets betont und betonen es immer wieder, daß das, was wir vorschla-
gen, und was wir Ihnen zumuthen auf dem Boden der heutigen Gesellschaft durchzuführen,
allerdings alles nur Palliativmittel2 seien; sie würden bis zu einem gewissen Grade helfen,
15 aber dauernd und gründlich zu helfen vermöchten sie nicht. Und zwar weil eine gründliche
Hilfe bedingte, daß die heutige Gesellschaft ihrem ganzen Wesen nach umgestaltet werde
[…].
Im Laufe der Entwicklung treten eben Faktoren auf aus den unzufriedenen Schichten – bis-
her sind sie stets erschienen –, die zum Konflikt mit den bestehenden Zuständen treiben. Die
20 Erkenntniß von der Unhaltbarkeit dieser Zustände nimmt an Macht zu und greift so mächtig
um sich, daß eines Tages ihre Anhänger, sei es in dieser, sei es in jener Weise, sei es auf soge-
nanntem gesetzlichem, sei es auf sogenanntem revolutionärem Wege, die Dinge von Grund
aus umgestalten, und zwar im Interesse der nothleidenden Mehrheit. Und das wird auch wie-
der so kommen.
25 Meine Herren, welche Vorschläge zur Abhilfe haben wir nun zunächst gemacht? Wir haben
nicht allein hier, sondern auch in den Versammlungen der Arbeitslosen eine Reihe von Vor-
schlägen gemacht, die, wenn sie von den Reichs- und Staatsgewalten und namentlich auch
von den Gemeindebehörden, kurz von den öffentlichen Gewalten zur Ausführung gebracht
wurden, in hohem Grade dazu beitrugen, die gegenwärtige Nothlage großer Massen der Bevöl-
30 kerung wenigstens zu mildern.
Wir haben insbesondere vorgeschlagen die Inangriffnahme öffentlicher Arbeiten […]. Wir
verlangen ferner, daß man Hospitäler, Schulen und andere öffentliche Bauten unternehme, die
im Interesse der Gesellschaft nothwendig sind, ferner Straßen- und Kanalbauten und Melio-

1 Karl Bachem (1858 – 1945), Politiker der Zentrumspartei.


2 Linderungsmittel

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rationen3 aller Art. Wir haben heute noch in unseren Provinzen weite Strecken, die nahezu
35 vollständig unfruchtbar sind, die aber bei dem heutigen Stande der Agronomie und Agrikul-
turchemie in das schönste, fruchtbarste Gartenland verwandelt werden könnten.
Für alle diese Dinge hat aber die Staatsverwaltung nahezu gar kein Interesse; sie läßt sich
nur mit der größten Mühe bewegen, solche Arbeiten in Angriff zu nehmen, weil in vielen Fäl-
len mehr oder weniger, namentlich durch Arbeiten wie die letzt angeführten, das Interesse
40 unserer Großgrundbesitzer in Frage gezogen wird.
Wir haben weiter verlangt, daß durch eine erhebliche Verkürzung der Arbeitszeit, etwa
auf 8 Stunden täglich, dazu beigetragen werde, daß eine große Zahl von Arbeitern eingestellt
werden könne, damit die nothleidenden Arbeiter von der Straße weggenommen werden. Kurz,
wir haben die verschiedenen Hilfsmaßregeln vorgeschlagen, um die beschäftigungslosen
45 Arbeiter nach Möglichkeit zu verwenden. Wir haben also auf dem Gebiete des Nothstandes
alles gethan, was wir zu thun in der Lage waren. Auf dem Gebiete der Reformen haben wir
ferner, so lange wir in namhafter Zahl hier im Reichstage sind, unsererseits nach Kräften dahin
gewirkt, auf dem Boden der bestehenden gesellschaftlichen Zustände die Lage der Arbeiter
so weit zu bessern, als das überhaupt möglich ist.
50 Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, haben wir seit ungefähr 15 Jahren bei jeder wich-
tigen Gesetzesvorlage, die im Reichstage für eine Verbesserung der Arbeiterlage eingebracht
wurde, uns nicht nur lebhaft an der Debatte betheiligt, sondern auch durch Stellung von An-
trägen zu den Vorlagen, wie durch die Einbringung vollständig neuer Gesetzentwürfe – ich
erinnere nur an unseren umfänglichen Arbeiterschutzgesetzentwurf – die Richtung angege-
55 ben, in welcher nach unserer Meinung für die Lage der Arbeiterklasse, und zwar immer auf
dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung, Verbesserungen eingeführt werden könnten.
[…]
Weiter haben wir verlangt die Abschaffung der Lebensmittelzölle, weil nach unserer Mei-
nung der Arbeiter es ist, welcher besonders darunter leidet. Bei der Unfallversicherungs-, der
60 Alters- und Invaliditätsversicherungsgesetzgebung haben wir in sehr umfassendem Maße
unsere Gegenanträge gestellt, und wären diese unsere Anträge angenommen worden, so ist
sicher, daß diejenigen, die Unterstützungen auf Grund dieser Gesetze bekommen, sie in höhe-
rem und ausgiebigerem Maße bekommen würden, als es gegenwärtig der Fall ist.
(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
65 […] Wenn nun alle diese Anträge und Forderungen nicht durchgingen und nicht Gesetz
geworden sind, so sind sie allein an I h r e m Widerspruch gescheitert und nicht an unserem
Verhalten.
3 Bodenverbesserung

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(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)


[…] Und gerade der Umstand, daß wir in allen diesen Beziehungen praktisch eingetreten
70 sind, daß wir, ganz unbeschadet unseres sonstigen prinzipiellen Standpunkts der heutigen
Staats- und Gesellschaftsordnung gegenüber, versuchten, auch auf dem Boden dieser Gesell-
schaftsordnung für die Verbesserung der arbeitenden Klassen einzutreten, hat es hauptsäch-
lich herbeigeführt, daß die Sozialdemokratie eine so große Anhängerschaft in der deutschen
Arbeiterbevölkerung gewonnen hat, wie sie dieselbe gegenwärtig besitzt. […]
75 Gerade der Umstand, daß wir ökonomisch immer mehr und mehr in die Brüche kommen,
aus einer Krisis in die andere geworfen werden, daß die Krisen immer l ä n g e r und die Pros-
peritätsepochen immer kürzer werden und damit der Nothstand immer weitere Kreise der
Gesellschaft dem Untergang entgegentreibt, weil die Widerstandsfähigkeit der Mittelschich-
ten immer mehr sinkt und diese in das Proletariat geschleudert werden, – wird der Sozial-
80 demokratie nicht nur innerhalb der Arbeiterklasse, sondern auch in den Reihen der Intelli-
genz immer mehr Eingang verschaffen. […] Und wenn sie4 nun weiter dazu kommen wird,
daß die famose äußere Politik, die Sie seit Jahrzehnten treiben, über kurz oder lang uns einen
europäischen Krieg auf den Hals zieht; wenn wir dann bei enorm geschwächten ökonomi-
schen Kräften von Millionen Menschen in eine neue Krise eintreten, wie wir eine solche zu-
85 vor in keiner Periode durchgemacht haben, wenn Massenbankerotte über Massenbankerotte
kommen, Tausende und Abertausende von Existenzen in das Nichts geschleudert werden,
wenn die größten Unternehmungen aus Arbeitsmangel zu Grunde gehen, wenn durch die
Hinderung der Zufuhr eine Lebensmitteltheurung in kolossalstem Maßstabe eintritt, wenn
endlich5 auf den Schlachtfeldern die Massenschlächtereien stattfinden, die das Entsetzen von
90 ganz Europa hervorrufen werden, dann, meine Herren, haben Sie etwas geschaffen, an dem
möglicherweise Ihre ganze Gesellschaft mit einem Mal zu Grunde geht.
(Oho!)
[…]
Meine Herren, das ist unser Programm, die Zukunft gehört uns und nur uns. Ob Sie mit mei-
95 nen Auseinandersetzungen6 zufrieden gestellt sind oder nicht – wir werden weiter marschi-
ren, und nach den nächsten Wahlen werden Sie eine noch weit größere Zahl von uns in die-
sem Saal sehen, als wir gegenwärtig hier vorhanden sind.
(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten. Zischen rechts.)

4 Gemeint ist hier die bestehende Gesellschaftsordnung.


5 Hier: schließlich
6 Hier im Sinne von „Ausführungen“ verwendet.

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Unterlagen für die Lehrkraft


Abiturprüfung 2020
Geschichte, Leistungskurs

1. Aufgabenart
A Interpretation sprachlicher oder nichtsprachlicher historischer Quellen

2. Aufgabenstellung1
Interpretieren Sie die vorliegende Quelle, indem Sie

1. sie analysieren, (26 Punkte)

2. sie in den historischen Kontext einordnen (14 Punkte) und ausgehend vom Text die sozio-
ökonomischen Veränderungen erläutern (14 Punkte), (28 Punkte)

3. die Aussagen des Redners beurteilen. (26 Punkte)

3. Materialgrundlage
• August Bebel: Rede vor dem Reichstag vom 3. Februar 1893. Zitiert nach: Stenographi-
sche Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, Bd. 2, Berlin
1893, S. 808 – 820.

4. Bezüge zum Kernlehrplan und zu den Vorgaben 2020


Die Aufgaben weisen vielfältige Bezüge zu den Kompetenzerwartungen und Inhaltsfeldern des
Kernlehrplans bzw. zu den in den Vorgaben ausgewiesenen Fokussierungen auf. Im Folgenden
wird auf Bezüge von zentraler Bedeutung hingewiesen.

1. Inhaltsfelder und inhaltliche Schwerpunkte


Inhaltsfeld 4: Die moderne Industriegesellschaft zwischen Fortschritt und Krise
• Die „Zweite Industrielle Revolution“ und die Entstehung der modernen Massengesell-
schaft
• Vom Hochimperialismus zum ersten „modernen“ Krieg der Industriegesellschaft
Inhaltsfeld 6: Nationalismus, Nationalstaat und deutsche Identität im 19. und 20. Jahr-
hundert
• Die „Deutsche Frage“ im 19. Jahrhundert
• „Volk“ und „Nation“ im Kaiserreich und im Nationalsozialismus

1 Die Aufgabenstellung deckt inhaltlich alle drei Anforderungsbereiche ab.

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2. Medien/Materialien
• entfällt

5. Zugelassene Hilfsmittel
• Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung

6. Vorgaben für die Bewertung der Schülerleistungen


Teilleistungen – Kriterien
a) inhaltliche Leistung
Teilaufgabe 1
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 benennt den Redner (August Bebel, MdR und Vorsitzender der SPD) und als Adres- 2
saten die anwesenden Mitglieder des Reichstags, insbesondere die der anderen Par-
teien, sowie über die Verbreitung der Rede als Druck besonders die Arbeiterschaft.
2 charakterisiert die Quellengattung als Protokoll einer politischen Rede und benennt 2
den 3. Februar 1893 als Zeitpunkt.
3 benennt den Reichstag in Berlin als Ort und nennt die Forderung des Reichstagsab- 2
geordneten Bachem nach einer Offenlegung der sozialdemokratischen Zukunftsvor-
stellungen als Anlass der Rede.
4 benennt die Skizzierung des sozialdemokratischen Programms als Thema der Rede. 2
5 arbeitet die Intention des Autors heraus: Abwehr des Vorwurfs der Konzeptionslosig- 2
keit und Werbung um Zustimmung für die Visionen der Sozialdemokratie.
6 gibt Inhalt und Gedankengang des Textauszugs wieder, indem er die zentralen Aus- 16
sagen herausstellt, etwa:
• Ausgangssituation
– Vorwurf an die Sozialdemokratie, nur Kritik zu üben, aber keine Vorschläge
zur Besserung der Lage zu machen;
– daraus sich ergebender Wunsch nach ausführlicher Darlegung des sozialdemo-
kratischen Programms;
– Bekenntnis des Redners zur Mitarbeit innerhalb des bestehenden Systems trotz
des abstrakt aufrechterhaltenen Ziels einer Revolution.
• kurz- und mittelfristig wirkende Forderungen der SPD innerhalb der beste-
henden Gesellschaftsordnung
– Versuch der SPD, durch konstruktive Vorschläge wenigstens palliativ (vgl.
Z. 14) zu wirken, z. B. durch
∗ öffentliche Bauprogramme und Siedlungstätigkeit;
∗ die Einführung des Achtstundentags;
∗ Abschaffung aller Lebensmittelzölle;
∗ Erhöhung der Leistungen der Sozialversicherungen.
– Ablehnung dieser Vorschläge durch die Staatsgewalt sowie die übrigen im
Reichstag vertretenen Parteien;
– Würdigung dieser Arbeit durch die stark zunehmende Wählerschaft.

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• längerfristige Prognosen
– Verschärfung der ökonomischen Krisen;
– Verelendung des Mittelstandes;
– drohender europäischer Krieg wegen der seit Jahrzehnten betriebenen Außen-
politik (vgl. Z. 81 f.);
– Massensterben und wirtschaftlicher und politischer Zusammenbruch als Folgen;
– weitere Stimmgewinne für und letztlich zwangsläufige Machtübernahme durch
die SPD.
Orientierung für eine 8 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Die Hauptaussagen der Quelle werden, z. B. im textdurchschreitenden Verfahren,
zutreffend zusammengefasst.
Orientierung für eine 16 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Die Hauptaussagen der Quelle werden auf der Grundlage einer Gliederung zutreffend
und mit deutlicher Akzentuierung so zusammengefasst, dass Inhalt und gedanklicher
Aufbau der Quelle deutlich werden.
7 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (2)

Teilaufgabe 2
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 ordnet die Quelle in den historischen Kontext ein. Folgende Aspekte werden z. B. aus- 14
geführt:
• sogenannte Konservative Wende Bismarcks 1877/78;
• in der Folge Regierung mit Unterstützung der konservativen Parteien, der durch
Abspaltungen geschwächten Nationalliberalen sowie (nach Beendigung des Kul-
turkampfs) des Zentrums;
• gezielte Ausgrenzung der SPD durch die anderen Parteien wegen unüberbrückbarer
Differenzen in nahezu allen wesentlichen Fragen;
• Fundamentalopposition der SPD und ihrer Vorgängerparteien (ADAV, 1863 bzw.
SDAP, 1869) zum politischen und gesellschaftlichen System des Kaiserreichs mit
dem Ziel einer Revolution;
• gleichzeitig Zusammenarbeit bzw. enge Verflechtung mit Gewerkschaften, um die
wirtschaftliche Lage der Arbeiter zu verbessern;
• Sozialistengesetz Bismarcks zur Unterdrückung der Sozialdemokratie 1878;
• Sozialgesetzgebung des Staates ab 1883 (Krankenversicherung, Unfallversiche-
rung, Invaliditäts- und Altersversicherung) als zweites Mittel Bismarcks zur
Zurückdrängung der Sozialdemokratie;
• dennoch steigender Stimmanteil für die SPD bei den Reichstagswahlen;
• Thronbesteigung und sogenanntes persönliches Regiment Wilhelms II. ab 1888;
• Entlassung bzw. erzwungener Rücktritt Bismarcks und Nichtverlängerung des
Sozialistengesetzes im März 1890;
• Wiederaufnahme der Sozialpolitik auf Veranlassung des Kaisers mit Einführung
der Arbeiterschutzgesetzgebung ab 1891 (Begrenzung der Arbeitszeit für Frauen
auf höchstens elf Stunden täglich, Beschränkung von Kinderarbeit, Regelung zur
Sonntagsruhe);
• Übergang zum Neuen Kurs in der Außenpolitik.
Orientierung für eine 7 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Vier Aspekte werden zur Quelle in Beziehung gesetzt und in Grundzügen ausgeführt.
Die Darstellung enthält keine wesentlichen sachlichen Mängel und weist grundle-
gende historische Kenntnisse nach.

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Orientierung für eine 14 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Fünf Aspekte werden sachgerecht auf die Quelle bezogen und auf der Grundlage brei-
ter historischer Kenntnisse detailliert und zusammenhängend ausgeführt. Die Darstel-
lung enthält keine sachlichen Fehler.
2 erläutert ausgehend vom Text die sozioökonomischen Veränderungen. Dabei kann er 14
z. B. auf folgende Aspekte eingehen:
• Phase der Hochindustrialisierung in Deutschland;
• gleichzeitig Wirtschaftskrise durch den sogenannten Gründerkrach ab 1873 sowie
eine langjährige strukturell bedingte wirtschaftliche Depression bis in die 1890er
Jahre;
• Übergang zur Schutzzollpolitik und Entstehung von Verbänden und Lobbygruppen
zur Durchsetzung eigener Interessen, z. B. der Agrarier und der Stahlindustrie;
• im Rahmen der Zweiten Industriellen Revolution seit den 80er Jahren Aufkommen
neuer Industriezweige, die die Schwerindustrie als Leitsektor abzulösen beginnen
(Maschinenbau, Elektroindustrie, chemische Industrie);
• starke Konzentrationsprozesse in der Wirtschaft und Entstehung bzw. Ausweitung
neuer Unternehmensformen in Gestalt der Aktiengesellschaft;
• Weiterbestehen der Sozialen Frage in Form niedriger Löhne, schlechter Wohnver-
hältnisse und einer niedrigen Lebenserwartung;
• Entstehung einer ausgeprägten Mittelschicht, bestehend aus z. B. Beamten und
sogenannten Privatbeamten (Angestellten), die sich in ihren Wertvorstellungen
an der Oberschicht orientiert;
• scharfe Abgrenzung der Lebenswelten mit Gründung schichtenspezifischer Vereine
und Interessengruppen.

Orientierung für eine 7 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Die sozioökonomischen Veränderungen werden auf der Grundlage von vier Aspekten
in Grundzügen erläutert und zur Quelle in Beziehung gesetzt. Die Darstellung enthält
keine wesentlichen sachlichen Mängel und weist grundlegende historische Kenntnisse
nach.
Orientierung für eine 14 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Die sozioökonomischen Veränderungen werden auf der Grundlage von fünf Aspekten
detailliert erläutert und sachgerecht auf die Quelle bezogen. Die Darstellung enthält
keine sachlichen Fehler.
3 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (4)

Teilaufgabe 3
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 beurteilt die Aussagen des Redners. Dabei kann er z. B. folgende Aspekte reflektieren: 26
• zustimmend
– prekäre ökonomische und soziale Situation der Arbeiterschaft;
– unzureichende soziale Absicherung der Arbeiter auch nach Einführung der
Sozialgesetzgebung;
– Prognose eines weiteren Stimmenzuwachses der Sozialdemokratie;
– Eintreffen der Prognose eines großen europäischen Krieges 1914 sowie seiner
katastrophalen Auswirkungen;
– weitgehender Zusammenbruch der alten Ordnung im bzw. als Folge des Ersten
Weltkriegs;
– Bereitschaft der SPD zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien.

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• relativierend
– Beginn eines langanhaltenden Wirtschaftsbooms zum Zeitpunkt der Rede;
– spürbare Verbesserung der Lage der Arbeiterschaft als Folge der Zweiten Indus-
triellen Revolution;
– Nichteintreten der prognostizierten Verelendung der Mittelschichten, die viel-
mehr einen Aufschwung erleben;
– falsche Einschätzung der Außenpolitik, die zunächst von dem Bemühen geprägt
war, einen großen europäischen Krieg zu vermeiden, wenngleich seit 1884 im
Zeichen des Imperialismus zunehmend Konflikte mit anderen Großmächten in
Kauf genommen wurden;
– teleologisches Geschichtsverständnis des Redners und monokausale Erklärung
der Ursache eines kommenden Krieges;
– Überschätzung des tatsächlichen Potentials der sozialdemokratischen Wäh-
lerschaft, da die SPD im Kaiserreich, anders als von Bebel erwartet, eine reine
Arbeiterpartei blieb.

gelangt auf dieser Basis zu einer zusammenfassenden Beurteilung, etwa: Bebel


schätzt die Lage der Arbeiterschaft, den weiteren Aufschwung der Sozialdemokratie
sowie die Gefahr eines großen europäischen Krieges richtig ein, unterschätzt jedoch
das durch die Zweite Industrielle Revolution entstehende wirtschaftliche Wachstums-
potential und überschätzt zugleich die Möglichkeiten der SPD, auch eine Partei des
Mittelstands zu werden.

Orientierung für eine 13 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Der Prüfling gelangt auf der Grundlage von vier Teilaspekten über eine nachvollzieh-
bare und sachgerechte Argumentation zu einem zusammenfassenden Urteil. Die Dar-
stellung enthält keine wesentlichen sachlichen Mängel.
Orientierung für eine 26 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Der Prüfling entwickelt auf der Grundlage von insgesamt sechs Teilaspekten aus bei-
den Hauptaspekten über eine differenzierte Argumentation ein zusammenfassendes
Urteil. Die Darstellung enthält keine sachlichen Fehler.
2 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (4)

b) Darstellungsleistung
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 strukturiert seinen Text schlüssig, stringent sowie gedanklich klar und bezieht sich 5
dabei genau und konsequent auf die Aufgabenstellung.
2 bezieht beschreibende, deutende und wertende Aussagen schlüssig aufeinander. 4
3 belegt seine Aussagen durch angemessene und korrekte Nachweise (Zitate, Bezüge 3
u. a.).
4 formuliert unter Beachtung der Fachsprache präzise und begrifflich differenziert. 4
5 schreibt sprachlich richtig (Grammatik, Orthografie, Zeichensetzung) sowie syntak- 4
tisch und stilistisch sicher.

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7. Bewertungsbogen zur Prüfungsarbeit


Name des Prüflings: ____________________________________ Kursbezeichnung: ____________

Schule: _____________________________________________

Teilaufgabe 1
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK2 ZK DK
Punktzahl

1 benennt den Redner … 2


2 charakterisiert die Quellengattung … 2
3 benennt den Reichstag … 2
4 benennt die Skizzierung … 2
5 arbeitet die Intention … 2
6 gibt Inhalt und … 16
7 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (2)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 1. Teilaufgabe 26

Teilaufgabe 2
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 ordnet die Quelle … 14


2 erläutert ausgehend vom … 14
3 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (4)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 2. Teilaufgabe 28

2 EK = Erstkorrektur; ZK = Zweitkorrektur; DK = Drittkorrektur

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Teilaufgabe 3
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 beurteilt die Aussagen … 26


2 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (4)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 3. Teilaufgabe 26
Summe der 1., 2. und 3. Teilaufgabe 80

Darstellungsleistung
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 strukturiert seinen Text … 5


2 bezieht beschreibende, deutende … 4
3 belegt seine Aussagen … 3
4 formuliert unter Beachtung … 4
5 schreibt sprachlich richtig … 4
Summe Darstellungsleistung 20

Summe insgesamt (inhaltliche und Darstellungsleistung) 100


aus der Punktsumme resultierende Note gemäß nach-
folgender Tabelle
Note ggf. unter Absenkung um bis zu zwei Notenpunkte
gemäß § 13 Abs. 2 APO-GOSt

Paraphe

Berechnung der Endnote nach Anlage 4 der Abiturverfügung auf der Grundlage von § 34 APO-GOSt

Die Klausur wird abschließend mit der Note ________________________ (____ Punkte) bewertet.

Unterschrift, Datum:

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Grundsätze für die Bewertung (Notenfindung)


Für die Zuordnung der Notenstufen zu den Punktzahlen ist folgende Tabelle zu verwenden:

Note Punkte Erreichte Punktzahl

sehr gut plus 15 100 – 95

sehr gut 14 94 – 90

sehr gut minus 13 89 – 85

gut plus 12 84 – 80

gut 11 79 – 75

gut minus 10 74 – 70

befriedigend plus 9 69 – 65

befriedigend 8 64 – 60

befriedigend minus 7 59 – 55

ausreichend plus 6 54 – 50

ausreichend 5 49 – 45

ausreichend minus 4 44 – 40

mangelhaft plus 3 39 – 33

mangelhaft 2 32 – 27

mangelhaft minus 1 26 – 20

ungenügend 0 19 – 0

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Abiturprüfung 2020
Geschichte, Leistungskurs

Aufgabenstellung:

Interpretieren Sie die Quelle, indem Sie

1. sie analysieren, (26 Punkte)

2. sie in den historischen Kontext seit dem Herbst 1848 einordnen (14 Punkte) und die
Sichtweise des Autors auf die Revolution charakterisieren (14 Punkte), (28 Punkte)

3. zu den Ausführungen des Redners Stellung nehmen. (26 Punkte)

Materialgrundlage:

• Otto von Bismarck: Rede in der Zweiten Kammer des Preußischen Landtags am 21. April
1849.
(Rechtschreibung und Hervorhebungen wie im Original)
Hinweise zum Redeort und zum Material:
Die Zweite Kammer war bis 1855 die Bezeichnung für das preußische Abgeordnetenhaus. Diese
war im Januar 1849 erstmals gewählt worden.
Der Rede voraus ging ein Antrag des Abgeordneten Georg von Vincke, den preußischen König
zur sofortigen Annahme der Kaiserkrone aufzufordern. Der preußische Ministerpräsident Graf
von Brandenburg hatte diesen Antrag zurückgewiesen.

Zugelassene Hilfsmittel:

• Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung

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[…] Es ist das viertemal seit unserer zweimonatlichen Sitzungszeit, daß uns zugemuthet wird,
unsere Ansichten und Gefühle über eine Frage auszudrücken, welche verfassungsmäßig unse-
rer unmittelbaren Entscheidung und Beschlußnahme für jetzt nicht unterliegt. […] Denn die
rechtlosen1 Beschlüsse, mit welchen die National-Versammlung in Frankfurt ihren Oktroyie-
5 rungs-Gelüsten Nachdruck zu geben versuchte …..
(Unterbrechung. Glocke)
kann ich für uns als vorhanden nicht anerkennen. Eben so wenig kann ich zugeben, daß die
Erklärungen von 28 Regierungen, welche zusammen 6 ½ Millionen oder, wie ich nachher
nachweisen will, 4 bis 5 Millionen Unterthanen haben …..
10 (Stimmen von der Linken: „Unterthanen?“)
Ja, Unterthanen …..
(Heiterkeit)
dieser Regierungen, deren Minister eilig bemüht sind, ihre märzerrungenen Stellungen mit-
telst der konstituirten Anarchie, welche von Frankfurt aus dargeboten wird, unter Dach und
15 Fach zu bringen.
(Bravo rechts. Heiterkeit)
Daß, wie gesagt, diese Erklärungen nicht hinreichend schwer ins Gewicht fallen, unsre An-
sichten da zu ändern, wo es sich um die Zukunft Preußens handelt.
[…]
20 Die frankfurter Verfassung bringt uns unter ihren Geschenken zuerst das Prinzip der Volks-
souverainetät, sie trägt den Stempel derselben offen auf der Stirn, sie erkennt es an in der gan-
zen Art, wie die frankfurter Versammlung uns diese Verfassung – ich würde mich, wenn ich
zur Linken gehörte, des Ausdruckes „octroyirt“ bedienen – sie sanctionirt das Prinzip der
Volkssouverainetät am schlagendsten in dem Suspensiv-Veto des Königs, was der geehrte
25 Vorredner Camphausen2 ausführlicher entwickelt hat, als ich es imstande und geneigt bin, zu
thun. Die frankfurter Verfassung veranlaßt den König, seine bisher freie Krone als Lehn von
der frankfurter Versammlung anzunehmen, und wenn diese Volksvertreter es dreimal beschlie-
ßen, so hat der König und jeder andere Fürst, der Unterthan des engeren Bundesvolkes gewor-
den ist, aufgehört zu regieren.
30 Sie bringt uns zweitens die direkten Wahlen mit allgemeinem Stimmrecht. Wenn die Wahl-
bezirke bleiben sollen, wie sie sind, so werden ungefähr auf einen Wahlbezirk, der zwei Abge-
ordnete wählen soll, 26,000 Urwähler im Durchschnitt kommen. Ich frage, ob irgend einer
der rechten Seite sich im Stande glaubt, 26,000 Wähler, die zerstreut in den verschiedenen
Hütten und Bauerhöfen wohnen, parteimäßig zu organisiren. Den Herren der linken Seite wird
35 es vielleicht leichter sein.

1 Hier im Sinne von „unrechtmäßig“.


2 Otto von Camphausen (1812 – 1896), 1849 bis 1892 Abgeordneter der liberalen Partei in der Zweiten Kammer. Camp-
hausen war von 1869 bis 1878 preußischer Finanzminister.

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Name: _______________________

(Bravo!)
Gern räume ich ein, sie organisiren mit mehr Geschicklichkeit.
[…]
Das, meine Herren, kann ich keine Vertretung nennen; ich sehe voraus, daß bei diesem Wahl-
40 gesetz, mit Rücksicht auf den Zuwachs, der aus den kleinen republikanisirten Staaten kom-
men wird, die Linke sich gegen die Rechte bedeutend verstärken wird, und das halte ich für
das Land und die Krone für ein großes Unglück.
(Heiterkeit und Bravo auf der Linken.)
Manche werden ihren Trost darin finden, daß die konservative Partei einen Anhaltspunkt
45 am Staatenhause haben werde. Da finde ich nun aber, daß wir Preußen schlecht weggekom-
men sind. Preußen soll zum Staatenhause 40 Abgeordnete nach Frankfurt schicken, also
1 auf 400,000; die Bayern sind schon mehr werth, da kommt auf 200,000 Einer; Weimar auf
120,000, Hessen-Homburg auf 26,000, und Liechtenstein, was so viel Einwohner hat, als
Schöneberg3 – hier vor dem Halleschen Thore – würde im Staatenhause denselben Einfluß
50 ausüben, als die Mehrzahl der preußischen Regierungs-Bezirke mit 400,000 und mehr Ein-
wohnern.
Das dritte Uebel, welches uns die frankfurter Verfassung bringt, ist die jährliche Bewilligung
des Budgets. Durch diesen Paragraphen ist es in die Hände derjenigen Majorität, die aus dem
Lottospiel dieser direkten Wahlen hervorgehen wird, und welche nicht die mindeste Garantie
55 bietet, daß sie urtheilsfähig oder auch nur von gutem Willen sein wird –
(Heiterkeit.)
in die Hände dieser Majorität ist es gelegt, die Staats-Maschine in jedem Augenblick zum
Stillstehen zu bringen, indem sie das Budget nicht wieder bewilligt, und so als Konvent die
ganze Königliche und jede andere Macht im Staate neutralisirt, und das scheint mir im hohen
60 Grade gefährlich.
Die frankfurter Verfassung verlangt ferner von ihrem zukünftigen Kaiser, daß er ihr das
g a n z e Deutschland schaffe, so wie es früher den Deutschen Bund gebildet hat. Ich gebe
gern zu, daß die Herren Antragsteller von heute diese Meinung mit ihrem Antrag nicht ver-
bunden haben; indeß, die Frankfurter haben sich feierlich verschworen, kein Jota4 an dieser
65 Verfassung zu ändern, und wir werden uns ihnen wohl fügen müssen, wenn wir uns ihnen
überhaupt fügen.
(Heiterkeit und Bravo.)
[…]
Hat uns die Unterwürfigkeit gegen Frankfurt doch schon zu der wunderlichen Erscheinung
70 geführt, daß Königl. Preuß. Truppen die Revolution in Schleswig gegen den rechtmäßigen
Landesherrn vertheidigen, […] während die Herren in Frankfurt gemüthlich von den Thaten

3 Stadt am Rande Berlins, aus dem der heutige Ortsteil im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg hervorgegangen ist.
4 griech. Buchstabe, hier im Sinne von „nicht das Geringste“.

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Name: _______________________

unsrer Krieger in den Zeitungen lesen, wie weit hinten in Dänemark die Völker auf einander
schlagen.
Die deutsche Einheit will ein Jeder, den man danach fragt, sobald er nur deutsch spricht, mit
75 dieser Verfassung aber will ich sie nicht.
[…]
Ich halte es daher für unsere Aufgabe entschieden widerstrebend, wenn wir die deutsche Frage
dadurch noch mehr verwirren, daß wir in dem Augenblicke, wo Europa anfängt, sich von dem
Taumel der Revolution zu erholen, den frankfurter Souverainetäts-Gelüsten, die gerade um
80 ein Jahr zu spät kommen, die Stütze unsrer Zustimmung leihen.
(Ruf links: Sehr gut!)
Ich glaube, daß gerade dann, wenn wir ihnen unsere Unterstützung verweigern, Preußen um
so eher im Stande sein wird, die deutsche Einheit auf dem von der Regierung betretenen Wege
herbeizuführen. Die Gefahren, welche uns dabei entgegenstehen könnten, fürchte ich nicht;
85 weil das Recht auf unsere Seite ist, und sollten sie auch die gebräuchliche Ausdehnung eines
Heckerschen Putsches5 um das zehnfache übersteigen. Im schlimmsten Falle will ich aber,
ehe ich sehe, daß mein König zum Vasallen der politischen Glaubensgenossen der Herren
Simon6 und Schaffrath7 herabsteigt, lieber, daß Preußen Preußen bleibt. Es wird als solches
stets in der Lage sein, Deutschland Gesetze zu geben, nicht, sie von Anderen zu empfangen.
90 Meine Herren! Ich habe als Abgeordneter die Ehre, die Chur- und Hauptstadt Brandenburg8
zu vertreten, welche dieser Provinz, der Grundlage und Wiege der preußischen Monarchie,
den Namen gegeben hat, und fühle deshalb mich um so stärker verpflichtet mich der Diskus-
sion eines Antrags zu widersetzen, welcher darauf hinausgeht, das Staatsgebäude, welches
Jahrhunderte des Ruhmes und der Vaterlandsliebe errichtet haben, welches von Grund auf
95 mit dem Blute unserer Väter gekittet ist, zu untergraben und einstürzen zu lassen. Die frank-
furter Krone mag sehr glänzend sein, aber das Gold, welches dem Glanze Wahrheit verleiht,
soll erst durch das Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden, und ich habe kein
Vertrauen, daß der Umguß mit der Form d i e s e r Verfassung gelingen werde.
(Bravo!)

5 Aufstand in Baden unter der Führung Friedrich Heckers im April 1848 mit dem Ziel der Errichtung einer Republik.
6 Ludwig Simon (1819 – 1872), demokratischer Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung.
7 Wilhelm Schaffrath (1814 – 1893), politischer Weggenosse von Robert Blum, in der Frankfurter Nationalversammlung
der äußersten Linken zugehörig.
8 Offizieller Name Brandenburgs an der Havel, das vor dem Umzug nach Berlin die Residenzstadt der brandenburgischen
Kurfürsten war.

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Unterlagen für die Lehrkraft


Abiturprüfung 2020
Geschichte, Leistungskurs

1. Aufgabenart
A Interpretation sprachlicher oder nichtsprachlicher historischer Quellen

2. Aufgabenstellung1
Interpretieren Sie die Quelle, indem Sie

1. sie analysieren, (26 Punkte)

2. sie in den historischen Kontext seit dem Herbst 1848 einordnen (14 Punkte) und die
Sichtweise des Autors auf die Revolution charakterisieren (14 Punkte), (28 Punkte)

3. zu den Ausführungen des Redners Stellung nehmen. (26 Punkte)

3. Materialgrundlage
• Otto von Bismarck: Rede in der Zweiten Kammer des Preußischen Landtags am 21. April
1849. In: Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch das Allerhöchste
Patent vom 5. Dezember einberufenen Kammern. Zweite Kammer. Von der Eröffnungs-
Sitzung am 26. Februar bis zur Auflösung in der siebenunddreißigsten Sitzung am 27. April
1849. Berlin 1849, S. 586 – 588.

4. Bezüge zum Kernlehrplan und zu den Vorgaben 2020


Die Aufgaben weisen vielfältige Bezüge zu den Kompetenzerwartungen und Inhaltsfeldern des
Kernlehrplans bzw. zu den in den Vorgaben ausgewiesenen Fokussierungen auf. Im Folgenden
wird auf Bezüge von zentraler Bedeutung hingewiesen.

1. Inhaltsfelder und inhaltliche Schwerpunkte


Inhaltsfeld 6: Nationalismus, Nationalstaat und deutsche Identität im 19. und 20. Jahr-
hundert
• Die „Deutsche Frage“ im 19. Jahrhundert
Inhaltsfeld 7: Friedensschlüsse und Ordnungen des Friedens in der Moderne
• Europäische Friedensordnung nach den Napoleonischen Kriegen

1 Die Aufgabenstellung deckt inhaltlich alle drei Anforderungsbereiche ab.

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2. Medien/Materialien
• entfällt

5. Zugelassene Hilfsmittel
• Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung

6. Vorgaben für die Bewertung der Schülerleistungen


Teilleistungen – Kriterien
a) inhaltliche Leistung
Teilaufgabe 1
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 benennt den Redner (Otto von Bismarck, Abgeordneter des Preußischen Landtags) 2
und als Adressaten die anwesenden Mitglieder der Zweiten Kammer sowie die poli-
tisch interessierte Öffentlichkeit.
2 charakterisiert die Quellengattung als Protokoll einer politischen Rede und benennt 2
den 21. April 1849 als Zeitpunkt.
3 benennt den Preußischen Landtag in Berlin als Ort und nennt den von liberalen Abge- 2
ordneten gestellten Antrag auf Annahme der Kaiserkrone durch den König von Preußen
als Anlass der Rede.
4 benennt die Auseinandersetzung mit der Arbeit der Frankfurter Nationalversammlung 2
als Thema der Rede.
5 arbeitet die Intention des Redners heraus: Ablehnung des Antrags durch die Zweite 2
Kammer sowie Unterstützung der preußischen Regierung bei ihren Einigungsplänen.
6 gibt Inhalt und Gedankengang des Textes wieder, indem er etwa folgende zentrale 16
Aussagen herausarbeitet:
• grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem Antrag
– fehlende Zuständigkeit der Zweiten Kammer;
– Ablehnung der Aufforderung der Frankfurter Nationalversammlung zur Aner-
kennung der Reichsverfassung;
– Hinweis auf die geringe Bevölkerungszahl der 28 Staaten, die sich bereits zur
Reichsverfassung bekannt haben;
– Bekenntnis des Redners zu Preußen.
• Gründe für die Ablehnung der Reichsverfassung
– Prinzip der Volkssouveränität als Missachtung der Rechte des Monarchen;
– stattdessen Beharren auf dem Begriff des Untertanen, auch gegen den entschie-
denen Protest der Linken (vgl. Z. 10);
– allgemeine und direkte Wahl der Abgeordneten als vermeintliche Bevorzugung
linker Parteien;
– unausgewogene Zusammensetzung des Staatenhauses, die Preußen benachtei-
lige;
– drohende Lähmung des Staatsapparates aufgrund des jährlichen Budgetbewil-
ligungsrechts durch die Parlamentsabgeordneten.

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• außenpolitische Implikationen
– Zwang zur Durchsetzung der Reichsverfassung auf dem gesamten Gebiet des
Deutschen Bundes einschließlich der deutschsprachigen Gebiete Österreichs;
– Verwicklung Preußens in einen Krieg mit Dänemark;
– drohende Abkopplung von der antirevolutionären internationalen Entwicklung.
• Konsequenzen
– Weg zur Reichseinigung über Preußen;
– Herunterspielen der Gefahren eines solchen Weges;
– Betonung der preußischen Gesinnung, die die Ablehnung des Antrags gebiete.

Orientierung für eine 8 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Die Aussagen der Quelle werden, z. B. im textdurchschreitenden Verfahren, zutref-
fend zusammengefasst.
Orientierung für eine 16 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Die Hauptaussagen der Quelle werden auf der Grundlage einer Gliederung zutreffend
und mit deutlicher Akzentuierung so zusammengefasst, dass Inhalt und gedanklicher
Aufbau der Quelle deutlich werden.
7 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (2)

Teilaufgabe 2
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 ordnet sie in den historischen Kontext seit dem Herbst 1848 ein. Folgende Aspekte 14
werden z. B. ausgeführt:
• Erstarken der Gegenrevolution seit Herbst 1848;
• Machtverlust der Revolutionäre und der durch die Revolution entstandenen Regie-
rungen (sogenannte Märzministerien);
• Sieg der Gegenrevolution in Wien und Erschießung Robert Blums;
• Auflösung der Preußischen Konstituante und Oktroi einer Verfassung durch Fried-
rich Wilhelm IV.;
• Debatten der Frankfurter Nationalversammlung über Grenzfragen und Staatsform
und mühsame Suche nach Kompromissen zwischen Demokraten und Konstitutio-
nellen;
• Kompromisscharakter der Verfassung (z. B. Erbmonarchie mit suspensivem Veto
und allgemeinem Wahlrecht);
• Verabschiedung der Verfassung und Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum Kaiser im
März 1849;
• Anerkennung der Verfassung durch viele Staaten des Deutschen Bundes, nicht
aber durch Österreich und Preußen;
• Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV.;
• sogenannte Reichsverfassungskampagne zur Durchsetzung der Verfassung und
Aufstände in Sachsen und Südwestdeutschland.

Orientierung für eine 7 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Vier Aspekte werden zur Quelle in Beziehung gesetzt und in Grundzügen ausgeführt.
Die Darstellung enthält keine wesentlichen sachlichen Mängel und weist grundlegende
historische Kenntnisse nach.
Orientierung für eine 14 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Fünf Aspekte werden sachgerecht auf die Quelle bezogen und auf der Grundlage brei-
ter historischer Kenntnisse detailliert und zusammenhängend ausgeführt. Die Darstel-
lung enthält keine sachlichen Fehler.

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2 charakterisiert die Sichtweise des Redners auf die Revolution, z. B.: 14


• Sicht auf die allgemeine Lage
– Vorwurf der Republikanisierung (vgl. Z. 40) der kleinen und mittleren deut-
schen Staaten;
– Sicht auf Preußen und seinen Monarchen als potentiell starkes Gegengewicht,
das sich dem Diktat der Nationalversammlung aber zu sehr unterworfen hat
(vgl. Z. 69);
– Eingeständnis der organisatorischen Schwäche der konservativen Partei gegen-
über den Liberalen und Demokraten;
– Chance der Umkehrung der Verhältnisse und Fortführung der deutschen Eini-
gung unter preußischer Führung und nach preußischen Vorstellungen.
• Sicht auf die Revolutionäre
– Vorwurf der durch die Märzrevolution angemaßten Stellung in den Ministerien
(vgl. Z. 13 f.);
– Sicht auf Nationalversammlung als „konstituierte Anarchie“ (vgl. Z. 14);
– Diffamierung der Abgeordneten als Schreibtischtäter, die die preußische Armee
und ihren König im Konflikt um Schleswig-Holstein in militärische Abenteuer
gestürzt hätten;
– weiterhin drohende Putschversuche nach dem Beispiel des Heckerzugs.
• Sicht auf die Frankfurter Reichsverfassung
– Charakterisierung als demokratisch und republikanisch durch (einseitige) Her-
vorhebung des Wahlrechts, des suspensiven Vetos sowie des Budgetrechts;
– Verkennung des liberal-konstitutionellen Charakters der Verfassung;
– Abwertung von Wahlen als „Lottospiel“ (Z. 54);
– Polemik gegen die Ungleichgewichtigkeit der Zusammensetzung des Staaten-
hauses.

und gelangt zusammenfassend etwa zu der Schlussfolgerung, dass Bismarck die


Revolution und ihre Akteure aus einer hochkonservativen Sicht beurteilt. Er lehnt
jede Einschränkung der herrscherlichen Autorität in einem konstitutionellen System
sowie jede Schmälerung der preußischen Hegemonie ab, wenngleich er die Möglich-
keit einer Reichseinigung zu preußischen Bedingungen befürwortet.

Orientierung für eine 7 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Der Prüfling charakterisiert Bismarcks Sicht der Revolution insgesamt zutreffend auf
der Grundlage von vier Teilaspekten und unter Verweis auf entsprechende Textstellen.
Die Darstellung enthält keine wesentlichen sachlichen Mängel.
Orientierung für eine 14 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Der Prüfling charakterisiert Bismarcks Sicht der Revolution umfassend und differen-
ziert auf der Grundlage von fünf Teilaspekten und unter Verweis auf entsprechende
Textstellen. Die Darstellung enthält keine sachlichen Fehler.
3 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (4)

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Teilaufgabe 3
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 nimmt zu den Ausführungen des Redners Stellung. Dabei reflektiert er z. B. folgende 26


Aspekte:
• Zustimmung
– Versuch der Durchsetzung der Reichsverfassung mit politischem Druck, aber
auch Gewalt in der Reichsverfassungskampagne;
– geringes zahlenmäßiges Gewicht der deutschen Staaten, die die Verfassung
unterstützten;
– korrekte Einschätzung des mittlerweile bestehenden Kräfteverhältnisses zwi-
schen Nationalversammlung und preußischer Regierung;
– Prognose der Folgen einer über das Budgetrecht ausgeübten Blockade der Par-
lamentsmehrheit (z. B. preußischer Verfassungskonflikt);
– Prognose einer „Reichseinigung von oben“ unter preußischer Führung.
• Relativierung / Ablehnung
– Verschweigen der Rolle des preußischen Königs während der Anfangsphase
der Revolution;
– Herunterspielen der aggressiven Schritte der Gegenrevolution;
– sachlich falsche Vorwürfe gegen die Nationalversammlung durch Umwertung
politischer Begriffe (Anarchie, Oktroi);
– Unzeitgemäßheit der Missachtung des Volkswillens bzw. Überbetonung der
Rechte des Monarchen;
– Verschweigen wesentlicher Leistungen der Nationalversammlung wie zum Bei-
spiel der Kodifizierung der Grundrechte;
– Verkennung des Kompromisscharakters der Reichsverfassung (Verschweigen
der starken Rolle des Monarchen in der Verfassung).

gelangt zu einem zusammenfassenden Urteil, etwa: Bismarck schätzt die politische


Lage, aber auch die der konservativen Ordnung in einem konstitutionellen System
drohenden Herausforderungen prinzipiell zutreffend ein, tut dies jedoch auf der Basis
eines hochkonservativen Bildes von Preußen und seinem König. Die Arbeit der Frank-
furter Nationalversammlung wird auf der Basis eines obrigkeitsstaatlichen Politikver-
ständnisses verzerrt dargestellt.

Orientierung für eine 13 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Der Prüfling gelangt auf der Grundlage von vier Teilaspekten über eine nachvollzieh-
bare und sachgerechte Argumentation zu einem zusammenfassenden Urteil. Die Dar-
stellung enthält keine wesentlichen sachlichen Mängel.
Orientierung für eine 26 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Der Prüfling entwickelt auf der Grundlage von insgesamt sechs Teilaspekten aus bei-
den Hauptaspekten über eine differenzierte Argumentation ein zusammenfassendes
Urteil. Die Darstellung enthält keine sachlichen Fehler.
2 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (4)

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b) Darstellungsleistung
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 strukturiert seinen Text schlüssig, stringent sowie gedanklich klar und bezieht sich 5
dabei genau und konsequent auf die Aufgabenstellung.
2 bezieht beschreibende, deutende und wertende Aussagen schlüssig aufeinander. 4
3 belegt seine Aussagen durch angemessene und korrekte Nachweise (Zitate, Bezüge 3
u. a.).
4 formuliert unter Beachtung der Fachsprache präzise und begrifflich differenziert. 4
5 schreibt sprachlich richtig (Grammatik, Orthografie, Zeichensetzung) sowie syntak- 4
tisch und stilistisch sicher.

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7. Bewertungsbogen zur Prüfungsarbeit


Name des Prüflings: ____________________________________ Kursbezeichnung: ____________

Schule: _____________________________________________

Teilaufgabe 1
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK2 ZK DK
Punktzahl

1 benennt den Redner … 2


2 charakterisiert die Quellengattung … 2
3 benennt den Preußischen … 2
4 benennt die Auseinandersetzung … 2
5 arbeitet die Intention … 2
6 gibt Inhalt und … 16
7 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (2)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 1. Teilaufgabe 26

Teilaufgabe 2
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 ordnet sie in … 14
2 charakterisiert die Sichtweise … 14
3 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (4)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 2. Teilaufgabe 28

2 EK = Erstkorrektur; ZK = Zweitkorrektur; DK = Drittkorrektur

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Teilaufgabe 3
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 nimmt zu den … 26
2 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (4)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 3. Teilaufgabe 26
Summe der 1., 2. und 3. Teilaufgabe 80

Darstellungsleistung
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 strukturiert seinen Text … 5


2 bezieht beschreibende, deutende … 4
3 belegt seine Aussagen … 3
4 formuliert unter Beachtung … 4
5 schreibt sprachlich richtig … 4
Summe Darstellungsleistung 20

Summe insgesamt (inhaltliche und Darstellungsleistung) 100


aus der Punktsumme resultierende Note gemäß nach-
folgender Tabelle
Note ggf. unter Absenkung um bis zu zwei Notenpunkte
gemäß § 13 Abs. 2 APO-GOSt

Paraphe

Berechnung der Endnote nach Anlage 4 der Abiturverfügung auf der Grundlage von § 34 APO-GOSt

Die Klausur wird abschließend mit der Note ________________________ (____ Punkte) bewertet.

Unterschrift, Datum:

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Grundsätze für die Bewertung (Notenfindung)


Für die Zuordnung der Notenstufen zu den Punktzahlen ist folgende Tabelle zu verwenden:

Note Punkte Erreichte Punktzahl

sehr gut plus 15 100 – 95

sehr gut 14 94 – 90

sehr gut minus 13 89 – 85

gut plus 12 84 – 80

gut 11 79 – 75

gut minus 10 74 – 70

befriedigend plus 9 69 – 65

befriedigend 8 64 – 60

befriedigend minus 7 59 – 55

ausreichend plus 6 54 – 50

ausreichend 5 49 – 45

ausreichend minus 4 44 – 40

mangelhaft plus 3 39 – 33

mangelhaft 2 32 – 27

mangelhaft minus 1 26 – 20

ungenügend 0 19 – 0

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Name: _______________________

Abiturprüfung 2020
Geschichte, Leistungskurs

Aufgabenstellung:

1. Analysieren Sie den vorliegenden Textauszug. (26 Punkte)

2. Erläutern Sie ausgehend vom Text die historischen Bezüge zur Neuen Ostpolitik
(14 Punkte) und die Konzeption der vorangegangenen bundesdeutschen Außen- und
Deutschlandpolitik (14 Punkte). (28 Punkte)

3. Beurteilen Sie die Darlegungen des Autors zur Neuen Ostpolitik. (26 Punkte)

Materialgrundlage:

• Hans Jörg Hennecke: Das Doppelgesicht der sozialdemokratischen Ostpolitik. In: Dreißig
Thesen zur Deutschen Einheit. Hrsg. von Dagmar Schipanski und Bernhard Vogel, Frei-
burg u. a. 2009, S. 64 – 72.
(Rechtschreibung und Hervorhebungen wie im Original)
Hinweise zum Autor:
Hans Jörg Hennecke (*1971) ist ein deutscher Politikwissenschaftler und seit 2010 außerplan-
mäßiger Professor für Politik an der Universität Rostock.

Zugelassene Hilfsmittel:

• Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung

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Name: _______________________

[…]
Dass eine aktivere und elastischere Ost- und Deutschlandpolitik geboten war, zeichnete
sich aus einer ganzen Reihe von Gründen im Laufe der 1960er Jahre ab. Zum einen musste die
Bundesrepublik nach der buchstäblichen Zementierung der deutschen Teilung im August 1961
5 eine Gesprächsbasis mit Moskau und Ost-Berlin finden, um praktische und humanitäre Pro-
bleme, wenn nicht zu lösen, so doch zu lindern. Im Interesse der Bundesrepublik lag es auch,
eine flexiblere Haltung gegenüber denjenigen Staaten zu finden, die zu einer Anerkennung
der DDR bereit waren. Ein starres Festhalten an der berüchtigten Hallstein-Grewe-Doktrin1
hätte auf Dauer den diplomatischen Handlungsspielraum der Bundesrepublik gegenüber den
10 Staaten des Ostblocks und der „blockfreien“ Welt eingeschnürt, ohne dass sie ihren Alleinver-
tretungsanspruch auf dem internationalen Parkett hätte durchsetzen können. Ohnehin musste
die Bundesrepublik sich allmählich damit abfinden, dass es zu einer Entkopplung von deut-
scher Teilung und Ost-West-Konflikt gekommen war: Die deutsche Teilung wurde längst
nicht mehr als vordringlich zu lösendes Problem, sondern als bis auf weiteres unabänderliches
15 Faktum wahrgenommen. In den Jahren zwischen 1968 und 1975, als die schroffe Konfronta-
tionspolitik des Kalten Krieges vorübergehend durch eine Détente-Politik des begrenzten
Interessenausgleichs abgelöst wurde, war die Bundesrepublik gut beraten, den Kontext der
Entspannungspolitik zur Durchsetzung eigener Interessen, namentlich für eine sicherheits-
politische Stabilisierung in Mitteleuropa und humanitäre Erleichterungen für die Deutschen in
20 der DDR und Osteuropa, zu nutzen. Die Gesamtkonstellation des Ost-West-Konflikts zeich-
nete, stärker als es die aufgeheizte Debatte der frühen 1970er Jahre nahelegte, sowohl die Not-
wendigkeit als auch die Grenzen einer neuen Ostpolitik vor.
Es mag gut sein, dass die Motive und Intentionen einiger Protagonisten, die die sozial-
liberale Ost- und Deutschlandpolitik vorantrieben, über diesen begrenzten Handlungsspiel-
25 raum einer Ostpolitik, die an der Staatsräson der Bundesrepublik und der Interessenlage des
westlichen Bündnisses orientiert blieb, hinauszielten. Ebenso zeigt ein kritischer Blick auf die
konkreten Verhandlungsergebnisse, welche zwischen 1970 und 1973 in den Vertragswerken
mit Moskau, Ost-Berlin, Warschau und Prag ausgehandelt wurden, dass die sozialliberale
Bundesregierung an der einen oder anderen Stelle recht großzügig Zugeständnisse gemacht
30 und im Gegenzug nicht immer verbindliche und belastbare Gegenleistungen erhalten hatte.
Jenseits der berechtigten Kritik an den Intentionen und Ergebnissen der sozialliberalen
Ostpolitik muss aber auch deren Beitrag zur Vorgeschichte der deutschen Wiedervereinigung
anerkannt werden. Zuallererst war die Ostpolitik in dieser Hinsicht von Bedeutung, weil sie
von den Deutschen in der DDR als ein lange vermisstes Signal der Zuwendung, der Hoffnung
35 und des Zusammenhalts empfunden wurde und deshalb eine tiefe psychologische Wirkung
entfaltete, die sich 1989 auszahlte. Gleiches galt auch für das Signal der Gesprächsfähigkeit
und Glaubwürdigkeit, das die Ostpolitik nach Moskau, Warschau und Prag sandte. Die ost-

1 Wilhelm Grewe (1911 – 2000), 1955 Leiter der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, beeinflusste maßgeblich
die Formulierung und Ausarbeitung der Hallstein-Doktrin.

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Name: _______________________

politische Kontinuität der Regierungen Brandt, Schmidt und Kohl schuf im Laufe der Jahre
viel Vertrauen und untermauerte das Versprechen der Bundesrepublik, die Wiederherstellung
40 der deutschen Einheit in den Kontext der Europäischen Union zu stellen, sich als Fürsprecher
für eine zügige Integration der osteuropäischen Staaten in EU und NATO anzubieten und in
einem heiklen Balanceakt zugleich ein partnerschaftliches Verhältnis zu Moskau zu wahren.
Die Ostpolitik erleichterte die Wiederherstellung der deutschen Einheit, weil sie den östlichen
Nachbarländern half, die Erwartungsunsicherheiten über die Rolle eines wiedervereinigten
45 und vergrößerten Deutschlands abzubauen.
In anderer Hinsicht erwies sich die Ostpolitik allerdings als schiere Illusion: Die deutsche
Einheit wurde nicht durch einen „Wandel durch Annäherung“ ermöglicht, sie geschah nicht
infolge einer von außen angestoßenen Reform des Kommunismus, und sie hing erst recht
nicht davon ab, dass es zuvor zu einer Konvergenz von freier Welt und Kommunismus gekom-
50 men wäre. Die Chance zur deutschen Einheit eröffnete sich vielmehr genau in dem Moment,
als die kommunistische Ideologie in sich zusammenbrach. Als die Stunde der Wiedervereini-
gung geschlagen hatte, war es nicht entscheidend, dass man einen guten Draht zur SED-Füh-
rung hatte, sondern dass die meisten Menschen in der DDR nach jahrzehntelangem Ertragen
einer sozialistischen Diktatur mit all ihrem Mangel und all ihrer Unterdrückung und Gänge-
55 lung ihre Hoffnungen auf das westliche Modell von Freiheit, Marktwirtschaft, Rechtsstaat-
lichkeit und Demokratie richteten – und dabei sogar über einige Unzulänglichkeiten und Ver-
schleißerscheinungen der stabilitätsverwöhnten Bundesrepublik hinwegsahen.
[…]
Im Jahre 1990 bestätigte sich also, dass die Westintegration den Kern der Staatsräson der
60 Bundesrepublik ausmachte. Adenauersche Westpolitik und Brandtsche Ostpolitik waren keine
gleichwertigen Leitentscheidungen, vielmehr war die oft überschätzte Ostpolitik nur eine
Modifikation, mit der nach einem Modus Vivendi in einer an sich unerträglichen Situation
und nach einer Anpassung an eine veränderte sicherheitspolitische Konstellation gesucht
wurde. Ihre Berechtigung als Akzentsetzung der bundesrepublikanischen Außenpolitik und
65 ihr politischer Beitrag zur Wiederherstellung der deutschen Einheit waren gegeben, soweit
sie den Primat der Westintegration achtete.
Alles in allem blieb die Ostpolitik der deutschen Bundesregierungen bis 1989/1990 der
Staatsräson der Bundesrepublik verpflichtet. Deutschlandpolitisch wurde dies durch das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts von 1973 abgesichert, das möglichen Intentionen, aus dem
70 Grundlagenvertrag mit der DDR allmählich einen Verzicht auf die deutsche Einheit abzulei-
ten, einen Riegel vorschob. Es war zudem von großer Bedeutung, dass seit 1974 mit Helmut
Schmidt ein Bundeskanzler amtierte, der sich gegenüber den hochfliegenden ostpolitischen
Hoffnungen in der sozialliberalen Koalition immer einen gesunden Realismus bewahrt hatte.
Die Regierungen Schmidt und Kohl hielten den Primat der Westbindung hoch und wussten
75 deshalb das Potential der Ostpolitik zu nutzen, ohne ihren Illusionen zu erliegen.
[…]

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Unterlagen für die Lehrkraft


Abiturprüfung 2020
Geschichte, Leistungskurs

1. Aufgabenart
B Analyse von Darstellungen und kritische Auseinandersetzung mit ihnen

2. Aufgabenstellung1
1. Analysieren Sie den vorliegenden Textauszug. (26 Punkte)

2. Erläutern Sie ausgehend vom Text die historischen Bezüge zur Neuen Ostpolitik
(14 Punkte) und die Konzeption der vorangegangenen bundesdeutschen Außen- und
Deutschlandpolitik (14 Punkte). (28 Punkte)

3. Beurteilen Sie die Darlegungen des Autors zur Neuen Ostpolitik. (26 Punkte)

3. Materialgrundlage
• Hans Jörg Hennecke: Das Doppelgesicht der sozialdemokratischen Ostpolitik. In: Dreißig
Thesen zur Deutschen Einheit. Hrsg. von Dagmar Schipanski und Bernhard Vogel, Frei-
burg u. a. 2009, S. 64 – 72.

4. Bezüge zum Kernlehrplan und zu den Vorgaben 2020


Die Aufgaben weisen vielfältige Bezüge zu den Kompetenzerwartungen und Inhaltsfeldern des
Kernlehrplans bzw. zu den in den Vorgaben ausgewiesenen Fokussierungen auf. Im Folgenden
wird auf Bezüge von zentraler Bedeutung hingewiesen.

1. Inhaltsfelder und inhaltliche Schwerpunkte


Inhaltsfeld 6: Nationalismus, Nationalstaat und deutsche Identität im 19. und 20. Jahr-
hundert
• Nationale Identität unter den Bedingungen der Zweistaatlichkeit in Deutschland
• Die Überwindung der deutschen Teilung in der friedlichen Revolution von 1989
Inhaltsfeld 7: Friedensschlüsse und Ordnungen des Friedens in der Moderne
• Konflikte und Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg

2. Medien/Materialien
• entfällt

1 Die Aufgabenstellung deckt inhaltlich alle drei Anforderungsbereiche ab.

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5. Zugelassene Hilfsmittel
• Wörterbuch zur deutschen Rechtschreibung

6. Vorgaben für die Bewertung der Schülerleistungen


Teilleistungen – Kriterien
a) inhaltliche Leistung
Teilaufgabe 1

Anforderungen maximal
erreichbare
Punktzahl
Der Prüfling
1 benennt den Autor (Hans Jörg Hennecke, Politikwissenschaftler) und die Adressaten 2
(die historisch und politisch interessierte Öffentlichkeit).
2 charakterisiert den Text als historische Darstellung und nennt das Erscheinungsjahr 2
(2009).
3 nennt den Anlass: 20-jähriges Jubiläum des Mauerfalls. 2
4 arbeitet das Thema des Textes heraus: kritische Beurteilung der sozialliberalen Ost- 2
und Deutschlandpolitik.
5 gibt Inhalt und Gedankengang des Textes wieder, indem er die zentralen Aussagen 18
und Argumente herausstellt, etwa:
• Notwendigkeit einer flexibleren Ost- und Deutschlandpolitik
– Mauerbau 1961 erforderte neue Gesprächsbasis mit Moskau und Ost-Berlin;
– Notwendigkeit zur Aufgabe der Hallstein-Doktrin;
– faktische Entkoppelung von deutscher Teilung und Ost-West-Konflikt.
• Charakterisierung der Kennzeichen der Entspannungspolitik zwischen 1968
und 1975
– sicherheitspolitische Stabilisierung Mitteleuropas und humanitäre Erleichterun-
gen für Ostdeutsche und Osteuropäer;
– Grenzen der Ostpolitik durch Bindung an die Staatsräson der Bundesrepublik
und die Interessen des westlichen Bündnisses;
– fehlende Ausgewogenheit von Zugeständnissen der Bundesrepublik und Gegen-
leistungen durch die Vertragspartner in den Ost-Verträgen 1970 – 1973.
• Bedeutung der sozialliberalen Ostpolitik für die Wiedervereinigung
– Beitrag zur Vorgeschichte der Wiedervereinigung durch Signale sowohl an
die DDR (Hoffnung, Zusammenhalt) als auch an die osteuropäischen Staaten
(Gesprächsfähigkeit, Glaubwürdigkeit);
– ostpolitische Kontinuität hinsichtlich des westdeutschen Versprechens einer
deutschen Wiedervereinigung im Kontext einer europäischen Integration;
– Abbau der „Erwartungsunsicherheiten“ (Z. 44) der östlichen Nachbarländer
hinsichtlich eines wiedervereinigten Deutschlands.
• Ostpolitik als „Illusion“ (Z. 46)
– Ermöglichung der deutschen Einheit nicht durch die sozialliberale Ostpolitik
(„‚Wandel durch Annäherung‘“, Z. 47) und deren Ergebnisse, sondern durch
Zusammenbruch der kommunistischen Ideologie;
– Hoffnung der DDR-Bevölkerung auf das westliche Freiheitsmodell, Marktwirt-
schaft, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

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• Westintegration als Kern der Ostpolitik bis 1989/90


– Westintegration als „Primat“ (Z. 66) westdeutscher Staatsräson;
– Neue Ostpolitik lediglich als Reaktion auf die veränderten außenpolitischen
Konstellationen im Sinne eines „Modus Vivendi“ (Z. 62);
– Nutzung des Potenzials der Neuen Ostpolitik durch die Realpolitiker Schmidt
und Kohl unter konsequenter Beachtung der Westbindung.

Orientierung für eine 9 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Die Hauptaussagen des Textes werden, z. B. im textdurchschreitenden Verfahren,
im Ganzen zutreffend zusammengefasst.
Orientierung für eine 18 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Die Hauptaussagen des Textes werden auf der Grundlage einer Gliederung zutreffend
und mit deutlicher Akzentuierung so zusammengefasst, dass Inhalt und gedanklicher
Aufbau des Textes deutlich werden.
6 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (2)

Teilaufgabe 2
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 erläutert ausgehend vom Text die historischen Bezüge zur Neuen Ostpolitik. Dabei 14
führt er z. B. folgende Aspekte aus:
• beginnende Auflockerung der innerdeutschen Beziehungen, z. B. durch das Passier-
scheinabkommen;
• Anpassung der bundesdeutschen Außenpolitik an die internationale Entspannung,
„Wandel durch Annäherung“ (Egon Bahr, 1963);
• bilaterale Ostverträge 1970 – 1973, u. a.: Gewaltverzicht, Anerkennung der beste-
henden Grenzen ohne Verzicht auf die deutsche Wiedervereinigung, Verzicht auf
Gebietsansprüche, Anerkennung der DDR als Verhandlungspartner und Aufnahme
diplomatischer Beziehungen, Brief zur deutschen Einheit;
• Viermächteabkommen als Beleg für das Anerkenntnis der Notwendigkeit einer
Neuausrichtung der politischen Praxis;
• Grundlagenvertrag und damit einhergehende bundesrepublikanische Debatten;
• internationale sicherheitspolitische Stabilisierung durch die KSZE-Schlussakte 1975;
• langfristig wirksamer Abbau der Vorbehalte der osteuropäischen Staaten;
• Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls in den beiden deutschen Teilstaaten;
• vehemente Opposition der CDU/CSU gegen die Neue Ostpolitik.

Orientierung für eine 7 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Vier Aspekte werden zum Text in Beziehung gesetzt und in Grundzügen erläutert. Die
Darstellung enthält keine wesentlichen sachlichen Mängel und weist grundlegende
historische Kenntnisse nach.
Orientierung für eine 14 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Fünf Aspekte werden sachgerecht auf den Text bezogen und auf der Grundlage breiter
historischer Kenntnisse detailliert und zusammenhängend erläutert. Die Darstellung
enthält keine sachlichen Fehler.

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2 erläutert die Konzeption der vorangegangenen bundesdeutschen Außen- und Deutsch- 14


landpolitik. Dabei führt er z. B. folgende Aspekte aus:
• Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik bei gleichzeitiger Nichtanerkennung
der DDR;
• Streben nach Erlangung einer eigenen bundesdeutschen außenpolitischen Hand-
lungsfähigkeit gegenüber den alliierten Besatzungsmächten;
• Durchsetzung von Adenauers auf bundesrepublikanische Souveränität ausgerich-
tete Konzeption der Westbindung;
• Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich als Voraussetzung für einen
Zusammenschluss der westeuropäischen Demokratien gegen eine befürchtete sow-
jetische Expansion;
• Hallstein-Doktrin: Androhung der politisch-wirtschaftlichen Ausgrenzung von die
DDR anerkennenden Staaten mit Ausnahme der UdSSR;
• Aufrechterhaltung der kontinuierlichen Dialogbereitschaft im Rahmen der deutsch-
sowjetischen Beziehungen;
• Stärkung der atlantisch-europäischen Beziehungen als Voraussetzung für die von
Adenauer angestrebte Politik der Stärke;
• zunehmende Verknüpfung deutscher und europäischer Interessen, v. a. wirtschaft-
liche Integration der Bundesrepublik als Voraussetzung der wirtschaftlichen Stär-
kung (Magnettheorie);
• Einbindung der Bundesrepublik in das westliche Sicherheitssystem (WEU, NATO);
• Aufrechterhaltung der Zielsetzung einer deutschen Wiedervereinigung trotz der
Verschärfung im Ost-West-Konflikt (Beitritt der DDR zum Warschauer Pakt 1955,
Mauerbau 1961).

Orientierung für eine 7 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:


Vier Aspekte werden zum Text in Beziehung gesetzt und in Grundzügen ausgeführt.
Die Darstellung enthält keine wesentlichen sachlichen Mängel und weist grundlegende
historische Kenntnisse nach.
Orientierung für eine 14 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Fünf Aspekte werden sachgerecht auf den Text bezogen und auf der Grundlage brei-
ter historischer Kenntnisse detailliert und zusammenhängend ausgeführt. Die Darstel-
lung enthält keine sachlichen Fehler.
3 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (4)

Teilaufgabe 3
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 beurteilt die Darlegungen des Autors zur Neuen Ostpolitik. Dabei reflektiert er z. B. 26
folgende Aspekte:
• zustimmend
– Notwendigkeit einer Neuausrichtung der westdeutschen Ostpolitik in den 1960er
Jahren;
– Hinnahme des Mauerbaus auf westalliierter Seite, Ausbleiben politischer Maß-
nahmen, die den Status quo verändert hätten;
– Verbesserung der Beziehungen durch die Ostverträge 1970 – 1973 zwischen
der Bundesrepublik und der UdSSR, Polen, ČSSR und zur DDR;
– Verträge mit der DDR ermöglichten deutschen Bürgern u. a. Reise- und gegen-
seitige Besuchsmöglichkeiten;
– Bestimmungen der Schlussakte von Helsinki, die ein international geregeltes
Miteinander zwischen Ost und West ermöglichten;

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– Stärkung der Glaubwürdigkeit durch die Kontinuitäten in der westdeutschen


Ostpolitik;
– internationale Vertrauensbildung durch die westdeutsche Europa- und Wieder-
vereinigungspolitik;
– insgesamt geringfügige Bedeutung der Ergebnisse der Neuen Ostpolitik unter
den veränderten historischen Bedingungen im Kontext der Wiedervereinigung;
– Primat der Westbindung der Bundesrepublik auch nach der Wiedervereinigung
1990 (z. B. Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO).
• relativierend/ablehnend
– Betonung des politischen Kurswechsels durch die sozialliberale Ostpolitik in
Abgrenzung zur antikommunistischen Politik der Adenauer- und Erhard-Ära;
– Widerspruch zu der Entkoppelungsthese von deutscher Teilung und Ost-West-
Konflikt (vgl. Z. 12 f.) z. B. aufgrund der geopolitischen Bedeutung Deutsch-
lands;
– Zweifel an der „tiefe[n] psychologische[n] Wirkung“ (Z. 35) auf die Ostdeut-
schen;
– Kritik an der Bezeichnung der Ostpolitik als „schiere[r] Illusion“ (Z. 46) bezüg-
lich ihrer Bedeutung für die deutsche Einheit;
– Kritik an der Aussage des Verfassers, dass es sich bei der „überschätzten Ost-
politik“ lediglich um einen „Modus Vivendi“ (Z. 62) gehandelt habe;
– abweichende Einschätzung der Ergebnisse der Ostverträge (vgl. Z. 27 ff.), z. B.
im Hinblick auf die Ziele der sozialliberalen Ostpolitik und der Ausgangsposi-
tion der Bundesrepublik zu Beginn der Vertragsverhandlungen;
– Verkennung der friedenssichernden Bedeutung der Neuen Ostpolitik im Kon-
text der Entspannungspolitik.
gelangt zu einer eigenständigen Stellungnahme auf Grundlage der selbstgewählten
gewichteten Aspekte.
Orientierung für eine 13 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Der Prüfling gelangt auf der Grundlage von vier Teilaspekten über eine nachvollzieh-
bare und sachgerechte Argumentation zu einem zusammenfassenden Urteil. Die Dar-
stellung enthält keine wesentlichen sachlichen Mängel.
Orientierung für eine 26 Gewichtungspunkten entsprechende Lösungsqualität:
Der Prüfling entwickelt auf der Grundlage von insgesamt sechs Teilaspekten aus bei-
den Hauptaspekten über eine differenzierte Argumentation ein zusammenfassendes
Urteil. Die Darstellung enthält keine sachlichen Fehler.
2 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium. (4)

b) Darstellungsleistung
Anforderungen maximal
erreichbare
Der Prüfling Punktzahl

1 strukturiert seinen Text schlüssig, stringent sowie gedanklich klar und bezieht sich 5
dabei genau und konsequent auf die Aufgabenstellung.
2 bezieht beschreibende, deutende und wertende Aussagen schlüssig aufeinander. 4
3 belegt seine Aussagen durch angemessene und korrekte Nachweise (Zitate, Bezüge 3
u. a.).
4 formuliert unter Beachtung der Fachsprache präzise und begrifflich differenziert. 4
5 schreibt sprachlich richtig (Grammatik, Orthografie, Zeichensetzung) sowie syntak- 4
tisch und stilistisch sicher.

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7. Bewertungsbogen zur Prüfungsarbeit


Name des Prüflings: ____________________________________ Kursbezeichnung: ____________

Schule: _____________________________________________

Teilaufgabe 1
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK2 ZK DK
Punktzahl

1 benennt den Autor … 2


2 charakterisiert den Text … 2
3 nennt den Anlass … 2
4 arbeitet das Thema … 2
5 gibt Inhalt und … 18
6 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (2)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 1. Teilaufgabe 26

Teilaufgabe 2
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 erläutert ausgehend vom … 14


2 erläutert die Konzeption … 14
3 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (4)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 2. Teilaufgabe 28

2 EK = Erstkorrektur; ZK = Zweitkorrektur; DK = Drittkorrektur

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Teilaufgabe 3
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 beurteilt die Darlegungen … 26


2 erfüllt ein weiteres aufgabenbezogenes Kriterium: (4)
……………………………………………………………..
……………………………………………………………..
Summe 3. Teilaufgabe 26
Summe der 1., 2. und 3. Teilaufgabe 80

Darstellungsleistung
Anforderungen Lösungsqualität
maximal
Der Prüfling erreichbare
EK ZK DK
Punktzahl

1 strukturiert seinen Text … 5


2 bezieht beschreibende, deutende … 4
3 belegt seine Aussagen … 3
4 formuliert unter Beachtung … 4
5 schreibt sprachlich richtig … 4
Summe Darstellungsleistung 20

Summe insgesamt (inhaltliche und Darstellungsleistung) 100


aus der Punktsumme resultierende Note gemäß nach-
folgender Tabelle
Note ggf. unter Absenkung um bis zu zwei Notenpunkte
gemäß § 13 Abs. 2 APO-GOSt

Paraphe

Berechnung der Endnote nach Anlage 4 der Abiturverfügung auf der Grundlage von § 34 APO-GOSt

Die Klausur wird abschließend mit der Note ________________________ (____ Punkte) bewertet.

Unterschrift, Datum:

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Grundsätze für die Bewertung (Notenfindung)


Für die Zuordnung der Notenstufen zu den Punktzahlen ist folgende Tabelle zu verwenden:

Note Punkte Erreichte Punktzahl

sehr gut plus 15 100 – 95

sehr gut 14 94 – 90

sehr gut minus 13 89 – 85

gut plus 12 84 – 80

gut 11 79 – 75

gut minus 10 74 – 70

befriedigend plus 9 69 – 65

befriedigend 8 64 – 60

befriedigend minus 7 59 – 55

ausreichend plus 6 54 – 50

ausreichend 5 49 – 45

ausreichend minus 4 44 – 40

mangelhaft plus 3 39 – 33

mangelhaft 2 32 – 27

mangelhaft minus 1 26 – 20

ungenügend 0 19 – 0

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