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Honorarkonsulat
der
Auswärtiges Am IB
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Bundesrepublik Deutschland
Philadelphia, USA
!07. APR. 2014
Prot
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An das
Huntsman Program in International Studies and BusinesS
und das Department of Germanic Languages and Literatures
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Betr: Honors Senior Thesis
Bezug: Erlangung der akademischen Grade des Bachelor of Arts in
International Studies, German Studies und des Bachelor of Science in
Economics der University of PenNsylvania

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Die RolLe der ErinNerung in den
gegenwärtigen deutsch-amerikanischen und
deutsch-türkischen Beziehungen
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Von Taylor A. McConNelL
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Betreuerin: ProfesSor Dr. Yasemin Dayıoğlu-Yücel
DAAD Visiting ProfesSor - Universität Hamburg
Department of Germanic Languages and Literatures
SchoOl of Arts and Sciences

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Kurzfassung
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In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit zeitgenössischen Themen in der deutschen Außenpolitik

und wie deren Entwicklung durch die Erinnerung an parallelreiche Situationen in der Vergangenheit

beeinflusst wird. Das Thema, „Die Rolle der Erinnerung in den gegenwärtigen deutsch-

amerikanischen und deutsch-türkischen Beziehungen‟, mag auf den ersten Blick relativ einfach

erscheinen, erwies sich im Laufe der Bearbeitung meiner Quellen jedoch als komplexer und

vielschichtiger als erwartet. Am wichtigsten für die Zukunft der deutsch-amerikanischen und

deutsch-türkischen Beziehungen sind das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen

(TTIP) bzw. der mögliche Beitritt der Türkei in die Europäische Union.

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Das Hauptargument meiner Arbeit lautet: Die gegenwärtige Außenpolitik der Bundesrepublik

Deutschland wird von der Erinnerung an die Vergangenheit geprägt. Nicht nur die NS-Herrschaft

des 20. Jahrhunderts spielt eine Rolle, sondern auch andere historische Ereignisse, wie die

Zuwanderung ausländischer Gastarbeiter in der Nachkriegszeit, die SED-Diktatur 1949 bis 1990

und die deutsche Wiedervereinigung. Durch Erinnerungen wird auch die Wahrnehmung des

aktuellen Zustands beeinflusst. Einerseits können je nach dem, wie sie politisch instrumentalisiert

werden, Erinnerungen aktuelle Außenpolitik beeinflussen. Andererseits dürfen Politiker durch die

Instrumentalisierung solcher Erinnerungen die moderne Außenpolitik nach eigener Vorstellung

gestalten, weil die Erinnerungen an die oben genannten Ereignisse in der deutschen Vergangenheit

noch so stark sind.

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Einblicke in die deutsche Außenpolitik werden durch die Analyse veröffentlichter Akten zur

auswärtigen Politik aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin sowie anderen

zeitgenössischen Quellen wie z.B. Plenarsitzungsprotokollen des deutschen Bundestags gewonnen.

Vor allem unterstützte mein Besuch im Politischen Archiv im Januar 2014 die Argumentationen
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bezüglich der deutsch-türkischen Beziehungen, da mir dort Quellen aus der sogenannten

„Gastarbeiter-Ära‟ 1961 bis 1973 zur Verfügung gestellt wurden. Da zur Zeit wenige Dokumente

des Auswärtigen Amtes bezüglich der TTIP und des NSA-Skandals der Öffentlichkeit zur

Verfügung stehen, verlasse ich mich zumeist auf der außenpolitischen Seite auf Plenarprotokolle des

deutschen Bundestags aus dem Zeitraum 30. April 2007 (Tag der Unterzeichnung der

„Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der transatlantischen Wirtschaftsintegration‟) bis zum Winter

2013/2014. Als Quellen benutze ich dazu Reportagen aus renommierten Zeitungen und

Zeitschriften, wie z.B. Der Zeit, Dem Spiegel, The New York Times und The Washington Post sowie

Gespräche mit Zeitzeugen und wissenschaftlichen Akteuren, besonders über das Thema Stasi-

Erinnerungen.

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Am Beispiel der deutsch-amerikanischen Beziehungen sehen wir, dass Verbindungen zwischen den

Erinnerungen an die Stasi-Vergangenheit in der DDR und die heutigen Debatten über Datenschutz

und Privatsphäre in Deutschland nicht allzu schwer nachvollziehbar sind. Daraus folgt, dass die

durch die Erinnerung sowohl an die Gestapo in der NS-Zeit als auch an die Arbeit des MfS während

der SED-Diktatur beeinflussten Sorgen um Privatsphäre Auswirkungen auf die Auseinandersetzung

mit der NSA-Ausspähaffäre 2013 haben.

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Meine Analyse der Rolle der Erinnerung in der deutsch-türkischen Beziehung zeigt, dass der

Zusammenhang zwischen Erinnerungen an die Gastarbeiter-Ära und die heutige Politik nicht so

eindeutig ist. Zwar wurden im Laufe der Arbeiterzuwanderung nach Deutschland ab den 1960er

Jahren Brücken zwischen Menschen gebaut, aber zwischen Regierungen eben nicht. Auch

Erinnerungen an andere Ereignisse, wie z.B. an die Türkenbelagerungen vor Wien und den

Völkermord an Armeniern im Ersten Weltkrieg, spielen in der heutigen Außenpolitk eine größere

Rolle als die Erinnerungen an die Gastarbeiter-Ära.


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Inhaltsverzeichnis
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1. Einführung ....................................................................................................................................... 1
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2. Methodischer Ansatz ...................................................................................................................... 5
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3. Deutsch-amerikanische Beziehungen ........................................................................................... 12
3.1. Aktuelle Entwicklungen u. Meinungen: TTIP und NSA-Skandal ................................. 16
3.2. Die Stasi-Vergangenheit und deren Zusammenhang mit dem ....................................... 28
NSA-Skandal
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4. Deutsch-türkische Beziehungen ................................................................................................... 44
4.1. Aktuelle Entwicklungen u. Meinungen: Türkischer Beitritt zur EU .............................. 45
4.2. Erinnerungen an die Arbeitsmigration aus der Türkei in den 1960er ........................... 61
und 1970er Jahren
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5. Ausblick/Fazit ................................................................................................................................. 81
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6. Anhänge
6.1. Anhang 1: Cumulative U.S. Troop Deployments by Country, 1950 - 2000 .................. 83
6.2. Anhang 2: Struktur des Minsteriums für Staatssicherheit zum 01.10.1989 .................. 84
6.3. Anhang 3: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950 ........ 85
6.4. Anhang 4: Entwicklung der Arbeitsmigration nach Deutschland, 1962 - 2008 ........... 86
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7. Quellenverzeichnis .......................................................................................................................... 87
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„Les homMes peuvent avoir des amis, pas les homMes d’Etat‟.
Charles de GaulLe
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1. Einführung

Das Thema Freundschaft gewinnt in letzter Zeit in außenpolitischen Kreisen immer mehr an

Bedeutung. Politiker reden von der Freundschaft zwischen Deutschland und den Vereinigten

Staaten, als ob die beiden Staaten zwei Menschen wären, die zusammen aufgewachsen seien, gelitten

und gejubelt hätten. Auch für die Bundesrepublik und die Türkei wird für die vergangenen fünfzig

Jahre eine enge Freundschaft bescheinigt. Unsere türkischen Gäste wurden zu unseren lieben Nachbarn

und schließlich zu unseren Freunden. Aber kann ein Staat sich mit einem anderen befreunden? Wie

kann ein Konzept wie die Eigenstaatlichkeit mit Freundschaft so abstrakt, aber gleichzeitig so

konkret verbunden werden? Wo liegt die Grenze zwischen einer außenpolitischen Beziehung, wie

der transatlantischen politischen oder Handelspartnerschaft und einer festen Freundschaft wie unter

Menschen und Nachbarn?

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In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit zeitgenössischen Themen in der deutschen Außenpolitik

und wie deren Entwicklung durch die Erinnerung an ähnliche Situationen in der Vergangenheit

beeinflusst wird. Das Thema, „Die Rolle der Erinnerung in den gegenwärtigen deutsch-

amerikanischen und deutsch-türkischen Beziehungen‟, mag auf den ersten Blick relativ einfach

erscheinen, erwies sich im Laufe der Bearbeitung meiner Quellen jedoch als komplexer und

vielschichtiger als erwartet. Am wichtigsten für die Zukunft der deutsch-amerikanischen und

deutsch-türkischen Beziehungen sind das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen

(TTIP) bzw. der mögliche Beitritt der Türkei in die Europäische Union.

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Als historisches Beispiel für die deutsch-türkische Partnerschaft dient zum Zweck dieser Arbeit die

Einwanderung sogenannter türkischer „Gastarbeiter‟ in den 1960er und 1970er Jahren, vom

Anwerbeabkommen 1961 zum Anwerbestopp 1973. Für die Bearbeitung dieses Themas besuchte
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ich im Januar 2014 das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin und untersuchte dort

mehrere Drahtberichte, Briefe und Redetexte vor und während der Zeit der türkischen Migration

nach Deutschland, vor allem bezüglich des Assoziierungsabkommens der Türkei mit der

Europäischen Wir tschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahre 1963. Um Zug ang zu

Forschungsmaterialien zum Thema Erinnerung aus türkischer Perspektive zu bekommen, besuchte

ich das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. (DOMiD) in

Köln-Ehrenfeld. Dort sammelte ich mehr als 30 Presseartikel aus der Zeit ab den 1970er Jahren über

die sozialen und politischen Auswirkungen der sogenannten „Gastarbeiter-Ära‟ in der deutschen

Gesellschaft. Darüber hinaus nahm ich an einer Führung durch eine Sonderausstellung zu

„Wanderarbeitern‟ im Museum der Arbeit in Hamburg-Barmbek teil. Zusätzlich habe ich Bücher

und wissenschaftliche Artikel über die heutigen sozialen Verhältnisse der aus der Türkei

Eingewanderten ausgewertet.

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Der methodische Ansatz für die Ausarbeitung der gegenwärtigen Beziehung zwischen der

Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten unterscheidet sich von dem für die

deutsch-türkische Beziehung vor allem durch die Wahl der geschichtlichen Ereignisse. Anstatt die

Nachkriegszeit und den Marshallplan für den Wiederaufbau Europas zu untersuchen, habe ich mich

dazu entschieden, die Rolle der NSA-Affäre 2013-2014 im Kontext der Stasi-Vergangenheit in der

Deutschen Demokratischen Republik zu untersuchen. Im Spätsommer 2013 wurde häufiger in den

Medien erwähnt, dass der NSA-Skandal ein großes Hindernis für das Weiterführen der TTIP-

Verhandlungen darstelle; die deutsch-amerikanische Freundschaft könne sogar an den Folgen des

Skandals scheitern. Inwiefern dieser und ähnliche Vorwürfe stimmen werde ich auch im Rahmen

dieser Arbeit diskutieren. Um mich über das Ministerium für Staatssicherheit in der DDR-Zeit zu

informieren traf ich in Berlin Herrn Bernd Lippmann, den Vorstandsvorsitzenden der
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„Antistalinistischen Aktion Berlin Normannenstraße (ASTAK) e.V.‟, die für das Berliner

Stasimuseum verantwortliche Organisation, mit dem ich die Tätigkeiten und Rahmenbedingungen

der Stasi im Zusammenhang mit der NSA diskutierte. Weiterhin besuchte ich das Berliner DDR-

Museum und die Außenstelle der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in

Erfurt. Im Sommer 2013 arbeitete ich als Fachpraktikant im Bereich Politik und Wirtschaft beim

Amerikanischen Generalkonsulat München. Während meines Praktikums konnte ich Erfahrungen

zum Thema NSA-Abhörskandal sammeln. Leider gibt es wenige, der Öffentlichkeit zugänglich

gemachte, Dokumente von der amerikanischen Regierung über die National Security Agency und

deren jüngste Aktivitäten. Für die Bearbeitung dieses Themengebiets musste ich mich deswegen vor

allem auf Zeitungsberichte verlassen. Das Gegeteil ist auf deutscher Seite der Fall, wo wie oben

bereits erwähnt allerlei Dokumente und Berichte über die Rolle und den Arbeitsumfeld der Stasi

veröffentlicht wurden.

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Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich die folgenden Fragen beantworten:

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1. Welche Auswirkungen haben die Erinnerungen an Ereignisse in der (neueren) Vergangenheit

Deutschlands auf gegenwärtige Diskussionen in der deutschen Außenpolitik?

2. Inwiefern ähneln sich die außenpolitischen Gespräche der 1960er/1970er Jahre über die

Einwanderung türkischer „Gastarbeiter‟ und die heutigen Gespräche über die EU-

Beitrittsverhandlungen der Türkei?

Zu dieser Frage kommen weitere Unterfragen hinzu:Welche Gefahren und Möglichkeiten

würden von einem Beitritt der Türkei zur EU ausgehen?


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a. Was gehört aus deutscher Perspektive zu „Europa‟ und was nicht?

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3. Bedroht der NSA-Abhörskandal 2013 die Weiterführung der deutsch-amerikanischen

„Freundschaft‟ und kann er das Ende der TTIP-Verhandlungen bedeuten?

Dazu:

a. Sind das Ministerium für Staatssicherheit der DDR und die amerikanische National Security

Agency überhaupt zu vergleichen, und wenn ja, inwiefern sind sie sich ähnlich?

b. Hängen die Bedenken in Deutschland um Datensicherheit und Privatsphäre mit den

Erinnerungen an die Stasi-Vergangenheit zusammen?

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Das Hauptargument lautet: Die gegenwärtige Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland wird

von der Erinnerung an die Vergangenheit geprägt. Nicht nur die NS-Herrschaft des 20.

Jahrhunderts spielt eine Rolle, sondern auch andere historische Ereignisse, wie die Zuwanderung

ausländischer Gastarbeiter in der Nachkriegszeit, die SED-Diktatur 1949 bis 1990 und die deutsche

Wiedervereinigung. Durch Erinnerungen wird auch die Wahrnehmung an den aktuellen Zustand

beeinflusst. Einerseits können je nach dem, wie sie politisch instrumentalisiert werden,

Erinnerungen aktuelle Außenpolitik beeinflussen. Andererseits können Politiker durch die

Instrumentalisierung solcher Erinnerungen die moderne Außenpolitik nach eigener Vorstellung

gestalten, weil die Erinnerungen an die obengenannten Ereignisse in der deutschen Vergangenheit

noch so stark sind.

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Diese Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Im nächsten Kapitel wird eine Erläuterung des

methodischen Ansatzes gegeben. Im dritten Abschnitt folgt eine Analyse der gegenwärtigen
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deutsch-amerikanischen, bzw. transatlantischen Beziehung angesichts der im Sommer 2013

entstandenen NSA-Affäre. Ich gebe hier die Reaktionen von Politikern, Journalisten und Bürgern

wider, speziell ihre Positionen gegenüber dem geplanten US-EU Handelspakt TTIP bzw. dem NSA-

Skandal. Danach bringe ich die NSA und die Geschichte der Stasi in der ehemaligen DDR in

Verbindung und erkläre in ähnlicher Form die Reaktionen von Regierung, Medien und Menschen. In

Kapitel 4 untersuche ich die heutigen Debatten um den möglichen Beitritt der Türkei zur

Europäischen Union im wissenschaftlichen Diskurs unter deutschen Politikern, in den Medien,sowie

unter den Bürgern. Es folgt ein Vergleich zwischen diesen Gesprächen über die Aufnahme der

Türkei in die EU und den historischen Debatten über die Rolle der türkischen Gastarbeiter in der

BRD ab dem Jahre 1961 und wie die Erinnerungen an diese Arbeitsmigration vom Staat, in den

Medien, von betroffenen Individuen sowie von Institutionen konkretisiert werden. Diese Arbeit

schließt mit einem Fazit und einem Ausblick in die mögliche Zukunft der deutsch-amerikanischen

und deutsch-türkischen Beziehungen ab.

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2. Methodischer Ansatz

Im folgenden Kapitel werde ich beschreiben, auf Basis welcher Theorien und Fragen ich die für

diese Arbeit relevanten Quellen untersuche. Dazu zählt vor allem die Theorie des kollektiven

Gedächntisses. Die 1925 vom französischen Soziologen Maurice Halbwachs entwickelte Theorie

lautet: Es existiert eine gemeinsame, also kollektive, Gedächtnisleistung einer Gruppe von

Menschen, „welche auf einen gemeinsamen Erfahrungsschatz zurückgreifen [kann], der durch

kommunikativen Austausch stabilisiert wird, wie bei Mitgliedern von Familien, Schulklassen,

Soldatenregimentern oder Reisegruppen‟.1 Halbwachs' Theorie fokussiert hauptsächlich auf kleinere

soziale Gruppierungen, durch die Kinder sozialisiert und erzogen werden und von denen sie

1HALBWACHS, Maurice, zitiert in: ASSMANN, Aleida: Einführung in die Kulturwissenschaft. Grundbegriffe,
Themen, Fragestellungen. 1. Aufl. Berlin : Erich Schmidt Verlag, 2006. S. 187.
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beeinflusst werden können, darunter Familie, Religion und Sozialschicht. Aleida Assmann fasste

Halbwachs' Arbeit auf folgender Weise zusammen: „Seine radikale These war, dass Menschen kein

individuelles Gedächtnis ausbilden, sondern immer schon in Gedächtnisgemeinschaften

eingeschlossen sind. [...] Ein vollständig einsamer Mensch könnte nach Halbwachs deshalb

überhaupt kein Gedächtnis ausbilden‟.2

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Die Kulturwissenschaftlerin Assmann und ihr Ehemann, Jan Assmann, erweiterten die Theorie von

Halbwachs, verbunden mit der Arbeit über die kulturelle Identität und Erinnerungsorte des

französischen Historikers Pierra Nora. Assmann und Assmann stellen drei Formen des

Gedächtnisses vor: das kommunikative und das kulturelle, die zusammen das kollektive ausmachen.

Aleida Assmann und Ute Frevert definieren den Begriff „Erinnerungen‟ als „die einzelnen und

disparaten Akte der Rückholung oder Rekonstruktion individueller Erlebnisse und Erfahrungen‟.3

Als „Gedächtnis‟ bezeichnet sie „die organische Basis für die Operationen der Erinnerungen [...

einen] Kollektivbegriff für angesammelte Erinnerungen, als Fundus und Rahmen für einzelne

memoriale Akte und Einträge‟.4 Das heißt, das Gedächtnis dient als eine Linse, durch die einzelne

Erfahrungen angeschaut und rekonstruiert werden können.

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Assmann argumentiert, dass „Ethnien, Nationen und Staaten [...] kein kollektives Gedächtnis haben,

sondern sich eines machen mithilfe unterschiedlicher symbolischer Medien wie Texten, Bildern,

Denkmälern, Jahrestagen, und Kommemorationsriten. [...] solche Kollektive [machen] damit

zugleich eine Wir-Identität, die [...] in Form von Lernen, Teilnahme an Riten [...] und anderen

2 Vgl. ebd. S. 186-87.


3ASSMANN, Aleida; FREVERT, Ute: Geschichtsvergessenheit - Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen
Vergangenheiten nach 1945. 1. Auf. Stuttgart : Deutsche Verlags-Anstalt, 1999. S. 35.
4 Vgl. ebd.
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Formen praktizierter Zugehörigkeit erworben wird‟.5 Meiner Auffassung nach spielt hier die

Regierung eine besondere Rolle in dem teils unbewussten Entscheidungsprozess darüber, welche

Erinnerungen für die staatliche bzw. nationale Identität von höchster Bedeutung sind. Als klarstes

Beispiel nimmt man die Erfahrungen und Folgen des wachsenden Faschismus in Europa in den

1930er Jahren, was schließlich zum Zweiten Weltkrieg, dem Holocaust, und am Ende zu einer

Neuordnung der Weltmächte und der Vorrangstellung der Menschenrechte in der Nachkriegszeit

führte. Die Erinnerungen an den Holocaust und die Schuld als negatives Identifikationssymbol

wurden zur Basis, auf der die neue westdeutsche Regierung 1949 mitsamt dem Grundgesetz gebaut

wurde. Manche Erinnerungen an neuere geschichtliche Ereignisse, wie z.B. die SED-Diktatur in der

ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, gehören selbt noch nicht zum gesamtdeutschen

kollektiven Gedächtnis, da diesen Teil der deutschen Geschichte nur Ostdeutsche unmittelbar erlebt

haben. Im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg, unter dem und dessen Folgen alle Deutsche gelitten

hatten, wurde nicht jeder Deutsche von der Bespitzelung durch die Stasi im Laufe des Kalten

Krieges persönlich betroffen. Deshalb wird keine gemeinsame Erinnerung an diese Vergangenheit

von allen Bürgern geteilt.

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Das kommunikative Gedächtnis bildet sich aus persönlichen Erinnerungen aus einem zeitlich und

sozial geprägten Milieu. Es basiert hauptsächlich auf alltägliche Kommunikationen zwischen

Individuen. Diese Art von Gedächtnis wird im Laufe der Zeit unter nachfolgenden Generationen

ausgetauscht und stellt das „Kurzzeitgedächtnis der Gesellschaft‟ dar, denn „mit jedem

Generationswechsel [...] verschiebt sich das Erinnerungsprofil einer Gesellschaft merklich‟.6 In

5 ASSMANN, Aleida: Einführung in die Kulturwissenschaft, S. 188.


6 Vgl. ebd. S. 37.
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dieser Arbeit wird das kommunikative Gedächtnis durch „Formen [der] Erfahrungsverarbeitung‟7

wie z.B. Gespräche mit und persönliche Geschichten von betroffenen Individuen manifestiert, weil

sie die inviduellen Aspekten der Erinnerung vertreten.

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Das kulturelle Gedächtnis wird demgegenüber durch „[externe] Speichermedien und [kulturelle]

Praktiken‟ und Institutionen vertreten.8 Diese Medien wirken in mittler bis längerer Frist, um

Erinnerungen über Generationen hinaus zu vermitteln. In dieser Arbeit benutze ich Medienberichte

aus Zeitungen und Zeitschriften, um eine zeitgenössische statt eine langfristige Einstellung des

Journalismus gegenüber manchen Themen deutlich zu machen. Solche Quellen gehören

möglicherweise unter dem Sammelbegriff des kommunikativen Gedächtnisses anstatt des

kulturellen. Aleida Assmann und Ute Frevert schreiben: „Wie das kollektive Gedächtnis wird das

kulturelle Gedächtnis gebraucht, um Erfahrungen und Wissen über die Generationsschwellen zu

transportieren und damit ein soziales Langzeitsgedächtnis auszubilden. [...] Hier spielt die

Auslagerung von Erfahrungen, Erinnerungen und Wissen auf Datenträger wie Schrift und Bild eine

entscheidende Rolle‟.9 Auch Bildungsinstitutionen sollen dabei helfen, „in langfristiger historischer

Perspektive überlebenszeitlich zu kommunizieren‟.10 Dazu könnte man zum Beispiel die

Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) zählen.

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Zu den ersten Auseinandersetzungen mit dem Zusammenhang zwischen kollektiver Erinnerung und

Außenpolitik gehört das 2010 erschienene Buch Power and the Past: Collective Memory and International

7 Vgl. ebd. S. 38.


8ASSMANN, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. 1. Aufl. München : C.
H. Beck, 1999, S. 19.
9 Vgl. ebd. S. 49.
10 Vgl. ebd. S. 50.
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Relations, von Eric Langenbacher (Georgetown University) und Yossi Shain (Tel Aviv University).

Langenbacher untersucht die Entwicklung der Außenpolitik durch das konstruktivistische

Paradigma, das die Rolle von Identität und Ideen in der Politik betont. Laut Langenbacher: „[...]

constructivist scholars and others have argued that the traditional, simplified view of international

actors (states, elites, governments) has to add other networks of influence that may not map

perfectly onto the old models - transnational ethnic groups, diasporas, refugees, and other

migrants‟.11 Das heißt, vereinfachte und veraltete Machtverhältnisse zwischen Staat und Volk in der

Bildung der Politik ignorieren den wesentlichen Einfluss von ethnischen Minderheiten und anderen

marginalisierten Sozialgruppen in dem internationalen Staatensystem. Mit diesem Argument besteht

die Möglichkeit, eine Rolle der Erinnerungen der türkischen und anderen Gastarbeiter der 1960er

und -70er Jahre im politischen Entscheidungstreffen und in den internationalen Beziehungen zu

finden. Die vier allgemeinen Prinzipien des Konstruktivismus werden von John Hobson definiert

als: „(1) the primacy of ideational factors; (2) agents are derived from identity-construction, which is

constituted in the course of social interaction; (3) communicative action and moral norms specify

'appropriate' behavior; (4) the importance of historical international change‟.12 In meiner Arbeit

beziehe ich mich vor allem auf das vierte Prinzip des historischen internationalen Wandels. Zu dem

Aspekt schreibt Langenbacher: „Memories can assign to an actor a historical position of villain,

victim, or liberator, allowing for the framing of international issues and negotiation‟.13 Dieses

Argument kann ich in dieser Arbeit verwenden, um die sich aufgrund der NSA-Affäre 2013

verändernden Wahrnehmungen der transatlantischen „Freundschaft‟ in der deutschen Innen- und

Außenpolitik zu untersuchen. Nach den Enthüllungen von Edward Snowden zu den ausländischen

11LANGENBACHER, ERIC; SHAIN, Yossi (Hrsg.). Power and the Past. Collective Memory and International
Relations. 1. Aufl. Washington : Georgetonwn University Press, 2010. S. 2.
12 Vgl. ebd. S. 22.
13 Vgl. ebd. S. 11.
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Aktivitäten der NSA kamen in den Medien im November 2013 häufiger Vorwürfe gegen die USA

vor. Das Land beute seine „amerikanische Einzigartigkeit‟ aus, um „ein[en] Staat im Staate‟

aufzubauen.14 Diese Behauptung ähnelt der Beschreibung der Struktur des ehemaligen

Staatsministeriums für Sicherheit, eines Parteiorgans, das im Laufe der DDR-Geschichte auch des

öfteren als ein „Staat im Staate‟ bezeichnet wurde.15 Nichtsdestotrotz plädierte der neu ins Amt

getretene deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier während seines Staatsbesuchs in

den USA im Februar 2014 für die deutsch-amerikanische Freundschaft. Als Hauptvertreter der

Bundesrepublik wirkt Steinmeiers Ankündigung als Bestätigung, dass die NSA-Affâre keine

schweren Folgen für die transatlantische Beziehung haben wird. Im Spiegel Online wird dies aber

anders dargestellt: „Den tiefen Riss, den die NSA-Abhöraffäre zwischen Berlin und Washington

gezogen hat, will er natürlich nicht durch Schweigen zukleistern. Steinmeier hat sich aber damit

abgefunden, dass es kein 'Sorry' oder gar ein No-Spy-Abkommen mehr geben wird‟.16 Hier sehen

wir einen bemerkenswerten Unterschied in der Darstellung der NSA-Krise, zwischen der offiziellen

Position der Bundesregierung, die einen Teil des kollektiven Gedächtnisses ausmachen dürfte, und

der der Medien, deren Meinungen zur Entwicklung des kommunikativen bzw. des kulturellen

Gedächtnisses beitragen. Um diese Unterschiede und deren Auswirkungen in der Außenpolitik geht

es in dieser Arbeit.

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14FRAS, Damir: NSA-Affäre. Die deutschen Bitten erhört niemand, in: Frankfurter Rundschau, 03.11.2013, online
zugreifbar unter: http://www.fr-online.de/datenschutz/nsa-affaere-die-deutschen-bitten-erhoert-niemand,
1472644,24890694.html, letzter Zugriff am 28.03.2014.
15Der Begriff ‟Staat im Staate‟ wurde in einem Spiegel-Artikel im Februar 1990 verwendet, der in der Spezialausgabe
„162 Tage Deutsche Geschichte. Das halbe Jahr der gewaltlosen Revolution‟ erschien. Vgl. o.A. Der Stasi-Staat.
Machtfülle und Unterdrückungspraxis der DDR-Staatssicherheit, in: Der Spiegel, 01.02.1990, online zugreifbar unter:
http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-52397639.html, letzter Zugriff am 28.03.2014.
16GEBAUER, Matthias. Hauptsache Freunde. Steinmeier in den USA, in: Spiegel Online, 28.02.2014, online zugreifbar
unter: http://www.spiegel.de/politik/auslan/aussenminister-frank-walter-steinmeier-bei-john-kerry-in-den-usa-
a-956145-druck.html, letzter Zugriff am 07.03.2014.
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Einblicke in die deutsche Außenpolitik werden durch die Analyse veröffentlichter Akten zur

auswärtigen Politik aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin sowie anderen

zeitgenössischen Quellen wie z.B. Plenarsitzungsprotokollen des deutschen Bundestags gewonnen.

Vor allem unterstützte mein Besuch im Politischen Archiv im Januar 2014 die Argumentationen

bezüglich der deutsch-türkischen Beziehungen, da mir dort Quellen aus der sogenannten

„Gastarbeiter-Ära‟ 1961 bis 1973 zur Verfügung gestellt wurden. Unter anderem untersuchte ich:

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• Akten des für die politischen Beziehungen zur Türkei zuständigen Referats zur

Wirtschaftspolitik im Allgemeinen und zu Gastarbeitern, sowie

• Akten des für Sozialrecht zuständigen Referats zu (a) Gastarbeitern im Allgemeinen und (b)

türkischen Gastarbeitern.

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Da zur Zeit wenige Dokumente des Auswärtigen Amtes bezüglich der TTIP und des NSA-Skandals

der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, verlasse ich mich zumeist auf der außenpolitischen Seite

auf Plenarprotokolle des deutschen Bundestags aus dem Zeitraum 30. April 2007 (Tag der

Unterzeichnung der „Rahmenvereinbar ung zur Ver tiefung der transatlantischen

Wirtschaftsintegration‟) bis heute.

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Die Bearbeitung des Themas Erinnerung wird m.E. sowohl spannender als auch schwieriger, denn

ich versuche nach bestem Können die Themen dieser Arbeit so objektiv darzustellen wie möglich.

Als Quellen benutze ich Reportagen aus bekannten und renommierten Zeitungen und Zeitschriften,

wie z.B. Der Zeit, Dem Spiegel, The New York Times und The Washington Post, und Gespräche mit

Zeitzeugen und wissenschaftlichen Akteuren, besonders zum Thema Stasi-Erinnerungen.

Gesprächspartner waren, u.a.:

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• Hr. Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender, ASTAK e.V., Berlin, am 06.01.2014

• Dr. Thilo Günther, Archivist, BStU - Außenstelle Erfurt, am 09.01.2014

• Dr. Robert Fuchs, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DOMiD e.V., Köln, am 10.01.2014

• Fr. Bettina Just, Wissenschaftliche Dokumentarin, DOMiD e.V., Köln, am 10.01.2014

• Dr. Eric Langenbacher, Visiting Assistant Professor/Director of the Senior Honors Program

in the Department of Government, Georgetown University, Washington, DC, am 21.03.2014

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Mein Interesse an diesem Thema stammt aus meinen Erfahrungen in einem Proseminar über die

deutsche Außenpolitik, das ich an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im

Sommersemester 2012 belegte. In einem Aufsatz für diesen Kurs argumentierte ich, dass die

Aktivitäten der deutschen Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel durch die Perspektive des

soziologischen Institutionalismus betrachtet werden können. Im Sommer 2013 schloss ich ein

zehnwöchiges Praktikum bei dem Amerikanischen Generalkonsulat München ab, durch das ich

weitere Einblicke in die gegenwärtige Außenpolitik gewann. Dementsprechend wird das

transatlantische Verhältnis, insbesondere die heutigen Diskussionen über das Transatlantische

Handels- und Investitionsabkommen (TTIP), in diesem Text untersucht.

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3. Deutsch-amerikanische Beziehungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Sieg der Alliierten über die faschistischen Mächte in Europa

entwickelte sich rasch eine neue Weltordnung, aufgespalten in drei Interessensphären: die mit den

USA verbundene „erste Welt‟, die „zweite Welt‟ um die Sowjetunion und deren Partnern des

Warschauer Paktes sowie die nicht angeschlossenen Länder der „dritten Welt‟. Deutschland wurde

entzwei gespalten, die westlichen Länder der Bundesrepublik besetzt mit Soldaten der NATO-

Staaten USA, Großbritannien und Frankreich, und die östlichen Gebiete bildeten die Deutsche

Demokratische Republik (DDR), die sich an Moskau anschloss. Mit der Berliner Luftbrücke 1948-49
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sowie dem Plan für den Wiederaufbau Europas - dem sogenannten Marshallplan - gründeten die

Vereinigten Staaten schnell eine neue geopolitische Basis für das transatlantische Verhältnis. Im

Laufe der frühen Nachkriegszeit strebten die USA die Bindung Westdeutschlands an das

internationale System durch Mitgliedschaft in Organisationen wie der NATO, den Vereinten

Nationen, und der Europäischen Gemeinschaft für Kohl und Stahl (die sich später zu der EG und

schließlich der EU entwickelte) an. Mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

konnten die Alliierten eine Plattform für demokratische Rechte und die soziale Marktwirtschaft

bauen. Während des Kalten Krieges gewährten die amerikanischen und andere NATO-Mächte die

westdeutsche Sicherheit gegen nukleare Bedrohungen aus der UdSSR mit dem Ausbau mancher

Militärstützpünkte wie der Ramstein Air Base bei Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz, der Lucius D.

Clay Kaserne bei der hessischen Hauptstadt Wiesbaden - das künftige Hauptquartier der US Army

Europe - und des 2012 an Deutschland zurückgekehrte Flugplatzes Bamberg-Breitenau. Zwischen

den Jahren 1950 und 2000 wird der kumulative Truppeneinsatz amerikanischer Soldaten in

Deutschland auf zehn Millionen geschätzt.17

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Nach dem Mauerfall 1989 und die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 haben die

Vereinigten Staaten eine militärische Präsenz in Deutschland weiterhin aufrechterhalten. Dem

Auswärtigen Amt nach spielt Deutschland in der transatlantischen Sicherheitsgemeinschaft NATO

eine Rolle als militärische Unterstützung für den Westen: „Heute liegt einer der Schwerpunkte bei

der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Gemeinsam mit anderen Verbündeten hilft

Deutschland bei Krisen- und Konfliktbewältigung weltweit, etwa in der Ukraine, in Afghanistan, auf

dem Balkan und im Nahen Osten, durch diplomatisches und z.T. auch militärisches Engagement

17KANE, Tim: Global U.S. Troop Deployment, 1950 - 2003, in: The Heritage Foundation, online zugreifbar unter:
http://www.heritage.org/research/reports/2004/10/global-us-troop-deployment-1950-2003, letzter Zugriff am
02.04.2014. Siehe Anhang 1: Cumulative U.S. Troop Deployments by Country, 1950 - 2000.
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sowie durch Aufbauhilfe für Polizeikräfte und Entwicklungshilfe‟.18 Aber seit den Terroranschlägen

des 11. Septembers 2001 kam es unter der rot-grünen Bundesregierung von Bundeskanzler Gerhard

Schröder zu einem Streit mit den USA über eine deutsche Teilnahme am Irakkrieg. Mit seinem

Außenminister Joschka Fischer verteidigte Schröder im Jahre 2003 eine Politik des Friedens statt

einer des Krieges und „betonte Deutschlands Souveränität bei der Entscheidung über die

Entsendung deutscher Soldaten‟.19 Nach dem Regierungswechsel 2005 und dem Aufstieg von

Angela Merkel als erste deutsche Bundeskanzlerin näherte sich die deutsche Regierung wieder mehr

an den amerikanischen Partnern an.

!
Seit dem Beginn der deutsch-amerikanischen Transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft 2007 hat

der Außenhandel zwischen den beiden Staaten, besonders in Richtung USA, deutlich zugenommen.

Amerikanische Importe von deutschen Waren stiegen von 94,1 Mrd. Dollar im Jahre 2007 bis auf

114,6 Mrd. Dollar im Jahre 2013.20 Auf europäischer Ebene wurden erste Diskussionen über eine

US-EU Freihandelszone im Rahmen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft

TTIP im Jahre 2011 aufgenommen, die große wirtschaftlichen Chancen auf beiden Seiten des

Atlantiks darstellt. Schließlich tauchten im Juni 2013 Medienberichten auf, die geheime Dokumente

über die Auslandstätigkeiten des amerikanischen Geheimdienstes NSA zeigten und den USA

Wirtschafts- und Netzwerkspionage vorwarfen. Die Entwicklung der NSA-Ausspähaffäre

verursachte tiefere Auseinandersetzungen zwischen den USA und Deutschland über die Rolle von

AUSWÄRTIGES AMT: Beziehungen zwischen den USA und Deutschland, 02.2014, online zugreifbar unter: http://
18

www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/UsaVereinigteStaaten/Bilateral_node.html, letzter
Zugriff am 02.04.2014.
19 o.A.: Regierungserklärung. Schröder und Fischer verteidigen Nein zum Irak-Krieg, in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 13.02.2003, online zugreifbar unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/regierungserklaerung-schroeder-und-
fischer-verteidigen-nein-zum-irak-krieg-192713.html, letzter Zugriff am 02.04.2014.

UNITED STATES CENSUS BUREAU: Trade in Goods with Germany, 02.2014, online zugreifbar unter: http://
20

www.census.gov/foreign-trade/balance/c4280.html, letzter Zugriff am 02.04.2014.


!15

Geheimdiensten im Zeitalter des Internets. Laut dem Auswärtigen Amt ist das Ziel „gegenwärtiger

Gespräche [...] die Einrichtung eines strategisch angelegten, transatlantischen Dialogs über das

Verhältnis von Sicherheit und Frieden im digitalen Zeitalter‟.21 Bis zum heutigen Tag ist der NSA-

Skandal eine wichtigs Thema in außenpolitischen Diskussionen, den Medien, und im alltäglichen

Leben der Bürger.

!
Kurz vor Abschluss dieser Arbeit erschien eine Studie des Pew Research Center am 9. April 2014,

dass einen kritischeren Blick auf die TTIP aus deutscher Perspektive wirft. Die Studie zeigt, dass

eine Mehrheit sowohl von Deutschen als auch von Amerikanern die TTIP für „eine gute Sache‟

halten, während ein Fünftel der Amerikaner und ein Viertel der Deutschen den Freihandelspakt als

„eine schlechte Sache‟ bezeichnen. Obwohl laut der Studie die TTIP im Ganzen „the most

economically significant regional free trade agreement in history‟ darstelle, gebe es auf beiden Seiten

des Atlantiks Uneinigkeit über die Einzelheiten der Verhandlungen.22 Vor allem bevorzugen

Deutsche mit 85 Prozent Zustimmung europäische Regelungen zu Datenschutz und Privatsphäre

ähnlich wie gut ausgebildete Amerikaner - nur 39 Prozent von Amerikanern mit einem

Hochschulabschluss bevorzugen die amerikanischen Datenschutzregelungen. Darüber hinaus sind

Deutsche vorsichtiger im Umgang mit genetisch veränderten Organismen (GMOs) als Amerikaner -

nur 2 Prozent aller Befragten in Deutschland bevorzug en amerikanische

Nahrungsmittelsicherheitsnormen. Unabhängig davon, welche Ergebnisse im Laufe der TTIP-

21 AUSWÄRTIGES AMT: Beziehungen zwischen den USA und Deutschland.


22PEW RESEARCH: Support in Principle for U.S.-EU Trade Pact. But Some Americans and Germans Wary of TTIP
Details, in: Pew Research Global Attitudes Project, 09.04.2014, online zugreifbar unter: http://www.pewglobal.org/
2014/04/09/support-in-principle-for-u-s-eu-trade-pact/, letzter Zugriff am 16.04.2014.
!16

Verhandlungen erzielt werden, würden sich ca. drei Viertel der Deutschen und Amerikaner über

stärkeren wirtschaftlichen Handel zwischen den beiden Staaten freuen.23

!
3.1. Aktuelle Entwicklungen und Meinungen: TTIP und NSA-Skandal

Ob durch den im Frühsommer 2013 aufgedeckten Ausspähskandal um die grenzwertigen

Tätigkeiten des amerikanischen Geheimdienstes NSA (National Security Agency) die Weiterführung

der transatlantischen Beziehung zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gefährdet wird,

bleibt noch abzuwarten. In den vom ehemaligen technischen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden

veröffentlichten Geheimdokumenten wird behauptet, die NSA habe Telefongespräche europäischer

Politiker und Wirtschaftskräfte, auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel, abgehört. Im

Spätsommer bis hin zum Oktober 2013 wurde zeitweise in den Medien angedeutet, der NSA-

Skandal gefährde weitere Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantische

Handels- und Investitionspartnerschaft, engl: Transatlantic Trade and Investment Partnership), das alle

nichttarifären Handelshemmnisse zwischen den USA und der Europäischen Union abschaffen

würde.24

!
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft stellt das höchste Niveau der

Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU dar. Mit der Abschaffung aller außertariflichen

Barrieren zum freien Handel, inklusive technischer Einzelheiten, Patenturkunde und

Lizenzierungsvorschriften sowie anderer produkt- bzw. dienstleisungsbedingten Themen, könnte die

TTIP die weltgrößte Freihandelszone schaffen und Wirtschaftsleistung bzw. Beschäftigung

beiderseits des Atlantiks verstärken. Wegen des NSA-Skandals 2013 wollten mehrere europäische

23 Vgl. ebd.
24SCHMITZ, Gregor Peter: Diplomatic Fallout. Experts Warn of Trans-Atlantic Ice Age, in: Spiegel Online,
01.07.2013, online zugreifbar unter: http://www.spiegel.de/international/world/trans-atlantic-relations-threatened-by-
revelations-of-mass-us-spying-a-908746.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
!17

Politiker die ersten Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten blockieren und zogen in Erwägung,

das Prog ramm aufzug eben. Wie nachhaltig diese Affäre die transatlantischen

Beziehungenbeeinflussen wird, ist noch unklar.

!
Regierung

Auf politischer Ebene löste das NSA-Skandal bei vielen Abgeordneten des deutschen Bundestages

Aufregung und Empörung aus. Um effektiv an das Thema heranzugehen beantragte am 14.

November die Fraktion DIE LINKE und am 18. November 2013 die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN eine „[vereinbarte] Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA und den Auswirkungen

auf Deutschland und die transatlantischen Beziehungen‟, die am 18. November erfolgte. In ihrem

Entschließungsantrag schreiben DIE GRÜNEN:

!
„Die durch die Informationen des Whistleblowers Edward Snowden offengelegten

Praktiken gehen an die Wurzeln unseres Rechtsstaats, belasten die internationalen

Beziehungen und das Vertrauen in die Infrastruktur Internet. [...]

!
„Erst nach Berichten über das Abhören von Telefonen der Bundeskanzlerin hat die

Bundesregierung zu einer deutlicheren Sprache gefunden [und] Botschafter

einbestellt [...] aber weiterhin keine hinreichenden Aktivitäten für Transparenz und

zum Schutz von Grundrechtsträgerinnen und -trägern sowie zur Wahrung der

Funktionsfähigkeit der deutschen Demokratie entfaltet‟.25

!
25 DEUTSCHER BUNDESTAG: Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der
vereinbarten Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA und den Auswirkungen auf Deutschland und die
transatlantischen Beziehungen. BT-Drucks. 18/65, Berlin, 18.11.2013.
!18

In der darauffolgenden Debatte im Bundestag äußerten sich Spitzenpolitiker aller politischen

Parteien eher negativ zu den Enthüllungen Edward Snowdens. Hier habe ich drei Aspekte in der

Diskussion ausgewählt, die besonders wichtig für ein näheres Verständnis der politischen Meinungen

zum NSA-Skandal sind, nämlich Empörung, Lösung und Freundschaft. Nach diesen Aspekten wird

der folgende Teil der Arbeit strukturiert. Der damalige Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter

Friedrich (CDU) nannte die Veröffentlichungen von Snowdens Dokumenten „mehr als irritierend.

Sie waren beunruhigend‟.26 Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekundete:

„Kaum Vorstellbares ist geschehen [...] schlicht und einfach [ist] Vertrauen verloren gegangen [...]‟.27

Ihm zufolge seien die Aktivitäten der amerikanischen und britischen Geheimdienste „wild

geworden‟.28 Auch Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE), der letzte Parteivorsitzender der ehemaligen

SED-PDS, reagierte negativ auf die „grotesken‟ Enthüllungen und empörte sich über die angeblich

schwache Reaktion der Bundesregierung zum NSA-Skandal: „Wir haben es mit einem Skandal zu

tun, der in seinem Ausmaß in dieser Art bisher noch nicht vorgekommen ist. [...] Die erste Pflicht

der Regierung wäre gewesen: Aufklärung, Aufklärung. Aufklärung. Sie haben aber in Wirklichkeit

das Gegenteil betrieben‟.29

!
Während sich die Meinungen der Bundestagsabgeordneten in Bezug auf Empörung und Vorwürfe

eines Misstrauensbruchs ähnelten, schlugen die Politiker unterschiedliche Lösungen für die Zukunft

der transatlantischen Beziehung vor. Oppositionsführer Gysi forderte Widerstand zum Bau eines

Geheimdienstzentrums der NSA in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden: „Möglicherweise

26 DEUTSCHER BUNDESTAG: Stenographischer Bericht, 2. Sitzung. Plenarprotokoll 18/2, Berlin, 18.11.2013. S. 43C.
27 Vgl. ebd. S. 45D - 46D.
28 Vgl. ebd.
29 Vgl. ebd. S. 47D.
!19

muss man den USA diesen Bau eben versagen‟.30 Dazu forderte er zu einer Auseinandersetzung mit

der „Freundschaft‟ zu den USA auf: „Eine Wertgemeinschaft nutzt nichts, wenn man bei der

Verletzung von Werten nicht deutliche Kritik übt [...] Freundschaft, wie Sie sich vorstellen, gibt es

nicht. [...] Sie müssen fordern: Verhandelt mit uns auf Augenhöhe! - Dann kriegen wir auch eine

Freundschaft mit den USA hin‟.31 Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele verlangte Asyl für

Edward Snowden in Deutschland, um ihn als „Kronzeuge [...] vor einem parlamentarischen

Untersuchungsausschuss aussagen‟ zu hören, statt von Medienberichten und mangelnden

Antworten der Amerikanern abhängig zu sein.32 Nur Mitglieder der CDU/CSU verlangten eine

Aufarbeitung der Affäre gemeinsam mit den Vereinigten Staaten ohne konkrete Hindernisse zum

Freihandelsabkommen und dem wirtschaftlichen Vertrauen zwischen den beiden Staaten. In seiner

Debattenrede sprach Peter Beyer (CDU/CSU) sich positiv zur TTIP aus:

!
„[...] das transatlantische Freihandelsabkommen ist das Projekt der transatlantischen

Zukunft. [...] Was die NATO im 20. Jahrhundert im Sicherheitsbereich gewesen ist,

wird die TTIP für das 21. Jahrhundert im ökonomischen Bereich und noch weit

darüber hinaus sein. [Sie] wird [...] dem deutschen Mittelstand zugutekommen und

unseren Wohlstand sicher helfen [...] Daher kann sie nicht zur Disposition stehen‟.33

!
Das Vorantreiben der transatlantischen „Freundschaft‟ erfordert vor allem Sicherheit und

Transparenz, laut Hans-Peter Friedrich, „mehr und bessere Verschlüsselungen [...] digitale [und ...]

30 Vgl. ebd. S. 49C.


31 Vgl. ebd. S. 50A-B.
32 Vgl. ebd. S. 51D - 52A.
33 Vgl. ebd. S. 65C.
!20

technologische Souveränität über die Netzinfrastruktur‟.34 Die Bundesregierung müsse manchen

Politikern zufolge mehr tun, um diese dem deutschen Volk zu gewährleisten. Auch wenn in der

Außenpolitik unter Staaten keine Freundschaften entstehen können, wie der französische Präsident

Charles de Gaulle 1967 sagte, wünschten sich die Bundestagsabgeordneten weitere Zusammenarbeit

und Vertrauen mit den amerikanischen Partnern, statt aus dem NSA-Skandal negative

Konsequenzen für das transatlantischen Verhältnis zu ziehen.

!
In ihrer Regierungserklärung am 29. Januar 2014 warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren

Mobiltelefon während der Bundestagswahl vermutlich von der NSA abgehört wurde, vor den

Gefahren des „tiefgreifende[n] Wandel[s] unsere[r] Gesellschaft durch die Digitalisierung‟.35 Zu den

Verdächten des NSA-Skandals äußerte Merkel sich aber nicht direkt. Stattdessen ging sie die „Frage

der Verhältnismäßigkeit‟ in der Arbeit der Nachrichtendienste an: „Jeder Einzelne von uns ist davon

betroffen [...] [und] mit Fragen der Datensicherheit konfrontiert. [...] die Arbeit der

Nachrichtendienste [ist] für unsere Sicherheit, für den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger

unverzichtbar. [...] wir [verdanken] gerade unseren amerikanischen Partnern wertvolle

Informationen‟.36 Jedoch trage die Regierung „Verantwortung für den Schutz unserer Bürgerinnen

und Bürger vor Angriffen auf ihre Privatsphäre‟.37 Sie betonte die Rolle der Geheimdienste in der

Gewährung eines sicheren Lebens in Deutschland, die jedoch mit der Garantie eines privaten

Lebens „in der Balance gehalten werden‟ müsse.38 Nichtsdestotrotz befürwortete die

34 Vgl. ebd. S. 45A.


35DEUTSCHER BUNDESTAG: Stenographischer Bericht, 10. Sitzung. Plenarprotokoll 18/10, Berlin, 29.01.2014. S.
569A.
36 Vgl. ebd. S. 569B-C.
37 Vgl. ebd. S. 569C.
38 Vgl. ebd. S. 569D.
!21

Bundeskanzlerin die Fortführung von Gesprächen und die Zusammenarbeit mit den USA:

„Deutschland kann sich keinen besseren Partner wünschen als die Vereinigten Staaten von Amerika.

Die deutsch-amerikanische und die transatlantische Partnerschaft sind und bleiben für uns von

überragender Bedeutung‟.39

!
Medien

Mit der Bundeskanzlerin stimmen nicht alle in Deutschland überein. Vor allem in den Medien wird

öfter kritisiert, die Regierung tue nicht genug, um die Rechte und Freiheit der Deutschen vor

Angriffen der Nachrichtendiensten zu schützen. Die Bundesregierung will doch im Laufe des

Skandals einen No-Spy-Agreement (Anti-Spionage-Pakt) mit den USA verhandeln, für den es aber

Medienberichten zufolge kaum Hoffnung gibt. In einem Leitartikel in der Berliner Zeitung schrieb US-

Korrespondent Damir Fras im November 2013: „Die Chancen Deutschlands, neben Kanada,

Australien und Neuseeland [auch Großbritannien] in den seit Ende des Zweiten Weltkriegs

bestehenden Verein der 'Fünf Augen' aufgenommen zu werden, stehen eher schlecht. [...] Vor allem

ist Deutschland in den Augen vieler US-Schnüffler ein unsicherer Kantonist‟.40 Fras' Äußerungen

nach laufen alle Programme der ausländischen Geheimdienste ohne ausreichende parlamentarische

Aufsicht „im Namen der nationalen Sicherheit. [...] Kombiniert man dieses paranoide

Sicherheitsbedürfnis mit dem Glauben an den sogenannten american [sic] exceptionalism

(amerikanische Einzigartigkeit), dann ensteht ein Geheimdienstapparat wie die NSA fast von

selbst‟.41 Weiterhin kritisiert er die amerikanischen Konservativen, die Erinnerungen an die Skandale

um Stasi-OibE (Offizier im besonderen Einsatz) Günter Guillaume in der Kanzlerzeit Willy Brandts

39 Vgl. ebd. S. 570B.


40FRAS, Damir: Leitartikel zum NSA-Skandal. Im Namen nationaler Sicherheit, in: Berliner Zeitung, 05.11.2013, online
zugreifbar unter: http://www.berliner-zeitung.de/meinung/leitartikel-zum-nsa-skandal-im-namen-nationaler-sicherheit,
10808020,24911396.html, letzter Zugrif am 14.02.2014.
41 Vgl. ebd.
!22

sowie Gerhard Schröders Anlehnung an Frankreich und Russland im Laufe des Irak-Kriegs als

Rechtfertigungen benutzen, eine distanzierte Beziehung zu Deutschland zu führen.

!
Bestritten werden die Methode und Logik der amerikanischen und britischen Geheimdienste in dem

sogenannten Kampf gegen den Terror. In seinem Leitartikel in der Frankfurter Rundschau am 10.

Dezember 2013 schreibt Politik-Redakteur Viktor Funk: „Doch im Kampf gegen [den

internationalen Terrorismus] setzen ausgerechnet die alten Demokratien auf einen falschen Weg‟.42

Infolge der Bekämpfung des Terrors ohne tiefere Forschung in die Ursachen von extremistischem

Benehmen „führt das dazu, dass alle Bürger mutmaßlich schuldig sind‟.43 Hier ruft Funk die

Erinnerung an die westliche Bekämpfung der kommunistischen Kräfte vor den demokratischen

Aufbrüchen im Jahre 1989 hervor. Seiner Auffassung nach erinnert das Unschuldigsein, bis die

Unschuld bewiesen ist, „fatal an jene Regime, gegen die sich der Westen einst erhoben hatte‟.44

Hiermit könnte nicht nur das sowjetische Regime des Warschauer Paktes, sondern auch die

Geheimpolizei der ehemaligen DDR - das Ministerium für Staatssicherheit - gemeint sein. Funk

fordert dazu im Artkel einen neuen Ansatz zur Verhinderung von Extremismus mit besseren

Entwicklungschancen für mögliche Täter, mit dem „mehr Sicherheit und Freiheit [beginnen]. Nicht

in einem Berg voller Daten‟.45

42FUNK, Viktor: Leitartikel zur NSA-Affäre. Gefährliche Beschützer, in: Frankfurter Rundschau, 10.12.2013, online
zugreifbar unter: http://www.fr-online.de/datenschutz/leitartikel-zur-nsa-affaere-gefaehrliche-beschuetzer,
1472644,25583896.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
43 Vgl. ebd.
44 Vgl. ebd.
45 Vgl. ebd.
!23

Nach den Enthüllungen im Sommer 2013 wurde immer häufiger auch die „Freundschaft‟ mit den

USA in Frage gestellt, wie z.B. in dem durch Die Zeit Ende Oktober 2013 veröffentlichten Artikel

„Der Bruch‟ vom stelltvertretenden Ressortleiter Politik Heinrich Wefing: „Das, was einmal die

deutsch-amerikanische Freundschaft hieß, ist nur noch eine Erinnerung, eine politische

Beschwörungsformel, der die inhaltliche Substanz weithin abhanden gekommen ist, mitunter sogar

staatspolitische Heuchelei. [...] Wann [...] haben wir uns zum letzten Mal wie Freunde verhalten, wie

echte Freunde [...]? Das ist, recht betrachtet, lange her‟.46 Seine tautologische Wiederholung des

Begriffs „Freunde‟ betont die Ironie des Wortes im außenpolitischen Sinne. Wefing erklärt die

„Erinnerungen‟ an die „Freundschaft‟ mit den USA - die Berliner Luftbrücke, der Kennedy-Besuch

1963, und die Obama-Rede 2008 - eher als „Ausbrüche von Begeisterung und Heilserwartung‟.47

Auf amerikanischer Seite entstammen seinem Erachten nach die Wellen von Unterstützung während

und direkt nach dem Zweiten Weltkrieg und vor der Wende nicht „bloßer Menschenfreundlichkeit‟

sondern „Interessen‟.48 Der Autor argumentiert, Deutschland sei zum ersten Mal seit Kriegsende

den USA überlegen: „Wir können das besser, und wir sind besser‟.49 Aber: „Dort, wo es schmutzig

werden kann, [...] da ist Deutschland nicht souverän: beim Militärischen, bei den Geheimdiensten

[...]. Da will es nicht souverän sein. [...] Nun freilich erleben wir, [...] dass dieser Verzicht auf

Souveränität einen Preis hat‟.50 Deutschland sei nicht stark genug, die gegen die deutsche

Demokratie wirkenden Überwachungsprogramme der amerikanischen Nachrichtendienst zu

46 WEFING, Heinrich: Der Bruch, in: Die Zeit, No. 45, 31.10.2013, S.3.
47 Vgl. ebd.
48 Vgl. ebd.
49 Vgl. ebd.
50 Vgl. ebd.
!24

verhindern. Wefing fordert die Bundesregierung zu einer stärkereren Position und Aufrüstung des

Landes gegenüber Amerikas Benehmen in Europa auf. Schließlich schreibt er: „Wir müssen nicht

Freunde sein. Es genügt, wenn Deutsche und Amerikanier kooperieren, verlässlich, und wenn sie

einander vertrauen‟.51

!
Eine Analyse der rhetorischen Strukturen in Wefings Artikel gibt dem Leser einen tieferen Einblick

in seine kritische Einstellung den transatlantischen Beziehungen gegenüber. Als politischer

Ressortleiter einer der meistgelesenen deutschen Wochenzeitungen mit einem gebildeten

Lesepublikum wirkt Wefing durch seinen Artikel als ein Sprachrohr für viele an außenpolitischem

Handeln interessierte Deutsche. Wefing beruft sich in diesem Text auf das Pathos der Leser mit dem

Vorwurf des „Bruches‟ in der deutsch-amerikanischen „Freundschaft‟, auch wenn es seiner

Auffassung nach keine solche Beziehung gebe. Er fordert sein Publikum auf, die deutsche

Überlegenheit über die Vereinigten Staaten anzuerkennen, anstatt ständig „[den] Preis‟ des

„Verzichts auf Souveränität‟ weiter zahlen zu müssen. Wefing bezieht sich dabei auf die

Behauptungen des US-amerikanischen Historikers Fritz Stern. Fritz Stern kommt in diesem

Zusammenhang eine besondere Rolle zu, da er nicht nur zum Nationalsozialismus geforscht hat,

sondern selbst als jüdischer Flüchtling aus Deutschland in die USA emigrierte. Das Abhören von

Bundeskanzlerin Merkels Mobiltelefon sei Sterns Auffassung nach ein „ungesetzliche[r], törichte[r],

kriminelle[r] Akt‟.52 Mit diesem Zitat will Wefing bei den Lesern stärkere Empörung hervorrufen.

!
Wefing appelliert in seinem Artikel kaum an den Logos. Der Artikel erscheint eher als eine Liste

rhetorischer Fragen als eine logische Argumentation gegen die sogenannte „Freundschaft‟ zwischen

51 Vgl. ebd.
52 Vgl. ebd.
!25

der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten. Der Begriff „Freundschaft‟ wird von Wefing nicht

erklärt, was die nun rahmenbedingungslosen Antworten zu seiner Frage „Wann [...] haben wir uns

zum letzten Mal wie Freunde verhalten, wie echte Freunde [...] ?‟ schwächt. Die Behauptung, dass

die Deutschen „besser‟ als die Amerikaner sind, gibt dem Artikel einen nationalistischen Unterton,

der mit einer rein logischen Analyse des heutigen Zustands der deutsch-amerikanischen Beziehung

nicht übereinstimmt. Während diese Aussagen für Wefing als stilistisches Mittel seines Journalismus

nützlich sein mögen, machen sie die NSA-Ausspähaffäre weiter zum Skandal und verstärken

Empörung statt Antworten zu geben.

!
Menschen

Durch die oben erläuterten Darstellungen des NSA-Skandals in den Plenarsitzungen des Deutschen

Bundestages und in den Medien wird der Eindruck erweckt, als ob alle Bürger in Deutschland von

Edward Snowdens Enthüllungen persönlich betroffen wären. Ob dies der Realität entspricht, kann

bezweifelt aber noch nicht abschließend entschieden werden. Aus diesem Grunde ist es wichtig zu

fragen, wie sehr die NSA-Affäre in der breiten Bevölkerung als Einschränkung der persönlichen

Privatsphäre eingeschätzt wird. In einer Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach

für die Zeitschrift WirtschaftsWoche stimmten 76 Prozent der Befragten mit der These überein, sie

fühlten sich „durch die Spähaktivitäten des US-Geheimdiensts NSA nicht bedroht‟.53 Dazu hielten

44 Prozent die Affäre als solche „für überbewertet‟, und weniger als ein Viertel der Befragten

fühlten sich wegen des NSA-Skandals „sehr besorgt‟.54 Einer Umfrage der Forschungsinstitut

53 o.A.: Umfrage. NSA bereitet Bundesbürgern kaum Sorgen, in: Handelsblatt, 02.11.2013, online zugreifbar unter:
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/umfrage-nsa-bereitet-bundesbuergern-kaum-sorgen/9019180.html,
letzter Zugriff am 14.02.2014.
54 Vgl. ebd.
!26

YouGov zufolge befürworten ca. 60 Prozent aller Deutschen Edward Snowdens Taten, „auch wenn

[er] Gesetze gebrochen hat‟.55

!
In einem persönlichen Gespräch mit Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender des Vereins

„Antistalinistische Aktion Berlin Normannenstraße‟ (ASTAK) e.V., erklärte Lippmann die NSA-

Affäre für eine „Medienveranstaltung [...] Die meisten Leute interessiere das Thema nicht. [...] Das

mit Snowden ist ein Skandal für Medienleute, nicht in der Bevölkerung‟.56 Allerdings haben die

Deutschen Lippmann zufolge „ein krankes Verhältnis zum Thema Geheimdienst‟, hauptsächlich

wegen der Erinnerungen an die Gestapo-Geheimpolizei aus der NS-Zeit. Den Fall Snowden

beschreibt er als „ganz einmalig, dass, egal wie man es moralisch bewertet, ob er Verräter oder

Whistleblower ist, dass jemand, der im Bruch des Eides - außerhalb eines Kriegfalls -

Dienstgeheimnisse preisgibt, und dass er als Held gilt und für den Nobelpreis vorgeschlagen wird.

Es ist völlig einmalig‟.57 Als gegensätzliches Beispiel nannte er den Fall Werner Stiller im Jahre 1979.

Werner Stiller wurde 1970 zum Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) des MfS und arbeitete neun Jahre für

die Stasi, wurde gleichzeitig Doppelagent für den westdeutschen Bundesnachrichtendienst (BND)

bis zu seiner Flucht in die BRD mit geheimen Unterlagen des MfS am 19. Januar 1979. Nach seiner

Ankunft in der Bundesrepublik ließ er durch sein Adressbuch viele Stasi-Offiziere im Ausland

enttarnen, die wegen Spionage ins Gefängnis kamen. Damals war aber die Stiller-Affäre kein

Medienereignis. Vor allem unterscheiden sich die „asymmetrische Reaktionen‟ auf diesen und den

Snowdon-Fall durch die Wahrnehmungen der Heimatländer der betroffenen Geheimdienste. Dass

55o.A. NSA-Skandal. Mehrheit der Deutschen befürwortet Snowdens Taten, in: Die Zeit, 08.07.2013, online zugreifbar
unter: http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-07/umfrage-yougov-snowden-deutsche, letzter Zugriff am 14.02.2014.
56Persönliches Gespräch mit Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender ASTAK e.V., geführt am 06.01.2014 im
Stasimuseum Berlin.
57 Vgl. ebd.
!27

kommunistische Länder ihre Einwohner ausspionierten, war unbestritten und zu erwarten, aber dass

ein demokratischer Geheimdienst wie etwa die NSA Ausländer und eigene Bürger abhört, sorgt für

Empörung.

!
Im Dezember 2013 wurde in über 30 regionalen und nationalen Zeitungen in Deutschland für mehr

Schutz gegen Missbrauch der technologischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte und für die

Verteidigung der „Demokratie in der digitalen Welt‟ appelliert.58 Mehr als tausend Schriftsteller und

politische Aktivisten aus mehr als 90 Ländern unterschrieben den Appell in der Frankfurter Allgemeine

Zeitung am 10.12.2013, in dem Folgendes verlangt wird:

!
„Wir fordern daher, dass jeder Bürger das Recht haben muss mitzuentscheiden, in

welchem Ausmaß seine persönlichen Daten gesammelt, gespeichert und verarbeitet

werden und von wem; dass er das Recht hat, zu erfahren, wo und zu welchem Zweck

seine Daten gesammelt werden; und dass er sie löschen lassen kann, falls sie illegal

gesammelt und gespeichert wurden.

Wir rufen alle Staaten und Konzerne auf, diese Rechte zu respektieren.

Wir rufen alle Bürger auf, diese Rechte zu verteidigen.

Wir rufen die Vereinten Nationen auf, die zentrale Bedeutung der Bürgerechte im

digitalen Zeitalter anzuerkennen und eine verbindliche Internationale Konvention der

digitalen Rechte zu verabschieden.

Wir rufen alle Regierungen auf, diese Konvention anzuerkennen und

einzuhalten‟.59

58o.A. Demokratie im digitalen Zeitalter. Der Aufruf der Schriftsteller, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.2013,
online zugreifbar unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/autoren-gegen-ueberwachung/demokratie-im-
digitalen-zeitalter-der-aufruf-der-schriftsteller-12702040.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
59 Vgl. ebd.
!28

Auch in die tageszeitung ließen ehemalige DDR-Bürgerrechtler, unter ihnen zwei Mitglieder des

Demokratischen Aufbruchs, dessen Pressesprecherin Angela Merkel 1989 bis 1990 war, einen Appell

veröffentlichen („Halten wir die Demokratie am Leben!‟). In dem Appell erinnerten sich die

Unterzeichnenden an den Geheimdienst der DDR als die „übelste Frucht der Diktatur. [...] wir

haben erlebt, dass man eine Diktatur beenden kann, dann werden wir doch eine Demokratie am

Leben erhalten können‟.60 Die NSA-Affäre hat vor allem Aktivismus für ein bestimmtes

Bewusstsein von dem Zustand der Demokratie im Zeitalter des Internets erweckt. Dass nun

häufiger über digitale Rechte gesprochen wird und eine mögliche UN-Konvention öffentlich

debattiert wird, zeigt inwiefern die Sorgen um die Privatsphäre auf die Ebene der intransparenten

digitalen Welt übertragen wurden.

!
3.2. Die Stasi-Vergangenheit und deren Zusammenhang mit dem NSA-Skandal

Obwohl direkte Vergleiche zwischen der Stasi und der amerikanischen National Security Agency im

Frühsommer 2013 von der Bundesregierung, einschließlich Bundeskanzlerin Angela Merkel,

abgelehnt wurden, lassen sich einige Ähnlichkeiten in den Praktiken der beiden Organisationen

beobachten. Erstens sind oder waren beide Organisationen Teil der nationalen

Staatssicherheitsapparaten, d.h. sie dienen den Sicherheitsinteressen des Staates durch Zuhilfenahme

von verhältnismäßig fortgeschrittenen Technologien. Zweitens betreiben bzw. betrieben NSA und

Stasi als Geheimdienste Abhöraktivitäten, verdeckte Operationen und andere Formen von Spionage

im Ausland, um dem Staat relativen inneren Frieden zu gewähren - auch wenn dies unterschiedlich

ausgelegt werden kann. Und zuletzt ergeben sich strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den beiden

Organisationen. In einem Gespräch mit Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender des ASTAK e.V.

in Berlin, ging es u.a. darum, welche Aufgaben der NSA denen der unterschiedlichen Abteilungen

60FROMM, Anne: DDR-Bürgerrechtler gegen NSA. Die freie Gesellschaft ist bedroht, in: taz.de, 05.12.2013, online
zugreifbar unter: http://taz.de/DDR-Buergerrechtler-gegen-NSA/!128851/, letzter Zugriff am 14.02.2014.
!29

des MfS entsprechen würden. Laut Lippmann entspreche das MfS „NSA, CIA, FBI, alle[m] auf

einmal, auch [dem] Secret Service‟.61 Als strukturelles Analogon nennt er folgende Stasi-

Abteitungen: Abteilung XI (ZCO, das Zentrale Chiffrierorgan, zuständig für Kryptologie), Abteilung

XII (zentrale Auskunft/Speicher, also das Archiv), Abteilung XIII (EDV, elektronische

Datenverarbeitung, die zentrale Rechenstation), Abteilung XXVI (Technische Abhörmaßnahmen),

Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) XX (Untergrund), Hauptabteilung III (funkelektronische

Aufklärung), und OTS (Operativer-technischer Sektor).62 Dazu sagt er:

!
„Die NSA ist ein funkelektronischer Aufklärungsdienst und nur ganz am Rande

Geheimpolizei. Also [die] NSA hat zwar Verhaftungskommando, aber das ist nicht

relevant. Relevant ist, dass es ein funkelektronischer Aufklärungsdienst ist, mit

entsprechenden Untergruppen sozusagen: Kryptoanalyse, Kryptosynthese, -

mathematik und -technik [...] Chipsentwickler sind auch dabei, es dürfte kaum eine

große Firma in den USA geben, die nicht mit der NSA zusammenarbeitet, nicht alle

aber von denen, die etwas herstellen, nicht diese kleine Firmen die irgendwelche

Software machen, sondern wirklich die Chipsentwickler, die arbeiten bestimmt

zusammen. [...] Sie haben diese Aufgaben, und dort fließt das Geld‟.63

!
Aber nur oberflächlich können NSA und Stasi verglichen werden. Die Tätigkeiten der

Organisationen unterscheiden sich deutlich voneinander durch zeitlich-, kulturell-, und

erinnerungsbedingte Ziele. Erstens bediente die Stasi als „Staat im Staate‟ die Wünsche der

regierenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und war strukturell zentralisiert im

61 Persönliches Gespräch mit Bernd Lippmann, 06.01.2014 in Berlin.


62 Siehe Anhang 2: Struktur des Minsteriums für Staatssicherheit zum 01.10.1989.
63 Persönliches Gespräch mit Bernd Lippmann, 06.01.2014 in Berlin.
!30

Gegensatz zu den dreiteiligen westdeutschen Geheimdienstapparaten - dem Verfassungsschutz,

dem, Bundesnachrichtendienst (BND), und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) - die

absichtlich als Konsequenz der Erinnerungen an die Verbrechen der Gestapo dezentralisiert

organisiert und von den Gerichten kontrolliert wurden.64 Im Vergleich zur Stasi wurde die NSA

1981 durch Executive Order (Anordnung des Präsidenten) mit den folgenden Zielen beauftragt:

!
• „Collect (including through clandestine means), process, analyze, produce, and disseminate signals

intelligence information and data for foreign intelligence and counterintelligence purposes to

support national and departmental missions;

• Act as the National Manager for National Security Systems as established in law and policy, and in

this capacity be responsible to the Secretary of Defense and to the Director, National Intelligence;

• Prescribe security regulations covering operating practices, including the transmission, handling,

and distribution of signals intelligence and communications security material within and among

the elements under control of the Director of the National Security Agency, and exercise the

necessary supervisory control to ensure compliance with the regulations‟.65

!
Der US-Kongress hat Kontrollhoheit über den amerikanischen Staatssicherheitsapparat und die

NSA. Im Gegensatz dazu wurde das Ministerium für Staatssicherheit im Februar 1950 per Gesetz

ohne Etablierung einer Kontrollinstanz - außerhalb des Politbüros der SED - gegründet. Im kurzen

Gesetzestext heißt es:

!
64 Persönliches Gespräch mit Bernd Lippmann, 06.01.2014 in Berlin.
65NATIONAL SECURITY AGENCY; CENTRAL SECURITY SERVICE: Mission, 15.01.2009, online zugreifbar
unter: http://www.nsa.gov/about/mission/index.shtml, letzter Zugriff am 29.03.2014. Die ganze Executive Order
(Anordnung des Präsidenten) 12333 - United States intelligence activities ist online zugreifbar unter: http://
www.archives.gov/federal-register/codification/executive-order/12333.html.
!31

„Gesetz über die Bildung eines Ministeriums für Staatssicherheit.

Vom 8. Februar 1950

§1

Die bisher dem Ministerium des Innern unterstellte Hauptverwaltung zum Schutze

der Volkswirtschaft wird zu einem selbstständigen Ministerium für Staatssicherheit

umgebildet. Das Gesetz vom 7. Oktober 1949 über die Provisorische Regierung der

Deutschen Demokratischen Republik (GBl, S.2) wird entsprechend geändert.

§2

Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

Berlin, den 8. Februar 1950‟66

!
Hier ergeben sich keine politischen Möglichkeiten, das MfS zu beaufsichtigen. Als „Schild und

Schwert der Partei‟ arbeitete die Stasi nur zugunsten des Staates, was sich auch gegen das eigene

Volk richten konnte. Erinnerungen an Bespitzelungen durch enge Vertrauten, Nachbarn und

Familienmitglieder, die als Inoffizielle Mitarbeiter oft gegen den eigenen Willen bei der Stasi tätig

waren, sind noch frisch. In welcher Form und auf welche Weise solche Erinnerungen noch in der

Zukunft lebendig gehalten werden, also Eingang ins kulturelle Gedächtnis finden, möchte ich im

Folgenden zeigen, indem ich Beispiele aus deutschen Parlamentsreden nach der Wiedervereinigung

im Jahre 1990, in den Medien, und nach wie vor von Menschen wie Bernd Lippmann untersuche.

!
Regierung

Für die Bundesregierung spielt heute die Stasi-Vergangenheit in Deutschland eine so große Rolle wie

kaum ein anderes Ereignis in der Nachkriegsgeschichte. Mit der Entwicklung des NSA-Skandals im

o.A.: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950, 21.02.1950, online zugreifbar unter: https://
66

www.bundesarchiv.de/findbuecher/sapmo/b_gblddr/mets/50_015/index.htm, letzter Zugriff am 29.03.2014. Siehe


Anhang 3: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950.
!32

Sommer 2013 war häufiger von der Stasi die Rede, denn viele Spitzenpolitiker, darunter

Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck, waren von den Aktivitäten des

Ministeriums für Staatssicherheit persönlich betroffen. Horst Kasner, Vater von Kanzlerin Merkel,

wurde vermutlich während seines Dienstes als Pfarrer in Templin in der Uckermark von Inoffiziellen

Mitarbeitern ausspioniert. Für die Gründung einer eigenen Kirchenorganisation in der DDR wurden

der Pastor und seine Familie 1957 nach Templin geschickt. Schon Oktober 1960 wurde in der DDR-

Volkskammer bestimmt, „dass ,Christentum und die humanistischen Ziele des Sozialismus keine

Gegensätz sind.‛‟67 Im Laufe von Kasners Aufgabe, diese kirchenpolitischen Ziele in der Uckermark

zu bewirken, begann das MfS eine Untersuchung Kasners:

!
„Sicherlich war auch eine gewisse Naivität im Spiel. [...] So ahnte er wahrscheinlich

nicht einmal, dass ihn die Bezirksleitung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)

in Neustrelitz und auch die örtliche Kreisdienststelle Templin systematisch

ausspionierten. Unter dem Decknamen ,Zentrum‛ wurden Mitarbeiter der

Behinderteneinrichtung als Inoffizlle Mitarbeiter (IM) verpflichtet, Lagepläne und

Skizzen der Räumlichkeiten erstellt. Nichts blieb dem Geheimdienst verborgen: Wer

zu Kasner zu Besuch kam und wer an seinen Rüstzeiten teilnahm, wurde penibel

registeriet und ausgeforscht. Und auch er selbst stand unter ständiger Beobachtung

des Geheimdienstes‟.68

!
Als Angela Merkel sich später als Physikerin und bei der staatlichen Technischen Hochschule in

Ilmenau um eine Position als wissenschatliche Mitarbeitern bewarb, wurde ihr einen Arbeitsplatz im

67Zitiert von: REUTH, Ralf Georg; LACHMANN, Günther: Das erste Leben der Angela M. 1. Aufl. München : Piper
Verlag, 2013. S. 25.
68 Vgl. ebd. S. 26-27.
!33

MfS angeboten. Dies lehnte sie sofort ab - und sie bekam am Ende den Platz an der Hochschule

nicht.69 Sie wurde im Laufe ihrer Karriere als Wissenschaftlerin ständig von der Stasi überwacht,

aber sie blieb in allen Situationen zurückhaltend und machte wenige persönliche Informationen

freiwillig bekannt. Merkel fuhr täglich mit einem IM des MfS zur Arbeit bei der Akademie der

Wissenschaften der DDR in Ost-Berlin, der nicht vieles über seine Mitfahrerin bei dem Stasi-

Hauptquartier in der Normannenstraße zu berichten hatte: „Not even the Stasi informer who used

to pick her up on the way to work could find anything more compelling about Angela Merkel to

report to the spymasters on Normannenstrasse than the presence of an occasional gentleman, in a

bathrobe, saying goodbye at her open door. [...] it stands to reason that a woman whose car-pool

partner reported her lovers, real or invented, to the secret police is not likely to open that door again

to many people‟.70

!
Auch der jetzige Bundespräsident Joachim Gauck wurde von den Abhöraktivitäten der Stasi

persönlich betroffen. Als Jugendpfarrer in der Stadt Rostock in den 1980er Jahren wurde Gauck

durch den operativen Vorgang (OV) „Larve‟ bespitzelt, weil er eine vermutlich staatsfeindliche

Gefahr für die Kinder im Sozialismus darstelle. Stasi-IM wurden beauftragt, falsche Geschichten

über seine angebliche Untreue in Kollegenkreisen zu verbreiten - dies führte schließlich zu seinem

Amtsrücktritt im Sommer 1985 und der Aufnahme einer neuen Position im Rostocker Kirchentag.

Während der letzten fünf Jahren der DDR versuchte die Stasi, Gauck als IM anzustellen, ein

69 o.A.: Angela Merkel 'turned down' job from Stasi, in: The Telegraph, 20.05.2009, online zugreifbar unter: http://
www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/germany/5351229/Angela-Merkel-turned-down-job-from-Stasi.html,
letzter Zugriff am 04.04.2014.
70KRAMER, Jane: The Rise of Angela Merkel. Will Germany have a woman chancellor?, in: The New Yorker,
19.09.2005, S. 50.
!34

Angebot, das er wie Angela Merkel ablehnte.71 Nach der Wende 1990 wurde Gauck zum ersten

Beauftragten für die Bearbeitung der Stasi-Unterlagen (BStU, formell dem Bundesbeauftragten für

die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik)

vom Bundestag ernannt. In dieser Rolle war er bis seiner Ablösung durch Marianne Birthler im Jahre

2000 für die Archivierung der erhaltenen Unterlagen aus den Büros des MfS in der ganzen DDR

zuständig. Vor dem Bürgeransturm des Stasi-Hauptquartiers in der Berliner Normannenstraße am

15. Januar 1990 wurden viele Dokumente verbrannt oder im Reißwolf vernichtet, aber Millionen

von Akten wurden dieses Schicksal gespart. Über eine unfassbar große Menge von Akten und

Dokumenten verfügt der BStU:

!
„Etwa 111 Kilometer Schriftgut in Papierform, darunter ca. 40 Millionen

Karteikarten, ferner große Mengen verfilmte Unterlagen, deren Ausdruck ungefähr

weiteren 47 Kilometern Papier entsprechen würde, über 1,7 Millionen

Fotodokumente, gut 30.000 Film- oder Tonaufzeichnungen, 46 Datenbankprojekte

sowie über 15.000 Säcke und andere Behältnisse, in denen noch Hunderttausende

zerrissener MfS-Dokumente als weitgehend unbekannte Schnipselmasse lagern,

stammen aus den verschiedenen Zweigen der DDR-Staatssicherheit‟.72

!
Der BStU und seine Außenstellen in den ehemaligen Bezirken der DDR streben das Ziel an, dass

„Jeder Betroffene [...] das gesetzliche Recht auf Einsicht in seine Akten erhalten [soll]‟.73 Er soll die

71CRAWFORD, David: Joachim Gauck und der OV „Larve‟, in: Wall Street Journal Deutschland, 18.03.2012, online
zugreifbar unter: http://www.wsj.de/article/SB10001424052702304692804577287201333677394.html, letzter Zugriff
am 05.04.2014.

BStU: Elfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
72

Deutschen Demokratischen Republik für die Jahre 2011 und 2012. 1. Aufl. Berlin : BStU, 2013. S. 13.
73BStU: Aufgaben, Geschichte und Struktur, online zugreifbar unter: http://www.bstu.bund.de/DE/
BundesbeauftragterUndBehoerde/AufgabenUndStruktur/_node.html, letzter Zugriff am 04.04.2014.
!35

Aufarbeitung der Stasi-Geschichte in Deutschland führen und der Öffentlichkeit Informationen

über die SED-Diktatur beibringen. Am wichtigsten ist, dass „Die Arbeit der BStU [dazu beiträgt],

die Erinnerung an die SED-Diktatur, an ihre Opfer, aber auch an Opposition und Widerstand gegen

das System wach zu halten. So werden Erinnerung und Information an die Stelle von Vergessen,

Verschweigen und Verklärung gesetzt‟.74 Dies wird durch Veranstaltungen, Privatführungen und

eine starke Präsenz im Netz verwirklicht.

!
Ähnlicherweise werden Erinnerungen an den Alltag des MfS in dem vom Berliner

Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen geförderten Stasimuseum im ehemaligen Haus 1 des

Stasi-Hauptquartiers in der Normannenstraße am Leben gehalten. Das Museum wird von dem

ASTAK e.V., dessen Vorstandsvorsitzender der obengennante Bernd Lippmann ist, als Forschungs-

und Gedenkstätte geführt. Im ehemaligen „Mielke-Etage‟ des Hauses werden Zimmer nach bestem

Können im originellen Zustand aufrechterhalten, um Besucher ein präzises Bild des Alltags im

Herzen des ostdeutschen Geheimdienstapparats zu vermitteln. In einem Schlußbericht des

Bundestags im Juni 1998, wurde das Haus zu einem Symbol des „Sieges der friedlichen Revolution

in der DDR und [der] Aufarbeitung der Geschichte des MfS‟ ernannt.75

!
Zusätzlich wird seit dem Jahre 1998 eine Gedenkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt

Berlin-Höhenschönhausen vom Bund im Zusammenhang mit dem Land Berlin gefördert. Die Idee,

das ehemalige Gefängnisareal unter Denkmalschutz zu stellen, entstand schon kurz nach der Wende

und wurde von ehemaligen Inhaftierten unterstützt. Mit ihrer zentralen Ort in Ost-Berlin wirkt die

74 Vgl. ebd.
75DEUTSCHER BUNDESTAG: Schlußbericht der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur
im Prozeß der deutschen Einheit‟. BT-Drucks. 13/11000, Berlin, 10.06.1998, S. 239.
!36

Gedenkstätte als oberstes Denkmal an die Opfer der kommunistischen SED-Diktatur.76 Während

einer Führung durch die ehemalige Haftanstalt im Juli 2011 wurde mir erklärt, dass die um das

Gefängnis anwohnenden Bürger sich der Existenz der Stasi-Operationen in der unmittelbaren Nähe

unbewusst waren, denn das Areal wurde als eine Molkerei getarnt. Erst in den frühen 1990er Jahren

wurde festgestellt, dass die Gebäuden dem MfS gehörten. Die Gedenkstätte strebt das Wachhalten

der Erinnerungen an die geistige und physische Folter der Stasi durch die Einstellung ehemaliger

Gefangene als Museumsführer an, deren Geschichten einen Beitrag zum kommunikativen

Gedächtnis zuwenden.

!
Medien

Im Laufe meiner Forschung stieß ich auf wenige zeitgenössische Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel

über den ostdeutschen Geheimdienst in Publikationen sowohl aus der BRD als auch aus der DDR.

Nur am Ende der DDR-Geschichte in den frühen 1990er Jahren wurde viel über die Stasi und deren

Ausspähaktivitäten aufgedeckt oder geschrieben. Mehr als die Hälfte der Zeit-Artikel, die in

irgendwelcher Form die Stasi erwähnen und zwischen dem 08. Februar 1950 und dem 03. Oktober

1990 erschienen, wurden erst ab dem Jahre 1990 veröffentlicht. Fast die restlichen erschienen in den

späten 1980er Jahren. In der neunten Zeit-Ausgabe im Jahre 1979 erschien der Artikel „Spitzel, Stasi

und Spione‟, der das westdeutsche Publikum Einblicke in die Arbeit des MfS gibt. Ganz am Anfang

wird die Stasi mit dem Göttlichen verglichen:

!
„Ubiquität, die göttliche Art des HERRN, allgegenwärtig zu sein, ist im Zeitalter der

Satelliten-,Himmelsspione‛, der Richtmikrophone, der Abhörwanzen, der Mikro-

76GEDENKSTÄTTE BERLIN-HÖHENSCHÖNHAUSEN: Entstehung der Gedenkstätte, online zugreifbar unter:


http://www.stiftung-hsh.de/document.php?nav_id=CAT_163&subcat_id=CAT_170&recentcat=CAT_163&back=1&
special=0, letzter Zugriff am 05.04.2014.
!37

und Radarwellen, der totalen Kommunikation und der gebrochenen politischen

Loyalitäten verweltlicht worden:

!
„Die Damen und Herren vom Ostberliner Ministerium für Staatssicherheit [...] und

ihrer offensiven ,Hauptverwaltung Aufklärung‛ (HVA, zuständig für Spionage im

westlichen Ausland) scheinen überall zu sein.“77

!
Der Autor Michael Naumann erweitert seine Erklärung der weitreichenden Arbeit der Stasi mit

Beschreibungen der unterschiedlichen Abteilungen.78 Dazu untersucht er unterschiedlichen

„Verrats“-fälle und nennt das Beispiel Werner Stiller, das auch Bernd Lippmann wie oben erklärt

erwähnte. Dies stellte aber im Vergleich zur NSA-Affäre keinen wesentlichen Skandal dar: „Für die

Deutschen hingegen klingen die endlosen Zahlenkolonnen, die für jedermann hörbar auf der

Mittelwelle aus dem Ostblock zur Information und als Dienstanweisung hiesiger Agenten gesendet

werden, keineswegs skandalös, sondern eher wie die abstrusen Gewinnziffern einer exotischen

Lotterie, also uninteressant“.79 Naumann zitiert auch die DDR-Tageszeitung Neues Deutschland - ein

Organ der SED - um zu zeigen, inwiefern die Stasi dem Volk die Ideologie des Staates aufzwang:

„tatsächlich schilderte das Neue Deutschland [...] am 12. Februar 1970 unter der

Überschrift ,Klassenbrüder, die Liebe und Vertrauen genießen‛ einen Besuch des MfS-Chefs Mielke

im Berliner Werkzeugmaschinenkombinat ,7. Oktober‛: ,Schon am Werktor begrüßten ihn Genossen

77NAUMANN, Michael: Spitzel, Stasi und Spione. Gefürchtet und erfolgreich: Das DDR-Ministerium für
Staatssicherheit, in: Die Zeit, 23.02.1979, online zugreifbar unter: http://www.zeit.de/1979/09/spitzel-stasi-und-spione/
komplettansicht, letzter Zugriff am 05.04.2014.
78 Siehe Anhang 2: Struktur des MfS.
79 Vgl. ebd.
!38

der Kampfgruppe und Kameraden der GST mit einem donnernden Hurra.‛ Soviel Zuneigung ist

dem Ehrenvorsitzenden von ,Dynamo Berlin‛ nicht immer zuteil geworden. Im Gegenteil.“80

!
Nach dem Ansturm an den Stasi-Hauptquartier in der Normannenstraße im Januar 1990 kamen die

Themen Staatssicherheit und Geheimdienst auf schnelle Weise in den Schlagzeilen. Schon

Dezember 1989 ahnte man durch die Medien, dass die Stasi im Zerfall war. Am 15. Dezember 1989

erschien in Der Zeit der Artikel „STASI im Reißwolf“, in dem erklärt wurde, dass Stasi-Mitarbeiter

Akten von der Arbeit mit nach Hause nahmen, um sie entweder zu verbrennen oder zu zerstören.

Laut dem Artikel war „Die Regierung [...] vollauf damit beschäftigt zu verhindern, daß die Existenz

des ehemaligen Unterdrückungsapparates zum entscheidenden Risiko für den Reformprozeß in der

DDR [wurde]“.81 Um sich an der Stasi für die Verbrechen der Vergangenheit zu rächen, anstatt eine

gewaltige Revolution einzuleiten „[...] beschränk[t]en sich selbsternannte Kontrolleure aus dem Volk

darauf, die Vernichtung verräterischer Stasi-Dossiers zu verhindern“.82 Der Artikel zeigt auch die

ursprüngliche Verwirrung unter den DDR-Bürgern, als sie in Städten wie der thüringischen Suhl und

in Leipzig die Gebäude des Geheimdienstes betraten und die Kontrolle übernahmen:

!
„Am Bezirksamt für Nationale Sicherheit am Dittrichring angekommen, erscheint

plötzlich ein halbes Dutzend Menschen auf einem Balkon über dem Portal. ,Wir,

fünf Mitglieder der demokratischen Gruppen Leipzigs, haben vor einer halben

Stunde dieses Gebäude betreten, um es unter unser Kommando zu stellen‛, schallt es

den heranziehenden Demonstranten aus einem Megaphon entgegen.

80 Vgl. ebd.
81BAEHR, Vera-Maria; GEHRMANN, Wolfgang; KRUSE, Kuno; SCHWELIEN, Michael: STASI im Reißwolf, in: Die
Zeit, 15.12.1989, online zugreifbar unter: http://www.zeit.de/1989/51/stasi-im-reisswolf/komplettansicht, letzter
Zugriff am 05.04.2014.
82 Vgl ebd.
!39

„Wie erstarrt bleibt die Menge stehen. Einen Augenblick lang ist es bedrohlich still.

In diese streng bewachte Aktengruft des Spitzelstaates einzudringen, wie ist das

möglich? Der Redner muß wiederholen: ,... unter unser Kommando zu stellen‛.

Endlich bricht Jubel aus. Zu Zehntausenden defiliert das Volk am winkenden

Bürgerkomitee auf dem Balkon der Terrorzentrale vorbei. Abertausende biegen links

in die Kleine Fleischergasse ein. Die Massen umschließen den riesigen Häuserblock

wie eine Mauer‟.83

!
Diese Geschichte zeigt die Macht der Menschen gegen den Terror, eine wichtige Erinnerung für die

200.000 Leipziger, die an dem historischen Tag eine Rolle spielten. Die Kraft dieser Botschaft

besteht in dem Glauben an der Demokratie und die Hervorrufung der Erinnerung an den Spruch

„Nie wieder!‟, der eng im Zusammenhang mit dem Ende des faschistischen Terrors während des

Zweiten Weltkriegs steht.

!
Menschen

Für viele Deutschen dient das MfS als ein Erinnerungsort im gesamtdeutschen kollektiven

Gedächtnis, denn Millionen von ehemaligen DDR-Bürgern wurden von den Abhöraktivitäten der

Stasi und deren Nachbarn, die oft als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Stasi tätig waren, persönlich

betroffen. Als das Ende der DDR 1989 näherrückte und der ostdeutsche Geheimdienst der

Demokratisierungswelle in den Ländern des Warschauer Paktes zum Opfer fiel, jubelten die Bürger

feierlich in den Straßen von Berlin. Peter Steinbach schreibt:

83 Vgl. ebd.
!40

„Deutlicher konnte man nicht zum Ausdruck bringen, daß SED und Staatssicherheit

zusammengehörten und daß der Untergang der einen auch das Ende der anderen

bedeutete. Zugleich wurde sichtbar, wie stark in vier Jahrzehnten die Arbeit der

Staatssicherheit in den Alltag der DDR-Bürger - in Universität, Schule,

Nachbarschaft und Betrieb - eingegriffen hatte. So war es nicht überraschend, daß

während der berühmten Novemberdemonstrationen 1989 auf dem Berliner

Alexanderplatz diejenigen Protestredner den lebhaftesten Beifall bekamen, die sich

von der Stasi distanzierten‟.84

!
Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender des ASTAK e.V., hatte selbst den Terror des MfS

miterlebt. In den frühen 1970er Jahren gab er eine Kopie des Buches Farm der Tiere vom englischen

Autor George Orwell und anderen Werke von Ralph Giordano an jemanden weiter. Giordano war

Sohn eines sizilianischen Vaters und einer jüdischen Mutter und wuchs in Deutschland auf. Er

überlebte den Zweiten Weltkrieg in einem Keller eines Freundes und wurde später zum Kritiker des

Kommunismus. Für das Weitergeben dieser Texte wurde Lippmann im Jahre 1974 verhaftet und ihm

wurde eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Nach seinem Freikauf von der BRD 1975

siedelte er nach West-Berlin um. In seiner Freizeit als Mathematiklehrer studiert er die

Chiffriertechnik des MfS, was zur Veröffentlichung seiner Arbeit um „Das Chiffrierwesen des

Ministeriums für Staatssicherheit der DDR‟ im Jahre 2004 führte. In seiner Schule hat Lippmann ein

Projekt mit Abiturienten begonnen, durch das Schüler archivarische Forschungserfahrung in den

Stasi-Akten beim BStU zu Themen u.a. in der Religion, Mathematik und Naturwissenschaften

STEINBACH, Peter: Die Stasi, in: FRANÇOIS, Etienne; SCHULZE, Hagen (Hrsg).: Deutsche Erinnerungsorte. 1.
84

Aufl. München : C. H. Beck, 2001, S. 349.


!41

gewinnen können. Diese Arbeit gilt in Berlin als die sogenannte „5. Prüfungskomponente‟.85

Insgesamt helfen die Projekten den Schülern, die Erinnerungen an die Stasi sowohl im kurzfristigen

kommunikativen Gedächtnis als auch als in Form von generationsübergreifenden Lehrmaterialien

im kulturellen Gedächtnis einzutragen.

!
In seiner Rolle als ASTAK-Vorstandsvorsitzender versucht Lippmann mit seinen Arbeitskollegen,

die Erinnerungen an die Opfer des MfS und die Freiheitskämpfer, die sich gegen die Stasi vom

innen wie auch vom außen wehrten, wach zu halten. Im Jahre 2013 veröffentlichte Lippmann einen

Band von Aufsätzen im Gedenken an Melanie Weber (geb. 1931, gest. 2011). Weber hatte 1968 mit

einer unregistrierten Schreibmaschine heimlich SED-kritische Flugblätter produziert und

Fotografien von verbannten Büchern vom Westen nach Ost-Berlin geschmuggelt. Von ihren

Aktivitäten wusste die Stasi erst nichts, aber als sie in den frühen 1970er Jahren Kontakt mit dem

Freundeskreis um Bernd Lippmann aufnahm, wurde Weber mehrmals zu Verhören gezwungen. Als

sie 35 Jahre alt wurde, erkrankte sie an Krebs und wurde zur Invalidenrenterin erklärt, weshalb sie

eine Ausreisebewilligung bzw. einen Reisepass bekam. Nach der Verhaftung von einigen ihrer

Freunde nach einem gescheiterten Fluchtversuch bekam sie Angst, dass die westdeutsche Regierung

von der Gefangenschaft dieser Individuen nichts hören würde.86 Mit ihrem Pass reiste sie in die

BRD mit Listen von Gefangenen, die möglicherweise keine Verwandten in der DDR hatten. Die

Liste gab sie an Bekannte in Stuttgart weiter. Durch ihre Anstrengungen kamen mindestens vierzehn

Häftlinge mit einem Freikauf vom Westen schneller frei. Der damalige sächsische

85BStU: Staatssicherheit im Abitur, 24.04.2012, online zugreifbar unter: http://www.bstu.bund.de/DE/


BundesbeauftragterUndBehoerde/Aktuelles/2012_04_24_abiturthemen_ebert_schule.html, letzter Zugriff am
05.04.2014. Eine Liste der möglichen Prüfungsthemen befindet sich online unter: http://feo.schule.de/
schulorganisation/fachbereiche/erdkunde-geschichte-pw/projekte/moeglichkeiten-fur-die-5.prufungskomponente.
86 LIPPMANN, Bernd (Hrsg.): Melanie Weber. Ein Nachruf, 1. Aufl. Berlin : ASTAK Verlag, 2013, S. 20.
!42

Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, Lutz Rathenow, nannte Weber nach ihrem Tod an einer

langjährigen Erkrankung im Juni 2011 einen „Engel der Gefangenen“.87 Er schreibt:

!
„Ihr Beispiel zeigt, wie auch der Einzelne – ohne Beziehungen und Einfluss – sehr

wohl Einfluss nehmen konnte auf die Gesellschaft, sogar unter den schwierigen

Bedingungen der DDR-Diktatur. Es zeigt auch, wie politische Aktivität den

Lebensmut stärken kann. Die Freunde und Bekannten sind sich einig: Melanie Weber

war etwas Besonderes und ihre Stimme wird fehlen. Für mich ein Grund mehr,

weiterhin für den Aufbau einer Gedenk-, Erinnerungs-, und Begegnungsstätte im

ehemaligen Frauenzuchthaus Hoheneck einzutreten. Neben und hinter den

prägnanten Lebensgeschichten der dort Inhaftierten sollte auch an jene Menschen

erinnert werden, die für ihre Freiheit kämpften. Melanie Webers Geschichte würde

dort einen würdigen Platz einnehmen“.88

!
An Melanie Weber wird von vielen wegen ihres zugleich kleinen aber wesentlichen Beitrags zum

Kampf gegen die Unfreiheit erinnert. Ursula Albers schreibt in Lippmanns Nachruf an Weber:

„Klein, querköpfig, streitbar, aber auch hart und verwundbar, ein Mensch mit innerer Kraft, der sich

selbst aufzehrte. So bleibt sie in meiner Erinnerung“.89 Daniela Bernhauer nannte sie „die mutige

Kämpferin wider dem Vergessen. [...] blitzgescheit und mutig, manchmal nervig und anstrengend,

immer liebevoll und unglaublich zäh. Sie war und ist mein Vorbild. Meine Ersatzmutti - und für sie

war ich ,wie eine Tochter‛...“.90 Und laut Dieter Drescher war Weber „die zerbrechlich wirkende

87 RATHENOW, Lutz: Nachruf auf Melanie Weber, 21.06.2011, online zugreifbar unter: http://www.justiz.sachsen.de/
lstu/content/1185.php, letzter Zugriff am 05.04.2014.
88 Vgl. ebd.
89 LIPPMANN, Bernd: Melanie Weber. Ein Nachruf. S. 41.
90 Vgl. ebd. S. 42-43.
!43

Frau aus der Provinz, die unverkennbare Sächsin, die nichts mehr hasste als das Provinzielle im

Denken und das tatenlose Hinnehmen unabänderlich erscheinender Verhältnisse. [Sie] duckte sich

[...] im angeblichen Staate der Arbeiter und Bauern nicht einfach weg vor den Stiefeln der Tyrannen

[...]. Sie half vielmehr Nahestehenden und Unbekannten handfest aus der Not - stets in Gefahr, dass

ihr Handeln sie selbst in Mielkes Kasematten bringen könnte.“91

!
Der Band sammelt höchst persönliche Erinnerungen von einer Frau, die alles tat, um anderen zu

helfen, und stellt einen bedeutenden Beitrag zum kulturellen Gedächtnis dar. Als Teil der

E r i n n e r u n g s l i t e r a t u r w i r ke n d i e g e s a m m e l t e n G e d e n ke n a n We b e r i n e i n e r

generationsübergreifenden und archivierten Form im kulturellen Bereich, um die Geschichten und

Erfahrungen von einer verstorbenen Person weiterzugeben. Die authentischen Erinnerungen

kämpfen gegen die Angst vor dem Vergessen und leisten einen Beitrag dazu, die einst ungehörten

Meinungen über einer engagierte Frau aus dem kommunikativen ins kulturelle Gedächtnis zu

übertragen. Ohne Lippmanns Anstrebungen, die Stasi-Geschichte der Öffentlichkeit in allen

Formen vorzustellen, wären solche Erinnerungen wie die verbrannten Akten des MfS verloren

gegangen.

!
Hier mache ich einen Übergang zu einem anderen Thema, um weitere Beispiele zur Rolle der

Erinnerung in der gegenwärtigen deutschen Außenpolitik vorzustellen. Im nächsten Kapitel stelle

ich die Geschichte der deutsch-türkischen Beziehung vor und zeige, ob und wie die Erinnerungen

an die türkische Arbeitsmigration nach Deutschland in den 1960er und 1970er Jahren heutige

Gespräche über den möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union beeinflussen.

!
!
91 Vgl. ebd. S. 49.
!44

4. Deutsch-türkische Beziehungen

Die Beziehung zwischen den Staaten, die heute „Deutschland‟ und „die Türkei‟ heißen, hat eine

sehr lange und sehr komplexe Geschichte, deren Wurzeln sich in der Frühzeit des Osmanischen

Reiches befinden. Teils partnerschaftlich, teils als Gegner kämpften die Osmanen gegen, und später

mit, den Staaten des Heiligen Römischen Reiches und denen seines Nachfolgers. Durch die Wiener

Türkenbelagerungen im Jahre 1529 und später im Jahre 1683 mit dem Schlacht am Kahlenberg

entstand eine mythologische Angst in deutschsprachigen Raum vor den Türken, die in

unterschiedlicher Form zum Verfolgungswahn und zur Fremdenfeindlichkeit entwickelten.92 Hiermit

sehen wir die Grundlage für die deutsche Vorsicht im Umgang mit türkischen Gastarbeitern und die

langsame Entwicklung einer Akzeptanz von in Deutschland lebenden Ausländern.

!
Am Ende des 19. Jahrhunderts nahm das deutsche Kaiserreich neue wirtschaftliche Beziehungen

mit dem Osmanischen Reich durch die Finanzierung der Baghdadbahn durch Anatolien auf. Mit

dem Ölfund in Richtung Irak gewann die Bahnstrecke von Istanbul nach Baghdad für die Deutsche

Bank deutlich an wirtschaftlicher Bedeutung. Im Jahre 1912 wurden der Deutschen Bank

Erdölkonzessionen entlang der Bahnstrecke als Entlohnung für den Bau der Eisenbahn

gewährleistet.93 Zwei Jahre später mit dem Anfang des Ersten Weltkriegs verbündeten sich die

Osmanen mit den Deutschen und dem Österreichisch-Ungarischen Reich, wodurch eine stärkere

militärische Beziehung entstand, zu Ungunsten des Osmanischen Reiches, das nach dem

Kriegsverlust 1918 im Jahre 1922 zerfiel. Dessen Nachfolger, die Republik Türkei, hielt das

diplomatische Verhältnis zur Weimarer Republik in der Zwischenkriegszeit aufrecht bis zum

deutschen Unterzeichnen des Nichtangriffspaktes unter Adolf Hitler mit der UdSSR 1939. Die

Persönliches Gespräch mit Eric Langenbacher, Visiting Assisstant Professor/Director of Honors Program,
92

Department of Government, Georgetown University, geführt am 21.03.2014 in Washington, DC, USA.


93SCHULTZE-RHONHOF, Gerd: Die Baghdadbahn 1900-1914, in: Vorkriegsgeschichte.de, online zugreifbar unter:
http://www.vorkriegsgeschichte.de/content/view/15/31/, letzter Zugriff am 03.04.2014.
!45

Türkei äußerte sich für neutral im Laufe des Krieges und erklärte erst im Jahre 1945 Krieg gegen die

Achsenmächte Deutschland und Japan. Nach Kriegsende tritt die Türkei als eins der

Gründungsländer der Vereinten Nationen bei. Mit der Aufnahme von Gesprächen über ein

Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Wirschaftsgemeinschaft in den 1950er Jahren

näherte die Türkei an die Bundesrepublik Deutschland neu an.

!
4.1. Aktuelle Entwicklungen und Meinungen: Türkischer Beitritt zur EU

Zum Zweck dieser Arbeit werde ich hauptsächlich die Beziehung Deutschlands mit der Türkei im

Rahmen der Arbeitsmigration ab den 1960er Jahren und im Rahmen der Europäischen

Wirtschaftsgemeinschaft und Europäischen Union analysieren. Ich begründe diesen Vergleich im

wirtschaftlichen Sinne, weil m.E. die wichtigsten Entscheidungen in den Verhandlungen zum

Anwerbeabkommen 1961 und dem türkischen Beitritt sowohl zur EWG als auch zur EU auf

wirtschaftliche Bedürfnisse auf türkischer und auf europäischer (oder deutscher) Seite beruhen.

Nicht zu ignorieren aber sind verteidigungspolitische, kulturelle und geographische Erwägungen, die

hier zum Teil auch diskutiert werden.

!
In letzter Zeit wird häufig debattiert, welche Rolle die Türkei in Europa spielen soll, oder ob das

Land überhaupt zu Europa gehört. Im Jahre 2004, kurz vor der Aufnahme von Gesprächen über

den türkischen Beitritt zur EU, veröffentlichte der Politikwissenschaftler Claus Leggewie den Band

Die Türkei und Europa, in dem es um die zeitgenössischen Positionen in der wissenschaftlichen

Gemeinschaft zum Status der Türkei ging. Viele Argumentationen beziehen sich auf 'europäische'

Werte, die geteilte Religionsgeschichte Europas und kulturelle Unterschiede zwischen der Türkei und

„Europa‟, sowie auf wirtschaftliche Chancen und geographische Bedingungen, die eine Aufnahme

der Türkei in die Europäische Union erschweren oder erleichtern könnten. Wie hier deutlich wird

ähneln viele dieser Behauptung en den zeitg enössischen Debatten zum EWG-
!46

Assoziierungsabkommen 1963 bzw. zum Anwerbeabkommen mit der BRD im Jahre 1961. Im

Folgenden werde ich durch ein paar Einblicke in diese Diskussion zeigen, welche Gründe - darunter

wirtschaftliche, kulturelle, und verteidigungspolitische - debattiert werden.

!
Wissenschaftlicher Diskurs

In dem von Leggewie herausgegebenen Band erklärt der irische Schriftsteller Colm Tóibín: „Es gibt

keinen Bestand an europäischen Wertvorstellungen; es gibt keine gemeinsame europäische Identität

[...], ‟ denn „keiner von uns ist [...] imstande, eine [...] Identität als Europäer in sich zu entwickeln‟. 94

Tóibín vergleicht die Wirtschaftsbedingungen Irlands in den frühen 1960er Jahren, kurz vor dem

irischen Beitritt zur EG 1973, mit den türkischen Bedingungen heute:

„Irland war ein Agrarland, katholisch und konservativ, repressiv und mit einer sehr

rudimentären Infrastruktur. Und seine Verfassung vertrat eine aggressive Haltung

gegenüber einem Teil der Territoriums seines nächsten Nachbarn. Das heißt, sie

erklärte, ohne jede völkerrechtliche Legitimation, die gesamte irische Insel,

einschließlich Nordirlands, zum Staatsgebiet der Irischen Republik‟.95

Hier sehen wir deutliche Parallelen zwischen dem damaligen Entwicklungsstand Irlands und dem

heute vor allem im Osten der Türkei nahe der Grenze zum Irak, Iran und Syrien. Tóibín schließt

also, dass die Argumente gegen einen türkischen Beitritt zur EU „sich 1973 ebensogut gegen die

Republik Irland anführen lassen [hätten]‟.96 Zur Furcht vor einer Arbeiterauswanderungswelle aus

TÓIBÍN, Colm: Europäische Identität? Oder: Was Irland mit der Türkei verbindet, in: LEGGEWIE, Claus (Hrsg.):
94

Die Türkei und Europa. Die Positionen. 1. Aufl. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2004. S. 23-24.
95 Vgl. ebd. S. 24.
96 Vgl. ebd. S. 26.
!47

der Türkei äußert er: „Auch [die irische] Arbeiterschaft wanderte bei jeder Rezession - nach

Großbritannien oder in die Vereinigten Staaten - aus‟. Und zur Angst vor der Islamisierung Europas

entgegnet Tóibín den Ablehnern der Türkei: „Europa hatte eine Renaissance, eine Reformation, [...]

eine industrielle Revolution. Die Entwicklung des Islams ist dagegen langsamer und weniger

durchschaubar vonstatten gegangen [...] Zwar schenkte uns das Christentum die herrlichen

romanischen und gotischen Kirchen [...] aber es bescherte uns auch die Grausamkeit der Inquisition,

die Greuel der Kolonisation, und [...] lieferte uns die ideologische Rechtfertigung für die Ermordung

nahezu der gesamten jüdischen Bevölkerung Europas‟.97 Er argumentiert, der Vergleich des Islams

mit den „Unmenschlichkeiten‟ des Christentums sei nicht vertretbar. Die Religion soll seiner

Meinung nach keine politische Rolle in der säkularen Europäischen Union spielen.

!
Dagegen bestreitet der deutsche Soziologe und FAZ-Redakteur im Ressort Geisteswissenschaften

Lorenz Jäger, dass Kultur - worunter Religion auch zu verstehen ist - eine entscheidene Rolle in der

Definierung von „Europa‟ spielt. Er hält die Beitrittsverhandlungen entsprechend den

Kopenhagener Kriterien einer „demokratisch-rechtsstaatliche[n] Ordnung, Achtung der

Menschenrechte und eine[r] funktionierenden Marktwirtschaft‟ in vielen Fällen für unlogisch: „nicht

jedes Land, das sich auf Menschenrechte und Marktwirtschaft verpflichtet, ist deshalb schon

europäisch [...]‟98 Jäger lehnt weitere militärische oder geographische Verteidigungen eines

türkischen EU-Beitritts ab zugunsten einer kulturellen Argumentation: „Wer Sibelius hört und

97 Vgl. ebd. S. 27.


98JÄGER, Lorenz: Auf allen Karten abseits. Europa und die Türkei: Die Unlogik der Beitrittsverhandlungen, in:
LEGGEWIE, Claus (Hrsg.): Die Türkei und Europa. Die Positionen. 1. Aufl. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2004. S.
30.
!48

Puccini, der weiß, wie weit Europa reicht. [...] Auf keiner der möglichen kulturellen Karten Europas

ist die Türkei zu finden‟.99

!
Diese Beispiele zeigen, welche Rolle die im 16. Jahrhundert entstandene Mythologie der

Türkenfurcht noch in der Gegenwart spielt. Außerhalb dieses kulturellen Kontexts befürworten

manche Ökonomen und Journalisten einen Beitritt der Türkei zur EU aus einer praktischeren,

wirtschaftsorientierten Perspektive. Die britische Wochenzeitung The Economist veröffentlichte im

Dezember 2002 den Artikel „Turkey belongs in Europe‟,100 in dem erörtert wurde, dass eine

Mitgliedschaft in der Europäischen Union sich auf demokratischen und freiheitlichen Werten

basieren sollte, und nicht etwa auf Religion oder Gruppenzugehörigkeit. Allerdings müsse

gewährleistet werden, dass Märkte stabilisiert seien und die Achtung von Menschenrechten

gewährleistet werde. Die Türkei könne auch eine wesentliche Rolle als eine Brücke zur islamischen

Welt spielen: „Perhaps most important, an EU that is open to Turkey should send a message to the

troubled Muslim world of today: the West does not consider Islam and democracy incompatible as

long as Islam doesn't‟.101 Wichtig zu bemerken ist der Unterschied zwischen diesem Artikel und

dem Januar 2014 erschienenen Economist-Artikel „Going cold on Turkey‟. Angesichts der neueren

regierungsfeindlichen Protestwellen und aggressiven und gewaltigen Gegenmaßnahmen der

Istanbuler Polizei stehen die Zeichen für eine baldige Aufnahme in die EU eher schlechter. Laut

dem Artikel, „[...] in seeking to extirpate the enemy within, Mr Erdogan risks wrecking Turkey’s

chances of joining the European Union. [...]. if Mr Erdogan’s legal changes seriously undermine

99 Vgl. ebd. S. 31.


100o.A.: Europe and Turkey. Turkey belongs to Europe, in: The Economist, 05.12.2002, online zugreifbar unter: http://
www.economist.com/node/1477633/print, letzter Zugriff am 26.03.2014. Eine Übersetzung in das Deutsche erscheint
in dem von Claus Leggewie veröffentlichten Band Türkei und Europa. Die Positionen. S. 123 - 125.
101 Vgl. ebd.
!49

judicial independence, the EU may suspend the talks. The so-called Copenhagen criteria require

candidates to have ,stable institutions guaranteeing democracy, the rule of law, human rights and

respect for and protection of minorities‛‟.102 Nichtsdestotrotz schlägt der Autor, die Eröffnung

neuer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen über die Justiz, Freiheit und Sicherheit vor, um den

Druck auf Premierminister Erdogan und seine Regierung zu erhöhen und die Türkei schneller EU-

bereit zu machen.103

!
Ähnliche verteidigungs- bzw. geopolitische Vermutungen ergeben sich in der gegenwärtigen

Literatur über die deutsche und europäische Außenpolitik. Ein Ziel der deutschen Außenpolitik ist

die Bekämpfung des Terrorismus, nicht nur durch „die Reform der nationalen und europäischen

Sicherheitsstrukturen [und] die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Polizei

und Geheimdiensten‟, sondern auch durch „die Intensivierung des Dialogs mit der islamischen

Welt‟.104 Durch eine militärische Allianz mit den westlichen Staaten könnte auch die Türkei in dem

Kampf gegen den Terror an Bedeutung gewinnen. Herfried Münkler, ein deutscher

Politikwissenschaftler an der Humboldt-Universität in Berlin, schreibt:

!
„Seit Anfang der 90er Jahre hat die Türkei drei geopolitische Optionen: die

Zugehörigkeit zu Europa, die Annäherung an die arabisch-islamische Welt sowie ein

Zusammengehen mit den Turkvölkern im zentralasiatischen Raum. Es ist wohl keine

Frage, daß Europa die attraktivste dieser Optionen darstellt, und dementsprechend

o.A.: Going cold on Turkey, in: The Economist, 18.01.2014, online zugreifbar unter: http://www.economist.com/
102

node/21594337/print, letzter Zugriff am 26.03.2014.


103 Vgl. ebd.
104KNELANGEN, Wilhelm: Die deutsche Politik zur Bekämpfung des Terrorismus, in: JÄGER, Thomas; HÖSE,
Alexander; OPPERMANN, Kai (Hrsg).: Deutsche Außenpolitik. Sicherheit, Wohlfahrt, Institutionen und Normen. 2.
Aufl. Wiesbaden : VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2011. S. 199.
!50

haben die wirtschaftlichen und politischen Eliten der Türkei seit längerem auf die

europäische Karte gesetzt. [...] Beide andere [Optionen] hätten verheerende Folgen

für die Stabilität der europäischen Südostflanke. [...] Mit dem EU-Beitritt der Türkei

[...] habe man eine direkte Grenze [zum Nahen und Mittleren Osten]. [...] Mit

Rumänien und Bulgarien ist, selbst wenn man Griechenland dazunimmt, die weiche

Südostflanke Europas nicht zu stabilisieren. Das ist allein mit der Türkei möglich‟.105

!
Die Türkei spielt also eine entscheidende geopolitische Rolle, ganz wie die Ukraine, als Tor zum

Fremden, oder laut Münkler, „[kein] Puffer zwischen Europa und der arabisch-islamischen Welt [...],

sondern eine direkte Grenze‟.106 Vor allem sieht der Leser in diesen Fällen, wie stark die

Wahrnehmung des Andersseins der Türken und des Islams Diskussionen über die Zukunft der

türkisch-europäischen, besonders der deutsch-türkischen, Beziehung prägt. Hinzu kommen die

Erinnerungen an neuere Migrationswellen nicht nur aus der Türkei, sondern auch aus Ländern wie

Irland, Rumänien und Bulgarien, die hier wirtschaftliche und verteidigungspolitische Debatten zu

den „Chancen‟ für Europa und die islamische Welt beeinflussen.

!
Die im wissenschaftlichen Diskurs hervorgehobenen Argumentationen gegen einen Beitritt der

Türkei zur Europäischen Union beziehen sich vor allem auf ferne, nicht rein persönliche

Erinnerungen, wenn nicht Mythen und Legenden, um einen größeren Einwand gegen die Türkei zu

schaffen. Nur die Argumente Colm Tóibíns stellen nähere Erfahrungen mit der Vergangenheit

sowohl der EU-Erweiterung als auch der Türkei dar, insofern, als er die Erinnerung eines

unterentwickelten, streng katholischen Landes erwähnt, dessen Einwohner in Krisenzeiten wie die

MÜNKLER, Herfried: Warum der EU-Beitritt der Türkei für Europa wichtig ist, in: LEGGEWIE, Claus (Hrsg.): Die
105

Türkei und Europa. Die Positionen. 1. Aufl. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2004.: S 204-05.
106 Vgl. ebd. S. 205.
!51

Türken Arbeit außerhalb des Staatsgebiets suchten. Vor allem entsprechen solche Erinnerungen, die

möglicherweise manche Iren ebenfalls erlebt haben, dem auf persönliche Geschichten und

Gespräche aufgebauten kommunikativen Gedächtnis. Tóibín bezieht sich in seiner Argumentation

auf die Kreuzzüge und wirft den Christen vor, auch unmenschliche Dingen begangen zu haben.

Seine Erwähnung von fernen geschichtlichen Ereignissen wie den Kreuzzügen entspricht dem

kulturellen Gedächtnis, denn kein Deutscher kann mehr die Kreuzzüge und die vermutlichen

„Unmenschlichkeiten‟ des Christentums aus eigener Erfahrung bezeugen.

!
Regierung und Medien

Im Bezug auf die Position der deutschen Bundesregierung zum türkischen Beitritt zur Europäischen

Union gilt meine These, dass die Erinnerungen an die Arbeitszuwanderung im Laufe des

Wirtschaftwunders die heutige Türkei-Politik prägt, nur eingeschränkt. Im Laufe meiner Forschung

zu diesem Thema stieß ich auf wenige Quellen - in den Medien und den archivierten Protokolle von

Reden deutscher Abgeordneten im Europäischen Parlament bzw. im Bundestag - die einen

Zusammenhang zwischen den Erinnerungen an die Gastarbeiter-Ära und den gegenwärtigen

Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beweisen. Vielmehr geht es aktuell um Wirtschaftliches und

Menschenrechte als Arbeitszuwanderung in die EU. Im Jahre 2012 berichtete die damalige

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über rechtsstaatliche Defizite in der

Türkei, darunter mangelnde Pressefreiheit und „[...] Massenprozesse gegen Anwälte und

Journalisten“.107 Desweiteren diffamierte der GRÜNEN-Politiker Memet Kılıç den türkischen

Ministerpräsident Erdoğan als „Menschenrechtsverbrecher“, dessen Aktionen gegen einen Beitritt

seines Landes zur EU wirken.108 Auch im April 2014 schien es, als ob Erdoğans Verhalten

107o.A.: Justizministerin attestiert Türkei rechtsstaatliche Defizite, in: Der Tagesspiegel, 01.11.2012, online zugreifbar
unter: http://www.tagesspiegel.de/politik/sabine-leutheusser-schnarrenberger-justizministerin-attestiert-tuerkei-
rechtsstaatliche-defizite/7331540.html, letzter Zugriff am 06.04.2014.
108 Vgl. ebd.
!52

gegenüber der EU ein Risiko für die Weiterführung der Beitrittsverhandlungen darstelle. Am 5. April

beschloß die CDU ihr Programm für die im Mai 2014 stattfindenden Europawahlen, in dem es

heißt:

!
„Wir sehen die strategische und wirtschaftliche Bedeutung der Türkei für Europa.

Ebenso sehen wir die gewachsenen, vielfältigen Beziehungen zwischen den

Menschen in der Europäischen Union und in der Türkei. Vor allem die

türkeistämmige Bevölkerung in Deutschland stellt eine wichtige Brücke zwischen

unseren Ländern dar. Wir wollen daher eine möglichst enge Zusammenarbeit

zwischen der Europäischen Union und der Türkei sowie eine strategische

Zusammenarbeit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Eine

Vollmitgliedschaft der Türkei lehnen wir aber ab, weil sie die Voraussetzung für einen

EU-Beitritt nicht erfüllt. Angesichts der Größe des Landes und seiner

Wirtschaftsstruktur wäre zudem die Europäische Union überfordert“.109

!
Beispiele in den Medien und populistische Stimmen wie die Thilo Sarrazins stimmen der

Behauptung zu, ein Beitritt der Türkei zur EU würde die Staatsgemeinschaft in irgendeiner Form

überfordern. Die Folgen der Aufnahme der Türkei allein in Bezug auf die Bevölkerungszahl

thematisieren die Deutsch-Türkischen Nachrichten:

!
„Bei einem EU-Beitritt des Landes würden die Türken die zweitmeisten

Abgeordneten im EU-Parlament stellen. Zudem würden im Zuge der

Binnenmigration Millionen von Menschen aus dem Südosten des Landes in den

109CDU: „Gemeinsam erfolgreich in Europa“. Europapolitischer Beschluss des 26. Parteitags der CDU Deutschlands,
05.04.2014, online zugreifbar unter: https://www.cdu.de/sites/default/files/media/140405-beschluss-gemeinsam-
erfolgreich-in-europa.pdf, letzter Zugriff am 07.04.2014, S. 98,
!53

[bisherigen] EU-Raum einwandern. Das müsste im Rahmen der EU-Freizügigkeit

ohnehin irgendwann stattfinden“.110

!
Schließlich argumentiert der Autor, „Brüssel darf keine Angst vor seinen eigenen Bürgern haben.

Eine Volksabstimmung über den EU-Beitritt der Türkei ist berechtigt und legitim. Andernfalls

könnte die EU ihre Daseinsberechtigung verlieren“.111

!
Auch in den Medien ist kein wesentlicher Zusammenhang zwischen Erinnerungen an die

Gastarbeiter-Ära und der heutigen Darstellung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu

spüren. Nichtsdestotrotz stelle ich hier ein bemerkenswertes Beispiel vom Zusammenhang der

Politik mit der Presse vor. Eine bedeutsame Ausnahme unter den Erinnerungen, die ich in dieser

Arbeit präsentiere, stellt der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt dar. Weil er kein politisches

Amt mehr hat, verfügt er heute über mehr Einfluss in den Medien in seiner Rolle als Herausgeber

von Der Zeit als in der Politik. In seinem 2004 erschienen Artikel „Bitte keinen Größenwahn‟ erklärt

Schmidt die EU für „weit auseinander gefallen‟.112 Trotz der Erfolge der Europäischen

Gemeinschaft im Laufe der 1970er Jahre, die Märkte angesichts der globalen Ölkrise zu stabilisieren,

die Mittelmeerstaaten Spanien, Portugal und Griechenland von militärischen Diktaturen zu retten

sowie eine gemeinsame Währung für Europa im Jahre 1999 zu verwirklichen, behauptet der

Altkanzler, dass die EU keine wesentliche Rolle mehr in der Weltpolitik spiele. Er bezeichnet den

eventuellen Beitritt der Türkei in die EU nicht als weltpolitisches Ziel, sondern als „Verwirklichung

110o.A.: Überflüssige Beitritts-Verhandlungen: Türkei und EU passen nicht zusammen, in: Deutsch-Türkische
Nachrichten, 06.04.2014, online zugreifbar unter: http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2014/04/500376/
ueberfluessige-beitritts-verhandlungen-tuerkei-und-eu-passen-nicht-zusammen/, letzter Zugriff am 07.04.2014.
111 Vgl. ebd.

SCHMIDT, Helmut: Europa. Bitte keinen Größenwahn, in: Die Zeit, 25.11.2004, online zugreifbar unter: http://
112

www.zeit.de/2004/49/T_9frkei-Beitritt/komplettansicht, letzter Zugriff am 06.04.2014.


!54

eines strategischen Zieles – nicht der EU, sondern der USA. Washington hat seit über vierzig Jahren

kontinuierlich darauf gedrungen‟.113 Dies sei eine Folge des Kalten Krieges, in dem die USA eine

militärische Partnerschaft der Türkei mit den europäischen NATO-Staaten forderte, um eine Front

gegen die UdSSR aufzubauen. Als Verfechter der Realpolitik während seiner Amtszeit spiegelt

Schmidts Artikel seine politischen Überzeugungen durch seine quasi-pessimistische und kritische

Ansicht eines Erweiterung der EU gegenüber wider: „Jede Erweiterung der EU zu einem immer

heterogener werdenden Gebilde hat schon seit dem Ende des Kalten Krieges zugleich dem Interesse

der amerikanischen Hegemonie gedient‟.114 Zum Thema Kultur äußert er auch:

!
„Die kulturelle Distanz Anatoliens zu den genannten türkischen Städten ist groß, die

kulturelle Distanz zu den bisherigen Mitgliedsstaaten der EU ist außerordentlich

groß – ganz zu schweigen von der kulturellen Distanz zwischen den Türken und der

bis vorgestern in Ostanatolien blutig unterdrückten größeren Hälfte des kurdischen

Volkes, welches die alliierten Sieger des Ersten Weltkriegs auf die Türkei, den Irak

und Iran aufgeteilt haben‟.115

!
Abschließend behauptet Schmidt, dass „es fast überall in der Union Angst vor ungesteuerter

Zuwanderung und vor kultureller Überfremdung‟ gebe.116 Aber anstatt diese Angst auf die

Mythologie des Türkenansturms gen Europa zurückzuführen gibt er die hohe Geburtenrate in der

Türkei und in anderen Ländern am Rande Europas, darunter Algerien und Marokko, als Grund für

113 Vgl. ebd.


114 Vgl. ebd.
115 Vgl. ebd.
116 Vgl. ebd.
!55

eine Ablehnung des Beitritts der Türkei zur EU an. Nach seinem Erachten würde die

Massenmigration aus den neuen EU-Staaten die Sozialversicherungssysteme reicherer Länder wie

Deutschland und Frankreich überfordern. Er warnt: „Überforderung und Übereifer können zum

Zerfall des Jahrhundert-Vorhabens der Integration Europas führen. Am Ende könnte eine bloße

Freihandelszone übrig bleiben‟.117

!
Das Beispiel von Helmut Schmidt ergibt keinen festen Zusammenhang zwischen Erinnerung und

Politik, vor allem wegen der realpolitischen Sichtweise des ehemaligen Bundeskanzlers. Im nächsten

Teil werde ich aber zeigen, wie ähnliche, wenn nicht gleiche Argumentationen mit (zum Teil

manipulierten) Erinnerungen an die Arbeitereinwanderung in den 1960er und 1970er Jahren

verknüpft werden können, um ein anderes, wenn nicht negativeres Bild der türkischen EU-

Beitrittsverhandlungen zu schaffen. Als zeitgenössische Darstellungen der Lage der EU bzw. der

Partnerschaft mit der Türkei spielen Beiträge wie Schmidts Artikel und Bundestagsprotokolle

zunächst eine Rolle im kommunikativen statt im kollektiven Gedächtnis. Die in solchen Texten

erwähnten Erinnerungen sind zwar von Akteuren der Regierung vorgestellt, werden aber nicht in

Form eines Denkmals, Museums, usw. konkretisiert oder allen Deutschen zugänglich gemacht. Diese

entsprechen einfach alltäglichen, auf Erfahrungen basierenden Gespräche und Meinungen in

textueller Form, die aber später ins kulturelle Gedächtnis eingehen können.

!
Menschen

Meinungsumfragen zeigen mit der Zeit eine wachsende Abneigung gegenüber dem EU-Beitritt der

Türkei sowohl auf türkischer als auch auf deutscher Seite. Einer Emnid-Befragung im Jahre 2013

zufolge seien nur 30 Prozent aller Befragten für einen türkischen Beitritt zur Europäischen Union,

117 Vgl. ebd.


!56

während 60 Prozent ihn ablehnen.118 Eine Studie der Forschungsgruppe Wahlen ergab, dass 68

Prozent der Befragten der Meinung waren, dass die Türkei in einigen Jahren nicht zur EU beitreten

soll, während nur 27 Prozent die Frage positiv beantwortet hatten.119 Am meisten stimmten

Anhänger des Bündnisses 90/der Grünen mit 43 Prozent einem EU-Beitritt der Türkei zu, gefolgt

von Anhängern der Linken mit 41 Prozent, der SPD mit 32 Prozent, und der CDU/CSU mit 22

Prozent.120 Ähnliche Ergebnisse gab es bei einer Befragung in Österreich im September 2013: Fast

drei Viertel der Befragten würden einen EU-Beitritt der Türkei ablehnen, während nur 15 Prozent

ihn begrüßen würden. Für 10 Prozent der Befragten sei es egal, ob die Türkei irgendwann der EU

zugehörte.121

!
Auf türkischer Seite ähneln Forschungsergebnisse den deutschen und österreichischen. Vor allem

drucken der langwierige Beitrittsprozess und die endlosen Verhandlungen seit den 1970er Jahren die

öffentliche Meinung. Eine Umfrage der Boğaziçi Universität auf der europäischen Seite Istanbuls

zeigt, dass nur 47,1 Prozent von Türken ein positives Bild von der EU haben, und nur 46 Prozent

sich EU-zugehörig fühlten. Fast ein Drittel der Befragten sagte, sie glauben, dass die Türkei nie

Mitglied der Union werde. Diese Ergebnisse zeigen eine rückläufige Neigung über das vergangene

Jahrzehnt - nach dem Machtwechsel im Bundeskanzleramt von Gerhard Schröder zu Angela Merkel

118o.A.: Umfrage. Mehrheit der Deutschen gegen EU-Beitritt der Türkei, in: Die Welt, 24.02.2013, online zugreifbar
unter: http://www.welt.de/politik/deutschland/article113858833/Mehrheit-der-Deutschen-gegen-EU-Beitritt-der-
Tuerkei.html, letzter Zugriff am 06.04.2014.
119FORSCHUNGSGRUPPE WAHLEN: Sollte die Türkei in einigen Jahren in die Europäische Union (EU)
aufgenommen werden?, 25.06.2013 bis 27.06.2013, online zugreifbar unter: http://de.statista.com/statistik/daten/
studie/155690/umfrage/meinung-zu-eu-beitritt-der-tuerkei/, letzter Zugriff am 06.04.2014. Kostenlose Anmeldung
erforderlich.
120FORSCHUNGSGRUPPE WAHLEN: Sollte die Türkei in einigen Jahren in die Europäische Union (EU)
aufgenommen werden? [Anteile Zustimmung nach Parteianhängerschaft], 25.06.2013 bis 27.06.2013, online zugreifbar
unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/39207/umfrage/zustimmung-zur-aufnahme-der-tuerkei-in-die-eu-
in-einigen-jahren/, letzter Zugriff am 06.04.2014. Kostenlose Anmeldung erforderlich.
121HACKER-WALTON, Philipp: Österreicher gegen EU-Beitritt vonTürkei und Balkan-Staaten, in: Kurier, 16.10.2013,
online zugreifbar unter: http://kurier.at/politik/eu/umfrage-oesterreicher-klar-gegen-den-eu-beitritt-von-tuerkei-und-
balkan-staaten/31.133.742, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!57

und der schwarz-gelben Koalition. In den frühen 2000er Jahren befürworteten 69,3 Prozent aller

Befragten einen Beitritt zur EU, und weniger als die Hälfte dachten, ein Beitrittsabkommen würde

die Türkei spalten. Diese Zahl lag im Jahre 2012 bei 54 Prozent.122

!
Am häufigsten werden mangelnde Menschenrechtsgarantien, unangemessene Polizeigewalt und

rechtsstaatliche Defizite als Gründe für eine Ablehnung des türkischen EU-Beitritts genannt. Auch

der Mangel an Anerkennung des Völkermords an der armenischen Bevölkerung während des Ersten

Weltkriegs, die 2001 zur Voraussetzung der EU-Aufnahme gemacht wurde, spielt für manche noch

eine Rolle.123 Dazu wird religiöse Toleranz zum Streitpunkt in den Gesprächen um die Zukunft der

Türkei in Europa. Eine der markantesten Stimmen innerhalb der heutigen Diskussionen ist die von

Thilo Sarrazin, dem ehemaligen Finanzsenator im Berliner Senat und ehemaligen Vorstandsmitglied

der Deutschen Bundesbank. In diesem Teil geht es weniger um seine Funktion als Finanzsenator als

seine im Buch Deutschland schafft sich ab vertretenen Thesen. Sein 2010 erschienenes Buch wurde von

vielen Seiten der Gesellschaft heftig kritisiert, vor allem wegen seiner kritischen, grenzwertig

rassistischen und verallgemeinernden Äußerungen zu den in Deutschland lebenden Muslimen und

anderen religiösen Minderheiten. Nichtsdestotrotz behandelt er in dem Buch viele für diese Arbeit

relevanten Themen, die bei den Diskussionen um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei auch

relevant sind, inklusive des Mangels an religiöser Toleranz in der Türkei. Er schreibt:

!
„In der Türkei wird alteingesessenen christlichen Gemeinschaften der Bau neuer

Kirchen untersagt. Die Wiedereröffnung der vor 30 Jahren geschlossenen kirchlichen

122o.A.: EU-Beitritt: Die türkischen Bürger sagen leise „güle güle!“, in: Deutsch Türkische Nachrichten, 14.12.2012,
online zugreifbar unter: http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2012/12/464495/eu-beitritt-die-tuerkischen-
buerger-sagen-leise-guele-guele/, letzter Zugriff am 06.04.2014.
123EUROPÄISCHES PARLAMENT: Informationsaufzeichnung über die Arbeit des gemischten parlamentarischen
Ausschusses EU-Türkei, 06.2004, online zugreifbar unter: http://www.europarl.europa.eu/intcoop/euro/jpc/turk/
history2004_turkey_de.pdf, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!58

Hochschulen bleibt verboten. Das Kleinasien des frühen Mittelalters war rein

christlich, und am Vorabend des Ersten Weltkriegs waren immerhin noch 25 Prozent

der Einwohner der heutigen Türkei christlich. Dieser Anteil ist seit dem Genozid an

1,5 Millionen Armeniern und mehreren Hunderttausend aramäischsprachigen

Assyrern im Ersten Weltkrieg sowie der Massenvertreibung von 1,5 Millionen

griechisch-orthodoxen Gläubigen nach dem Ersten Weltkrieg auf 0,2 Prozent

zurückgegangen.

!
„Kronzeuge für religiöse Toleranz ist die heutige Türkei beim besten Willen nicht,

und die maßlose beziehungsweise anmaßende Sprache ihres Ministerpräsidenten

[Recep Tayyip Erdoğan] ist alles andere als ein leuchtendes Beispiel für Toleranz. Die

christlichen Kirchen wurden über die Jahrhunderte zu einem säkularen,

pluralistischen Selbstverständnis gezwungen. Das fehlt dem Islam bis heute‟.124

!
Das Buch fand rasant Anklang in Deutschland wegen seiner kontroversern Äußerungen zum

Migrantenleben in Deutschland, und mehr als 1,5 Millionen Exemplare wurden in den ersten zwei

Jahren nach seiner Veröffentlichung verkauft.125 Ob sein ganzes Publikum Sarrazins Thesen

zustimmte ist sicher unklar, aber als großer Verkaufserfolg ist sein Buch in dieröffentlichen Meinung

in Deutschland über die Zukunft Europas ins Gewicht gefallen. Sarrazin äußert sich auch gegen eine

Erweiterung von Europa östlich des Bosporus: „Die geografische und kulturelle Grenze Europas ist

[...] ganz klar am Bosporus zu ziehen und nicht, wie in vielen Statistiken, an der türkischen Grenze

124SARRAZIN, Thilo: Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen. 2. Aufl. München : Deutsche
Verlags-Anstalt, 2012, S. 272.
125KRIEGER, Regina: Lukratives Buch. Wie Sarrazin Millionär wurde, in: Handelsblatt, 21.05.2012, online zugreifbar
unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/lukratives-buch-wie-sarrazin-millionaer-wurde/
6647994.html, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!59

zum Irak und zum Iran‟.126 Daraus kann man schließen, er würde einen Beitritt der heutigen Türkei

ablehnen. Sarrazins Auffassung nach würde weitere Migration aus ärmeren Ländern, auch

muslimischen Ländern, den deutschen Sozialstaat überfordern. Er ruft die Einwanderung der

Gastarbeiter im Laufe des Wirtschaftswunders auf, die er „ein[en] gigantische[n] Irrtum‟ nennt:127

!
„Großenteils wurden die Arbeiter eingesetzt in [...] die sterbenden Industrien [...].

Dies verlangsamte den unvermeidlichen Strukturwandel und verstellte den Blick auf

das Beunruhigende des Geburtenrückgangs in Deutschland. Dessen Folgen werden

durch den Zuzug von Migranten nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. [...]

!
„Stets gilt, dass jene, die arbeiten, für die bezahlen müssen, die nicht arbeiten: 2007

kamen in Deutschland auf 100 Menschen mit einem überwiegenden Einkommen

aus Erwerbstätigkeit 68,7 Menschen, die von Renten oder Sozialtransders lebten. Für

Menschen ohne Migrationshintergrund betrug die Relation 70,6 Prozent. Die

Migranten haben also trotz ihres wesentlich günstigeren Altersaufbaus gemessen an

dieser Relation demografisch kaum entlastend gewirkt‟.128

!
In diesem Fall werden numerische Interpretationen von den Erinnerungen an die

Arbeiterzuwanderung nach Deutschland manipuliert, um ein fremdenfeindliches Bild von Migranten

zu schaffen. Vor allem treiben Sarrazins statistische Analysen der gegenwärtigen Lage des deutschen

Sozialstaats einseitige uninformierte Argumente gegen weitere Einwanderung nach Deutschland an.

Anstatt in seinem Buch die menschliche Realität und die positiven Folgen der Arbeitsmigration

126 SARRAZIN, Thilo: Deutschland schafft sich ab. S. 258.


127 Vgl. ebd. S. 259.
128 Vgl. ebd. S. 259-60.
!60

heute darzustellen, verlässt er sich nur auf Statisches, das zumeist keine längerfristigen Tendenzen

der Entwicklung der Gesellschaft zeigt (wie oben: 2007 bis 2012 anstatt z.B. 1990 bis 2012). Politiker

und Leiter einflussreicher Organisationen wie des Zentralrats der Juden in Deutschland

bezeichneten Sarrazin als Populist und Rechtsextremist. Dabei war sein Buch vielleicht ein

Sprachrohr für die selten publik gemachten Meinungen größerer Bevölkerungsschichten. Sarrazin

lobtin seinem Buch zum Teil die Erfolge der Migrationsgeschichte Deutschlands mit Beispielen gut

ausgebildeter Inder und Vietnamesen, benutzt das Buch jedoch um zumeist eine Kritik an der

Einwanderung muslimischer Migranten zu üben.129 Das Negativbeispiel Thilo Sarrazins zeigt, wie

wichtig es ist, vorsichtig mit kollektiven Erinnerungen wie dem Völkermord an Armeniern

umzugehen. Abzuwarten bleibt, auf welcher Art und Weise Thilo Sarrazins debattenauslösendes

Buch Eingang ins kulturelle Gedächtnis finden wird. Zwar sind Sarrazins Meinungen in Form eines

Buches Teil der Schriftkultur, die normalerweise einen Anteil an der Ausbildung des kulturellen

Gedächtnisses hat, aber sie sind vor allem höchst persönliche Ansichten, die heute eher dem

kommunikativen Gedächtnis zugeordnet werden können.

!
Im nächsten Teil dieses Kapitels werde ich die Meinungen und Erinnerungen an der

Arbeitszuwanderung nach Deutschland im Laufe des Wirtschaftswunders bis in die 1970er Jahren

untersuchen. Hier wird einen Überblick über die Bedingungen gegeben, unter denen das türkische

Assoziierungsabkommen zur EWG 1963 bzw. das Anwerbeabkommen mit der Bundesrepublik

1961 unterzeichnet wurde, sowie eine Erläuterung von den durch die Einwanderung türkischer

Gastarbeiter verursachten Sorgen in der Politik. Darüber hinaus erkläre ich, wie die Erinnerungen an

die Gastarbeiter-Ära in Deutschland durch die Medien, von Menschen und Organisationen - vor

129GOODHART, David: The challenge to German liberalism. Thilo Sarrazin: are Muslims really lowering the
intelligence of German society?, in: Prospect Magazine, 17.11.2010, online zugreifbar unter: http://
www.prospectmagazine.co.uk/magazine/thilo-sarrazin-germany-immigration-multiculturalism-review/
#.U0HC1K1dW_c, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!61

allem dem Kölner Dokumentationszentrum und Museum über die Migration nach Deutschland e.V.

- dargestellt und wach gehalten werden.

!
4.2. Erinnerungen an die Arbeitsmigration aus der Türkei in den 1960er und -70er Jahren

Schon in den späten 1950er Jahren knüpften die Türkei und die BRD ein Gespräch über ein

mögliches Anwerbeabkommen an. Am 31. Juli 1959 beantragte die Türkei ihre Assoziierung mit der

EWG. Die ersten Vorbesprechungen fanden im folgenden September und Dezember statt. Zu der

Zeit hatte auch Griechenland eine Assoziierung beantragt (und im März 1960 ein

Anwerbeabkommen mit der westdeutschen Regierung abgeschlossen). In den Vorbesprechung einer

türkischen Assoziierung mit der EWG wurde den Wirtschaftszustand beider Staaten verglichen und

daher festgestellt, dass die türkische Wirtschaft überwiegend (bis zu achtzig Prozent) aus

landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestand. Für die Industrialisierung marginalisierter

Wirtschaftsbranchen wurde als Teil des Assoziierungsschemas eine Finanzhilfe sowie ein eventuelle

Mitgliedschaft in der Europäischen Zollunion geplant.130 Am 12. September 1963 trat die Türkei in

eine offizielle Assoziation mit der EWG ein. In dem in Ankara unterzeichneten Abkommen wurde

„durch einen beschleunigten wirtschaftlichen Fortschritt und durch eine harmonische Erweiterung

des Handelsverkehrs die stetige Besserung der Lebensbedingungen in der Türkei‟ vorgesehen.131

!
Am 30. Oktober 1961, einem entscheidenden Tag für die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik,

unterzeichneten türkische und westdeutsche Delegierte ein Anwerbeabkommen für die Vermittlung

130EUROPÄISCHE WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT KOMMISSION: Vermerk über die Aufnahme von


Verhandlungen mit der Türkei über den Abschluss eines Assoiziierungsabkommens. Brüssel, 4. April 1960. PA AA B85,
Bd. 58.
131RAT DER EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT: Abkommen zur Gründung einer Assoziation
zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Türkei. Amtsblatt Nr. 217 vom 29/12/1964. S.
3687 - 3688. Online zugreifbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:
21964A1229(01):DE:HTML, letzter Zugriff am 26.01.2014.
!62

türkischer Arbeitnehmer in die BRD. Geplant war ein Aufenthalt von maximal zwei Jahren pro

Arbeitnehmer mit zwingender Rückkehr nach dem Ablauf des Arbeitsvertrags (Rotationsprinzip).

Die Reisekosten von Istanbul nach Deutschland wurden von der Bundesanstalt für

Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vorgelegt. Den Arbeitnehmern wurde „derselbe

Lohn wie einem vergleichbaren deutschen Arbeiter‟ inklusive Überstunden, Nach-, Sonntags-, und

Feiertagsarbeit und das Recht auf bezahlten Urlaub gewährleistet.132 Das Programm der

ausländischen Gastarbeit dauerte bis zum November 1973 bis zur durch den Jom-Koppur-Krieg

ausgelösten Energiekrise im Herbst 1973. Am 23. November forderte der Bundesminister für Arbeit

und Sozialordnung, Walter Arendt, den Anwerbestopp, denn es war anlässlich der Ölkrise „nicht

vertretbar, gegenwärtig weitere ausländische Arbeitnehmer über die Auslandsdienststellen [...] zu

vermitteln‟.133 Infolge des Anwerbestopps holten viele Arbeitnehmer Familienmitglieder, die bislang

in der Türkei zurückgeblieben waren, nach.

!
Die Einwanderung von Hundertausenden türkischer „Gastarbeiter‟ und ihrer Familienmitglieder

nach Deutschland stellt den größten demographischen Wandel in der Geschichte der

Bundesrepublik dar. Viele Arbeitnehmer kamen nach Deutschland unter der Bedingung einer

Zwangsrückkehr nach zwei Jahren Anstellung. Da Gastarbeiter in Deutschland besser verdienen

konnten als in ihrer Heimat und Geld für ein gemütlicheres Leben in der Heimat nach dem Ablauf

der Vertragsfrist sparten, war eine erhebliche Zahl dieser Arbeitsmigranten darum bemüht, ihre

Arbeitsverträge zu verlängern und blieb länger als ursprünglich geplant. Schließlich durften sie ihre

132Regelungen der Vermittlung türkischer Arbeitnehmer nach der Bundesrebpublik Deutschland. Deutsch-türkische
Vereinbarung vom 30. Oktober 1961, in: BUNDESMINISTER FÜR ARBEIT UND SOZIALORDNUNG (Hrsg.):
Bundearbeitsblatt, 15. Jg., Nr. 3, 10.02.1962. S. 70-71.
133ARENDT, Walter: Brief vom Bundesminsiter für Arbeit und Sozialordnung (Walter Arendt) an Herrn Präsident der
Bundesanstalt für Arbeit (Josef Stingl) betr.: Ausländische Arbeitnehmer - Vermittlung durch die Auslandsdienststellen
der Bundesanstalt für Arbeit, 23.11.1973. Online zugreifbar unter: http://www.bpb.de/system/files/pdf/
EXVWEA.pdf, letzter Zugriff am 15.03.2014.
!63

Familien mit ihnen nach Deutschland nachholen, da die Familientrennung in der Nachkriegszeit als

tabu galt und gesellschaftlich verpönt war. Dies könnte mit den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs

zusammenhängen.

!
Auch auf türkischer Seite spielte die Arbeitsmigration nach Deutschland demographisch eine

wesentliche Rolle. In einer „Studie über die Lage und Probleme der türkischen Gastarbeiter in der

Bundesrepublik Deutschland‟ bemerkte das Staatliche Planungsamt der Türkischen Republik:

!
„Im Jahre 1960 waren 2.700 Türken als Gastarbeiter in Westdeutschland beschäftigt.

Schon im Juni 1964 erhöhte sich die Zahl der türkischen Arbeiter in der

Bundesrepublik Deutschland auf 65.000. Es darf behauptet werden, dass im Laufe

der ganzen türkischen Geschichte nie eine so grosse Zahl von türkischen

Staatsbürgern in solch einem Ausmass permanenten Unterhalt in einem ihnen

kulturell und religiös völlig fremden Milieu gesucht haben, abgesehen von

Eroberungszügen und bestimmten Siedlungsplänen früherer Zeiten. Man vermutet,

dass in einigen Jahren 500.000 Türken in Deutschland beschäftigt sein werden‟.134

!
Am Ende kamen 648.029 türkische Arbeitnehmer und -nehmerinnen nach Deutschland, um

möglichst viel Geld für ihre Familien und ein künftig bequemeres Leben in der Türkei zu

verdienen.135

STAATLICHES PLANUNGSAMT (TÜRKISCHE REPUBLIK): Studie über die Lage und Probleme der türkischen
134

Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland. Ankara, Juli 1964. PA AA B26, Bd. 324.

CUNTZ, Eckart: „50 Jahre deutsch-türkische Anwerbevereinbarung - eine Erfolgsgeschichte‟. In: KONRAD-
135

ADENAUER-STIFTUNG (Hrsg.): 50 Jahre türkische Migration nach Deutschland: Geschichte, Gegenwart und
Zukunft der deutsch-türkischen Beziehungen. KAS : Ankara, 2011. S. 8. Online zugreifbar unter: http://www.kas.de/
wf/doc/kas_31811-1522-1-30.pdf ?120808132330, letzter Zugriff am 26.01.2014. Siehe Anhang 4: Entwicklung der
Arbeitsmigration nach Deutschland 1962 - 2008.
!64

Regierung

Akteure der deutschen Bundesregierung begrüßten das Anwerbeankommen und lobten die „wegen

Arbeitsamkeit und Verträglichkeit geschätzt[en]‟ Türken.136 Einem im Jahre 1962 vorgelegten

„Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in der

Bundesrepublik‟ zufolge konnte „das Verhältnis ausländischer Arbeitnehmer zu ihren deutschen

Arbeitskollegen [...] im allgemeinen als gut bezeichnet werden‟.137 Auch von türkischer Seite wurde

das Verhältnis zwischen Türken und Deutschen als positiv eingeschätzt. Das türkische Staatliche

Planungsamt bemerkte Folgendes: „Mehr als die Hälfte der türkischen Arbeiter (55%) arbeitet in

Werkhallen mit 200 - 1000 Arbeitern. Trotzdem bezeichnen zwei Drittel der Arbeiter ihren

Arbeitsplatz als angenehm. [...] Vier Fünftel der Arbeiter (81%) bezeichnen ihre Vorgesetzten als

gerechte, gebildete und gutherzige Menschen, die in jeder Beziehung vorbildlich sind, die

Arbeiterrechte verteidigen und den Türken gegenüber besondere Rücksicht nehmen‟.138

!
Andererseits bemerkten manche Politiker negative Entwicklungen schon am Anfang des

Anwerbeprogramms. Oft beklagt wurde die mangelnde Anpassung türkischer Arbeitskräfte an den

deutschen Lebensstil sowie die illegale Einwanderung bzw. Beschäftigung türkischer Arbeiter, was

auch in den gegenwärtigen Diskussionen zum türkischen Beitritt zur Europäischen Union

thematisiert wird. Die im Jahre 1964 veröffentlichte Studie des türkischen Staatlichen Planungsamts

Gesprächsvorschlag für den Herrn Bundespräsidenten: Türkische Arbeitnehmer in Deutschland. Bonn, 15.09.1970.
136

PA AA B26, Bd. 464.


137DEUTSCHER BUNDESTAG: Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in
der Bundesrepublik. BT-Drucks. IV/859, Berlin, 21.12.1962.
138 STAATLICHES PLANUNGSAMT (TÜRKISCHE REPUBLIK): Studie. PA AA B26, Bd. 324.
!65

erklärte, dass ca. 77% der befragten Arbeiter „überhaupt keinen Kontakt mit einem Deutschen oder

einer deutschen Familie‟ pflegten.139

!
Am 17. April 1970 wurde in der Plenarsitzung des Bundestages die Frage gestellt, welche Position

die Bundesregierung zu illegaln „Leiharbeitern‟, die ohne Arbeitsgenehmigung als Touristen in

Deutschland einreisten. Die unabschätzbare Größe des „grauen Gastarbeitermarktes‟ ließ laut

Helmut Rohde, dem damaligen Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit

und Sozialordnung, die Straftaten „von skrupelosen Geschäftemachern [...] besonders schwer [...]

erfassen‟.140 Nichtsdestotrotz versuchte das Parlament durch hohe Geldstrafen und Freiheitstrafen

von bis zu einem Jahr „die illegale Einreise von Gastarbeitern [...] zu unterbinden. [...] Weil in diesen

Fällen anzunehmen ist, daß der Täter aus Gewinnsucht handelt, kann die Geldstrafe bis zu einem

Betrag von 100 000 DM verhängt werden. In jedem Fall soll die Geldstrafe den Gewinn [...]

übersteigen‟.141 Da die unerlaubten und ungemeldeten Arbeiter keinen Anspruch auf soziale

Sicherung und Krankenpflege genießen konnten, wollten die Abgeordeneten versuchen, „den

betroffenen Leiharbeitern zu ihren elementarsten Menschenrechten zu verhelfen‟.142

!
Auch in den diplomatischen Beziehungen zwischen der BRD und der Türkei kam es in den frühen

1970er Jahren öfter zu Gesprächen über die illegale Einwanderung und Beschäftigung von

türkischen Staatsbürgern. Bei einem Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten Cevdet Sunay

vom 19. bis zum 23. Oktober 1970 wurden die Fragen der Abschaffung von Geldbußen gegen aus

139 Vgl. ebd.


140DEUTSCHER BUNDESTAG: Stenographischer Bericht, 44. Sitzung. Plenarprotokoll 6/44. Bonn, 17.04.1970. S.
2235 C-D.
141 Vgl. ebd. S. 2236 A.
142 Vgl. ebd. S. 2235 C.
!66

Deutschland ausreisende Türken und die Legalisierung illegaler Einwanderer aus der Türkei

diskutiert.143 Einem Bericht für das Referat V 6 vom 10. November 1970 zufolge habe „das

Gespräch zwischen Präsident Sunay und dem Herrn Bundeskanzler [Willy Brandt] [...] in der Tat

einen wichtigen Anstoß zur Lösung des Problems gegeben‟.144

!
In der Innenpolitik kam es zu einem Streit zwischen dem Bundesministerium des Innern (BMI) und

dem Auswärtigen Amt in Bezug auf die Abschiebung illegaler Einwanderer. In einem Briefwechsel

im Winter 1970-71 wurden Meinungsvorschläge zum Thema Härtefällen bei illegalen Einreisenden

häufiger von beiden Seiten abgelehnt. Am 26. Januar 1971 wurde die folgende Formel

vorgeschlagen:

!
„Die Bundesregierung empfiehlt den Landesregierungen, von der Abschiebung

bisher illegal eingereister ausländischer Arbeitnehmer für einen Zeitraum, der für

eine Vermeidung eventueller Härten erforderlich ist, abzusehen, soweit nicht andere

Gründe als die illegale Einreise dem entgegenstehen‟.145

!
Die Formel sollte „künftig vor allem außenpolitisch höchst unerwünschte spektakuläre

Massenabschiebungen entdeckter Illegaler [...] vermeiden‟.146 Einem Bericht vom 09. Februar 1971

143BUNDESMINISTERIUM DES AUSWÄRTIGEN: Betr.: Illegale türkische Arbeitnehmer in Deutschland; hier:


Beantwortung eines Aide-mémoire vom 29. April 1970 der Türkischen Botschaft. Bonn, 23.09.1970. PA AA B26, Bd.
464.
144BUNDESMINISTERIUM DES AUSWÄRTIGEN: An das Referat V 6. Betr.: Amnestie für illegale in die BRD
eingereiste türkische Gastarbeiter. Bonn, 10.11.1970.. PA AA B26, Bd. 464.

BUNDESMINISTERIUM DES AUSWÄRTIGEN: An das Referat IA 4. Betr.: Legalisierung illegal in das


145

Bundesgebiet eingereister türkischer Arbeitnehmer; hier: Sachstand. 26.01.1971. Bonn. PA AA B26, Bd. 464.
146 Vgl. ebd.
!67

nach fand sie bei den Innenministern der Länder keine Zustimmung.147 Zwei Jahre später, am 23.

November 1973, wurde der Anwerbestopp beschlossen. Die Gastarbeitermigration hat zu

tiefgreifenden Veränderungen sowohl auf gesellschaftlicher als auch politischer Ebene geführt,

deren Auswirkungen bis in die heutige Gegenwart hineinwirken.

!
Medien

Im Jahre 2011 wurde fünfzig Jahre türkische Migration nach Deutschland in den Medien ausgiebig

behandelt und gefeiert. Zum Jubiläum veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen lobenden Artikel

über die Beiträge der Arbeitseinwanderung aus der Türkei zur deutschen Gesellschaft: „Heute gibt

es deutsche Politiker, die Evrim Baba, Mustafa Kara, Eran Toprak oder Nesrin Yilmaz heißen, es

gibt eine Sozialministerin Aygül Özkan in Niedersachsen, eine Integrationsministerin Bilkay Öney in

Baden-Württemberg und einen Parteivorsitzenden namens Özdemir‟.148 Zusätzlich ruft in seinem

Artikel Heribert Prantl die Schwierigkeiten im Prozess der Akzeptanz und der allmählichen

Integration der Türken in die deutsche Gesellschaft, darunter Erinnerungen an den Solinger

Hausbrand im Jahre 1993, hervor. Er schreibt aber, dass sowohl die Türkei als auch Deutschland im

Laufe ihrer geteilten Wirtschaftsgeschichte sich in neue Länder entwickelt haben:

!
„Aus dem Entwicklungsland Türkei ist ein Industriestaat geworden und aus der

Bundesrepublik ein wiedervereinigtes Land, das noch eine zweite deutsche Einheit

147BUNDESMINISTERIUM DES AUSWÄRTIGEN: Vermerk. Betr: „Legalisierung‟ der illegalen türkischen


Arbeitnehmer; hier: Ergebnis der Besprechung der turnusmässigen Besprechungen zwischen dem Bundesminister des
Innern und den Innenministern der Länder - Unterrichtung der Botschaft Ankara. Bonn, 09.02.1971. PA AA B26, Bd.
464.
148PRANTL, Heribert: 50 Jahre türkische Gastarbeiter in Deutschland. Almanya, das neue Deutschland, in: Süddeutsche
Zeitung, 28.10.2011, online zugreifbar unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/jahre-tuerkische-gastarbeiter-in-
deutschland-almanya-das-neue-deutschland-1.1170507, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!68

schaffen muss: die Vereinigung von Bürgern deutscher und ausländischer Herkunft

ohne Abwertung der Neubürger, die sich in Ausdrücken wie ,Papierdeutscher‛ zeigt.

!
„Diese zweite Einheit ist nicht nur eine Sache von Gesetzen und sehr viel mehr als

die Addition aller Dönerbuden in den Fußgängerzonen. Integration ist ein

demokratisches Miteinander: Gemeinsame Zukunft miteinander gestalten‟.149

!
Tobias Stephan schrieb in Der Zeit zum 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens über die Entwicklung

der Migrationsgeschichte zum Teil des deutschen kollektiven Gedächtnisses. In seinem Artikel „50

Jahre geteilte Erinnerung‟ bemerkt er, dass es in Deutschland nach fünfzig Jahren türkische

Einwanderung kein einziges Museum zur Migration nach Deutschland gibt, sondern zwei Museen,

in Hamburg und in Bremerhaven, über die deutsche Emigration im 19. und 20. Jahrhundert. Er

kritisiert auch die Tatsache, dass es „kein zentrales Mahnmal [gibt], das an die fünf Toten von

Solingen erinnert, sondern nur ein Behelfslösung fernab vom Stadtzentrum‟.150 Das Bild des

millionsten Gastarbeiters Armando Rodrigues de Sá wird überall gedruckt, aber keine Bilder von

deutsch-türkischen Fussballfans bei der WM 2006 stehen in den Schulbüchern. Stephan meint, „Der

Nationalstaat hat hier Teile der christlichen Gedenkkultur übernommen und erkennt mit ihr eine

Lebensleistung als besonders beispielhaft an. Wer durch öffentliches Gedenken dem Vergessen

entrissen wird, wird zudem Teil des Selbstverständnisses einer Gesellschaft. Umgekehrt gilt: Wer

nicht dazugehört, dem wird auch nicht gedacht. Für Gäste gilt diese Gedenkkultur also in der Regel

149 Vgl. ebd.


150 STEPHAN, Tobias: 50 Jahre türkische Einwanderer. 50 Jahre geteilte Erinnerung, in: Die Zeit, 30.10.2011, online
zugreifbar unter: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2011-10/erinnerung-einwanderung/komplettansicht,
letzter Zugriff am 06.04.2014.
!69

nicht‟.151 Aber schließlich findet man die Gastarbeitergeschichte im Kulturbetrieb der Künstler und

Dichter mit Migrationshintergrund, wie z.B. Emine Sevgi Özdamar, Franco Biondi oder Feridun

Zaimoğlu. Egal wie positiv oder negativ die Hauptfiguren deren Werke dargestellt werden schreibt

Stephan: „[...] der Anfang ist gemacht: Es wird an einer gemeinsamen Erinnerung zur türkischen

Einwanderung gearbeitet‟.152 Hiermit ist m.E. gemeint, dass Bücher und Dramen eine wichtigere

Rolle in der Aufarbeitung der Migrationsgeschichte Deutschland spielen als einfaches Reden, denn

als Erinnerungsvermittler tragen Texte (auch fiktive) in längerer Sicht und generationsübergreifend

dem zugänglicheren kulturellen Gedächtnis die Erinnerungen an einer wichtigen Periode in der

neueren deutschen Geschichte bei.

!
Aber die in den Medien geprägten Erinnerungen an die Migration sind und waren zur Zeit der

Arbeitseinwanderung nicht einig. Während und kurz nach der Zeit der türkischen Arbeitsmigration

nach Deutschland schilderten zeitgenössische Nachrichten die Situation der Gastarbeiter sowohl aus

deutscher als auch türkischer Perspektive mit Skepsis. Im August 1972, ein Jahr vor dem

Anwerbestopp in Deutschland, veröffentlichte die türkische Tageszeitung Tercüman den Artikel „Oh

gottloser Deutscher!‟, in dem über die Lebensverhältnisse türkischer Gastarbeiter in Holland

berichtet wurde. Der Autor Ahmet Kabaklı schreibt:

!
„Ich kenne das holländische Volk etwas. Es gehört unter die besten der Europäer.

[...] Heute noch wandern in ihrem mit Windmühlen geschmückten, mit Tulpen und

Rosen verzierten Land, Kühe mit segnendem Spruch auf dem Kopf. Die Fabriken

und Werke sind in diesem nebeligen, regnerischen Naturland so getarnt und mit

151 Vgl. ebd.


152 Vgl. ebd.
!70

Grün überdeckt, daß man nicht unterscheiden kann, ob man sich in einer Stadt, in

Gärten oder in künstlichen Einrichtungen befindet. [...]

!
Am Anfang des Artikels werden die Holländer von Kabaklı vor allem wegen der Schönheit ihres

Landes und ihres Fleißes gelobt. Aber schließlich fängt der Autor eine Kritik an dem Verhältnis

zwischen den niederländischen Gastgebern und ihren türkischen Gastarbeitern an. Er bemerkt (mit

Übertreibung), wie schlecht die Türken in Holland empfangen werden:

!
„Wir sehen in diesen Tagen, daß diese anspruchslosen, sich um ihre Arbeit

kümmernden, gemütlichen, traditionsbewußten Wurst- und Milchwarenerzeuger

plötzlich zum Untier werden. Unseren türkischen Brüdern, die in ihrem Land Gast

und Arbeiter sind, hauen sie ihre Häuser kaputt, zu Vierziger- und Fünfzigergruppen

versuchen sie, sie zu lynchen. Erstaunlich! Nicht wahr? Kann man sich z.B. bei uns

solch eine Barbarei gegen eine bei uns zu Gast gewordene Minderheit vorstellen?‟153

!
Kabaklı gibt als Gründe für die „Barbarei‟ der verallgemeinerten Europäer ihre „Eigennützlichkeit

und religiöse Sturheit‟.154 Er wirft den Holländern vor, „die Häuser der Türken zerstört, die Kinder

gehauen und gesteinigt und die Türken aus der Stadt gejagt‟ zu haben.155 Seine Argumentation

beruht auf eine antiimperialistische Weltanschauung, die gegenüber dem romantischen Begriff

„Europäer‟ skeptisch verhält. Er kritisiert mithilfe der vagen Erinnerung an die Kreuzzüge vor

einem Jahrtausend: „Als diese Leute [also die Europäer] sich nur um ihren eigenen Chauvinismus,

KABAKLI, Ahmet: Oh gottloser Deutscher!, in: Tercüman, 17.08.1972, übersetzt von der Botschaft der
153

Bundesrepublik Deutschland in Ankara am 25.08.1972. PA AA B26, Nr. 485.


154 Vgl. ebd.
155 Vgl. ebd.
!71

ihr Christentum und ihre Vorteile kümmerten, galt man bei uns als ,Reaktionär‛, wenn man an

gleichen Werten hing‟.156 Der Artikel sorgte für Aufregung vor allem in Rotterdam, wo türkische

Arbeitnehmer laut einem Drahtbericht des Auswärtigen Amtes mit Holländern in Schlägereien

geraten seien. Ein Bericht vom Treffen mit Abdi İpekçi, dem Chefkommentator der türkischen

Tageszeitung Milliyet an der deutschen Botschaft in Ankara erklärt, dass Milliyet die Bildung „unter

tuerk. arbeitern in brd [von] ,hilfskommandos‛ zur verteidigung ihrer landesleute in holland‟

berichtet.157 Weiter im Bericht steht, dass İpekçi die Beziehungen zwischen Deutschen und den

türkischen Arbeitern für friedlich hielt: „ipekci [der Kommentator] meint, auslaendische arbeiter

wuerden in grossen laendern wie brd und frankreich leichter assimiliert als in kleinen gesellschaften

wie holland und schweiz‟.158

!
Wichtig zu bemerken ist, dass auch heute deutsche Einwohner mit türkischem Familienhintergrund

weniger deutschsprachige Medien konsumieren als ihre deutschen Mitbürger. Eine Studie des

Meinungsforschungsinstitut Emnid zufolge schauen sich häufiger 14- bis 29-Jährigen

türkischsprachige Fernsehprogramme (90% der Befragten) als deutschsprachige (nur 70%)

mehrmals in der Woche an. Diese Vorliebe für türkischsprachige Medien ist dazu

generationsübergreifend: „Die Nutzung türkischsprachiger Fernsehangebote stellt somit weiterhin

über alle Altersklassen eine der Hauptverbindungen zu den Wurzeln in die Türkei dar. Das darüber

hinaus auch sehr umfangreiche Angebot empfangbarer türkischer Fernsehsender bildet somit

156 Vgl. ebd.


157BOTSCHAFT DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND IN ANKARA: nr 814 vom 17.8.1972, betr: heftige
tuerkische reaktionen auf meldungen ueber ausschreitungen hollaendischer bevoelkerung gegen tuerk. gastarbeiter in
rotterdam, 17.08.1972. PA AA B26 Nr. 465.
158 Vgl. ebd.
!72

insgesamt einen kulturellen Identitätsfaktor für alle Altersgruppen‟.159 Auch in den Printmedien

wird weniger von türkisch-stämmigen Einwohnern als Deutsche konsumiert, aber „die 14- bis 29-

Jährigen [lesen dabei] überwiegend deutschsprachige Tageszeitungen, während die älteren Jahrgänge

türkischsprachige Printerzeugnisse bevorzugen‟.160 Diese Neigungen heben die kontinuierliche

Wichtigkeit türkischsprachiger Medien, die auch zumeist in der Türkei hergestellt werden, für

Mitbürger mit türkischen Wurzeln hervor. Daraus folgt, dass das Deutschlandbild, das dem

türkischsprachigen Publikum in Deutschland eingeschärft wird, sich von dem in deutschen Medien

vorgestellten Bild des Landes (deutlich) unterscheiden mag. Die türkischen Gastarbeiter in den

1960er und 1970er Jahren hatten durch die Perspektive der türkischen Medien eine andere

Vorstellung ihrer deutschen Nachbarn bekommen, wie oben gezeigt.

!
Auch in der Bundesrepublik wurde die Arbeitmigration mit wachsenden Skepsis betrachtet. Im Juli

1976 wurden Spiegel-Leser in dem Artikel „Gastarbeiter - unannehmbar, untragbar‟ vor einer

„Invasion der Bundesrepublik‟ von weiteren türkischen Arbeitern gewarnt, nach einer geplanten

Lockerung von Migrationsgesetzen für aus der Türkei Einwanderer in die EG am 1. Dezember

später in dem Jahr.161 Der Autor wirft den türkischen Einwanderern in dem Text vor, dass sie als

„anatolische Invasoren‟ einen „Einmarsch‟ schon drei Jahre nach dem Anwerbestopp planen. Diese

Behauptung beruht auf der mythologischen Türkenfurcht, eine ferne Erinnerung, die über den

Rahmen des kollektiven Gedächtnisses hinausgeht. Weiter wird den Plan der EG-Kommission,

Familiennachzüge in die Mitgliedsstaaten und einer Gleichstellung türkischer Arbeitssuchenden mit

den europäischen Fachkräften zu erlauben, kritisiert. Auch die Beamten in Bonn sollen ablehnend

159TNS EMNID: Deutlich geringere Mediennutzung bei türkischen Mitbürgern, 03.02.2010, online zugreifbar unter:
http://www.tns-emnid.com/presse/presseinformation.asp?prID=839, letzter Zugriff am 06.04.2014.
160 Vgl. ebd.
161 o.A.: Gastarbeiter. Unannehmbar, untragbar, in: Der Spiegel, 19.07.1976, S. 27-28.
!73

auf die Entwürfe des Ministerrats reagiert haben und eine Aufrechterhaltung des Anwerbestopps

bevorzugen.162

!
Menschen

Ob die Deutschen die Migration türkischer Familienmitglieder und Arbeiter nach dem

Anwerbestopp 1973 genau so ansahen wie die Medien ist umstritten, vermutlich wird keine

gemeinsame Betrachtungsweise der Gastarbeiter-Ära unten allen Deutschen geteilt. Am Anfang der

Arbeitseinwanderung galten Türken in manchen Bundesländern noch als exotisch, denn es gab im

Jahre 1961 z.B. weniger als tausend türkische Gastarbeiter in Rheinland-Pfalz.163 Die Arbeiter

wurden als notwendig angesehen, um das Wirtschaftswunder der 1960er Jahren weiterzuführen. Ihre

türkischen Gäste sahen die Deutschen als anpassungsfähig, und sie tolerierten wie religiöse Feierr,

vor allem, weil „der Islam in seinen religiösen Inhalten wenig bekannt, aber auch nicht negativ belegt

[war], sondern eher als ein anderer Glaube an den einen Gott gesehen [wurde]‟.164 Diese Toleranz

wurde als positiver Schritt in der Freundschaft zwischen Türken und Deutschland angesehen:

!
„In den nördlichen Seitenschiffen des Doms feierten mehrere hundert

Mohammedaner das Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan. Auf den

Steinfliesen des Kölner Doms wurden die Gebetsteppiche ausgebreitet; das Haupt

gen Mekka geneigt, sprachen die Türken ihre Gebete. Ein Imam leitete den

Gottesdienst im Schatten der christlichen Kreuze und Symbole, der Altäre und

Statuen. [...]

162 Vgl. ebd.


163MINISTERIUM FÜR INTEGRATION, FAMILIE, KINDER, JUGEND UND FRAUEN RHEINLAND-PFALZ:
Die Türken in der öffentlichen Wahrnehumung, online zugreifbar unter: http://lebenswege.rlp.de/sonderausstellungen/
50-jahre-anwerbeabkommen-deutschland-tuerkei/die-tuerken-in-der-oeffentlichen-wahrnehmung/, letzter Zugriff am
06.04.2014.
164 Zitiert von: ebd.
!74

„Während der Debatten des [II. Vatikanischen] Konzils verwandelten sich dann die

Mohammedaner, gegen die jahrhundertelang Kreuzzüge geführt worden waren, in

anerkannte Gläubige, „die einen einzigen persönlichen Gott anbeten und die durch

religiösen Sinn und zahlreiche Beziehungen menschlicher Kultur uns nahestehen‟.165

!
Hier wird nochmal die Erinnerung an die Kreuzzüge vom 11. bis zum 13. Jahrhundert betont, wie

im kontroversen Tercüman-Artikel von Ahmet Kabakli. Aber während das Beten u.a. im Kölner Dom

toleriert wurde, wurden in manchen Ecken Türken als unerwünscht angesehen. Im Jahre 1965

berichtete Die Zeit, dass einige Kneipen und Lokale in und um Köln Hausverbote für türkische

Gastarbeiter verhängt hatten. Ein türkischer Arbeiter wird zitiert, „Man versucht, uns Türken den

Schwarzen Peter zuzuschieben.“166 Er spricht aber auch das Thema türkische Kriminalität in

Deutschland an: „Natürlich gibt es auch bei uns Verbrecher, aber wir Türken fühlen uns hier von

Vorurteilen umgeben. Sprachschwierigkeiten und das Großstadtklima tun ein übriges“.167 Dazu

ergänzt er, dass die Kriminalität in Ausländerghettos in den Vororten der Stadt entsteht, was zu

einem Teufelskreis von Verbrechen, Überfremdung und Isolierung führt.168 Erst mit der

Entwicklung dieser „Gastarbeiterghettos“ in heruntergekommenen Vierteln reagierte die deutsche

Öffentlichkeit gegen die schlechten Lebensverhältnisse und -gewohnheiten der Arbeitsmigranten.

Das rheinland-pfälzische Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen berichtet:

„Konkurrenzdenken und Überfremdungsängste rückten überall in den Vordergrund und schufen so

den Nährboden für eine wachsende Ablehnung von Ausländerinnen und Ausländern, die sich vor

165o.A.: Muselmanen beten im Kölner Dom. Aber in Kölner Lokalen sind Türken unerwünscht, in: Die Zeit, 12.02.1965,
online zugreifbar unter: http://www.zeit.de/1965/07/muselmanen-beten-im-koelner-dom/komplettansicht, letzter
Zugriff am 06.04.2014.
166 Zitiert von: ebd.
167 Zitiert von: ebd.
168 Vgl. ebd.
!75

allem gegen die türkische Bevölkerung als größte Migrantengruppe, richtete. Sie wurden zunehmend

als Problem wahrgenommen, [...]“.169

!
So ein negatives Bild des Lebens in Deutschland empfand nicht alle ausländischen Arbeiter. Viele

ehemalige türkische Gastarbeiter würden vermutlich mit der damals in den türkischen Medien

vorgestellten Ansicht zu den Lebensbedingungen der Gastarbeiter nicht übereinstimmen. Das im

Jahre 2006 von Paola Fabbri Lipsch und Beatrice Ploch herausgegebene Buch Vom Weggehen und

Ankommen: Ehemalige Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in Neu-Isenburg sammelt die Geschichten vieler

damals im hessischen Neu-Isenburg lebenden Gastarbeiter. Der türkische Gastarbeiter Sadi Cındık

erinnert sich in dem Buch an seine Zeit bei der Firma Holzmann. Geboren im Jahre 1934 in einem

Dorf entlang der Schwarzmeerküste, kam Cındık im Alter von 30 Jahren nach Deutschland. Damals

war er schon verheiratet und hatte eine eigene Familie. Ihm wurde von seinem Schwiegervater die

Einreise der Familie nach Deutschland nicht gestattet: „Sohn, du gehst allein hin! Dort kannst du

keine Kinder großziehen, weil die Mentalität anders ist‟.170 Nur nach dem Tod seines

Schwiegervaters konnte er 1971 seine Frau und Kinder mit nach Neu-Isenburg bringen. Vor der

Ankunft seiner Familie sparte Cındık möglichst viel Geld und schickte es immer zurück in die

Türkei. Um einen Freundeskreis um ihn zu entwickeln, traf er mit anderen Gastarbeitern „im Hof

der Druckerei der Frankfurter Rundschau‟ in Neu-Isenburg.171 Nachdem seine Familie nach

Deutschland emigrierte musste Cındık den Verlust seiner 7-jährigen Tochter durch Ertrinken

erfahren. Zur Reaktion seiner Mitarbeiter schreibt er: „Ich werde nie vergessen, wie verständnisvoll

mein Chef damals war. In den drei Wochen, in denen ich abwesend war, hat er an meiner Stelle

MINISTERIUM FÜR INTEGRATION, FAMILIE, KINDER, JUGEND UND FRAUEN RHEINLAND-PFALZ:


169

Die Türken in der öffentlichen Wahrnehumung.

LIPSCH, Paola Fabbri; PLOCH, Beatrice (Hrsg.): Vom Weggehen und Ankommen: Ehemalige Gastarbeiterinnen und
170

Gastarbeiter in Neu-Isenburg. 1. Aufl. Neu-Isenburg : Arbeitskreis »Zuwanderung und Lokalgeschichte«, 2006, S. 61-62.
171 Vgl. ebd. S. 63.
!76

gearbeitet, mir aber das Gehalt gelassen. Das war für mich ein Zeichen großer Freundlichkeit‟.172

Später engagierte sich Cındık politischund wurde zum türkischen Vertreter in der

Ausländerkommission in den 1970er Jahren gewählt. Im Jahre 1981 gründete er einen „Türkisch-

Deutschen Kulturverein‟, der nach zwei Jahren seine Aktivitäten aufgrund des Verlusts des Raums

nach dem Umzug des Hauses der Kulturvereine zum ehemaligen Feuerwehrhaus einstellen musste.

Er ging schließlich im Winter 2000 in Rente.173 Über die Verhältnisse zwischen den Deutschen und

den in Deutschland lebenden Türken meint er: „Für die deutsche Gesellschaft sind wir Ausländer

und für die türkische Gesellschaft sind wir ,Almanya Türk‛, Türken aus Deutschland, also ein

bisschen Ausländer. [...] Die Türkei ist für uns jetzt zum Urlaubsland geworden. [...] Unsere Heimat

ist jetzt Deutschland‟.174

!
Ähnlicherweise schreibt Anul Hadiye von ihren zumeist positiven Erfahrungen in Hessen seit ihrer

Ankunft im Jahre 1969. Sie bewarb sich um eine Stelle als Waschfrau bei der Wäscherei Herzog, wo

sie mit deutschen, italienischen und jugoslawischen Kolleginnen für 22 Jahre arbeitete. Sie sagte, sie

arbeitete oft bis in die Nacht um 22 Uhr, weil die Arbeitsplätze in der Wäscherei immer unsicher

waren. Durch technologische Fortschritte in der Waschtechnik und den Kauf neuerer Maschinen

reduzierte die Firma die Zahl ihrer Mitarbeiterinnen im Laufe der 1970er und 1980er Jahre. Hadiye

schreibt: „Am Anfang waren wir ca. 15 Arbeiterinnen, zum Schluss nur noch fünf‟.175 Als sie in

Deutschland ankam wurde ihr erzählt, das jedes Fleisch vom Schwein sei, was sie für ein ganzes Jahr

glaubte. Einmal im Jahre 1970 kochte ihr eine Nachbarin für sie Frikadellen ohne Schweinfleisch,

172 Vgl. ebd.


173 Vgl. ebd. S. 64.
174 Vgl. ebd.
175 Vgl. ebd. S. 85.
!77

wofür sie seitdem schwärmte. Im Laufe der Arbeit entwickelten sich Probleme mit ihren Händen,

und im Jahre 1992 wechselte sie zur Halbarbeit bei einem Optiker. Als sie sich einmal von einem

türkischen Orthopäden behandeln ließ, traf sie andere türkische Frauen, die ihr einem Mann

vorstellten, den sie letztendlich heiratete. Damals war sie im mittleren Alter. Hadiye schreibt: „Es ist

nicht gut, allein alt zu werden‟.176 Nach der Heirat adoptierte sie das Kind ihrer Schwester, die in

ärmlichen Verhältnissen lebte, das mit ihr und ihrem Mann in Deutschland lebte. Noch im Jahre

2006 war sie beim Optiker tätig, aber sie hatte inzwischen genug gespart, um ein Dreifamilienhaus

an der türkischen Küste zu bauen, wo sie den Frühling und den Sommer verbrachte.177

!
Die Beispiele Cındıks und Hadiyes zeigen, inwiefern türkische Gastarbeiter versuchten, sich

gleichzeitig an die deutsche Gesellschaft anzupassen und ihre kulturellen Eigenschaften zu behalten

bzw. Teil der türkischen Gemeinschaft in Deutschland zu bleiben. Dass sie aber nur Gutes an ihre

Mitarbeit mit deutschen Kollegen während ihres Aufenthalts als Gastarbeiter erinnern, ist Zeichen

einer in der Zeit wachsenden Freundschaft auf dem persönlichen Niveau unter Deutschen und

Türken. Dies trägt weiter zum kommunikativen Gedächtnis in Form persönlicher Geschichten und

kurzer Artikel über die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Gastarbeiter bei.

!
Erinnerungen der Gastarbeiter zum kulturellen Gedächtnis wurden vor dem Jahre 2011 in Filmen

von deutsch-türkischen Regisseuren wie Fatih Akın und Aysun Bademsoy bekannt. Diese Filme, u.a.

Akıns Wir haben vergessen zurückzukehren, können als Versuche interpretiert werden, das

Gastarbeiterleben in Deutschland zu archivieren. Mit dem Jubiläum des 50. Jahrestags des

Anwerbeabkommens im Jahre 2011 wurden häufiger Bücher und andere Medien über die

Geschichte der Türken in Deutschland veröffentlicht. Die oben erwähnte Sammlung von

176 Vgl. ebd. S. 86.


177 Vgl. ebd. S. 86-87.
!78

Geschichten von in Neu-Isenburg lebenden Gastarbeiter geht mit anderen Büchern wie z.B. Karin

Hunns »Nächstes Jahr kehren wir zurück ...«: Die Geschichte der türkischen »Gastarbeiter« in der Bundesrepublik

in das kulturelle Gedächtnis ein.178 Jetzt werden persönliche Geschichten und Erinnerungen

gesammelt und archiviert, was ihre Plätze im deutschen kulturellen Gedächtnis verankern wird.

!
Auch die Entdeckung des Skandals um die Terrorzelle des Nationalsozialistischen Untergrunds im

Jahre 2011 sorgte für eine größere Bewusstheit in Deutschland über die Realität des Lebens der

türkischen Mitbürger. Das 2013 veröffentlichte Buch Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an

meinem Vater von Semiya Şimşek beschreibt die Erinnerungen der Tochter des ersten Opfers des

NSU, Enver Şimşek, an ihren Vater und die folgenden elfjährigen Polizeiermittlungen gegen ihre

eigene Familie. Dementsprechend gehört das Buch als Erinnerungsvermittler zum kulturellen

Gedächtnis.

!
Institutionen

Die Erinnerung an die Gastarbeiter-Ära wird in Deutschland bemerkenswerterweise vom Staat

wenig konkretisiert bzw. gefördert. Während in fast jeder Stadt „deutsch-türkische

Freundschaftsvereine‟ existieren,179 versuchen sehr wenige Organisationen, die Debatten um die

Erinnerung an die Arbeitermigration der 1960er und 1970er Jahre einem größeren Publikum zu

178 Weitere Empfehlungen sind u.a.:


• CANER, Beatrik (Hrsg.): Doppelte Heimat: Türkische Migranten berichten. 1. Aufl. Frankfurt am Main : Heinrich &
Hahn, 2008.
• FRANGER, Gaby: Wir haben es uns anders vorgestellt: Türkische Frauen in der Bundesrepublik. 1. Aufl. Frankfurt am
Main : Fischer Taschenbuch Verlag, 1984.
• KUHLMANN, Michael; MEYER, Alwin (Hrsg.): Wo gehören wir hin?: Ayşe und Devrim. 1. Aufl. Bornheim : Lavum
Verlag, 1983.
• SCHÜLERT, Irene: ,,Man nimmt sich, wohin man geht.'': Lebensgeschichten von Migranten in Hamburg. 1. Aufl. Hamburg :
Dölling und Galitz Verlag, 2006.

Beispiele sind u.a.: Deutsch Türkische Freundschafts Föderation, Deutsch-türkischer Freundschaftsverein Bobingen,
179

Deutsch-Türkischer Verein Köln e.V., DTF Herborn e.V., Das Türkisch-Deutsche Zentrum e.V., und die Deutsch-
Türkische Gesellschaft e.v.
!79

präsentieren. Jedoch gibt es wie im letzten Kapitel erwähnt zwei Museen über die Auswanderung aus

Deutschland - das Deutsche Auswandererhaus Bremerhaven und das BallinStadt

Auswanderermuseum in Hamburg - aber keine staatlich gefördeten Museen oder eben Denkmäler,

die sich auf die Einwanderung nach Deutschland während des sogenannten Wirtschaftswunders des

20. Jahrhunderts beziehen.

!
Eine wichtige Ausnahme stellt das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in

Deutschland e.V. (DOMiD) mit Sitz in Köln-Ehrenfeld dar. DOMiD verfügt über eine Bibliothek

mit Hunderten von Büchern, Sammelbänden, Zeitschriften, Protokollheften und literarischen

Werken aus der „Gastarbeiterliteratur‟.180 Hinzu kommt ein weitreichendes digitales Archiv von

Zeitungsartikeln, Bildern und Tondokumenten aus der Zeit der Arbeitsmigration nach Deutschland.

Darüber hinaus besitzt DOMiD eine Objektsammlung von „Gegenstände[n] aus dem Arbeitsalltag,

Einrichtungsgegenstände aus Wohnheimen, Kleidung und Devotionalien [...] neben aus der Heimat

mitgebrachten Erinnerungsstücken‟.181 Das primäre Ziel der Organisation lautet: „Migration als

Normalfall zu vermitteln. Damit soll letztlich das Fundament einer gemeinsamen, transkulturellen

Identität geschaffen werden‟.182

!
„Unser Verein wurde 1990 von vier Migranten gegründet. Sie sorgten sich darum,

dass ihre Geschichte und der positive Beitrag der Einwanderer in der deutschen

Gesellschaft nicht wahrgenommen wurden. Davon, Migranten gar als Teil der

deutschen Geschichte zu betrachten, war die Gesellschaft noch Lichtjahre entfernt.

180 DOMiD: Bibliothek, online zugreifbar unter: http://www.domid.org/de/bibliothek, letzter Zugriff am 29.03.2014.
181DOMiD: Objektsammlung, online zugreifbar unter: http://www.domid.org/de/objektsammlung, letzter Zugriff am
29.03.2014.
182DOMiD: DOMiDs Ziele, online zugreifbar unter: http://www.domid.org/de/domids-ziele, letzter Zugriff am
29.03.2014.
!80

Vielmehr herrschte in diesen Jahren eine fremdenfeindliche Stimmung vor. Die

Namen Solingen, Mölln, Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen erinnern an dieses

dunkle Kapitel. Vor diesem Hintergrund begannen die Vier, Objekte und Zeugnisse

der Einwanderung in die BRD zu sammeln. Ihr Ziel war es von Beginn an, diese

Zeugnisse eines Tages auch in einer Ausstellung zu präsentieren. Damit war die Idee

eines Museums für Migration nach Deutschland geboren‟.183

!
Um dieses Ziel zu verwirklichen, plant DOMiD ein „virtuelles Migrationsmuseum‟, das als

herunterladbares App und im Netz zugreifbar sein wird. Den Hintergrund des Projektes beschreibt

Dr. Robert Fuchs, Projektleiter für das virtuelle Migrationsmuseum, in seinem Blog wie folgt: „[...]

Ein virtuelles Migrationsmuseum ist losgelöst von Raum und Zeit. Die Besucher können den Raum

verlassen und zu anderen virtuellen Orten oder Zeiten gelangen. Zudem lässt sich das Museum von

jedem Ort der Welt betreten. Das baut Hemmschwellen ab‟.184 Ein im Februar 2014 veröffentlichter

Trailer zeigt das Programm, das dem Benutzer Einblicke in neun durch unterschiedliche Gebäude im

Alltag eines Arbeitsmigranten vertretenen Themenbereichen über drei Zeitebene ermöglicht.185 Zum

Beispiel wird das Leben in einer Fabrik in den Jahren 1960, 1980 und 2010 interaktiv und

multimedial dargestellt. Andere Optionen zeigen den Alltag im Supermarkt, in der Schule, am

Bahnhof, im Kino, beim Kiosk und im Wohnhaus. Das App wird erst im Jahre 2015 eingeführt.

!
!
183 FUCHS, Robert: Wieso ein Migrationsmuseum und warum virtuell? - Wie kam es zu der Idee?, in: Virtuelles
Migrationsmuseum, 23.01.2014, online zugreifbar unter: http://virtuelles-migrationsmuseum.org/2014/01/23/idee/,
letzter Zugriff am 29.03.2014.
184 Vgl. ebd.

DOMiD: Trailer, in: Virtuelles Migrationsmuseum, 19.02.2014, online zugreifbar unter: http://virtuelles-
185

migrationsmuseum.org/trailer/, letzter Zugriff am 29.03.2014.


!81

5. Ausblick/Fazit

Das virtuelle Migrationsmuseum ist nur ein Beispiel für die zukünftige Erinnerungskultur. In der

Zukunft werden Erinnerungen auf interaktivere und innovativere Art und Weise gestaltet und an

Folgegenerationen weitergegeben. Neue Technologien und Speichermedien werden die

Erinnerungskultur verändern. Durch die „Überwindung von räumlichen Distanzen‟, argumentiert

Christoph Classen, wird der Zugang zur Erinnerungskultur unmittelbarer.186 Das heißt, dass ein

schnellererer, leichterer und demokratischer Zugang zur Erinnerungskultur möglich wird.

!
In meiner Arbeit habe ich mich mehr mit traditionelleren Manifestationen von Erinnerungen

beschäftigt, u.a. mit Bundestagsprotokollen, Zeitungsartikeln und Büchern, und bin der Frage

nachgegangen, ob und inwiefern Erinnerungen eine Rolle in den gegenwärtigen deutsch-

amerikanischen und deutsch-türkischen Beziehugen spielen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass

sich die Rolle der Erinnerung in bilateralen Beziehungen von Staat zu Staat deutlich unterscheiden

kann. Am Beispiel der deutsch-amerikanischen Beziehungen sehen wir, dass Verbindungen zwischen

den Erinnerungen an die Stasi-Vergangenheit in der DDR und die heutigen Debatten über

Datenschutz und Privatsphäre in Deutschland nicht allzu schwer nachvollziehbar sind. Daraus folgt,

dass die durch die Erinnerung sowohl an die Gestapo in der NS-Zeit als auch an die Arbeit des MfS

während der SED-Diktatur beeinflussten Sorgen um Privatsphäre Auswirkungen auf die

Auseinandersetzung mit der NSA-Ausspähaffäre 2013 haben. Datenschutz und Regulierung des

Internets ist in Deutschland ein wichtiges Thema, wovon aus die Gründung der Parteipartei in Jahre

2006 zeugt. Trotzdem würde ich Bernd Lippmann darin zustimmen, dass die NSA-Affäre eher eine

Medienaffäre war, von der sich einzelne Bürger nicht direkt bedroht sahe. Die Affäre wird meiner

186CLASSEN, Christoph: Medien und Erinnerung, in: Bundeszentrale für politische Bildung, 28.08.2008, online
zugreifbar unter: http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/geschichte-und-erinnerung/39857/medien-und-
erinnerung, letzter Zugriff am 07.04.2014.
!82

Meinung nach keine negativen Auswirkungen für das Weiterführen der TTIP-Verhandlungen haben,

deren schon vierte Runde trotz der NSA-Affäre im März 2014 stattfand.

!
Auf Seite der deutsch-türkischen Beziehungen, und weiterhin des Verhältnisses der EU zur Türkei,

scheinen die Chancen für eine Zukunft der Türkei in Europa zunehmend unwahrscheinlicher. Die

Hoffnungen auf den Beitritt zur EU werden von der Erdoğan-Regierung gefährdet, die im März

2014 ein Verbot der sozialen Netzwerke Twitter und Facebook versuchte. Meine Analyse der Rolle

der Erinnerung in der deutsch-türkischen Beziehung zeigt, dass der Zusammenhang zwischen

Erinnerungen an die Gastarbeiter-Ära und die heutige Politik nicht so eindeutig ist. Zwar wurden im

Laufe der Arbeiterzuwanderung nach Deutschland ab den 1960er Jahren Brücken zwischen

Menschen gebaut, aber zwischen Regierungen eben nicht. Auch Erinnerungen an andere Ereignisse,

wie z.B. an die Türkenbelagerungen vor Wien und den Völkermord an Armeniern im Ersten

Weltkrieg, spielen in der heutigen Außenpolitk eine größere Rolle als die Erinnerungen an die

Gastarbeiter-Ära. Sowohl hatten das Anwerbeabkommen 1961 als auch die EU-

Beitrittsverhandlungen oberflächlich wirtschaftliche Ziele, aber bedeutsamere menschliche Folgen.

Bei dem EU-Beitritt geht es im Vergleich zum Anwerbeabkommen vielmehr um Verteidigungs- und

Kulturpolitisches als rein Wirtschaftliches. Die Folgen einer Aufnahme der Türkei in die EU stellen

für ganz Europa etwas Unvergleichbares in der kulturellen und demografischen Geschichte Europas

dar - und gerade scheint die kontinentale Angst vor Überfremdung stärker als alle wirtschaftlichen

Argumentationen für eine europäische Zukunft der Türkei.


!83

6. Anhänge

6. 1. Anhang 1: Cumulative U.S. Troop Deployments by Country, 1950 - 2000

Quelle: KANE, Tim: Global U.S. Troop Deployment, 1950 - 2003, in: The Heritage Foundation, online zugreifbar unter:
http://www.heritage.org/research/reports/2004/10/global-us-troop-deployment-1950-2003, letzter Zugriff am
02.04.2014.
!
!
!
!
!
!
!
!84

6. 2. Anhang 2: Struktur des Minsteriums für Staatssicherheit zum 01.10.1989

Quelle: FRICKE, Karl Wilhelm: MfS intern. Macht, Strukturen, Auflösung der DDR-Staatssicherheit - Analyse und
Dokumentation, 1. Aufl. Köln : Verlag Wissenschaft und Politik, 1991, S. 26-27.

!
!85

6. 3. Anhang 3: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950


!

!
Quelle: o.A.: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950, 21.02.1950, online zugreifbar unter:
https://www.bundesarchiv.de/findbuecher/sapmo/b_gblddr/mets/50_015/index.htm, letzter Zugriff am 29.03.2014.
!
!86

6. 4. Anhang 4: Entwicklung der Arbeitsmigration nach Deutschland 1962 - 2008

!
Quelle: DAYI, Sema: 50 Jahre Deutsch-türkisches Anwerbeabkommen. Bundeszentrale für politische Bildung : Berlin,
09.2011. Online zugreifbar unter: http://www.bpb.de/system/files/pdf/YIOI3V.pdf, letzter Zugriff am 15.03.2014.
!
!87

7. Quellenverzeichnis
!
Theorie des Gedächtnisses und der Erinnerung
ASSMANN, Aleida: Einführung in die Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Themen,
Fragestellungen. 1. Aufl. Berlin : Erich Schmidt Verlag, 2006.
!
ASSMANN, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. 1.
Aufl. München : C. H. Beck, 1999.
!
ASSMANN, Aleida; FREVERT, Ute: Geschichtsvergessenheit - Geschichtsversessenheit. Vom
Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945. 1. Aufl. Stuttgart : Deutsche Verlags-Anstalt,
1999.
!
CLASSEN, Christoph: Medien und Erinnerung, in: Bundeszentrale für politische Bildung,
28.08.2008, online zugreifbar unter: http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/geschichte-und-
erinnerung/39857/medien-und-erinnerung, letzter Zugriff am 07.04.2014.
!
LANGENBACHER, ERIC; SHAIN, Yossi (Hrsg.). Power and the Past. Collective Memory and
International Relations. 1. Aufl. Washington : Georgetonwn University Press, 2010.
!
Persönliches Gespräch mit Eric Langenbacher, Visiting Assisstant Professor/Director of Honors
Program, Department of Government, Georgetown University, geführt am 21.03.2014 in
Washington, DC, USA.
!
Deutsch-amerikanische Beziehungen
AUSWÄRTIGES AMT: Beziehungen zwischen den USA und Deutschland, 02.2014, online
zugreifbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/
UsaVereinigteStaaten/Bilateral_node.html, letzter Zugriff am 02.04.2014.
!
BAEHR, Vera-Maria; GEHRMANN, Wolfgang; KRUSE, Kuno; SCHWELIEN, Michael: STASI im
Reißwolf, in: Die Zeit, 15.12.1989, online zugreifbar unter: http://www.zeit.de/1989/51/stasi-im-
reisswolf/komplettansicht, letzter Zugriff am 05.04.2014.
!
BStU: Aufgaben, Geschichte und Struktur, online zugreifbar unter: http://www.bstu.bund.de/DE/
BundesbeauftragterUndBehoerde/AufgabenUndStruktur/_node.html, letzter Zugriff am
04.04.2014.
!
BStU: Elfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik für die Jahre 2011
und 2012. 1. Aufl. Berlin : BStU, 2013. S. 13.
!
BStU: Staatssicherheit im Abitur, 24.04.2012, online zugreifbar unter: http://www.bstu.bund.de/
DE/BundesbeauftragterUndBehoerde/Aktuelles/2012_04_24_abiturthemen_ebert_schule.html,
letzter Zugriff am 05.04.2014.
!
CRAWFORD, David: Joachim Gauck und der OV „Larve‟, in: Wall Street Journal Deutschland,
online zugreifbar unter: http://www.wsj.de/article/SB100014240527023046928045772872013336
77394.html, letzter Zugriff am 05.04.2014.
!
!88

DEUTSCHER BUNDESTAG: Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN


zu der vereinbarten Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA und den Auswirkungen auf
Deutschland und die transatlantischen Beziehungen. BT-Drucks. 18/65. Berlin, 18.11.2013.
!
DEUTSCHER BUNDESTAG: Schlußbericht der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen
der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit‟. BT-Drucks. 13/11000. Berlin, 10.06.1998.
!
DEUTSCHER BUNDESTAG: Stenographischer Bericht, 2. Sitzung. Plenarprotokoll 18/2. Berlin,
18.11.2013.
!
DEUTSCHER BUNDESTAG: Stenographischer Bericht, 10. Sitzung. Plenarprotokoll 18/10.
Berlin, 29.01.2014.
!FRANÇOIS, Etienne; SCHULZE, Hagen (Hrsg).: Deutsche Erinnerungsorte, 1. Aufl. München : C.
H. Beck, 2001.

FRAS, Damir: Leitartikel zum NSA-Skandal. Im Namen nationaler Sicherheit, in: Berliner Zeitung,
05.11.2013, online zugreifbar unter: http://www.berliner-zeitung.de/meinung/leitartikel-zum-nsa-
skandal-im-namen-nationaler-sicherheit,10808020,24911396.html, letzter Zugrif am 14.02.2014.
!
FRAS, Damir: NSA-Affäre. Die deutschen Bitten erhört niemand, in: Frankfurter Rundschau,
03.11.2013, online zugreifbar unter: http://www.fr-online.de/datenschutz/nsa-affaere-die-
deutschen-bitten-erhoert-niemand,1472644,24890694.html, letzter Zugriff am 28.03.2014.
!
FROMM, Anne: DDR-Bürgerrechtler gegen NSA. Die freie Gesellschaft ist bedroht, in: taz.de,
05.12.2013, online zugreifbar unter: http://taz.de/DDR-Buergerrechtler-gegen-NSA/!128851/,
letzter Zugriff am 14.02.2014.
!
FUNK, Viktor: Leitartikel zur NSA-Affäre. Gefährliche Beschützer, in: Frankfurter Rundschau,
10.12.2013, online zugreifbar unter: http://www.fr-online.de/datenschutz/leitartikel-zur-nsa-affaere-
gefaehrliche-beschuetzer,1472644,25583896.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
!
GEDENKSTÄTTE BERLIN-HÖHENSCHÖNHAUSEN: Entstehung der Gedenkstätte, online
z u g r e i f b a r u n t e r : h t t p : / / w w w. s t i f t u n g - h s h . d e / d o c u m e n t . p h p ?
nav_id=CAT_163&subcat_id=CAT_170&recentcat=CAT_163&back=1&special=0, letzter Zugriff
am 05.04.2014.
!
KANE, Tim: Global U.S. Troop Deployment, 1950 - 2003, in: The Heritage Foundation, online
zugreifbar unter: http://www.heritage.org/research/reports/2004/10/global-us-troop-
deployment-1950-2003, letzter Zugriff am 02.04.2014.
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KRAMER, Jane: The Rise of Angela Merkel. Will Germany have a woman chancellor?, in: The New
Yorker, 19.09.2005, S. 48-55.
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LIPPMANN, Bernd (Hrsg.): Melanie Weber. Ein Nachruf, 1. Aufl. Berlin : ASTAK Verlag, 2013
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o.A.: Angela Merkel 'turned down' job from Stasi, in: The Telegraph, 20.05.2009, online zugreifbar
unter: http:/www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/germany/5351229/Angela-Merkel-
turned-down-job-from-Stasi.html, letzter Zugriff am 04.04.2014.
!89

o.A. Demokratie im digitalen Zeitalter. Der Aufruf der Schriftsteller, in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 10.12.2013, online zugreifbar unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/
a u t o r e n - g e g e n - u e b e r wa ch u n g / d e m o k r a t i e - i m - d i g i t a l e n - z e i t a l t e r- d e r- a u f r u f - d e r-
schriftsteller-12702040.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
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o.A. Der Stasi-Staat. Machtfülle und Unterdrückungspraxis der DDR-Staatssicherheit, in: Der
Spiegel, 01.02.1990, online zugreifbar unter: http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/
d-52397639.html, letzter Zugriff am 28.03.2014.
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o.A.: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950, 21.02.1950, online
zugreifbar unter: https://www.bundesarchiv.de/findbuecher/sapmo/b_gblddr/mets/50_015/
index.htm, letzter Zugriff am 29.03.2014.
!o.A. NSA-Skandal. Mehrheit der Deutschen befürwortet Snowdens Taten, in: Zeit Online,
08.07.2013, online zugreifbar unter: http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-07/umfrage-yougov-
snowden-deutsche, letzter Zugriff am 14.02.2014.
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o.A.: Regierungserklärung. Schröder und Fischer verteidigen Nein zum Irak-Krieg, in: Frankfurter
Allgemeine Zeitung, 13.02.2003, online zugreifbar unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/
regierungserklaerung-schroeder-und-fischer-verteidigen-nein-zum-irak-krieg-192713.html, letzter
Zugriff am 02.04.2014.
!
o.A.: Umfrage. NSA bereitet Bundesbürgern kaum Sorgen, in: Handelsblatt, online zugreifbar unter:
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/umfrage-nsa-bereitet-bundesbuergern-kaum-
sorgen/9019180.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
!
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Danksagung
Ohne die Unterstützung vieler Menschen - Freunde, Kommilitonen, Dozenten und Lehrer - wäre
dieses Projekt überhaupt nicht zu verwirklichen gewesen. Ich muss aus ganzem Herzen Dr. Yasemin
Dayıoğlu-Yücel danken für die akademische Betreuung dieser Arbeit und die endlosen E-Mails, die
wir aneinander zu jeder Tageszeit schickten. Nur durch das lockere Umgehen miteinander konnten
wir während des Schreibens unseren Verstand wahren.
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Herzlichen Dank auch an das Huntsman Program in International Studies and Business, das meine
Reise nach Deutschland im Januar 2014 unterstützte, vor allem an Inge Herman, die mich seit dem
Studienanfang 2010 immer dazu angehalten hat, geduldiger zu werden. Dies hat mir bei der Planung
der Reise sehr geholfen.
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Ich bedanke mich auch bei allen, die ich im Rahmen dieser Arbeit in Deutschland getroffen habe:
Lena und Stief, Bernd Lippmann, Holger Berwinkel, Thilo Günther, Robert Fuchs, Bettina Just, und
Sandra Vacca. Ich bedanke mich auch bei Dr. Eric Langenbacher für seine Hilfe während meines
Besuchs in Washington im März 2014. Mein herzlichste Dank geht auch an die Familie Dunn/
Keilhau, die mich immer während meiner vielen Besuche nach Wiesbaden unterbringt.
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Vor allem danke ich Alicia Schmouder. In ihrer Rolle als Deutschlehrerin in Hollidaysburg kämpft
sie immer für das Sprachprogramm trotz endloser Haushaltskürzungen und anspruchsvoller
Sportlehrer, die Schmerz vor Sprache bevorzugen. Mit ihrer Hilfe kam ich 2007 zum ersten Mal
nach Deutschland mit dem Schüleraustauschprogramm Friendship Connection. Ich kenne Alicia
schon seit zehn Jahren und zähle sie immer noch zu einer der besten Lehrerinnen, Dozenten, usw.,
die ich je kennengelernt habe. Ohne ihre Leidenschaft für das Lehren wäre ich nie nach Deutschland
gereist, hätte die Sprache nicht gelernt und hätte schließlich keine solchen tollen Erlebnisse gehabt,
wie die, die ich in den letzten vier Jahren an Penn und in Europa genießen konnte. Vielen Dank,
Frau.

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