Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
1
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Honorarkonsulat
der
Auswärtiges Am IB
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Bundesrepublik Deutschland
Philadelphia, USA
!07. APR. 2014
Prot
81/46
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An das
Huntsman Program in International Studies and BusinesS
und das Department of Germanic Languages and Literatures
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Betr: Honors Senior Thesis
Bezug: Erlangung der akademischen Grade des Bachelor of Arts in
International Studies, German Studies und des Bachelor of Science in
Economics der University of PenNsylvania
!
Die RolLe der ErinNerung in den
gegenwärtigen deutsch-amerikanischen und
deutsch-türkischen Beziehungen
!
Von Taylor A. McConNelL
!
Betreuerin: ProfesSor Dr. Yasemin Dayıoğlu-Yücel
DAAD Visiting ProfesSor - Universität Hamburg
Department of Germanic Languages and Literatures
SchoOl of Arts and Sciences
!
!2
Kurzfassung
!
In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit zeitgenössischen Themen in der deutschen Außenpolitik
und wie deren Entwicklung durch die Erinnerung an parallelreiche Situationen in der Vergangenheit
beeinflusst wird. Das Thema, „Die Rolle der Erinnerung in den gegenwärtigen deutsch-
amerikanischen und deutsch-türkischen Beziehungen‟, mag auf den ersten Blick relativ einfach
erscheinen, erwies sich im Laufe der Bearbeitung meiner Quellen jedoch als komplexer und
vielschichtiger als erwartet. Am wichtigsten für die Zukunft der deutsch-amerikanischen und
(TTIP) bzw. der mögliche Beitritt der Türkei in die Europäische Union.
!
Das Hauptargument meiner Arbeit lautet: Die gegenwärtige Außenpolitik der Bundesrepublik
Deutschland wird von der Erinnerung an die Vergangenheit geprägt. Nicht nur die NS-Herrschaft
des 20. Jahrhunderts spielt eine Rolle, sondern auch andere historische Ereignisse, wie die
Zuwanderung ausländischer Gastarbeiter in der Nachkriegszeit, die SED-Diktatur 1949 bis 1990
und die deutsche Wiedervereinigung. Durch Erinnerungen wird auch die Wahrnehmung des
aktuellen Zustands beeinflusst. Einerseits können je nach dem, wie sie politisch instrumentalisiert
werden, Erinnerungen aktuelle Außenpolitik beeinflussen. Andererseits dürfen Politiker durch die
gestalten, weil die Erinnerungen an die oben genannten Ereignisse in der deutschen Vergangenheit
!
Einblicke in die deutsche Außenpolitik werden durch die Analyse veröffentlichter Akten zur
auswärtigen Politik aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin sowie anderen
Vor allem unterstützte mein Besuch im Politischen Archiv im Januar 2014 die Argumentationen
!3
bezüglich der deutsch-türkischen Beziehungen, da mir dort Quellen aus der sogenannten
„Gastarbeiter-Ära‟ 1961 bis 1973 zur Verfügung gestellt wurden. Da zur Zeit wenige Dokumente
des Auswärtigen Amtes bezüglich der TTIP und des NSA-Skandals der Öffentlichkeit zur
Verfügung stehen, verlasse ich mich zumeist auf der außenpolitischen Seite auf Plenarprotokolle des
deutschen Bundestags aus dem Zeitraum 30. April 2007 (Tag der Unterzeichnung der
2013/2014. Als Quellen benutze ich dazu Reportagen aus renommierten Zeitungen und
Zeitschriften, wie z.B. Der Zeit, Dem Spiegel, The New York Times und The Washington Post sowie
Gespräche mit Zeitzeugen und wissenschaftlichen Akteuren, besonders über das Thema Stasi-
Erinnerungen.
!
Am Beispiel der deutsch-amerikanischen Beziehungen sehen wir, dass Verbindungen zwischen den
Erinnerungen an die Stasi-Vergangenheit in der DDR und die heutigen Debatten über Datenschutz
und Privatsphäre in Deutschland nicht allzu schwer nachvollziehbar sind. Daraus folgt, dass die
durch die Erinnerung sowohl an die Gestapo in der NS-Zeit als auch an die Arbeit des MfS während
!
Meine Analyse der Rolle der Erinnerung in der deutsch-türkischen Beziehung zeigt, dass der
Zusammenhang zwischen Erinnerungen an die Gastarbeiter-Ära und die heutige Politik nicht so
eindeutig ist. Zwar wurden im Laufe der Arbeiterzuwanderung nach Deutschland ab den 1960er
Jahren Brücken zwischen Menschen gebaut, aber zwischen Regierungen eben nicht. Auch
Erinnerungen an andere Ereignisse, wie z.B. an die Türkenbelagerungen vor Wien und den
Völkermord an Armeniern im Ersten Weltkrieg, spielen in der heutigen Außenpolitk eine größere
Inhaltsverzeichnis
!
1. Einführung ....................................................................................................................................... 1
!
2. Methodischer Ansatz ...................................................................................................................... 5
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3. Deutsch-amerikanische Beziehungen ........................................................................................... 12
3.1. Aktuelle Entwicklungen u. Meinungen: TTIP und NSA-Skandal ................................. 16
3.2. Die Stasi-Vergangenheit und deren Zusammenhang mit dem ....................................... 28
NSA-Skandal
!
4. Deutsch-türkische Beziehungen ................................................................................................... 44
4.1. Aktuelle Entwicklungen u. Meinungen: Türkischer Beitritt zur EU .............................. 45
4.2. Erinnerungen an die Arbeitsmigration aus der Türkei in den 1960er ........................... 61
und 1970er Jahren
!
5. Ausblick/Fazit ................................................................................................................................. 81
!
6. Anhänge
6.1. Anhang 1: Cumulative U.S. Troop Deployments by Country, 1950 - 2000 .................. 83
6.2. Anhang 2: Struktur des Minsteriums für Staatssicherheit zum 01.10.1989 .................. 84
6.3. Anhang 3: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950 ........ 85
6.4. Anhang 4: Entwicklung der Arbeitsmigration nach Deutschland, 1962 - 2008 ........... 86
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7. Quellenverzeichnis .......................................................................................................................... 87
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„Les homMes peuvent avoir des amis, pas les homMes d’Etat‟.
Charles de GaulLe
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1. Einführung
Das Thema Freundschaft gewinnt in letzter Zeit in außenpolitischen Kreisen immer mehr an
Bedeutung. Politiker reden von der Freundschaft zwischen Deutschland und den Vereinigten
Staaten, als ob die beiden Staaten zwei Menschen wären, die zusammen aufgewachsen seien, gelitten
und gejubelt hätten. Auch für die Bundesrepublik und die Türkei wird für die vergangenen fünfzig
Jahre eine enge Freundschaft bescheinigt. Unsere türkischen Gäste wurden zu unseren lieben Nachbarn
und schließlich zu unseren Freunden. Aber kann ein Staat sich mit einem anderen befreunden? Wie
kann ein Konzept wie die Eigenstaatlichkeit mit Freundschaft so abstrakt, aber gleichzeitig so
konkret verbunden werden? Wo liegt die Grenze zwischen einer außenpolitischen Beziehung, wie
der transatlantischen politischen oder Handelspartnerschaft und einer festen Freundschaft wie unter
!
In dieser Arbeit beschäftige ich mich mit zeitgenössischen Themen in der deutschen Außenpolitik
und wie deren Entwicklung durch die Erinnerung an ähnliche Situationen in der Vergangenheit
beeinflusst wird. Das Thema, „Die Rolle der Erinnerung in den gegenwärtigen deutsch-
amerikanischen und deutsch-türkischen Beziehungen‟, mag auf den ersten Blick relativ einfach
erscheinen, erwies sich im Laufe der Bearbeitung meiner Quellen jedoch als komplexer und
vielschichtiger als erwartet. Am wichtigsten für die Zukunft der deutsch-amerikanischen und
(TTIP) bzw. der mögliche Beitritt der Türkei in die Europäische Union.
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Als historisches Beispiel für die deutsch-türkische Partnerschaft dient zum Zweck dieser Arbeit die
Einwanderung sogenannter türkischer „Gastarbeiter‟ in den 1960er und 1970er Jahren, vom
Anwerbeabkommen 1961 zum Anwerbestopp 1973. Für die Bearbeitung dieses Themas besuchte
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ich im Januar 2014 das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin und untersuchte dort
mehrere Drahtberichte, Briefe und Redetexte vor und während der Zeit der türkischen Migration
nach Deutschland, vor allem bezüglich des Assoziierungsabkommens der Türkei mit der
ich das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. (DOMiD) in
Köln-Ehrenfeld. Dort sammelte ich mehr als 30 Presseartikel aus der Zeit ab den 1970er Jahren über
die sozialen und politischen Auswirkungen der sogenannten „Gastarbeiter-Ära‟ in der deutschen
Gesellschaft. Darüber hinaus nahm ich an einer Führung durch eine Sonderausstellung zu
„Wanderarbeitern‟ im Museum der Arbeit in Hamburg-Barmbek teil. Zusätzlich habe ich Bücher
und wissenschaftliche Artikel über die heutigen sozialen Verhältnisse der aus der Türkei
Eingewanderten ausgewertet.
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Der methodische Ansatz für die Ausarbeitung der gegenwärtigen Beziehung zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten unterscheidet sich von dem für die
deutsch-türkische Beziehung vor allem durch die Wahl der geschichtlichen Ereignisse. Anstatt die
Nachkriegszeit und den Marshallplan für den Wiederaufbau Europas zu untersuchen, habe ich mich
dazu entschieden, die Rolle der NSA-Affäre 2013-2014 im Kontext der Stasi-Vergangenheit in der
Medien erwähnt, dass der NSA-Skandal ein großes Hindernis für das Weiterführen der TTIP-
Verhandlungen darstelle; die deutsch-amerikanische Freundschaft könne sogar an den Folgen des
Skandals scheitern. Inwiefern dieser und ähnliche Vorwürfe stimmen werde ich auch im Rahmen
dieser Arbeit diskutieren. Um mich über das Ministerium für Staatssicherheit in der DDR-Zeit zu
informieren traf ich in Berlin Herrn Bernd Lippmann, den Vorstandsvorsitzenden der
!3
„Antistalinistischen Aktion Berlin Normannenstraße (ASTAK) e.V.‟, die für das Berliner
Stasimuseum verantwortliche Organisation, mit dem ich die Tätigkeiten und Rahmenbedingungen
der Stasi im Zusammenhang mit der NSA diskutierte. Weiterhin besuchte ich das Berliner DDR-
Museum und die Außenstelle der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in
Erfurt. Im Sommer 2013 arbeitete ich als Fachpraktikant im Bereich Politik und Wirtschaft beim
zum Thema NSA-Abhörskandal sammeln. Leider gibt es wenige, der Öffentlichkeit zugänglich
gemachte, Dokumente von der amerikanischen Regierung über die National Security Agency und
deren jüngste Aktivitäten. Für die Bearbeitung dieses Themengebiets musste ich mich deswegen vor
allem auf Zeitungsberichte verlassen. Das Gegeteil ist auf deutscher Seite der Fall, wo wie oben
bereits erwähnt allerlei Dokumente und Berichte über die Rolle und den Arbeitsumfeld der Stasi
veröffentlicht wurden.
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Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich die folgenden Fragen beantworten:
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1. Welche Auswirkungen haben die Erinnerungen an Ereignisse in der (neueren) Vergangenheit
2. Inwiefern ähneln sich die außenpolitischen Gespräche der 1960er/1970er Jahre über die
Einwanderung türkischer „Gastarbeiter‟ und die heutigen Gespräche über die EU-
!
3. Bedroht der NSA-Abhörskandal 2013 die Weiterführung der deutsch-amerikanischen
Dazu:
a. Sind das Ministerium für Staatssicherheit der DDR und die amerikanische National Security
Agency überhaupt zu vergleichen, und wenn ja, inwiefern sind sie sich ähnlich?
!
Das Hauptargument lautet: Die gegenwärtige Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland wird
von der Erinnerung an die Vergangenheit geprägt. Nicht nur die NS-Herrschaft des 20.
Jahrhunderts spielt eine Rolle, sondern auch andere historische Ereignisse, wie die Zuwanderung
ausländischer Gastarbeiter in der Nachkriegszeit, die SED-Diktatur 1949 bis 1990 und die deutsche
Wiedervereinigung. Durch Erinnerungen wird auch die Wahrnehmung an den aktuellen Zustand
beeinflusst. Einerseits können je nach dem, wie sie politisch instrumentalisiert werden,
gestalten, weil die Erinnerungen an die obengenannten Ereignisse in der deutschen Vergangenheit
!
Diese Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Im nächsten Kapitel wird eine Erläuterung des
methodischen Ansatzes gegeben. Im dritten Abschnitt folgt eine Analyse der gegenwärtigen
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entstandenen NSA-Affäre. Ich gebe hier die Reaktionen von Politikern, Journalisten und Bürgern
wider, speziell ihre Positionen gegenüber dem geplanten US-EU Handelspakt TTIP bzw. dem NSA-
Skandal. Danach bringe ich die NSA und die Geschichte der Stasi in der ehemaligen DDR in
Verbindung und erkläre in ähnlicher Form die Reaktionen von Regierung, Medien und Menschen. In
Kapitel 4 untersuche ich die heutigen Debatten um den möglichen Beitritt der Türkei zur
unter den Bürgern. Es folgt ein Vergleich zwischen diesen Gesprächen über die Aufnahme der
Türkei in die EU und den historischen Debatten über die Rolle der türkischen Gastarbeiter in der
BRD ab dem Jahre 1961 und wie die Erinnerungen an diese Arbeitsmigration vom Staat, in den
Medien, von betroffenen Individuen sowie von Institutionen konkretisiert werden. Diese Arbeit
schließt mit einem Fazit und einem Ausblick in die mögliche Zukunft der deutsch-amerikanischen
!
2. Methodischer Ansatz
Im folgenden Kapitel werde ich beschreiben, auf Basis welcher Theorien und Fragen ich die für
diese Arbeit relevanten Quellen untersuche. Dazu zählt vor allem die Theorie des kollektiven
Gedächntisses. Die 1925 vom französischen Soziologen Maurice Halbwachs entwickelte Theorie
lautet: Es existiert eine gemeinsame, also kollektive, Gedächtnisleistung einer Gruppe von
Menschen, „welche auf einen gemeinsamen Erfahrungsschatz zurückgreifen [kann], der durch
kommunikativen Austausch stabilisiert wird, wie bei Mitgliedern von Familien, Schulklassen,
soziale Gruppierungen, durch die Kinder sozialisiert und erzogen werden und von denen sie
1HALBWACHS, Maurice, zitiert in: ASSMANN, Aleida: Einführung in die Kulturwissenschaft. Grundbegriffe,
Themen, Fragestellungen. 1. Aufl. Berlin : Erich Schmidt Verlag, 2006. S. 187.
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beeinflusst werden können, darunter Familie, Religion und Sozialschicht. Aleida Assmann fasste
Halbwachs' Arbeit auf folgender Weise zusammen: „Seine radikale These war, dass Menschen kein
eingeschlossen sind. [...] Ein vollständig einsamer Mensch könnte nach Halbwachs deshalb
!
Die Kulturwissenschaftlerin Assmann und ihr Ehemann, Jan Assmann, erweiterten die Theorie von
Halbwachs, verbunden mit der Arbeit über die kulturelle Identität und Erinnerungsorte des
französischen Historikers Pierra Nora. Assmann und Assmann stellen drei Formen des
Gedächtnisses vor: das kommunikative und das kulturelle, die zusammen das kollektive ausmachen.
Aleida Assmann und Ute Frevert definieren den Begriff „Erinnerungen‟ als „die einzelnen und
disparaten Akte der Rückholung oder Rekonstruktion individueller Erlebnisse und Erfahrungen‟.3
Als „Gedächtnis‟ bezeichnet sie „die organische Basis für die Operationen der Erinnerungen [...
einen] Kollektivbegriff für angesammelte Erinnerungen, als Fundus und Rahmen für einzelne
memoriale Akte und Einträge‟.4 Das heißt, das Gedächtnis dient als eine Linse, durch die einzelne
!
Assmann argumentiert, dass „Ethnien, Nationen und Staaten [...] kein kollektives Gedächtnis haben,
sondern sich eines machen mithilfe unterschiedlicher symbolischer Medien wie Texten, Bildern,
zugleich eine Wir-Identität, die [...] in Form von Lernen, Teilnahme an Riten [...] und anderen
Formen praktizierter Zugehörigkeit erworben wird‟.5 Meiner Auffassung nach spielt hier die
Regierung eine besondere Rolle in dem teils unbewussten Entscheidungsprozess darüber, welche
Erinnerungen für die staatliche bzw. nationale Identität von höchster Bedeutung sind. Als klarstes
Beispiel nimmt man die Erfahrungen und Folgen des wachsenden Faschismus in Europa in den
1930er Jahren, was schließlich zum Zweiten Weltkrieg, dem Holocaust, und am Ende zu einer
Neuordnung der Weltmächte und der Vorrangstellung der Menschenrechte in der Nachkriegszeit
führte. Die Erinnerungen an den Holocaust und die Schuld als negatives Identifikationssymbol
wurden zur Basis, auf der die neue westdeutsche Regierung 1949 mitsamt dem Grundgesetz gebaut
wurde. Manche Erinnerungen an neuere geschichtliche Ereignisse, wie z.B. die SED-Diktatur in der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, gehören selbt noch nicht zum gesamtdeutschen
kollektiven Gedächtnis, da diesen Teil der deutschen Geschichte nur Ostdeutsche unmittelbar erlebt
haben. Im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg, unter dem und dessen Folgen alle Deutsche gelitten
hatten, wurde nicht jeder Deutsche von der Bespitzelung durch die Stasi im Laufe des Kalten
Krieges persönlich betroffen. Deshalb wird keine gemeinsame Erinnerung an diese Vergangenheit
!
Das kommunikative Gedächtnis bildet sich aus persönlichen Erinnerungen aus einem zeitlich und
Individuen. Diese Art von Gedächtnis wird im Laufe der Zeit unter nachfolgenden Generationen
ausgetauscht und stellt das „Kurzzeitgedächtnis der Gesellschaft‟ dar, denn „mit jedem
dieser Arbeit wird das kommunikative Gedächtnis durch „Formen [der] Erfahrungsverarbeitung‟7
wie z.B. Gespräche mit und persönliche Geschichten von betroffenen Individuen manifestiert, weil
!
Das kulturelle Gedächtnis wird demgegenüber durch „[externe] Speichermedien und [kulturelle]
Praktiken‟ und Institutionen vertreten.8 Diese Medien wirken in mittler bis längerer Frist, um
Erinnerungen über Generationen hinaus zu vermitteln. In dieser Arbeit benutze ich Medienberichte
aus Zeitungen und Zeitschriften, um eine zeitgenössische statt eine langfristige Einstellung des
kulturellen. Aleida Assmann und Ute Frevert schreiben: „Wie das kollektive Gedächtnis wird das
transportieren und damit ein soziales Langzeitsgedächtnis auszubilden. [...] Hier spielt die
Auslagerung von Erfahrungen, Erinnerungen und Wissen auf Datenträger wie Schrift und Bild eine
entscheidende Rolle‟.9 Auch Bildungsinstitutionen sollen dabei helfen, „in langfristiger historischer
!
Zu den ersten Auseinandersetzungen mit dem Zusammenhang zwischen kollektiver Erinnerung und
Außenpolitik gehört das 2010 erschienene Buch Power and the Past: Collective Memory and International
Relations, von Eric Langenbacher (Georgetown University) und Yossi Shain (Tel Aviv University).
Paradigma, das die Rolle von Identität und Ideen in der Politik betont. Laut Langenbacher: „[...]
constructivist scholars and others have argued that the traditional, simplified view of international
actors (states, elites, governments) has to add other networks of influence that may not map
perfectly onto the old models - transnational ethnic groups, diasporas, refugees, and other
migrants‟.11 Das heißt, vereinfachte und veraltete Machtverhältnisse zwischen Staat und Volk in der
Bildung der Politik ignorieren den wesentlichen Einfluss von ethnischen Minderheiten und anderen
die Möglichkeit, eine Rolle der Erinnerungen der türkischen und anderen Gastarbeiter der 1960er
finden. Die vier allgemeinen Prinzipien des Konstruktivismus werden von John Hobson definiert
als: „(1) the primacy of ideational factors; (2) agents are derived from identity-construction, which is
constituted in the course of social interaction; (3) communicative action and moral norms specify
'appropriate' behavior; (4) the importance of historical international change‟.12 In meiner Arbeit
beziehe ich mich vor allem auf das vierte Prinzip des historischen internationalen Wandels. Zu dem
Aspekt schreibt Langenbacher: „Memories can assign to an actor a historical position of villain,
victim, or liberator, allowing for the framing of international issues and negotiation‟.13 Dieses
Argument kann ich in dieser Arbeit verwenden, um die sich aufgrund der NSA-Affäre 2013
Außenpolitik zu untersuchen. Nach den Enthüllungen von Edward Snowden zu den ausländischen
11LANGENBACHER, ERIC; SHAIN, Yossi (Hrsg.). Power and the Past. Collective Memory and International
Relations. 1. Aufl. Washington : Georgetonwn University Press, 2010. S. 2.
12 Vgl. ebd. S. 22.
13 Vgl. ebd. S. 11.
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Aktivitäten der NSA kamen in den Medien im November 2013 häufiger Vorwürfe gegen die USA
vor. Das Land beute seine „amerikanische Einzigartigkeit‟ aus, um „ein[en] Staat im Staate‟
aufzubauen.14 Diese Behauptung ähnelt der Beschreibung der Struktur des ehemaligen
Staatsministeriums für Sicherheit, eines Parteiorgans, das im Laufe der DDR-Geschichte auch des
öfteren als ein „Staat im Staate‟ bezeichnet wurde.15 Nichtsdestotrotz plädierte der neu ins Amt
den USA im Februar 2014 für die deutsch-amerikanische Freundschaft. Als Hauptvertreter der
Bundesrepublik wirkt Steinmeiers Ankündigung als Bestätigung, dass die NSA-Affâre keine
schweren Folgen für die transatlantische Beziehung haben wird. Im Spiegel Online wird dies aber
anders dargestellt: „Den tiefen Riss, den die NSA-Abhöraffäre zwischen Berlin und Washington
gezogen hat, will er natürlich nicht durch Schweigen zukleistern. Steinmeier hat sich aber damit
abgefunden, dass es kein 'Sorry' oder gar ein No-Spy-Abkommen mehr geben wird‟.16 Hier sehen
wir einen bemerkenswerten Unterschied in der Darstellung der NSA-Krise, zwischen der offiziellen
Position der Bundesregierung, die einen Teil des kollektiven Gedächtnisses ausmachen dürfte, und
der der Medien, deren Meinungen zur Entwicklung des kommunikativen bzw. des kulturellen
Gedächtnisses beitragen. Um diese Unterschiede und deren Auswirkungen in der Außenpolitik geht
es in dieser Arbeit.
!
14FRAS, Damir: NSA-Affäre. Die deutschen Bitten erhört niemand, in: Frankfurter Rundschau, 03.11.2013, online
zugreifbar unter: http://www.fr-online.de/datenschutz/nsa-affaere-die-deutschen-bitten-erhoert-niemand,
1472644,24890694.html, letzter Zugriff am 28.03.2014.
15Der Begriff ‟Staat im Staate‟ wurde in einem Spiegel-Artikel im Februar 1990 verwendet, der in der Spezialausgabe
„162 Tage Deutsche Geschichte. Das halbe Jahr der gewaltlosen Revolution‟ erschien. Vgl. o.A. Der Stasi-Staat.
Machtfülle und Unterdrückungspraxis der DDR-Staatssicherheit, in: Der Spiegel, 01.02.1990, online zugreifbar unter:
http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-52397639.html, letzter Zugriff am 28.03.2014.
16GEBAUER, Matthias. Hauptsache Freunde. Steinmeier in den USA, in: Spiegel Online, 28.02.2014, online zugreifbar
unter: http://www.spiegel.de/politik/auslan/aussenminister-frank-walter-steinmeier-bei-john-kerry-in-den-usa-
a-956145-druck.html, letzter Zugriff am 07.03.2014.
!11
Einblicke in die deutsche Außenpolitik werden durch die Analyse veröffentlichter Akten zur
auswärtigen Politik aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin sowie anderen
Vor allem unterstützte mein Besuch im Politischen Archiv im Januar 2014 die Argumentationen
bezüglich der deutsch-türkischen Beziehungen, da mir dort Quellen aus der sogenannten
„Gastarbeiter-Ära‟ 1961 bis 1973 zur Verfügung gestellt wurden. Unter anderem untersuchte ich:
!
• Akten des für die politischen Beziehungen zur Türkei zuständigen Referats zur
• Akten des für Sozialrecht zuständigen Referats zu (a) Gastarbeitern im Allgemeinen und (b)
türkischen Gastarbeitern.
!
Da zur Zeit wenige Dokumente des Auswärtigen Amtes bezüglich der TTIP und des NSA-Skandals
der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, verlasse ich mich zumeist auf der außenpolitischen Seite
auf Plenarprotokolle des deutschen Bundestags aus dem Zeitraum 30. April 2007 (Tag der
!
Die Bearbeitung des Themas Erinnerung wird m.E. sowohl spannender als auch schwieriger, denn
ich versuche nach bestem Können die Themen dieser Arbeit so objektiv darzustellen wie möglich.
Als Quellen benutze ich Reportagen aus bekannten und renommierten Zeitungen und Zeitschriften,
wie z.B. Der Zeit, Dem Spiegel, The New York Times und The Washington Post, und Gespräche mit
!
!12
• Dr. Eric Langenbacher, Visiting Assistant Professor/Director of the Senior Honors Program
!
Mein Interesse an diesem Thema stammt aus meinen Erfahrungen in einem Proseminar über die
deutsche Außenpolitik, das ich an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main im
Sommersemester 2012 belegte. In einem Aufsatz für diesen Kurs argumentierte ich, dass die
Aktivitäten der deutschen Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel durch die Perspektive des
soziologischen Institutionalismus betrachtet werden können. Im Sommer 2013 schloss ich ein
zehnwöchiges Praktikum bei dem Amerikanischen Generalkonsulat München ab, durch das ich
!
3. Deutsch-amerikanische Beziehungen
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Sieg der Alliierten über die faschistischen Mächte in Europa
entwickelte sich rasch eine neue Weltordnung, aufgespalten in drei Interessensphären: die mit den
USA verbundene „erste Welt‟, die „zweite Welt‟ um die Sowjetunion und deren Partnern des
Warschauer Paktes sowie die nicht angeschlossenen Länder der „dritten Welt‟. Deutschland wurde
entzwei gespalten, die westlichen Länder der Bundesrepublik besetzt mit Soldaten der NATO-
Staaten USA, Großbritannien und Frankreich, und die östlichen Gebiete bildeten die Deutsche
Demokratische Republik (DDR), die sich an Moskau anschloss. Mit der Berliner Luftbrücke 1948-49
!13
sowie dem Plan für den Wiederaufbau Europas - dem sogenannten Marshallplan - gründeten die
Vereinigten Staaten schnell eine neue geopolitische Basis für das transatlantische Verhältnis. Im
Laufe der frühen Nachkriegszeit strebten die USA die Bindung Westdeutschlands an das
internationale System durch Mitgliedschaft in Organisationen wie der NATO, den Vereinten
Nationen, und der Europäischen Gemeinschaft für Kohl und Stahl (die sich später zu der EG und
schließlich der EU entwickelte) an. Mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
konnten die Alliierten eine Plattform für demokratische Rechte und die soziale Marktwirtschaft
bauen. Während des Kalten Krieges gewährten die amerikanischen und andere NATO-Mächte die
westdeutsche Sicherheit gegen nukleare Bedrohungen aus der UdSSR mit dem Ausbau mancher
Militärstützpünkte wie der Ramstein Air Base bei Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz, der Lucius D.
Clay Kaserne bei der hessischen Hauptstadt Wiesbaden - das künftige Hauptquartier der US Army
den Jahren 1950 und 2000 wird der kumulative Truppeneinsatz amerikanischer Soldaten in
!
Nach dem Mauerfall 1989 und die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 haben die
eine Rolle als militärische Unterstützung für den Westen: „Heute liegt einer der Schwerpunkte bei
der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Gemeinsam mit anderen Verbündeten hilft
Deutschland bei Krisen- und Konfliktbewältigung weltweit, etwa in der Ukraine, in Afghanistan, auf
dem Balkan und im Nahen Osten, durch diplomatisches und z.T. auch militärisches Engagement
17KANE, Tim: Global U.S. Troop Deployment, 1950 - 2003, in: The Heritage Foundation, online zugreifbar unter:
http://www.heritage.org/research/reports/2004/10/global-us-troop-deployment-1950-2003, letzter Zugriff am
02.04.2014. Siehe Anhang 1: Cumulative U.S. Troop Deployments by Country, 1950 - 2000.
!14
sowie durch Aufbauhilfe für Polizeikräfte und Entwicklungshilfe‟.18 Aber seit den Terroranschlägen
des 11. Septembers 2001 kam es unter der rot-grünen Bundesregierung von Bundeskanzler Gerhard
Schröder zu einem Streit mit den USA über eine deutsche Teilnahme am Irakkrieg. Mit seinem
Außenminister Joschka Fischer verteidigte Schröder im Jahre 2003 eine Politik des Friedens statt
einer des Krieges und „betonte Deutschlands Souveränität bei der Entscheidung über die
Entsendung deutscher Soldaten‟.19 Nach dem Regierungswechsel 2005 und dem Aufstieg von
Angela Merkel als erste deutsche Bundeskanzlerin näherte sich die deutsche Regierung wieder mehr
!
Seit dem Beginn der deutsch-amerikanischen Transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft 2007 hat
der Außenhandel zwischen den beiden Staaten, besonders in Richtung USA, deutlich zugenommen.
Amerikanische Importe von deutschen Waren stiegen von 94,1 Mrd. Dollar im Jahre 2007 bis auf
114,6 Mrd. Dollar im Jahre 2013.20 Auf europäischer Ebene wurden erste Diskussionen über eine
TTIP im Jahre 2011 aufgenommen, die große wirtschaftlichen Chancen auf beiden Seiten des
Atlantiks darstellt. Schließlich tauchten im Juni 2013 Medienberichten auf, die geheime Dokumente
über die Auslandstätigkeiten des amerikanischen Geheimdienstes NSA zeigten und den USA
verursachte tiefere Auseinandersetzungen zwischen den USA und Deutschland über die Rolle von
AUSWÄRTIGES AMT: Beziehungen zwischen den USA und Deutschland, 02.2014, online zugreifbar unter: http://
18
www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/UsaVereinigteStaaten/Bilateral_node.html, letzter
Zugriff am 02.04.2014.
19 o.A.: Regierungserklärung. Schröder und Fischer verteidigen Nein zum Irak-Krieg, in: Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 13.02.2003, online zugreifbar unter: http://www.faz.net/aktuell/politik/regierungserklaerung-schroeder-und-
fischer-verteidigen-nein-zum-irak-krieg-192713.html, letzter Zugriff am 02.04.2014.
UNITED STATES CENSUS BUREAU: Trade in Goods with Germany, 02.2014, online zugreifbar unter: http://
20
Geheimdiensten im Zeitalter des Internets. Laut dem Auswärtigen Amt ist das Ziel „gegenwärtiger
Gespräche [...] die Einrichtung eines strategisch angelegten, transatlantischen Dialogs über das
Verhältnis von Sicherheit und Frieden im digitalen Zeitalter‟.21 Bis zum heutigen Tag ist der NSA-
Skandal eine wichtigs Thema in außenpolitischen Diskussionen, den Medien, und im alltäglichen
!
Kurz vor Abschluss dieser Arbeit erschien eine Studie des Pew Research Center am 9. April 2014,
dass einen kritischeren Blick auf die TTIP aus deutscher Perspektive wirft. Die Studie zeigt, dass
eine Mehrheit sowohl von Deutschen als auch von Amerikanern die TTIP für „eine gute Sache‟
halten, während ein Fünftel der Amerikaner und ein Viertel der Deutschen den Freihandelspakt als
„eine schlechte Sache‟ bezeichnen. Obwohl laut der Studie die TTIP im Ganzen „the most
economically significant regional free trade agreement in history‟ darstelle, gebe es auf beiden Seiten
des Atlantiks Uneinigkeit über die Einzelheiten der Verhandlungen.22 Vor allem bevorzugen
ähnlich wie gut ausgebildete Amerikaner - nur 39 Prozent von Amerikanern mit einem
Deutsche vorsichtiger im Umgang mit genetisch veränderten Organismen (GMOs) als Amerikaner -
Verhandlungen erzielt werden, würden sich ca. drei Viertel der Deutschen und Amerikaner über
!
3.1. Aktuelle Entwicklungen und Meinungen: TTIP und NSA-Skandal
Tätigkeiten des amerikanischen Geheimdienstes NSA (National Security Agency) die Weiterführung
der transatlantischen Beziehung zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gefährdet wird,
bleibt noch abzuwarten. In den vom ehemaligen technischen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden
Politiker und Wirtschaftskräfte, auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel, abgehört. Im
Spätsommer bis hin zum Oktober 2013 wurde zeitweise in den Medien angedeutet, der NSA-
Handels- und Investitionspartnerschaft, engl: Transatlantic Trade and Investment Partnership), das alle
nichttarifären Handelshemmnisse zwischen den USA und der Europäischen Union abschaffen
würde.24
!
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft stellt das höchste Niveau der
Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU dar. Mit der Abschaffung aller außertariflichen
beiderseits des Atlantiks verstärken. Wegen des NSA-Skandals 2013 wollten mehrere europäische
23 Vgl. ebd.
24SCHMITZ, Gregor Peter: Diplomatic Fallout. Experts Warn of Trans-Atlantic Ice Age, in: Spiegel Online,
01.07.2013, online zugreifbar unter: http://www.spiegel.de/international/world/trans-atlantic-relations-threatened-by-
revelations-of-mass-us-spying-a-908746.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
!17
Politiker die ersten Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten blockieren und zogen in Erwägung,
das Prog ramm aufzug eben. Wie nachhaltig diese Affäre die transatlantischen
!
Regierung
Auf politischer Ebene löste das NSA-Skandal bei vielen Abgeordneten des deutschen Bundestages
Aufregung und Empörung aus. Um effektiv an das Thema heranzugehen beantragte am 14.
November die Fraktion DIE LINKE und am 18. November 2013 die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eine „[vereinbarte] Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA und den Auswirkungen
auf Deutschland und die transatlantischen Beziehungen‟, die am 18. November erfolgte. In ihrem
!
„Die durch die Informationen des Whistleblowers Edward Snowden offengelegten
!
„Erst nach Berichten über das Abhören von Telefonen der Bundeskanzlerin hat die
einbestellt [...] aber weiterhin keine hinreichenden Aktivitäten für Transparenz und
zum Schutz von Grundrechtsträgerinnen und -trägern sowie zur Wahrung der
!
25 DEUTSCHER BUNDESTAG: Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der
vereinbarten Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA und den Auswirkungen auf Deutschland und die
transatlantischen Beziehungen. BT-Drucks. 18/65, Berlin, 18.11.2013.
!18
Parteien eher negativ zu den Enthüllungen Edward Snowdens. Hier habe ich drei Aspekte in der
Diskussion ausgewählt, die besonders wichtig für ein näheres Verständnis der politischen Meinungen
zum NSA-Skandal sind, nämlich Empörung, Lösung und Freundschaft. Nach diesen Aspekten wird
der folgende Teil der Arbeit strukturiert. Der damalige Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter
Friedrich (CDU) nannte die Veröffentlichungen von Snowdens Dokumenten „mehr als irritierend.
„Kaum Vorstellbares ist geschehen [...] schlicht und einfach [ist] Vertrauen verloren gegangen [...]‟.27
Ihm zufolge seien die Aktivitäten der amerikanischen und britischen Geheimdienste „wild
geworden‟.28 Auch Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE), der letzte Parteivorsitzender der ehemaligen
SED-PDS, reagierte negativ auf die „grotesken‟ Enthüllungen und empörte sich über die angeblich
schwache Reaktion der Bundesregierung zum NSA-Skandal: „Wir haben es mit einem Skandal zu
tun, der in seinem Ausmaß in dieser Art bisher noch nicht vorgekommen ist. [...] Die erste Pflicht
der Regierung wäre gewesen: Aufklärung, Aufklärung. Aufklärung. Sie haben aber in Wirklichkeit
!
Während sich die Meinungen der Bundestagsabgeordneten in Bezug auf Empörung und Vorwürfe
eines Misstrauensbruchs ähnelten, schlugen die Politiker unterschiedliche Lösungen für die Zukunft
der transatlantischen Beziehung vor. Oppositionsführer Gysi forderte Widerstand zum Bau eines
26 DEUTSCHER BUNDESTAG: Stenographischer Bericht, 2. Sitzung. Plenarprotokoll 18/2, Berlin, 18.11.2013. S. 43C.
27 Vgl. ebd. S. 45D - 46D.
28 Vgl. ebd.
29 Vgl. ebd. S. 47D.
!19
muss man den USA diesen Bau eben versagen‟.30 Dazu forderte er zu einer Auseinandersetzung mit
der „Freundschaft‟ zu den USA auf: „Eine Wertgemeinschaft nutzt nichts, wenn man bei der
Verletzung von Werten nicht deutliche Kritik übt [...] Freundschaft, wie Sie sich vorstellen, gibt es
nicht. [...] Sie müssen fordern: Verhandelt mit uns auf Augenhöhe! - Dann kriegen wir auch eine
Freundschaft mit den USA hin‟.31 Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele verlangte Asyl für
Edward Snowden in Deutschland, um ihn als „Kronzeuge [...] vor einem parlamentarischen
Antworten der Amerikanern abhängig zu sein.32 Nur Mitglieder der CDU/CSU verlangten eine
Aufarbeitung der Affäre gemeinsam mit den Vereinigten Staaten ohne konkrete Hindernisse zum
Freihandelsabkommen und dem wirtschaftlichen Vertrauen zwischen den beiden Staaten. In seiner
Debattenrede sprach Peter Beyer (CDU/CSU) sich positiv zur TTIP aus:
!
„[...] das transatlantische Freihandelsabkommen ist das Projekt der transatlantischen
Zukunft. [...] Was die NATO im 20. Jahrhundert im Sicherheitsbereich gewesen ist,
wird die TTIP für das 21. Jahrhundert im ökonomischen Bereich und noch weit
darüber hinaus sein. [Sie] wird [...] dem deutschen Mittelstand zugutekommen und
unseren Wohlstand sicher helfen [...] Daher kann sie nicht zur Disposition stehen‟.33
!
Das Vorantreiben der transatlantischen „Freundschaft‟ erfordert vor allem Sicherheit und
Transparenz, laut Hans-Peter Friedrich, „mehr und bessere Verschlüsselungen [...] digitale [und ...]
Politikern zufolge mehr tun, um diese dem deutschen Volk zu gewährleisten. Auch wenn in der
Außenpolitik unter Staaten keine Freundschaften entstehen können, wie der französische Präsident
Charles de Gaulle 1967 sagte, wünschten sich die Bundestagsabgeordneten weitere Zusammenarbeit
und Vertrauen mit den amerikanischen Partnern, statt aus dem NSA-Skandal negative
!
In ihrer Regierungserklärung am 29. Januar 2014 warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren
Mobiltelefon während der Bundestagswahl vermutlich von der NSA abgehört wurde, vor den
Gefahren des „tiefgreifende[n] Wandel[s] unsere[r] Gesellschaft durch die Digitalisierung‟.35 Zu den
Verdächten des NSA-Skandals äußerte Merkel sich aber nicht direkt. Stattdessen ging sie die „Frage
der Verhältnismäßigkeit‟ in der Arbeit der Nachrichtendienste an: „Jeder Einzelne von uns ist davon
betroffen [...] [und] mit Fragen der Datensicherheit konfrontiert. [...] die Arbeit der
Nachrichtendienste [ist] für unsere Sicherheit, für den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger
Informationen‟.36 Jedoch trage die Regierung „Verantwortung für den Schutz unserer Bürgerinnen
und Bürger vor Angriffen auf ihre Privatsphäre‟.37 Sie betonte die Rolle der Geheimdienste in der
Gewährung eines sicheren Lebens in Deutschland, die jedoch mit der Garantie eines privaten
Lebens „in der Balance gehalten werden‟ müsse.38 Nichtsdestotrotz befürwortete die
Bundeskanzlerin die Fortführung von Gesprächen und die Zusammenarbeit mit den USA:
„Deutschland kann sich keinen besseren Partner wünschen als die Vereinigten Staaten von Amerika.
Die deutsch-amerikanische und die transatlantische Partnerschaft sind und bleiben für uns von
überragender Bedeutung‟.39
!
Medien
Mit der Bundeskanzlerin stimmen nicht alle in Deutschland überein. Vor allem in den Medien wird
öfter kritisiert, die Regierung tue nicht genug, um die Rechte und Freiheit der Deutschen vor
Angriffen der Nachrichtendiensten zu schützen. Die Bundesregierung will doch im Laufe des
Skandals einen No-Spy-Agreement (Anti-Spionage-Pakt) mit den USA verhandeln, für den es aber
Medienberichten zufolge kaum Hoffnung gibt. In einem Leitartikel in der Berliner Zeitung schrieb US-
Korrespondent Damir Fras im November 2013: „Die Chancen Deutschlands, neben Kanada,
Australien und Neuseeland [auch Großbritannien] in den seit Ende des Zweiten Weltkriegs
bestehenden Verein der 'Fünf Augen' aufgenommen zu werden, stehen eher schlecht. [...] Vor allem
ist Deutschland in den Augen vieler US-Schnüffler ein unsicherer Kantonist‟.40 Fras' Äußerungen
nach laufen alle Programme der ausländischen Geheimdienste ohne ausreichende parlamentarische
Aufsicht „im Namen der nationalen Sicherheit. [...] Kombiniert man dieses paranoide
(amerikanische Einzigartigkeit), dann ensteht ein Geheimdienstapparat wie die NSA fast von
selbst‟.41 Weiterhin kritisiert er die amerikanischen Konservativen, die Erinnerungen an die Skandale
um Stasi-OibE (Offizier im besonderen Einsatz) Günter Guillaume in der Kanzlerzeit Willy Brandts
sowie Gerhard Schröders Anlehnung an Frankreich und Russland im Laufe des Irak-Kriegs als
!
Bestritten werden die Methode und Logik der amerikanischen und britischen Geheimdienste in dem
sogenannten Kampf gegen den Terror. In seinem Leitartikel in der Frankfurter Rundschau am 10.
Dezember 2013 schreibt Politik-Redakteur Viktor Funk: „Doch im Kampf gegen [den
internationalen Terrorismus] setzen ausgerechnet die alten Demokratien auf einen falschen Weg‟.42
Infolge der Bekämpfung des Terrors ohne tiefere Forschung in die Ursachen von extremistischem
Benehmen „führt das dazu, dass alle Bürger mutmaßlich schuldig sind‟.43 Hier ruft Funk die
Erinnerung an die westliche Bekämpfung der kommunistischen Kräfte vor den demokratischen
Aufbrüchen im Jahre 1989 hervor. Seiner Auffassung nach erinnert das Unschuldigsein, bis die
Unschuld bewiesen ist, „fatal an jene Regime, gegen die sich der Westen einst erhoben hatte‟.44
Hiermit könnte nicht nur das sowjetische Regime des Warschauer Paktes, sondern auch die
Geheimpolizei der ehemaligen DDR - das Ministerium für Staatssicherheit - gemeint sein. Funk
fordert dazu im Artkel einen neuen Ansatz zur Verhinderung von Extremismus mit besseren
Entwicklungschancen für mögliche Täter, mit dem „mehr Sicherheit und Freiheit [beginnen]. Nicht
42FUNK, Viktor: Leitartikel zur NSA-Affäre. Gefährliche Beschützer, in: Frankfurter Rundschau, 10.12.2013, online
zugreifbar unter: http://www.fr-online.de/datenschutz/leitartikel-zur-nsa-affaere-gefaehrliche-beschuetzer,
1472644,25583896.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
43 Vgl. ebd.
44 Vgl. ebd.
45 Vgl. ebd.
!23
Nach den Enthüllungen im Sommer 2013 wurde immer häufiger auch die „Freundschaft‟ mit den
USA in Frage gestellt, wie z.B. in dem durch Die Zeit Ende Oktober 2013 veröffentlichten Artikel
„Der Bruch‟ vom stelltvertretenden Ressortleiter Politik Heinrich Wefing: „Das, was einmal die
deutsch-amerikanische Freundschaft hieß, ist nur noch eine Erinnerung, eine politische
Beschwörungsformel, der die inhaltliche Substanz weithin abhanden gekommen ist, mitunter sogar
staatspolitische Heuchelei. [...] Wann [...] haben wir uns zum letzten Mal wie Freunde verhalten, wie
echte Freunde [...]? Das ist, recht betrachtet, lange her‟.46 Seine tautologische Wiederholung des
Begriffs „Freunde‟ betont die Ironie des Wortes im außenpolitischen Sinne. Wefing erklärt die
„Erinnerungen‟ an die „Freundschaft‟ mit den USA - die Berliner Luftbrücke, der Kennedy-Besuch
1963, und die Obama-Rede 2008 - eher als „Ausbrüche von Begeisterung und Heilserwartung‟.47
Auf amerikanischer Seite entstammen seinem Erachten nach die Wellen von Unterstützung während
und direkt nach dem Zweiten Weltkrieg und vor der Wende nicht „bloßer Menschenfreundlichkeit‟
sondern „Interessen‟.48 Der Autor argumentiert, Deutschland sei zum ersten Mal seit Kriegsende
den USA überlegen: „Wir können das besser, und wir sind besser‟.49 Aber: „Dort, wo es schmutzig
werden kann, [...] da ist Deutschland nicht souverän: beim Militärischen, bei den Geheimdiensten
[...]. Da will es nicht souverän sein. [...] Nun freilich erleben wir, [...] dass dieser Verzicht auf
Souveränität einen Preis hat‟.50 Deutschland sei nicht stark genug, die gegen die deutsche
46 WEFING, Heinrich: Der Bruch, in: Die Zeit, No. 45, 31.10.2013, S.3.
47 Vgl. ebd.
48 Vgl. ebd.
49 Vgl. ebd.
50 Vgl. ebd.
!24
verhindern. Wefing fordert die Bundesregierung zu einer stärkereren Position und Aufrüstung des
Landes gegenüber Amerikas Benehmen in Europa auf. Schließlich schreibt er: „Wir müssen nicht
Freunde sein. Es genügt, wenn Deutsche und Amerikanier kooperieren, verlässlich, und wenn sie
einander vertrauen‟.51
!
Eine Analyse der rhetorischen Strukturen in Wefings Artikel gibt dem Leser einen tieferen Einblick
Lesepublikum wirkt Wefing durch seinen Artikel als ein Sprachrohr für viele an außenpolitischem
Handeln interessierte Deutsche. Wefing beruft sich in diesem Text auf das Pathos der Leser mit dem
Auffassung nach keine solche Beziehung gebe. Er fordert sein Publikum auf, die deutsche
Überlegenheit über die Vereinigten Staaten anzuerkennen, anstatt ständig „[den] Preis‟ des
„Verzichts auf Souveränität‟ weiter zahlen zu müssen. Wefing bezieht sich dabei auf die
Behauptungen des US-amerikanischen Historikers Fritz Stern. Fritz Stern kommt in diesem
Zusammenhang eine besondere Rolle zu, da er nicht nur zum Nationalsozialismus geforscht hat,
sondern selbst als jüdischer Flüchtling aus Deutschland in die USA emigrierte. Das Abhören von
Bundeskanzlerin Merkels Mobiltelefon sei Sterns Auffassung nach ein „ungesetzliche[r], törichte[r],
kriminelle[r] Akt‟.52 Mit diesem Zitat will Wefing bei den Lesern stärkere Empörung hervorrufen.
!
Wefing appelliert in seinem Artikel kaum an den Logos. Der Artikel erscheint eher als eine Liste
rhetorischer Fragen als eine logische Argumentation gegen die sogenannte „Freundschaft‟ zwischen
51 Vgl. ebd.
52 Vgl. ebd.
!25
der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten. Der Begriff „Freundschaft‟ wird von Wefing nicht
erklärt, was die nun rahmenbedingungslosen Antworten zu seiner Frage „Wann [...] haben wir uns
zum letzten Mal wie Freunde verhalten, wie echte Freunde [...] ?‟ schwächt. Die Behauptung, dass
die Deutschen „besser‟ als die Amerikaner sind, gibt dem Artikel einen nationalistischen Unterton,
der mit einer rein logischen Analyse des heutigen Zustands der deutsch-amerikanischen Beziehung
nicht übereinstimmt. Während diese Aussagen für Wefing als stilistisches Mittel seines Journalismus
nützlich sein mögen, machen sie die NSA-Ausspähaffäre weiter zum Skandal und verstärken
!
Menschen
Durch die oben erläuterten Darstellungen des NSA-Skandals in den Plenarsitzungen des Deutschen
Bundestages und in den Medien wird der Eindruck erweckt, als ob alle Bürger in Deutschland von
Edward Snowdens Enthüllungen persönlich betroffen wären. Ob dies der Realität entspricht, kann
bezweifelt aber noch nicht abschließend entschieden werden. Aus diesem Grunde ist es wichtig zu
fragen, wie sehr die NSA-Affäre in der breiten Bevölkerung als Einschränkung der persönlichen
Privatsphäre eingeschätzt wird. In einer Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach
für die Zeitschrift WirtschaftsWoche stimmten 76 Prozent der Befragten mit der These überein, sie
fühlten sich „durch die Spähaktivitäten des US-Geheimdiensts NSA nicht bedroht‟.53 Dazu hielten
44 Prozent die Affäre als solche „für überbewertet‟, und weniger als ein Viertel der Befragten
fühlten sich wegen des NSA-Skandals „sehr besorgt‟.54 Einer Umfrage der Forschungsinstitut
53 o.A.: Umfrage. NSA bereitet Bundesbürgern kaum Sorgen, in: Handelsblatt, 02.11.2013, online zugreifbar unter:
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/umfrage-nsa-bereitet-bundesbuergern-kaum-sorgen/9019180.html,
letzter Zugriff am 14.02.2014.
54 Vgl. ebd.
!26
YouGov zufolge befürworten ca. 60 Prozent aller Deutschen Edward Snowdens Taten, „auch wenn
!
In einem persönlichen Gespräch mit Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender des Vereins
„Antistalinistische Aktion Berlin Normannenstraße‟ (ASTAK) e.V., erklärte Lippmann die NSA-
Affäre für eine „Medienveranstaltung [...] Die meisten Leute interessiere das Thema nicht. [...] Das
mit Snowden ist ein Skandal für Medienleute, nicht in der Bevölkerung‟.56 Allerdings haben die
Deutschen Lippmann zufolge „ein krankes Verhältnis zum Thema Geheimdienst‟, hauptsächlich
wegen der Erinnerungen an die Gestapo-Geheimpolizei aus der NS-Zeit. Den Fall Snowden
beschreibt er als „ganz einmalig, dass, egal wie man es moralisch bewertet, ob er Verräter oder
Whistleblower ist, dass jemand, der im Bruch des Eides - außerhalb eines Kriegfalls -
Dienstgeheimnisse preisgibt, und dass er als Held gilt und für den Nobelpreis vorgeschlagen wird.
Es ist völlig einmalig‟.57 Als gegensätzliches Beispiel nannte er den Fall Werner Stiller im Jahre 1979.
Werner Stiller wurde 1970 zum Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) des MfS und arbeitete neun Jahre für
die Stasi, wurde gleichzeitig Doppelagent für den westdeutschen Bundesnachrichtendienst (BND)
bis zu seiner Flucht in die BRD mit geheimen Unterlagen des MfS am 19. Januar 1979. Nach seiner
Ankunft in der Bundesrepublik ließ er durch sein Adressbuch viele Stasi-Offiziere im Ausland
enttarnen, die wegen Spionage ins Gefängnis kamen. Damals war aber die Stiller-Affäre kein
Medienereignis. Vor allem unterscheiden sich die „asymmetrische Reaktionen‟ auf diesen und den
Snowdon-Fall durch die Wahrnehmungen der Heimatländer der betroffenen Geheimdienste. Dass
55o.A. NSA-Skandal. Mehrheit der Deutschen befürwortet Snowdens Taten, in: Die Zeit, 08.07.2013, online zugreifbar
unter: http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-07/umfrage-yougov-snowden-deutsche, letzter Zugriff am 14.02.2014.
56Persönliches Gespräch mit Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender ASTAK e.V., geführt am 06.01.2014 im
Stasimuseum Berlin.
57 Vgl. ebd.
!27
kommunistische Länder ihre Einwohner ausspionierten, war unbestritten und zu erwarten, aber dass
ein demokratischer Geheimdienst wie etwa die NSA Ausländer und eigene Bürger abhört, sorgt für
Empörung.
!
Im Dezember 2013 wurde in über 30 regionalen und nationalen Zeitungen in Deutschland für mehr
Schutz gegen Missbrauch der technologischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte und für die
Verteidigung der „Demokratie in der digitalen Welt‟ appelliert.58 Mehr als tausend Schriftsteller und
politische Aktivisten aus mehr als 90 Ländern unterschrieben den Appell in der Frankfurter Allgemeine
!
„Wir fordern daher, dass jeder Bürger das Recht haben muss mitzuentscheiden, in
werden und von wem; dass er das Recht hat, zu erfahren, wo und zu welchem Zweck
seine Daten gesammelt werden; und dass er sie löschen lassen kann, falls sie illegal
Wir rufen alle Staaten und Konzerne auf, diese Rechte zu respektieren.
Wir rufen die Vereinten Nationen auf, die zentrale Bedeutung der Bürgerechte im
einzuhalten‟.59
58o.A. Demokratie im digitalen Zeitalter. Der Aufruf der Schriftsteller, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.2013,
online zugreifbar unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/autoren-gegen-ueberwachung/demokratie-im-
digitalen-zeitalter-der-aufruf-der-schriftsteller-12702040.html, letzter Zugriff am 14.02.2014.
59 Vgl. ebd.
!28
Auch in die tageszeitung ließen ehemalige DDR-Bürgerrechtler, unter ihnen zwei Mitglieder des
Demokratischen Aufbruchs, dessen Pressesprecherin Angela Merkel 1989 bis 1990 war, einen Appell
veröffentlichen („Halten wir die Demokratie am Leben!‟). In dem Appell erinnerten sich die
Unterzeichnenden an den Geheimdienst der DDR als die „übelste Frucht der Diktatur. [...] wir
haben erlebt, dass man eine Diktatur beenden kann, dann werden wir doch eine Demokratie am
Leben erhalten können‟.60 Die NSA-Affäre hat vor allem Aktivismus für ein bestimmtes
Bewusstsein von dem Zustand der Demokratie im Zeitalter des Internets erweckt. Dass nun
häufiger über digitale Rechte gesprochen wird und eine mögliche UN-Konvention öffentlich
debattiert wird, zeigt inwiefern die Sorgen um die Privatsphäre auf die Ebene der intransparenten
!
3.2. Die Stasi-Vergangenheit und deren Zusammenhang mit dem NSA-Skandal
Obwohl direkte Vergleiche zwischen der Stasi und der amerikanischen National Security Agency im
abgelehnt wurden, lassen sich einige Ähnlichkeiten in den Praktiken der beiden Organisationen
beobachten. Erstens sind oder waren beide Organisationen Teil der nationalen
Staatssicherheitsapparaten, d.h. sie dienen den Sicherheitsinteressen des Staates durch Zuhilfenahme
von verhältnismäßig fortgeschrittenen Technologien. Zweitens betreiben bzw. betrieben NSA und
Stasi als Geheimdienste Abhöraktivitäten, verdeckte Operationen und andere Formen von Spionage
im Ausland, um dem Staat relativen inneren Frieden zu gewähren - auch wenn dies unterschiedlich
ausgelegt werden kann. Und zuletzt ergeben sich strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den beiden
Organisationen. In einem Gespräch mit Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender des ASTAK e.V.
in Berlin, ging es u.a. darum, welche Aufgaben der NSA denen der unterschiedlichen Abteilungen
60FROMM, Anne: DDR-Bürgerrechtler gegen NSA. Die freie Gesellschaft ist bedroht, in: taz.de, 05.12.2013, online
zugreifbar unter: http://taz.de/DDR-Buergerrechtler-gegen-NSA/!128851/, letzter Zugriff am 14.02.2014.
!29
des MfS entsprechen würden. Laut Lippmann entspreche das MfS „NSA, CIA, FBI, alle[m] auf
einmal, auch [dem] Secret Service‟.61 Als strukturelles Analogon nennt er folgende Stasi-
Abteitungen: Abteilung XI (ZCO, das Zentrale Chiffrierorgan, zuständig für Kryptologie), Abteilung
XII (zentrale Auskunft/Speicher, also das Archiv), Abteilung XIII (EDV, elektronische
!
„Die NSA ist ein funkelektronischer Aufklärungsdienst und nur ganz am Rande
Geheimpolizei. Also [die] NSA hat zwar Verhaftungskommando, aber das ist nicht
mathematik und -technik [...] Chipsentwickler sind auch dabei, es dürfte kaum eine
große Firma in den USA geben, die nicht mit der NSA zusammenarbeitet, nicht alle
aber von denen, die etwas herstellen, nicht diese kleine Firmen die irgendwelche
zusammen. [...] Sie haben diese Aufgaben, und dort fließt das Geld‟.63
!
Aber nur oberflächlich können NSA und Stasi verglichen werden. Die Tätigkeiten der
erinnerungsbedingte Ziele. Erstens bediente die Stasi als „Staat im Staate‟ die Wünsche der
absichtlich als Konsequenz der Erinnerungen an die Verbrechen der Gestapo dezentralisiert
organisiert und von den Gerichten kontrolliert wurden.64 Im Vergleich zur Stasi wurde die NSA
1981 durch Executive Order (Anordnung des Präsidenten) mit den folgenden Zielen beauftragt:
!
• „Collect (including through clandestine means), process, analyze, produce, and disseminate signals
intelligence information and data for foreign intelligence and counterintelligence purposes to
• Act as the National Manager for National Security Systems as established in law and policy, and in
this capacity be responsible to the Secretary of Defense and to the Director, National Intelligence;
• Prescribe security regulations covering operating practices, including the transmission, handling,
and distribution of signals intelligence and communications security material within and among
the elements under control of the Director of the National Security Agency, and exercise the
!
Der US-Kongress hat Kontrollhoheit über den amerikanischen Staatssicherheitsapparat und die
NSA. Im Gegensatz dazu wurde das Ministerium für Staatssicherheit im Februar 1950 per Gesetz
ohne Etablierung einer Kontrollinstanz - außerhalb des Politbüros der SED - gegründet. Im kurzen
!
64 Persönliches Gespräch mit Bernd Lippmann, 06.01.2014 in Berlin.
65NATIONAL SECURITY AGENCY; CENTRAL SECURITY SERVICE: Mission, 15.01.2009, online zugreifbar
unter: http://www.nsa.gov/about/mission/index.shtml, letzter Zugriff am 29.03.2014. Die ganze Executive Order
(Anordnung des Präsidenten) 12333 - United States intelligence activities ist online zugreifbar unter: http://
www.archives.gov/federal-register/codification/executive-order/12333.html.
!31
§1
Die bisher dem Ministerium des Innern unterstellte Hauptverwaltung zum Schutze
umgebildet. Das Gesetz vom 7. Oktober 1949 über die Provisorische Regierung der
§2
!
Hier ergeben sich keine politischen Möglichkeiten, das MfS zu beaufsichtigen. Als „Schild und
Schwert der Partei‟ arbeitete die Stasi nur zugunsten des Staates, was sich auch gegen das eigene
Volk richten konnte. Erinnerungen an Bespitzelungen durch enge Vertrauten, Nachbarn und
Familienmitglieder, die als Inoffizielle Mitarbeiter oft gegen den eigenen Willen bei der Stasi tätig
waren, sind noch frisch. In welcher Form und auf welche Weise solche Erinnerungen noch in der
Zukunft lebendig gehalten werden, also Eingang ins kulturelle Gedächtnis finden, möchte ich im
Folgenden zeigen, indem ich Beispiele aus deutschen Parlamentsreden nach der Wiedervereinigung
im Jahre 1990, in den Medien, und nach wie vor von Menschen wie Bernd Lippmann untersuche.
!
Regierung
Für die Bundesregierung spielt heute die Stasi-Vergangenheit in Deutschland eine so große Rolle wie
kaum ein anderes Ereignis in der Nachkriegsgeschichte. Mit der Entwicklung des NSA-Skandals im
o.A.: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950, 21.02.1950, online zugreifbar unter: https://
66
Sommer 2013 war häufiger von der Stasi die Rede, denn viele Spitzenpolitiker, darunter
Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck, waren von den Aktivitäten des
Ministeriums für Staatssicherheit persönlich betroffen. Horst Kasner, Vater von Kanzlerin Merkel,
wurde vermutlich während seines Dienstes als Pfarrer in Templin in der Uckermark von Inoffiziellen
Mitarbeitern ausspioniert. Für die Gründung einer eigenen Kirchenorganisation in der DDR wurden
der Pastor und seine Familie 1957 nach Templin geschickt. Schon Oktober 1960 wurde in der DDR-
Volkskammer bestimmt, „dass ,Christentum und die humanistischen Ziele des Sozialismus keine
Gegensätz sind.‛‟67 Im Laufe von Kasners Aufgabe, diese kirchenpolitischen Ziele in der Uckermark
!
„Sicherlich war auch eine gewisse Naivität im Spiel. [...] So ahnte er wahrscheinlich
nicht einmal, dass ihn die Bezirksleitung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)
Skizzen der Räumlichkeiten erstellt. Nichts blieb dem Geheimdienst verborgen: Wer
zu Kasner zu Besuch kam und wer an seinen Rüstzeiten teilnahm, wurde penibel
registeriet und ausgeforscht. Und auch er selbst stand unter ständiger Beobachtung
des Geheimdienstes‟.68
!
Als Angela Merkel sich später als Physikerin und bei der staatlichen Technischen Hochschule in
Ilmenau um eine Position als wissenschatliche Mitarbeitern bewarb, wurde ihr einen Arbeitsplatz im
67Zitiert von: REUTH, Ralf Georg; LACHMANN, Günther: Das erste Leben der Angela M. 1. Aufl. München : Piper
Verlag, 2013. S. 25.
68 Vgl. ebd. S. 26-27.
!33
MfS angeboten. Dies lehnte sie sofort ab - und sie bekam am Ende den Platz an der Hochschule
nicht.69 Sie wurde im Laufe ihrer Karriere als Wissenschaftlerin ständig von der Stasi überwacht,
aber sie blieb in allen Situationen zurückhaltend und machte wenige persönliche Informationen
freiwillig bekannt. Merkel fuhr täglich mit einem IM des MfS zur Arbeit bei der Akademie der
Wissenschaften der DDR in Ost-Berlin, der nicht vieles über seine Mitfahrerin bei dem Stasi-
Hauptquartier in der Normannenstraße zu berichten hatte: „Not even the Stasi informer who used
to pick her up on the way to work could find anything more compelling about Angela Merkel to
bathrobe, saying goodbye at her open door. [...] it stands to reason that a woman whose car-pool
partner reported her lovers, real or invented, to the secret police is not likely to open that door again
to many people‟.70
!
Auch der jetzige Bundespräsident Joachim Gauck wurde von den Abhöraktivitäten der Stasi
persönlich betroffen. Als Jugendpfarrer in der Stadt Rostock in den 1980er Jahren wurde Gauck
durch den operativen Vorgang (OV) „Larve‟ bespitzelt, weil er eine vermutlich staatsfeindliche
Gefahr für die Kinder im Sozialismus darstelle. Stasi-IM wurden beauftragt, falsche Geschichten
über seine angebliche Untreue in Kollegenkreisen zu verbreiten - dies führte schließlich zu seinem
Amtsrücktritt im Sommer 1985 und der Aufnahme einer neuen Position im Rostocker Kirchentag.
Während der letzten fünf Jahren der DDR versuchte die Stasi, Gauck als IM anzustellen, ein
69 o.A.: Angela Merkel 'turned down' job from Stasi, in: The Telegraph, 20.05.2009, online zugreifbar unter: http://
www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/germany/5351229/Angela-Merkel-turned-down-job-from-Stasi.html,
letzter Zugriff am 04.04.2014.
70KRAMER, Jane: The Rise of Angela Merkel. Will Germany have a woman chancellor?, in: The New Yorker,
19.09.2005, S. 50.
!34
Angebot, das er wie Angela Merkel ablehnte.71 Nach der Wende 1990 wurde Gauck zum ersten
Beauftragten für die Bearbeitung der Stasi-Unterlagen (BStU, formell dem Bundesbeauftragten für
vom Bundestag ernannt. In dieser Rolle war er bis seiner Ablösung durch Marianne Birthler im Jahre
2000 für die Archivierung der erhaltenen Unterlagen aus den Büros des MfS in der ganzen DDR
15. Januar 1990 wurden viele Dokumente verbrannt oder im Reißwolf vernichtet, aber Millionen
von Akten wurden dieses Schicksal gespart. Über eine unfassbar große Menge von Akten und
!
„Etwa 111 Kilometer Schriftgut in Papierform, darunter ca. 40 Millionen
sowie über 15.000 Säcke und andere Behältnisse, in denen noch Hunderttausende
!
Der BStU und seine Außenstellen in den ehemaligen Bezirken der DDR streben das Ziel an, dass
„Jeder Betroffene [...] das gesetzliche Recht auf Einsicht in seine Akten erhalten [soll]‟.73 Er soll die
71CRAWFORD, David: Joachim Gauck und der OV „Larve‟, in: Wall Street Journal Deutschland, 18.03.2012, online
zugreifbar unter: http://www.wsj.de/article/SB10001424052702304692804577287201333677394.html, letzter Zugriff
am 05.04.2014.
BStU: Elfter Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
72
Deutschen Demokratischen Republik für die Jahre 2011 und 2012. 1. Aufl. Berlin : BStU, 2013. S. 13.
73BStU: Aufgaben, Geschichte und Struktur, online zugreifbar unter: http://www.bstu.bund.de/DE/
BundesbeauftragterUndBehoerde/AufgabenUndStruktur/_node.html, letzter Zugriff am 04.04.2014.
!35
über die SED-Diktatur beibringen. Am wichtigsten ist, dass „Die Arbeit der BStU [dazu beiträgt],
die Erinnerung an die SED-Diktatur, an ihre Opfer, aber auch an Opposition und Widerstand gegen
das System wach zu halten. So werden Erinnerung und Information an die Stelle von Vergessen,
Verschweigen und Verklärung gesetzt‟.74 Dies wird durch Veranstaltungen, Privatführungen und
!
Ähnlicherweise werden Erinnerungen an den Alltag des MfS in dem vom Berliner
Stasi-Hauptquartiers in der Normannenstraße am Leben gehalten. Das Museum wird von dem
ASTAK e.V., dessen Vorstandsvorsitzender der obengennante Bernd Lippmann ist, als Forschungs-
und Gedenkstätte geführt. Im ehemaligen „Mielke-Etage‟ des Hauses werden Zimmer nach bestem
Können im originellen Zustand aufrechterhalten, um Besucher ein präzises Bild des Alltags im
Bundestags im Juni 1998, wurde das Haus zu einem Symbol des „Sieges der friedlichen Revolution
in der DDR und [der] Aufarbeitung der Geschichte des MfS‟ ernannt.75
!
Zusätzlich wird seit dem Jahre 1998 eine Gedenkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt
Berlin-Höhenschönhausen vom Bund im Zusammenhang mit dem Land Berlin gefördert. Die Idee,
das ehemalige Gefängnisareal unter Denkmalschutz zu stellen, entstand schon kurz nach der Wende
und wurde von ehemaligen Inhaftierten unterstützt. Mit ihrer zentralen Ort in Ost-Berlin wirkt die
74 Vgl. ebd.
75DEUTSCHER BUNDESTAG: Schlußbericht der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur
im Prozeß der deutschen Einheit‟. BT-Drucks. 13/11000, Berlin, 10.06.1998, S. 239.
!36
Gedenkstätte als oberstes Denkmal an die Opfer der kommunistischen SED-Diktatur.76 Während
einer Führung durch die ehemalige Haftanstalt im Juli 2011 wurde mir erklärt, dass die um das
Gefängnis anwohnenden Bürger sich der Existenz der Stasi-Operationen in der unmittelbaren Nähe
unbewusst waren, denn das Areal wurde als eine Molkerei getarnt. Erst in den frühen 1990er Jahren
wurde festgestellt, dass die Gebäuden dem MfS gehörten. Die Gedenkstätte strebt das Wachhalten
der Erinnerungen an die geistige und physische Folter der Stasi durch die Einstellung ehemaliger
Gefangene als Museumsführer an, deren Geschichten einen Beitrag zum kommunikativen
Gedächtnis zuwenden.
!
Medien
Im Laufe meiner Forschung stieß ich auf wenige zeitgenössische Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel
über den ostdeutschen Geheimdienst in Publikationen sowohl aus der BRD als auch aus der DDR.
Nur am Ende der DDR-Geschichte in den frühen 1990er Jahren wurde viel über die Stasi und deren
Ausspähaktivitäten aufgedeckt oder geschrieben. Mehr als die Hälfte der Zeit-Artikel, die in
irgendwelcher Form die Stasi erwähnen und zwischen dem 08. Februar 1950 und dem 03. Oktober
1990 erschienen, wurden erst ab dem Jahre 1990 veröffentlicht. Fast die restlichen erschienen in den
späten 1980er Jahren. In der neunten Zeit-Ausgabe im Jahre 1979 erschien der Artikel „Spitzel, Stasi
und Spione‟, der das westdeutsche Publikum Einblicke in die Arbeit des MfS gibt. Ganz am Anfang
!
„Ubiquität, die göttliche Art des HERRN, allgegenwärtig zu sein, ist im Zeitalter der
!
„Die Damen und Herren vom Ostberliner Ministerium für Staatssicherheit [...] und
!
Der Autor Michael Naumann erweitert seine Erklärung der weitreichenden Arbeit der Stasi mit
„Verrats“-fälle und nennt das Beispiel Werner Stiller, das auch Bernd Lippmann wie oben erklärt
erwähnte. Dies stellte aber im Vergleich zur NSA-Affäre keinen wesentlichen Skandal dar: „Für die
Deutschen hingegen klingen die endlosen Zahlenkolonnen, die für jedermann hörbar auf der
Mittelwelle aus dem Ostblock zur Information und als Dienstanweisung hiesiger Agenten gesendet
werden, keineswegs skandalös, sondern eher wie die abstrusen Gewinnziffern einer exotischen
Lotterie, also uninteressant“.79 Naumann zitiert auch die DDR-Tageszeitung Neues Deutschland - ein
Organ der SED - um zu zeigen, inwiefern die Stasi dem Volk die Ideologie des Staates aufzwang:
„tatsächlich schilderte das Neue Deutschland [...] am 12. Februar 1970 unter der
Überschrift ,Klassenbrüder, die Liebe und Vertrauen genießen‛ einen Besuch des MfS-Chefs Mielke
77NAUMANN, Michael: Spitzel, Stasi und Spione. Gefürchtet und erfolgreich: Das DDR-Ministerium für
Staatssicherheit, in: Die Zeit, 23.02.1979, online zugreifbar unter: http://www.zeit.de/1979/09/spitzel-stasi-und-spione/
komplettansicht, letzter Zugriff am 05.04.2014.
78 Siehe Anhang 2: Struktur des MfS.
79 Vgl. ebd.
!38
der Kampfgruppe und Kameraden der GST mit einem donnernden Hurra.‛ Soviel Zuneigung ist
dem Ehrenvorsitzenden von ,Dynamo Berlin‛ nicht immer zuteil geworden. Im Gegenteil.“80
!
Nach dem Ansturm an den Stasi-Hauptquartier in der Normannenstraße im Januar 1990 kamen die
Themen Staatssicherheit und Geheimdienst auf schnelle Weise in den Schlagzeilen. Schon
Dezember 1989 ahnte man durch die Medien, dass die Stasi im Zerfall war. Am 15. Dezember 1989
erschien in Der Zeit der Artikel „STASI im Reißwolf“, in dem erklärt wurde, dass Stasi-Mitarbeiter
Akten von der Arbeit mit nach Hause nahmen, um sie entweder zu verbrennen oder zu zerstören.
Laut dem Artikel war „Die Regierung [...] vollauf damit beschäftigt zu verhindern, daß die Existenz
des ehemaligen Unterdrückungsapparates zum entscheidenden Risiko für den Reformprozeß in der
DDR [wurde]“.81 Um sich an der Stasi für die Verbrechen der Vergangenheit zu rächen, anstatt eine
gewaltige Revolution einzuleiten „[...] beschränk[t]en sich selbsternannte Kontrolleure aus dem Volk
darauf, die Vernichtung verräterischer Stasi-Dossiers zu verhindern“.82 Der Artikel zeigt auch die
ursprüngliche Verwirrung unter den DDR-Bürgern, als sie in Städten wie der thüringischen Suhl und
in Leipzig die Gebäude des Geheimdienstes betraten und die Kontrolle übernahmen:
!
„Am Bezirksamt für Nationale Sicherheit am Dittrichring angekommen, erscheint
plötzlich ein halbes Dutzend Menschen auf einem Balkon über dem Portal. ,Wir,
fünf Mitglieder der demokratischen Gruppen Leipzigs, haben vor einer halben
80 Vgl. ebd.
81BAEHR, Vera-Maria; GEHRMANN, Wolfgang; KRUSE, Kuno; SCHWELIEN, Michael: STASI im Reißwolf, in: Die
Zeit, 15.12.1989, online zugreifbar unter: http://www.zeit.de/1989/51/stasi-im-reisswolf/komplettansicht, letzter
Zugriff am 05.04.2014.
82 Vgl ebd.
!39
„Wie erstarrt bleibt die Menge stehen. Einen Augenblick lang ist es bedrohlich still.
In diese streng bewachte Aktengruft des Spitzelstaates einzudringen, wie ist das
möglich? Der Redner muß wiederholen: ,... unter unser Kommando zu stellen‛.
Bürgerkomitee auf dem Balkon der Terrorzentrale vorbei. Abertausende biegen links
in die Kleine Fleischergasse ein. Die Massen umschließen den riesigen Häuserblock
!
Diese Geschichte zeigt die Macht der Menschen gegen den Terror, eine wichtige Erinnerung für die
200.000 Leipziger, die an dem historischen Tag eine Rolle spielten. Die Kraft dieser Botschaft
besteht in dem Glauben an der Demokratie und die Hervorrufung der Erinnerung an den Spruch
„Nie wieder!‟, der eng im Zusammenhang mit dem Ende des faschistischen Terrors während des
!
Menschen
Für viele Deutschen dient das MfS als ein Erinnerungsort im gesamtdeutschen kollektiven
Gedächtnis, denn Millionen von ehemaligen DDR-Bürgern wurden von den Abhöraktivitäten der
Stasi und deren Nachbarn, die oft als Inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Stasi tätig waren, persönlich
betroffen. Als das Ende der DDR 1989 näherrückte und der ostdeutsche Geheimdienst der
Demokratisierungswelle in den Ländern des Warschauer Paktes zum Opfer fiel, jubelten die Bürger
83 Vgl. ebd.
!40
„Deutlicher konnte man nicht zum Ausdruck bringen, daß SED und Staatssicherheit
zusammengehörten und daß der Untergang der einen auch das Ende der anderen
bedeutete. Zugleich wurde sichtbar, wie stark in vier Jahrzehnten die Arbeit der
!
Bernd Lippmann, Vorstandsvorsitzender des ASTAK e.V., hatte selbst den Terror des MfS
miterlebt. In den frühen 1970er Jahren gab er eine Kopie des Buches Farm der Tiere vom englischen
Autor George Orwell und anderen Werke von Ralph Giordano an jemanden weiter. Giordano war
Sohn eines sizilianischen Vaters und einer jüdischen Mutter und wuchs in Deutschland auf. Er
überlebte den Zweiten Weltkrieg in einem Keller eines Freundes und wurde später zum Kritiker des
Kommunismus. Für das Weitergeben dieser Texte wurde Lippmann im Jahre 1974 verhaftet und ihm
wurde eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Nach seinem Freikauf von der BRD 1975
siedelte er nach West-Berlin um. In seiner Freizeit als Mathematiklehrer studiert er die
Chiffriertechnik des MfS, was zur Veröffentlichung seiner Arbeit um „Das Chiffrierwesen des
Ministeriums für Staatssicherheit der DDR‟ im Jahre 2004 führte. In seiner Schule hat Lippmann ein
Projekt mit Abiturienten begonnen, durch das Schüler archivarische Forschungserfahrung in den
Stasi-Akten beim BStU zu Themen u.a. in der Religion, Mathematik und Naturwissenschaften
STEINBACH, Peter: Die Stasi, in: FRANÇOIS, Etienne; SCHULZE, Hagen (Hrsg).: Deutsche Erinnerungsorte. 1.
84
gewinnen können. Diese Arbeit gilt in Berlin als die sogenannte „5. Prüfungskomponente‟.85
Insgesamt helfen die Projekten den Schülern, die Erinnerungen an die Stasi sowohl im kurzfristigen
!
In seiner Rolle als ASTAK-Vorstandsvorsitzender versucht Lippmann mit seinen Arbeitskollegen,
die Erinnerungen an die Opfer des MfS und die Freiheitskämpfer, die sich gegen die Stasi vom
innen wie auch vom außen wehrten, wach zu halten. Im Jahre 2013 veröffentlichte Lippmann einen
Band von Aufsätzen im Gedenken an Melanie Weber (geb. 1931, gest. 2011). Weber hatte 1968 mit
Fotografien von verbannten Büchern vom Westen nach Ost-Berlin geschmuggelt. Von ihren
Aktivitäten wusste die Stasi erst nichts, aber als sie in den frühen 1970er Jahren Kontakt mit dem
Freundeskreis um Bernd Lippmann aufnahm, wurde Weber mehrmals zu Verhören gezwungen. Als
sie 35 Jahre alt wurde, erkrankte sie an Krebs und wurde zur Invalidenrenterin erklärt, weshalb sie
eine Ausreisebewilligung bzw. einen Reisepass bekam. Nach der Verhaftung von einigen ihrer
Freunde nach einem gescheiterten Fluchtversuch bekam sie Angst, dass die westdeutsche Regierung
von der Gefangenschaft dieser Individuen nichts hören würde.86 Mit ihrem Pass reiste sie in die
BRD mit Listen von Gefangenen, die möglicherweise keine Verwandten in der DDR hatten. Die
Liste gab sie an Bekannte in Stuttgart weiter. Durch ihre Anstrengungen kamen mindestens vierzehn
Häftlinge mit einem Freikauf vom Westen schneller frei. Der damalige sächsische
Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, Lutz Rathenow, nannte Weber nach ihrem Tod an einer
!
„Ihr Beispiel zeigt, wie auch der Einzelne – ohne Beziehungen und Einfluss – sehr
wohl Einfluss nehmen konnte auf die Gesellschaft, sogar unter den schwierigen
Lebensmut stärken kann. Die Freunde und Bekannten sind sich einig: Melanie Weber
war etwas Besonderes und ihre Stimme wird fehlen. Für mich ein Grund mehr,
erinnert werden, die für ihre Freiheit kämpften. Melanie Webers Geschichte würde
!
An Melanie Weber wird von vielen wegen ihres zugleich kleinen aber wesentlichen Beitrags zum
Kampf gegen die Unfreiheit erinnert. Ursula Albers schreibt in Lippmanns Nachruf an Weber:
„Klein, querköpfig, streitbar, aber auch hart und verwundbar, ein Mensch mit innerer Kraft, der sich
selbst aufzehrte. So bleibt sie in meiner Erinnerung“.89 Daniela Bernhauer nannte sie „die mutige
Kämpferin wider dem Vergessen. [...] blitzgescheit und mutig, manchmal nervig und anstrengend,
immer liebevoll und unglaublich zäh. Sie war und ist mein Vorbild. Meine Ersatzmutti - und für sie
war ich ,wie eine Tochter‛...“.90 Und laut Dieter Drescher war Weber „die zerbrechlich wirkende
87 RATHENOW, Lutz: Nachruf auf Melanie Weber, 21.06.2011, online zugreifbar unter: http://www.justiz.sachsen.de/
lstu/content/1185.php, letzter Zugriff am 05.04.2014.
88 Vgl. ebd.
89 LIPPMANN, Bernd: Melanie Weber. Ein Nachruf. S. 41.
90 Vgl. ebd. S. 42-43.
!43
Frau aus der Provinz, die unverkennbare Sächsin, die nichts mehr hasste als das Provinzielle im
Denken und das tatenlose Hinnehmen unabänderlich erscheinender Verhältnisse. [Sie] duckte sich
[...] im angeblichen Staate der Arbeiter und Bauern nicht einfach weg vor den Stiefeln der Tyrannen
[...]. Sie half vielmehr Nahestehenden und Unbekannten handfest aus der Not - stets in Gefahr, dass
!
Der Band sammelt höchst persönliche Erinnerungen von einer Frau, die alles tat, um anderen zu
helfen, und stellt einen bedeutenden Beitrag zum kulturellen Gedächtnis dar. Als Teil der
E r i n n e r u n g s l i t e r a t u r w i r ke n d i e g e s a m m e l t e n G e d e n ke n a n We b e r i n e i n e r
kämpfen gegen die Angst vor dem Vergessen und leisten einen Beitrag dazu, die einst ungehörten
Meinungen über einer engagierte Frau aus dem kommunikativen ins kulturelle Gedächtnis zu
Formen vorzustellen, wären solche Erinnerungen wie die verbrannten Akten des MfS verloren
gegangen.
!
Hier mache ich einen Übergang zu einem anderen Thema, um weitere Beispiele zur Rolle der
ich die Geschichte der deutsch-türkischen Beziehung vor und zeige, ob und wie die Erinnerungen
an die türkische Arbeitsmigration nach Deutschland in den 1960er und 1970er Jahren heutige
Gespräche über den möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union beeinflussen.
!
!
91 Vgl. ebd. S. 49.
!44
4. Deutsch-türkische Beziehungen
Die Beziehung zwischen den Staaten, die heute „Deutschland‟ und „die Türkei‟ heißen, hat eine
sehr lange und sehr komplexe Geschichte, deren Wurzeln sich in der Frühzeit des Osmanischen
Reiches befinden. Teils partnerschaftlich, teils als Gegner kämpften die Osmanen gegen, und später
mit, den Staaten des Heiligen Römischen Reiches und denen seines Nachfolgers. Durch die Wiener
Türkenbelagerungen im Jahre 1529 und später im Jahre 1683 mit dem Schlacht am Kahlenberg
entstand eine mythologische Angst in deutschsprachigen Raum vor den Türken, die in
sehen wir die Grundlage für die deutsche Vorsicht im Umgang mit türkischen Gastarbeitern und die
!
Am Ende des 19. Jahrhunderts nahm das deutsche Kaiserreich neue wirtschaftliche Beziehungen
mit dem Osmanischen Reich durch die Finanzierung der Baghdadbahn durch Anatolien auf. Mit
dem Ölfund in Richtung Irak gewann die Bahnstrecke von Istanbul nach Baghdad für die Deutsche
Bank deutlich an wirtschaftlicher Bedeutung. Im Jahre 1912 wurden der Deutschen Bank
Erdölkonzessionen entlang der Bahnstrecke als Entlohnung für den Bau der Eisenbahn
gewährleistet.93 Zwei Jahre später mit dem Anfang des Ersten Weltkriegs verbündeten sich die
Osmanen mit den Deutschen und dem Österreichisch-Ungarischen Reich, wodurch eine stärkere
militärische Beziehung entstand, zu Ungunsten des Osmanischen Reiches, das nach dem
Kriegsverlust 1918 im Jahre 1922 zerfiel. Dessen Nachfolger, die Republik Türkei, hielt das
diplomatische Verhältnis zur Weimarer Republik in der Zwischenkriegszeit aufrecht bis zum
deutschen Unterzeichnen des Nichtangriffspaktes unter Adolf Hitler mit der UdSSR 1939. Die
Persönliches Gespräch mit Eric Langenbacher, Visiting Assisstant Professor/Director of Honors Program,
92
Türkei äußerte sich für neutral im Laufe des Krieges und erklärte erst im Jahre 1945 Krieg gegen die
Achsenmächte Deutschland und Japan. Nach Kriegsende tritt die Türkei als eins der
Gründungsländer der Vereinten Nationen bei. Mit der Aufnahme von Gesprächen über ein
!
4.1. Aktuelle Entwicklungen und Meinungen: Türkischer Beitritt zur EU
Zum Zweck dieser Arbeit werde ich hauptsächlich die Beziehung Deutschlands mit der Türkei im
Rahmen der Arbeitsmigration ab den 1960er Jahren und im Rahmen der Europäischen
wirtschaftlichen Sinne, weil m.E. die wichtigsten Entscheidungen in den Verhandlungen zum
Anwerbeabkommen 1961 und dem türkischen Beitritt sowohl zur EWG als auch zur EU auf
wirtschaftliche Bedürfnisse auf türkischer und auf europäischer (oder deutscher) Seite beruhen.
Nicht zu ignorieren aber sind verteidigungspolitische, kulturelle und geographische Erwägungen, die
!
In letzter Zeit wird häufig debattiert, welche Rolle die Türkei in Europa spielen soll, oder ob das
Land überhaupt zu Europa gehört. Im Jahre 2004, kurz vor der Aufnahme von Gesprächen über
den türkischen Beitritt zur EU, veröffentlichte der Politikwissenschaftler Claus Leggewie den Band
Die Türkei und Europa, in dem es um die zeitgenössischen Positionen in der wissenschaftlichen
Gemeinschaft zum Status der Türkei ging. Viele Argumentationen beziehen sich auf 'europäische'
Werte, die geteilte Religionsgeschichte Europas und kulturelle Unterschiede zwischen der Türkei und
„Europa‟, sowie auf wirtschaftliche Chancen und geographische Bedingungen, die eine Aufnahme
der Türkei in die Europäische Union erschweren oder erleichtern könnten. Wie hier deutlich wird
ähneln viele dieser Behauptung en den zeitg enössischen Debatten zum EWG-
!46
Assoziierungsabkommen 1963 bzw. zum Anwerbeabkommen mit der BRD im Jahre 1961. Im
Folgenden werde ich durch ein paar Einblicke in diese Diskussion zeigen, welche Gründe - darunter
!
Wissenschaftlicher Diskurs
In dem von Leggewie herausgegebenen Band erklärt der irische Schriftsteller Colm Tóibín: „Es gibt
[...], ‟ denn „keiner von uns ist [...] imstande, eine [...] Identität als Europäer in sich zu entwickeln‟. 94
Tóibín vergleicht die Wirtschaftsbedingungen Irlands in den frühen 1960er Jahren, kurz vor dem
„Irland war ein Agrarland, katholisch und konservativ, repressiv und mit einer sehr
gegenüber einem Teil der Territoriums seines nächsten Nachbarn. Das heißt, sie
Hier sehen wir deutliche Parallelen zwischen dem damaligen Entwicklungsstand Irlands und dem
heute vor allem im Osten der Türkei nahe der Grenze zum Irak, Iran und Syrien. Tóibín schließt
also, dass die Argumente gegen einen türkischen Beitritt zur EU „sich 1973 ebensogut gegen die
Republik Irland anführen lassen [hätten]‟.96 Zur Furcht vor einer Arbeiterauswanderungswelle aus
TÓIBÍN, Colm: Europäische Identität? Oder: Was Irland mit der Türkei verbindet, in: LEGGEWIE, Claus (Hrsg.):
94
Die Türkei und Europa. Die Positionen. 1. Aufl. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2004. S. 23-24.
95 Vgl. ebd. S. 24.
96 Vgl. ebd. S. 26.
!47
der Türkei äußert er: „Auch [die irische] Arbeiterschaft wanderte bei jeder Rezession - nach
Großbritannien oder in die Vereinigten Staaten - aus‟. Und zur Angst vor der Islamisierung Europas
entgegnet Tóibín den Ablehnern der Türkei: „Europa hatte eine Renaissance, eine Reformation, [...]
eine industrielle Revolution. Die Entwicklung des Islams ist dagegen langsamer und weniger
durchschaubar vonstatten gegangen [...] Zwar schenkte uns das Christentum die herrlichen
romanischen und gotischen Kirchen [...] aber es bescherte uns auch die Grausamkeit der Inquisition,
die Greuel der Kolonisation, und [...] lieferte uns die ideologische Rechtfertigung für die Ermordung
nahezu der gesamten jüdischen Bevölkerung Europas‟.97 Er argumentiert, der Vergleich des Islams
mit den „Unmenschlichkeiten‟ des Christentums sei nicht vertretbar. Die Religion soll seiner
Meinung nach keine politische Rolle in der säkularen Europäischen Union spielen.
!
Dagegen bestreitet der deutsche Soziologe und FAZ-Redakteur im Ressort Geisteswissenschaften
Lorenz Jäger, dass Kultur - worunter Religion auch zu verstehen ist - eine entscheidene Rolle in der
Menschenrechte und eine[r] funktionierenden Marktwirtschaft‟ in vielen Fällen für unlogisch: „nicht
jedes Land, das sich auf Menschenrechte und Marktwirtschaft verpflichtet, ist deshalb schon
europäisch [...]‟98 Jäger lehnt weitere militärische oder geographische Verteidigungen eines
türkischen EU-Beitritts ab zugunsten einer kulturellen Argumentation: „Wer Sibelius hört und
Puccini, der weiß, wie weit Europa reicht. [...] Auf keiner der möglichen kulturellen Karten Europas
!
Diese Beispiele zeigen, welche Rolle die im 16. Jahrhundert entstandene Mythologie der
Türkenfurcht noch in der Gegenwart spielt. Außerhalb dieses kulturellen Kontexts befürworten
manche Ökonomen und Journalisten einen Beitritt der Türkei zur EU aus einer praktischeren,
Dezember 2002 den Artikel „Turkey belongs in Europe‟,100 in dem erörtert wurde, dass eine
Mitgliedschaft in der Europäischen Union sich auf demokratischen und freiheitlichen Werten
basieren sollte, und nicht etwa auf Religion oder Gruppenzugehörigkeit. Allerdings müsse
gewährleistet werden, dass Märkte stabilisiert seien und die Achtung von Menschenrechten
gewährleistet werde. Die Türkei könne auch eine wesentliche Rolle als eine Brücke zur islamischen
Welt spielen: „Perhaps most important, an EU that is open to Turkey should send a message to the
troubled Muslim world of today: the West does not consider Islam and democracy incompatible as
long as Islam doesn't‟.101 Wichtig zu bemerken ist der Unterschied zwischen diesem Artikel und
dem Januar 2014 erschienenen Economist-Artikel „Going cold on Turkey‟. Angesichts der neueren
Istanbuler Polizei stehen die Zeichen für eine baldige Aufnahme in die EU eher schlechter. Laut
dem Artikel, „[...] in seeking to extirpate the enemy within, Mr Erdogan risks wrecking Turkey’s
chances of joining the European Union. [...]. if Mr Erdogan’s legal changes seriously undermine
judicial independence, the EU may suspend the talks. The so-called Copenhagen criteria require
candidates to have ,stable institutions guaranteeing democracy, the rule of law, human rights and
respect for and protection of minorities‛‟.102 Nichtsdestotrotz schlägt der Autor, die Eröffnung
neuer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen über die Justiz, Freiheit und Sicherheit vor, um den
Druck auf Premierminister Erdogan und seine Regierung zu erhöhen und die Türkei schneller EU-
bereit zu machen.103
!
Ähnliche verteidigungs- bzw. geopolitische Vermutungen ergeben sich in der gegenwärtigen
Literatur über die deutsche und europäische Außenpolitik. Ein Ziel der deutschen Außenpolitik ist
die Bekämpfung des Terrorismus, nicht nur durch „die Reform der nationalen und europäischen
und Geheimdiensten‟, sondern auch durch „die Intensivierung des Dialogs mit der islamischen
Welt‟.104 Durch eine militärische Allianz mit den westlichen Staaten könnte auch die Türkei in dem
Kampf gegen den Terror an Bedeutung gewinnen. Herfried Münkler, ein deutscher
!
„Seit Anfang der 90er Jahre hat die Türkei drei geopolitische Optionen: die
Frage, daß Europa die attraktivste dieser Optionen darstellt, und dementsprechend
o.A.: Going cold on Turkey, in: The Economist, 18.01.2014, online zugreifbar unter: http://www.economist.com/
102
haben die wirtschaftlichen und politischen Eliten der Türkei seit längerem auf die
europäische Karte gesetzt. [...] Beide andere [Optionen] hätten verheerende Folgen
für die Stabilität der europäischen Südostflanke. [...] Mit dem EU-Beitritt der Türkei
[...] habe man eine direkte Grenze [zum Nahen und Mittleren Osten]. [...] Mit
Rumänien und Bulgarien ist, selbst wenn man Griechenland dazunimmt, die weiche
Südostflanke Europas nicht zu stabilisieren. Das ist allein mit der Türkei möglich‟.105
!
Die Türkei spielt also eine entscheidende geopolitische Rolle, ganz wie die Ukraine, als Tor zum
Fremden, oder laut Münkler, „[kein] Puffer zwischen Europa und der arabisch-islamischen Welt [...],
sondern eine direkte Grenze‟.106 Vor allem sieht der Leser in diesen Fällen, wie stark die
Wahrnehmung des Andersseins der Türken und des Islams Diskussionen über die Zukunft der
Erinnerungen an neuere Migrationswellen nicht nur aus der Türkei, sondern auch aus Ländern wie
Irland, Rumänien und Bulgarien, die hier wirtschaftliche und verteidigungspolitische Debatten zu
!
Die im wissenschaftlichen Diskurs hervorgehobenen Argumentationen gegen einen Beitritt der
Türkei zur Europäischen Union beziehen sich vor allem auf ferne, nicht rein persönliche
Erinnerungen, wenn nicht Mythen und Legenden, um einen größeren Einwand gegen die Türkei zu
schaffen. Nur die Argumente Colm Tóibíns stellen nähere Erfahrungen mit der Vergangenheit
sowohl der EU-Erweiterung als auch der Türkei dar, insofern, als er die Erinnerung eines
unterentwickelten, streng katholischen Landes erwähnt, dessen Einwohner in Krisenzeiten wie die
MÜNKLER, Herfried: Warum der EU-Beitritt der Türkei für Europa wichtig ist, in: LEGGEWIE, Claus (Hrsg.): Die
105
Türkei und Europa. Die Positionen. 1. Aufl. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2004.: S 204-05.
106 Vgl. ebd. S. 205.
!51
Türken Arbeit außerhalb des Staatsgebiets suchten. Vor allem entsprechen solche Erinnerungen, die
möglicherweise manche Iren ebenfalls erlebt haben, dem auf persönliche Geschichten und
auf die Kreuzzüge und wirft den Christen vor, auch unmenschliche Dingen begangen zu haben.
Seine Erwähnung von fernen geschichtlichen Ereignissen wie den Kreuzzügen entspricht dem
kulturellen Gedächtnis, denn kein Deutscher kann mehr die Kreuzzüge und die vermutlichen
!
Regierung und Medien
Im Bezug auf die Position der deutschen Bundesregierung zum türkischen Beitritt zur Europäischen
Union gilt meine These, dass die Erinnerungen an die Arbeitszuwanderung im Laufe des
Wirtschaftwunders die heutige Türkei-Politik prägt, nur eingeschränkt. Im Laufe meiner Forschung
zu diesem Thema stieß ich auf wenige Quellen - in den Medien und den archivierten Protokolle von
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beweisen. Vielmehr geht es aktuell um Wirtschaftliches und
Menschenrechte als Arbeitszuwanderung in die EU. Im Jahre 2012 berichtete die damalige
Türkei, darunter mangelnde Pressefreiheit und „[...] Massenprozesse gegen Anwälte und
seines Landes zur EU wirken.108 Auch im April 2014 schien es, als ob Erdoğans Verhalten
107o.A.: Justizministerin attestiert Türkei rechtsstaatliche Defizite, in: Der Tagesspiegel, 01.11.2012, online zugreifbar
unter: http://www.tagesspiegel.de/politik/sabine-leutheusser-schnarrenberger-justizministerin-attestiert-tuerkei-
rechtsstaatliche-defizite/7331540.html, letzter Zugriff am 06.04.2014.
108 Vgl. ebd.
!52
gegenüber der EU ein Risiko für die Weiterführung der Beitrittsverhandlungen darstelle. Am 5. April
beschloß die CDU ihr Programm für die im Mai 2014 stattfindenden Europawahlen, in dem es
heißt:
!
„Wir sehen die strategische und wirtschaftliche Bedeutung der Türkei für Europa.
Menschen in der Europäischen Union und in der Türkei. Vor allem die
unseren Ländern dar. Wir wollen daher eine möglichst enge Zusammenarbeit
zwischen der Europäischen Union und der Türkei sowie eine strategische
Vollmitgliedschaft der Türkei lehnen wir aber ab, weil sie die Voraussetzung für einen
EU-Beitritt nicht erfüllt. Angesichts der Größe des Landes und seiner
!
Beispiele in den Medien und populistische Stimmen wie die Thilo Sarrazins stimmen der
Behauptung zu, ein Beitritt der Türkei zur EU würde die Staatsgemeinschaft in irgendeiner Form
überfordern. Die Folgen der Aufnahme der Türkei allein in Bezug auf die Bevölkerungszahl
!
„Bei einem EU-Beitritt des Landes würden die Türken die zweitmeisten
Binnenmigration Millionen von Menschen aus dem Südosten des Landes in den
109CDU: „Gemeinsam erfolgreich in Europa“. Europapolitischer Beschluss des 26. Parteitags der CDU Deutschlands,
05.04.2014, online zugreifbar unter: https://www.cdu.de/sites/default/files/media/140405-beschluss-gemeinsam-
erfolgreich-in-europa.pdf, letzter Zugriff am 07.04.2014, S. 98,
!53
!
Schließlich argumentiert der Autor, „Brüssel darf keine Angst vor seinen eigenen Bürgern haben.
Eine Volksabstimmung über den EU-Beitritt der Türkei ist berechtigt und legitim. Andernfalls
!
Auch in den Medien ist kein wesentlicher Zusammenhang zwischen Erinnerungen an die
Gastarbeiter-Ära und der heutigen Darstellung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu
spüren. Nichtsdestotrotz stelle ich hier ein bemerkenswertes Beispiel vom Zusammenhang der
Politik mit der Presse vor. Eine bedeutsame Ausnahme unter den Erinnerungen, die ich in dieser
Arbeit präsentiere, stellt der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt dar. Weil er kein politisches
Amt mehr hat, verfügt er heute über mehr Einfluss in den Medien in seiner Rolle als Herausgeber
von Der Zeit als in der Politik. In seinem 2004 erschienen Artikel „Bitte keinen Größenwahn‟ erklärt
Schmidt die EU für „weit auseinander gefallen‟.112 Trotz der Erfolge der Europäischen
Gemeinschaft im Laufe der 1970er Jahre, die Märkte angesichts der globalen Ölkrise zu stabilisieren,
die Mittelmeerstaaten Spanien, Portugal und Griechenland von militärischen Diktaturen zu retten
sowie eine gemeinsame Währung für Europa im Jahre 1999 zu verwirklichen, behauptet der
Altkanzler, dass die EU keine wesentliche Rolle mehr in der Weltpolitik spiele. Er bezeichnet den
eventuellen Beitritt der Türkei in die EU nicht als weltpolitisches Ziel, sondern als „Verwirklichung
110o.A.: Überflüssige Beitritts-Verhandlungen: Türkei und EU passen nicht zusammen, in: Deutsch-Türkische
Nachrichten, 06.04.2014, online zugreifbar unter: http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2014/04/500376/
ueberfluessige-beitritts-verhandlungen-tuerkei-und-eu-passen-nicht-zusammen/, letzter Zugriff am 07.04.2014.
111 Vgl. ebd.
SCHMIDT, Helmut: Europa. Bitte keinen Größenwahn, in: Die Zeit, 25.11.2004, online zugreifbar unter: http://
112
eines strategischen Zieles – nicht der EU, sondern der USA. Washington hat seit über vierzig Jahren
kontinuierlich darauf gedrungen‟.113 Dies sei eine Folge des Kalten Krieges, in dem die USA eine
militärische Partnerschaft der Türkei mit den europäischen NATO-Staaten forderte, um eine Front
gegen die UdSSR aufzubauen. Als Verfechter der Realpolitik während seiner Amtszeit spiegelt
Schmidts Artikel seine politischen Überzeugungen durch seine quasi-pessimistische und kritische
Ansicht eines Erweiterung der EU gegenüber wider: „Jede Erweiterung der EU zu einem immer
heterogener werdenden Gebilde hat schon seit dem Ende des Kalten Krieges zugleich dem Interesse
!
„Die kulturelle Distanz Anatoliens zu den genannten türkischen Städten ist groß, die
groß – ganz zu schweigen von der kulturellen Distanz zwischen den Türken und der
Volkes, welches die alliierten Sieger des Ersten Weltkriegs auf die Türkei, den Irak
!
Abschließend behauptet Schmidt, dass „es fast überall in der Union Angst vor ungesteuerter
Zuwanderung und vor kultureller Überfremdung‟ gebe.116 Aber anstatt diese Angst auf die
Mythologie des Türkenansturms gen Europa zurückzuführen gibt er die hohe Geburtenrate in der
Türkei und in anderen Ländern am Rande Europas, darunter Algerien und Marokko, als Grund für
eine Ablehnung des Beitritts der Türkei zur EU an. Nach seinem Erachten würde die
Massenmigration aus den neuen EU-Staaten die Sozialversicherungssysteme reicherer Länder wie
Deutschland und Frankreich überfordern. Er warnt: „Überforderung und Übereifer können zum
Zerfall des Jahrhundert-Vorhabens der Integration Europas führen. Am Ende könnte eine bloße
!
Das Beispiel von Helmut Schmidt ergibt keinen festen Zusammenhang zwischen Erinnerung und
Politik, vor allem wegen der realpolitischen Sichtweise des ehemaligen Bundeskanzlers. Im nächsten
Teil werde ich aber zeigen, wie ähnliche, wenn nicht gleiche Argumentationen mit (zum Teil
verknüpft werden können, um ein anderes, wenn nicht negativeres Bild der türkischen EU-
Beitrittsverhandlungen zu schaffen. Als zeitgenössische Darstellungen der Lage der EU bzw. der
Partnerschaft mit der Türkei spielen Beiträge wie Schmidts Artikel und Bundestagsprotokolle
zunächst eine Rolle im kommunikativen statt im kollektiven Gedächtnis. Die in solchen Texten
erwähnten Erinnerungen sind zwar von Akteuren der Regierung vorgestellt, werden aber nicht in
Form eines Denkmals, Museums, usw. konkretisiert oder allen Deutschen zugänglich gemacht. Diese
textueller Form, die aber später ins kulturelle Gedächtnis eingehen können.
!
Menschen
Meinungsumfragen zeigen mit der Zeit eine wachsende Abneigung gegenüber dem EU-Beitritt der
Türkei sowohl auf türkischer als auch auf deutscher Seite. Einer Emnid-Befragung im Jahre 2013
zufolge seien nur 30 Prozent aller Befragten für einen türkischen Beitritt zur Europäischen Union,
während 60 Prozent ihn ablehnen.118 Eine Studie der Forschungsgruppe Wahlen ergab, dass 68
Prozent der Befragten der Meinung waren, dass die Türkei in einigen Jahren nicht zur EU beitreten
soll, während nur 27 Prozent die Frage positiv beantwortet hatten.119 Am meisten stimmten
Anhänger des Bündnisses 90/der Grünen mit 43 Prozent einem EU-Beitritt der Türkei zu, gefolgt
von Anhängern der Linken mit 41 Prozent, der SPD mit 32 Prozent, und der CDU/CSU mit 22
Prozent.120 Ähnliche Ergebnisse gab es bei einer Befragung in Österreich im September 2013: Fast
drei Viertel der Befragten würden einen EU-Beitritt der Türkei ablehnen, während nur 15 Prozent
ihn begrüßen würden. Für 10 Prozent der Befragten sei es egal, ob die Türkei irgendwann der EU
zugehörte.121
!
Auf türkischer Seite ähneln Forschungsergebnisse den deutschen und österreichischen. Vor allem
drucken der langwierige Beitrittsprozess und die endlosen Verhandlungen seit den 1970er Jahren die
öffentliche Meinung. Eine Umfrage der Boğaziçi Universität auf der europäischen Seite Istanbuls
zeigt, dass nur 47,1 Prozent von Türken ein positives Bild von der EU haben, und nur 46 Prozent
sich EU-zugehörig fühlten. Fast ein Drittel der Befragten sagte, sie glauben, dass die Türkei nie
Mitglied der Union werde. Diese Ergebnisse zeigen eine rückläufige Neigung über das vergangene
Jahrzehnt - nach dem Machtwechsel im Bundeskanzleramt von Gerhard Schröder zu Angela Merkel
118o.A.: Umfrage. Mehrheit der Deutschen gegen EU-Beitritt der Türkei, in: Die Welt, 24.02.2013, online zugreifbar
unter: http://www.welt.de/politik/deutschland/article113858833/Mehrheit-der-Deutschen-gegen-EU-Beitritt-der-
Tuerkei.html, letzter Zugriff am 06.04.2014.
119FORSCHUNGSGRUPPE WAHLEN: Sollte die Türkei in einigen Jahren in die Europäische Union (EU)
aufgenommen werden?, 25.06.2013 bis 27.06.2013, online zugreifbar unter: http://de.statista.com/statistik/daten/
studie/155690/umfrage/meinung-zu-eu-beitritt-der-tuerkei/, letzter Zugriff am 06.04.2014. Kostenlose Anmeldung
erforderlich.
120FORSCHUNGSGRUPPE WAHLEN: Sollte die Türkei in einigen Jahren in die Europäische Union (EU)
aufgenommen werden? [Anteile Zustimmung nach Parteianhängerschaft], 25.06.2013 bis 27.06.2013, online zugreifbar
unter: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/39207/umfrage/zustimmung-zur-aufnahme-der-tuerkei-in-die-eu-
in-einigen-jahren/, letzter Zugriff am 06.04.2014. Kostenlose Anmeldung erforderlich.
121HACKER-WALTON, Philipp: Österreicher gegen EU-Beitritt vonTürkei und Balkan-Staaten, in: Kurier, 16.10.2013,
online zugreifbar unter: http://kurier.at/politik/eu/umfrage-oesterreicher-klar-gegen-den-eu-beitritt-von-tuerkei-und-
balkan-staaten/31.133.742, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!57
und der schwarz-gelben Koalition. In den frühen 2000er Jahren befürworteten 69,3 Prozent aller
Befragten einen Beitritt zur EU, und weniger als die Hälfte dachten, ein Beitrittsabkommen würde
die Türkei spalten. Diese Zahl lag im Jahre 2012 bei 54 Prozent.122
!
Am häufigsten werden mangelnde Menschenrechtsgarantien, unangemessene Polizeigewalt und
rechtsstaatliche Defizite als Gründe für eine Ablehnung des türkischen EU-Beitritts genannt. Auch
der Mangel an Anerkennung des Völkermords an der armenischen Bevölkerung während des Ersten
Weltkriegs, die 2001 zur Voraussetzung der EU-Aufnahme gemacht wurde, spielt für manche noch
eine Rolle.123 Dazu wird religiöse Toleranz zum Streitpunkt in den Gesprächen um die Zukunft der
Türkei in Europa. Eine der markantesten Stimmen innerhalb der heutigen Diskussionen ist die von
Thilo Sarrazin, dem ehemaligen Finanzsenator im Berliner Senat und ehemaligen Vorstandsmitglied
der Deutschen Bundesbank. In diesem Teil geht es weniger um seine Funktion als Finanzsenator als
seine im Buch Deutschland schafft sich ab vertretenen Thesen. Sein 2010 erschienenes Buch wurde von
vielen Seiten der Gesellschaft heftig kritisiert, vor allem wegen seiner kritischen, grenzwertig
anderen religiösen Minderheiten. Nichtsdestotrotz behandelt er in dem Buch viele für diese Arbeit
relevanten Themen, die bei den Diskussionen um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei auch
relevant sind, inklusive des Mangels an religiöser Toleranz in der Türkei. Er schreibt:
!
„In der Türkei wird alteingesessenen christlichen Gemeinschaften der Bau neuer
122o.A.: EU-Beitritt: Die türkischen Bürger sagen leise „güle güle!“, in: Deutsch Türkische Nachrichten, 14.12.2012,
online zugreifbar unter: http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2012/12/464495/eu-beitritt-die-tuerkischen-
buerger-sagen-leise-guele-guele/, letzter Zugriff am 06.04.2014.
123EUROPÄISCHES PARLAMENT: Informationsaufzeichnung über die Arbeit des gemischten parlamentarischen
Ausschusses EU-Türkei, 06.2004, online zugreifbar unter: http://www.europarl.europa.eu/intcoop/euro/jpc/turk/
history2004_turkey_de.pdf, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!58
Hochschulen bleibt verboten. Das Kleinasien des frühen Mittelalters war rein
christlich, und am Vorabend des Ersten Weltkriegs waren immerhin noch 25 Prozent
der Einwohner der heutigen Türkei christlich. Dieser Anteil ist seit dem Genozid an
zurückgegangen.
!
„Kronzeuge für religiöse Toleranz ist die heutige Türkei beim besten Willen nicht,
[Recep Tayyip Erdoğan] ist alles andere als ein leuchtendes Beispiel für Toleranz. Die
!
Das Buch fand rasant Anklang in Deutschland wegen seiner kontroversern Äußerungen zum
Migrantenleben in Deutschland, und mehr als 1,5 Millionen Exemplare wurden in den ersten zwei
Jahren nach seiner Veröffentlichung verkauft.125 Ob sein ganzes Publikum Sarrazins Thesen
zustimmte ist sicher unklar, aber als großer Verkaufserfolg ist sein Buch in dieröffentlichen Meinung
in Deutschland über die Zukunft Europas ins Gewicht gefallen. Sarrazin äußert sich auch gegen eine
Erweiterung von Europa östlich des Bosporus: „Die geografische und kulturelle Grenze Europas ist
[...] ganz klar am Bosporus zu ziehen und nicht, wie in vielen Statistiken, an der türkischen Grenze
124SARRAZIN, Thilo: Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen. 2. Aufl. München : Deutsche
Verlags-Anstalt, 2012, S. 272.
125KRIEGER, Regina: Lukratives Buch. Wie Sarrazin Millionär wurde, in: Handelsblatt, 21.05.2012, online zugreifbar
unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/lukratives-buch-wie-sarrazin-millionaer-wurde/
6647994.html, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!59
zum Irak und zum Iran‟.126 Daraus kann man schließen, er würde einen Beitritt der heutigen Türkei
ablehnen. Sarrazins Auffassung nach würde weitere Migration aus ärmeren Ländern, auch
muslimischen Ländern, den deutschen Sozialstaat überfordern. Er ruft die Einwanderung der
Gastarbeiter im Laufe des Wirtschaftswunders auf, die er „ein[en] gigantische[n] Irrtum‟ nennt:127
!
„Großenteils wurden die Arbeiter eingesetzt in [...] die sterbenden Industrien [...].
Dies verlangsamte den unvermeidlichen Strukturwandel und verstellte den Blick auf
durch den Zuzug von Migranten nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. [...]
!
„Stets gilt, dass jene, die arbeiten, für die bezahlen müssen, die nicht arbeiten: 2007
aus Erwerbstätigkeit 68,7 Menschen, die von Renten oder Sozialtransders lebten. Für
!
In diesem Fall werden numerische Interpretationen von den Erinnerungen an die
zu schaffen. Vor allem treiben Sarrazins statistische Analysen der gegenwärtigen Lage des deutschen
Sozialstaats einseitige uninformierte Argumente gegen weitere Einwanderung nach Deutschland an.
Anstatt in seinem Buch die menschliche Realität und die positiven Folgen der Arbeitsmigration
heute darzustellen, verlässt er sich nur auf Statisches, das zumeist keine längerfristigen Tendenzen
der Entwicklung der Gesellschaft zeigt (wie oben: 2007 bis 2012 anstatt z.B. 1990 bis 2012). Politiker
und Leiter einflussreicher Organisationen wie des Zentralrats der Juden in Deutschland
bezeichneten Sarrazin als Populist und Rechtsextremist. Dabei war sein Buch vielleicht ein
Sprachrohr für die selten publik gemachten Meinungen größerer Bevölkerungsschichten. Sarrazin
lobtin seinem Buch zum Teil die Erfolge der Migrationsgeschichte Deutschlands mit Beispielen gut
ausgebildeter Inder und Vietnamesen, benutzt das Buch jedoch um zumeist eine Kritik an der
Einwanderung muslimischer Migranten zu üben.129 Das Negativbeispiel Thilo Sarrazins zeigt, wie
wichtig es ist, vorsichtig mit kollektiven Erinnerungen wie dem Völkermord an Armeniern
umzugehen. Abzuwarten bleibt, auf welcher Art und Weise Thilo Sarrazins debattenauslösendes
Buch Eingang ins kulturelle Gedächtnis finden wird. Zwar sind Sarrazins Meinungen in Form eines
Buches Teil der Schriftkultur, die normalerweise einen Anteil an der Ausbildung des kulturellen
Gedächtnisses hat, aber sie sind vor allem höchst persönliche Ansichten, die heute eher dem
!
Im nächsten Teil dieses Kapitels werde ich die Meinungen und Erinnerungen an der
Arbeitszuwanderung nach Deutschland im Laufe des Wirtschaftswunders bis in die 1970er Jahren
untersuchen. Hier wird einen Überblick über die Bedingungen gegeben, unter denen das türkische
Assoziierungsabkommen zur EWG 1963 bzw. das Anwerbeabkommen mit der Bundesrepublik
1961 unterzeichnet wurde, sowie eine Erläuterung von den durch die Einwanderung türkischer
Gastarbeiter verursachten Sorgen in der Politik. Darüber hinaus erkläre ich, wie die Erinnerungen an
die Gastarbeiter-Ära in Deutschland durch die Medien, von Menschen und Organisationen - vor
129GOODHART, David: The challenge to German liberalism. Thilo Sarrazin: are Muslims really lowering the
intelligence of German society?, in: Prospect Magazine, 17.11.2010, online zugreifbar unter: http://
www.prospectmagazine.co.uk/magazine/thilo-sarrazin-germany-immigration-multiculturalism-review/
#.U0HC1K1dW_c, letzter Zugriff am 06.04.2014.
!61
allem dem Kölner Dokumentationszentrum und Museum über die Migration nach Deutschland e.V.
!
4.2. Erinnerungen an die Arbeitsmigration aus der Türkei in den 1960er und -70er Jahren
Schon in den späten 1950er Jahren knüpften die Türkei und die BRD ein Gespräch über ein
mögliches Anwerbeabkommen an. Am 31. Juli 1959 beantragte die Türkei ihre Assoziierung mit der
EWG. Die ersten Vorbesprechungen fanden im folgenden September und Dezember statt. Zu der
Zeit hatte auch Griechenland eine Assoziierung beantragt (und im März 1960 ein
türkischen Assoziierung mit der EWG wurde den Wirtschaftszustand beider Staaten verglichen und
daher festgestellt, dass die türkische Wirtschaft überwiegend (bis zu achtzig Prozent) aus
Wirtschaftsbranchen wurde als Teil des Assoziierungsschemas eine Finanzhilfe sowie ein eventuelle
Mitgliedschaft in der Europäischen Zollunion geplant.130 Am 12. September 1963 trat die Türkei in
eine offizielle Assoziation mit der EWG ein. In dem in Ankara unterzeichneten Abkommen wurde
„durch einen beschleunigten wirtschaftlichen Fortschritt und durch eine harmonische Erweiterung
des Handelsverkehrs die stetige Besserung der Lebensbedingungen in der Türkei‟ vorgesehen.131
!
Am 30. Oktober 1961, einem entscheidenden Tag für die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik,
unterzeichneten türkische und westdeutsche Delegierte ein Anwerbeabkommen für die Vermittlung
türkischer Arbeitnehmer in die BRD. Geplant war ein Aufenthalt von maximal zwei Jahren pro
Arbeitnehmer mit zwingender Rückkehr nach dem Ablauf des Arbeitsvertrags (Rotationsprinzip).
Die Reisekosten von Istanbul nach Deutschland wurden von der Bundesanstalt für
Lohn wie einem vergleichbaren deutschen Arbeiter‟ inklusive Überstunden, Nach-, Sonntags-, und
Feiertagsarbeit und das Recht auf bezahlten Urlaub gewährleistet.132 Das Programm der
ausländischen Gastarbeit dauerte bis zum November 1973 bis zur durch den Jom-Koppur-Krieg
ausgelösten Energiekrise im Herbst 1973. Am 23. November forderte der Bundesminister für Arbeit
und Sozialordnung, Walter Arendt, den Anwerbestopp, denn es war anlässlich der Ölkrise „nicht
vermitteln‟.133 Infolge des Anwerbestopps holten viele Arbeitnehmer Familienmitglieder, die bislang
!
Die Einwanderung von Hundertausenden türkischer „Gastarbeiter‟ und ihrer Familienmitglieder
nach Deutschland stellt den größten demographischen Wandel in der Geschichte der
Bundesrepublik dar. Viele Arbeitnehmer kamen nach Deutschland unter der Bedingung einer
konnten als in ihrer Heimat und Geld für ein gemütlicheres Leben in der Heimat nach dem Ablauf
der Vertragsfrist sparten, war eine erhebliche Zahl dieser Arbeitsmigranten darum bemüht, ihre
Arbeitsverträge zu verlängern und blieb länger als ursprünglich geplant. Schließlich durften sie ihre
132Regelungen der Vermittlung türkischer Arbeitnehmer nach der Bundesrebpublik Deutschland. Deutsch-türkische
Vereinbarung vom 30. Oktober 1961, in: BUNDESMINISTER FÜR ARBEIT UND SOZIALORDNUNG (Hrsg.):
Bundearbeitsblatt, 15. Jg., Nr. 3, 10.02.1962. S. 70-71.
133ARENDT, Walter: Brief vom Bundesminsiter für Arbeit und Sozialordnung (Walter Arendt) an Herrn Präsident der
Bundesanstalt für Arbeit (Josef Stingl) betr.: Ausländische Arbeitnehmer - Vermittlung durch die Auslandsdienststellen
der Bundesanstalt für Arbeit, 23.11.1973. Online zugreifbar unter: http://www.bpb.de/system/files/pdf/
EXVWEA.pdf, letzter Zugriff am 15.03.2014.
!63
Familien mit ihnen nach Deutschland nachholen, da die Familientrennung in der Nachkriegszeit als
tabu galt und gesellschaftlich verpönt war. Dies könnte mit den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs
zusammenhängen.
!
Auch auf türkischer Seite spielte die Arbeitsmigration nach Deutschland demographisch eine
wesentliche Rolle. In einer „Studie über die Lage und Probleme der türkischen Gastarbeiter in der
!
„Im Jahre 1960 waren 2.700 Türken als Gastarbeiter in Westdeutschland beschäftigt.
Schon im Juni 1964 erhöhte sich die Zahl der türkischen Arbeiter in der
der ganzen türkischen Geschichte nie eine so grosse Zahl von türkischen
kulturell und religiös völlig fremden Milieu gesucht haben, abgesehen von
!
Am Ende kamen 648.029 türkische Arbeitnehmer und -nehmerinnen nach Deutschland, um
möglichst viel Geld für ihre Familien und ein künftig bequemeres Leben in der Türkei zu
verdienen.135
STAATLICHES PLANUNGSAMT (TÜRKISCHE REPUBLIK): Studie über die Lage und Probleme der türkischen
134
Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland. Ankara, Juli 1964. PA AA B26, Bd. 324.
CUNTZ, Eckart: „50 Jahre deutsch-türkische Anwerbevereinbarung - eine Erfolgsgeschichte‟. In: KONRAD-
135
ADENAUER-STIFTUNG (Hrsg.): 50 Jahre türkische Migration nach Deutschland: Geschichte, Gegenwart und
Zukunft der deutsch-türkischen Beziehungen. KAS : Ankara, 2011. S. 8. Online zugreifbar unter: http://www.kas.de/
wf/doc/kas_31811-1522-1-30.pdf ?120808132330, letzter Zugriff am 26.01.2014. Siehe Anhang 4: Entwicklung der
Arbeitsmigration nach Deutschland 1962 - 2008.
!64
Regierung
Akteure der deutschen Bundesregierung begrüßten das Anwerbeankommen und lobten die „wegen
Arbeitskollegen [...] im allgemeinen als gut bezeichnet werden‟.137 Auch von türkischer Seite wurde
das Verhältnis zwischen Türken und Deutschen als positiv eingeschätzt. Das türkische Staatliche
Planungsamt bemerkte Folgendes: „Mehr als die Hälfte der türkischen Arbeiter (55%) arbeitet in
Werkhallen mit 200 - 1000 Arbeitern. Trotzdem bezeichnen zwei Drittel der Arbeiter ihren
Arbeitsplatz als angenehm. [...] Vier Fünftel der Arbeiter (81%) bezeichnen ihre Vorgesetzten als
gerechte, gebildete und gutherzige Menschen, die in jeder Beziehung vorbildlich sind, die
!
Andererseits bemerkten manche Politiker negative Entwicklungen schon am Anfang des
Anwerbeprogramms. Oft beklagt wurde die mangelnde Anpassung türkischer Arbeitskräfte an den
deutschen Lebensstil sowie die illegale Einwanderung bzw. Beschäftigung türkischer Arbeiter, was
auch in den gegenwärtigen Diskussionen zum türkischen Beitritt zur Europäischen Union
thematisiert wird. Die im Jahre 1964 veröffentlichte Studie des türkischen Staatlichen Planungsamts
Gesprächsvorschlag für den Herrn Bundespräsidenten: Türkische Arbeitnehmer in Deutschland. Bonn, 15.09.1970.
136
erklärte, dass ca. 77% der befragten Arbeiter „überhaupt keinen Kontakt mit einem Deutschen oder
!
Am 17. April 1970 wurde in der Plenarsitzung des Bundestages die Frage gestellt, welche Position
Deutschland einreisten. Die unabschätzbare Größe des „grauen Gastarbeitermarktes‟ ließ laut
Helmut Rohde, dem damaligen Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit
und Sozialordnung, die Straftaten „von skrupelosen Geschäftemachern [...] besonders schwer [...]
erfassen‟.140 Nichtsdestotrotz versuchte das Parlament durch hohe Geldstrafen und Freiheitstrafen
von bis zu einem Jahr „die illegale Einreise von Gastarbeitern [...] zu unterbinden. [...] Weil in diesen
Fällen anzunehmen ist, daß der Täter aus Gewinnsucht handelt, kann die Geldstrafe bis zu einem
Betrag von 100 000 DM verhängt werden. In jedem Fall soll die Geldstrafe den Gewinn [...]
übersteigen‟.141 Da die unerlaubten und ungemeldeten Arbeiter keinen Anspruch auf soziale
Sicherung und Krankenpflege genießen konnten, wollten die Abgeordeneten versuchen, „den
!
Auch in den diplomatischen Beziehungen zwischen der BRD und der Türkei kam es in den frühen
1970er Jahren öfter zu Gesprächen über die illegale Einwanderung und Beschäftigung von
türkischen Staatsbürgern. Bei einem Staatsbesuch des türkischen Staatspräsidenten Cevdet Sunay
vom 19. bis zum 23. Oktober 1970 wurden die Fragen der Abschaffung von Geldbußen gegen aus
Deutschland ausreisende Türken und die Legalisierung illegaler Einwanderer aus der Türkei
diskutiert.143 Einem Bericht für das Referat V 6 vom 10. November 1970 zufolge habe „das
Gespräch zwischen Präsident Sunay und dem Herrn Bundeskanzler [Willy Brandt] [...] in der Tat
!
In der Innenpolitik kam es zu einem Streit zwischen dem Bundesministerium des Innern (BMI) und
dem Auswärtigen Amt in Bezug auf die Abschiebung illegaler Einwanderer. In einem Briefwechsel
im Winter 1970-71 wurden Meinungsvorschläge zum Thema Härtefällen bei illegalen Einreisenden
häufiger von beiden Seiten abgelehnt. Am 26. Januar 1971 wurde die folgende Formel
vorgeschlagen:
!
„Die Bundesregierung empfiehlt den Landesregierungen, von der Abschiebung
bisher illegal eingereister ausländischer Arbeitnehmer für einen Zeitraum, der für
eine Vermeidung eventueller Härten erforderlich ist, abzusehen, soweit nicht andere
!
Die Formel sollte „künftig vor allem außenpolitisch höchst unerwünschte spektakuläre
Massenabschiebungen entdeckter Illegaler [...] vermeiden‟.146 Einem Bericht vom 09. Februar 1971
Bundesgebiet eingereister türkischer Arbeitnehmer; hier: Sachstand. 26.01.1971. Bonn. PA AA B26, Bd. 464.
146 Vgl. ebd.
!67
nach fand sie bei den Innenministern der Länder keine Zustimmung.147 Zwei Jahre später, am 23.
tiefgreifenden Veränderungen sowohl auf gesellschaftlicher als auch politischer Ebene geführt,
!
Medien
Im Jahre 2011 wurde fünfzig Jahre türkische Migration nach Deutschland in den Medien ausgiebig
behandelt und gefeiert. Zum Jubiläum veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen lobenden Artikel
über die Beiträge der Arbeitseinwanderung aus der Türkei zur deutschen Gesellschaft: „Heute gibt
es deutsche Politiker, die Evrim Baba, Mustafa Kara, Eran Toprak oder Nesrin Yilmaz heißen, es
gibt eine Sozialministerin Aygül Özkan in Niedersachsen, eine Integrationsministerin Bilkay Öney in
Artikel Heribert Prantl die Schwierigkeiten im Prozess der Akzeptanz und der allmählichen
Integration der Türken in die deutsche Gesellschaft, darunter Erinnerungen an den Solinger
Hausbrand im Jahre 1993, hervor. Er schreibt aber, dass sowohl die Türkei als auch Deutschland im
!
„Aus dem Entwicklungsland Türkei ist ein Industriestaat geworden und aus der
Bundesrepublik ein wiedervereinigtes Land, das noch eine zweite deutsche Einheit
schaffen muss: die Vereinigung von Bürgern deutscher und ausländischer Herkunft
ohne Abwertung der Neubürger, die sich in Ausdrücken wie ,Papierdeutscher‛ zeigt.
!
„Diese zweite Einheit ist nicht nur eine Sache von Gesetzen und sehr viel mehr als
!
Tobias Stephan schrieb in Der Zeit zum 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens über die Entwicklung
der Migrationsgeschichte zum Teil des deutschen kollektiven Gedächtnisses. In seinem Artikel „50
Jahre geteilte Erinnerung‟ bemerkt er, dass es in Deutschland nach fünfzig Jahren türkische
Einwanderung kein einziges Museum zur Migration nach Deutschland gibt, sondern zwei Museen,
in Hamburg und in Bremerhaven, über die deutsche Emigration im 19. und 20. Jahrhundert. Er
kritisiert auch die Tatsache, dass es „kein zentrales Mahnmal [gibt], das an die fünf Toten von
Solingen erinnert, sondern nur ein Behelfslösung fernab vom Stadtzentrum‟.150 Das Bild des
millionsten Gastarbeiters Armando Rodrigues de Sá wird überall gedruckt, aber keine Bilder von
deutsch-türkischen Fussballfans bei der WM 2006 stehen in den Schulbüchern. Stephan meint, „Der
Nationalstaat hat hier Teile der christlichen Gedenkkultur übernommen und erkennt mit ihr eine
Lebensleistung als besonders beispielhaft an. Wer durch öffentliches Gedenken dem Vergessen
entrissen wird, wird zudem Teil des Selbstverständnisses einer Gesellschaft. Umgekehrt gilt: Wer
nicht dazugehört, dem wird auch nicht gedacht. Für Gäste gilt diese Gedenkkultur also in der Regel
nicht‟.151 Aber schließlich findet man die Gastarbeitergeschichte im Kulturbetrieb der Künstler und
Dichter mit Migrationshintergrund, wie z.B. Emine Sevgi Özdamar, Franco Biondi oder Feridun
Zaimoğlu. Egal wie positiv oder negativ die Hauptfiguren deren Werke dargestellt werden schreibt
Stephan: „[...] der Anfang ist gemacht: Es wird an einer gemeinsamen Erinnerung zur türkischen
Einwanderung gearbeitet‟.152 Hiermit ist m.E. gemeint, dass Bücher und Dramen eine wichtigere
Rolle in der Aufarbeitung der Migrationsgeschichte Deutschland spielen als einfaches Reden, denn
als Erinnerungsvermittler tragen Texte (auch fiktive) in längerer Sicht und generationsübergreifend
dem zugänglicheren kulturellen Gedächtnis die Erinnerungen an einer wichtigen Periode in der
!
Aber die in den Medien geprägten Erinnerungen an die Migration sind und waren zur Zeit der
Arbeitseinwanderung nicht einig. Während und kurz nach der Zeit der türkischen Arbeitsmigration
nach Deutschland schilderten zeitgenössische Nachrichten die Situation der Gastarbeiter sowohl aus
deutscher als auch türkischer Perspektive mit Skepsis. Im August 1972, ein Jahr vor dem
Anwerbestopp in Deutschland, veröffentlichte die türkische Tageszeitung Tercüman den Artikel „Oh
!
„Ich kenne das holländische Volk etwas. Es gehört unter die besten der Europäer.
[...] Heute noch wandern in ihrem mit Windmühlen geschmückten, mit Tulpen und
Rosen verzierten Land, Kühe mit segnendem Spruch auf dem Kopf. Die Fabriken
und Werke sind in diesem nebeligen, regnerischen Naturland so getarnt und mit
Grün überdeckt, daß man nicht unterscheiden kann, ob man sich in einer Stadt, in
!
Am Anfang des Artikels werden die Holländer von Kabaklı vor allem wegen der Schönheit ihres
Landes und ihres Fleißes gelobt. Aber schließlich fängt der Autor eine Kritik an dem Verhältnis
zwischen den niederländischen Gastgebern und ihren türkischen Gastarbeitern an. Er bemerkt (mit
!
„Wir sehen in diesen Tagen, daß diese anspruchslosen, sich um ihre Arbeit
plötzlich zum Untier werden. Unseren türkischen Brüdern, die in ihrem Land Gast
und Arbeiter sind, hauen sie ihre Häuser kaputt, zu Vierziger- und Fünfzigergruppen
versuchen sie, sie zu lynchen. Erstaunlich! Nicht wahr? Kann man sich z.B. bei uns
solch eine Barbarei gegen eine bei uns zu Gast gewordene Minderheit vorstellen?‟153
!
Kabaklı gibt als Gründe für die „Barbarei‟ der verallgemeinerten Europäer ihre „Eigennützlichkeit
und religiöse Sturheit‟.154 Er wirft den Holländern vor, „die Häuser der Türken zerstört, die Kinder
gehauen und gesteinigt und die Türken aus der Stadt gejagt‟ zu haben.155 Seine Argumentation
beruht auf eine antiimperialistische Weltanschauung, die gegenüber dem romantischen Begriff
„Europäer‟ skeptisch verhält. Er kritisiert mithilfe der vagen Erinnerung an die Kreuzzüge vor
einem Jahrtausend: „Als diese Leute [also die Europäer] sich nur um ihren eigenen Chauvinismus,
KABAKLI, Ahmet: Oh gottloser Deutscher!, in: Tercüman, 17.08.1972, übersetzt von der Botschaft der
153
ihr Christentum und ihre Vorteile kümmerten, galt man bei uns als ,Reaktionär‛, wenn man an
gleichen Werten hing‟.156 Der Artikel sorgte für Aufregung vor allem in Rotterdam, wo türkische
Arbeitnehmer laut einem Drahtbericht des Auswärtigen Amtes mit Holländern in Schlägereien
geraten seien. Ein Bericht vom Treffen mit Abdi İpekçi, dem Chefkommentator der türkischen
Tageszeitung Milliyet an der deutschen Botschaft in Ankara erklärt, dass Milliyet die Bildung „unter
tuerk. arbeitern in brd [von] ,hilfskommandos‛ zur verteidigung ihrer landesleute in holland‟
berichtet.157 Weiter im Bericht steht, dass İpekçi die Beziehungen zwischen Deutschen und den
türkischen Arbeitern für friedlich hielt: „ipekci [der Kommentator] meint, auslaendische arbeiter
wuerden in grossen laendern wie brd und frankreich leichter assimiliert als in kleinen gesellschaften
!
Wichtig zu bemerken ist, dass auch heute deutsche Einwohner mit türkischem Familienhintergrund
weniger deutschsprachige Medien konsumieren als ihre deutschen Mitbürger. Eine Studie des
mehrmals in der Woche an. Diese Vorliebe für türkischsprachige Medien ist dazu
über alle Altersklassen eine der Hauptverbindungen zu den Wurzeln in die Türkei dar. Das darüber
hinaus auch sehr umfangreiche Angebot empfangbarer türkischer Fernsehsender bildet somit
insgesamt einen kulturellen Identitätsfaktor für alle Altersgruppen‟.159 Auch in den Printmedien
wird weniger von türkisch-stämmigen Einwohnern als Deutsche konsumiert, aber „die 14- bis 29-
Jährigen [lesen dabei] überwiegend deutschsprachige Tageszeitungen, während die älteren Jahrgänge
Wichtigkeit türkischsprachiger Medien, die auch zumeist in der Türkei hergestellt werden, für
Mitbürger mit türkischen Wurzeln hervor. Daraus folgt, dass das Deutschlandbild, das dem
türkischsprachigen Publikum in Deutschland eingeschärft wird, sich von dem in deutschen Medien
vorgestellten Bild des Landes (deutlich) unterscheiden mag. Die türkischen Gastarbeiter in den
1960er und 1970er Jahren hatten durch die Perspektive der türkischen Medien eine andere
!
Auch in der Bundesrepublik wurde die Arbeitmigration mit wachsenden Skepsis betrachtet. Im Juli
1976 wurden Spiegel-Leser in dem Artikel „Gastarbeiter - unannehmbar, untragbar‟ vor einer
„Invasion der Bundesrepublik‟ von weiteren türkischen Arbeitern gewarnt, nach einer geplanten
Lockerung von Migrationsgesetzen für aus der Türkei Einwanderer in die EG am 1. Dezember
später in dem Jahr.161 Der Autor wirft den türkischen Einwanderern in dem Text vor, dass sie als
„anatolische Invasoren‟ einen „Einmarsch‟ schon drei Jahre nach dem Anwerbestopp planen. Diese
Behauptung beruht auf der mythologischen Türkenfurcht, eine ferne Erinnerung, die über den
Rahmen des kollektiven Gedächtnisses hinausgeht. Weiter wird den Plan der EG-Kommission,
den europäischen Fachkräften zu erlauben, kritisiert. Auch die Beamten in Bonn sollen ablehnend
159TNS EMNID: Deutlich geringere Mediennutzung bei türkischen Mitbürgern, 03.02.2010, online zugreifbar unter:
http://www.tns-emnid.com/presse/presseinformation.asp?prID=839, letzter Zugriff am 06.04.2014.
160 Vgl. ebd.
161 o.A.: Gastarbeiter. Unannehmbar, untragbar, in: Der Spiegel, 19.07.1976, S. 27-28.
!73
auf die Entwürfe des Ministerrats reagiert haben und eine Aufrechterhaltung des Anwerbestopps
bevorzugen.162
!
Menschen
Ob die Deutschen die Migration türkischer Familienmitglieder und Arbeiter nach dem
Anwerbestopp 1973 genau so ansahen wie die Medien ist umstritten, vermutlich wird keine
gemeinsame Betrachtungsweise der Gastarbeiter-Ära unten allen Deutschen geteilt. Am Anfang der
Arbeitseinwanderung galten Türken in manchen Bundesländern noch als exotisch, denn es gab im
Jahre 1961 z.B. weniger als tausend türkische Gastarbeiter in Rheinland-Pfalz.163 Die Arbeiter
wurden als notwendig angesehen, um das Wirtschaftswunder der 1960er Jahren weiterzuführen. Ihre
türkischen Gäste sahen die Deutschen als anpassungsfähig, und sie tolerierten wie religiöse Feierr,
vor allem, weil „der Islam in seinen religiösen Inhalten wenig bekannt, aber auch nicht negativ belegt
[war], sondern eher als ein anderer Glaube an den einen Gott gesehen [wurde]‟.164 Diese Toleranz
wurde als positiver Schritt in der Freundschaft zwischen Türken und Deutschland angesehen:
!
„In den nördlichen Seitenschiffen des Doms feierten mehrere hundert
Steinfliesen des Kölner Doms wurden die Gebetsteppiche ausgebreitet; das Haupt
gen Mekka geneigt, sprachen die Türken ihre Gebete. Ein Imam leitete den
Gottesdienst im Schatten der christlichen Kreuze und Symbole, der Altäre und
Statuen. [...]
„Während der Debatten des [II. Vatikanischen] Konzils verwandelten sich dann die
anerkannte Gläubige, „die einen einzigen persönlichen Gott anbeten und die durch
!
Hier wird nochmal die Erinnerung an die Kreuzzüge vom 11. bis zum 13. Jahrhundert betont, wie
im kontroversen Tercüman-Artikel von Ahmet Kabakli. Aber während das Beten u.a. im Kölner Dom
toleriert wurde, wurden in manchen Ecken Türken als unerwünscht angesehen. Im Jahre 1965
berichtete Die Zeit, dass einige Kneipen und Lokale in und um Köln Hausverbote für türkische
Gastarbeiter verhängt hatten. Ein türkischer Arbeiter wird zitiert, „Man versucht, uns Türken den
Schwarzen Peter zuzuschieben.“166 Er spricht aber auch das Thema türkische Kriminalität in
Deutschland an: „Natürlich gibt es auch bei uns Verbrecher, aber wir Türken fühlen uns hier von
Vorurteilen umgeben. Sprachschwierigkeiten und das Großstadtklima tun ein übriges“.167 Dazu
ergänzt er, dass die Kriminalität in Ausländerghettos in den Vororten der Stadt entsteht, was zu
einem Teufelskreis von Verbrechen, Überfremdung und Isolierung führt.168 Erst mit der
Das rheinland-pfälzische Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen berichtet:
den Nährboden für eine wachsende Ablehnung von Ausländerinnen und Ausländern, die sich vor
165o.A.: Muselmanen beten im Kölner Dom. Aber in Kölner Lokalen sind Türken unerwünscht, in: Die Zeit, 12.02.1965,
online zugreifbar unter: http://www.zeit.de/1965/07/muselmanen-beten-im-koelner-dom/komplettansicht, letzter
Zugriff am 06.04.2014.
166 Zitiert von: ebd.
167 Zitiert von: ebd.
168 Vgl. ebd.
!75
allem gegen die türkische Bevölkerung als größte Migrantengruppe, richtete. Sie wurden zunehmend
!
So ein negatives Bild des Lebens in Deutschland empfand nicht alle ausländischen Arbeiter. Viele
ehemalige türkische Gastarbeiter würden vermutlich mit der damals in den türkischen Medien
Jahre 2006 von Paola Fabbri Lipsch und Beatrice Ploch herausgegebene Buch Vom Weggehen und
Ankommen: Ehemalige Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in Neu-Isenburg sammelt die Geschichten vieler
damals im hessischen Neu-Isenburg lebenden Gastarbeiter. Der türkische Gastarbeiter Sadi Cındık
erinnert sich in dem Buch an seine Zeit bei der Firma Holzmann. Geboren im Jahre 1934 in einem
Dorf entlang der Schwarzmeerküste, kam Cındık im Alter von 30 Jahren nach Deutschland. Damals
war er schon verheiratet und hatte eine eigene Familie. Ihm wurde von seinem Schwiegervater die
Einreise der Familie nach Deutschland nicht gestattet: „Sohn, du gehst allein hin! Dort kannst du
keine Kinder großziehen, weil die Mentalität anders ist‟.170 Nur nach dem Tod seines
Schwiegervaters konnte er 1971 seine Frau und Kinder mit nach Neu-Isenburg bringen. Vor der
Ankunft seiner Familie sparte Cındık möglichst viel Geld und schickte es immer zurück in die
Türkei. Um einen Freundeskreis um ihn zu entwickeln, traf er mit anderen Gastarbeitern „im Hof
der Druckerei der Frankfurter Rundschau‟ in Neu-Isenburg.171 Nachdem seine Familie nach
Deutschland emigrierte musste Cındık den Verlust seiner 7-jährigen Tochter durch Ertrinken
erfahren. Zur Reaktion seiner Mitarbeiter schreibt er: „Ich werde nie vergessen, wie verständnisvoll
mein Chef damals war. In den drei Wochen, in denen ich abwesend war, hat er an meiner Stelle
LIPSCH, Paola Fabbri; PLOCH, Beatrice (Hrsg.): Vom Weggehen und Ankommen: Ehemalige Gastarbeiterinnen und
170
Gastarbeiter in Neu-Isenburg. 1. Aufl. Neu-Isenburg : Arbeitskreis »Zuwanderung und Lokalgeschichte«, 2006, S. 61-62.
171 Vgl. ebd. S. 63.
!76
gearbeitet, mir aber das Gehalt gelassen. Das war für mich ein Zeichen großer Freundlichkeit‟.172
Später engagierte sich Cındık politischund wurde zum türkischen Vertreter in der
Ausländerkommission in den 1970er Jahren gewählt. Im Jahre 1981 gründete er einen „Türkisch-
Deutschen Kulturverein‟, der nach zwei Jahren seine Aktivitäten aufgrund des Verlusts des Raums
nach dem Umzug des Hauses der Kulturvereine zum ehemaligen Feuerwehrhaus einstellen musste.
Er ging schließlich im Winter 2000 in Rente.173 Über die Verhältnisse zwischen den Deutschen und
den in Deutschland lebenden Türken meint er: „Für die deutsche Gesellschaft sind wir Ausländer
und für die türkische Gesellschaft sind wir ,Almanya Türk‛, Türken aus Deutschland, also ein
bisschen Ausländer. [...] Die Türkei ist für uns jetzt zum Urlaubsland geworden. [...] Unsere Heimat
!
Ähnlicherweise schreibt Anul Hadiye von ihren zumeist positiven Erfahrungen in Hessen seit ihrer
Ankunft im Jahre 1969. Sie bewarb sich um eine Stelle als Waschfrau bei der Wäscherei Herzog, wo
sie mit deutschen, italienischen und jugoslawischen Kolleginnen für 22 Jahre arbeitete. Sie sagte, sie
arbeitete oft bis in die Nacht um 22 Uhr, weil die Arbeitsplätze in der Wäscherei immer unsicher
waren. Durch technologische Fortschritte in der Waschtechnik und den Kauf neuerer Maschinen
reduzierte die Firma die Zahl ihrer Mitarbeiterinnen im Laufe der 1970er und 1980er Jahre. Hadiye
schreibt: „Am Anfang waren wir ca. 15 Arbeiterinnen, zum Schluss nur noch fünf‟.175 Als sie in
Deutschland ankam wurde ihr erzählt, das jedes Fleisch vom Schwein sei, was sie für ein ganzes Jahr
glaubte. Einmal im Jahre 1970 kochte ihr eine Nachbarin für sie Frikadellen ohne Schweinfleisch,
wofür sie seitdem schwärmte. Im Laufe der Arbeit entwickelten sich Probleme mit ihren Händen,
und im Jahre 1992 wechselte sie zur Halbarbeit bei einem Optiker. Als sie sich einmal von einem
türkischen Orthopäden behandeln ließ, traf sie andere türkische Frauen, die ihr einem Mann
vorstellten, den sie letztendlich heiratete. Damals war sie im mittleren Alter. Hadiye schreibt: „Es ist
nicht gut, allein alt zu werden‟.176 Nach der Heirat adoptierte sie das Kind ihrer Schwester, die in
ärmlichen Verhältnissen lebte, das mit ihr und ihrem Mann in Deutschland lebte. Noch im Jahre
2006 war sie beim Optiker tätig, aber sie hatte inzwischen genug gespart, um ein Dreifamilienhaus
an der türkischen Küste zu bauen, wo sie den Frühling und den Sommer verbrachte.177
!
Die Beispiele Cındıks und Hadiyes zeigen, inwiefern türkische Gastarbeiter versuchten, sich
gleichzeitig an die deutsche Gesellschaft anzupassen und ihre kulturellen Eigenschaften zu behalten
bzw. Teil der türkischen Gemeinschaft in Deutschland zu bleiben. Dass sie aber nur Gutes an ihre
Mitarbeit mit deutschen Kollegen während ihres Aufenthalts als Gastarbeiter erinnern, ist Zeichen
einer in der Zeit wachsenden Freundschaft auf dem persönlichen Niveau unter Deutschen und
Türken. Dies trägt weiter zum kommunikativen Gedächtnis in Form persönlicher Geschichten und
!
Erinnerungen der Gastarbeiter zum kulturellen Gedächtnis wurden vor dem Jahre 2011 in Filmen
von deutsch-türkischen Regisseuren wie Fatih Akın und Aysun Bademsoy bekannt. Diese Filme, u.a.
Akıns Wir haben vergessen zurückzukehren, können als Versuche interpretiert werden, das
Gastarbeiterleben in Deutschland zu archivieren. Mit dem Jubiläum des 50. Jahrestags des
Anwerbeabkommens im Jahre 2011 wurden häufiger Bücher und andere Medien über die
Geschichte der Türken in Deutschland veröffentlicht. Die oben erwähnte Sammlung von
Geschichten von in Neu-Isenburg lebenden Gastarbeiter geht mit anderen Büchern wie z.B. Karin
Hunns »Nächstes Jahr kehren wir zurück ...«: Die Geschichte der türkischen »Gastarbeiter« in der Bundesrepublik
in das kulturelle Gedächtnis ein.178 Jetzt werden persönliche Geschichten und Erinnerungen
gesammelt und archiviert, was ihre Plätze im deutschen kulturellen Gedächtnis verankern wird.
!
Auch die Entdeckung des Skandals um die Terrorzelle des Nationalsozialistischen Untergrunds im
Jahre 2011 sorgte für eine größere Bewusstheit in Deutschland über die Realität des Lebens der
türkischen Mitbürger. Das 2013 veröffentlichte Buch Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an
meinem Vater von Semiya Şimşek beschreibt die Erinnerungen der Tochter des ersten Opfers des
NSU, Enver Şimşek, an ihren Vater und die folgenden elfjährigen Polizeiermittlungen gegen ihre
eigene Familie. Dementsprechend gehört das Buch als Erinnerungsvermittler zum kulturellen
Gedächtnis.
!
Institutionen
Erinnerung an die Arbeitermigration der 1960er und 1970er Jahre einem größeren Publikum zu
Beispiele sind u.a.: Deutsch Türkische Freundschafts Föderation, Deutsch-türkischer Freundschaftsverein Bobingen,
179
Deutsch-Türkischer Verein Köln e.V., DTF Herborn e.V., Das Türkisch-Deutsche Zentrum e.V., und die Deutsch-
Türkische Gesellschaft e.v.
!79
präsentieren. Jedoch gibt es wie im letzten Kapitel erwähnt zwei Museen über die Auswanderung aus
Auswanderermuseum in Hamburg - aber keine staatlich gefördeten Museen oder eben Denkmäler,
die sich auf die Einwanderung nach Deutschland während des sogenannten Wirtschaftswunders des
!
Eine wichtige Ausnahme stellt das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in
Deutschland e.V. (DOMiD) mit Sitz in Köln-Ehrenfeld dar. DOMiD verfügt über eine Bibliothek
Werken aus der „Gastarbeiterliteratur‟.180 Hinzu kommt ein weitreichendes digitales Archiv von
Zeitungsartikeln, Bildern und Tondokumenten aus der Zeit der Arbeitsmigration nach Deutschland.
Darüber hinaus besitzt DOMiD eine Objektsammlung von „Gegenstände[n] aus dem Arbeitsalltag,
Einrichtungsgegenstände aus Wohnheimen, Kleidung und Devotionalien [...] neben aus der Heimat
mitgebrachten Erinnerungsstücken‟.181 Das primäre Ziel der Organisation lautet: „Migration als
Normalfall zu vermitteln. Damit soll letztlich das Fundament einer gemeinsamen, transkulturellen
!
„Unser Verein wurde 1990 von vier Migranten gegründet. Sie sorgten sich darum,
dass ihre Geschichte und der positive Beitrag der Einwanderer in der deutschen
Gesellschaft nicht wahrgenommen wurden. Davon, Migranten gar als Teil der
180 DOMiD: Bibliothek, online zugreifbar unter: http://www.domid.org/de/bibliothek, letzter Zugriff am 29.03.2014.
181DOMiD: Objektsammlung, online zugreifbar unter: http://www.domid.org/de/objektsammlung, letzter Zugriff am
29.03.2014.
182DOMiD: DOMiDs Ziele, online zugreifbar unter: http://www.domid.org/de/domids-ziele, letzter Zugriff am
29.03.2014.
!80
dunkle Kapitel. Vor diesem Hintergrund begannen die Vier, Objekte und Zeugnisse
der Einwanderung in die BRD zu sammeln. Ihr Ziel war es von Beginn an, diese
Zeugnisse eines Tages auch in einer Ausstellung zu präsentieren. Damit war die Idee
!
Um dieses Ziel zu verwirklichen, plant DOMiD ein „virtuelles Migrationsmuseum‟, das als
herunterladbares App und im Netz zugreifbar sein wird. Den Hintergrund des Projektes beschreibt
Dr. Robert Fuchs, Projektleiter für das virtuelle Migrationsmuseum, in seinem Blog wie folgt: „[...]
Ein virtuelles Migrationsmuseum ist losgelöst von Raum und Zeit. Die Besucher können den Raum
verlassen und zu anderen virtuellen Orten oder Zeiten gelangen. Zudem lässt sich das Museum von
jedem Ort der Welt betreten. Das baut Hemmschwellen ab‟.184 Ein im Februar 2014 veröffentlichter
Trailer zeigt das Programm, das dem Benutzer Einblicke in neun durch unterschiedliche Gebäude im
Alltag eines Arbeitsmigranten vertretenen Themenbereichen über drei Zeitebene ermöglicht.185 Zum
Beispiel wird das Leben in einer Fabrik in den Jahren 1960, 1980 und 2010 interaktiv und
multimedial dargestellt. Andere Optionen zeigen den Alltag im Supermarkt, in der Schule, am
Bahnhof, im Kino, beim Kiosk und im Wohnhaus. Das App wird erst im Jahre 2015 eingeführt.
!
!
183 FUCHS, Robert: Wieso ein Migrationsmuseum und warum virtuell? - Wie kam es zu der Idee?, in: Virtuelles
Migrationsmuseum, 23.01.2014, online zugreifbar unter: http://virtuelles-migrationsmuseum.org/2014/01/23/idee/,
letzter Zugriff am 29.03.2014.
184 Vgl. ebd.
DOMiD: Trailer, in: Virtuelles Migrationsmuseum, 19.02.2014, online zugreifbar unter: http://virtuelles-
185
5. Ausblick/Fazit
Das virtuelle Migrationsmuseum ist nur ein Beispiel für die zukünftige Erinnerungskultur. In der
Zukunft werden Erinnerungen auf interaktivere und innovativere Art und Weise gestaltet und an
Christoph Classen, wird der Zugang zur Erinnerungskultur unmittelbarer.186 Das heißt, dass ein
!
In meiner Arbeit habe ich mich mehr mit traditionelleren Manifestationen von Erinnerungen
beschäftigt, u.a. mit Bundestagsprotokollen, Zeitungsartikeln und Büchern, und bin der Frage
amerikanischen und deutsch-türkischen Beziehugen spielen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass
sich die Rolle der Erinnerung in bilateralen Beziehungen von Staat zu Staat deutlich unterscheiden
kann. Am Beispiel der deutsch-amerikanischen Beziehungen sehen wir, dass Verbindungen zwischen
den Erinnerungen an die Stasi-Vergangenheit in der DDR und die heutigen Debatten über
Datenschutz und Privatsphäre in Deutschland nicht allzu schwer nachvollziehbar sind. Daraus folgt,
dass die durch die Erinnerung sowohl an die Gestapo in der NS-Zeit als auch an die Arbeit des MfS
Auseinandersetzung mit der NSA-Ausspähaffäre 2013 haben. Datenschutz und Regulierung des
Internets ist in Deutschland ein wichtiges Thema, wovon aus die Gründung der Parteipartei in Jahre
2006 zeugt. Trotzdem würde ich Bernd Lippmann darin zustimmen, dass die NSA-Affäre eher eine
Medienaffäre war, von der sich einzelne Bürger nicht direkt bedroht sahe. Die Affäre wird meiner
186CLASSEN, Christoph: Medien und Erinnerung, in: Bundeszentrale für politische Bildung, 28.08.2008, online
zugreifbar unter: http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/geschichte-und-erinnerung/39857/medien-und-
erinnerung, letzter Zugriff am 07.04.2014.
!82
Meinung nach keine negativen Auswirkungen für das Weiterführen der TTIP-Verhandlungen haben,
deren schon vierte Runde trotz der NSA-Affäre im März 2014 stattfand.
!
Auf Seite der deutsch-türkischen Beziehungen, und weiterhin des Verhältnisses der EU zur Türkei,
scheinen die Chancen für eine Zukunft der Türkei in Europa zunehmend unwahrscheinlicher. Die
Hoffnungen auf den Beitritt zur EU werden von der Erdoğan-Regierung gefährdet, die im März
2014 ein Verbot der sozialen Netzwerke Twitter und Facebook versuchte. Meine Analyse der Rolle
der Erinnerung in der deutsch-türkischen Beziehung zeigt, dass der Zusammenhang zwischen
Erinnerungen an die Gastarbeiter-Ära und die heutige Politik nicht so eindeutig ist. Zwar wurden im
Laufe der Arbeiterzuwanderung nach Deutschland ab den 1960er Jahren Brücken zwischen
Menschen gebaut, aber zwischen Regierungen eben nicht. Auch Erinnerungen an andere Ereignisse,
wie z.B. an die Türkenbelagerungen vor Wien und den Völkermord an Armeniern im Ersten
Weltkrieg, spielen in der heutigen Außenpolitk eine größere Rolle als die Erinnerungen an die
Gastarbeiter-Ära. Sowohl hatten das Anwerbeabkommen 1961 als auch die EU-
Bei dem EU-Beitritt geht es im Vergleich zum Anwerbeabkommen vielmehr um Verteidigungs- und
Kulturpolitisches als rein Wirtschaftliches. Die Folgen einer Aufnahme der Türkei in die EU stellen
für ganz Europa etwas Unvergleichbares in der kulturellen und demografischen Geschichte Europas
dar - und gerade scheint die kontinentale Angst vor Überfremdung stärker als alle wirtschaftlichen
6. Anhänge
Quelle: KANE, Tim: Global U.S. Troop Deployment, 1950 - 2003, in: The Heritage Foundation, online zugreifbar unter:
http://www.heritage.org/research/reports/2004/10/global-us-troop-deployment-1950-2003, letzter Zugriff am
02.04.2014.
!
!
!
!
!
!
!
!84
Quelle: FRICKE, Karl Wilhelm: MfS intern. Macht, Strukturen, Auflösung der DDR-Staatssicherheit - Analyse und
Dokumentation, 1. Aufl. Köln : Verlag Wissenschaft und Politik, 1991, S. 26-27.
!
!85
!
Quelle: o.A.: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 15/1950, 21.02.1950, online zugreifbar unter:
https://www.bundesarchiv.de/findbuecher/sapmo/b_gblddr/mets/50_015/index.htm, letzter Zugriff am 29.03.2014.
!
!86
!
Quelle: DAYI, Sema: 50 Jahre Deutsch-türkisches Anwerbeabkommen. Bundeszentrale für politische Bildung : Berlin,
09.2011. Online zugreifbar unter: http://www.bpb.de/system/files/pdf/YIOI3V.pdf, letzter Zugriff am 15.03.2014.
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!87
7. Quellenverzeichnis
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Fragestellungen. 1. Aufl. Berlin : Erich Schmidt Verlag, 2006.
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ASSMANN, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. 1.
Aufl. München : C. H. Beck, 1999.
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ASSMANN, Aleida; FREVERT, Ute: Geschichtsvergessenheit - Geschichtsversessenheit. Vom
Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945. 1. Aufl. Stuttgart : Deutsche Verlags-Anstalt,
1999.
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CLASSEN, Christoph: Medien und Erinnerung, in: Bundeszentrale für politische Bildung,
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erinnerung/39857/medien-und-erinnerung, letzter Zugriff am 07.04.2014.
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International Relations. 1. Aufl. Washington : Georgetonwn University Press, 2010.
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Persönliches Gespräch mit Eric Langenbacher, Visiting Assisstant Professor/Director of Honors
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Danksagung
Ohne die Unterstützung vieler Menschen - Freunde, Kommilitonen, Dozenten und Lehrer - wäre
dieses Projekt überhaupt nicht zu verwirklichen gewesen. Ich muss aus ganzem Herzen Dr. Yasemin
Dayıoğlu-Yücel danken für die akademische Betreuung dieser Arbeit und die endlosen E-Mails, die
wir aneinander zu jeder Tageszeit schickten. Nur durch das lockere Umgehen miteinander konnten
wir während des Schreibens unseren Verstand wahren.
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Herzlichen Dank auch an das Huntsman Program in International Studies and Business, das meine
Reise nach Deutschland im Januar 2014 unterstützte, vor allem an Inge Herman, die mich seit dem
Studienanfang 2010 immer dazu angehalten hat, geduldiger zu werden. Dies hat mir bei der Planung
der Reise sehr geholfen.
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Ich bedanke mich auch bei allen, die ich im Rahmen dieser Arbeit in Deutschland getroffen habe:
Lena und Stief, Bernd Lippmann, Holger Berwinkel, Thilo Günther, Robert Fuchs, Bettina Just, und
Sandra Vacca. Ich bedanke mich auch bei Dr. Eric Langenbacher für seine Hilfe während meines
Besuchs in Washington im März 2014. Mein herzlichste Dank geht auch an die Familie Dunn/
Keilhau, die mich immer während meiner vielen Besuche nach Wiesbaden unterbringt.
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Vor allem danke ich Alicia Schmouder. In ihrer Rolle als Deutschlehrerin in Hollidaysburg kämpft
sie immer für das Sprachprogramm trotz endloser Haushaltskürzungen und anspruchsvoller
Sportlehrer, die Schmerz vor Sprache bevorzugen. Mit ihrer Hilfe kam ich 2007 zum ersten Mal
nach Deutschland mit dem Schüleraustauschprogramm Friendship Connection. Ich kenne Alicia
schon seit zehn Jahren und zähle sie immer noch zu einer der besten Lehrerinnen, Dozenten, usw.,
die ich je kennengelernt habe. Ohne ihre Leidenschaft für das Lehren wäre ich nie nach Deutschland
gereist, hätte die Sprache nicht gelernt und hätte schließlich keine solchen tollen Erlebnisse gehabt,
wie die, die ich in den letzten vier Jahren an Penn und in Europa genießen konnte. Vielen Dank,
Frau.