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Vom Saulus zum Paulus: Der Traum vom heimischen Ersatz

Im Jahre 1978, als Professor Porkerts “Klinische Chinesische Pharmakologie” erschien und
über 400 Arzneimittel listete, gab es noch keine Importeure und erst 2 jahre später bekam man
in der Apotheke Bayerischzell ca. 120 dieser Substanzen. Ich machte mich also damals auf,
um Ersatzstoffe zu suchen und fand nach 3 Monaten des Stöberns in DAB 6 und 8, im HAB,
in Gewürzhandlungen, Gärtnereien und der freien Natur etwa 180 Ersatzsubstanzen, die ich
damals als Schreibmaschinenskript auf dem Rothenburger Kongress 1984 kostenlos
herumreichte um mehr Anhänger für die damals neue Chinesische Arzneimitteltherapie zu
finden.
Später ergänzte ich die Liste und man kann sie noch heute als meine Marco-Polo-Liste im
Internet und ergänzt in meinem ersten Buch “Das Blutstasesyndrom” im Anhang finden.
Immerhin sind ca. 40 davon tatsächlich mit den chinesischen Arzneien identisch, 95 sind
botanische Verwandte der gleichen Spezies.
Heute findet man 165 solcher TCA-Pflanzen-Äquivalente in Deutschland, von welchen
61 in DAB und HAB gelistet sind, 29 in Supermärkten, 25 in Reformhäusern und
Naturkostläden und 14 unter den Gewürzen. Weitere 14 können durch Gärtnereien
verkaufte Samen selbst gezüchtet werden, und 22 wachsen bei uns wild in der Natur.
Damals gab uns dies als kleiner Kreis der Arzneimitteltherapeuten im grossen
Akupunkturzirkel Hoffnung auf eine Erweiterung der Therapie mit mehr Möglichkeiten und
tatsächlich importierte nur einige Jahre später die Apotheke Schwabach und Anfang der
Neunziger die Klinik in Kötzting, gefolgt von vielen Firmen die Chinesischen Rohdrogen,
Granulate, hydrophilen Konzentrate und Fertigarzneien.
Während dieses heute ca. 250-450 Original-Arzneien (z.B. Phytocomm führt über 320 Arten)
umfassende Angebot weiter blühte und nach Porkert auch Bensky und Barolets Werke die
Arzneimitteltherapie bekannt machten, Ausbildungen und Fachbücher angeboten wurden, war
ich bereits in Taiwan um praktische Ausbildung in Akupunktur und Qi-Gong (1988) zu lernen
und studierte später Arzneimitteltherapie (1993) in der Volksrepublik.
Vielleicht weil ich die Lage zuhause nicht kannte, aber auch weil dieser alte Traum vom
Verwenden Europäischer Arzneien bei Chinesischer Medizin mich nicht loslies, begann ich
bei meiner Forschung zur Doktorarbeit seit 1998 diese Möglichkeit erneut zu eruieren, und
verglich unsere heimischen verwandten Kräuter mit denen in China verwendeten in den
Forschungsstudien.
Hierzu wurden in deutschen Apotheken gekaufte Arzneien mit in chinesischen staatlichen
Apotheken verkauften Arzneien durch mikroskopische Schnitte und Zellvergleiche,
Dünnblatt- und Gaschromatographien der Inhaltsstoffe verglichen, ihre Wirkungen bei drei
Tiersorten und auf drei Mikroorganismen beobachtet und ihre Verwendung und
Wirkungsbeschreibung in Europäischer und chinesischer Fachliteratur durch zwei
Jahrtausende mittels bibliograhipher Studien geprüft.
Doch langsam aber deutlich zeichneten sich durch jeden Vergleich mehr und mehr
Unterschiede ab, die mich Summa summarum zu einem völlig anderen Schluß kommen
ließen als Jeremy Ross oder andere Verfechter des seit kurzem populär gewordenen Therapie-
Experimentes, bei dem westliche Arzneien nach den Kriterien Chinesischer Medizin
verwendet werden:
Dieser Traum muß aber für lange Zeit ein Traum bleiben, denn diese Anwendung birgt für
den Patienten unbekannte Risiken mit sich, die sogar noch höher sind als die der chemischen
Pharmakologika, denn diese wurden zumindest über Jahre an Tieren, kleinen und grossen
Gruppen von Gesunden und Kranken unter strenger wissenschaftlicher Kontrolle getestet,
bevor sie für den Einsatz am freien Markt zugelassen werden. Und daß selbst dann noch
Risiken für den Patienten bestehen, zeigen alle Skandale von Contergan bis Lipobay.
Warum dieser Traum also ein Alptraum werden könnte, soll in diesem kurzen Vortrag
erläutert werden.
Grundlagen: Unterschiede der traditionellen Medizinsysteme in Ost und West
Traditionelle Medizin bis zum 17. Jh. bestand in Europa aus der Galenisch-Hippokratischen
Medizin, die ihre Wurzeln in der Griechischen und Römischen Kultur hatte. Während
Hippokrates von Kos und später der römische Gladiatorenarzt Galen die theoretischen
Grundlagen der Pathogenese und Ätiologie legten, und die Säftelehre nach den vier
Elementen entwickelten, wurden die Arzneien von Dioskurides und der späteren
Mönchsmedizin nach bis zu drei Graden dieser vier Elemente eingeteilt und in ihrer Wirkung
eingesetzt. Nach dem Abort der antiken Medizin durch die Väter der naturwissenschaftlichen
Medizin, wie Vesalius (Anatomie), Sydenham (Krankheit als Konzept), Harvey
(Blutkreislauf) und dem von der Naturheilkunde so fälschlich gelobten Paracelsus Bombastus
von Hohenheim, der nämlich kein gutes Haar mehr an der traditionellen Medizin ließ,
divergierte die Entwicklung der westlichen Medizin endgültig mit der der traditionellen
Medizin in China.
Davor jedoch gab es durchaus mehr Gemeinsamkeiten als man annehmen sollte:

Theorie
China Europa
Yinyang, wuxing, zangfu, jingluo, Qi, Xue, Pneuma, 4 Elemente, 4 Krasen, Reifung von
jingye Speisen und Blut-Produktion im Körper
production

Medizinische Grundliteratur
China Europa
Neijing, Jiayijing, Shanhanzabinglun, Hippokrates, Dioskurides, Galen, Avicenna
Wenbing-Schriften

Anatomische/Pathologische Konzepte
China Europe
Vorwiegend durch Beobachtung von Tieren Vorwiegend durch Beobachtung von Tieren
und dem Einordnen vorhandener praktischer und durch (Galen) Verletzungschirurgie am
Therapien in philosophische Konzepte Kranken, dem Einordnen vorhandener
Erfahrungsmedizin in theoretische Konzepte

Diagnose
China Middle-Europe
Puls, Zunge, Tasten, Riechen, Hören, Fragen Puls, Urinschau, Befragen, z.T. Tasten

Dietetische Konzepte
China Middle-Europe
Sun si-miao, u.a. Galens Humoralpathologie

Grad Kalt 1º Kalt 2º Kalt 3º Warm 1º Warm 2º Warm 3º


Trocken 1º Pfeffer,
Chili
Trocken 2º Karrotten, Cardamom
Wurzeln
Trocken 3º Bohnen, Rind, Kreuz-
Erbsen kümmel, Zimt
Feucht 1º Frisches Kohl, Spinat Zucker, Gef- Milch Ingwer
Obst lügel Mandeln
Feucht 2º Fisch, Zwiebeln
Gurken
Feucht 3º Melonen,
Pilze

Manuelle Techniken/ Chirurgie


China Europa
Akupunktur, Moxa, Schröpfen, Mikroaderlaß Chirurgie Moxa, Schröpfen, Aderlaß,
(ciluo) Massage

Medizinische Anwendung und verfahren im eurpäischen Mittelalter

Theorie, Diagnose Galens Humoralpathologie, Pulsdiagnose und Urinschau


Arzneitherapie Klassifikation von Kräutern u.a. nach Form und Farbe (Signatur)
nach den 4 Elementen und Krasen, z.B. Rot=Blut, Feuer;
gelb=Galle, Erde, usw.
Gesundheitshygiene Balancieren der 4 Elemente im Körper durch Regulation von
und Diätetik Atmung (ein und aus), Nahrung und Ausscheidung, Bewegung
und Stille, Schlaf und Arbeit und balancieren von Emotionen.
Manuelle Therapie Aderlaß und Schröpfen, z.T. nach astrologischen Konzepten und
Zeiten

Einteilung der Materia Medica


China Europa
4 Temperaturen (Siqi), 5 Geschmäcker 4 Elemente, 3 Grade, Signaturenlehre,
(wuwei), 12 Meridiane (guijing), Erfahrungsanwendung
Erfahrungsanwendung

Import von Medizinischen Substanzen


China Europa
Aus Indien, Arabien, Persien, Südost-Asien Aus Afrika, Arabien, Persien,China,
Südamerika und China (via Mittleren Osten)

Medizinisches Gesetz
China Europa
Studium für 4-7 Jahre und Arbeit mit Unterschiede in Ländern: als Voraussetzung
erfahrenem Arzt (Lehre) bevor praktiziert zwischen keinem Nachweis bis zu 5 Jahren
werden durfte Universitätsstudium (einschliesslich 3 Jahre
Chirurgie ) und einem Jahr Praxis z.B. unter
Anleitung nach Friedrich II (13 Jh.)

Austausch von medizinischem Wissen


China Europa
Mit Indien, Arabien, Europa (durch Mit Afrika, Arabien, Asien and China (durch
Auswanderer und Kaufleute) Missionare und Kaufleute)

Praktische Anwendung der Arzneimittel


China Europa
Verwendung von menschlichen, tierischen, Verwendung von menschlichen, tierischen,
pflanzlichen und mineralischen Substanzen, pflanzlichen und mineralischen Substanzen,
Ausbalancieren in der Formel von Kombination von einseitigen Wirkungen in
gegensätzlichen Wirkungen der Formel

Aus Hieronymus Bocks Kreutterbauch 1545 (S.463)

Deutscher Name Chinesischer Name Chin. Wirkung (4 Engl. Name und Menge
Elemente)
Kaneelzimt (Warm 1°, trocken 3°) Cinnamom caneel 7 quint
Cassiazimt Rou Gui Heiß, inneres wärmend Cinnamom cassia (Ceylon)
(Warm 1°, trocken 3°) 3 quint
Kümmel Zang Hui Xiang Warm, aromatisch Carvum Roman Caraway 2
trocknend quint
Alant ? Alant root 2 quint
Galgant Gao Liang Jiang Heiß, Schleim umwandelnd Galangal root 3,5 quint
Gewürznelke Ding Xiang Heiß, Biao öffnend Sage 1,5 quint
Cubebenpfeffer Bi Ba Heiß, inneres wärmend, Piper longa 1,5 quint
(sehr warm, sehr trocken)
Kardamom Sha ren Warm, aromatisch Nässe Cardamomum seed 1,5
trocknend (Warm 2°, quint
trocken 2°)
Sichuan Pfeffer Hua Jiao Heiß, inneres wärmend Szechuan Pepper 1,5 quint
(sehr warm, sehr trocken)
Ingwer Gan Jiang Heiß, inneres wärmend White Ginger 1,5 quint
(sehr warm, trocken)
Muskatblüte Rou Dou Kou Hua Warm, gegen Musk flower 1,5 quint
Verdauungstagnation
Muskatnuß Rou Dou Kou Heiß, inneres wärmend Musk seeds 1,5 quint
(warm, trocken)
Kardamomholz Sha Ren Gen ? Cardamom wood 1,5 quint
Safran Hong Hua Warm, Blut belebend Saffron 0,5 quint
(warm)
Kaneelzucker Tang Warm, Mitte tonisierend Caneel sugar 3-4 quint
(feucht)

Zwei Formeln von Zhang Jing-yue (1543-1640) für Nieren-Yin und Nieren-Yang
Formel: ZUO GUI WAN (Linke Niere Pille)
Wirkung Arznei
Nährt Yin und Blut Radix Rehmanniae (Shu Di Huang) 12 g
Tonisiert Qi und Yang Radix Discoreae Oppositae (Shan Yao) 6 g
Nährt Yin Fructus Lycii (Gou Qi Zi) 6 g
Stärkt Yang Fructus Corni Officinalis (Shan Zhu Yu) 6 g
Stärkt Yang (Niere) Radix Cyathulae (Chuan Niu Xi) 4.5 g
Stärkt Yang Semen Cuscutae Chinensis (Tu Si Zi) 6 g
Fortifiziert Yang Colla Cornu Cervi (Lu Jiao Jiao) 6 g
Nährt Yin Colla Plastrum Testudinis (Gui Jiao) 6 g
Hauptwirk.: Nährt das Yin und stärkt die Nieren, vermehrt Essenz-Jing, stärkt das Sui (Mark)

Formel: YOU GUI WAN (Rechte Niere Pille)


Wirk.: Wärmt und stärkt das Nieren-Yang, vermehrt das Jing, nährt das Blut
Stärkt Yang und wärmt Radix Lateralis Aconiti Carmichaeli Praeparata
(Fu Zi) 1-3-5 g
Stärkt Yang und wärmt Cortex Cinnamomi Cassiae (Rou Gui) 3-5 g
Fortifiziert Yang Colla Cornu Cervi (Lu Jiao Jiao) 6-9 g
Nährt Yin und Blut Radix Rehmanniae (Shu Di Huang) 9 g
Stärkt Yang Fructus Corni Officinalis (Shan Zhu Yu) 6 g
Stärkt Qi und Yang Radix Dioscoreae Oppositae (Shan Yao) 6 g
Nährt Yin Fructus Lycii (Gou Qi Zi) 6 g
Stärkt Yang Semen Cuscutae Chinensis (Tu Si Zi) 6 g
Stärkt Yang Cortex Eucommiae Ulmoidis (Du Zhong) 6 g
Nährt Yin (Blut) Radix Angelicae Sinensis (Dang Gui) 6 g

Wir sehen hier also wie schon vor fast 500 Jahren die traditionelle Medizin in Europa eine
Tendenz zur allopathischen Monotherapie hatte und versuchte die zu erzielende Wirkung
direkt durch Kombination von gleichen Wirkstoffen zu erreichen, während man in China oft
eine “balancierende Arznei” in den Formeln verwendete, um eine drastische Wirkung
abzumildern oder nicht unerwünschte Nebenwirkungen zu erzeugen, wie ein einseitiger
Überschuß von Yin oder Yang.
Wir sehen hier also, daß die beiden Arten traditioneller Medizin überaschend viel gemeinsam
hatten, daß sie aber auf unterschiedlichen Prämissen beruhen: 4 Elemente sind nun mal keine
5 Wandlungsphasen und Qi ist nicht Äther: Durch den Handel beider Kulturen mit den
Arabern gab es zwar unter den Gewürzen ca. 100 Arzneien die in beiden Kontinenten benutzt
wurden, aber wie schon obige Rezepturen zeigen war selbst bei den gleichen Arzneien, die
Art des Einsatzes und das Ziel nicht das gleiche.
Und dies, wie der Einsatz von Schwarzpulver als Feuerwerk in China oder als Waffe in
Europa zeigt, kann völlig unterschiedliche Ergebnisse zeitigen.
Eine Verwendung von Arzneien der einen in einer anderen Kultur ist also möglich, solange sie
die aus ihrer eigenen Philosophie stammenden Methoden nicht verläßt. Sobald aber die
Methoden der einen Kultur mit Pflanzen der anderen Kultur vermischt werden, kommt ein
neues und – wenn keine jahrhundertalte Erfahrung dahintersteht – eine oft unerwartete
Wirkung dabei heraus.
Die Methode des Vermischens beider Phytotherapien ist demnach zwar interessant, kann aber
bestenfalls als experimentelles Verfahren bei der Behandlung von Krankheiten betrachtet
werden. Die Antwort auf die gefahrlose Verwendung dieser Methode muß also “Nein” heißen,
denn wer möchte schon Versuchskaninchen sein, wenn es statt dessen in beiden Kulturen
bereits sichere Methoden der Phytotherapie gibt?

Forschung: Unterschiede in Inhaltsstoffen


Pflanze Hauptwirkstoffe Nebenwirkstoffe
Taraxacum Kaffeesäure, 3-(3,4-Dihydroxy)
mongolicum Taraxol, Taraxerol, ϕ- phenylacrylsäure, Fructose, Sucrose,
Taraxasterol, Stigmasterol, Glucose, hydroxy-phenylacrylsäure,
China β-Amyrin, Palmsäure, Ceroinsäure, Melissin-
säure, Oleinsäure, Linolensäure,
β-Sitosterol Lutein,Violaxanthin, Plastoquinon, ,
Pu Gong Ying Arnidiol, Flavoxanthin, Vitamine C
und D
Taraxacum Taraxacin Phytosterine
Officinale (Lactucopikrin)
Triterpenoide
Europa

Löwenzahn
Leonurus hetero- Stachydrin, Leonurin Prehispanolol, Hispanolol,
phyllus Galeopsin,
China Preleoheterin, Leoheterin
Yi Mu Cao
Leonurus Betonicin, Turicin, Flavonoid,
Cardiaica Bitterstoffglykoside
Stachydrin, Bufenolide
Europa
Herzgespann
Foeniculum vulgare Anethol, Fenchon Fette Öle
Europa
Fenchel
Foeniculum amare Fenchon, trans-Anethol, Methoxyphenylaceton, Sabinen, α-
seu vulgare Limonen, Estragol, γ- Phellandren, p-Cymen, 1,8-Cyneol,
Terpinen, α-Pinen, 4-Terpinol, trans-Fenchoacetat,
China Myrcen, β-Pinen, anisaldehyde, 10-octadecenoid-säure,
Arachinsäure, Palmsäure, bobenische
Campher, Camphen Säure, Myristinsäure, Stearinsäure,
Xiao Hui Xiang Stigmasterol, Umbifellon, β-
sitosterol, Xanthotoxin, α-Amyrin,
Imperatorin, Bergapten, Marmesin

Mikroskopischer und chromatographischer Vergleich von 3 Beispielpflanzen


Forschung: Unterschiede in der Wirkung
Die drei obigen Pflanzen wurden nun in ihrer Wirkung getestet. Dabei ergab sich beim
entzündungshemmenden Löwenzahn, daß beide Pflanzen aus Ost und West keine abtötende Wirkung
auf Escherichia Coli, die normalen Darmbakterien hatten, jedoch unterschiedlich stark auf Pilze
(Candida albicans) und Bakterien (Staphylokokkus aureus) wirkten. In der Mikrokultur zeigte sich
nämlich, daß der chinesische Taraxacum stärker auf die Pilze und der europäische auf die Bakterien
wirkte.
Beim Leonurus ergab sich daß beide Arten die Blutviskosität von Mäusen erhöhen konnten, was ja in
China seine blutbelebende Wirkung und die Wirkung auf das Herz in Europa erklärt. Im Tierversuch
ergab sich jedoch ein deutlicher Unterschied bei der Organwirkung. Bei Ratten zeigte sich daß das
“Herzgspann” seinem Namen alle Ehre machte und cardioton wirkte, während eine Wirkung auf
Uterus kaum feststellbar war. Umgekehrt aber zeigte der in China als Frauenmittel bewährte “Yi Mu
Cao” (Kraut das die Mütter stärkt) eine stark entspannende Wirkung auf den Uterus hat, während
seine Wirkung aufs Herz eher schwach war.
Beim Fenchel ergaben sich nun die Unterschiede, die schon durch die mikroskopischen Unterschiede
zu erwarten waren: Der europäische Fenchel mit seinen acht großen Ölkanälen gegenüber den
chineischen kleinen sechs Ölgängen ist nicht nur ölhaltiger und hat, wie die obigen
Chromatographien zeigen andere ätherische Bestandteile als sein chinesischer Kollege, sondern
besitzt auch seine Wirkstoffe vorallem in den Ölen. Beim Darm von Kaninchen wirken die Öle
karminativ indem sie die Motitlität fördern, während der Chinesische Fenchel das gleiche mit seinen
wasserlöslichen Bestandteilen bewirkt. Dies bedeutet daß die Lagerung für den europäischen Fenchel
eine besondere Rolle spielt, da seine Wirkstoffe flüchtiger Art sind.
Zusammenfassend kann man also sagen, daß allein die hier untersuchten Pflanzen sowohl
Gemeinsamkeiten wie auch z.T. beträchtliche Unterschiede zeigen, die man vor dem unkritischen
Einsatz als Ersatzstoffe kennen sollte. Da aber bisher nur wenige ethnomedizinische Vergleiche
gemacht wurden, ist ein Austausch einer bewährten Arzneipflanze mit einer aus einem anderen
Verwendungsfeld stammenden sehr bedenklich. Hier word noch viel weitere Forschung von Nöten
sein. Chinesische Untersuchungen ergaben z.B. daß das chinesische Süßholz (Gan Cao) Glycyrriza
uralensis wenn es im Norden Chinas geerntet wird, andere Bestandteile enthält als das botanisch
identische Süßholz aus Südchinesischem Boden.
Auch der erfolglose Anbau von Ginseng in Frankreich, USA und Japan zeigte in der Vergangenheit,
daß nur das kalte Klima und der besondere Boden in Nordostchina und Korea einen Ginseng mit den
erwünschten Inhaltsstoffen hervorbringt.
Wieviel größer ist dann aber der Unterschied zwischen dem botanisch verschiedenen europäischen
Glycyrrhiza glabra zum chinesischen Glycyrrhiza uralensis. Vielleicht erklärt dies, warum die
chinesische Variante seit 2000 Jahren in 60% aller Rezepturen Verwendung findet, ohne wie unser
Süßholz und die darus hergestellte Lakritze durch die Mineralocorticoidartigen Wirkstoffe die Gefahr
eines erhöhten Blutdrucks herbeizurufen?
Aufgund der Forschungsergebnisse können wir die Frage nach dem Einsatz westlicher Arznei nach
der TCM also nur mit einem vorsichtigen: “Nein – noch nicht” beantworten, und hoffen, daß hierzu
mehr geforscht wird.

Deutscher Taraxacum officinale (D), chinesischer Tarxacum mongolicum (C) und Miconazol:
Wirkung gegen Candida albicans
Deutscher Taraxacum officinale (D), chinesischer Tarxacum mongolicum (C) und
Clarythromycin: Wirkung auf Staphylococcus aureus

Deutscher Taraxacum officinale (D), chinesischer Tarxacum mongolicum (C) und


Clarythromycin: Wirkung auf Escherischia coli

In der Zusammenfassung unserer Forschungsarbeit schrieben wir im Jahre 2001:


Ethische Bedenken: Neue Therapiekombination auf Kosten des Patienten?
Wenn wir den Einsatz “neuer” Arzneien in Ost und West, Traditionn und Moderne vergleichen, so
haben sich zwei Verschiedene Verfahren bewährt:
1. Aus dem Volk gekommene seit Generationen bewährte Einsätze von Arzneipflanzen, die
vielleicht auch anfangs mutige Experimentatoren wie Shen Nong in China benötigten, der mit
Risiko an Leib und Leben alle Pflanzen an sich selbst ausprobierte. Wieviele Vergiftungen und
Todesfälle ein solches Wissen gebraucht hat, bis es im Volk gefahrlos und korrekt eingesetzt
werden konnte, wissen wir nicht. Zumindest waren es einige Generationen, denn ein solches
Wissen entsteht nicht durch theoretische Übertragung aus Büchern.
2. Im Westen hingegen, seit Entdeckung von Chemie und Pharmakologie versucht man
experimentell ein solches Wissen zu entwickeln. Die Vorgehensweise ist folgende: Ein Einzelstoff
(nicht aber ein hundertfaches unmöglich standardisierbares Stoffgemisch wie bei Pflanzen1) wird
chemisch mit einem bekannten Stoff verglichen, dann im Tierversuch zunächst seine Giftigkeit
und in welcher Dosis giftig (da jeder Stoff in Überdosis giftig ist z.B. SD50=50% der
Versuchstiere sterben) und später seine pharmakologische Wirksamkeit im Tierversuch
nachgwewiesen. Ist dies sicher und bekannt, gint man es einer kleinen Gruppe gesunder
Menschen, da sich nicht alles vom Tier auf den Menschen übertragen läßt. Anschließend wird es
in einer kleinen Gruppe kranker Menschen, jeweils unter strenger Beobachtung gesundheitlicher
Veränderungen ausprobiert. Ein Problem hierbei ist, das bestimmte Gruppen, wie z.B. Kinder, die
ja einen anderen Stoffwechsel als Erwachsene haben, sich fast nie unter den Gruppen befinden
(denn weer würde sein Kind dafür hergeben?), so daß hierfür nur theoretische Daten vorliegen.
Zuletzt wird ein potentielles Arzeneimittel in einer Studie an einer großen Gruppe Kranker
ausprobiert um seine Sicherheit festzustellen. Daß aber auch das nicht immer hundertprozentig
gelingt zeigen anchträgliche Probleme wie bei Vioxx, Lipobay, Contergan, usw. Diese Methode
kostet also trotz ihrer scheinbar höheren Sicherheit ebenfalls Opfer.

Dennoch muß, um einen Fortschritt zu erzielen – seie es in Medizin oder sonstwo – ein gewisses
Risiko in Kauf genommen werden. Doch der Risikoträger z.B. bei neuen Verfahren bei unheilbaren
Krankheiten muß – aus ethischen Gründen immer über das Risiko informiert sein. Im Dritten Reich
hat man mit menschenverachtender Einstellung an Gesunden und Kranken unethische Versuche
gemacht “dem Fortschritt zuliebe”. Doch waren die Opfer meist nicht einverstanden. Auch in den
USA wurde jahrzehntelang mit der schwarzen Bevölkerung ein Syphillis-Versuch gemacht, bei dem
absichtlich keine bereits vorhandenen Wirkstoffe verwendet wurden. So etwas darf nie wieder
passieren.
In der “Alternnativen Medizin” die ja den Ruf des ‘sanften’, ‘harmlosen’ hat, scheinen solche
Bedenken aber nicht zu gelten:
Seit Herrn Stux gibt es die Chakren-Akupunktur, die Indische Philosophie mit Chinesischer Medizin
vermischt, Mark Seem in den USA macht Psycho-Akupunktur durch Vermischung von NLP mit
Akupunktur und nennt dies stolz die “neue Amerikanische Akupunktur”. Auch kann man aus
chinesischen Arzneimitteln homöopathische Potenzen herstellen wie in den USA gemacht und
schließlich – wie Claude Diolosa, Jeremy Ross u.a. dies propagieren Chinesische
Arzneimitteltherapie machen, d.h. Diagnose und Rezeptur wie wir es gelernt haben, dabei aber die
Verwendung von europäischen Arzneien vorschlagen.
Sind aber Pflanzliche Arzneien so harmlos, das sie experimentell keinen Schaden anrichten können?
Alle chinesischen Arzneimittellehren weisen den Benutzer darauf hin, ob eine Arznei toxisch oder
bei bestimmten Syndromen (z.B. aromatische Arzneien bei Yin-Leere oder heiße bei Hitze)
kontraindiziert sind. Leider finden wir solche Hinweise kaum oder gar nicht in den mitteloalterlichen
Folianten unserer Vorfahren, vielleicht weil – wie obiger Rezepturen-Vergleich zeigt – weil sie
ohnehin etwas rustikalere Vorgehensweisen hatten als unsere chinesischen Kollegen, mehr
Akutkrankheiten mit kürzeren Anwendungszeiten der Arzneien behandelten oder einfach, weil sie
das Wissen nicht hatten.
1
Wie schon in meinem Artikel „Die Wissenschaftlichkeit der TCM“ erklärt, ist diese
Vorgehensweise ein Problem bei der Erforschung von Phytopharmaka und nur ein Ansatz mit
„Fuzzy-Logic“ wäre eine mögliche Alternative. Die Natur läßt sich nicht standardisieren!
Wenn wir nun also Wissen aus zwei guten Systemen kombinieren, für welche (die Kombination)
noch kaum Erfahrungen gesammelt wurden, so dies zweifellos neu und auch interessant. Doch Hand
auf Herz: Weiß ein mit solcher Methode behandelter Patient, das er noch vor Tierversuch und am
gesunden Menschen versucht, DER ERSTE IST, an dem die verwendet wurde? Wurde er über
mögliche Risiken informiert ? Wenn nein, und wenn er glaubt an ihm werde eine seit Jahrhunderten
oder Jahrtausenden alte Medizin verwandt, und wir ihm unsere neue Methode als TCM oder
Westliche Phytopharmakologie verkaufen, was unterscheidet uns dann noch von den Nazis? Der gute
Wille vielleicht ?
Auch ob die gewünschten Ergebnisse herauskommen ist noch offen:
Vor Jahren gab es den Zuchtversuch von einer Solanacee, die oben Tomaten als Früchte und unten
Kartoffen als Knollen tragen sollte. Da beides gutschmeckende Nachtschattengewächse waren,
konnte man sie gut miteinander kreuzen, doch das Ergebnis war eine matischige, leicht faulende
Knollen tragende Pflanze, deren Früchte nicht süß wie Tomaten, sondern unangenehm schmeckten.
Tatsache ist auf jeden Fall, daß der Patient mit uns einen mündlichen Behandlungsvertrag eingeht, in
der Hoffnung daß wir ihn nach bestem Wissen und Gewissen behandeln, d.h. mit einer Methode,
von der wir wissen, was dabei heraus kommt.
Ein Experimentieren mit neuen Methoden ist für den Fortschritt der Gesundheitsforschung und der
Menschheit sicher zu begrüßen, solange der Patient weiß, das an ihm experimentiert wird. Tun wir
dies aber nicht, dann verletzen wir den obersten Grundsatz unseres geistigen Vorfahren Hippokrates,
der seinen Zeitgenossen das “Schade nicht” noch vor “Heile Gebrechen” als Motto mit auf den Weg
gegeben hat.

Fazit:
Chinesische Arzneimitteltherapie als System mit westlichen Pflanzen? Historisch,
Pharmakologisch, Ethisch, dreimal “Nein”.
Historisch Nein: weil die beiden Systeme ihre eigenen Regeln haben, die sich nicht übertragen
lassen. Fünf ist nicht gleich vier.
Forschungsbezogen Nein: weil die Ergebnisse zeigen, das Ähnlichkeiten alleine nicht genügen.
Mehr Forschung ist nötig, mit neuen Methoden.
Ethisch Nein: weil der Patient Besseres von uns erwarten darf, als das wir an ihm
experimentieren.

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