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Kusshemmungen
Nur die Hälfte der jungen Schwulen küsst in der Öffentlichkeit. Die anderen fürchten
die Reaktionen ihrer Mitmenschen – zu Recht, wie eine aktuelle Studie zeigt
43%
Junge Schwule haben Hemmungen, sich auf offe- vokant.“ Provokant ist es für den Hamburger Stu- der jungen Schwulen (bis 26 Jah-
ner Straße zu küssen. Nur jeder Zweite wagt es, zärt- denten dann, „wenn Leute in der Nähe sind, denen re) küssen sich grundsätzlich nicht
lich zu sein. Die andere Hälfte verzichtet. Das ergab man schon aus 100 Metern anssieht, dass sie damit in der Öffentlichkeit
eine Umfrage des Jugendportals DBNA. Ein Grund ein Problem haben könnten – unterschichtige Bürger
für diese Zurückhaltung: Viele der Betroffenen haben zum Beispiel.“
16 %
derjenigen, die sich das trauen, ha-
ihr Coming-out noch vor sich. Ein Kuss wäre eine Of- Sogar am Flottbeker Christianeum sind schwule
ben dabei ein schlechtes Gefühl.
fenbarung. Dazu kommt ein Problem, das auch nach Küsse problematisch. „In der Schule wird ein ziemli-
Sie würden gerne öfter küssen
dem Coming-out bleibt: Nicht alle Passanten reagie- ches Macho-Gehabe verbreitet“, erinnert sich Lucia-
ren teilnahmslos. Noch immer ziehen schwule Küsse no (19), „Homosexualität hat da keinen Platz.“ Seit er
Blicke auf sich, rufen Kommentare hervor. Wie groß studiert, fühlt er sich wohler. Er hofft, bald einen
11 %
haben kein Verständnis für öffent-
die Vorbehalte sind, belegt eine Studie, die im No- Freund zu finden – auch, um anderen seine neu ge- liche Intimitäten wie etwa Küsse –
vember veröffentlicht wurde (siehe rechts). wonnene Freiheit zu demonstrieren. „Inzwischen egal ob homo oder hetero
Auch Peter, setzt sich Grenzen, obwohl er derzeit habe ich eine Anti-Haltung entwickelt. Insofern wär‘s
keinen Freund hat. „Wenn die Situation es zulässt, geil, wenn ich ihn vor dem konservativen Haufen
würde ich schon küssen. Aber bestimmt nicht pro- meiner ehemaligen Mitschüler küssen könnte.“ PE www.dbna.de/lieben/verliebtsein
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Ekelgrad sinkt
Eine Langzeitstudie zeigt: Ein Viertel der Bevölkerung findet
schwule Küsse ekelhaft. Aber die Deutschen werden gelassener
✓ Seit 2002 erforscht ein Team um den Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer „Deut-
sche Zustände“. Jedes Jahr befragen die Wissenschaftler 2 000 Personen, um zu erfah-
ren, wie diese über bestimmte Menschengruppen denken. Abgefragt wird unter ande-
rem die Meinung über Juden, Muslime, Obdachlose und Homos.
✓ So sollen die Befragten auch zu der folgenden Aussage Stellung beziehen: „Es ist ekelhaft,
wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen.“ Immerhin 27,6 Prozent beantwor-
teten diese Frage mit ja. 2005 waren es aber noch satte 34,8 Prozent. Auch die Ablehnung
der Homo-Ehe ließ nach: von 40,5 Prozent (2005) auf nur noch 29,4 Prozent.
✓ Dennoch sprach Heitmeyer bei der Vorstellung der aktuellen Anfang Dezember 2009
von einer „negativen Trendwende“ zu Lasten von Juden und Homos. Eine mögliche Erklä-
rung: beide Gruppen gelten den Befragten als besonders erfolgreich („statushoch“ nen-
nen das die Wissenschaftler) und deshalb als Krisenprofiteure.
✓ Im Vergleich mit acht europäischen Ländern liegt Deutschland im Mittelmaß der Vorur-
teile. Die höchste Zustimmung zu Vorurteilen wurde in Polen und Ungarn gemessen.
www.uni-bielefeld.de/ikg
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hamburg
Die
Bilanz
Die Nullrunde ist vorbei, nun kommen die so genannten Zehner-Jahre. War 2009
ein gutes oder ein schlechtes Jahr? hinnerk zieht Bilanz aus schwuler Sicht: mehr
Geld für Homoprojekte, aber auch mehr Gewalt. Und eine Wahl, aus der zwei
Duellanten gleichzeitig als Sieger und Verlierer hervorgingen. Von Stefan Mielchen
Schlapper 3er
Grundgesetz: Hamburg scheitert im Bundesrat
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Gut gekämpft
HIV-Schwerpunktärzte sichern ihre Existenz
„Die Schwerpunktärzte haben richtig
gut gekämpft – und es hat sich ge-
lohnt!“ Enno Burmester vom Infekti-
onsmedizinischen Centrum Hamburg
(ICH) ist froh: Die Zukunft der HIV-
Schwerpunktpraxen ist gesichert. An-
fang 2009 war das offen: Die Kran-
kenkassen hatten die Verträge gekün-
digt, die den Ärzten die notwendige
Sondervergütung für die aufwändige
Therapie der Aidspatienten sicherten.
Damit drohte ein Versorgungsnotstand
und den Ärzten die Existenzkrise. Die
Mediziner wehrten sich erfolgreich.
Zum 1. Juli wurde eine neue Vereinba-
rung geschlossen. Die Ärzte atmeten
auf – und mit ihnen die Patienten.
Toleranz
Wieviel Fetisch beim CSD?
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Mehr Geld
Homoprojekte stärker gefördert
Mit Gewalt
Ein Überfall am Hansaplatz alarmiert
die Szene. Er steht für wachsende
Aggressionen in der Stadt
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Absteiger
Johannes Kahrs war zugleich Verlierer und Sieger
Aufsteiger
Farid Müller war zugleich Sieger und Verlierer des
des Duells um den Bundestagswahlkreis Hamburg- Duells um den Bundestagswahlkampf im Hamburg
Mitte. Gegen seinen Konkurrenten Farid Müller von Mitte. Gegen Johannes Kahrs von der SPD holte der
der GAL holte der umstrittene Sozialdemokrat am Bürgerschaftsabgeordnete ein ordentliches Ergebnis:
27. September sein bisher schlechtestes Ergebnis: Mit 16,5 Prozent der Erststimmen. So gut war außer Kris-
15 Prozentpunkten Minus verlor er so viele Stimmen ta Sager noch kein anderer GALier vor ihm. Seine
wie kein anderer Genosse in Hamburg. Seine Bühne Bühne bleibt dennoch die Bürgerschaft in Hamburg.
bleibt dennoch der Bundestag, denn Kahrs vertei- Und hier eckte er zuletzt heftig an: Gentrifizierungs-
digte seinen Wahlkreis trotz Verlust. Die geschrumpfte gegnern hielt er „bornierten Kultursozialismus“ vor.
SPD-Fraktion ernannte ihn erneut zum Sprecher für Dafür watschte ihn sein Fraktionsvorsitzender Jens
die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Kerstan öffentlich ab.
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Melvin (32), Kaufmann im Gesund- Gregor (29), Musicaldarsteller: Auf Stefan (39), Barbesitzer: Auf den ewig John (45), Unternehmensberater:
heitswesen: Auf unsere neue Regie- Ausländerfeindlichkeit. Ich helfe oft im gleichen Trott im Hamburger Nachtle- Auf Politiker. Gerade gewählt und wie-
rung und ihre leeren Versprechungen. Geschäft meiner Mutter aus. Dort wird ben. Gerade in St. Georg würde ich mir der nur Debatten. Nun will ich sehen,
sehr viel geschimpft. ein paar neue Läden wünschen. dass die neue Regierung was draufhat.
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hamburg
Dithmarscher Grill,
Dithmarscher Str. 49, tägl. 11-22 Uhr
Straight North H
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rie
hinnerk-Leser stellen ihren Stadtteil vor: Nicolas (30) und sein Freund Sven
(27) richten sich in einem der wenigen Gründerzeithäuser Dulsbergs ein
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Klinkerlitzchen 50.'03%]+0)/7"37"504].0/$-&3("..&#-&6
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Nicolas schätzt die nüchterne Klinkerarchitektur des legendären Stadt- 536&3&-*(*0/]13"%"41035]:]450/&*4-"/%
baudirektors Fritz Schumacher. „Ich bin ja ein bisschen spießig und mag 4&7&/]%*033&4035](6$$*]13"%"
es aufgeräumt. Und im Sommer ist Dulsberg ein schöner grüner Stadtteil.“
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mientus
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Regenwandse
Vom Mühlenteich aus können Sven und Nicolas an Wandse und Binnenals-
ter entlang bis in die Innenstadt spazieren. Regen schreckt sie nicht. „Ich
bin bewusst nach Hamburg gezogen“, erzählt der Schwarzwälder Nicolas.
„Ich mag das Nüchterne, das Straighte des Nordens.“
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