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Johannes Tauler Predigt 41

Diese Predigt gibt eine zweite Auslegung des Evangeliums nach dem heiligen Lukas
vom fünften Sonntag (nach Dreifaltigkeit), (in dem erzählt wird, wie Christus) von
dem Boot (aus das Volk lehrt). Sie warnt uns vor künftigen Strafen (Gottes) und
lehrt uns, unsere Herzen freizumachen von allen Geschöpfen und verklärte
gottförmige Menschen zu werden.
"UND' JESUS STlEG IN EIN BOOT, das dem Simon gehörte."Im Evangelium
dieser Zeit von dieser Woche lesen wir unter anderem, daß unser Herr Jesus in ein
Schifflein stieg, das dem Simon gehörte, und ihn bat, daß er das Boot ein wenig
vom Land abstoße. Und er saß und lehrte das Volk vom Schiff aus; dann sagte er
zu Simon: "Fahre dein Boot hinaus auf die hohe See, und wirf deine Fangnetze
aus!" Simon erwiderte: "Herr, wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts
gefangen. Aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen." Und so taten sie
und fingen so viele Fische, daß das Netz zu reißen anfing (Luk. 5, 8).
Nach viel anderen Worten heißt es, daß die Fischer das Boot derart mit Fischen
füllten, daß sie (beinahe) versanken. Da fiel Petrus dem Herrn zu Füssen und sagte:
"Geh weg von mir, Herr, denn ich bin ein sündiger Mensch."1
Von dieser Barke wollen wir sprechen. Das Schifflein, das unser Herr auf die hohe
See fahren hieß - "Duc in altum" -, ist nichts anderes als der zu Gott strebende
Grund des Menschen und seine Gesinnung. Dieses Schifflein fährt auf dem
sorgenbringenden, aufgeregten Meer dieser gefährlichen Welt, die allerwege auf den
Menschen einwirkt und ihn erregt2 ; bald durch Freude, bald durch Leid, bald so,
dann so. Wie sorglich es um alle die steht, deren Grund mit Neigung und Sinnen
sich in solcher Erregung befindet und sogar noch daran hängt - wer das erkennte,
dessen Herz könnte vor Leid brechen. Aber was nachkommen wird, daran denkt
ihr nicht! In Blindheit und Torheit befangen, kümmert ihr euch nur um Kleidung
und Schmuck. So vergeßt ihr euch selbst und das furchtbare Urteil, das eurer
wartet, ob heute oder morgen, wißt ihr nicht. Wüsstet ihr, welch schreckliche
Angst und welche Gefahr die Welt bedroht und die, welche Gott nicht lauter in
ihrem Grunde anhangen! Allen, die nicht wenigstens denen anhangen, die in
Wahrheit (Freunde Gottes) sind, wird es übel ergehen, wie eine Offenbarung
kürzlich den wahren Gottesfreunden gezeigt hat.

1
Die freien, nicht immer zuverlässigen Zitate Taulers aus dem Gedächtnis sind hier wie
anderwärts stillschweigend berichtigt.
2
" wüetent"" bei Vetter 170,17 an .wüetec" = "aufgeregt" angepaßt, mit Rücksicht auf das
folgende "bald durch Freude".
Und wer das wüsste, wie der Glaube untergehen wird, der könnte es mit seinen
menschlichen Sinnen nicht ertragen. Die das erleben, mögen daran denken, daß
euch dies gesagt wurde!
Nun denn zu unserem Gegenstand: "Duc in altum – Fahre hinaus auf die hohe
See!" Das ist der erste Weg, der vor allem notwendigerweise eingeschlagen werden
muß, daß der Seelengrund hinaufgeführt werden soll und muß in die Höhe, dass
seine Liebe, sein Sinnen, seine Gunst, weg von allem geführt werden muß, das
nicht Gott, sondern Geschöpf ist. Wer also in diesem furchtbaren Meere nicht
zugrunde gehen, nicht ertrinken will, der muß notwendigerweise über alle
Geschöpfe, mögen sie sein oder heißen wie immer, erhoben sein. - Nun sagte Sankt
Petrus zu dem Herrn: "Gebieter, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts
gefangen." Das war in der Tat wohlgesprochen. Alle, die mit den äußeren Dingen
umgehen, sie arbeiten im Dunkel der Nacht und fangen gar nichts. Unser Herr
(aber) sprach: "Werfet die Netze aus, und ihr werdet einen Fang tun.« Und sie
fingen so viele Fische, daß das Netz zu reißen drohte. Dies geschah vor unseres
Herrn Auferstehung. Als sie später fischten, da drohte das Netz nicht mehr zu
zerreißen, sagt die Schrift (Joh. 21, 6).
Ja, was bedeutet dieses Netz, das unser Herr sie auswerfen hieß und mit dem sie
soviel fingen? Das Netz, das man auswerfen soll, ist der Gedanke: seine
Erinnerungskraft soll der Mensch zuerst "auswerfen" in heiliger Betrachtung und
soll mit ganzem Fleiß all die Gegenstände sich vornehmen, die ihn zu heiliger
Andacht ziehen oder ihn dazu geneigt machen können: das ehrwürdige Leben und
Leiden, den heiligen, liebevollen Wandel und das Werk unseres lieben Herrn.
Dahinein soll sich der Mensch so tief versenken, daß ihm Liebe und Freude all sine
Kräfte und seine Sinne durchströme mit so großer Zuneigung und solcher Freude,
daß er diese Freude nicht in sich verbergen kann und sie in Jubel ausbricht.
Nun (also): "Duc in altum - Führe das Schiff auf die Höhe", denn dies war noch
der niederste Grad. Es muß höher hinauf geführt werden. Soll der Mensch außen
und innen ein gelassener und geläuterter Mensch werden und innen ein verklärter,
'das, was Sankt Dionysius einen verklärten, gottförmigen Menschen nennt, so muß
sein Schiff (noch) weit höher geführt werden; das heißt: der Mensch gelangt dahin,
daß ihm all das entfällt, was seine niederen Kräfte erfassen können: all die heiligen
Gedanken und liebevollen Bilder, die Freude und der Jubel, und was ihm je von
Gott geschenkt ward. Das alles dünkt ihm nun grob und wird von da ausgetrieben,
so daß es ihm nicht mehr zusagt und er nicht dabeibleiben kann, und das will er
(auch) nicht; was ihn aber anzieht, das besitzt er nicht; und so befindet er sich
zwischen zwei einander widerstreitenden Richtungen und Ist in großem Weh und
großer Drangsal.
Nun ist das Schifflein auf die Höhe geführt, und dazu, dass der Mensch in dieser
Not verlassen steht, erhebt sich in ihm noch all die Drangsal und die Versuchung
und all die Bilder und die Unseligkeit, die der Mensch seit langem überwunden
hatte; die streiten nun wider ihn; sie kommen mit aller Kraft und stürzen sich mit
schwerem Unwetter auf sein Schifflein. Und die Wogen schlagen hinein in das
Boot. Fürchte dich nicht! Ist dein Schiff nur fest und gut vertäut und verankert, so
können ihm die Wellen nichts anhaben; so wird noch alles gut. Im Buch Job lesen
wir: „Nach der Finsternis hoffe ich auf das Licht." Bleibe allein mit dir selber, lauf
nicht fort, ertrag dein Leiden bis zum Ende, und suche nichts anderes!
So laufen etliche Menschen, die in dieser inneren Armut stehen, weg, und suchen
immer nach etwas anderem, womit sie der Drangsal entgehen können. Das ist gar
schädlich. Oder sie beklagen sich und fragen die Lehrmeister und werden (dadurch)
nur noch mehr verwirrt. Halte dich in dieser Not frei vom Zweifel: nach dem
Dunkel kommt der helle Tag, der (lichte) Sonnenschein. Hüte dich, wie wenn es
um dein Leben ginge, davor, daß du auf nichts anderes verfällst, sondern harre aus!
Wahrlich, wenn du dabeibleibst, so ist die Geburt (Gottes in dir) nahe und wird in
dir vor sich gehen. Und glaubet mir auf mein Wort, daß keine Drangsal im
Menschen entsteht, es sei denn Gott wolle eine neue Geburt in ihm herbeiführen.
Und ferner: was immer die Drangsal oder den Druck wegnimmt, ihn stillt oder
löst, das eben auch wird in dir geboren und ist die neue Geburt, es sei Gott oder
das Geschöpf.
Und nun prüfe dich: wenn dir ein Geschöpf (diese Drangsal abnimmt), es sei wer
immer, ist es mit der Gottesgeburt in dir vorbei. Bedenke nun, welchen Schaden du
dir damit zufügst! Wäre dein Schifflein, dein Geist, dein Herz an dem festen Stein
verankert, von dem der edle Paulus spricht, weder Tod noch Leben, weder (die
Engelchöre der) Herrschaften oder Gewalten könnten dich zum Weichen bringen.
Hätten sich alle Teufel und alle Menschen verschworen, je feindlicher sie dir wären,
um so mehr drängten sie dich in dein Schifflein, um so mehr stiegest du zur Höhe.
Auf diese Art nähme der Mensch mehr zu und stiege höher als durch all die
äußeren Übungen, die alle Welt zusammen vornehmen könnte, (dadurch) daß er
dieses Dunkel und diese Drangsal bis zum Ende durchleidet und sich darin (dem
Willen Gottes) überläßt, welcher Art es ihn auch schmerze oder bedrücke, und er
keinerlei Vorwand sucht (sich dem zu entziehen).
Mag da kommen, was will, von außen oder innen: laß alles ausschwären, suche
keinen Trost, dann wird Gott dich sicher erlösen; mache dich frei davon, und
überlaß alles Gott. Ihr Lieben! Das ist der allerkürzeste und nächste Weg zur
wahren Gottesgeburt, die da unmittelbar in all das hineinleuchtet. Oft verfällt ein
äußerlicher Mensch einem äußeren Leiden:
vielleicht wird ihm etwas nachgeredet oder zugefügt, das ihm als Unrecht erscheint;
und davon3 wird ihm so eng, als ob ihm die Welt zu eng sei. Könnte der Mensch
das in sich unterdrücken und ließe es in sich ausschwären den Wunden Gottes
zuliebe und beklagte sich nicht und rächte sich nicht: seiner Wunde würde ein
wonniger Friede entstehen. Wodurch wird dann (erst) einem inneren Menschen,
der sich ganz Gott überließe, Frieden und Freude erwachsen? Durch keinen
Geringeren als durch Gott selbst.
Meine Lieben! Wollt ihr euch an ganzen und wahren Zeichen selbst erkennen, wie
ihr seid, so betrachtet, was euch am allermeisten zu Lust oder Leid, zu Freude oder
Jammer bewegt; es sei, was immer es wolle: das ist dann euer Bestes, es sei Gott
oder ein Geschöpf. Bist du von Gott ganz erfüllt, so können alle Geschöpfe dir dein
Schifflein, (das heißt) deinen auf Gott strebenden Grund weder (vom Ufer)
wegtreiben noch dich seiner berauben. Dem Menschen gibt der allergütigste Gott
ein solches Kleinod, nämlich solche Freude, daß er in seinem Innern solchen
wahren Frieden und solche Sicherheit hat, die niemand verstehen kann, außer wer
sie (selber) besitzt. Es ereignet sich wohl, dass die Wellen im Sturm oft von außen
an sein Schiff schlagen, als ob sie ihn jetzt ertränken wollten: doch kann das nicht
so ungestüm geschehen, daß er nicht innen in gutem Frieden bleiben könnte. Oder
sein Schifflein wird von außen zum Schwanken gebracht und geschüttelt; aber
niemals wird es ihm entrissen: denn ihm bleibt stets sein innerer göttlicher Friede
und seine wahre Freude.
Erschreckt nicht, ehrbare Leute4 wenn euch dies nicht zusagt. Es gibt ja ebenso
viele arme Fischer wie reiche. Doch sollt ihr eines wissen: ein Mensch mag sich
noch so wenig in der Frömmigkeit üben, hat er es aus dem Grunde (seiner Seele)
im Sinn und begehrt er es, Gott von ganzem Herzen5 zu lieben, und bleibt dabei
und liebt die Gottesfreundschaft bei all denen, die bereits Freunde Gottes sind,
und verharrt hierin in aller Einfalt, ohne daß ihn Hindernisse beirren, und liebt er
Gott in allem seinem Tun: seid sicher: jener Friede wird (auch) ihm zuteil, und
wäre es in der Stunde seines Todes.

3
„denne aber" bei Vetter 173,7 von Corin in „danabe" geändert, das sich auch im KT findet.
4
Vgl. Pred. 37, Anm. 2.
5
Zu Vetter 173,30 wörtlich: .ein starker, großer Liebhaber Gottes zu sein".
Aber in dem Frieden, dessen sich die wahren Freunde Gottes erfreuen, bleibt eine
Art Unfrieden: ihr "Netz" dehnt sich so sehr aus daß der Gottesfreund dem Herrn
nicht so viel sein kann, wie er es gerne wäre, und daß (umgekehrt) ihm Gott nicht
so viel ist, um ihm vollkommen zu genügen.
Da liest man von einem, der ging im Wald vierzig Jahre auf allen vieren (um Gott
nahe zu kommen) und fand (doch) nie göttlichen Trost. Es ist aber gar nicht zu
bezweifeln, daß.er mehr göttlichen Trost besaß als tausend andere. Aber das.
genügte .Ihm nicht: er wollte ihn im höchstmöglichen Maß besitzen. Dieser Friede
im höchsten Maß, das ist der wesentliche Friede, von dem geschrieben steht:
"Suche den Frieden, und jage ihm. nach."6
Dieser Friede folgt der wesentlichen Umkehr, der Friede, der alle Sinne überragt.
Wenn sich das Ungenannte, das namenlos in der Seele ist, ganz zu Gott wendet, so
folgt und wendet sich zu Gott alles, was in dem Menschen einen Namen besitzt.
Auf diese Wendung zu Gott hin gibt sich allezeit alles, was in Gott namenlos ist,
das Ungenannte und alles, was in Gott Namen hat: das alles gibt sich dem
Menschen, der sich zu Gott kehrt.
In diesen Menschen sprach Gott seinen Frieden, und dann kann der Mensch wohl
sprechen: "Ich will hören auf die Stimme des Herrn in mir; denn er sagt: Friede
seinem Volk und denen, die ihm ihr Herz zuwenden."7 Das sind die Menschen, die
von Sankt Dionysius gottförmig genannt werden. Diese Menschen hat der heilige
Paulus wohl gemeint: „Möchtet ihr in der Liebe verwurzelt sein. Dann vermöget
ihr mit allen Heiligen die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe Gottes zu
erfassen" (Eph. 3, 17 ff.).
Die Höhe und die Tiefe, die sich in diesen Menschen enthüllt, können weder
Vernunft noch Sinne eines Menschen erfassen; das geht über alle Sinne; das ist der
Abgrund. Dieses Gut wird nur denen geoffenbart, die nach außen geläuterte und
innen verklärte und in ihrem Innern verweilende Menschen sind. Diesen Leuten
bedeuten Himmel und Erde und alle Geschöpfe ein reines Nichts, denn sie sind
selber ein Himmel Gottes, denn Gott wohnt in ihnen.

6
Vetter 174, 13: .si suchent den friden, und der volget in". Vgl. Corin II, 221 Anm.
7
Mit Corin auf Grund der Septuaginta, die hier einen klaren Sinn gibt. VgI Corin, Sermons II,
222, Anm. 3. Vgl. Echter-Bibel, Würzburg 1953: Psalmen S. 173, Ps. 85 (84), 9.
Unser Herr saß im Schiff und lehrte das Volk: so weilt Gott in diesen Menschen
und herrscht und lenkt in ihnen die ganze Welt und alles Geschöpf.
Ja, kommt der Mensch so recht in diesen Grund und in dieses Sein, so muß das
Netz notwendigerweise reißen. Glaubt nicht, daß ich in eigenem Erleben bis dahin
gelangt sei. Gewiß sollte kein Lehrer von Dingen sprechen, die er nicht selbst erlebt
hat. Doch zur Not genügt, daß er liebe und das im Sinn habe, wovon er spricht,
und ihm kein Hindernis bereite. Doch wisset, daß es nicht anders sein kann.
Als so viele Fische ins Netz gegangen und gefangen worden waren, fing das Netz zu
reißen an. Gelingt dem Menschen ein solcher Fang, daß er (in diesen Grund und
in dieses Wesen) gelangt, dann muß des Menschen Natur, die hierzu zu schwach
ist, reißen, derart, daß dieser Mensch nie einen gesunden Tag mehr sieht. Das fügt
sich gut zu Sankt Hildegards Worten: „Gott nimmt seine Wohnung nicht in einem
starken und gesunden Leibe"; und Sankt Paulus sprach: „Die Tugend vollendet
sich in der Schwachheit." Diese Schwachheit aber schreibt sich nicht von äußerer
Übung her, sondern von dem Überfließen der überströmenden Gottheit, der diesen
Menschen so überflutet hat, dass der arme irdische Leib das nicht ertragen kann.
Denn Gott hat diesen Menschen so ganz in sich gezogen, daß der Mensch ganz
gottfarben wird. Alles, was in ihm ist, wird in einer über alles Sein hinausgehenden
Weise durchtränkt und überformt, dass Gott selbst die Werke dieses Menschen
wirkt. Und das nennt man mit Recht einen gottförmigen Menschen. Denn wer
diesen Menschen recht betrachtet, sähe ihn als Gott — nur von Gnaden, versteht
sich —, denn Gott lebt und west und wirkt in ihm alle seine Werke und hat in
diesem Mensch an sich selbst seine Freude. In solchen Menschen findet Gott
seinen Ruhm. Sie haben wahrlich ihr Schiff in die Höhe geführt, ihr Netz
ausgeworfen und viel gefangen. Kommt das Schiff an die Stelle des hohen Meeres,
wo dies am tiefsten ist, so versinkt das Schiff mitsamt dem Netz, und alles bricht
auseinander. Mit Recht wird die (menschliche) Eigenheit zerbrochen und zerrissen.
Denn: soll ein jeglich Ding werden, was es nicht ist, so muß das, was es ist,
zunichte werden.
Hier gehen auf gewisse Art Leib und Seele unter in diesem Meer; sie büssen ihre
natürlichen Werke und Tätigkeiten ein, verlieren, was sie in natürlicherweise nach
ihren eigenen Kräften getan haben. Und beim Versinken in dieses grundlose Meer
bleiben ihnen weder ihre natürliche Weise zu denken noch deutliche Begriffe8.
Dann tut der Mensch ganz so, wie Sankt Petrus tat; er fiel vor unserem Herrn
nieder und sprach das „unsinnige" Wort: „Geh weg von mir, Herr, denn ich bin
ein Sünder."

8
Das farblose Wort „wise" in Vetters Text 175,31 nach Corins Vorschlag, Sermons II, 224 Anm.
4 sinngemäß übertragen.
Dem Menschen ist da Wort und Begriff entfallen. Das ist das eine; das andere ist,
daß der Mensch hierbei in sein grundloses Nichts fällt, er wird so klein, so gar
nichts, daß er all dem entfällt, was er je und je von Gott empfing, und das gänzlich
wieder Gott zurückgibt, dem es (ja) auch gehört, als wenn er es nie erhalten hätte;
und er wird mit all dem so nichts und bloß, ebenso wie das, was nichts ist und nie
irgend etwas empfing. Da versinkt das geschaffene Nichts in das ungeschaffene
Nichts: aber das ist etwas, was man weder verstehen noch in Worten auszusprechen
vermag.
Hier wird das Wort des Propheten wahr: „Abyssus abyssum invocat — Ein
Abgrund ruft den anderen in sich hinein." Der geschaffene Abgrund ruft den
ungeschaffenen in sich hinein, und beide werden eins: ein lauteres göttliches
Wesen, und da hat sich der Geist (des Menschen) im Geist Gottes verloren, ist
untergetaucht, gleichsam ertrunken in dem Meer ohne Grund. Und doch ist hier
ein solcher Mensch besser daran, als man verstehen oder begreifen kann. Er wird
dann so wesentlich, so bereit zur Hingabe, so tugendhaft und gütig und so liebevoll
in seinem Verhalten, gegenüber allen Menschen freundlich und umgänglich, (doch
so, daß) man keinerlei Gebrechen an ihm sehen noch finden kann. Solche
Menschen sind vertrauensvoll gegenüber allen anderen und barmherzig, auch nicht
strenge oder hart, sondern milde; man kann gar nicht glauben, daß sie jemals von
Gott sollten geschieden werden können. Daß uns allen solches zuteil werde, dazu
helfe uns Gott.
AMEN.

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