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Ulrich Kobbe Zwiefalten, den 30.

Mai 1989

Hospitalisierte Lust
Institution Psychiatrie : Psychiatrisierte Sexualität
- Beiträge zu einer emanzipatorischen Theorie (Handout) -

"Mir ging es aber darum, zwei wichtige Dinge zu unterstreichen. Zum einen,
daß das Aufklären, das 'Ausleuchten' der Sexualität sich nicht bloß in den
Diskursen, sondern in der Realität der Institutionen und Praktiken abge-
spielt hat.
Zum anderen, daß es zahlreiche und strenge Verbote gibt. Aber daß sie zu
einer komplexen Ökonomie gehören, in der sie mit Anreizen, Äußerungen und
Aufwertungen einhergehen. Immer sind es die Verbote, die man herausstellt.
Ich möchte ein bißchen die Kulissen umstellen und vor allem den Gesamtzu-
sammenhang der Dispositive erfassen" (Foucault 1977, S. 177).
"Es geht nicht darum, das sexuelle Elend zu leugnen, aber es geht auch nicht
darum, es negativ mit einer Repression zu erklären. Das ganze Problem be-
steht darin herauszufinden, welches die Positivmechanismen sind, die auf
verschiedene Art und Weise die Sexualität produzieren und bei denen am Ende
Elend herauskommt" (Foucault 1977, S. 180).

1. Einleitung
Sexualität ist in der Psychiatrie ein vernachlässigtes, ausgespartes Thema,
das nicht Gegenstand des allgemeinen Diskurses ist. Reformpsychiatrische,
kritische Literatur wie der 'Psychiatrie-Report' von Klee (1978), wie das
Buch über Hospitalisierungsschäden von Finzen (1974), wie die 'Diagnosen
der Psychiatrie' von Dörner (1975) oder das 'Kritische Handbuch der Psychia-
trie' von Jervis (1978) läßt das Thema unberücksichtigt. Lediglich Fengler
und Fengler (1980) geben differenzierter, aber nur in zwei Szenen Informa-
tionen über den (fürsorglichen?) Umgang mit Antikonzeptiva und das (ver-
meintliche) Problem sexueller "Unmoral" und Prostitution weiblicher Patien-
ten (S. 43-44). Goffman (1973) bezieht sich in seiner soziologischen Analyse
der totalen Institution in verstreuten Literaturstellen (S. 33, 41, 65, 73,
121, 163, 265) auf die dortigen Einschränkungen der sexuellen Selbstbestim-
mung, die sexuelle Doppelmoral, das institutionelle repressive Arrangement
und die soziale Kontrolle durch die Anstalten.
Lediglich Störungen der Sexualität, Perversionen oder strafbare sexuelle
Handlungen rücken diesen Lebensbereich in den Blickpunkt von Psychiatern
oder Psychologen. So schlägt sich diese Verzerrung des wissenschaftlichen
wie des alltäglichen Denkens auch in neuerer Literatur wieder: Zimmers Buch
- 2 -

über 'Sexualität und Partnerschaft' (1985), das in Rezensionen durch-


gängig gelobt wurde (s. Wendt 1986, Kobbe 1987), befaßt sich bezeichnen-
derweise mit den Störungen der Sexualfunktionen, nicht jedoch mit deren
Normalität oder Gesundheit. Ein ähnlich einseitig-devianzorientierter
Ansatz findet sich im weit verbreiteten Psychiatrielehrbuch von Dörner
und Plog (1978), in dem das Kapitel 'Der liebende Mensch' mit dem Unter-
titel 'Schwierigkeiten der Sexualität' eindeutig charakterisiert wird
(S. 217-234). Im übrigen bleiben wissenschaftliche Analysen oder Beschrei-
bungen des sexuellen Normalfalls distanziert-entfremdet auf statistische
Angaben wie im Hite-Report (1977, 1982), im RALF-Report (Eichner und Haber-
mehl 1978) oder in den Untersuchungen von Masters und Johnson (1970) be-
schränkt.
Eine ähnliche Zurückhaltung findet sich im Bereich der Anamneseerhebung:
nur wenige Kollegen beziehen Fragen bzw. Informationen über das Sexual-
leben ihrer Patienten in die Anamneseerhebungen ein: die Sprachlosigkeit
der Therapeuten schlägt sich in entsprechend sexualvermeidenden Einträgen
nieder, obwohl und weil gerade Sprache unsere Ausdrucksform ist (Kobbe
und Nowara 1986) .
Warum dann also dieses Referat?

1.1 Beispiel 1:
Ausgangspunkt meiner speziellen Beschäftigung mit dem Thema der Sexualität
in der Psychiatrie (Kobbe 1987; 1988b; 1988c) war u.a. die Tatsache, daß
es z.B. auf einer Station ebenso unerwartet wie schlaglichtartig erheb-
liche Meinungsverschiedenheiten über den Besuch von Partnerinnen auf der
Männerstation gab - dies obwohl auf dieser Station seit Jahren die Ehefrauen
oder Freundinnen der untergebrachten Patienten am Wochen-
ende zu Besuch kommen konnten und eine ungeschriebene Regel besagte, daß
die Mitpatienten in den betreffenden Stunden keinen Zutritt zu diesen
Patientenschlafräumen hatten. Bei den Meinungsverschiedenheiten ging es
inhaltich vordergründig um die Frage, ob Freundinnen, Verlobte und Ehe-
frauen gleichermaßen Anrecht auf Zutritt hätten oder ob dieser nur Ehe-
frauen vorbehalten sein sollte. In derartigen Diskussionsbemerkungen, die
an der konkreten Praxis des Zutritts für alle Partnerinnen nichts änderten,
wurde zudem z.T. ironisch, z.T. süffisant über die phantasierten Sexual-
kontakte der Patienten mit ihren Angehörigen gesprochen.
- 3-

1.2 Beispiel 2:
Ein weiterer aktueller Anlaß, dieses Thema aufzugreifen, war eine Um-
strukturierung in einer Klinik: die bis dahin bestehende Frauenstation
sollte geteilt und von da ab in Form von zwei gemischt-geschlechtlichen
Stationen neu konzipiert werden, was nach einigen Vorüberlegungen über
die Patientenbelegung auch verwirklicht wurde. D.h. daß gemischt-geschlecht-
liche Stationen per se eine gute, sinnvolle, fortschrittliche Sache zu sein
schienen, über deren Sinn fraglos nicht mehr gesprochen werden mußte. Um so
betroffener waren die Beteiligten dann, als sich nach dem Umbau, den Verle-
gungen und der Verwirklichung dieses Vorhabens - wie insgeheim befürchtet -
herausstellte, daß es einige wenige Patientinnen gab, die sich extrem gegen
das Zusammensein mit Männern wehrten, sei es aufgrund vorhergehender Verge-
waltigungen, wegen anderer traumatischer Ereignisse, sei es wegen paranoider
Wahninhalte sexuellen Inhalts.

1.3 Beispiel 3:
Der dritte Ausgangspunkt für die späteren Überlegungen zu diesem Thema war
die Begutachtung eines 29jährigen Mannes, der wegen schwerer Brandstiftung
angeklagt war und in der Vorgeschichte bereits wegen Hausfriedensbruch,
Nötigung, gewaltsamer vorsätzlicher Sachbeschädigung, versuchter Brand-
stiftung, Bedrohung und wegen des Verdachts der Vergewaltigung strafrecht-
lich verfolgt worden war. - Nach Abschluß der Untersuchung beschrieben der
psychiatrische Kollege und ich den Probanden als Persönlichkeit, "die in
der sozialen Interaktion als narzißtisch frustriert betrachtet wird mit
psychosozialen Abwehrformen der Aggressivität, Impulsivität, des Eigensinns
und der Herrschaftsansprüche; dies impliziert auch die Tendenz, inneren
Konfliktdruck eher in impulsiver Weise an dominierten Partner abzureagieren.
Im intrapsychischen Individualbereich, d.h. der Beziehung zwischen dem Es
und den Kontrollmechanismen der Ich-Überich-Organisation erscheint Herr A.
in bezug auf primär sozialbezogene, partnergerichtete Dimensionen des Erle-
bens und Verhaltens kontrollschwach mit zumindest problematischer Triebregu-
lation" (Auszug aus dem Gutachten) . Zu unserem Erschrecken erhielten wir
während dieser diagnostischen Auswertung die telefonische Nachricht, der
Mann habe soeben eine Kollegin sexuell bedrängt und genötigt und die wahr-
scheinliche Vergewaltigung habe soeben noch verhindert werden können.
- 4-

2. Gestörte Lust
An den genannten Ausgangspunkten wurden bereits einige Problemzonen der
Sexualität in psychiatrischen Einrichtungen deutlich, die an dieser Stelle
weiter ausgeführt werden sollen:

2,1
Im Beispiel der männlichen Patienten und deren Partnerinnen geht es offen-
sichtlich ja zunächst um den Versuch, Normalität in den Partnerbeziehungen
möglichst nicht durch die stationäre Unterbringung zu stören, Gemeinsamkeit,
Intimität und Privatheit zu ermöglichen (vgl. Heuer-Pyka 1988). Auch wenn
dies de facto scheinbar akzeptiert, toleriert, gutgeheißen wird, so spiegelt
sich im Wiederaufleben einer alten Diskussion unter den Mitarbeitern doch
deren Zwiespalt und Zweifel wieder - d.h. zunächst, daß Tabuisierungen, Ver-
krampftheiten, Phantasien bei einzelnen bestehen, die nicht offen disku-
tiert werden konnten, sondern i.S. einer Verschiebung pars pro toto an der
Differenzierung Freundin-Verlobte-Ehefrau angesprochen wurden. Derartige
Unsicherheiten sind zweifelsohne alltäglich und wurden sowohl von der Arbeits-
gemeinschaft Sozialpolitischer Arbeitskreise in ihrer Arbeit über 'Die Not
der Tugend' (AG SPAK 1982) wie auch von Strauß, Prager, Appelt und Gross
(1988) in deren unlängst erschienenen Untersuchung über den 'Stellenwert
der Sexualität im psychiatrischen Klinikalltag1 anhand einer Personalbefra-
gung beschrieben. Strauß und Mitarbeiter schreiben u.a.: "Weder ausreichen-
des Wissen über Sexualität noch subjektive Sicherheit in Gesprächen mit
Patienten scheinen allein eine ausschlaggebende Rolle zu spielen für einen
freizügigen Umgang mit dem Thema Sexualität im klinischen Alltag. Wichtig
erscheint vielmehr, daß das Personal sich seines Unbehagens mit dem Thema
bewußt ist, statt es abzuwehren. Schwierigkeiten beim Umgang mit dem Thema
dürften gerade dann reduziert werden, wenn sie nicht verleugnet, sondern
thematisiert und zum Ausgangspunkt der Erarbeitung neuer Verhaltensweisen
gemacht werden (vgl. Withersty, 1976). Dabei geht es nicht darum, zu er-
lernen, wie man ohne, sondern vielmehr trotz Unbehagens und bestehender
Schwierigkeiten mit diesem konflikthaften Thema umzugehen vermag. Möglicher-
weise würde eine solche Sichtweise schon zu einer Entlastung des Personals
führen und unrealistische Vorstellungen und Selbstanforderungen (und damit
Hemmungen und Vermeidungsverhalten) abbauen helfen. Es wäre jedenfalls den
Versuch wert, diesen Weg, beispielsweise im Rahmen von Supervisionsgruppen
und Teambesprechungen, zu beschreiten" (S. 207-208; s.a. Kobbe 1988c, 194).
- 5-

2.2
Darüber hinaus wird am obigen Beispiel deutlich, daß Einstellung und
Praxis offensichtlich auseinanderklaffen können, daß Tolerierung keines-
wegs Befürwortung bedeutet - eine Tatsache, die banal klingt, aber häufig
nicht (mehr) bewußt realisiert wird. So ist denn die gesamtgesellschaft-
liche Thematisierung von Sexualität vielmehr widersprüchlich. Die soge-
nannte sexuelle Revolution der 60er und 70er Jahre sorgte für eine Explo-
sion des Diskurses, für eine -passagere- übersexualisierte Alltagskommuni-
kation, doch ist dieses Phänomen "vor allem eines der Quantität und keines
der Qualität des Redeflusses" (Lautmann 1987), d.h. seine Inhalte wirken
keineswegs 'explosiv1. Zugleich finden sich hier sicherlich auch die Ver-
unsicherungen des einzelnen bezüglich privaten, gesellschaftlichen und
beruflichen Routineberührungen und Berührungstabus in zwischenmenschlichen
Beziehungen wieder (vgl. Anthenien 1988), die zu den von Andrau (1969)
oder von Eiguer und Mitarbeitern (1974) berichteten Ignorierungen sexuel-
ler Verhaltensweisen vom Patienten führen.

2.3
Noch eine dritte Überlegung knüpft sich an das erste Beispiel an: abge-
sehen vom Abwehrcharakter der subaggressiven, defensiv-abwehrenden Dis-
kussionsstile einzelner Mitarbeiter wurde in diesen Diskursen Sexualität
auf genitale Fixierung, auf sexuelle Befriedigung im Beischlaf reduziert
und als solche abgewertet. "Die Übergenitalisierung der Sexualität ent-
wertet die nicht an den Genitalbereich gebundenen sexuellen Partialtriebe.
Diese können sich, sofern sie sich dem Genitalprimat nicht unterordnen,
zumeist nur als 'pervers1 etikettiert Geltung verschaffen, wobei ihnen
die Humanisierung typischerweise versagt ist. Bestimmte 'Perversionen'
drücken, wenn auch zumeist in fragwürdiger Form, die Auflehnung der Sinn-
lichkeit gegen das Diktat der primär auf die Fortpflanzung gerichteten
Sexualität aus. Nur in ihnen kann sich z.B. ein Streben nach analer Lust
Geltung verschaffen, das ansonsten dem Zwang zur Disziplin, Ordnung und
Sauberkeit zum Opfer fällt. - Die übermäßig genitalzentrierte Sexualität
ist Ausdruck bestimmter Arbeitsformen, sie ist zugleich Ausdruck von Ver-
kehrsformen zwischen Menschen", die von Konkurrenz und Leistungszwang ge-
prägt sind (Vinnai 1977, S. 109).
Daß sich sexuelles Erleben auf lustvolle Erlebnisse nicht-genitaler Art,
auf sublime Zärtlichkeiten, auf Intimität oder Zweisamkeit erstreckt
(s. insb. Mainz 1987), das wird i.S. der traditionellen Ideologie von
Sex als Fortpflanzung und Vermehrung (s. Wendt 1982) ausgeblendet und
frappiert insofern, als sowohl in den Untersuchungen von Akhtar und Mit-
- 6-

arbeitern (1977) wie von Strauß und Mitarbeitern (1988) von den Teilnehmern
am häufigsten zärltichkeitsbetonte Aktivitäten bemerkt und berichtet wurden.
Andererseits erstaunt diese Zensur keineswegs: die übergenitalisierte männ-
liche Sexualität degradiert die besuchenden Frauen zu Sexualobjekten, denen
nicht zugestanden wird, zugleich auch Subjekt zu sein (vgl. Vinnai 1977,
S. 122). "Im Vergleich mit dem, was die Psychoanalyse als Vorlust bezeichnet,
was mit Küssen, mit Streicheln, mit Spielen verbunden ist, trägt die Lust,
die an die Vereinigung der Genitalien geknüpft ist, einen eher unpersön-
lichen Charakter" (Vinnai 1977, S. 110). D.h. die übermäßig hervorgekehrte
Genitalität ist Ausdruck einer Psyche, die die Nähe will, ohne sie ertragen
zu können, die die orgiastische Lust sucht, ohne die Fähigkeit zu haben,
sich ihr wirklich auszuliefern. Es geht um Ich-Strukturen, die Triebregungen
niederhalten müssen - und derart versagend und repressiv sind in jedem Fall
die Beziehungsstrukturen in der (forensischen)Psychiatrie. Zärtlichkeit je-
doch ist gekennzeichnet durch ein harmonisches Zusammenspiel mit der durch
das Individuum nach der Latenzzeit wiederentdeckten Sinnlichkeit, das so
eine neue Qualität von Sexualität begründet: "Liebe als umfassender Aus-
druck für Sinnlichkeit und Zärtlichkeit verweist abermals auf deren grund-
legende Relevanz. Zärtlichkeit erhält hiermit ihre gleichrangige Stellung
neben dem sinnlichen Anteil der Libido. Aus soziokulturellem Druck ent-
sprungen, ergänzt sie sich mit Sinnlichkeit zur Liebe. So sorgt die ange-
messene Verknüpfung von Zärtlichkeit und Sinnlichkeit für eine Heilung des
Defizits, das sich während der Kindheit festsetzte und fortschritt. Mehr
noch: Zärtlichkeit erscheint nun nicht mehr als Ergebnis eines Verdrängungs-
oder Hemmungsprozesses, sondern als Endprodukt von Sublimationsvorgängen. ...
Befreit vom Makel der Verdrängung und Frustration erhält Zärtlichkeit im
Verlauf der Entwicklung des Menschen scheinbar eine ausschließlich posi-
tive Qualität - und bestimmt als gleichrangiger Anteil des Lebenstriebs,
dem der Sinnlichkeit, im entscheidenden Maß das Wesen des Menschen. Ein
Mißlingen des Zusammenspiels zwischen Zärtlichkeit und Sinnlichkeit im
Leben des Erwachsenen bedingt mithin schwerwiegende Störungen im Lebens-
vollzug. Grundsätzlicher: Mißverhältnisse zwischen Sinnlichkeit und Zärt-
lichkeit erscheinen als eigentliche Ursache für psychische Erkrankungen"
(Hainz 1987, S. 34). Innerhalb der psychoanalytischen Theorie Freuds
deutet sich eine radikale Aufwertung von Zärtlichkeit an: "Libido geht
in Zärtlichkeit auf, Sexualität verwandelt sich in sie, Zärtlichkeit
bildet den Lebenstrieb. Aus Enttäuschung geborene, mit Frustration be-
haftete Zärtlichkeit und jene, die gleichberechtigt neben Sinnlichkeit be-
steht, gehen über in reine Zärtlichkeit aus Liebe. Zärtlichkeit bildet nun den
Stoff, aus dem menschliche Grundantriebe hervorgehen und der damit humanes
- 7-

Empfinden und Handeln bestimmt. Dieser Vorgang der Sublimation von Sinn-
lichkeit zur Zärtlichkeit vollzieht sich auf seiner höchsten Stufe nicht
mehr unter entfremdeten Vorzeichen. Das Individuum selbst verantwortet und
trägt die Verfeinerung der Triebstruktur. Die Möglichkeit der Aufhebung von
Entfremdung, die Rückgewinnung der verlorenen Einheit zwischen (Trieb-) An-
spruch und Wirklichkeit, zwischen Objekt und Subjekt durch die eigene Kraft
des Individuums halten damit Einzug in die Theorie. Glück erscheint als un-
gebrochenes, greifbar nahe, vermittelt nicht mehr über Sexualität im ur-
sprünglichen Sinn, sondern über Zärtlichkeit als sublimierte Sexualität,
die im Endstadium ihrer Entwicklung sich als neue Einheit erweist. Der Be-
griff der Zärtlichkeit benennt damit das Mittel zur Erreichung des obersten
menschlichen Ziels überhaupt: Glück; wobei Mittel und Ziel in der Empfindung
zusammenfallen.
Diese Vision sieht sich freilich begrenzt durch die Kompetenz der Individuen.
Nur wenige gelangen zu einer Intensität der Sublimierung der Sinnlichkeit
zur Zärtlichkeit, die diese in Reinkultur entstehen läßt" (Mainz 1987,
S. 36) .
Im übrigen stellt das Ansprechen der Sexualphantasien (Ferenczi 1911) einen
Angriff, eine sexuelle Handlung und letztlich sexuelle Aggression dar, die
"der Entblößung der sexuell differenten Person" (Freud 1905, S. 106) gleich-
kommt .

2.4
Eine weitere Feststellung läßt sich aus dem ersten Beispiel ableiten:
Über Frauen wurde in den diesbezüglichen Bemerkungen zur Besuchspraxis
zwar nicht explizit so doch unmißverständlich wie über Lustobjekte, nicht
wie über autonome, durch eigene Bedürfnisse ebenfalls charakterisierte
Individuen geredet. Hier kommen der (Über-) Betonung der männlichen Sexua-
lität, im implizierten 'naiven' hydraulischen Triebdruck- und Triebabfuhr-
modell (s. Dannecker 1987, S. 129-137; Reich 1975) allgemeingesellschaft-
liche Einstellungsunterschiede zum Stellenwert von Sexualität bei Männern
und Frauen zum Vorschein, die keineswegs psychiatrieimmanent sind. Auch
in der Auswertung von Strauß und Mitarbeitern (1988) bezogen sich diese
Unterschiede "beispielsweise auf die Wichtigkeit der Sexualität, die für
männliche Patienten eher betont wird, auf die Art sexueller Beeinträchti-
gungen und auf die Themen, die in Gesprächen über Sexualität mit männlichen
und weiblichen Patienten angesprochen werden" (S. 207).
3. Zerstörte Lust
Hier leitet das Thema zum zweiten Beispiel der Geschlechtermischung über:

3.1
In den erwähnten Überlegungen zur Patientenbelegung ging es wiederholt um
die Frage, welche Männer zu den bis dahin auf einer einzigen Frauenstation
untergebrachten Patientinnen 'passen', sprich: welche Männer aufgrund ihrer
sexualgewaltigen Vorgeschichte oder ihres sonstigen gewalttätigen Verhaltens
nicht für die Verlegung auf eine der beiden geplanten gemischt geschlecht-
lichen Stationen geeignet waren. Obwohl die Teilnehmer an der Personalbefra-
gung von Strauß und Mitarbeitern (1988, S. 205) annehmen, Frauen in der
Psychiatrie hätten als vermutete sexuelle Beeinträchtigung hauptsächlich
negative Gefühle wie Ekel oder Widerwillen gegenüber der Sexualität, wurde
diese komplementäre Kehrseite der genannten Vorüberlegungen meines Wissens
zwar antizipiert, aber als (unwesentlichere?) weibliche Sexualangst vernach-
lässigt (s. hierzu Zimmer 1985, S. 159-162). Um so überraschender war die
angstvolle Abwehr einiger Frauen, die zur Einrichtung einer eigenen Frauen-
wohngruppe führte.

3.2
Für die Konzeption der beiden gemischt geschlechtlichen Stationen waren
Überlegungen zur Normalisierung des zwischenmenschlichen Miteinander aus-
schlaggebend, Gesichtspunkte der Milieugestaltung also (Kretz 1969, Morgan 1971),
die auch in der zitierten Arbeit von Strauß und Mitarbeitern von den Befrag-
ten überwiegend positiv beurteilt wurde: "Insbesondere der Vorteil wirk-
lichkeitsnaher Lebensbedingungen, die Möglichkeit 'sozialen Trainings1
sowie das bessere Klima auf gemischten Stationen, waren die häufigsten
Argumente hierfür" (S. 206). Keinesfalls geht es also um das intime Zu-
sammensein oder gar die Partnerschaft von Patienten (s. Nell 1968,
Modestin 1981, Eiguer u.a. 1974 sowie Mannoni 1973). Daß sich beispiels-
weise psychotisch erkrankte Patienten/Patientinnen angstvoll vor einer
solchen (bedrohlichen) Beziehung schützen, wurde ja bereits beschrieben.
Darüber hinaus reguliert auch die Stationsgemeinschaft das Zusammenleben,
so daß Ängste und Befürchtungen meist - nur - Projektionen der Befürchtun-
gen der Mitarbeiter oder der Patienten darstellen. Dennoch erscheint es
sinnvoll und erforderlich, mit den Patienten einer Station oder mit Ein-
zelnen über deren Sexualität oder Intimkontakte zu sprechen, hierbei aller-
dings zu beachten, daß das eigene Rollenverständnis von Mann und Frau, von
Sexualmoral, von Freiheit und Verantwortung keineswegs für den oder die
betreffenden Patienten zutreffen muß. Erstens ist das psychiatrisch-psycho-
- 9-

therapeutische Verständnis von Sexualität 'phallokratisch1 geprägt und


wird entsprechend radikal aus feministischer Perspektive kritisiert bzw.
abgelehnt (s. Castel und Mitarbeiter 1982, S. 252 ff.). Zweitens be-
schreiben Gleiss und Mitarbeiter (1973, S. 61-63) ebenso deutlich wie
Neumann-Schönwetter (1973), daß es schichtspezifische sexuelle Praktiken
und mehr oder weniger rigides Sexualverhalten gibt, so daß man sich auf
die Vorbildung, Herkunft und auch auf das Milieu einstellen muß, das dem
Patienten entspricht. Weiterhin erscheint es sinnvoll, auch für sich
selbst zu klären, ob und inwieweit es unterschiedliche männliche und weib-
liche Moralstrukturen, geschlechtsspezifische emotionale und damit auch
sexuelle Selbst- und Fremdbilder gibt, auf die differenziert eingegangen
werden müßte (s. beispielsweise Nieder 1986; Wex 1978).

3.3
Über dieses Beispiel der Geschlechtermischung hinaus erscheint mir im
übrigen die Überlegung sinnvoll und notwendig, daß und warum bei Patienten
Unterschiede zwischen homosexuellen und heterosexuellen Partnerschaften
gemacht werden. Konkret werden heterosexuelle Beziehungen zwischen Patien-
ten mindestens zum Thema von therapeutischen Einzel- oder Gruppengesprächen
gemacht, u.U. als Anlaß für Verlegungen eines Partners genommen, was im
übrigen die meisten Befragten in der Untersuchung von Strauß und Mitarbei-
tern (1988, S. 206) für unangebracht hielten. Homosexuelle Beziehungen auf
Männerstationen dagegen werden meines Wissens z.T. toleriert, u.U. auch
-insgeheim- gutgeheißten, ganz im Gegensatz zu heterosexuellen Beziehungen,
bei denen die Partner sexuell aktiv sind. Als Erklärung läßt sich zunächst
konstatieren, daß Homosexualität ein Thema männlicher Patienten ist (s.
Strauß und Mitarbeiter 1988, S. 205; Vinnai 1977, Theweleit 1980), daß
homosexuelle Beziehungen auf Langzeitstationen mehr befriedenden als
beunruhigenden Charakter haben und vielleicht auch aus diesem -weniger
therapeutischen- Grunde hingenommen werden.

3.4
Im übrigen aber scheint es in der Praxis so, als entfalte die Institution
Psychiatrie einen inneren Widerstand gegen die sexuelle Selbständigkeit
der Patienten, obwohl das Ziel der Behandlung explicit größtmögliche
psychische Selbständigkeit ist. Zu dieser Ich-Autonomie gehört m.E. ganz
wesentlich der selbstbewußte Umgang mit den eigenen Trieben und Impulsen,
für die Marcuse (1980) zum Spannungsbogen sexuellen Lustprinzips und ge-
sellschaftlichen Realitätsprinzips beschreibt, daß dieses Lustprinzip ge-
sellschaftsunfähig sei und als späte Leistung des Realitätsprinzips zum
- 10 -

Primat der genitalen Sexualität und der Reproduktion und dann zur Repro-
duktion in der monogamen Ehe werde. "Ursprünglich ist der Organismus in
seiner Ganzheit und in allen seinen Bestätigungen und Beziehungen poten-
tielles Feld der Sexualität, vom Lustprinzip beherrscht. Und gerade des-
wegen muß er desexualisiert werden, um sich in lustvoller Arbeit bestäti-
gen, ja in ihr leben zu können" (S. 15). Entsprechend bedeutet Ich-Autono-
mie diesbezüglich Freiheit von der Notwendigkeit der Triebbefriedigung und
zugleich Freiheit zur Entsagung und damit zum gesellschaftlich akzeptierten
Genuß (s.a. Marcuse 1955). - In bezug auf die obengenannte Ich-Autonomie
jedoch stellt das Krankenhaus Beziehungsfallen sowohl hinsichtlich der Be-
dürfnisbefriedigung wie auch der Regressionsmöglichkeiten auf, verlangen
Therapeuten einerseits die Entwicklung zu erwachsenem, autonomem Denken,
Fühlen und Verhalten als explicitem Therapieziel, verhindern sie dies
jedoch implicit durch Reglementierungen, um andererseits auf die hieraus
sich ergebenden regressiven Tendenzen zwar permissiv zu reagieren, sie zu-
gleich jedoch als Problem zu definieren (s. Rohde 1975). Im Bereich von
Lust, Zärtlichkeit, Sexualität, Partnerschaft und Liebe wird institutionell
die Fähigkeit zur reifen und selbstverantwortlichen Form der Bedürfnis-
äußerung und Bedürfnisbefriedigung vertreten, intern dagegen jedoch der
Patient auf Stadien der Sexualität verwiesen, die nur noch den Charakter
von Ersatzbefriedigungen haben können. Der systemimmanente Widerstand
zeigt sich beispielsweise auch in der ausbleibenden Berücksichtigung von
Partnerschaft, Intimität und Sexualität in Stations- oder Therapiekonzep-
ten: so gehen die Autoren der mir vorliegenden 145seitigen 'Konzeption
für den soziotherapeutischen Bereich der Psychiat. Klinik
B...hausen' nur auf einer einzigen Seite abstrakt-nebulös auf den
"Bereich des Sexuellen und der Partnerschaft" ein (S. 73).

3.5
Für den konkreten Anstaltsalltag aber beschreibt eine ehemalige Psychiatrie-
patientin über ihren lOStägigen stationären Aufenthalt u.a.: "In einer
Situation, in der jeder seinen gewöhnlichen Aufgaben entzogen wird und auch
sonst die Möglichkeit zur Befriedigung wichtiger materieller und emotionaler
Bedürfnisse hat, bietet das Essen eine wichtige Ablenkung. Wenn schon z.B.
keine sexuellen Beziehungen (da haben es Häftlinge noch besser) möglich bzw.
erlaubt sind, hilft das Essen in der Befriedigung oraler Bedürfnisse. Sie
läuft dann halt über den Mund. Essen ist gleichzeitig Ersatz für andere
fehlende Reize. Die Krankenhausatmosphäre, die kahlen weißen Wände, die
Totenstille auf der Station, die nur ab und an durch die schrillende Klingel
der Tür bzw. des Telefons, durch das Schlagen einer Stationstür oder einen
- 11 -

herzzerreißenden Schrei unterbrochen wird, sind so erdrückend gewesen, daß


für mich das Fressen -ich habe in der Zeit 5 kg zugenommen- eine gute Mög-
lichkeit der Kompensation und des Zeitvertreibs gewesen ist" (Rebecca 1980,
S. 14-15). Eine andere Frau fragt nach der ihr zugewiesenen Identität als
Patientin und schreibt: "Wer bist Du - Mensch, Frau, Patientin? Es gibt hier
keine Menschen, es gibt Patienten und Personal, jeder ein Gefangener des
Systems. Die grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse: Außenkontakte, Selbst-
verantwortung, Aktivität, Sexualität - sie werden Dir aberkannt, mit Psycho-
pharmaka wirst Du ruhiggestellt, Dein Lebendig-Sein wird auf Eis gelegt. Du
hast zu sein, was Du nicht bist: ein Rädchen, das den reibungslosen Tages-
ablauf der Anstalt nicht stört, und stören wirst Du solange, solange Du Dir
Menschenwürde bewahrst, solange Du denkst, fühlst, lebst" (K.K. 1980, S. 19).

4. Zerstörerische Lust
Am dritten Ausgangsbeispiel lassen sich einige zusätzliche Aspekte des Kon-
flikts von Sexualität und psychiatrischer Institution demonstrieren:

4.1
Anhand des Gutachtenbeispiels lassen sich Probleme mit der mangelnden Impuls-
kontrolle schwer gestörter Patienten aufzeigen, mit fraglichen Impulsdurch-
brüchen und/oder einer Sexualisierung der destruktiven Impulse als Abwehr-
mechanismus (vgl. Schorsch 1988) bzw. einer Sexualisierung aller Beziehungen
(vgl. Garnes 1987). - Zur Tatsache der sexuellen Gewalt selbst ist dies sicher
insofern für die Allgemeinpsychiatrie nicht repräsentativ, als es sich hier
um einen schwer gestörten ZUr Begutachtung untergebrachten Patienten
handelt. (Leider gibt gerade zu dieser Differenzierung die vielversprechend
klingende Untersuchung von Eysenck (1980) zu 'Sexuellen Einstellungen und
Sexualverhalten bei psychiatrischen Patienten' (S. 215-232) bis auf faktoren-
analytisch korrelierte Items keine inhaltlich relevante Information.) Und
dennoch: immerhin berichtet die Hälfte der Teilnehmer an der Untersuchung
von Strauß und Mitarbeitern (1988, S. 206), daß Patienten ihnen gegenüber
schon überwiegend körperliche Annäherungsversuche gemacht haben.

4.2
Hierbei ist u.a. die veränderte Rolle der Stationsmitarbeiter auf den in
den meisten Kliniken nunmehr gemischt-geschlechtlichen Stationen zu betrach-
ten: Schwestern und Pfleger sind gleichermaßen auf Stationen tätig, Ärztinnen
und Psychologinnen ebenfalls in wesentlich größerer Anzahl vertreten. Wenn
früher die Krankenschwester mit Haube und Schwesterntracht in ihrer Berufs-
rolle gesehen und wie die Ärztin im Kittel als Frau kaum bewußt wahrgenommen
- 12 -

wurde, wenn Ordensschwestern erst recht unreflektiert als asexuelle Wesen


behandelt wurden (vgl. Isler 1988), so begegnen Patienten in der Psychia-
trie heute Schwestern, Ärztinnen, Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen zu-
nehmend in ihrer Rolle als Frau. Jervis Comba (1973) spricht diesbezüglich
vom anderen Gesicht der "modernen Weiblichkeit", das den dialektischen
Gegensatz von "Schamhaftigkeit" und "Schönheit" im alltäglichen Klinikleben
ausmache. Für weibliche Patienten bietet diese neue Situation Identifikations-
hilfen, für männliche die Möglichkeit zu klarer Abgrenzung der eigenen von
der gegengeschlechtlichen Rolle. Zugleich ergeben sich jedoch auch Situationen,in
denen attraktive Schwestern oder Therapeutinnen von Patienten als Intimpartner
weiterphantasiert werden, in denen eine erotische Gefühlsübertragung erfolgt.
In der Literatur (Eiguer und Mitarbeiter 1974) wird diese Reaktionsbildung
der Patienten in der Freudschen Terminologie der 'Übertragungsliebe1 be-
schrieben und die Form der institutionellen Bewältigung dieser u.U. proble-
matischen zwischenmenschlichen Begegnung als entweder strenge Rollentrennung
oder polare Rollenkonfusion der involvierten Mitarbeiter wie Patienten ge-
kennzeichnet (Racamier 1970) . In der Tat ist der Einbruch nur schwer ver-
ständlicher Gefühle in das therapeutische Feld eine der Hauptschwierigkeiten
moderner psychiatrischer Institutionen: der Konflikt des Patienten überträgt
sich häufig auf die Stationsmitarbeiter, mitunter auf die Station oder das
Krankenhaus selbst, zumal sich 'modern1 meinende Bewegungen innerhalb der
Psychotherapie(n) die sexuell abstinenten Verhaltensmuster der traditionel-
len Psychiatrie in Frage stellen. Konflikte ergeben sich insbesondere bei
Berufsanfängern, die sich ihrer Gefühle in der Gegenübertragung, ihrer inter-
individuellen Abgrenzungen nicht bewußt sind (Stone 1975); Konflikte ent-
stehen u.U. beim zunächst keineswegs als erotisch oder sexuell gefärbt empfun-
denen körperlichen Kontakt bei der Krankenpflege, der Gymnastik, Massage,
beim Baden (s. Hug und Mitarbeiter 1988, Zeller-Schüle 1988, Isler 1988)
wie beim Sport oder beim Tanzen (s.a. Susy 1980, S. 30).

4.3
Noch einmal Bezug nehmend auf das obengenannte Beispiel der sexuellen
Aggression gegen eine Kollegin: sicher geht es einerseits um die 'ausge-
wogene' therapeutische Beziehung, um die unmißverständliche Definition von
Nähe und Distanz zur Verhinderung derartiger Übergriffe, doch beschreibt
eine ähnlich betroffene Kollegin (Schobert 1987) , man müsse "endlich dazu
kommen, daß die spezifischen Probleme und frauen-verachtenden Übergriffe
wahrgenommen und nicht verleugnet werden. Dies bedeutet sicherlich, einen
langwierigen Bewußtseinsprozeß bei Männern wie Frauen einzuleiten" (S. 379).
- 13 -

Die Kollegin schreibt weiter: "Man wird nicht müde, darauf hinzuweisen, daß
es ein Fortschritt ist, auch Mitarbeiterinnen in der forensischen Psychiatrie
einzusetzen. Gelobt werden die 'typisch weiblichen Anteile1 wie Wärme und
Geborgenheit geben, Ausstrahlen einer gemütlichen Atmosphäre. Durch den Ein-
satz von Mitarbeiterinnen -so wird gesagt- können die Männer (gerade auch
die Sexualstraftäter) neu den Umgang mit Frauen lernen. - Tatsache ist, daß
weibliches Personal den Patienten die Möglichkeit bietet, ihre pathologischen
Beziehungsmuster zu Frauen durch Übertragungs- und Übungsbeziehungen aufzu-
arbeiten. Und dies kann auch nur von Frauen geleistet werden. - Wenn wir
Frauen also für einen bestimmten Zweck, nämlich für eine Verbesserung der
Behandlung psychisch kranker Straftäter mit unserer gesamten Person und
unseren Geschlecht eingesetzt werden, dann muß aber auf jeden Fall unsere
Integrität sichergestellt und geschützt sein. Ansonsten handelt es sich um
nichts anderes als staatlich anerkannte Prostitution", sprich: Herabwürdi-
gung, öffentliche Preisgabe, Bloßstellung (Schobert 1987, S. 379).
Daß Frauen nicht aufgrund ihrer Profession, ihrer Fähigkeiten und ihres
Wissens eingestellt oder engagiert werden, sondern mit ihren Gefühlen und
wegen ihres Geschlechts, das wird schlaglichtartig unter der Rubrik 'Nach-
hilfe in Sexualität - Frauen therapieren Vergewaltiger1 von Gers und Mit-
arbeitern 1986, Schmid 1989) ausgeleuchtet, die über die 'Therapie' jugend-
licher Sexualstraftäter durch vergewaltigte Frauen berichten. Als (Nach-)
Hilfe konvertierte Aggression der Opfer - Zillig (1986) charakterisiert
sie als "Indoktrination" und "ideologische Umerziehung" - gemischt mit der
eigeninitiierten Selbstausbeutung oder erneuten emotionalen Selbstverge-
waltigung?

4.4
Bezüglich der Vergewaltigungsthematik bei dem obengenannten zu begutachtenden
Probanden fällt retrospektiv auf, daß dieser Mann bereits drei Jahre zuvor
während einer stationären Unterbringung wegen des Verdachts der Vergewalti-
gung angezeigt, das Verfahren jedoch eingestellt wurde. Bei Sichtung der
Akten der Staatsanwaltschaft stellte sich heraus, daß die Strafverfolgung
damals eingestellt wurde, weil es sich bei der Geschädigten um eine psychia-
trisch erkrankte Mitpatientin handelte und der Patient bei der Vernehmung
angab, die Frau habe sich für einen geringen Geldbetrag prostituiert! Dies
schien dem Staatsanwalt zum damaligen Zeitpunkt glaubhaft, uns Gutachtern
nunmehr keineswegs so eindeutig zu sein. - Nichtsdestotrotz gibt es in den
psychiatrischen Krankenhäusern sexuelle Aktivitäten und Intimitäten, wobei
sich die Patienten notgedrungen so entwürdigende Orte wie die Toilette, wie
Kellergänge, Dachböden oder wie das Gebüsch im Klinikpark suchen (müssen).
- 14 -

Trotz oder wegen aller Reglementierungen findet intimes oder sexuelles


Zusammensein in der Psychiatrie statt, z.B. in der entfremdeten Form weib-
licher Prostitution, in der Form sexueller Ausbeutung psychiatrisch stigma-
tisierter Frauen durch Mitpatienten wie durch Männer von außerhalb der Klinik.
Fengler und Fengler (1980) beschreiben für das Niedersächsische Landeskranken-
haus Wunstorf den damaligen Tarif von DM 5,— und ein Stück Kuchen aus der
Cafeteria für den flüchtigen Gewinn einer vermeintlich emotionalen Zuwendung
oder als materielle Aufbesserung des Taschengeldes - eine Situation, die ich
aus meiner damaligen Tätigkeit in Wunstorf gut erinnere. Wesentlich drasti-
scher als das Akademikerpaar Fengler formuliert die ehemalige Patientin
Cornelia (1980): "Die Psychiatrie ist der größte Puff". Sie berichtet von
Verführungssituationen, von der Anmache durch männliche Mitpatienten, von
ihrer Unterlegenheit als Frau.-Zugleich sollten wir uns im Umgang mit Patien-
tinnen hüten, Prostitution mit Unmoral, Zügellosigkeit und erforderlichem
Eingriff durch Klinikmitarbeiter gleichzusetzen, beschreiben doch Fengler und
Fengler (1980) die Situation u.a. wie folgt: "Vor allem das weibliche Pflege-
personal geht davon aus, daß Patientinnen, deren moralische Steuerungsfähig-
keit als mehr oder minder schwach ausgeprägt gilt ('sexuell enthemmt'), vor
der Ausbeutung durch männliche Mitpatienten und krankenhausfremde Männer zu
schützen sind. - In seiner ihm eigenen pathetischen Ausdrucksweise formulierte
das ein älterer Oberarzt so: 'Ich meine, daß wir als Ärzte eine Schutzpflicht
gegenüber den Patienten haben, daß wir sie auf Werte hinweisen müssen, daß
wir sie nicht wie Katzen herumstreunen lassen dürfen ... Wenn wir das zu-
lassen bei Menschen, die uns anvertraut worden sind, die unser Korsett
brauchen, dann sind wir am Ende unserer Kultur.1 - Die Schwestern interve-
nierten auch, wenn sich verheiratete Patientinnen während ihres Krankenhaus-
aufenthalts an sexuellen Kontakten mit Mitpatienten und betriebsfremden
Männern interessiert zeigten. Sie fühlten sich dafür verantwortlich zu
verhindern, daß durch die 'Untreue' von Patientinnen deren Ehe noch zu-
sätzlich belastet würde. Dabei war es relativ unerheblich, ob diese
'sexuelle Zügellosigkeit1 mit der Krankheit der Patientin in Verbindung
gebracht wurde oder deren "unmoralischem Charakter'. Die Schwestern defi-
nierten es als ihre Aufgabe, immer dort einzuschreiten, wo sie Tendenzen
zu bezahlter sexueller Bereitwilligkeit oder sexueller Zügellosigkeit
wahrnahmen" (S. 44).

4.5
Daß die Situation der Frauen in der Psychiatrie insgesamt für Therapeutinnen
wie für Patientinnen die des Opfers ist, wird daran transparent, daß sich
Schwestern nicht nur aufopfern oder Therapeutinnen als Surrogatpartnerinnen
- 15 -

opfern, sondern auch Patientinnen zum Zwecke der Behandlung verplant werden:
so müssen zur Ausbalancierung der Stationsatmosphäre "wieder mehr Frauen auf
die Station", wird von Kollegen wie Kolleginnen (!) überlegt, männliche
Patienten mit Beziehungsproblemen aus therapeutischen Gründen auf die gemischt-
geschlechtliche Therapiestation zu verlegen, fragt eine ehemalige Patientin,
warum sexuelle Anmache von selten des Personals "vielleicht sogar noch ge-
fördert werde ..., während Frau eigene, enge Freunde nur in der bedrückenden,
sterilen Atmosphäre eines Besucherraums empfangen darf" (Susy 1980, S. 30).
Daß sich auch Patienten in der Psychiatrie sexistisch verhalten wird u.a.
symptomatisch daran deutlich, daß ein Gedicht im sogenannten Kreativ-Teil
der Patientenzeitung des Westf. Zentrums für Forensische Psychiatrie Lipp-
stadt ('Nervensäge1 1988, S. 20) mit dem Bild einer Frau in lasziver Pose
unterlegt/illustriert (?) wurde; in der nächsten Ausgabe der 'Nervensäge'
findet sich entsprechend folgender Leserbrief: "Die Ausgabe Dez. '88 lag
bei uns im 'Eine-Welt-Laden' in Soest aus, ich bin dort Mitarbeiterin.
Thema und Anliegen interessieren mich. Auf Seite 20 im Kreativ-Teil fand
ich das Foto von der Frau. Mich ärgert das Bild! 'Leben' steht drüber!
Wie verstehen Sie das Foto dazu? Mauern einreißen - Frauen aufreißen? Was
bewog Sie, gerade an der Stelle Frau so darzustellen? Anspruch des Ladens
ist, gegen Unterdrückung jeder Art zu arbeiten und zu reformieren. Das
schließt selbstverständlich Unterdrückung von Frauen ein, insbesondere
Reduzierung der Frauen aufs Sexuelle, s.a. Sextourismus Dritte Welt. Irnnjer
wieder: bei uns fängts an!" (Vennemann 1989, S. 2).
So reflektiert das System der Psychiatrie gesamtgesellschaftliche Sozial-
und Sexualordnungen (s. spezieller Lautmann 1984), akzeptieren weibliche
Psychiater "ebenfalls die männliche Struktur", fungiert Therapie u.U. "als
Verstärkung der gesamten männlichen Struktur und zwingt Frauen in die Ab-
hängigkeit auf einem Gebiet, das -erfunden und beherrscht von Männern- gegen
Frauen angewandt worden ist" (Miller 1980, S. 67-68). Chesler (1980) schluß-
folgert, daß die gängige Struktur von Therapie Frauen eher zu "gesunder Ab-
hängigkeit" denn zu Unabhängigkeit ermutige, ein Fazit, das mich sehr an die
vorgenannte Double-bind-Konstellation hinsichtlich der regressions- wie auto-
nomiefördernden Klinikbedingungen erinnert.

4.6
Nach diesem Exkurs noch einmal zurück zum dritten Beispiel: die struktur-
diagnostischen Überlegungen bezüglich einer brüchigen Impulskontrolle des
zur Begutachtung untergebrachten 29jährigen Mannes resultierten nur sekundär
aus Anamneseerhebung und Verhaltensbeobachtung, primär aber aus einem von
dem psychiatrischen Kollgen und mir entworfenen Fremdbild im Gießen-Test.
- 16 -

Dieser Hinweis erscheint mir insofern wichtig, als es auch im allgemein-


psychiatrischen Stations- und Therapiealltag kaum sinnvolle Möglichkeiten
einer Beziehungsdiagnostik gibt. Verkürzt ausgedrückt soll der Gießen-Test
(Beckmann, Brähler und Richter 1983; Beckmann und Richter 1979) in seiner
ursprünglichen Form GT-S einem Probanden Gelegenheit geben, von sich ein
Selbstbild zu entwerfen, in dem dieser seine innere Verfassung und seine
Umweltbeziehungen beschreibt. Die Mehrzahl der Items erfordert eine Aus-
sage des Probanden über seine sozialen Beziehungen: er wird gefragt nach
elementaren Merkmalen seines sozialen Befindens (Nähe, Abhängigkeit, Ver-
trauen), seinen sozialen Reaktionen und seiner sozialen Resonanz. Als
individualdiagnostisches Instrument unterscheidet sich der Gießen-Test
nach den Autoren von anderen Persönlichkeitsverfahren vor allem dadurch,
daß er im bedeutenden Umfang soziale Einstellungen und Reaktionen einbe-
zieht. Die ebenfalls vorliegenden Fremdbeurteilungsbögen zum Gießen-Test
ermöglichen einerseits den Vergleich von Selbsteinschätzung und Fremdbild,
sind andererseits auch unabhängig vom Selbstbild des Patienten zu dessen
Einschätzung geeignet. - Kernberg (1983) beschreibt Impulskontrolle wie
Frustrationstoleranz, Angsttoleranz und Sublimierungsfähigkeit (S. 41-43)
als Indikatoren für eine reife, stabile Ich-Struktur (s.a. Fenichel 1938),
so daß diese Kriterien beispielsweise im Westf. Zentrum für Forensische
Psychiatrie Lippstadt für die Gefährlichkeitsprognose im Rahmen eines Beur-
teilungsbogens (1988) verwendet werden (s.a. Kobbe und Schmitz 1988). In
der forensisch-psychiatrischen Praxis ergeben sich durch ein solches
Rating Hinweise auf die ich-syntone bzw. ich-dystone Verarbeitung der
Impulse, auf die Objektbezogenheit der Affekte, Impulse und Phantasien
wie auf die Abhängigkeit der (sexuellen) Reaktion von Lebens- oder Persön-
lichkeitskrisen (Schorsch und Mitarbeiter 1982, Kobbe 1985). - Im allge-
meinpsychiatrischen Alltag bietet sich ein entsprechendes Rating mit dem
Gießen-Test als Hilfe bei der Einschätzung der Beziehungsfähigkeit der
Patienten an, wobei sich auch Möglichkeiten der Veränderungsmessung er-
geben.

4.7
In diesem Zusammenhang erscheinen mir Hinweise auf die unterschiedlich
ausführlichen Möglichkeiten einer Sexualanamnese sinnvoll: Zimmer (1985)
stellt in seinem Grundlagenbuch zu Sexualität und Partnerschaft einen
Anamnesefragebogen vor, der dem Patienten ausgehändigt wird und verände-
rungs- bzw. behandlungsorientiert ist (S. 235-239); darüberhinaus druckt
er die Tübinger Skalen zur Sexualtherapie (TSST) und einen Nachbefragungs-
bogen ab (S. 240-244), die "ein differenziertes Bild sexuellen Erlebens
- 17 -

und Verhaltens ... und einen unmittelbaren Eindruck der Wechselbeziehung


von Sexualität und Partnerschaft" ermöglichen sollen (S. 20) und statistisch
ausreichend gesichert erscheinen. Daneben gibt die Deutsche Gesellschaft für
Verhaltenstherapie (DGVT) die deutsche Fassung des 'Sexual Interaction
Inventory (SII)' von LoPiccolo und Steger (1974) als 'Fragebogen zur
sexuellen Interaktion' heraus (Crombach-Seeber und Crombach 1977), der
einerseits die Daten beider Partner erfordert und zudem aufgrund der m.E.
eher unästhetischen Zeichnungen "für manche Klienten zu Therapiebeginn be-
lastend" wirkt (Zimmer 1985, S. 19). Im Test- und Fragebogenbereich sind
für die Anamnese der 'Anamnesebogen' von Hahlweg und Mitarbeitern (1982),
die von denselben Autoren untersuchte 'Problemliste (PL)' sowie der 'Ehe-
und Partnerschaftsfragebogen' von Stuart und Stuart (1976) sinnvoll,
darüberhinaus der 'Partnerschaftsfragebogen (PFB)' von Hahlweg (1979);
s.a. Revenstorf und Mitarbeiter (1979). -
Im Gegensatz zu dieser allzu routiniert-direkten Exploration und auch allzu
distanziert-standardisiert Anamneseerhebung mit vielen präzisen Fragen
schlage ich eine ausführliche Anamnese vor (vgl. Kobbe 1988a) , die meiner
Erfahrung nach über mehrere Stunden hinweg eher 'offen', d.h. methodisch
regressiv-progressiv (Sartre 1964) im Sinne eines narrativen Interviews
(Schütze 1983) erhoben wird. Ähnlich verfährt offensichtlich auch Hertoft
(1989), der diese Explorationsform wie folgt beschreibt: "Man fragt nach
Kindheit, Schulbesuch, Ausbildung, Arbeitsbedingungen, nach Sexualaufklä-
rung, erstem sexuellen Erlebnis, erster Ejakulation, Masturbation, vorehe-
lichen und ehelichen sexuellen Beziehungen, homosexuellen Erfahrungen,
nach dem Verhältnis zu Eltern, Kindern und Freunden, nach Interessen und
Selbstverständnis, nach Präferenzen und Vorurteilen bei Stimulation der
Sinnesorgane (Sehen, Geschmack, Geruch, Hören und Berührung). Es wird
empfohlen, mit neutralen Themen zu beginnen, erst später zu gefühlsge-
ladeneren Themen überzugehen und dann mit etwas Neutralem abzuschließen"
(S. 108) . Inhaltlich ergeben sich diese Fragen aus der Arbeit von Masters
und Johnson zur 'Impotenz und Anorgasmie' (1973), in der sich die eben
genannten Themenbereiche und Stichpunkte in Form einer Anleitung zur
Sexualanamnese wiederfinden.
Entsprechend dieser Hervorhebung des Beziehungsaspekts der Sexualität
wird die oben vorgeschlagene Anwendung des Gießen-Tests in ihrer Relevanz
erneut unterstrichen, zumal Schenk und Mitarbeiter (1983) wie auch Zimmer
(1985, S. 182-184) im Gegensatz zu Eysenck (1980) feststellen, Persönlich-
keitsdimensionen hätten "für Sexualität keine große Bedeutung", denn:
"Die Dimensionen der Beziehung erscheinen erheblich bedeutsamer" (Schenk
und Mitarbeiter 1983, S. 37). - Im übrigen ist auch zur Art und Weise der
- 18 -

oben vorgeschlagenen Anamneseerhebung der Beziehungsaspekt insofern bereits


berücksichtigt, als ein umfassendes explorierendes Gespräch beziehungsstiftend
ist und die häufige Vermeidung konkreter sexueller Benennungen durch den
Patienten allmählich während des Gespräches abnimmt, da sozusagen die 'Erlaub-
nis' des Therapeuten das Aussprechen scheinbar obszöner Worte ermöglicht
(vgl. Ferenczi 1911, S. 171-172).

5. Schluß
Die an den in der Einführung skizzierten Beispielen dargestellten Gesichts-
punkte zum Verhältnis von psychiatrischer Institution, Mitarbeitern und
Patienten zu Sexualität und sexuellen Bedürfnissen haben hoffentlich rele-
vante Themenbereiche berührt und die richtigen Fragen provoziert, z.T. viel-
leicht auch Antworten -zumindest aber Literaturhinweise- gegeben. Im bewußten
Umgang mit den sexuellen Bedürfnissen vom Patienten erscheint wichtig, zu-
nächst die eigene Person, den eigenen Körper und die eigenen Gefühle kennen-
zulernen und die komplexen Aspekte, die sexuelle Befriedigung in Beziehungen
stören oder verhindern, zu klären. Hierfür bietet Moors (1987, S. 37) die
Bearbeitung folgender Fragen an:
a) Bin ich sexuellen Problemen gegenüber offen?
b) Welche Rolle spielt Sexualität in meinem eigenen Leben?
c) Sind mein Partner und ich zufrieden?
d) Was weiß ich über sexuelle Probleme?
e) Was weiß ich über mögliche Behandlungsweisen?
f) Bin ich interessiert, mich mit den Sexualstörungen meiner Patienten zu
befassen?
g) Habe ich besonderes Geschick im Behandeln psychosozialer Probleme?
Und auch danach kann und darf es nicht um die 'Vergesellschaftung' des
Sexuellen gehen, braucht Sexualität für eine harmonische Entwicklung
einen bergenden Raum und eine bergende Form (s. Neubaur 1987, S. 72-93),
in der Patienten die Beziehungen untereinander und zu anderen erfahren
können. Entsprechend darf die Vermittlung von sexuellem Wissen, die Klärung
von Fragen oder Beziehungen nicht bedrängend wirken: "So braucht niemand
seine erotisch-intime Praxis offenzulegen; denn eine Normalpraxis wird
stillschweigend unterstellt durch zahlreiche Andeutungen -von Flirts über
kleine Zärtlichkeiten bis zum Ehering am Finger- bestätigt" (Lautmann 1987,
S. 23). Keineswegs also kann und darf es darum gehen, Patienten mit deren
vermeintlichen oder abgewehrten sexuellen Bedürfnissen zu überrumpeln,
- 19 -

sondern vielmehr darum, ihnen Intimität und sexuelle Befriedigung zu ermög-


lichen. Ihre Intimität muß geschützt sein: sie müssen das Gefühl des Respek-
tiertwerdens und der Nichtvermeidung des Diskurses über Sexualität zugleich
haben können, müssen Nähe und Distanz erleben. -
Neben der psychiatrisch-praktischen Tätigkeit erscheint mir die Herauslösung
des publizistische Diskurses aus den populär-wissenschaftlichen Artikeln und
auch aus eher internen Zirkeln zugunsten eines kontinuierlich und wissen-
schaftlich diskutierten und erarbeiteten Bewußtseins der sexualrepressiven
Haltungen psychiatrischer Institutionen und ihrer Mitarbeiter sinnvoll.
Nur über diesen Weg sind akzentuiertere Sexualanamnesen im Rahmen allge-
meiner Anamneseerhebungen zu erreichen und sexualatrophische Hospitali-
sierungsschäden zu vermeiden. Hierfür bedarf es der wissenschaftlichen
Diskursfähigkeit und der Systematisierung der Sinnzusammenhänge der Sexuali-
tät, denn "das Reflexionsniveau des Alltagswissens entspricht etwa dem
der Bauernregeln über das Wetter"(Lautmann 1987, S. 26).

6. Literatur

6.1 Literatur aus Kobbe (1988c) im Reprint

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sehe Psychiatrie Lippstadt 1986 14(1985)624-625
54 Kockott. G..'Selbstbefriedigung als Therapieverfahren. Angebote 86 Peltzer. U.: Mythos Moralpsychologie. Psychologie heute 6
an anorgastische Frauen und Männer mit Sexualstörungen. Se- (1987) 52-57
xualmedizin 11 (1982) 149-153 " 87 Pinderhughes, C.A.. E. B. Grace. I. J. Reyna:Psychiatrie Disorders
55 Kohlberg, L.: Essays on Moral Development, Bd. II: The Psycho- and Sexual Functioning. in: Amer. J. psychiat. 128 (1972) 1276-
logy of Moral Development. The Nature and Validity of Moral 1283
Stages. Harper & Row, New York 1984 ' 88 Prill, //.-/./ Die alternde Vita sexualis. Möglichkeiten befriedigen-
56 Kreitman, N.: Married Couples Admitted to Mental Hospital. der neuer Selbstentdeckung. Sexualmedizin 6 (1977) 85-90
Brit. J. Psychiat. 114(1968) 699-718 89 Raboch, /./Zyklophrenie - Schizophrenie. Endogene Psychosen
57 Krell. G.: Frauen sind anders - und das macht Angst. Zur Kritik des und weibliche Sexualität. Sexualmedizin 13 (1984) 698-702
arbeitswissenschaftlichen Frauenbildes am Beispiel Menstrua- 90 Racamier, J.: Le psychiatre sans divan. Payot, Prais 1970
tion. Psychologie & Gesellschaftskritik P&G 26/27 (1983) 7-23 91 Redlich, F. C., D. X. Freedman.-Theorie und Praxis der Psychiatrie.
58 Kretz. H.: Sozialpsychiatrische Einrichtungen mit oder ohne Bd. 2 Suhrkamp, Frankfurt 1970
Trennung der Geschlechter? Nervenarzt 40 (1969) 176-183 92 Reich, W.: Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral. Fischer,
59 Kutschke, J.: Lust neu lernen. Über seelische und körperliche Frankfurt (1975
Schwierigkeiten von Behinderten, soziale und sexuelle Kontakte 93 Renchkovsky Ashley, B.. D. Ashley: Sexualität und Gewalt: Der
aufzunehmen. Sozialmagazin 6 (1978) 37-41 pornographische Körper als Waffe gegen Erotik und Nähe. Psy-
60 Lautmann, R.: Die künstliche Welt der Pomo-Psychologie. Psy- chologie & Gesellschaftskritik P&G 38 (1986) 7-36
chologieheute 5 (1987)38-45 " 94 Richter. H.: Vorurteile. Durch Aufklärung kann man sie nicht ab-
61 Lautmann. R.: Die gesellschaftliche Thematisierung der Sexuali- schaffen. Sozialmagazin l (1981) 50-52
tät, in: Pfafflin, F. + E. Schorsch(Hrsg.) Sexualpolotische Kontro-
- 21 -

95 Rohde. J.-J.: Der Patient im sozialen System des Krankenhauses, 112 Wendt. H.: Abgesang auf die sexuelle Freiheit. WARUM 6 (1982)
in: Ritter-Rohr, D. (Hrsg.) Der Arzt, sein Patient und die Gesell- 26-30
schaft. Suhrkamp, Frankfurt (1975) 167-210 113 Wex. Vf.: Eine Untersuchung „weiblicher" und „männlicher"
96 Rosenkranz, J.: Liebeszwang. Wie frei ist die Sexualität? Psycho- Körpersprache als Folge unserer geschlechtsspezifischen Situa-
logie heute 5 (1985) 42-48 tion, in: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie DG VT
97 Rozan, G. H., T. Tuchin, M, L. Kurland: Some Implications of (Hrsg.) Sonderheft 11/1978, DGVT, Tübingen (1978) 263-270
Sexual Activity for Mental Illness. Ment. hyg. 55 (1971) 318-323 114 Wingen. A:.: Die 10 Tabus. Psychologie heute l (1987) 12-13
98 Schelskv. H.: Soziologie der Sexualität. Über die Beziehung zwi- 115 Withersty, D. J.:Sexual Attitudes of Hospital Personnei: A Model
schen Geschlecht, Moral und Gesellschaft. Rowohlt. Reinbek for Continuing Education. Am. J. Psychiatry 133 (1976) 573-575
1965 116 Zimmer, D.: Sexualität und Partnerschaft. Grundlagen und
99 Schneider. P.-B., G. Abraham. D. Panayotopouios: Quelques Praxis psychologischer Behandlung. Urban & Schwarzenberg,
aspects de la vie sexuelle des psychotiques (Enquete sur 84 cas ho- München 1985
spitalises). Evol. psychiat. 29 (1964) 45-73 117 Dörner. K.: Gegen Zwangssterilisierung Behinderter. Klaus
100 Schmädel. D./Soziale Normen im Bereich des Krankheitsverhal- Dörner erinnert an historische und aktuelle Parallelen. Psychoso-
tens, in: Ritter-Rohr, D. (Hrsg.) Der Arzt, sein Patient und die Ge- ziale Umschau 2 (1988) 16-17
sellschaft. Suhrkamp. Frankfurt (1975) 29-51 118 Finger, P.: Zulässigkeit einer Sterilisation geistig Behinderter aus
101 Schwethen, L.: Verhütung: Kein Empfang - das geht beide an. eugenischer oder sozialer Indikation. Stellungnahme der Bundes-
Cosmopolitan 5 (1987) 26-30 ärztekammer. Recht & Psychiatrie R&P 2 (1988) 14-20
102 Sigusch, K. .-Medizin und Sexualität. Sieben Thesen zur kritischen 119 Kruckenberg, P.: Kommentar zum Aufsatz „Der Bumerang" von
Reflexion ihres Verhältnisses. Med. Welt 21 (1970) 2159-2170 Alex Schaub/Hermann Schwallaus der Sicht des Klinikleiters oder
103 SPK: Aus der Krankheit eine Waffe machen. Eine Agitations- „Zwei flogen über das Kuckucksnest". Sozialpsychiat. Informa-
schrift des Soziaiistischen Patientenkollektivs an der Universität tionen 2 (1988) 37-40
Heidelberg. Trikont. München 1972 120 Kilali, E. (Verf.): Vorschläge der Humanistischen Union für eine
104 Stone, M. //..'Management of Unethical Behaviorin a Psychiatrie Neuordnung der forensischen Psychiatrie unter besonderer Be-
Hospital Staff. Amer. J. Psychother. 29 (1975) 391-401 rücksichtigung der zur parlamentarischen Beratung anstehenden
105 Strauß, B., J. Gross: Empirische Untersuchungen zum Sexualver- Maßregelvollzugsgesetze. Hektografiertes Skript, München 1982
halten psychotischer Patienten - ein Überblick. Fortschr. Neurol. 121 Schaub, A., H. J. Schwall: Der Bumerang - oder: Supervision auf
Psychiat. 54(1986)248-258 einer verschlossenen psychiatrischen Langzeitstation. Sozialpsy-
106 Stroh. E.: Doch nicht ungefährlich. WARUM l (1982) 60-61 chiat. Informationen 2 (1988) 32-37, 40
107 Tordjman, G.: Sexualite: le bon cöte de Pagressivite. Psychologie 122 Schobert. M.: Staatlich anerkannte Prostitution in der Forensi-
152(1982)40-42 schen Psychiatrie? Ein Beispiel von Gewalt gegen Frauen. Bewäh-
108 Walter. J.: Wo Eltern und Erzieher noch hilflos sind. Grundrecht rungshilfe 4 (1987)
auf Sexualität - Einführende Gedanken zum Thema 'Sexualität 123 Strauß. B., J. Gross: Psychopharamakabedingte Veränderungen
und geistige Behinderung'. Sexualmedizin 12 (1983) 90-82 der Sexualität - Häufigkeit und Stellenwert in der psychiatrischen
109 Wendt. H.: Sexualität: Das Ende des technischen Zeitalters. Praxis. Psychiat. Prax. 11 (1984) 49-55
WARUM 2 (1981) 10-15 124 Strauß. B,. J. Gross: Beeinflussung der Sexualität durch Psycho-
110 Wendt, //..-Sexualtherapeuten entdecken die Liebe II. WARUM pharmaka. Recht & Psychiatrie R & P4(1985) 129-131
10(1981a)50-53 125 Strauß. B., H. Prager, H. Appell, J. Gross: Der Steileenwert der Se-
111 Wendt, //./Sexualtherapeuten entdecken die Liebe III. WARUM xualität im psychiatrischen Klinikalltag. Ergebnisse einer Perso-
11(1981b)26-31 nalbefragung. Hektografiertes Skript, Psychiat. Universitäts-
klinik Hamburg 1987

6.2 Erweiterte Literaturliste zu diesem Vortrag


126 Anthenien, Leo
Zwischen Berührungsangst und Routine-Berührungen,
in: Die Schwester / Der Pfleger 27 (1988) 10, 783-785
127 Beckmann, D.; E. Brähler; H.E. Richter (Hrsg.)
Der Gießen-Test (GT). Ein Test für Individual- und Gruppendiagnostik.
Handbuch.
Verlag Hans Huber, Bern/Stuttgart/Wien (1983)
128 Beckmann, D.; H.-E. Richter (Hrsg.)
Erfahrungen mit dem Gießen-Test (GT). Praxis, Forschung und Tabellen.
Verlag Hans Huber, Bern/Stuttgart/Wien (1979)
129 Garnes, Patrick
Zerstörerische Lust. Sex als Sucht.
Heyne Verlag, München (1987)
130 Chesler, Phyllis
Ehe und Psychiatrie.
in: Courage-Sonderheft 'Zum Verrücktwerden - Frauen in der Psychiatrie1
Courage 2 (1980) 2, 80-81
- 22 -

131 Crombach-Seeber, B.; G. Crombach


Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (Hrsg.)
Sexual Interaction Inventory (SII) - Fragebogen zur Sexuellen Interaktion.
Handauswertung.
DGVT-Materialie Nr. 10, Tübingen (1977)
132 Dannecker, Martin
Das Drama der Sexualität.
Athenäum Verlag, Frankfurt (1987)
133 Eysenck, Hans Jürgen
Sexualität und Persönlichkeit.
Ullstein Verlag, Frankfurt/Berlin/Wien (1980)
134 Fenichel, Otto
Ichstärke und Ichschwäche. (1938)
in: Laermann, K. (Hrsg.)
Otto Fenichel - Aufsätze. Band II.
Ullstein Verlag, Frankfurt/Berlin/Wien (1984) 80-92
135 Ferenczi, Sändor
Über obszöne Worte (Beitrag zur Psychologie der Latenzzeit). (1911)
in: Ferenczi,S. (Hrsg.)
Bausteine zur Psychoanalyse. Band I.
Ullstein Verlag, Frankfurt/Berlin/Wien (1984) 171-188
136 Foucault, Michel
Nein zum König Sex. Gespräch mit Bernard-Henri Levy. (1977)
in: Foucault,M. (Hrsg.)
Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit.
Merve Verlag, Berlin (1978) 176-198
137 Freud, Sigmund
Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. (1905)
in: GW IX, insb. S. 106
138 Gers, A.; N. van der Starre; R. Pern; M. Heilemann
Frauen therapieren Vergewaltiger.
in: psychologie heute 13 (1986) 4, 52-55
139 Hainz, Franz
Zärtlichkeit. Versuch einer Annäherung auf den Spuren S. Freuds.
Express Edition, Berlin (1987)
140 Hahlweg, K.
Konstruktion und Validierung des Partnerschaftsfragebogens PFB.
in: Z. klin. Psych. 8 (1979) 17-40
141 Hahlweg, K.; L. Schindler; D. Revenstorf
Partnerschaftsprobleme: Diagnose und Therapie. Handbuch für Therapeuten.
Springer Verlag, Berlin (1982)
142 Hertoft, Preben
Klinische Sexologie.
Deutscher Ärzte-Verlag, Köln (1989)
143 Heuer-Pyka, Gerhild
Vom Umgang mit Sexualität im Alltag der Institution,
in: Schumann, V.; B. Dimmek (Hrsg.)
Alltag im Maßregelvollzug. 3. Eickelborner Fachtagung zu Fragen der
Forensischen Psychiatrie am 3. und 4. März 1988 im Westf. Zentrum für
Forensische Psychiatrie Lippstadt.
Eickelborn (1988) 185-192
- 23 -

144 Heuer-Pyka, G.; S. Nowara


Vom Umgang mit Sexualität im Alltag der Institution - Thesen,
in: Schumann, V.; B. Dimmek (Hrsg.)
Alltag im Maßregelvollzug. 3. Eickelborner Fachtagung zu Fragen der
Forensischen Psychiatrie am 3. und 4. März 1988 im Westf. Zentrum für
Forensische Psychiatrie Lippstadt.
Eickelborn (1988) 192-194
145 Hug, M.; S. Reiner; G. Surina
Routinierte Berührungen.
in: Die Schester / Der Pfleger 27 (1988) 10, 770-774
146 Isler, Marlis
Umgang mit der Sexualität in der Krankenpflege ... aus der Sicht einer
Krankenschwester.
in: Die Schwester / Der Pfleger 27 (1988) 10, 780-783
147 Kernberg, Otto F.
Borderline-Störungen und pathologischer Narzißmus.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt (1983)
148 K.K.
Du hast keine Chance.
in: Courage-Sonderheft 'Zum Verrücktwerden - Frauen in der Psychiatrie1
Courage 2 (1980) 2, 19
149 Kobbe, Ulrich
Zum Verständnis des sexuell devianten Symptoms als Grundlage der Therapie.
Vortrag auf den 1. Paderborner Tagen für praktische Psychiatrie.
Westf. Klinik für Psychiatrie Paderborn (1985)
150 Kobbe, Ulrich
Rezension von Zimmer (1985) a.a.O.
in: Psychiat. Prax. 14 (1987) 2, 71
151 Kobbe, Ulrich
Biographische Anamnese und soziale Amnesie. Ein Überblick über Anamnese-
erhebung, Exploration, klinisches Interview, biographische Analyse und
diagnostische-klinisches Gespräch
in: Psychiat. Neurol. med. Psychol. 40 (1988a) 6, 321-335
152 Kobbe, Ulrich
Sexualität - Auf psychiatrischen Stationen ein Fremdwort?
in: Sexualmedizin 17 (1988b) 5, 292-299
153 Kobbe, Ulrich
Über die "Sexualatrophie" psychiatrischer Patienten - Ein essayistischer
Überblick.
in: Psychiat. Prax. 15 (1988c) 6, 192-201
154 Kobbe, Ulrich; W. Schmitz (Verf.)
Prognose der Gefährlichkeit im Maßregelvollzug. Ein Beurteilungsbogen
im Westf. Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt,
unveröffentl. Manuskript, Eickelborn (1988)
155 Lautmann, Rüdiger
Der Zwang zur Tugend. Die gesellschaftliche Kontrolle der Sexualitäten.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt (1984)
156 LoPiccolo, L.; J.C. Steger
The Sexual Interaction Inventory: A new Instrument for assessment of
sexual dysfunction.
in: Arch. Sex. Behav. 3 (1974) 585-595
- 24 -

157 Marcuse, Herbert


Trieblehre und Freiheit. (1955)
in: Adorno, Th.W.; W. Dirks (Hrsg.)
Sociologica I. Aufsätze. Max Horkheimer zum Sechzigsten Geburtstag
gewidmet.
EVA, Frankfurt/Köln (1974) 47-66
158 Masters, W.H.; V.E. Johnson
Impotenz und Anorgasmie. Zur Therapie funktioneller Sexualstörungen.
Goverts-Krüger-Stahlberg-Verlag, Frankfurt (1973)
159 Miller, Nadine
An meinen Therapeuten.
in: Courage-Sonderheft 'Zum Verrücktwerden - Frauen in der Psychiatrie1
Courage 2 (1980) 2, 68-69
160 Morgan, R.; J. Rogers
Some results of tne policy of integrating men and women patients in a
mental hospital.
in: Soc. psychiat. 6 (1971) 3, 113-116
161 Neubaur, Caroline
Übergänge. Spiel und Realität in der Psychoanalyse Donald W. Winnicotts.
Athenäum Verlag, Frankfurt (1987)
162 Neumann-Schönwetter, Marina
Psychosexuelle Entwicklung und Schizophrenie. Zur Theorie familialer
Sozialisation in der bürgerlichen Gesellschaft.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt (1973)
163 o. Verf.
Konzeption für den "Soziotherapeutischen Bereich" der Psychiat. Klinik
B.. .hausen
Psychiat. Klinik B...hausen (o.J.)
164 o. Verf.
Beurteilungsbogen zur Lockerungsentscheidung. (4. rev. Fassung)
Westf. Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt, Eickelborn (1988)
165 Rebecca
Die Totenstille auf der Station.
in: Courage-Sonderheft 'Zum Verrücktwerden - Frauen in der Psychiatrie'
Courage 2 (1980) 2, 14-18
166 Redaktion 'Nervensäge1 (Hrsg.)
'Nervensäge' - Patientenzeitung des Westf. Zentrums für Forensische
Psychiatrie Lippstadt. 2 (1988) 4, 20
167 Reich, Wilhelm
Der triebhafte Charakter.
Verlag 0, Graz (1975)
168 Revenstorf, D.; K. Hahlweg; L. Schindler
Interaktionsanalyse von Partnerschaftskonflikten,
in: Z. Soz. Psych. 10 (1979) 183-196
169 Sartre, Jean Paul
Marxismus und Existentialismus. Versuch einer Methodik.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek (1964)
170 Schenk, J.; H. Pfrang; A. Rausche
Personality traits versus the quality of the marital relationship äs
the determinant of marital sexuality.
in: Aren. Sex. Behav. 12 (1983) 31-42
- 25 -

171 Schmid, Peter


Sexualstraftäter in der Psychiatrie. Die Einbeziehung von Kranken-
schwestern in die Behandlung.
in: DKZ 42 (1989) 4, 229-232
172 Schobert, Marianne
Staatlich anerkannte Prostitution in der Forensischen Psychiatrie?
Ein Beispiel von Gewalt gegen Frauen,
in: Bewährungshilfe 4 (1987) 375-380
173 Schorsch, Eberhard
Affekttaten und sexuelle Perversionstaten im strukturellen und psycho-
dynamischen Vergleich.
in: R & P 6 (1988) 3, 10-19
174 Schorsch, E.; M. Hauch; H. Lohse; H. Maisch; G. Röbbeling
Ist der Gefängnispsychologe schuld?
in: Psychologie heute 9 (1982) 3, 38-45
175 Schütze, Fritz
Biographieforschung und narratives Interview,
in: Neue Praxis 3 (1983) 283-293
176 Strauß, B.; H. Prager; H. Appelt; J. Gross
Der Stellenwert der Sexualität im psychiatrischen Klinikalltag - Ergeb-
nisse einer Personalbefragung,
in: Psychiat. Prax. 15 (1988) 6, 202-208
177 Stuart, R.; R. Stuart
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (Hrsg.)
Ehe- und Partnerschaftsfragebogen.
DGVT-Materialie Nr. 9, Tübingen (1976)
178 Susy
Chemische Zwangsjacke.
in: Courage-Sonderheft "Zum Verrücktwerden - Frauen in der Psychiatrie'
Courage 2 (1980) 2, 28-30
179 Theweleit, Klaus
Männerphantasien. Band l Frauen, Fluten, Körper, Geschichte. Band 2 Männer-
körper - Zur Psychoanalyse des weißen Terrors.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek (1980)
180 Vennemann, Anna
Leserbrief.
in: 'Nervensäge' - Patientenzeitung des Westf. Zentrums für Forensische
Psychiatrie Lippstadt. 3 (1989) l, 2
181 Vinnai, Gerhard
Psychologische Aspekte der Männlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft.
Heterosexualität, Homosexualität und ökonomische Struktur.
in: Vinnai, G. (Hrsg.)
Das Elend der Männlichkeit. Heterosexualität, Homosexualität und
ökonomische Struktur. Elemente einer materialistischen Psychologie.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek (1977) 10-158
182 Wendt, Hermann
Rezension von Zimmer (1985) a.a.O.
in: Psychologie heute 13 (1986) 5, 76-77
183 Zeller-Schüle, Suse
Umgang mit der Sexualität in der Krankenpflege.
in: Die Schwester / Der Pfleger 27 (1988) 10, 774-780
184 Zillig, Waltraud
Leserbrief zum Artikel von Gers u.a. (1986) a.a.O.
in: Psychologie heute 13 (1986) 7, 7

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