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Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

„Lustknaben und
Knabenschänder“: 1Kor. 6,9 im
Kontext der Umwelt“
Einleitende Gedanken
Die Knabenliebe soll nach Raoul Schrott im alten Griechentum weit
verbreitet gewesen sein. Gaius Valerius Catullus, ein römischer Dichter
des 1. Jh. v. Chr. hat die Lustknaben der Reichen und Mächtigen der
Antike in seinen Gedichten erwähnt und es soll sie Kontinente
übergreifend gegeben haben1. Während im antiken Griechenland die
Knabenliebe eher en vogue war, galt sie in Rom als anstößig, meint
Bettina Eva Stump, sie wurde ihrer Meinung nach dennoch praktiziert,
besonders von der Oberschicht2. Eine wahre Fundgrube über die
pädophilen Neigungen stellt die Biographie Tiberius dar, die vom
römischen Schriftsteller und Verwaltungsbeamten Sueton geschrieben
wurde, der im 2.Jh. durch die Kaiserbiographien verfasst hatte. Er
beschreibt, wie Tiberius sich mit seinen "Elritzen" vergnügte, kleinen
Jungs, die ihm zwischen den Beinen durchschwammen3. Seine "spintriae"
(eigentlich: Bordellmünzen), wie Sueton die Lustknaben nennt, ließ er sich
aus allen Provinzen des Imperiums schicken4.

Friedrich Nitzsche schreibt zu diesem Thema:

„Die erotische Beziehung der Männer zu den Jünglingen


war in einem unserem Verständnis unzugänglichen
Grade die notwendige, einzige Voraussetzung aller
männlichen Erziehung [...]; aller Idealismus der Kraft der
griechischen Natur warf sich auf jenes Verhältnis, und
wahrscheinlich sind junge Leute niemals wieder so
aufmerksam, so liebevoll, so durchaus in Hinsicht auf ihr
Bestes (virtus) behandelt worden wie im sechsten und
fünften Jahrhundert - also gemäß dem schönen Spruche
Hölderlins »denn liebend gibt der Sterbliche vom
Besten«5.

1
Raoul Schrott: Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 160ff.
2
Vgl. Bettina Eva Stump: Prostitution in der römischen Antike, Akademie Verlag SBN I.3-
05-003459-9, S.62ff.
3
Elritzen sind schwimmaktive und friedliche Schwarmfische.
4
Vgl. C. Suetonius Tranquillus, The Lives of the Twelve Caesars, Loeb Classical Library,
1913.
5
Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, 2. Band §259.
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Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

Wie auch immer der kulturelle Hintergrund der hellenistischen Welt


gewesen sein könnte, eines ist sicher, dass Lustknaben in dieser Umwelt
vorhanden waren. Aristoteles (384-322 v.Chr.) schreibt zu diesem Thema
sogar über die kausalen Faktoren der Knabenliebe: Sie seien eine „Folge
von Gewöhnung, (wie) z.B. das Ausrupfen der Haare oder das Kauen von
Nägeln oder sogar von Kohle und Erde. Und dazu Päderastie. Denn dies
sind Dinge, die bei manchen aus der Naturanlage, bei manchen aber aus
der Gewöhnung stammen, bei letzteren... die von früher Kindheit...
missbraucht worden sind".6

Die Lustknaben im Kontext von 1Kor,6,9


Valeria Hinck engagiert sich auf der Internetseite „Zwischenraum“
und in der Organisation Homosexuelle und Kirche (HuK). Sie untersucht in
ihrem Buch „Streitfall Liebe“ auch den Text von 1Kor 6,9 und führt in
Kürze aus:

„Auf Homosexualität beziehen sich die beiden Ausdrücke


"Lustknaben" und "Knabenschänder". Erstere sind die
bereits erwähnten "malakoi" (wörtlich "Weichlinge"), in
heutigem Deutsch also am ehesten "Strichjungen". Die
Bezeichnung für die zweite Gruppe lautet "arsenokoitai",
was so viel bedeutet wie: "die mit Männern schlafen",
zunächst ein sehr allgemein klingender Ausdruck. Die
Nennung in einem Atemzug mit den malakoi, also
Prostituierten, lässt dabei aber vor allem an ihre Kunden
denken. Dies kommt auch in der eingeengten
Übersetzung "Knabenschänder" zum Ausdruck. Eine
ähnliche Einbettung in eine Welt promiskuitiv gelebter
Homosexualität findet sich übrigens auch in der
Textstelle des Timotheus Briefs“7.

Ich möchte an dieser Stelle mit Valeria Hinck keine Diskussion


führen, aber ihr Recht geben, dass der deutsche Begriff
Knabenschänder tatsächlich eine sehr eingeengte Übersetzung von
αρσενοκοιται ist, dazu noch im heutigen deutschen kulturellen Kontext
missverständlich. Denn er insinuiert Männer, die Knaben schänden bzw.
zur Befriedigung ihrer Wollust missbrauchen. Es ist nicht auszuschließen,

6
Aristoteles, Nikomachische Ethik 7.6.1148b. Vgl. WORT UND ANTWORT. Zeitschrift für
Fragen des Glaubens. Themenheft Homosexualität. 39. Jahrgang, Heft 2 - April/Juni 1998
Herausgegeben von der Dominikanerprovinz Köln. Mainz:.Matthias-Grünewald-Verlag.
1998.
7
Valeria Hinck. Streitfall Liebe - Biblische Plädoyers wider die Ausgrenzung
homosexueller Menschen. Neuer Verlag: pro Literatur Verlag 2007. Sie bietet die erste
Ausgabe in PDF-Format zum Herunterladen an und das Zitat stammt aus dieser Ausgabe,
S. 19.
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Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

dass Paulus im Kontext von 1Kor 6,9 die homosexuellen Männer meinte,
die mit Knaben Geschlechtsverkehr unterhielten, aber an
Knabenschändung wie bei dem heutigen Wortgebrauch von
Kinderschändern dachte doch in der Antike niemand. Aus diesem Grund
sollte die deutsche Übersetzung von αρσενοκοιται neu überdacht und
präziser definiert werden. Das schon einmal vorweg.

Zurück zum Lasterkatalog aus 1Kor. 6,9, aus dem uns zwei Begriffe
interessieren, nämlich: μαλακοι und αρσενοκοιται. Beide griechischen
Worte sind von Wissenschaftlern im Kontext der hellenistischen Kultur
ausreichend dokumentiert und erforscht worden. Ob nun die Übersetzung
des Begriffs μαλακος mit Wollüstling zulässig ist, kommt auf die
Konnotation, d.h. auf den Begriffsinhalt an. Die Stuttgarter Zeitung
beschrieb 1995 den Wollüstling als eine Konkurrenz zu Frauen:

„Die göttliche Ausstrahlung seines Brustkorbs, kräftig,


geölt, apollinisch strahlend, bewahrt immerhin
diesen Wollüstling vor der Verachtung der Frauen, die
ihr schwaches Geschlecht nur zu gut in solcher Stellung
kennen“.8

Walter Bauer hat in seinem „Wörterbuch zum Neuen Testament“


μαλακοι mit Lustknaben übersetzt und erläutert: Es gehe um „Männer
und Jünglinge, die sich missbrauchen ließen“9. Das Verb „ließen“
konnotiert bei Bauer Freiwilligkeit und Zwangslosigkeit. Archibald T.
Robertson (1863-1934) war auch ein exzellenter Kenner des griechischen
Neuen Testaments und gab μαλακος als männliche Person wieder, die
durch hochgradig entgegengesetzte sexuelle Empfindung
charakterisiert wird; laut ihm ist der μαλακος ein effeminierter
(weibisch gewordener) Mann.10 Da wir in der FEG Zürich einen quasi
effeminierten Christen hatten, war er nach seinen Worten bei
„homosexuellen Spielen“ stets der unterlegene passive Homosexuelle, der
sich für den Analverkehr zu Verfügung stellte.

Die griechischen Philosophen verwendeten den Begriff μαλακος


eher sparsam. Aristoteles hält den μαλακος für einen “unbeherrschten“

8
Vgl. auch Johannes Saltzwedel: “ Ein zackiger Flaneur“.DER SPIEGEL 12/1995
(Online).
9
Walter Bauer. Wörterbuch zum Neuen Testament. Berlin § New York: de Gruyter 1988.
Sp. 991.
10
A.T. Robertson, Word Pictures in the New Testament, Bd. 4, S. 119; Vgl. C.K. Barrett, A
Commentary on the First Epistle to the Corinthians, der (S. 140) ebenfalls sagt, beide
Begriffe implizierten passive und aktive männliche Homosexualität.
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Menschen, der "jeweils dem Genuss des Augenblicks" nachjagt.11 Der


Stoiker Epiktet (50-138 n.Chr.) dagegen beschreibt damit Personen, die zu
"einfältig" wären, philosophische Aussagen zu betrachten und
aufzunehmen.12

Der antike Historiker und Lehrer der Rhetorik Dionysius von


Halicarnassus (?60.nach 9 ??v.Chr.) beschreibt den Tyrannen von Cumae
Aristodemus (geb. 550 v. Chr.) Aristodemus war ein Etrusker und Cumau
eine antike Stadt in der italienischen Region Kampanien, nordwestlich von
Neapel), wie folgt:

„(Er war) ein Mann von nicht unbekannter Herkunft, der


von den Bürgern μαλακος oder "Effeminierter" genannt
wurde - ein Spottname, der mit der Zeit besser bekannt
war als sein eigener Name; entweder weil er als Knabe
weibisch war und sich wie eine Frau traktieren ließ, wie
einige berichten, oder weil er von mildem Wesen und
nicht leicht zum Zorn zu reizen war, wie andere
festhalten.“13

Der Spitzname oder Spottname des Aristodemus muss keineswegs


bedeuten, dass der Tyrann auch tatsächlich „effeminiert“ war. Es geht
mir nur darum, herauszufinden, mit welchen Begriffsinhalt μαλακος in der
Antike gefüllt war.

Der griechische Redner, Schriftsteller und Philosoph Dio


Chrysostomus (nach 40; † vor 120) kennt den Terminus auch und
verwendet ihn etwa in einer Rede so: "Wenn du dich mit Bildung befasst,
wird man dich einfältig und effeminiert (ευθες και μαλακος)
nennen."14 Bemerkenswert, dass sein Zeitgenosse Epiktet das Gegenteil
aussagte. Vettius Valens (120-175) verfasste das zehnbändige
Werk Anthologiae, das als richtungsweisendes Werk hinsichtlich
11
Aristoteles Nikomachische Ethik (Übers. F. Dirlmeier; Stuttgart, 1983), S. 182f.

12
Epicteti dissertationes ab Arriani digestae (Hrsg. H. Schenkl; Leipzig, 1916/Stuttgart,
1965) 3.9; deutsch: Epiktet Unterredungen und Handbüchlein der Moral (Zürich, 1924).

13
Ανερ ου τον επιτυχοτο ‘ηneka γενους, ‘ος επερεκαλειτο Μαλακος ‘υπο τον αστον
και συν χρονο γνοριμοτεραν του ονοματος εσχε τεν επικλεσιν, ειθ‘οτι θελυδριας
εγενετο παις ον και τα γυναιχιν ‘αμαρμοττοντα επασχεν ,‘ος ‘ιστορουσι τινης, ειθ
'οτι πραος εν φυσει και μαλακος εις οργεν, ‘ος ‘eteroi γραφουσιν . The Roman
Antiquities of Dionysius of Halicarnassus (Übers. E. Cary; Cambridge/Mass.-London,
1950) 4, S. 150.
14
Vgl. Dio Chrysostom (Übers. H. Lamar Crosby; Cambridge/Mass.-London, 1951) 5, S.
110, 112.
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astrologischer Zuordnungen von Wochentagen gilt, und assoziiert


μαλακος mit allgemeiner Zügellosigkeit,15 während bei Diogenes
Laertius (3. Jh.), dem Sammler der unkritischen biographischen
Nachrichten, die Bedeutung μαλακος etwas vage bleibt. Das veranlasst
den Gymnasialprofessor und Übersetzer Otto Apelt (1845-1932) μαλακος
einmal mit "Wollüstling", ein andersmal mit "Weichling" zu
übersetzen.16

Titus Maccius Plautus (* um 254 v. Chr. in Sarsina, Romagna, Italien;


† um 184 v. Chr.) war einer der ersten und produktivsten Komödiendichter
im alten Rom. Er erwähnt in seiner Komödie vom ruhmreichen Soldaten
das gleiche Adjektiv als Fremdwort unmittelbar nach dem Substantiv
cinaedus (μαλακος), das ebenfalls aus dem Griechischen kommt und
dort passive homosexuelle Männer bezeichnete, und zwar für
professionelle Tänzer oder Pantomimenschauspieler.17 Der
römische Dichter und Neffe Senecas des jüngeren Lukan (Marcus Annaeus
Lucanus, 39-65 n.Chr.) beschreibt gewisse Priester bzw. deren Blut und
prangert sie just mit dem Begriff μαλακος der passiven
Homosexualität an.18 Der Be griff ist demnach im 1. Jh. durchaus hierfür
belegt.

Der evangelische Theologe und Paläograf Adolf Deissmann (1866-


1937) zitiert aus einem Brief des Domophon an Ptolemäus (geschrieben
um 245 v.Chr.): "Sende uns aber auch Zenobios, den Weichling
(μαλακον) mit Trommeln, Becken und Klappern."19 Deissmann
kommentiert: "Das Wort steht wohl in der auch dem Apostel 1.Kor 6,9
bekannten obszönen Bedeutung und deutet das schmutzige
Nebengewerbe des Musikanten an."20

15
Vgl. Vettius Valens, S. 113: Ares hypo kronou martyroumenos kai meliou, kategoretheis
malakos estai: Zeilen 21f.
16
Vgl. Diogenes Laertius Leben und Meinungen berühmter Philosophen (Berlin, 1955) 2, S.
89.

17
T. Maccus Plautus Miles Gloriosus (Hrsg. M. Hammond et al.; Cambridge/Mass., 1963), S.
133; vgl. Einleitung LXII: Anmerkungen der Hrsg. zu Strophen 211, 775, 924; für 665
geben sie "weich, effeminiert" als Übersetzung von malacus.

18
Lucan (Hrsg. W. Rutz; Darmstadt, 1971) 37; vgl. J. Boswell, S. 338, Anm. 14.

19
A. Deissmann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der
hellenistisch-römischen Welt (Tübingen, 1923), S. 131.
20
Ebenda, Anm. 4; vgl. dagegen: The Hibeh Papyri (Hrsg. Bernard P. Grenfell und Arthur
S. Hunt; Oxford, 1906) 1 S. 201, Anm. 11: "malakos may be merely a nickname, but
probably refers to the style of Zenobius' dancing. Smyly well compares Plautus, Mil. 668:
'Tum ad sallandum non cinaedus malacus aequest atque ego'." Dagegen die zitierte
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Der Absolvent der Harvard Universität John Boswell (1947-1994),


Geschichtsprofessor der Yale Universität, ist bekannt geworden durch sein
Werk Christianity, Social Tolerance, and Homosexuality. Er untersuchte
die patristische Literatur und entdeckte, dass die Kirchenväter den Begriff
μαλακος im Sinne von "flüssig; feige; mit schwachem Willen;
delikat; zart; verderbt; raffiniert/kultiviert" auch masturbierend21
verwendeten22. Boswell, selbst ein Homosexueller, der an AIDS starb, ist
der Meinung gewesen, dass μαλακοι im Kontext von 1Kor 6,9 eine eher
vage Bedeutung hatte, aber er schließt nicht gänzlich aus, dass Paulus
hier die passiven Homosexuellen meinte, die sich bewusst prostituiert
hatten23.

Der Theologe Derrick Sherwin Bailey (1910-84) schrieb 1955 das


berühmt gewordene Buch Homosexuality and the Western Christian
Tradition und behauptet, dass μαλακοι ein terminus technicus für
Männer ist, die den aktiven männlichen Homosexuellen zur
Verfügung standen24.
Stelle oben, aus: The Hibeh Papyri (Hrsg. E.G. Turner), Teil 2, S. 123 für "weiche" Wolle.
21
Die russische Bibel herausgegeben von „Licht im Osten“ verwendet μαλακος für
Onanie.
22
J. Boswell, S. 106; vgl. Vettius Valens Anthologiarum Libri (Hrsg. G. Kroll; Dublin-Zürich,
1973), S. 121.
23
Ibid, vgl. S. 341. Boswell schreibt zwar: “Das Argument, dass in 1Kor 6,9… μαλακοι …
die passiven Partner im homosexuellen Partner im homosexuellen Interkurs
repräsentieren soll, ist unrealistisch und nicht durch lexigraphische Evidenz belegt“, er
verneint jedoch nicht, dass es sich hier um die sittliche Schwäche männlicher Personen
handelt und führt wörtlich aus: „Die haltbarste Folgerung ist, dass „μαλακος“ sich auf
allgemeine sittliche Schwäche bezieht, ohne spezifischen Konnex mit Homosexualität“. S.
343. Boswells Schlussfolgerung ist in der wissenschaftlichen Sachliteratur sehr
umstritten. Vgl. F.W. Grosheide: Commentary on the First Epistle to he Corinthians, Grand
Rapids 1976, S. 140 u.a.m.
24
S.D. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Traditions, S. 38; D. Atkinson,
Homosexuals in the Christian Fellowship, S. 92; vgl. Polybius The Histories (Übers. M.
Chambers; New York, 1966), S. 306; Suetonius The Twelve Caesars (Übers. R. Graves;
Harmondsworth, 1957), S. 223. James Graham-Murray. A History of Morals. Studies in
Homosexuality, Vol XII: Homosexuality and Religion and Philosophy. Ed. Wayne Dynes &
Stephen Donaldson. New York & London: Garland, 1992. S. 152-173. Anderswo wird in der
Bibel eine Ableitung vom Begriff μαλακοι mit "weich", "fein", "kränklich", "flüssig",
"feige", "zart", "sanft" oder "ausschweifend" übersetzt. Vielleicht könnte man auch
"ungezügelt" oder "schwelgerisch" benutzen. Anderswo wird es für Menschen
gebraucht, die keine Disziplin haben oder moralisch schwach sind. Anette Seiler
meint auf ihrer Internetseite, dass man in der Wissenschaft bei der Bedeutung der
Begriffe „μαλακοι" und „αρσενοκοιται" „nicht weiß, um was es geht. Handelt es sich um
Päderastie? Um Kultprostitution? Um Vergewaltigung von Sklaven? Dies waren die
homosexuellen Beziehungen der griechisch-römischen Kultur. Eine liebende Beziehung
zweier schwuler Christen? Diese war in der griechisch-römischen Kultur fast unbekannt.
Solange Unklarheit herrscht, kann man die genannten Verse (1Kor 6,9: 1Tim 1,10) nicht
benutzen, um eine liebende schwule Beziehung zu verurteilen“. (2004) Frau Seller beruft
sich in ihren Ausführungen auf Aussagen von zwei Theologen, nämlich: Gordon D. Fee.
The first epistle to the Corinthians. - Grand Rapids, Mich. : William B. Eerdmans, 1987 und
Robin Scroggs. The New Testament and homosexuality: contextual background for
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Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

Schlussfolgerungen
Sind mit μαλακοι exklusiv die Lustknaben gemeint? Die Frage
können wir nicht mit aller Eindeutigkeit beantworten. Eines ist sicher: Der
Apostel Paulus konnte im Kontext von 1Kor 6,9 μαλακος unmöglich für
"genusssüchtige", "masturbierende" oder "moralisch Schwache" bzw.
"instabile" Männer verwendet haben. Diesen Personen das Reich Gottes zu
verwehren, käme nicht einmal Jesus in den Sinn. Der Begriff μαλακος
steht unmittelbar nach μοιχοι (Ehebrecher) und vor αρσενοκοιτοι (s.
unten), zwei Begriffe, die eindeutig sexuelle Vergehen bezeichnen. Der
Begriff μαλακον kann folglich die Lustknaben meinen, die Männern für
den homosexuellen Verkehr zu Verfügung standen, aber keineswegs
sexuell geschändete Kinder25 im heutigen Wortgebrauch26. Karl-Wilhelm
Welwei schreibt, dass homosexuelle Beziehungen in der hellenistischen
Welt als etwas ganz normales gegolten haben. Die älteren Liebhaber
sollen eher auf die Erziehung und Entwicklung des fraglichen Knaben
Einfluss genommen und nicht in erster Linie mit ihm den sexuellen
Interkurs vollzogen haben. Diese These wurde aber nie mit aller
Eindeutigkeit bewiesen. Klaus Kock schreibt: „die spätrömische Dekadenz
die Badehäuser und Bordelle boten den Bürgern Roms junge Sklaven,
zumeist griechische Knaben, die Gedichte rezitieren und zu körperlichen
Diensten bereitstehen konnten“, aber er gibt auch keine Quellen an27. Der
griechische Komödiendichter Aristophanes schreibt in seinen
Thesmophoriazusen (479-489) über ein Mädchen, das mit sieben Jahren
von ihrem Freund bereits entjungfert wurde, und in Ploutes (149-152) wird
von Hetären in Korinth erwähnt, dass sie „wenn ein reicher Kunde käme,
ihm ihren Anus sofort hinstreckten.“ Beide Berichte jedoch stammen aus
seinen Komödien und lassen sich nicht per se für griechische Knaben
anwenden28.

Mich treibt der Begriff „Lustknabe“ herum, der insinuiert, dass ein
Knabe immer „Lust empfunden hatte, sich einem bereits erwachsenen
Mann für den Analverkehr zu Verfügung zu stellen“. Eine eklatante

contemporary debate.- Philadelphia: Fortress Press, 1983.


25
Vgl. Klaus Kocks: „Von den Lustknaben“ vom 31. Mai 2010. http://starke-
meinungen.de/blog/2010/05/31/von-den-lustknaben/ Siehe auch: „Trauerarbeit nach dem
Tod eines Lustknaben“ vom Ji Yun (Ji Xiaolan, 1724-1805). Aus: Notizen aus der Grashütte
der Betrachtung des Unscheinbaren.
26
Vgl. Ehe, Hetärentum und Knabenliebe im antiken Griechenland. C.H. Beck Verlag,
München 1989, S. 163.

27
Vgl. Karl-Wilhelm Welwei: Die griechische Frühzeit 2000 bis 500 v. Beck: München
2002. S. 12-17.
28
Kenneth Dover: Homosexualität in der griechischen Antike. München: Verlag C.H. Beck
1983, S, 94f.
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Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

Unterstellung! Der Begriff muss neu definiert werden. Ich traf zwar in
Frankreich „Strichjungen“ und kenne welche auch in Deutschland, aber im
Gespräch gaben alle zu, dass sie „das Gewerbe“ aus Geldnot betreiben. Es
ist kaum zu glauben, dass die Knaben stets freiwillig die passive Rolle im
homosexuellen Verkehr „spielten“. Eine Gay Internetseite beschreibt den
Lustknaben genauso: Der Lustknabe ist ein „Junge, der einem
(erwachsenen) Mann als Sexualpartner dient. Es handelt sich hier um eine
sprachlich veraltete Umschreibung für das (minderjährige) Objekt der
Begierde. Ähnlich veraltet wie der Begriff Knabenliebe, der eine
Beziehung zwischen einem Knaben und einen Erwachsenen beschreibt“29.
Auf mich haben Platons Erklärungen über das Alter der quasi Lustknaben,
wie eine Erleuchtung gewirkt:

„Deshalb wenden sich denn auch die von diesem Eros


Beseelten dem männlichen Geschlechte zu, indem sie
das von Natur Kräftigere und Verständigere lieben. Und
man kann auch bei der Knabenliebe selbst leicht die rein
von diesem Eros Getriebenen unterscheiden; denn sie
lieben nicht Kinder, sondern erst die, welche schon zu
Verstande kommen; dies fällt aber ungefähr mit der Zeit
des ersten Bartwuchses zusammen.“ – Platon:
Symposium 671.

Die bärtigen Teenager müssen bereits ab 16 im passiven


homosexuellen Verkehr involviert gewesen sein. Es ist meine Hypothese,
die noch bewiesen werden muss.

Die Knabenschänder im Kontext von 1Kor,6,9


Der Begriff αρσενοκοιται ist ein Kompositum der Morpheme αρσεν
(Gen. aρσενος) mit der Bedeutung "männlich" oder "Mann", und κοιτος,
dessen Konnotation einer Untersuchung bedarf.30 Generell verwendete
man κοιτη für "Bett";31 in dieser Bedeutung finden wir den Begriff in
Lukas 11,7. Der Hebräerbrief verwendet ihn auch, aber für "Ehebett"
(τιμος ‘ο γανος εν πασιν και ‘η κοιτη αμιαντος: Ehrbar /sei/ die Ehe
bei allen und das Ehebett unbefleckt). Die moralische Bedeutung von
αμιαντος: (unbefleckt) verrät die Verwendung des Begriffs von κοιτη in
diesem Kontext, nämlich: das Sexualleben der Ehepartner muss

29
http://www.wortmutation.de/html/lustknabe.html
30
Arndt/Gingrich, S. 109; vgl. F. Rienecker zu Röm 1,27, aaO S. 318; Josephus The Life and
Against Apion (Übers. H.St.J. Thackeray; London, 1966) "Contra Apionem" 2.199.
31
Josephus Jewish Antiquities (Übers. H.St.J. Thackeray /1/ bzw. Ders. und R. Marcus (2/;
London, 1966) Bd. 1, 1.177; Bd. 2, 6.52.
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"unbefleckt" bleiben, bzw. die eheliche Treue darf nicht verletzt werden.32
In Römer 13,13 steht κοιτη euphemistisch für "Unzucht Handlungen"
oder "Wollust" (μη κοιταις). Da dieses Wort zwischen den Begriffen
μεθαις = Trinkgelage und ασελγειαις = Ausschweifungen steht, ist
eine wörtliche Übersetzung mit dem deutschen Terminus Bett unsinnig
und verfehlt. So ähnlich meint Römer 9,10 mit κοιτη wohl auch die
"Gravidität, Leibesfrucht" oder aber den "Beischlaf" (κοιτην).33 Der
paulinische Text berichtet hier über Rebekkas Empfängnis von Issak und
die Berufung von Jakob. Darum bedient sich Paulus mit euphemistischen
Termini, um Beischlaf mit κοιτη zu umschreiben.

Man muss beachten, dass auch im Alten Testament euphemistische


Umschreibungen von Beischlaf üblich waren. So wird das hebräische Verb
schakab auch für den Geschlechtsverkehr verwendet, so z.B. in Gen
19,32f: Die ältere Tochter Lots "legte sich zu ihrem Vater. Dieser merkte
es nicht, wie sie sich hinlegte, noch, wie sie aufstand" (Gen 19,33: ‫לג‬
- ‫לא‬ ֹ ְ ‫ ו‬,‫ה‬
ָ ‫בי‬
ִ ‫ א‬- ‫את‬ ֶ ‫כב‬ ַ ‫ש‬ְ ‫ת‬ ִ ַ ‫רה ו‬
ָ ‫כי‬ִ ְ ‫הב‬ַ ‫תֹבא‬ָ ַ ‫לה הוא; ו‬
ָ ְ ‫לי‬
ַ ַ‫ ב‬,‫ין‬
ִ ַ ‫הן י‬
ֶ ‫בי‬
ִ ‫א‬
ֲ - ‫את‬
ֶ ָ ‫קין‬
ֶ ‫ש‬
ְ ‫ת‬
ַ ַ‫ו‬
‫מה‬ ָ ‫בקו‬ ְ ‫בה ו‬ ָ ְ ‫שכ‬
ִ ְ‫דע ב‬ַ ָ ‫י‬.). Der euphemistische Gebrauch des Begriffs schakab
zielt nicht auf eine Verschleierung des Tatbestandes, nämlich des Inzests,
sondern erwähnt explizit das Ergebnis des Beischlafs der beiden Töchter
mit Lot: "So empfingen beide Töchter Lots von ihrem Vater" (Gen 19,36: ‫לו‬
‫הן‬
ֶ ‫בי‬ִ ‫א‬ ֲ ‫מ‬ֵ ,‫ לוט‬- ‫בנות‬ ְ ‫תי‬ ֵ ‫ש‬
ְ ָ ‫רין‬ ֶ ‫ה‬
ֲ ‫ת‬ַ ַ ‫ו‬.). Der Inzest wird hier vom Autor weder
gutgeheißen noch getadelt, sondern als Resultat einer Grenzsituation
präsentiert.34 Das Heiligkeitsgesetz seinerseits lässt uns kaum daran zwei-
feln, dass Levitikus 18,22 schakab als Euphemismus für sexuellen Ver-
kehr verwendet und zwar unter Männern. Der Autor gibt uns durch
den erklärenden Vergleich einen Hinweis, wie der Koitus unter
Repräsentanten des männlichen Geschlechts zu verstehen ist, nämlich:
mischk'be' ischscha, "Beischlaf (wie) mit einer Frau".35 Laut
Benjamin Davidson ist mischk'be' ein Feminin Substantiv,36 das den
Geschlechtsverkehr meint. Die Kombination mischkab zakar begegnet
32
Arndt/Gingrich, S. 46; vgl. bes. Weish 3,13: hoti makaria steira he amiantos, hetis ouk
egno koiten en paraptomati, hexei karpon en episkope psychon: "selig ist die
Unfruchtbare, die sich nicht befleckte, die nicht ein Ehebett in Sünde kannte. Ihre
Fruchtbarkeit wird sich zeigen bei der Heimsuchung der Seelen" (nach Jerusalemer Bibel).
33
Arndt/Gingrich, S. 440; Rienecker, S. 335. Ernst Käsemann gibt (wie die Revidierte
Elberfelder Bibel /Wuppertal, 1986/, NT S. 198) koite in Röm 9,10 mit "wurde/war
schwanger" wieder, was dem Kontext gerechter wird als "Gravidität" oder "Leibesfrucht".
Commentary on Romans, S. 260, 263f. "...koiten echein is a euphemism for sexual
intercourse, perhaps as in Lev 18,20.23; Num 5,20 the seminal discharge": aaO, S. 263.
34
L. Köhler, S. 986; vgl. Jenni/Westermann, Bd. 2, Sp. 637, 680; Gerhard v. Rad, Genesis
(Philadelphia, 1973), S. 223-225.

35
L. Köhler, S. 575; vgl. Jenni/Westermann, Bd. 1, Sp. 691.
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uns in Numeri 31,17 und wird gelesen: "Beischlaf mit einem Mann".37 Der
Passus gibt den Befehl wieder: "Tötet sofort alle männlichen Kinder,
ebenso tötet jedes Weib, das bereits mit einem Mann geschlechtlich
verkehrt hat."(Hebräisch: ‫עת‬ ַ ‫ד‬ ָ ׁ ִ ‫ א‬- ‫כל‬
ַ ֹ‫ י‬,‫שה‬ ָ ְ ‫טף; ו‬
ָ ַ‫כר ב‬ָ ָ ‫ ז‬- ‫כל‬
ָ ‫רגו‬
ְ ִ ‫ ה‬,‫תה‬ָ ‫ע‬ ַ ְ ‫יז ו‬
‫רגו‬
ֹ ֲ ‫ ה‬- ‫כר‬ָ ָ ‫כב ז‬
ַ ‫ש‬
ְ ִ‫איש ל ְמ‬ ִ .) Auch hier hat das Wort mischkab eine sexuelle
Bedeutung und meint den heterosexuellen Verkehr. Entsprechend kann
man Levitikus 18,22 wie folgt wiedergeben: "Keine sexuelle
Verbindung mit einem Menschen männlichen Geschlechts, als
wäre er eine Frau, sollst du eingehen." (,‫כב‬ ַ ‫ש‬
ְ ‫ת‬
ִ ‫לא‬ ֹ - ‫כר‬
ָ ָ ‫ ז‬- ‫את‬
ֶ ְ ‫כב ו‬
‫הוא‬ִ ,‫בה‬ ָ ‫ע‬
ֵ ‫ תו‬:‫שה‬ ָׁ ‫א‬
ִ ‫בי‬ֵ ְ ‫שכ‬ְ ‫מ‬
ִ .) Diese etwas umschreibende Wiedergabe
stimmt inhaltlich mit dem Urtext überein. Nach Davidson kann lo
tischkab ein Verb in der 2. wie auch in der 3. Person sein.38 Somit kann lo
als ein Adverb gesehen werden, das eine Verneinung ausdrückt. "Nicht
sollst du mit einem Menschen männlichen Geschlechts schlafen
wie mit einer Frau."39 Das Futurum des Verbs "schlafen, sich
hinlegen" bildet mit dem Adverb "nicht" einen Imperativsatz: "Nicht
sollst du" oder "du darfst nicht". Hiermit wird der homosexuelle
Verkehr unter Männern strikt untersagt. Dass die Israeliten im
Singular mit "du" angesprochen werden, ist durchaus keine Ausnahme;
Elmer Martens kommentiert mit Recht: Die Zuhörer werden als "corporate
personality", als kollektive Einheit gesehen.40

Im Korintherbrief besteht das Kompositum αρσενοκοιται aus den


Morphemen αρσεν und κοιτη (pl. κοιται) also "Männerbeischlaf",
euphemistisch "mit Männern (sexuell) verkehrende Männer".41
Dieser Interpretation stimmen auch die Homophilen Bailey, John McNeill
und Boswell bei.42 Der letztere argumentiert aber, αρσενοκοιται könne

36
Benjamin Davidson, The Analytical Hebrew and Chaldee Lexicon (Lynn, 1981), S. 521.

37
L. Köhler, S. 575; vgl. S. 257; Jenni/Westermann, Bd. 1, Sp. 691.

38
B. Davidson, S. 779.

39
Vgl. L. Köhler, S. 466f.

40
Elmer Martens, God's Design. A Focus on Old Testament Theology (Grand Rapids,
1981), S. 66f. Ebenso beachtenswert ist das Werk von H.W. Robinson, Corporate
Personality in Ancient Israel (Philadelphia, 1964).
41
Vgl. Ernst Dietzfelbinger, Das Neue Testament. Interlinearübersetzung Griechisch-
Deutsch (Neuhausen, 1986), S. 730, 904; ebenso: Arndt/Gingrich, S. 109; Peter Coleman,
S. 97; vgl. dagegen M. Macourt (Hrsg.), Towards a Theology of Gay Liberation (London,
1977), S. 43, 54.

42
S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition, S. 38; J.J. McNeill, The
Church and the Homosexual, S. 52ff; John Boswell, S. 341; vgl. Morton Scott Enslin, The
Ethics of Paul (Nashville, 1957), S. 147ff.
10
Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

nicht auf Homosexuelle generell bezogen werden, sondern meine den


aktiven männlichen homosexuellen Prostituierten.43 Boswells
Behauptung lässt sich weder verifizieren noch schlüssig widerlegen44. In
Anthologia Graeca (einer Sammlung von griechischen Sinnsprüchen zu
den verschiedensten Themen) lesen wir von einer Inschrift am Osttor von
Thessaloniki, die von einem anonymen Autor stammt und nachstehend ins
Deutsche übersetzt wurde:

Wanderer, jauchze im Herzen! Du siehst ob dem Tor den


Präfekten Basileios, den Mann, der Babylons
übergewaltige Macht zerstört hat, die Leuchte des
unbestechlichen Rechtes, kommst zum Orte der besten
Regierung mit trefflichstem Sohne, brauchst nicht
Barbaren zu fürchten noch Männer, die Männern sich
gatten (ουκ αρρενας αρρενοκοιτας).45

43
John Boswell, S. 344; vgl. S. 342 mit: "The Epistle of Polycarp to the Philippians" 2.12 in
The Lost Books of the Bible. Übers./Hrsg. W. Hone, J. Jeremiah und W. Wake ( New York,
1979), S. 194.
44
Anette Seiler argumentiert: „ Die griechische Kultur war männlich orientiert und
männlich dominiert. Frauen waren für den Haushalt zuständig, die Männer für das
öffentliche Leben. Scroggs sagt: "The intellectual and, indeed, affective partner to a male
was another male" Männer waren die Partner von Männern. Der männliche Körper
war ein Schönheitsideal und dieses Ideal beeinflusste die Erotik der Griechen.
Die griechisch-römische homosexuelle Kultur hatte also einen völlig anderen
Hintergrund als moderne Homosexualität. Die Griechen der oberen Klassen
praktizierten und lehrten "Päderastie", die Liebe von Knaben. Außer Päderastie
gab es noch schwulen Sex mit Sklaven und männlichen Prostituierten, letzteres
oft als Teil des Fruchtbarkeitskultes. Sex mit Sklaven war eine erzwungene
Lustbefriedigung. Viele der jugendlichen Sklaven wurden kastriert. um ihre
Jugendlichkeit so lange wie möglich zu bewahren. Prostituierte verkauften sich selbst. Um
lange jung zu erscheinen gebrauchten sie viel Kosmetik. Aber die allgemeinste Form
der Homosexualität war Päderastie. In einer päderastischen Beziehung gab es
einen aktiven Partner (ein erwachsener Mann) und einen passiven Partner (ein
Kind oder Teenager). Sobald der Knabe erwachsen wurde, war die Beziehung zum
älteren Mann vorbei. In dieser Beziehung gab es keine Gleichheit und keine
Gemeinschaft. Der ältere Partner bestimmte das Geschehen und nur er, der
aktive Partner, hatte sexuelle Befriedigung. Es handelte sich nicht um eine liebende
Beziehung, in der es um mehr als Sex ging. Es gab keine Beständigkeit in der Beziehung.
Es war eine Beziehung, die den passiven Partner demütigte .Homosexualität war im
antiken Griechenland bekannt und wurde praktiziert. Es fehlte nicht an Begriffen für
schwulen Ge schlechtsverkehr. Weder "Malakee" noch "Arsenokoitai" gehörten dazu.“
http://www.zwischenraum.net/05weichlinge.htm

45
Hermann Beekby (Hrsg.), Anthologia Graeca. Buch IX-XI. München 1958, Buch IX.686, S.
409 (griech. S. 408); vgl. Alexander Olivieri et al. (Hrsg.), Catalogus codicum
astrologorum Graecorum. Brüssel 1898 usw., Buch VIII. 4, S. 196. Arrenokoite und
arsenokoite haben dieselbe Bedeutung, ist doch arren ("Mann") nichts anderes als arsen
im attischen Dialekt. Siehe: Arndt/Gingrich, S. 109; vgl. Robert Browning, Medieval and
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Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

Aristides von Athen (2.Jh.) war einer der ältesten christlichen


Apologeten und richtete seine Verteidigungsschrift für die Christen an den
Kaiser Hadrian, namentlich mit dem geschichtstheoretischen Argument
operierend, die Christen seien nach den "Barbaren, Hellenen und Juden"
das "neue", "vierte Geschlecht", um dessentwegen die Welt noch
fortbestehe.46 U.a. skizziert Aristides in seiner Apologie auch die Korruption
der heidnischen Götter, die er als kriminell klassiert und denen er die
Praxis der arsenokoitai unterstellt.47 Es gibt kaum Zweifel daran, dass
Aristides an dieser Stelle den homosexuellen Verkehr meint und ihn
nicht gutheißt..

Man sollte jedoch beachten, dass für Männer oder Knaben des
homosexuellen Gewerbes das allgemeinere maskuline Substantiv πορνος
Anwendung fand.48 Sherwin D. Bailey postuliert: "...die technischen
Termini μαλακοι und αρσενοκοιται bezeichnen Männer, die passiv bzw.
aktiv in homosexuelle Praktiken involviert sind."49 Niemand kann Bailey
Homophobie unterstellen und seine Ausführung sollte in der
wissenschaftlichen Welt Gehör finden, auch wenn weitere Forschungen auf
diesem Gebiet der sexuellen Praktiken geführt werden sollten.

Schlussfolgerungen
Annette Seiler schreibt auf der Internetseite der Schwulen und
Lesben wohl mit Recht über die Bedeutung des Begriffs αρσενοιται, dass
Paulus der erste war,

„der diesen Ausdruck benutzte und er kommt sehr selten


in der griechischen Literatur vor. Später wurde das Wort
gebraucht für Prostituierte, die in hetero- und
homosexueller Kultprostitution engagiert waren. Selbst

Modern Greek (London, 1969), S. 31; J. Boswell, S. 342-344.

46
Johannes Quasten, Patrology (Westminster, 1950-63), Bd. 1, S. 191ff; B. Altaner und A.
Stuiber, Patrologie (Freiburg, 1966), S. 64; R. Wolff, "The Apology of Aristides", The
Harvard Theological Review 30 (1937): 233-247; vgl. RGG, 31986, s.v. "Frühkirchliche
Apologetik" von C. Andresen.
47
Aristides "Apologie" 9.13 in E.J. Goodspeed (Hrsg.), Die ältesten Apologeten (Göttingen,
1914); vgl. Eusebius "Demonstrationis evangelicae 1" in J.P.-Migne (Hrsg.), Patrologiae
cursus completus (Turnhour, 1975ff) 22.65.
48
Xenophon Erinnerungen an Sokrates (Übers. P. Jarrisch; München, 1962) I 6.13;
Aristophanes 3 "Ploutos" 153-159; Aischinis orationis (Hrsg. F. Blaß; Leipzig, 1908) I 137.

49
S. Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition, S. 38; vgl. S. 157. Ferner:
C.K. Barrett, A Commentary on the First Epistle to the Corinthians, S. 140f; F.W.
Grosheide, S. 140; H. Conzelmann 1981, S. 136; Strack/Billerbeck, Bd. 3, S. 70ff.
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Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

wenn dieses Wort vom schwulen Geschlechtsverkehr


spricht, weiß man nicht von welchem. Päderastie?
Kultprostitution? Vergewaltigung von Sklaven? Dies
waren die homosexuellen Beziehungen der griechisch-
römischen Kultur“50.

Nun, Seilers Aussage, „Später wurde das Wort gebraucht für


Prostituierte, die in hetero- und homosexueller Kultprostitution engagiert waren“
bedarf einer Verifizierung. Der Begriff Αρσενοκιτος macht in der
heterosexuellen Prostitution keinen Sinn ist auch konnotativ auf Frauen nicht
anwendbar.

Es geht mir mit diesem Referat wirklich nicht darum, irgendwelche


Urteile über Homosexuelle zu fällen, sondern herauszufinden, was die
antike Autoren und der Apostel Paulus mit beiden Begriffen gemeint
haben. Carola Reinsberg schreibt, dass ursprünglich der Begriff
Päderastie (παιδεραστία) für eine institutionalisierte Form sexueller
Beziehungen erwachsener Männer zu männlichen Jugendlichen im antiken
Griechenland verwendet worden war.51 Im Großen Duden ist nachzulesen,
dass im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert der Begriff auch zur
Bezeichnung von Homosexualität an sich oder Analverkehr diente, und er
ersetzte damit den wegen seiner religiösen Untertöne kompromittierten
Begriff Sodomie.52

Paulus hat jedoch μαλακοι für die Lustknaben angewandt und somit
für Spekulationen gesorgt, insbesondere bei homophilen Wissenschaftlern,
die sie als Strichjungen oder sich prostituierende Knaben bezeichnet
haben. Meines Erachtens ist diese Schlussfolgerung unzulässig. Die
bärtigen jungen Männer, die eine passive Rolle im homosexuellen
Geschlechtsverkehr einnahmen, darf man demnach auch als passive
Homosexuelle Männer bezeichnen. Wenn Aristoteles die Ursachen ihres
Verhaltens in der Naturanlage sieht oder sie als Vergewaltigungsopfer in
der Kindheit betrachtet, so müsste an dieser Stelle noch eine gründliche
Untersuchung folgen, die uns jedoch die Allgemeinheit verwehrt. Die
Kausalität der Homosexualität bleibt im Dunkel.

Αρσενοκοιται kann tatsächlich eine paulinische Kreation sein.


Nichtdestotrotz bezeichnet der Begriff Männer im aktiven homosexuellen

50
Annette Seiler: 1 Korinther 6:9+10 und 1 Timotheus 1:9+10: Sind Weichlinge
homosexuell? 22. Mai 1998. Hosted by Lesbische und Schwule Basiskirche Basel.
http://cott.lsbk.ch/1Kor6.htm.
51 Dr. Hermann
'Ehe, Hetärentum und Knabenliebe im antiken Griechenland. C.H. Beck Verlag,
München 1989, ISBN 3-406-33911-5 S. S. 163. Hartfeld, Pastor R.S.
52
Der Große Duden - Band 5 – Fremdwörterbuch 1966. Vgl.'Ehe,
Herseler Str.Hetärentum
8. DE- und
Knabenliebe im antiken Griechenland, S. 189. Kenneth J. Dover: Homosexualität in der
50321
griechischen Antike. München: C.H. Beck Verlag, 1983, S. Brühl.
96. Tel.
13 02232-411014.
Hartfeld.h@googlem
ail.com
Lustknaben und KnabenschänderHermann Hartfeld Brühl 2010

Interkurs, wie ich oben versucht habe, αρσενοκοιται zu definieren. Wie


man zu einem anderen Fazit kommen kann, ist für mich noch ein Rätsel.

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