Sie sind auf Seite 1von 52

Leben heißt handeln 2.95 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 101/2.

2009

magazin
Widerstand im
Kelsterbacher Wald

Tschechische Alleen
unter Schutz

Energie-Spezial:
Gegen Atomkraft! Für
erneuerbare Energien

7. Juni 09:
Bessere Aussichten für
den Umweltschutz?
inhalt

Foto: www.mehr-demokratie.de

titel

6 Europäisches Parlament: Mehr Umweltschutz wählen!


10 Die europäische Fast Food-Landwirtschaft

perspektiven

12 Utopia: Die Macht der KonsumentInnen

Seite 6

Seite 15
merk-würdiges

Zum Gemein-Wohl: Atomkraftwerke 14


Energiesparen muss nicht billig sein: Blockheizkraftwerke 50

kleinholz

Klimaschutz: Was geht an Schulen? 15

Foto: www.umweltschulen.de
Foto: itnop.net
Energie-Spezial energie

II Wählen Sie! Aktiv oder radioaktiv?

IV Sieben auf einen Streich - Von Restlaufzeiten,


Strommengen und maroden Atommeilern

VI Atomenergie ist nicht sicher!

IX Die sind doch nicht ganz dicht! Atommülllagerung


scheitert weltweit

XII Wünsch dir was! Zur internationalen Atomrenaissance

XIV Alles unter Kontrolle. Die Macht der großen Vier

XVI Die Lichter gehn‘ nicht aus

XVII Alles Erneuerbar

2 Nr. 101/2.09
inhalt

tatorte
42 Widerstand gegen Flughafenausbau - ein Rückblick
47 Aktionswoche gegen RWE
47 Bringt Licht ins Dunkel der Atommüll-Beseitigung
47 Tschernobyl Jahrestag 2009

Seite 42
Foto: ROBIN WOOD/C. Grodotzki

Seite 48
wald
Alleenschutz europaweit 48
Waldsterben unter neuer Bewirtschaftung 49

Foto: Arnika/ Jana Vitnerova

Seite 51 bücher
50 Feuer des Prometheus

52 post

52 impressum

internes

16 ROBIN WOOD-Treffpunkte
41 Neuer ROBIN WOOD-Vorstand
41 ROBIN WOOD-Floßtour 2009
51 Spenden für Rechtshilfe
51 Der Atomkraft–Lobby eine kleben!
53 Menschen für ROBIN WOOD begeistern

Nr. 101/2.09 3
editorial

Die Magazin-Reaktion ist bei der Demo gegen Atomkraft am 5. September in Berlin dabei!

Liebe Leserinnen und Leser!


2009 ist ein Jahr voller Jubiläen und Wahlmög- die radioaktiven Risiken weltweit und darüber, dass bis
lichkeiten: Neben 90 Jahren Frauenwahlrecht und 2030 die Energieerzeugung zu 100 Prozent aus erneuer-
100 Jahren Jugendherbergen wird das Europäische baren Energien bestehen kann.
Parlament seit 30 Jahren direkt vom Volk gewählt.
Und das gilt es auszunutzen! Denn rund 80 Pro- Aktiv geworden sind auch die vielen Menschen, die ge-
zent aller Umweltgesetze werden inzwischen von gen den Bau einer vierten Landebahn im Kelsterbacher
Brüssel aus angestoßen. Deshalb müssen die Euro- Wald bei Frankfurt am Main protestiert haben. Obwohl
päer am 7. Juni wählen gehen: für ein ökologisch die Frachtzahlen rückläufig sind und obwohl Flugzeuge
nachhaltiges Europa! Mehr dazu lesen Sie im titel die klimaschädlichsten Verkehrsmittel sind, wird der
dieser Ausgabe. Frankfurter Flughafen weiter ausgebaut. Um den groß-
flächigen Kahlschlag zu verhindern, haben engagierte
Um die richtige Wahl geht es auch am 27. Septem- Menschen neun Monate in einem Widerstandsdorf im
ber. Viele PolitikerInnen und die Atomlobby setzen Wald gelebt. Erik Mohr von ROBIN WOOD berichtet
alles daran die Laufzeiten für die Atomkraftwerke über seine sehr persönlichen Erfahrungen im Waldcamp.
zu verlängern und die billigsten Konzepte für die
Lagerung des strahlenden Mülls durchzusetzen. Werden Sie aktiv! Am 5. September 2009 laden Anti-
Atom-Initiativen und Umweltorganisationen zu einer
Damit das Wahlergebnis kein Sieg für die Atom- großen Demo gegen Atomkraft nach Berlin ein.
lobby wird, müssen mehr Menschen mobilisiert
werden als bisher: Wer nicht radioaktiv werden Wir treffen uns in Berlin! Für die Schwedt/Berliner
will, muss jetzt aktiv werden! Im schwerpunkt Redaktion Ihre
dieser Ausgabe lesen Sie mehr über den Versuch
der Atomindustrie und Teilen der Politik aus dem
Atomausstieg auszusteigen. Wir berichten über

4 Nr. 101/2.09
tatorte

Neun Monate protestierten


die AktivistInnen im Wider-
standsdorf im Kelsterbacher
Wald gegen den Kahlschlag
für eine neue Landebahn des
Foto: ROBIN WOOD/C. Grodotzki Frankfurter Flughafens

Nr. 101/2.09 5
titel

6 Nr. 101/2.09
titel

Mehr Umweltschutz
wählen
„Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa“, hieß früher das Motto für die
Besetzung von Brüsseler Posten. Denn in die fernen Institutionen der nicht so
ernst genommenen Europäischen Union (EU) wurden gerne ungeliebte oder
ausgediente nationale Politiker versetzt. Heute ist dieser Spruch nicht mehr
zu hören, da Einfluss und Macht der EU sehr viel stärker geworden sind. Ein
Großteil der nationalen Politik wird mittlerweile von der EU bestimmt und
dabei spielt das Europäische Parlament eine bedeutende Rolle.

D ie Wahl des neuen Europäischen Par-


laments am 7. Juni 2009 ist wichtig
– gerade für die Umweltverbände. Denn im
präsentiert. Insbesondere während der letzten
fünfzehn Jahre ist die bedeutende Rolle, die
das Parlament innerhalb der EU-Entschei-
Umweltbereich haben über 80 Prozent der na- dungsprozesse einnimmt, stetig gewachsen.
tionalen Umweltgesetzgebung ihren Ursprung Nicht nur bei den meisten Gesetzen darf es
in Brüssel, und fast alle Änderungen im deut- inzwischen mitbestimmen, auch beim Haus-
schen Umweltrecht werden derzeit durch die halt und der Mittelvergabe der verschiedenen
Europäische Union angestoßen. Förderprogramme werden die Abgeordneten
beteiligt.
Mit etwa zwei Jahren Zeitverzögerung treffen
die neuen EU-Regeln im öffentlichen Be- Außerdem kann das Europaparlament durch
wusstsein in Deutschland ein – doch dann ist die Ratifizierung der Ernennung des Kom-
es schon zu spät, um die Inhalte wirklich zu missionspräsidenten und die Anhörung der
beeinflussen. Wer Einfluss auf die deutsche designierten Kommissionsmitglieder mitbe-
Umweltpolitik nehmen möchte, sollte den stimmen, wer auf leitenden Posten in der EU-
Blick nach Brüssel richten und die dortige Kommission sitzt. Im schlimmsten Fall kann
Arbeit verfolgen bzw. selbst tätig werden und das Parlament der Kommission das Misstrauen
vor allem am 7. Juni wählen gehen. Denn in aussprechen – allein die Androhung hat sich
der Europapolitik werden in allen Bereichen in der Vergangenheit als wirksam erwiesen.
der Umweltpolitik, z. B. im Naturschutz, bei
Luftreinhaltung, Wasser- oder Tierschutz die Doch bedauerlicherweise spiegeln sich die
Weichen gestellt. Zudem ist der Einfluss der Macht und der Einfluss von Europa und dem
deutschen ParlamentarierInnen im EU-Parla- europäischen Parlament nicht im Verhalten
ment erheblich, stellen sie doch mit 99 Abge- der Wähler nieder. Bei der letzten Europawahl
ordneten knapp ein Siebtel der 736 Abge- 2004 lag die Wahlbeteiligung in Deutschland
ordneten und damit einen großen Anteil der bei 43 Prozent. In Belgien dagegen bei 90,8,
369 benötigten Stimmen für eine Annahme in auf Malta bei 82,4 Prozent. Im Durchschnitt
zweiter Lesung. beteiligten sich 45,6 Prozent der EU-Europäer
an der Wahl.
In der gesamten EU mit 27 Mitgliedstaaten
sind rund 375 Millionen EU-BürgerInnen Umweltpolitik in Europa
wahlberechtigt. Das alle fünf Jahre gewählte
Europäische Parlament (EP) repräsentiert damit Die Umweltpolitik ist nicht nur ein Bereich,
die zweitgrößte Demokratie der Welt. Das EP auf den die BürgerInnen große Erwartungen
ist die einzige Institution, die in direkter Weise in Bezug auf die europäische Ebene setzen.
die europäischen Bürgerinnen und Bürger re- Sie ist auch eines der Politikfelder, auf den
das Parlament entscheidenden Einfluss hat
- in erster Linie in Zusammenarbeit mit dem
Fast alle Umweltgesetze werden Rat der Europäischen Union, dem Ministerrat.
inzwischen von Brüssel angestoßen. Und sollte der Lissabon-Vertrag in Kraft treten,
Deshalb ist es wichtig, am 7. Juni zur wird das Europäische Parlament durch die
Foto: argus/Schwarzbach Europawahl zu gehen! Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens

Nr. 101/2.09 7
titel

Foto: www.mehr-demokratie.de

Mit dem Lissabon-Vertrag tritt ein wichtiges, neues Instrument für


in den Bereichen Landwirtschaft, Fische- mehr Bürgernähe in Kraft: das Europäische Volksbegehren
rei, Handel und Kohäsionspolitik sowie
durch die Vergrößerung der haushalts-
politischen Befugnisse weiter an Einfluss Umwelt – was steht an in den Der zukünftige Erfolg der EU wird von
gewinnen. Mit diesen erweiterten Kom- nächsten fünf Jahren? der Stärke ihrer ökologischen Visionen
petenzen ist das Europäische Parlament abhängen. In Zeiten der Ressour-
in einer noch stärkeren Position, um den Ein Weitermachen wie bisher ist nicht cenknappheit und des ökologischen
Umweltschutz und die Gesundheit der möglich. Es wird entscheidend sein, dass Zusammenbruchs heißt Sicherheitspolitik
Bevölkerung zu verbessern. das EP während der nächsten Legisla- Klimastabilität und sichere Wasserver-
turperiode eine klare Verpflichtung für sorgung. Frieden wird mit effizienter
Umweltthemen bedürfen aus einem wei- die Umwelt eingeht – als Investition in Energiegewinnung aus Wind- und
teren Grund der besonderen Aufmerk- die Zukunft. Die EU-ParlamentarierInnen Sonnenkraft erreicht. Dadurch werden
samkeit der EU-ParlamentarierInnen: müssen weiterhin umweltpolitische Länder unabhängiger von den endlichen
Trotz der bereits existierenden europä- Führungsstärke zeigen: aufbauend auf Energieressourcen.
ischen Umweltpolitik ist der Zustand von die bereits getroffenen bedeutenden
Natur und Umwelt besorgniserregend! Umweltgesetzgebungen bezüglich der Nahrungsmittelsicherheit hängt von
Die Berichte der Europäischen Umwelt- Naturschutz-, Wasser- und Klimapolitik, einer ökologisch und sozial nachhal-
agentur sind eindeutig: Die Situation der Luftreinhaltung, des Umwelthaf- tigen Landwirtschaft ab. Damit kommt
der wild lebenden Tiere und Pflanzen tungsrechtes, der Gesetzgebung über dem Schutz der Ökosysteme eine hohe
verschlechtert sich zunehmend, die Kli- genetisch veränderte Organismen, dem Bedeutung für Lebensqualität und wirt-
maveränderung schreitet fort, die Fisch- Abfallmanagement und dem Umwelt- schaftlichen Wohlstand zu. Die EU muss
bestände sind erschöpft, Bodenerosion informationsrecht. Das Parlament muss eine führende Rolle bei der nachhaltigen
und Wüstenbildung beherrschen bereits effektive Regelungen schaffen, um Entwicklung auf weltweiter, regionaler
ganze Regionen der EU, schädliche Che- sicherzustellen, dass all seine politischen und nationaler Ebene einnehmen. Sie
mikalien bedrohen die Menschen. Entscheidungen umweltverträglich sind. muss ihr aktuelles Konsumverhalten, ihre

8 Nr. 101/2.09
titel
Produktionsmuster und ihr Transportver- System der organisierten wichtige Brücke zum Bürger geschlagen
halten ändern sowie einen niedrigeren Unverantwortlichkeit werden. Bei Vorliegen von mindestens
Energie- und Ressourcenverbrauch in der einer Million gültiger Unterschriften der
Wirtschaft erreichen. Zum Desinteresse der Bürger trägt das Bürger innerhalb der EU-Mitgliedstaaten
System der „organisierten Unverant- muss die EU-Kommission die Behand-
Die Wahl des Europäischen Parlaments wortlichkeit“ in der EU bei (Brendle, lung bestimmter Themen aufgreifen.
im Juni 2009 ist ein entscheidender Zeit- Hey). Dabei versucht jeder der Ak-
punkt, um der Welt eine neue EU-Vision teure, Verantwortlichkeiten auf andere Interesse und Beteiligung an der Euro-
zu präsentieren: eine Agenda, die nicht zu schieben. So verweisen nationale pawahl könnten entscheidend gestei-
auf Ängsten, Ausbeutung natürlicher Minister bei unpopulären Entscheidungs- gert werden, wenn es zu einem neuen
Ressourcen und der Ökosysteme basiert, prozessen im Ministerrat angesichts großen Reformprojekt in Europa käme.
sondern auf den europäischen Werten mangelnder Transparenz gerne auf die Nach der Schaffung des gemeinsamen
Frieden, Zusammenarbeit, Integration, entscheidende Rolle Brüssels, obwohl sie Binnenmarktes und der gemeinsamen
Solidarität, Respekt vor Menschen- doch die Entscheidung selbst häufig her- Währung wäre die Gründung einer
rechten sowie Natur- und Umweltschutz. beigeführt haben. Werden aber populäre „Europäischen Gemeinschaft für Erneu-
Entscheidungen in Brüssel getroffen, so erbare Energien“ ein eindrucksvolles
Bürgerfernes Europa wird der Erfolg von den Regierungen Signal für das gemeinsame Handeln
der Mitgliedstaaten als eigener Erfolg einer nachhaltigen Entwicklung Europas.
Obwohl die Bürger seit 30 Jahren ihre verbucht und vermarktet. Die Umweltverbände sollten bei der
Vertreter im Europaparlament direkt bevorstehenden Europawahl versuchen,
wählen können, machen sie in den Hinzu kommt die zu wenig offene diese Europäische Gemeinschaft für
meisten Mitgliedstaaten und auch in Informationspolitik der EU-Kommission, Erneuerbare Energien zum Wahlkampf-
Deutschland von ihrem Wahlrecht immer die allzu sehr die Stärkung von Wettbe- thema zu machen.
weniger Gebrauch. Offensichtlich sind werbsfähigkeit und traditionellem Wirt-
Europa und die Institutionen in Brüssel schaftswachstum betont. Die personell Dr. Helmut Röscheisen ist seit 1980
zu weit von den Menschen entfernt. Im- unterbesetzte Generaldirektion Umwelt beim Deutscher Naturschutzring
mer wieder wird beklagt, wie wenig die kann hieran wenig ändern. Häufig ist da- tätig und heute sein Generalsekretär.
Bevölkerung über die Zusammenhänge her das Europaparlament Gralshüter von Er ist Dipl.-Kaufmann, Magister der
und die Wirkungsweise von Rat, Parla- Umweltschutzinteressen. Zunehmend Verwaltungswissenschaft und Asses-
ment, Kommission oder Europäischem kann das Parlament diese Interessen, sor und hat 2005 an der Fakultät für
Gerichtshof weiß. etwa zuletzt bei der Begrenzung des Sozialwissenschaft, Ruhr-Uni Bochum
Einsatzes von Pestiziden, gegenüber promoviert. Kontakt:
Dieses Informationsdefizit hat viele Kommission und Rat durchsetzen. Für Tel. +49 (0)228/359005, Fax -96,
Ursachen und wäre mit ernsthaftem die Umweltverbände ist daher ein star- E-Mail: Deutscher.Naturschutzring@
politischen Willen zu beheben. Fast kes Europaparlament besonders wichtig. dnr.de, www.dnr.de
alle Städte und größere Gemeinden in Dazu gehört auch eine möglichst hohe
Deutschland praktizieren Städtepart- Wahlbeteiligung bei den Europawahlen. Bjela Vossen leitet die EU-Koordina-
nerschaften, meistens in den Mitglied- tion des DNR. Die Diplom-Biologin
staaten der EU. Hier gäbe es einen Hinzu kommt, dass immer noch zu arbeitet seit 17 Jahre freiberuflich
guten Anknüpfungspunkt, um bereits viele Experten der deutschen Umwelt- als naturschutzfachliche Gutachterin
im Kindergarten, später in Schulen und verbände in erster Linie auf nationaler und seit fast fünf Jahren für die EU-
anderen Einrichtungen auf die europä- Ebene arbeiten und sich zu wenig um Koordination. Kontakt:
ische Idee und die Arbeitsweise der EU die Vorgänge auf EU-Ebene kümmern Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
in geeigneter Weise einzugehen. Eine – meist erst dann, wenn die Grundsatz- Tel. +49 (0)30/6781775-85, Fax -80,
schöne Aufgabe auch für die UN-Dekade entscheidungen in Brüssel schon längst E-Mail: bjela.vossen@dnr.de
Bildung für nachhaltige Entwicklung! gefallen sind. Wichtige Ausnahme ist die www.eu-koordination.de
Mitwirkung des politischen Direktors von
Einen Hinweis für die nach wie vor Euronatur, Lutz Ribbe, der als Mitglied
Quelle:
vorhandene große Distanz der Bürge- des Wirtschafts- und Sozialausschusses
Wahlen ohne Wähler. Vom Dilemma des
rInnen zur EU bieten auch die derzei- häufig als Berichterstatter zu wesent-
Europaparlaments. Themenheft des For-
tigen aktuellen Überlegungen der Freien lichen Themen in Erscheinung tritt.
schungsjournals Neue Soziale Bewegungen,
Wählervereinigung, sich an den Europa-
Heft 2, 2009
wahlen zu beteiligen. Die Widersacher Neue Hoffnungen
der Europawahl innerhalb der Organisa-
Weitere Informationen:
tion befürchten, dass man sich durch die Nach dem hoffentlich bald absehbaren
Christian Hey, Uwe Brendle, Umweltverbände
Teilnahme an den Europawahlen zu weit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages
und EG : Strategien, Politische Kulturen und
von lokalen Themen und den Bedürfnis- kann durch ein neues Instrument,
Organisationsformen, Westdeutscher Verlag,
sen der Bürger entfernt! das Europäische Volksbegehren, eine
Opladen 1994, S. 685

Nr. 101/2.09 9
titel
Foto: argus/Dell

Die europäische Agrarpolitik muss


dringend reformiert werden, damit eine
sozial gerechte, regionale, ökologisch
verträgliche und tiergerechte Landwirt-

Die europäische schaft möglich wird

Fast Food-Landwirtschaft
Die Filme „Unser täglich Brot“ und „We feed the World“ haben eindringlich und äußerst
erfolgreich auf das Grauen der Massenproduktion von Lebensmitteln aufmerksam gemacht.
Die europäische Fast Food-Landwirtschaft hat Küken vom Fließband, Nitrat im Grundwasser
und Soja aus Regenwaldabholzung zur Folge. Bäuerliche Betriebe werden durch diese Politik
vom Markt verdrängt.

D ie europäische Landwirtschaft hat


viele grässliche Gesichter: Auf Hoch-
leistung getrimmte Kühe mit Euterent-
mit Geschmacksverstärkern aufgepeppt,
weil die in industrieller Landwirtschaft
hergestellte billige Massenware an
Europäische Agrarpolitik (GAP) treibt die
oben beschriebene Entwicklung seit vie-
len Jahren systematisch voran. Sie gilt es
zündungen, Küken vom Fließband, Soja geschmacklicher Intensität einbüßt. zu reformieren, und zwar so, dass eine
aus Regenwaldabholzung in hiesigen Bäuerliche Betriebe werden durch diese sozial gerechte, bäuerliche, regionale,
Futtertrögen für die Produktion von Politik vom Markt verdrängt. ökologisch verträgliche und tiergerechte
Billigfleisch, Hungerlöhne für in Contai- Landwirtschaft möglich wird! 2013 ist
nern untergebrachte SaisonarbeiterIn- Was tun? Für Michael Pollan, Co-Produ- es mal wieder so weit. Eine Reform der
nen bei der Spargel- oder Erdbeerernte, zent des Films ’Food, Inc.‘, ist die Sache europäischen Agrarpolitik steht auf der
nitratbelastetes Grundwasser sowie der klar: „Das ist das Schöne am Essen“, Tagesordnung.
fortschreitende Verlust der Artenvielfalt. sagt er. „Man kann selber mit der Gabel
Statt Frischmilch gibt es zunehmend abstimmen“, und verweist damit auf Die Vorbereitung läuft bereits auf Hoch-
H-Milch im Angebot. Früchte werden die Macht der VerbraucherInnen. Viel touren. Richtungsweisende Weichenstel-
durch Aromastoffe ersetzt, Lebensmittel wichtiger jedoch ist: Die Gemeinsame lungen für die Zukunft werden noch von

10 Nr. 101/2.09
titel
der „alten“ Kommission entwickelt. Mitte 2010 soll es eine Kommis-
sionsmitteilung geben, die aufführt, wo es ab 2013 lang gehen soll in
Sachen Agrarpolitik.

D as Agrobusiness hat sich, unterstützt von Kommissions- und


Regierungsvertretern, bereits in Position gebracht. Eine konzerndo-
minierte „hochrangige Gruppe“ unter der Leitung von Günter Ver-
heugen hat am 17. März 2009 ihren Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit
der europäischen Agrar- und Ernährungsindustrie vorgestellt. Mit von
der Partie sind u.a. Danone, Nestlé und Unilever, aber auch Südzucker,
der deutsche Metro-Chef und die europäischen Lobbyverbände der
Ernährungsindustrie und des Bauernverbandes. Auch Landwirtschaftsmi-
nisterin Ilse Aigner ließ es sich nicht nehmen, mit dabei zu sein. Umwelt-
und Tierschutzorganisationen oder gar Entwicklungsorganisationen
waren genauso wenig eingeladen wie kritische bäuerliche Verbände.
Wen wundert‘s! Wenn es um handfeste Wirtschaftsinteressen geht,
bleibt man lieber unter sich. KritikerInnen sind da nur lästig.

Die Vision macht deutlich, wohin die Reise geht: eine „in hohem Maße
wettbewerbsfähige Ernährungsindustrie“, die „flexible Arbeitsmärkte“,
den „Abbau staatlicher Regulierung sowie von Handelshindernissen“
erforderlich macht und vor allem auf landwirtschaftliche Rohstoffe zu
„den besten Konditionen“, d.h. wettbewerbsfähigen, niedrigen Preisen,
zurückgreifen kann. Die internen Marktpreise sollen also nach und nach
auf Weltmarktpreisniveau gebracht werden. Dies geschieht im Rahmen
der GAP durch die Förderung leistungsstarker Betriebe bzw. die Reduzie-
rung ihrer Produktionskosten (Direktzahlungen, Investitionsförderung),
die Reduzierung der Preisstützung und die Ausweitung des Angebots
(z.B. Abschaffung der Milchquote).

Wenn es nach der Ernährungsindustrie geht, muss natürlich auch die Zu-
lassung für gentechnisch veränderte Agrarprodukte erleichtert werden,
insbesondere angesichts perspektivisch höherer Weltmarktpreise. Dem
hat auch Frau Aigner in der hochrangigen Gruppe zugestimmt. Doch
drei von vier KundInnen wollen keine gentechnisch gestylten Lebensmit-
tel kaufen.

I m Landwirtschaftsministerium spielen offensichtlich die Interessen


der VerbraucherInnen und derjenigen BürgerInnen, die sich sauberes
Grundwasser, eine reiche biologische Vielfalt, schöne Kulturland-
schaften und ökologisch und sozial nachhaltig produzierte Lebensmittel
wünschen, kaum eine Rolle. Die Politik tut so, als ob die europäische
Agrarpolitik nichts damit zu tun hat, welche Lebensmittel tagtäglich in
unserem Einkaufskorb landen. Sie schweigt sich über die vielfältigen so-
zialen und ökologischen Kollateralschäden einfach aus. Ohne massiven
öffentlichen Gegendruck werden Politik und Agrar- und Ernährungs-
industrie erneut Arm in Arm ihre Vision der europäischen Agrarpolitik
durchsetzen.

Wer hochwertige Qualitätslebensmittel will und auf eine ökologisch und


sozial gerechte Landbewirtschaftung setzt, der sollte nicht nur entspre-
chend einkaufen, sondern aufstehen und die Politik davon abhalten, auf Foto: Hirschka/PIXELIO
Kosten von uns allen ausschließlich Konzerninteressen zu bedienen.

Marita Wiggerthale ist als Immer noch bedient die Agrarpolitik in


freie Journalistin im Agrar- und Brüssel und in Berlin ausschließlich Konzern-
Handelsbereich tätig interessen. Nur massiver öffentlicher Gegen-
E-Mail: marita.wiggerthale@web.de druck wird daran etwas ändern

Nr. 101/2.09 11
perspektiven

Die Macht
der KonsumentInnen
„Utopia“ ist der Titel eines Romans von Thomas Morus aus dem Jahr 1516, in dem er eine
„ideale“ Gesellschaft beschreibt. Annähernd 500 Jahre später versuchen die Gründer einer Inter-
net-Plattform unter eben diesem Namen UTOPIA die Gesellschaft, in der wir leben, zum Besseren
zu verändern. Claudia Langer von Utopia will nichts weniger als ein „grünes Wirtschaftswunder“.

D as Outfit: Jeans, T-Shirt und bequeme Schuhe. Die Hal-


tung: ungeschminkt, lässig und vollkommen unprätentiös.
Claudia Langer, die „Außenministerin“ von www.utopia.de,
Künstlersozialkasse, Gema-Gebühren. Dazu gehört ein wenig
Naivität, klar. Aber nur so geht es. Und es braucht den Willen
zu gestalten. Den hatte ich immer.“
hält wenig von Aufgesetztem und Durchgestyltem. Die Mutter
von drei Kindern hat sich in das Projekt „Utopia – das Inter- Bereits mit 16 Jahren organisiert sie Modemessen, Konzerte
netportal für nachhaltigen Konsum“ genauso gestürzt, wie und Veranstaltungen. Mit 19 Jahren – direkt nach dem Abitur
sie bislang alle ihre Projekte angegangen ist: mit Leidenschaft – gründet sie ihre erste Agentur. Berufsausbildung? Wozu?
und Hals über Kopf. „Mein allererstes Unternehmen haben wir Studium? Keine Zeit! Claudia Langer will arbeitend lernen
gegründet in einer Kneipe, auf zwei Getränkebestellzetteln, – und sich nicht auf Uni-Bänken langweilen. Anfang der 90er
auf denen wir Einkommen und Ausgaben kalkuliert haben. Jahre gründet sie zusammen mit ihrem Mann die Werbeagen-
Einige Details haben wir dabei natürlich außer Acht gelassen: tur START. START entwirft erfolgreich freche Werbekampagnen
für Levi’s, Burger King und MTV. Mit 26 Jahren erlebt sie ihre
erste „Midlife Crisis“ und reagiert „verrückt“: „Ein halbes Jahr
Auszeit in Amerika für ein Summer Internship. Noch mal die
Erfahrung machen, wie es sich anfühlt, das kleinste Rad im
Getriebe zu sein. Ich wollte einfach wissen: Bin ich lebensfähig
und teamtauglich, wenn ich nicht die Chefin bin? Auf das gute
Praktikumszeugnis bin ich bis heute stolz“, sagt sie lachend.

Bis zu ihrem 40. Lebensjahr geht alles seinen gewohnten


Gang. Dann spürt Claudia Langer, dass es wieder einmal Zeit
wird, sich zu verändern – und die Welt gleich mit. Ihr wirt-
schaftlicher Erfolg reicht der umtriebigen Macherfrau, die
als Kind unter anderem Papst oder Bundeskanzlerin werden
wollte, nicht mehr aus. Etwas Sinnvolleres als Werbung kann
sie sich allemal vorstellen: Die Wirtschaft durch die Macht der
Konsumenten auf einen „grünen Weg“ zwingen. Sie verkauft
ihre Agentur – und gründet Utopia.

W as aber verbirgt sich hinter der Internet-Adresse www.


utopia.de? „Utopia ist eine Gemeinschaft von lösungs-
orientiert und konstruktiv denkenden Leuten, die sich Ge-
danken machen über die Zukunft. Menschen, die verstanden
haben, dass sie nicht länger passiv bleiben können, sondern
sich engagieren müssen. Wir versuchen Konsumentenmacht
zu organisieren, eine Art Lobby zu werden und Konsumenten
gegenüber Unternehmern und Politikern eine Stimme zu ge-
ben. Das funktioniert bisher sehr gut.“

Dabei weiß die gradlinige Selfmade-Unternehmerin sehr


genau, dass ihrer Person die Glaubwürdigkeit fehlt, wenn

Für Claudia Langer, der Gründerin


Foto: Utopia von Utopia, muss Öko heute sexy sein

12 Nr. 101/2.09
perspektiven
www.utopia.de stellt z.B. unbe- viele Menschen zu erreichen, müssen wir

grüne berufe
lastete Babyfläschchen vor, gibt ihnen den Zugang zu unseren Themen
aber auch Argumentations- einfach machen. Wir müssen plakativ
hilfe, warum aus der Nutzung sein und den Leuten sagen, was sie tun
der Atomkraft ausgestiegen und was sie leisten können. Genau das
werden muss erwarten sie von uns: Orientierung und
einen guten Rat. Denn jeder von uns hat
ein volles Leben und wir merken, dass
mitteln: Du kannst heute mit gutem Ge- die Utopisten dankbar dafür sind, wenn
wissen deinen Sportwagen fahren – mit man ihnen einfach aufbereitete Ratgeber
Elektroantrieb –, aber du kannst es auch zur Verfügung stellt.“
einfach mal mit ,Downsizing’ versuchen
und beim nächsten Mal ein kleineres
Auto kaufen. Oder versuche es mal mit
dem öffentlichen Personennahverkehr
B ei allem Engagement für die gute
Sache ist Claudia Langer selbst kein
„Umweltengel“. Auch wenn die Familie
– das kann ein ,Abenteuer’ sein.“ Langer in einem mit silbernem Dämm-
material überzogenen Öko-Haus in Form
Manche Kritiker meinen, dass Uto- eines Würfels lebt und in einem zweiten
pia auf die falschen Pferde setzt, also gleicher Bauart im Münchener Stadt-
Unternehmen einbindet, die bislang teil Solln arbeitet. Ihre Kinder werden
sie sich selbst als Beraterin in Sachen nicht als besonders umweltfreundlich in Sachen Konsum zwar relativ streng
Ökologie und Nachhaltigkeit verkaufen in Erscheinung getreten sind. Wer aber erzogen, aber der Regelbruch ist Teil der
würde. Aber Langer ist eine Frau mit bereits eine weiße Weste habe, also Erziehungsstrategie. „Einmal im Jahr
Kommunikations-Know-How. Sie kann nachweislich ökologisch vertretbar landen auch wir bei einer Fastfoodkette.
argumentieren, sie kann überzeugen arbeite, der sei als Unternehmen für Die Kinder kapieren schnell, worum es
– aber sie kann auch zuhören. Wissen Utopia weniger interessant. „Wir wollen, geht und freuen sich dann umso mehr,
aufsaugen wie ein Schwamm nennt sie dass Unternehmen erkennen, dass gut wenn wir ein Auge zudrücken“, erklärt
das. Frühzeitig hat sie entsprechende sein – in Anführungsstrichen – sich für sie. Und sie selbst? „Ich fliege zu viel
Fachleute mit dem benötigten Wissens- sie auszahlt. Und damit sich nachhaltiges – zum Beispiel nach Berlin. Aber jede
vorsprung gesucht – und gefunden. Wirtschaften für Unternehmen lohnt, Bahnfahrt trennt mich eine Nacht länger
Utopia kooperiert mit dem Öko-Insti- müssen die Verbraucher diese Unterneh- von den Kindern. Das ist manchmal eine
tut, dem Wuppertal Institut für Klima, men belohnen. Derzeit ist es aber noch schwere Entscheidung zwischen Familie
Umwelt, Energie und dem Verkehrsclub so, dass die Verbraucher als Gesamtheit und Umwelt.“
Deutschland. „Die fachliche Beratung gesehen eben doch eine graue Masse
durch die besten Wissenschaftler und sind, die am Ende des Tages noch zu Privat hat Claudia Langer mit Renate
die führenden, unabhängigen Institute oft denken ,Geiz ist geil’. Also belohnen Künast, der ehemaligen grünen Verbrau-
ist ein absolutes Muss. Und Sie können sie korrekt handelnde Unternehmen zu cherministerin, gewettet, dass Utopia
sicher sein, dass wir sofort auf Fehler in wenig – und das ist ein Problem. Osram bald mehr Mitglieder haben wird als die
der Argumentation hingewiesen werden. – zum Beispiel – ist führend im Bereich Grünen. Die Utopia-Frontfrau schmun-
Immerhin stehen diese Fachleute mit Energieeinsparung und schafft gerade zelnd: „Im Mai 2009 könnte es bereits
ihrem guten Namen dafür ein.“ die Glühbirne ab, obwohl die Glühbirne soweit sein. Wir haben derzeit etwa
in ihrem Logo ist. Das finden wir sehr 40.000 registrierte Utopisten und die
Die Zeit, als öko sein hieß, mit selbst mutig und belohnenswert.“ Grünen 43.000 Mitglieder. Wir sehen
gestrickten Schlabberpullis und Jesus- uns aber überhaupt nicht als Konkurrenz
latschen aufzutreten, ist definitiv vorbei. Wenn man der Macherin von Uto- zu den Grünen oder irgendeiner Partei,
Wer heute im Trend liegen will, verbin- pia eine zu große Nähe zur Werbung sondern eher als Ergänzung.“ Ob das
det Lifestyle und modisches Outfit mit unterstellt, dann schleicht sich eine „utopische“ Experiment auf Dauer zu
einem guten Gewissen durch den Kauf wahrnehmbare Verärgerung in ihre einem echten Machtfaktor im Markt
nachhaltig hergestellter Produkte. Dass Stimme: „Ich war und bin keine klas- wird, kann nur die Zukunft erweisen.
Verzicht als Grundhaltung nicht massen- sische Werbefachfrau und bei Utopia Allerdings: Irgendwann im Jahr 2010
tauglich ist, weiß Claudia Langer, die in gibt es auch niemandem mit diesem muss UTOPIA – basierend auf Internet-
einer „Müsli-Familie“ aufwuchs und Ver- Hintergrund. Ich habe als Unternehmerin werbung und Sponsoring – schwarze
zicht ganz in Ordnung fand, sehr genau. eine Werbeagentur geführt – das ist Zahlen schreiben. Einige Gesetze der
Heute müsse Öko sexy sein, sagt sie und ein Unterschied, auf den ich Wert lege. freien Marktwirtschaft gelten eben auch
fügt hinzu: „Vielen Menschen ist heute Um viel zu bewegen, müssen wir viele für Utopisten.
bewusst, dass etwas passieren muss und Menschen erreichen und nicht zu den
wir an einer Weggabelung stehen. Statt wenigen sprechen, die ohnehin schon Annette Lübbers ist freie Journalistin
Verzicht will Utopia das Bewusstsein ver- auf dem ,richtigen’ Weg sind. Um aber Kontakt: a-luebbers@versanet.de

Nr. 101/2.09 13
merk-würdiges
Zum Gemein-Wohl - Atomkraftwerke lukrativ sind. Schließlich wer-
den viele Kosten auf die Allgemeinheit abge-
Atomkraftwerke wälzt. Die Stromkonzerne machen so pro Tag
und Atomkraftwerk einen geschätzten Gewinn
von rund einer Million Euro. Wer aber glaubt,

D ie Energiepreise haben im letzten Jahr Rekordhöhen erklommen, und


auch wenn sie zwischenzeitlich wieder etwas zurück gegangen sind, so
ist doch absehbar, dass Energie langfristig nicht wieder billig werden wird.
dass Strom billiger wird, wenn die Konzerne
noch mehr Gewinne machen können, der irrt.
Der Zusammenhang ist umgekehrt: Energiekon-
Einige „Energieexperten“, die sich insbesondere unter einschlägigen Indust- zerne machen Gewinne, indem sie die Strom-
rievertretern und konservativen Politikern finden, bieten uns da als Ausweg preise in die Höhe treiben.
die Atomenergie an. Atomenergie sei sicher und preiswert. Ihre Verwendung
würde darum zu sinkenden Strompreisen führen. Bleibt die Aussage, dass Kernkraftwerke sicher
seien. Hier vertraut die Atomlobby auf die weite
Man kann sich da des Eindrucks nicht erwehren, dass hier einige Dinge Verbreitung von Alzheimer in der Bevölkerung:
durcheinander gebracht werden. Es mag ja sein, dass für Stromproduzenten Tschernobyl ist lange her, und außerdem han-
delte es sich um ein russisches Kraftwerk, die ja
bekanntermaßen sowieso unsicher sind. Dass
es auch einen GAU im amerikanischen Three
Mile Island Reaktor von Harrisburg gegeben hat,
weiß heute glücklicherweise schon fast niemand
mehr.

Aber der Beinahe-GAU von Forsmark in Schwe-


den, die Pannenserie in französischen Kraftwer-
ken und die nicht abreißen wollende Kette von
Störfällen in deutschen AKW zeigt: Sicher ist an
Atomkraftwerken nur, dass irgendwann wieder
ein schwerer Unfall passieren wird. Es gibt nur
eine einzige Möglichkeit, das zu vermeiden:
Abschalten.

Auf Atomkraftwerke jedenfalls kann man sich


ebenso sicher verlassen, wie auf die Wahlver-
sprechen mancher Politiker.

Werner Brinker, Darmstadt

anzeige

Ö
kolo
gisch
,fa
ir...
B U C H T I P P
-4

...Ih
rEinkaufsfü
h re
r GUTSCHEIN:
9 0
-3

fürnach
haltigenK onsu
m
30

...fü
rko s
tenlo
seE xemp la
re,bittegewün
s c
h te
2
3

A
usgaben(n)ankreuz
en ,I
h reA d
res seund€1.45P orto
-9

undgutesL eben!
p
roB uchanu nssend en
.
7
98-3

H
amb
urg
/Sc
h le
swig
-Ho
lste
in B
erlin
/Bra
n d
enb
urg
B
nIS N

N
ord
rhe
in-W
estfa
len N
ied
ers
achs
en/
Bre
m e
n

Je tz
tN EUfü
rN iedersa
chsenundBre
m e
n !
ite

V erla
gD asgrün eB ranch enbuc h

....dortw
oesBio-Produktegib
t.
e

L
a s
b e
ke rS
traße9-2 2 9
67T rem sbüttel-Tel.04532 -21 402
0S

Fax:0453
2 -22077
-w w w.g ruene s-bra
n chenb
uc h .d
e
6
1

service@gruene
s -b ra
n c
h e n
b uc
h .de RobinWoo
d18
.03
.09

14 Nr. 101/2.09
jugendseite
Klimaschutz: Was geht an Schulen?
Foto: www.umweltschulen.de oder ob MitstreiterInnen in Form von Eltern, MitschülerInnen,
Lehrkräften oder gar – grusel – des Hausmeisters vonnöten
sind.

Außerdem gibt es eine Vielzahl von Verweisen auf Internet-


seiten, die die einzelnen Themen vertiefen oder ergänzen
und sogar einen Gutschein für ein Heizgutachten zu Hause.
Das ist überhaupt das Beste an fast allen Tipps – man kann
und sollte sie genauso gut in seinen eigenen vier Wänden
umsetzen.

W ie SchülerInnen zu Klimadetektiven ausgebildet werden


und mit dem richtigen Spürsinn Stromfressern und
anderen Hitzköpfen routiniert das Handwerk legen können,
erfahren SchülerInnen und LehrerInnen der Sekundarstufe aus
der gleichnamigen Broschüre. Sie bietet Arbeitsanleitungen
und Listen für einen ersten gründlichen Umweltcheck der
eigenen Schule. So können die Umweltauswirkungen erfasst,
Frischgebackene Energiewächter an der Hulda- bewertet und reduziert werden. Die Checklisten befinden
Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf sich auf der beiliegenden CD und können deshalb einfach auf
die konkrete Schule/Situation angepasst werden. Außerdem
finden sich nachahmenswerte Beispiele von Klimaschutz-Vor-

Z u allem anderen, was Schülerinnen und Schüler normaler-


weise an ihrer Schule auszusetzen haben, kommt nun auch
noch der Vorwurf, dass Schulen zu viel Energie verbrauchen.
reiter-Schulen und ebenfalls viele Verweise auf weiterführende
Internetseiten.

Heizung, Licht, Strom für immer mehr Computer und andere Es gibt also keinen Grund mehr, länger zu zögern, die CO2 Bi-
technische Ausstattung, Wasser- und Materialverbrauch sowie lanz deiner/Ihrer Schule zu verbessern! Klima braucht Schutz
die – zum Teil fossile – Energie, die für die täglichen Schulwege – und zwar sofort!
von SchülerInnen und Lehrkräften verbraucht wird, machen
Schulen in ihrer Summe zum wichtigsten Energieverbraucher Sabine Genz, Berlin
im öffentlichen Sektor – mit steigender Tendenz.

Dabei ist Abhilfe leicht möglich: Allein durch intelligentes Klimaschutz to go – Was Klimadetektive
Verhalten, das an Schulen doch ohnehin gefragt ist, können geht an Schulen Herausgegeben vom Um-
ohne weitere Maßnahmen meist rund 10 Prozent des Ener- Herausgegeben von CO2 weltbüro Nord e.V.
gieverbrauchs eingespart werden. online, www.co2online.de. 80 Seiten + 80 Seiten
Auch im Klassensatz Checklisten auf CD
Wie das funktioniert und was jede/r Einzelne – allein, als kostenlos zu beziehen Preis: 10, 00 Euro zzgl.
Klasse oder mit Hilfe der Lehrerschaft und der Schulleitung über die Mediathek des Versandkosten
– tun kann, zeigen zwei neue Broschüren. Schließlich ist es Bundesministeriums für Zu beziehen über: tilman.
allerhöchste Zeit, dass Klimaschutz auch in den Schulalltag Umwelt, Naturschutz und langner@umweltschulen.
integriert wird und nicht nur Gegenstand des Unterrichts ist. Reaktorsicherheit: de
www.bmu.de/mediathek/
Klimaschutz To Go – Was geht an Schulen? Eine handliche
Broschüre im Postkartenformat, präsentiert 16 gut umsetz-
bare Tipps für Schnelle, für Geduldige und für Hartnäckige.
Kurz und knapp wird dargestellt, wie durch einfache (rich-
tiges Lüften), mittelschwere (Installation von schaltbaren
Steckerleisten) oder eben etwas aufwändigere Maßnahmen
(Organisation von Klima-Aktionstagen) Energie eingespart
werden kann. Eine ansprechende Grafik auf jeder Seite lässt
gleich erkennen, wie viel CO2-Freisetzung damit vermieden
wird, welche weiteren Vorteile die Maßnahme mit sich bringt
und ob man damit schon als Einzelne/r Erfolge haben kann

Nr. 101/2.09 15
internes

Kassel
Treffpunkte jeden 1. Donnerstag im Monat
Infos bei Klaus Schotte: 0561/878384
Hier erfahren Sie, wann und wo die Aktiven von ROBIN kassel@robinwood.de
WOOD sich treffen. Schauen Sie doch mal bei uns vorbei!
Köln
Bayreuth Düsseldorf jeden 2. und 4. Montag, 20:30 Uhr
Johannes Krug, 0921/5087165 jeden 3. Montag im Monat, 20 Uhr, Alte Feuerwache, Melchiorstr. 3
bayreuth@robinwood.de Treffpunkt erfragen unter koeln@robinwood.de
duesseldorf@robinwood.de
Berlin Leipzig
Treffen z.Zt. unregelmäßig nach Verab- Freiburg Sebastian Vollnhals, c/o Infoladen Libelle,
redung im „Verwaltungsgebäude“ des Bei uns können sich alle Interessierten Kolonnadenstr. 19, 04109 Leipzig
RAW-Tempels, Revaler Str. 99, 10245 aus Baden-Württemberg melden: Tel.: 0341/2246650
Berlin-Friedrichshain, 030/20687813 c/o Erik Mohr: 0162/7162536, leipzig@robinwood.de
berlin@robinwood.de Juliane Schultze: 0162/8898330
freiburg@robinwood.de Rhein-Neckar
Braunschweig jeden 2. und 4. Dienstag um 19 Uhr
Donnerstag, 20 Uhr Greifswald im ASV, Beilstraße 12, Mannheim
Ort bitte erfragen bei Birger Buhl, Tel.: 03834/513138 Juliane Boß: 06221/589251
Thomas Erbe: 0531/2505865 greifswald@robinwood.de rhein-neckar@robinwood.de
braunschweig@robinwood.de
Hamburg-Lüneburg München
Bremen jeden 2. und 4. Mittwoch, Termine bitte erfragen bei:
Geschäftsstelle: 0421/598288 18.30 Uhr in der Pressestelle, muenchen@robinwood.de
Dienstag, 19 Uhr, (14-tägig, Nernstweg 32, 22765 Hamburg-Altona
gerade Wochen) Stefanie Miczka: 040/499371 Stuttgart
bremen@robinwood.de hamburg@robinwood.de Termine bitte erfragen bei:
lueneburg@robinwood.de stuttgart@robinwood.de

Cottbus, 21.12.08: „Tagebaue


könnt ihr euch schenken. Dörfer
retten, Klima schützen“ stand auf
dem Transparent, mit dem sich
ein Aktivist und eine Aktivistin
von ROBIN WOOD am Sprember-
ger Turm in Cottbus abseilten.
Sie protestierten damit gegen
die klimaschädliche Politik von
Vattenfall und der brandenbur-
gischen Landesregierung. So
sollen bis 2040 die drei Dörfer
Kerkwitz, Grabko und Atter-
wasch abgebaggert werden, um
den Tagebau Jänschwalde Nord
zu erweitern

16 Nr. 101/2.09
Wählen Sie!
Radioaktiv oder
AKTIV!

Energie-Spezial
Foto: itnop.net

im Anti-Atom-Wahljahr 2009
energie

Wählen Sie! Aktiv


oder radioaktiv?
Mit der Bundestagwahl am 27. September steht für die Energiepolitik
in Deutschland einiges auf dem Spiel. Bleibt es beim Ausstieg aus der
Atomenergie und werden wenigstens die älteren Schrottreaktoren
schneller vom Netz genommen oder wird eine neue Regierung die
Laufzeiten der Atomreaktoren verlängern? Und wie geht es weiter mit
der weltweit ungelösten Lagerung der radioaktiven Abfälle? Wird eine
neue Bundesregierung trotz der Nicht-Eignung Gorleben zum Stand-
ort für ein Dauer-Lager erklären – oder gibt es endlich eine alternative
Standortsuche, in der Sicherheit Vorrang hat? Oder kommt es dazu,
Foto: argus/Janke dass wenigstens die älteren AKW schneller abgeschaltet werden?

inhalt D ie Stromkonzerne und ihre Lobby-


Vereinigungen lassen derzeit nichts
unversucht, um den erst 2002 verein-
Atomkraftwerke von jetzt etwa 32 Jahre
auf 40 Jahre durchsetzen könnten. Dafür
legt man sich schon mal ins Zeug. Die
II Wählen Sie! Aktiv oder barten Atomausstieg zu beenden (siehe Atombranche hat in den letzten Jahren
radioaktiv? Beitrag Seite IV). Seit Monaten intensivie- dazugelernt und schlägt neue Töne an.
ren sie Schritt für Schritt ihre Propaganda: Walther Hohlefelder, Chef des Deutschen
IV Sieben auf einen Streich - „Soll denn wirklich Schluss mit uns sein?“, Atomforums, fordert seit geraumer Zeit
Von Restlaufzeiten, Strom- fragt das Deutsche Atomforum auf knall- eine gesellschaftliche „Neubewertung“
mengen und maroden roten Edgar-Postkarten, die in Kneipen, der Atomenergie. „Dialog“ heißt das
Atommeilern Restaurants und Clubs zu finden sind. Mit neue Zauberwort, mit dem die Atomwirt-
ganzseitigen Zeitungsanzeigen präsentie- schaft auf neue Mehrheiten hofft.
VI Atomenergie ist nicht sicher! ren sie ihre Atomkraftwerke als Klimaret-
ter - eingebettet zwischen Schafen und Spätestens der Sommer 2007 hat der
IX Die sind doch nicht ganz Flusslandschaften. Sogar eine weltweite Branche klar gemacht, dass es eines Kurs-
dicht! Atommülllagerung Renaissance der Atomenergie wird von wechsels bedarf. Nach dem Transforma-
scheitert weltweit ihnen ausgemacht, bei der Deutschland in torbrand in Krümmel und den Störfällen
keinem Fall fehlen dürfe. in Brunsbüttel hatte Vattenfall in typischer
XII Wünsch dir was! Zur Manier reagiert: Kühl und abgezockt,
internationalen Atom- Und reicht auch das noch nicht, dann überheblich und arrogant. Über das tat-
renaissance müssen Stromversorgungslücken herhal- sächliche Ausmaß der Schäden belog Vat-
ten, damit die Einsicht in eine Verlänge- tenfall die Öffentlichkeit, die Presse und
XIV Alles unter Kontrolle. Die rung der Laufzeiten für die AKW wächst. sogar die Aufsichtsbehörde. Die Folge: Ein
Macht der großen Vier Eine der mächtigsten und finanziell gigantischer Vertrauensverlust und Image-
potentesten Wirtschaftsbranchen hat schaden nicht nur für Vattenfall, sondern
XVI Die Lichter gehn‘ nicht aus zum politischen Angriff geblasen. Über für die gesamte Atombranche.
60 Milliarden Euro würde es E.ON, RWE,
XVII Alles Erneuerbar Vattenfall und EnBW bringen, wenn sie Unter dem öffentlichen Druck hagelte es
eine Verlängerung der Laufzeiten der Rücktritte bis in den Vorstand hinein, und

II spezial
energie
Spitzenmanager wurden ihrer Aufgaben mit ihr auseinander setzen, können sie
enthoben. E.ON und andere Stromkon- Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurück
zerne sahen sich gezwungen, Vatten- gewinnen und ihr Image deutlich ver-
falls Verhalten und Krisenmanagement bessern. Und nur auf einer solchen Basis
öffentlich zu kritisieren. Ein absoluter können gesellschaftliche Stimmungen,
Tabubruch in der Branche, der zeigt, wie Meinungen und auch Positionen beein-
gravierend die Atomwirtschaft diesen flusst werden.
Vertrauensverlust einschätzte.
Auf diese Weise will die Atombranche zu
Gegenoffensive mit Dialog einer gesellschaftlichen Neubewertung
und Soft-Skills der Atomenergie mit dem Ziel einer Ver-
längerung der AKW-Laufzeiten kommen.
Spätestens diese Ereignisse haben auch Die Chancen dafür stehen nicht schlecht.
dem letzten Hardliner in den oberen Umfrageergebnisse lassen zur Zeit
Firmenetagen klar gemacht, dass die befürchten, dass nach den Wahlen im
Atombranche eine neue Kommunikati- September eine neue Bundesregierung
onsstrategie braucht. Man muss raus aus im Amt sein wird, die diesen Wünschen
einer Wahrnehmung, in der Atomkon- positiv gegenüber stehen könnte.
zerne als „Staat im Staate“ gelten, die
für ihre wirtschaftlichen Profite lügen, Den Ausstieg durchsetzen!
dass sich die Balken biegen.
Angesichts dieser Ausgangssituation
Die Branche setzt jetzt voll und ganz bedarf es einer großen politischen und den Ausbau der erneuerbaren Energien.
auf Dialog, stellt sich scheinbar den gesellschaftlichen Anstrengung, um den Den großen Stromkonzernen geht es vor
Ängsten und Fragen der Bevölkerung, Ausstieg aus dem Ausstieg zu verhin- allem um ihre wirtschaftlichen Vorteile
hat entsprechende Hotlines eingerich- dern. Die Anti-Atom-Bewegung ist sich – nicht um das Gemeinwohl. Ihr Dialog
tet, gründet Beiräte, will reden und dessen bewusst. Schon jetzt ruft sie zu hat die Durchsetzung allein ihrer wirt-
diskutieren. Sie richtet ihre Kommuni- einer großen Demonstration am 5. Sep- schaftlichen Interessen zum Ziel.
kation auf neue Zielgruppen aus. Mit tember nach Berlin auf. Die Bauern aus
Projekten zum Thema Klimaschutz und dem Wendland werden eine Woche vor-
Energiesparen gehen die Stromkonzerne her mit einem großen Trecker-Treck von Wählen Sie! Aktiv
mit staatlicher Billigung neuerdings in die Gorleben aus über die Atommülllager oder radioaktiv?
Schulen und Universitäten. Dabei geht es Schacht Konrad, ASSE II und Morsleben
Bestellen Sie Infomaterial und
nicht einfach um billige Propaganda für auf die Reise nach Berlin gehen.
den Aufruf zur Demonstration
ihre unmittelbar wirtschaftlichen Ziele. Es
am 5. September 2009 in Berlin
geht um die Akzeptanz, als Dialogpart- Diese Demonstration soll der Zielpunkt
und helfen Sie mit, möglichst
ner anerkannt zu werden, der sich seiner für eine gesellschaftliche Mobilisierung
viele Menschen zu mobilisieren!
gesellschaftlichen Verantwortung stellt, sein, zu der Kirchen und Gewerk-
den „kritischen“ Fragen nicht ausweicht. schaften ebenso aufgerufen sind wie
Organisieren Sie Infoveranstal-
Um dieses Vertrauen zu gewinnen, wird Umweltinitiativen und – verbände,
tungen in ihrer Stadt. Wir helfen
viel Geld in zahlreiche Projekte im sozi- KlimaschützerInnnen und Verfechte-
Ihnen dabei und vermitteln
alen und kulturellen Umfeld gesteckt. rInnen der erneuerbaren Energien sowie
Ihnen ReferentInnen.
entwicklungspolitische Gruppen und
Die Stromkonzerne haben begriffen, Organisationen. Nicht nur zahlreiche
Spenden Sie! Widerstand und
dass im Zeitalter von Globalisierung und Aktionen und Kundgebungen werden in
Aktionen kosten Geld. Infomate-
Liberalisierung neue Spielregeln gelten. den nächsten Monaten stattfinden, um
rial muss hergestellt und verteilt
Bis zur Liberalisierung der Strommärkte für den Atomausstieg und die Energie-
werden. Spendenkonto: ROBIN
konnten sich die Konzerne jene Arro- wende zu werben. Wichtig ist auch, dass
WOOD e.V., Konto: 8455500,
ganz und Selbstgefälligkeit leisten. Es in möglichst vielen Städten und vielen
Bankleitzahl: 25120510, Sozial-
gab kaum Konkurrenz, und die Kun- öffentlichen Orten mit Veranstaltun-
bank Hannover
dInnen hatten keine Wahl. Das ist heute gen, Infoständen, Plakaten und vielem
anders. Was heute zählt, sind nicht harte mehr, die unverantwortlichen Risiken Nehmen Sie Kontakt mit uns auf:
Fakten, sondern so genannte Soft-Skills. der Atomenergie vom Uranabbau über
Die Art und Weise, wie die Kommuni- den AKW-Betrieb bis zur ungelösten Dirk Seifert (V.i.S.d.P. für Energie-
kation angeboten und betrieben wird, Lagerung des Atommülls zum Thema Spezial), Energiereferat ROBIN
hat an Bedeutung gewonnen. Nur wenn gemacht werden. Atomkraftwerke sind WOOD, Nernstweg 32, 22765 Ham-
sich die Unternehmen „locker“ und für den Klimaschutz schlicht überflüssig burg, Tel.: 040/380892-21
„cool“ geben, Kritik zulassen und sich und obendrein blockieren sie auch noch energie@robinwood.de

spezial III
energie
Foto: argus/Janke

Sieben auf einen Streich?


Von Restlaufzeiten, Strommengen und maroden Atommeilern

Es steht Spitz auf Knopf für die Atomwirtschaft. Mit dem Atomkonsens wurde für jeden
Atommeiler eine so genannte Reststrommenge vereinbart. Ist diese Restmenge vom jewei-
ligen AKW produziert, erfolgt automatisch die endgültige Stilllegung. Wäre alles mit rechten
Dingen zugegangen, dann wären die Uralt-Reaktoren Biblis A, Brunsbüttel und Neckarwest-
heim 1 wegen der geringen Reststrommengen noch vor der Bundestagswahl im September
abgeschaltet worden. Mit zahlreichen Tricks haben die Stromkonzerne das verhindert. Der
Druck für die Stromkonzerne ist hoch, denn mit Philippsburg 1, Biblis B, Isar 1 und Unterwe-
ser stehen in der kommenden Legislaturperiode vier weitere Reaktoren bis 2012 zur Abschal-
tung an. Von derzeit 17 Atomkraftwerken wären dann nur noch zehn am Netz. Klar, dass die
Bundestagswahl im September für die Stromkonzerne von enormer Bedeutung ist.

A ls gäbe es die Unterschriften der Atomkonzerne unter


der Atomkonsens-Vereinbarung aus dem Jahr 2002
nicht, tricksen die Betreiber schon seit längerer Zeit, um die
dann gibt es vielleicht ein anderes Denken in Bevölkerung
und Regierung.“ RWE redet nicht nur, sondern handelt auch:
Seit dem Frühjahr sind beiden Blöcke des AKW Biblis für
Restlaufzeiten in die Länge zu ziehen: In Brunsbüttel lässt länger andauernde Reparaturarbeiten abgeschaltet. So wird
Vattenfall nun in völlig untypischer Weise endlos lange die endgültige Abschaltung des Block A verhindert! Die Be-
reparieren. Zwar sind dort nach den Störfällen im Sommer treiber von Neckarwestheim, die EnBW, sind in der Sprache
2007 wieder einmal gravierende Mängel entdeckt worden. weniger deutlich, aber faktisch verfahren sie nicht anders.
Doch während der Atomkonzern sonst nicht müde wird, Seit Juni 2007 wird der Block 1 nicht mehr wie bei Grund-
mit allem Nachdruck so schnell wie möglich die Anlagen lastkraftwerken üblich in Volllast betrieben. Stattdessen wird
nach einem Störfall wieder ans Netz zu bringen, gibt er der Reaktor immer wieder mit deutlich geringerer Leistung
sich jetzt völlig entspannt. Denn wenn es gelingt, die poli- betrieben. Dadurch ist die erzeugte Strommenge kleiner und
tischen Mehrheiten in diesem Land umzudrehen und nach die Lebensdauer der Anlage wird künstlich verlängert.
der Bundestagwahl im September eine atomfreundliche
Regierung zu installieren, könnte Brunsbüttel mit längeren
Laufzeiten vielleicht noch für viele Jahre die Taschen der
Aktionäre füllen.
D as Verhalten der Atom-Unternehmen ist in vielerlei
Hinsicht skandalös: Während sie in der Öffentlichkeit
nicht müde werden, den Atomstrom als besonders preiswert
darzustellen, lassen sie in der Praxis ihre vermeintlich billigen
Während Vattenfall jeden Zusammenhang der langen Atomkraftwerke aus politischen Gründen entweder komplett
Reparaturen mit der Bundestagswahl bestreitet, hat der vom Netz oder reduzieren die Stromerzeugung in den AKW.
Vorstandsvorsitzende von RWE, Jürgen Großmann, in Ein Umstand, der die Redlichkeit und Glaubwürdigkeit der
einem Spiegel-Interview im Dezember 2007 das ganze AKW-Betreiber schwer in Zweifel zieht.
auf den Punkt gebracht. Mit Blick auf Biblis sagte er: „Wir
können den Reaktor in Biblis so fahren, dass wir mit Rest- Ein ebenso taktisches Verhältnis zur Wahrheit haben die
laufzeiten über die nächste Bundestagswahl kommen. Und Betreiber in Sachen Sicherheit der Atommeiler: Angeblich
stünde die Sicherheit im Vordergrund. Wie wenig es den Be-
treibern aber tatsächlich um die Sicherheit geht, zeigt sich in
Fotos: argus/Raupach den Verfahren zur so genannten Strommengenübertragung.
Biblis
Mithilfe dieser Anträge versuchen die Konzerne für ihre alten
Reaktoren, deren Reststrommengen abzulaufen drohen, eine
Lebensverlängerung zu bekommen. Entsprechende An-
träge haben die Betreiber für die Übertragung vom neueren
Kraftwerk Krümmel auf das ältere Brunsbüttel (Vattenfall),
vom neueren AKW Emsland auf das ältere Biblis A (RWE)
und vom neueren Block 2 des AKW Neckarwestheim auf den
älteren Block 1 (EnBW) gestellt.

Damit verfolgen die Betreiber das Ziel, die Restlaufzeiten


der älteren Anlagen zu verlängern. Laut Atomgesetz bedarf
es für eine Strommengenübertragung von neuen auf alte

IV spezial
energie
Anlagen grundsätzlich der Zustimmung später ans Netz gegangene AKW Krüm-
des Bundesumweltministeriums (BMU). mel). Bei den Druckwasserreaktoren sind Neckarwestheim
Das BMU verlangt einen sicherheits- die AKW Biblis A und B, Neckarwest-
technischen Vergleich der jeweiligen heim 1 und Unterweser die ältesten,
AKW. Eine Strommengenübertragung deren Sicherheitskonzepte heute als
von neuen auf alte AKW wäre aus Sicht komplett veraltet angesehen werden
des BMU nur dann zulässig, wenn das müssen. Alle diese Anlagen sind entwe-
Sicherheitsniveau mindestens auf dem der gar nicht oder nur sehr mangelhaft
gleichen Niveau bliebe. gegen Flugzeugabstürze ausgelegt. Ein
Aspekt, der spätestens nach den Ereig-
Während die Atomkonzerne in der nissen vom 11. September eine sofor-
Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, tige Stilllegung dieser AKW notwendig
Fotos: argus/Raupach
allein die Sicherheit läge ihnen am gemacht hätte!
Herzen, leisten sie heftigen Widerstand
gegen dieses Vorgehen des BMU. So Auch in der Praxis treten über die Be-
haben sich RWE und EnBW schlicht ge- triebsjahre dieser ältesten Reaktoren si-
Philippsburg
weigert, dem BMU die für einen solchen cherheitstechnische Mängel auf, die sich
Sicherheitsvergleich relevante Unterlagen z.B. in den meldepflichtigen Ereignissen
zu übergeben. Das BMU hat die Anträge bzw. besser ausgedrückt, in der Zahl der
inzwischen abgelehnt, die Konzerne Störfälle zeigen. In einem von der Frank-
haben Klage vor Gericht erhoben. Eine furter Rundschau veröffentlichten „Non-
Entscheidung des BMU in Sachen Bruns- Paper“, das dem Bundesumweltministe-
büttel und Vattenfall steht noch aus. rium zugeschrieben werden muss, heißt
es: „Eine allgemein höhere Anfälligkeit
Alte Reaktoren – der älteren Anlagen zeigt sich auch in
besonders unsicher! der Zahl der meldepflichtigen Ereignisse.
So liegt sie bei fast allen älteren Anlagen
Noch sind 17 Atomkraftwerke in nicht nur insgesamt, sondern auch in
Deutschland in Betrieb. Diese AKW den letzten Jahren deutlich über denen
unterscheiden sich in ihrem technischen der jüngeren Anlagen.“
Grundprinzipien nach Siedewasser- und
Druckwasserreaktoren. Zu den Siede- Das hat reale Gründe: Z.B. sind die
wasserreaktoren (SWR) gehören sechs eingesetzten Werkstoffe (Rohrleitungen
Isar I + II
Atomkraftwerke: Brunsbüttel, Isar 1, etc.) in den älteren Anlagen unter
Philippsburg 1, Krümmel, KRB-B und schlechteren Bedingungen hergestellt.
– C. Druckwasserreaktoren sind elf AKW: Die Anzahl von Schweißnähten ist in
Biblis A und B, Unterweser, Neckarwest- diesen Anlagen deutlich höher, die
heim 1 und 2, KKG, KWG, Philipps- Schweißnähte sind auf einem schlech-
burg 2, Brokdorf, Isar 2 und Emsland. teren Stand von Wissenschaft und
Technik. All das erhöht die Stör- und
Wichtig ist auch, dass die Reaktoren zu Fehleranfälligkeit des Systems aus Rohr-
unterschiedlichen Entwicklungsgenera- leitungen und Armaturen.
tionen gehören. Die ersten Reaktoren,
die in Deutschland gebaut wurden, Die eingebauten Sicherheitsreserven
Foto: argus/Vielmo
stammen entwicklungstechnisch aus den – z.B. der Kühlsysteme - sind in den
frühen 60er Jahren. Sie sind somit eine alten Anlagen zum Teil deutlich geringer
Art Prototypen. Die später in Bau ge- als in den neueren. So sind viele Sicher-
gangenen AKW sind in der Folge bereits heitssysteme nicht ausreichend räumlich
Unterweser
Weiterentwicklungen, in die viele der getrennt, wie bei den neueren Anlagen.
Betriebserfahrungen aus den früheren Im Brandfall können dann erforderliche
Anlagen eingeflossen sind und die Sicherheitssysteme viel leichter gleich-
insofern sicherheitstechnische Verbesse- zeitig ausfallen. Außerdem führen die
rungen enthalten. zahlreichen und erheblichen Nachrüst-
maßnahmen, die über die Jahre in die-
Zu den Anlagen der ersten Generation sen alten Anlagen durchgeführt werden
gehören die Siedewasserreaktoren der mussten, zu einer erhöhten Komplexität
sogenannten Baulinie 69: Brunsbüttel, der Anlagen und dadurch auch zu einer
Philippsburg 1 und Isar 1 (und das erst verstärkten Fehleranfälligkeit. Foto: argus/Janke

spezial V
energie

V or allem bei den Reaktoren der


Baulinie 69 ist das Verhalten der An-
lagen bei Störfällen deutlich ungünstiger.
einem Kühlmittelverluststörfall steigt der
Druck schneller an und muss dann über
komplexe aktive Sicherheitstechniken
werden. Brunsbüttel war fast 50 Prozent
seiner Betriebsdauer nicht am Netz son-
dern wegen Reparaturen abgeschaltet.
Diese von der inzwischen Pleite gegan- kontrolliert werden. Kommt es hier zu
genen Firma AEG entwickelten Anlagen einem Versagen, kann der Sicherheitsbe- Das AKW Krümmel ist in gewisser Weise
zeichnen sich durch einen überaus hälter in sehr kurzer Zeit bersten. Durch ein Sonderfall. Grundsätzlich hat es die
kleinen Sicherheitsbehälter aus. Nach die kleinräumige und enge Bauweise der gleichen Defizite, wie die Reaktoren der
SWR Baulinie 69 ist die Anzahl der erfor- Baulinie 69. Allerdings ist der Reaktor
derlichen Schweißnähte in den Rohrlei- erst viel später ans Netz gegangen, so
tungen überdurchschnittlich hoch. dass einige der schlimmsten Mängel
Kein Klima mit Atom noch während der Bauphase nachgebes-
Noch in der Bauphase wurden z.T. sert werden konnten. Dennoch: Auch
Brauchen wir die Atomenergie für den erhebliche Nachbesserungen im Werk- die Störanfälligkeit von Krümmel macht
Klimaschutz? NEIN! Denn die Risiken stoffbereich durchgeführt, ohne aber klar, dass dieser Reaktor ein besonderes
dieser Technologie sind nicht zu be- grundsätzliche Schwachstellen beseitigen Sicherheitsrisiko darstellt.
herrschen und für den Klimaschutz ist zu können. Diese Baulinie war derart
Atomenergie schlicht überflüssig! Die problematisch, dass AEG sie schließlich Von derartigen Sicherheitsrisiken aber
Wachstumsraten der erneuerbaren En- einstellte. Der ehemals in Philippburg wollen die Betreiber nichts wissen. Unbe-
ergien sind schon heute so groß, dass geplante Block 2, der wie der Block 1 ein lehrbar wollen sie auch diese besonders
sie die Atomenergie in den nächsten SWR der Baulinie 69 sein sollte, wurde riskanten Atommeiler noch für viele
Jahren mehr als nur ersetzen werden. sogar noch in der Bauphase storniert. Jahre in Betrieb halten. Auch wenn jeder
Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomreaktor zu jeder Zeit zur atomaren
AKW würde sogar dazu führen, dass Die Störanfälligkeit dieser Reaktorlinie Katastrophe führen kann und dieses
sich der weitere Ausbau der Erneu- lässt sich an Brunsbüttel und auch an Risiko daher sofort abgeschaltet gehört:
erbaren verzögert, weil das Stroman- dem später in Betrieb gegangenen AKW Die erheblichen Mängel, die sich in
gebot viel zu hoch wäre und nicht in Krümmel ablesen. Zusammen mit Druck- der Störanfälligkeit der alten Anlagen
alternative Energien investiert würde. wasser-Alt-AKW Biblis A und B zeichnen zeigen, müssten selbst bei den Atom-
sich die SWR-Reaktoren Krümmel und konzernen zur Erkenntnis führen, diese
Lesen sie mehr in der Broschüre: Brunsbüttel durch eine überaus hohe Anlagen endlich vom Netz zu nehmen!
„Atomenergie dient nicht dem Störanfälligkeit aus. Immer wieder muss-
Klimaschutz.“ Infos und download ten die Reaktoren wegen gravierender Dirk Seifert, Energiereferat ROBIN
unter www.robinwood.de/energie. Störfälle und Materialfehler für mehr WOOD, energie@robinwood.de
als ein Jahr abgeschaltet und repariert Tel.: 040/380892-21

Atomenergie ist nicht sicher!


Pannen und Störfälle, die häufig auch zu Notabschaltungen des gesamten Reaktors führen, sind in
den deutschen Atomkraftwerken an der Tagesordnung. Allein in den Monaten Juli bis September 2008
mussten die deutschen Atommeiler 21 Störfälle melden. Im Jahr 2007 waren es insgesamt 118 Störfälle.
Weitere 20 ereigneten sich in Anlagen zur Ver- und Entsorgung von radioaktiven Materialien.

Brunsbüttel A utomatische Notabschaltungen sind eine schwere Belastung und


Herausforderung für Technik und Materialien in einem Atomreaktor.
Innerhalb kürzester Zeit muss ein AKW bei einer solchen Notabschaltung
von Volllastbetrieb auf Null runter gefahren und die nukleare Kettenreak-
tion zuverlässig unterbrochen werden. Zahlreiche Sicherheitseinrichtungen
müssen automatisch angefahren, die Wärme im Reaktor abgeführt und
die Kühlung aufrecht erhalten werden. Ein Vorgang, der mit einem voll
beladenen Lkw verglichen werden kann, der mit einer Vollbremsung auf
der Autobahn zum Stehen gebracht wird.

Immer wieder kommt es zu außerordentlich schweren Störfällen, die


deutlich machen, dass das Risiko der Atomenergie nicht zu beherrschen
Foto: argus/Schwarzbach ist und die gravierende Auswirkungen für Mensch und Umwelt haben.

VI spezial
energie

Dieses explodierte Stahlrohr im AKW Brunsbüttel


wird erst zwei Monate später entdeckt

Ein Ventil, das das unter hohem Druck stehende radioaktive


Kühlwasser des Primärkreislaufes vom Notkühlsystem trennt,
versagt beim Anfahren des Reaktors und schließt nicht. Ob-
wohl eine Warnlampe ständig leuchtet, bemerkt die Betriebs-
mannschaft diesen Fehler über 16 Stunden nicht, bzw. hält ihn
für einen Defekt der Anzeige. Erst die dritte Schicht bemerkt
den Fehler.

Statt den Reaktor jedoch sofort herunterzufahren, versucht die


Betriebsmannschaft mit einem Trick, das Ventil zu schließen.
Ein Kontrollventil, das den Primärkreislauf von einer Messlei-
tung trennt, die für den hohen Druck nicht ausgelegt ist, wird
Wasserstoffexplosionen absichtlich geöffnet. So soll das defekte Ventil „durchgespült“
in deutschen AKW werden. Aber das misslingt. In der Folge strömen 107 Liter
radioaktives Kühlwasser aus, gelangen in den Ringraum außer-
Brunsbüttel 2001: Am 14. Dezember 2001 zerfetzt im halb des Sicherheitsbehälters und von dort in die Atmosphäre.
AKW Brunsbüttel eine Knallgasexplosion ein zehn Zentimeter Erst danach gelingt es, das Kontrollventil gegen den hohen
dickes Stahlrohr in unmittelbarer Nähe des Reaktordruckbe- Druck wieder zu schließen. Dabei gingen die Reaktorfahrer
hälters. Bruchstücke des Rohres fliegen wie Geschosse umher ein enorm hohes Risiko ein: Hätte sich das Ventil aufgrund des
und richten auch in der Umgebung Schäden an. Nur durch hohen Drucks nicht geschlossen, wäre die Messleitung mögli-
einen Zufall werden keine sicherheitsrelevanten Einrichtungen cherweise geplatzt. Ein Verlust großer Mengen Kühlmittel wäre
getroffen. Ein einfaches Rückschlagventil, das bei der Explosion unvermeidlich gewesen und es hätte zu einer Kernschmelze
zudem beschädigt wird, verhindert das Ausströmen des unter und damit zum Super-GAU kommen können.
hohem Druck stehenden radioaktiven Dampfes. Das Ausströ-
men hätte den Verlust von Kühlmittel bedeutet, was zu einer
Kernschmelze, also dem Super-GAU, führen kann. Atomexplosion
in Japan
Erschreckend ist das Verhalten der Bedienmannschaft: Obwohl
Signale in der Leitwarte den Störfall anzeigen und sie auch Am 30. September 1999 kommt es in der japanischen Uran-
die Erschütterung durch die Explosion registrieren, gehen sie anlage in Tokaimura zu einem überaus schweren Unfall, den
von einer harmlosen Leckage aus – sperren ein Ventil - und die Internationale Atomenergiebehörde inzwischen in die Stufe
der Reaktor bleibt weiter am Netz. Erst zwei Monate später, fünf der bis zur Stufe sieben reichenden Skala eingeordnet hat.
als die Aufsichtsbehörde auf eine Inspektion drängt, wird die Um 10:35 Uhr füllen Mitarbeiter der Uranfabrik der Firma JCO
Explosion und ihre Folgen entdeckt. Endlich wird der Reaktor in Tokai 16 Kilogramm des auf rund 19 Prozent angereicherten
abgeschaltet. Insgesamt 13 Monate dauert der Betriebsstill- Uran in einen Tank. Dabei ignorieren sie sämtliche Sicherheits-
stand, einige Mitarbeiter werden aufgrund des schweren vorschriften und schütten das Uran in Eimern in einen mit Sal-
Fehlverhaltens versetzt. Im Februar 2002 darf der Schrottreak- petersäure gefüllten Tank. Aufgrund der viel zu hohen Menge
tor wieder ans Netz. an spaltbarem Material kommt es zu einer unkontrollierten
Kettenreaktion. Unterstützt durch das Kühlwasser in den
Nach der schweren Wasserstoff-Explosion im AKW Brunsbüttel Tanks „zündet“ das Uran und baut in Sekundenschnelle eine
im Dezember 2001 wird bekannt, dass dies nicht der erste enorm hohe radioaktive Gamma- und Neutronenstrahlung auf.
Störfall dieser Art in einem deutschen Reaktor war. Zwischen Mehrere Arbeiter werden hochgradig verstrahlt. Um die nun
1987 und 1999 hat es demnach in den drei deutschen Siede- selbstständig ablaufende Kettenreaktion zu stoppen, muss die
wasserreaktoren Brunsbüttel, Krümmel und Gundremmingen Wasserzufuhr unterbrochen und Bor eingefüllt werden. Wegen
ähnliche Explosionen gegeben. der hohen Strahlung können die Arbeiter lediglich für drei Mi-
nuten in die Anlage. Dennoch bekommen auch sie hohe Strah-
Biblis: Ahnungslos auf dem Weg zum Super-Gau lendosen ab. 18 Arbeiter sind an diesen Maßnahmen beteiligt.

Am 16.-17. Dezember 1987 schrammt das AKW Biblis-A bei Insgesamt werden mindestens 55 Arbeiter, Feuerwehrleute
einem Kühlmittelverlust-Störfall nur knapp an einem Super- und Sanitäter einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt.
GAU vorbei. Betreiber und Aufsichtsbehörde verschweigen die- Auch in der Umgebung außerhalb der Anlage steigt die Radio-
sen schweren Störfall in einem deutschen AKW. Erst ein Jahr aktivität an. Die Arbeiter brauchen 20 Stunden, bis es gelingt,
nach dem Unfall, im Dezember 1988, wird nach dem Bericht die Kettenreaktion zu stoppen. Mindestens zwei Mitarbeiter
einer US-amerikanischen Zeitung die Öffentlichkeit informiert. der Firma sind an den Strahlenschäden gestorben.

spezial VII
energie

Der Super-Gau von Tschernobyl


Am 26. April 1986 zerreisst nahe der ukrainischen Stadt Pripjat
eine mächtige Explosion den Block 4 des Atomkraftwerks
Tschernobyl. Radioaktive Teile werden 1.000 Meter hoch in
die Luft geschleudert, das Feuer im Reaktor breitet sich schnell
aus. Eine radioaktive Wolke zieht Richtung Schweden und hat
am 27. April das Nordkap erreicht. Aus Schweden kommen
die ersten Meldungen über erhöhte Radioaktivitätswerte in
der Luft. Endlich, am 28. April 1986 bestätigt die Regierung in
Moskau den Super-GAU in einem ukrainischen Atomkraftwerk.
In der direkten Umgebung des Reaktors kommt die Evakuie-
rung der Menschen nur schleppend in Gang: Erst nach zehn Foto: dpa
Tagen haben alle Menschen im Umkreis von 30 Kilometern
ihre Häuser verlassen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich bereits eine Der Supergau von Tschernobyl hat in der ehema-
radioaktive Wolke über Europa ausgebreitet. In der Bundesre- ligen Sowjetunion ein Gebiet von rund 150.000
publik wird radioaktives Gemüse und Milch beschlagnahmt. Quadratkilometern verseucht
Eltern werden aufgefordert, ihre Kinder nicht draußen spielen
zu lassen. trolle zu bringen und für ausreichend Kühlung des Reaktors
zu sorgen. Die Reaktorkatastrophe von Harrisburg war der
Die Bilanz über 20 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Anfang vom Ausstieg aus der Atomenergie. In den USA brach
Tschernobyl ist erschreckend: Durch den Super-GAU wurde das Atomprogramm zusammen und bis heute ist kein neuer
in der ehemaligen Sowjetunion ein Gebiet von rund 150.000 Atommeiler mehr gebaut worden.
Quadratkilometern radioaktiv verseucht, eine Fläche doppelt
so groß wie das Bundesland Bayern. In diesem Gebiet, das
sich über die heutige Ukraine, Weißrussland und Russland Forsmark, Schweden:
erstreckt, wurden über eine Millionen Menschen evakuiert. Die Atomarer Blindflug
Anzahl derjenigen, die an den Folgen der Katastrophe starben,
ist unbekannt. Schätzungen reichen von einigen Tausend bis Am 26. Juli 2006 kommt es im schwedischen Atomkraftwerk
300.000 Toten. Doch nicht nur in den ehemaligen Sowjetre- Forsmark beinahe zur Kernschmelze. Nur sieben Minuten
publiken sind die Folgen der Reaktorkatastrophe verheerend, hätten gefehlt, bis die Bedienmannschaft in Forsmark die
auch in anderen Teilen Europas ist die radioaktive Verstrahlung Kontrolle über den Reaktor vollständig verloren hätte und es
noch heute allgegenwärtig. unweigerlich zu einer Kernschmelze gekommen wäre, stellte
Lars-Olov Högelund, lange Zeit als Chef der Konstruktionsab-
teilung beim staatseigenen Energiekonzern Vattenfall, nach
Harrisburg: Anfang vom Ende dem Störfall fest.

Am 27. März 1979 kommt es im US-amerikanischen Reaktor Bei Wartungsarbeiten in einem Umspannwerk außerhalb des
Three Mile Island bei Harrisburg zu einer atomaren Katastro- AKW kommt es zu einem Kurzschluss. Zwei der drei Reaktoren
phe. Nach einem Störfall sinkt der Kühlmittelstand im Reaktor. am Standort Forsmark gehen dadurch per Schnellabschaltung
Doch die Reaktormannschaft deutet die Lage falsch und geht vom Netz. Jetzt müssen die Atommeiler per Eigenstrom ver-
vom Gegenteil aus. Aus ihrer Sicht ist der Wasserstand im sorgt werden. Dazu stehen eigene Generatoren zur Verfügung.
Reaktor zu hoch, so dass sie die Kühlmittelnachfuhr unterbre- Sie müssen den Strom liefern, um die Kühlung des Reaktors
chen. Der Wasserstand sinkt dadurch immer weiter ab und aufrecht zu erhalten und die Sicherheitseinrichtungen zu ver-
Teile der hochradioaktiven Brennelemente liegen inzwischen sorgen, die die Kernspaltung unterbrechen. Betroffen ist auch
frei, werden nicht mehr gekühlt. Es kommt zu einer teilweisen das Überwachungssystem, das die Bedienmannschaft mit den
Kernschmelze: Der Uranbrennstoff erhitzt sich und beginnt Informationen über den Zustand der Anlage informiert.
zu schmelzen. Gleichzeitig baut sich im Sicherheitsbehälter
eine Wasserstoffwolke auf. Kommt diese mit Sauerstoff in Doch die werkseigene Stromversorgung versagt. Der Netz-
Verbindung, könnte sie explodieren und das gesamte Reaktor- Kurzschluss hat offenbar auch auf innere Systeme des AKW
gebäude in die Luft sprengen. Mehrfach muss der steigende durchgeschlagen. Zwei der vier Notstromaggregate versagen
Druck im Reaktor dadurch reduziert werden, dass radioaktiver den Dienst und laufen nicht an. Weil auch das Überwachungs-
Dampf über Ventile an die Umwelt abgegeben wird. system versagt, hat die Betreibermannschaft für rund 20 Mi-
nuten keine Informationen über die tatsächlichen Verhältnisse
Zahlreiche Meßinstrumente versagen in Folge des Störfalls und im Reaktor. Sie befinden sich im Blindflug. 20 Minuten dauert
die Reaktormannschaft hat keine eindeutigen Informationen es, bis die Notstromversorgung doch noch in Gang kommt und
über den Zustand der Anlage. Mehre Tage kämpfen Krisen- die Kühlsysteme mit Strom versorgt. Sieben Minuten später
stäbe und Experten verzweifelt, um die Verhältnisse unter Kon- wäre der Super-GAU nicht mehr aufzuhalten gewesen.

VIII spezial
energie

Die sind doch


nicht ganz dicht!
Atomenergie ist weder eine saubere noch eine unerschöpfliche En-
ergiequelle. Radioaktiver Müll, das ist, was zukünftige Generationen
vom „Atomzeitalter“ zu erwarten haben. Und bis heute – rund 50
Jahre nach Beginn der Stromproduktion in Atomkraftwerken - gibt
es weltweit für die dauerhafte Lagerung dieser hochgefährlichen
Hinterlassenschaft keine Lösung: Immerhin für den unvorstellbaren
Zeitraum von einer Million Jahren muss der Atommüll vollständig
von der Umwelt isoliert aufbewahrt werden.

D ass alle Beteuerungen der bundes-


deutschen Atomlobby, die Lagerung
atomarer Abfälle sei im Prinzip gelöst,
sollen so vor der schädlichen Wirkung
der in den Abfällen enthaltenen Radio-
nuklide und nichtradioaktiven Schad-
nichts taugen, machen die Atommüll-La- stoffe geschützt werden“, beschreibt das
ger in Morsleben und in der ASSE II seit Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die
Jahren deutlich. Hier lagert leicht- und Aufgabe, die es zu lösen gilt. Etwas an-
mittelaktiver Atommüll aus den Atom- ders klingt das bei der Bundeskanzlerin:
kraftwerken. Bereits nach nur 30, 40 Im September 2008 machte sie klar, was
Jahren dringt jetzt unkontrolliert Wasser für die Entscheidungsfindung in Sachen
in die Salzstöcke ein und beide Lager Gorleben tatsächlich relevant ist: „Ich
sind vom Einsturz bedroht. Kommt der habe keine Lust, weitere Milliarden aus-
Atommüll mit dem Wasser in Kontakt, zugeben“, sagte Merkel der Zeitung „Die
wird dieses ebenfalls radioaktiv verstrahlt Zeit“ und will deshalb keine bundesweite
und setzt außerdem eine Vielzahl che- Suche nach alternativen Standorten mehr
mischer Prozesse in Gang. Das Wasser durchführen.
kann über unterirdische Pfade dann an
die Oberfläche gelangen. Radioaktive Bei der Endlagersuche fehlt es an allem:
Gase entstehen, die durch Risse und Weder wurde bisher eine vergleichende
Spalten an die Umwelt gelangen kön- Untersuchung verschiedener Stand-
nen. Bricht der unterirdische Salzstock orte mit verschiedenen Wirtsgesteinen
zusammen, platzen die Atommüllbehäl- durchgeführt, noch lässt sich eine sichere
ter auf, legen den Abfall frei. So kann Lagerung in Gorleben nachweisen
die gefährliche Freisetzung der Radioak- – fehlt doch dort die Barrierefunktion
tivität noch beschleunigt werden. eines Deckgebirges, um wasserführende
Schichten abzuschirmen. So ist nicht aus-
Atommülllagerung scheitert zuschließen, dass über unterirdische Was-
nicht nur in Morsleben und serwege gefährliche radioaktive Stoffe
der ASSE II... in die Biosphäre gelangen. Dennoch
werden einige Wissenschaftler und Politi-
Trotz dieser offenkundigen Probleme ker nicht müde, das Vorhaben für sicher
mit Salz als Endlagermedium soll der zu erklären - einige von ihnen haben das
Salzstock in Gorleben zum Lager ausge- auch schon von ASSE II behauptet. The-
rechnet der hochradioaktiven Atom- oretisch scheint die Frage der Endlager
abfälle werden. Und das, obwohl die seit im Kreise der Atomlobby geklärt zu sein,
Anfang der 80er Jahre stattfindenden sie scheitert bis jetzt aber doch täglich an
Untersuchungen eine Vielzahl von alar- der praktischen Umsetzung.
mierenden Sicherheitsmängeln aufge-
zeigt hat. „Das Ziel der Endlagerung ist ...sondern weltweit
es, die radioaktiven Abfälle dauerhaft in
tiefen geologischen Formationen sicher Und die Atommüllmenge wächst weiter:
einzuschließen. Mensch und Umwelt allein der hochradioaktive Müll weltweit

spezial IX
energie
jährlich um 8.300 bis 12.000 Tonnen! nehmen, die für die Endlagerung des „Königlich Technischen Hochschule“,
Hinzu kommt ein Vielfaches an schwach- schwedischen Atommülls zuständig ist, Peter Szakálos und Gunnar Hultquist,
und mittelaktivem Müll. Wir haben uns Oskarshamn und Östhammar ins Visier gehen davon aus, dass diese Kupfer-
einmal in der Welt umgeschaut und kein genommen. Nahe des Orts Östham- behälter bereits nach nur wenigen 100
einziges Endlager für hochradioaktiven mar befindet sich auch das in Betrieb Jahren durch in das Lager eindringendes
Abfall gefunden - obgleich dieser aller- befindliche „Endlager“ für leicht und Wasser korrodiert sein werden und dann
orten fleißig produziert wird und schon mittelaktive Atomabfälle - in direkter auch diese Barriere nicht mehr vorhan-
viele Jahre intensiv nach einem solchen Nachbarschaft zum AKW Forsmark. den ist. Schon jetzt drückt das Wasser an
Endlager gesucht wird. In einem Punkt zahlreichen Stellen in den 3,5 km langen
herrscht allerdings Einigkeit: Die Lage- Doch wie in Deutschland, hat man auch Versuchsstollen, der auf der Insel Äspö
rung soll überall in „tiefen geologischen in Schweden Probleme mit dem Wasser. 420 Meter in die Tiefe führt. „Ein Fels
Formationen“ erfolgen. Aus den 50 Meter tiefen Stollen, in ohne Wasser lässt sich nicht finden“,
denen der Atommüll eingelagert ist, kommentiert eine Sprecherin der SKB.
Schweden: Was tropft denn da? werden täglich mehrere hundert Liter
Wasser gepumpt. Dass das Endlager Frankreich: schwierige
In Schweden sollen die angefallenen ra- schon nach 20 Betriebsjahren leck ge- Endlagersuche
dioaktiven Abfälle in Granitformationen schlagen ist und durch einen nicht iden-
dauerhaft gelagert werden. Gilt Schwe- tifizierbaren, undichten Atommüllbehäl- Mit derzeit 58 AKW produziert Frank-
den geologisch doch als vergleichsweise ter kontaminiert wurde, spricht nicht für reich über 75 Prozent seines Stroms in
stabil. die schwedische Endlagerphilosophie. Atomkraftwerken. Entsprechend groß ist
Müssten in diesem Endlager eigentlich die Atommüllmenge. Da auch in Fran-
Als potentielle Endlagerstandorte für doch „nur“ kurzlebige Radionuklide kreich kein Endlager für hochradioak-
hochradioaktiven Müll hat die SKB, (Halbwertszeiten von höchstens 500 tiven Müll existiert, lagert er oberirdisch
eine Tochtergesellschaft der schwe- Jahren) sicher gelagert werden. neben der Wiederaufarbeitungsanlage
dischen Elektrizitätsversorgungsunter- La Hague. Für die Suche eines potenti-
Ob diese Probleme lösbar sind, ist zumin- ellen Endlagers wurde in den 1990ern
dest fragwürdig. Denn so geologisch per Gesetz eine auf 15 Jahre angelegte
ruhig, wie angenommen, ist der Unter- Erforschung der Gesteinsformationen
grund in Schweden möglicherweise gar Granit, Ton und Salz vorgeschrieben.
nicht. Der Paleogeophysiker Nils-Axel
Mörner weist darauf hin, dass es Risse Doch auch in Frankreich zeigte sich
im Granit gibt, die jünger als 10.000 schnell, dass nicht geologische Verhält-
Jahre sind. Spuren im Untergrund deu- nisse oder Sicherheitskriterien für die
ten darauf hin, dass es in jüngerer Zeit Standortwahl ausschlaggebend sind:
mindestens 58 Erdbeben (bis zur Stärke Aufgrund massiver Proteste an mehre-
8) im schwedischen Untergrund gegeben ren potentiellen Standorten wird heute
hat. Und schließlich verweisen Experten nur in der kleinen Kommune Bure im
auf die Gefahren von Methangasexplosi- Osten Frankreichs weiter gearbeitet. In
onen. Aber alternative Konzepte für die dem relativ dünn besiedelten Landstrich
Lagerung des Atommülls werden auch in gibt es bislang wenig Widerstand und
Schweden bis heute nicht untersucht. Millionen Forschungsgelder fließen über
den EURATOM-Vertrag in die Region.
Aufkommende Sicherheitsbedenken ver- Hier soll nun Tongestein zur dauerhaften
sucht die schwedische Atomwirtschaft Lagerung von Atommüll untersucht
mit dem Hinweis auf die eingesetzten werden.
Behälter zu zerstreuen. Die eingesetzten
Kupferbehälter, in denen der radioaktive Bereits beim Abtäufen von zwei Schäch-
Müll verpackt wird, sollen auch dem ten gab es immer wieder technische
Druck einer auf dem Endlager liegenden Probleme, die zu einer Bauverzögerung
kilometerdicken Eisschicht standhalten führten. So ging das vorgesehene
können. Doch gibt es begründete Zwei- Untertage-Labor verspätet in Betrieb
fel. Die Stockholmer Wissenschaftler der und musste innerhalb kürzester Zeit
Ergebnisse liefern. Auf Basis dieser
wissenschaftlich zweifelhaften For-
Frankreich produziert 75 Pro- schungsergebnissen verabschiedete das
zent seines Stroms in Atom- französische Parlament 2006 ein Gesetz
kraftwerken. Für den Müll über die unterirdische Lagerung des
Foto: argus/Belobelle
gibt es aber kein Endlager Atommülls. Von den 577 Abgeordneten

X spezial
energie
waren lediglich 19 anwesend! Da allein gefördert, so dass schließlich nur diese rungen machen die Standortsuche für
in Bure „geforscht“ wird, kann das nur Region übrig blieb. So waren zunächst ein Endlager für hochradioaktiven Müll
als politische Vorfestlegung auf diesen ein Salzstock in Texas sowie Basalt- zu einer geologischen „Herausforde-
Standort gewertet werden. Seit 2000 ist schichten im Staat Washington in der rung“. Einen Standort für ein solches
die Bundesanstalt für Geowissenschaften Planung. Doch wegen der direkten Nähe Lager gibt es in Japan bis heute nicht.
und Rohstoffe (BGR) an den Unter- eines großen Flusses bzw. dem benach- Der Versuch, dass sich eine Gemeinde
suchungen in Bure beteiligt. Bis 2011 barten größten Trinkwasserreservoir der freiwillig als Standort anbietet, ist in
sollen ca. 2,6 Millionen Euro ausgege- USA wurden diese Standorte nicht mehr der Vergangenheit gescheitert. Das
ben werden. Dabei hat die BGR 2007 weiter untersucht. Parlament hat bislang lediglich ein
Tongesteine für die dauerhafte Lage- dreistufiges Verfahren zur Standort-Wahl
rung von Atommüll als nicht besonders So genehmigte der Kongress im Jahr festgelegt. Konkrete Ergebnisse gibt es
günstig bewertet hat: „Das potentielle 2002 den Bau des zentralen Endlagers bis heute nicht.
Wirtsgestein Tongestein weist gegen- in den Yucca Mountains. Ca. 13,5 Mrd.
über Steinsalz für die Endlagerung von Dollar wurden bisher investiert. Dabei Nichts geht
hochradioaktiven Abfällen insgesamt sind auch hier die geologischen Eck-
ungünstigere Eigenschaften auf“. daten alarmierend: Das Gebiet der Yucca Weltweit zeigen sich bei den Planungen
Mountains ist erdbebengefährdet und für die Endlagerung hochradioaktiver
USA: Yucca Mountains außerdem besteht die Gefahr vulka- Atomabfälle enorme Probleme, selbst bei
vor dem Ende? nischer Aktivitäten. Immerhin ist das den leicht- und mittelaktiven Hinterlas-
Tuff-Gestein durch Vulkane entstanden. senschaften bekommt die Wissenschaft
Die USA verfügten weltweit über das Außerdem hat der Stamm der Schoscho- das nicht in den Griff. Eine Landebahn
größte Atomprogramm – sowohl bezo- nen die US-Regierung auf Anerkennung für den atomaren Blindflieger gibt es
gen auf die Zahl der Atomkraftwerke ihrer Landrechte aus dem Jahr 1863 ver- nicht. Auch in anderen, technologisch
als auch auf die Zahl der Atomwaffen. klagt - ihnen gilt der Berg als Heiligtum. hoch entwickelten Industriestaaten wie
Dennoch gibt es für die dauerhafte La- den USA, Schweden, Frankreich und
gerung der bisher angefallenen 57.000 Die Zukunft der Yucca Mountains als Japan verfügen Wissenschaft und Atom-
Tonnen abgebrannter Brennelemente Endlager-Standort ist ungewiss. Der wirtschaft nicht über die Kompetenzen
auch hier bis heute keine Lösung. Wie in neue Präsident Obama hat die Finanz- und Konzepte, mit dem gefährlichen
Deutschland, Schweden und Frankreich, mittel im Haushaltsplan 2010 drastisch strahlenden Material sicher umzugehen.
wird auch in den USA faktisch bislang gekürzt und das Energieministerium Doch dieser Erkenntnis verweigern sich
lediglich ein Standort zur Lagerung un- angewiesen, eine neue Strategie für den bis heute die Befürworter der Atomener-
tersucht: In den Yucca Mountains, einem existierenden und anfallenden Atommüll gie auf unverantwortliche Weise. Selbst
ehemaligen Testgelände für Atomwaffen auszuarbeiten. angesichts der katastrophalen Realitäten
in der Wüste Nevadas, soll Tuffgestein in Morsleben und ASSE II wollen sie
als Wirtsgestein dienen. Japan – Erdbeben und Vulkane weiterhin Atomkraftwerke betreiben. Es
mutet vor diesem Hintergrund mehr als
Im Nuclear Waste Policy Act war Japan ist immer wieder von schweren zynisch an, wenn die Atomstromkon-
ehemals die detaillierte Untersuchung Erdbeben betroffen, die zu zahllosen zerne dann auch noch die Atomenergie
mehrerer Standorte vorgeschrieben. Störfällen und Bränden in den derzeit als Klimaretter anpreisen.
Voruntersuchungen an anderen Standor- 56 Atomkraftwerke führen. Zahlreiche
ten hatten gravierende Probleme zu Tage aktive Vulkane sowie tektonische Stö- Thomas Erbe und Marco Volgmann,
Energie-Fachgruppe und
Regionalgruppe Braunschweig,
Weltweit existiert kein einziges Endlager braunschweig@robinwood.de
für den hochradiokativen Atommüll

Foto: argus

spezial XI
energie

Foto: Geralt/Pixelio
Wünsch Dir was!
Zur internationalen „Atomrenaissance“

Siemens-Mitarbeiter stehen zukünftig vor einer unangenehmen Aufgabe: Nachdem sie


jahrelang dringend vor russischer Nukleartechnik gewarnt haben, um die eigene, franzö-
sisch-deutsche als viel besser und sicherer zu preisen, müssen sie nun wohl wärmstens für
russische Produkte werben. Denn Siemens hat angekündigt, seine Beteiligung am deutsch-
französischen Atomkonzern Areva zu beenden und stattdessen mit dem russischen Atom-
konzern Rosatom zusammen zu gehen. Bis Mai soll ein Vertrag erarbeitet sein. Das neue
Unternehmen will von der Brennstoffherstellung, über Atomkraftwerke bis zur Stilllegung
alter AKW alles anbieten und Areva, General Electric sowie Toshiba Konkurrenz machen.

S iemens glaubt an die Renaissance der Atomkraft und


daran, dass bis 2030 weltweit 400 neue Atomkraft-
werke gebaut werden. Eine beeindruckende Zahl. 400
Bau- und Stilllegungskosten sowie die Abfallentsorgung
vollständig selbst finanzieren müssen. Keine Subventionen!
Bereits Ende März 2008 warnte ein Regierungsberater,
AKW in nur 21 Jahren! Doch wie realistisch sind diese dass diese „Androhung“ das Ende der erhofften neuen Re-
Erwartungen, wenn man bedenkt, dass sich allein der aktoren darstellen könnte. Eine Kostenanalyse zeige, dass
Neubau im finnischen Olkiluoto von geplanten vier auf allein die Preise, die aktuell in Sellafield für die Lagerung
inzwischen vermutlich mindestens sieben Jahre Bauzeit radioaktiven Abfalls bezahlt werden, so hoch sind, dass
verlängern wird? Was also ist dran an der nuklearen Re- sie künftige Investoren abschrecken. Einzige Lösung: Die
naissance? Regierung sichere einen Maximalpreis zu, der bei 6 bis 12
Prozent der tatsächlichen Kosten läge, die heute für den
Die World Nuclear Association listet von Argentinien bis Abfall gezahlt werden. Das aber wäre nichts anderes als
zu den Vereinigten Arabischen Emiraten zahlreiche Länder eine staatliche Subvention. Am Beispiel England zeigt sich
auf, die neue AKW bauen wollen. Rund 40 Länder planen auch, wie „ernst“ die Klimaschutzbekundungen der Atom-
demnach neue Reaktoren: alte Atommächte wie Fran- industrie sind: E.ON und EDF warnten in einem britischen
kreich oder England und solche, die es werden wollen Anhörungsverfahren, erneuerbare Energien dürften nicht
wie Aserbaidschan und Jemen. Absichtserklärungen, die „unbegrenzt“ gefördert werden. Die Regierung müsse ein
Anfang März dazu führten, dass die kanadische Uranfirma Höchstlimit für deren Anteil an der gesamten Stromerzeu-
Cameco Corp vor Uranengpässen warnte. Aufgrund der gung festsetzen, um die Kernkraft nicht zu „knebeln“,
Finanzkrise würden Uranminen nicht wie geplant erschlos- (FR,25.3.09).
sen und auch die Versorgung mit Uran aus abgerüsteten
russischen Atomsprengköpfen sei ungewiss. Wer soll das bezahlen?

Selbst in Schweden, wo bereits Anfang der 80er Jahre der Die Kosten sind die Achillesferse all der Atomprogramme.
Atomausstieg beschlossen war, kündigte die derzeitige In Finnland explodieren die Baukosten für das AKW
konservative Regierung an, das AKW-Neubau-Verbot abzu- Olkiluoto. Nach bislang vier Jahren Bauzeit liegen die
schaffen und neue AKW als Ersatz für die stillzulegenden Kosten schon mehr als 50 Prozent über den vertraglich
Reaktoren bauen zu wollen. Doch der Weg dahin ist weit: vereinbarten. Areva streitet inzwischen mit seinem Kunden
Schwedische UmweltschützerInnen weisen darauf hin, TVO vor Gericht darüber, wer die Mehrkosten tragen soll.
dass selbst in der konservativen Partei diese Regierungs- Siemens, Noch-Anteilseigner an Areva, hat vorsorglich
erklärung nicht sonderlich populär ist: „Wir haben direkt schon Verlust-Rückstellungen gebildet. Seit Jahren versucht
nach der Entscheidung eine Großbestellung für Anti-Atom- Bulgarien mit allen Mitteln, die Finanzierung für den Bau
sonnen bekommen, die Parteimitglieder beim Treffen der des AKW Belene sicherzustellen. Bislang ohne Erfolg.
Zentrumspartei tragen wollen“, berichtet die schwedische Schon vor der Finanzkrise waren Banken zurückhaltend bei
Aktivistin Eia Liljegren-Palmaer. Sie sieht für die nächste der Finanzierung von AKW. Die Risiken wurden als zu groß
Wahl 2010 einen Atomwahlkampf voraus. eingeschätzt. Im März schließlich erklärte eine französische
Bank, mitten in der Krise seien die Banken nicht liquide
Hoffnungsträger Großbritannien? genug, um riskante Kosten in der Größenordnung von
Atomkraftwerken zu schultern.
Die Hoffnung auf neue AKW ist in Großbritannien so groß,
dass die Konkurrenten E.ON und RWE sich zusammen tun, Ohne staatliche Subventionen wird es also kaum einen
um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Der Haken: Neubau von Atommeilern geben. Da diese in der EU von
Die Regierung verlangt, dass die privaten Betreiber die Wettbewerbsregeln gebremst werden, kämpft die Atom-

XII spezial
energie

industrie nun vehement darum, dass


Atomkraft als Lösung für den Klima-
wandel anerkannt wird. Schon bei
den Klimaverhandlungen in Kopenha-
gen wollen sie durchsetzen, dass die
Atomenergie unter den Umweltschutz-
mantel schlüpfen kann, um zusätzliche
Förderung zu erhalten.

Wenn in Europa eine Renaissance nicht


sehr wahrscheinlich ist, dann liegen die
Hoffnungen vor allem auf Indien und
China, die für Auftrieb bei der welt-
weiten Atomenergienutzung sorgen
sollen. Wie sieht es dort aus?

Millionen für...nichts Foto: Sabine Vielmo/Greenpeace

Das Energieministerium von Indien hat Reaktoren gebaut werden, wird Atom- Auch in Großbritannien sind die
angekündigt, 40.000 Megawatt Atom- energie voraussichtlich weder in Indien gigantischen Kosten die Achil-
energie (das entspricht etwa 30 bis 35 noch woanders großartig zunehmen, lesferse aller Atomprogramme
AKW) bis 2020 neu bauen zu wollen. aus rein wirtschaftlichen Gründen“, so
Obwohl Indien den Atomwaffen- Ramana. Neubauten verglichen. Zwischen 1985
sperrvertrag nicht unterzeichnet hat, und 2000 wurden nur 11 Prozent der
stimmte die Nuclear Suppliers Group Unbekannte Größe China Pläne realisiert, zwischen 1996 und
2008 auf massiven Druck der USA zu, 2010 werden es maximal 51 Pro-
dass Indien Atomausrüstung importie- Und China? Klar ist, dass die Kraft- zent sein. Also deutlich weniger als
ren darf. Mit diesem Deal wollen die werkskapazitäten enorm ausgewei- angekündigt. Sind also Siemens 400
USA der amerikanischen Firma General tet werden, der Energiebedarf ist neue AKW Wunschdenken? In dieser
Electric ermöglichen, Atomausrüstung gewaltig. Der Löwenanteil an der Größenordnung absolut. Sicher ist,
zu liefern und damit gute Geschäfte zu Stromversorgung liegt aktuell bei dass in den nächsten Jahren mehr alte
machen. Kohlekraftwerken, der momentane Reaktoren abgeschaltet, als neue ge-
Anteil der Atomkraft ist eher marginal. baut werden. Der Anteil der Kernkraft
Dennoch sind diese Pläne maßlos Offizielle Pläne wollen den Ausbau der an der weltweiten Energieerzeugung
übertrieben, wie z.B. die indische Atomenergie um 45.000 MW mit 40 wird sinken, nicht steigen. Dazu trägt
Ökonomin M.V. Ramana feststellt. Sie AKW bis 2018. Ist das wahrscheinlich? die breite Ablehnung der Atomkraft
empfiehlt einen Blick auf die bishe- Der britische Energieexperte Antony ebenso bei, wie ihre enormen Kosten.
rigen Erfahrungen: So plante die in- Froggatt erklärt: „Im Bereich Wind und Ökonomen weisen immer wieder
dische Atomenergiebehörde 1984 den Gas sehen wir, dass China in der Lage darauf hin, dass Atomkraftwerke ohne
Bau von Atomanlagen im Umfang von ist, extrem ehrgeizige Ziele einzuhalten staatliche Unterstützung nicht kapital-
10.000 MW bis 2000. Millionen wur- und sogar zu übertreffen. Ihre Erfah- marktfähig sind, ein Problem, das der
den ausgegeben, aber 1998 war kein rung mit dem Bau von Atomkraftwer- Atomindustrie selbst sehr bewusst ist.
einziges MW gebaut. Dieselbe Behörde ken ist jedoch ziemlich eingeschränkt,
hofft heute, dass mit Aufhebung des dort gab es Verzögerungen und Und sie hat ein weiteres Problem:
Importverbots alles viel leichter sei. Probleme.“ Fände sie denn einen magischen Weg
„Das löst jedoch nicht das Problem der zu neuen Subventionen, fehlten ihr
hohen Kosten der Energieerzeugung, Aber China scheint entschlossen schlicht die Kapazitäten zum Bau.
die weltweit für das langsame Wachs- und hat Konzessionsrechte für den Sowohl bei den Ingenieuren fehlt der
tum der Atomenergie verantwortlich Uranzugang erworben und Verträge Nachwuchs, als auch bei den tech-
ist“, so Ramana. Importierte Kraft- mit Kraftwerksbauern und Brennstoff- nischen Möglichkeiten. Umweltschüt-
werke sind zu teuer, die Alternative, anbietern geschlossen. Doch es gibt zerInnen sehen deshalb aktuell eher
eigene Kapazitäten in Indien zu ent- auch Stimmen, die davor warnen, die eine Renaissance der Ankündigungen
wickeln, sehr langwierig. Ramana hält Fähigkeiten Chinas zu überschätzen. als eine Renaissance der Atomkraft.
lediglich importierte Atomkraftwerke Tatsächlich zeigt sich ein ähnliches Bild
im Umfang von 8.000-10.000 MW bis wie in Indien. Der Atomexperte Mycle Regine Richter ist Mitarbeiterin der
zum Ende des nächsten Jahrzehnt für Schneider hat das Verhältnis zwischen Umweltorganisation urgewald.
denkbar. „Aber selbst, wenn einige geplanten und tatsächlich realisierten Kontakt: regine@urgewald.de

spezial XIII
energie

Die Macht der großen Vier!


Ende der 90er Jahre wurde mit der sogenannten Liberalisierung der Energiemärkte in der Eu-
ropäischen Union begonnen. Ziel war es, mehr Wettbewerb zu erzeugen und damit die Kos-
ten für die Energieversorgung zu reduzieren. Ein Ziel, das nicht nur in Deutschland als weit-
gehend gescheitert angesehen werden muss. Aus ehemals acht großen Energiekonzernen
in Deutschland bildeten sich vier noch größere Unternehmen heraus. E.ON, RWE, Vattenfall
und EnBW kontrollieren heute über 80 Prozent der Stromerzeugung und einen fast ebenso
großen Anteil bei der Stromversorgung der EndkundInnen. Und daran soll sich – geht es nach
dem Willen der vier Stromkonzerne - auch in Zukunft nichts ändern. Im Gegenteil: Vom deut-
schen Markt aus, greifen sie nach Europa und wollen so ihre Dominanz weiter ausbauen und
zum Global Player auf den Energiemärkten in Europa werden.

Vattenfall, zu 100 Prozent im


Besitz des schwedischen Staates,
strebt nach eigenem Bekunden
D ie Liberalisierung des Energiemarktes
haben die großen Vier bis heute
weitgehend verhindern können und statt-
wenig ändern. Denn die vier Unterneh-
men verfügen über die entsprechenden
finanziellen Potentiale, um auch kurzfristig
eine dominante Rolle in den Ost- dessen die Konzentration im deutschen auf Veränderungen zulasten ihrer Macht
see-Anrainer-Staaten an und will Energiemarkt sogar noch ausgebaut. Das reagieren zu können. Unliebsame Konkur-
„nördlich der Alpen“ agieren. Das fast vollständige Fehlen von nennens- renz kann notfalls einfach aufgekauft und
Unternehmen ist gegenwärtig in wertem Wettbewerb ermöglicht den so integriert werden.
Dänemark, Finnland, Deutschland, Konzernen eine Preisbildung, die enorme
Polen, Schweden und Großbritan- Gewinne zur Folge hat. So haben sich die Inzwischen haben E.ON, RWE, Vattenfall
nien tätig. Vattenfall Europe hat Strompreise zwischen 2000 und 2006 um und EnBW z.B. die derzeit in Planung
seinen Umsatz im Jahr 2007 um rund 50 Prozent erhöht. befindlichen Off-Shore-Windparks entlang
elf Prozent auf 12,3 Milliarden der deutschen Küsten fast vollständig un-
Euro gesteigert. Für Aufmerksam- Marktmacht – Stromerzeugung ter ihre Kontrolle gebracht. Diese Anlagen
keit sorgte erst vor kurzem die haben große Bedeutung für den weiteren
Übernahme des Stromkonzern Bei der Stromerzeugung, also den Kraft- Ausbau der erneuerbaren Energien in
Nuon, mit dem Vattenfall nun werken, halten die vier Konzerne heute Deutschland. Nach den Planungen des
auch auf dem holländischen Markt einen Anteil von durchschnittlich etwa 80 Bundesumweltministeriums sollen diese
eingestiegen ist und sich bei dieser Prozent, bei den Grundlastkraftwerken so- Off-Shore-Windparks im Jahr 2025 etwa
Gelegenheit auch gleich einen gar über 90 Prozent (Leprich 2007, S. 29) 15 Prozent Anteil am Stromerzeugung
norddeutschen Konkurrenten vom haben, während die an Land befindlichen
Hals geschafft hat. Möglicherweise wird sich diese eindeutige Windanlagen lediglich 10 Prozent liefern
Dominanz in den nächsten Jahren etwas sollen.
EnBW steigerte seinen Umsatz abschwächen. Neue Unternehmen werden
im Jahr 2008 um rund 10 Pro- sich im Erzeugungsmarkt durch die in Auch wenn die großen Vier in den nächs-
zent auf nun 16,3 Mrd. Euro. Das Bau bzw. in Planung befindlichen über 20 ten Jahren bei der Stromerzeugung also
Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe neuen Kohlekraftwerke etablieren kön- etwas an Einfluss verlieren werden – so
befindet sich zu 45,01 Prozent im nen. Unternehmen wie Südwest-Strom, besetzen sie sowohl bei den im Bau und
Besitz des französischen Staats- Electrabel oder Dong könnten dadurch Planung befindlichen Kohlekraftwerken
konzerns EDF und betreibt unter den Einfluss der großen Vier reduzieren. als auch im Offshore-Bereich Schlüsselbe-
anderem die Billig-Marke Yellow Dennoch bleiben diese mit über der Hälfte reiche. Und damit kontrollieren sie auch,
Strom. EDF kontrolliert EnBW und der neuen Kraftwerkskapazitäten im in welche Richtung die Energieerzeugung
damit den Strommarkt vor allem Geschäft. Einen weiteren Anteil an der verlaufen wird. Denn die Stromnetze, die
im Südwesten Deutschlands. Auch Energieerzeugung werden die erneuer- bislang ebenfalls noch unter fast vollstän-
wenn EnBW stärker auf den deut- baren Energien einnehmen, die überwie- diger Kontrolle der großen Vier stehen,
schen Markt orientiert ist, hält das gend von kleineren und mittelständischen sind für die Aufnahme und Verteilung des
Unternehmen gewichtige Anteile Unternehmen betrieben werden. Auch Stroms von entscheidender Bedeutung.
an tschechischen und polnischen hier wird sich der bisherige Einfluss der
Energieversorgungsunternehmen großen Vier bei der Stromerzeugung in Schon heute kommt es immer wieder
Prazská energetika a.s. und Elek- der Zukunft etwas abschwächen. dazu, dass dezentrale Stromerzeuger
trownia Rybnik S.A.. Außerdem ist wie die Windparks vorrübergehend
EnBW in Österreich, Ungarn und Doch an ihrer strategischen Marktmacht abgeschaltet werden müssen, weil die
der Schweiz aktiv. wird sich – so wie es aussieht – insgesamt Netze überlastet sind. Diese Problematik

Foto: Boscolo/Pixelio
XIV spezial
energie
wird sich weiter zuspitzen. Vor allem in Um die wachsende Macht der Konzerne E.ON ist heute der größte Strom-
Norddeutschland sollen große Kraftwerks- wenigstens teilweise kontrollieren zu konzern in Europa. Die Landkarte
kapazitäten an Land (Kohle) und aus See können, versuchte die EU-Wettbewerbs- des Unternehmens ist beeindru-
(Wind) neu entstehen. Kommission in den vergangenen zwei ckend: In 18 europäischen Staa-
Jahren durchzusetzen, dass die Konzerne ten ist E.ON inzwischen auf dem
Für die Aufnahme dieser hohen Leis- wenigstens die Stromnetze verkaufen Strom- und Wärmemarkt vertreten,
tung sind die Stromnetze aber bislang sollten. Mit der Trennung von Stromer- darunter Russland, Großbritannien,
nicht ausgelegt. Um sowohl die neuen zeugung und Stromverteilung sollte ein Schweden, Italien und Spanien.
Kohlekraftwerke als auch die auf See Mindestmaß an Wettbewerb durchgesetzt Außerdem in den USA. E.ONs ei-
befindlichen Windparks integrieren zu werden. Nicht nur die Konzerne, son- gener Anspruch: „Mit Leistung und
können, sind erhebliche Investitionen und dern vor allem auch die Regierungen in Engagement sind wir auf dem Weg,
der Ausbau der Stromnetze erforderlich. Deutschland und Frankreich lehnten das unsere Vision Wirklichkeit werden
In welchem Umfang das passiert und wie strikt ab. Dennoch erhöhte die Wettbe- zu lassen: E.ON wird das weltweit
schnell das geht, kontrollieren die großen werbskommission zunächst den Druck führende Strom- und Gasunter-
Vier. Und damit haben sie den Schalter in und ging wegen des Verdachts illegaler nehmen. Bereits jetzt sind wir mit
der Hand, ob es zugunsten der Windener- Preisabsprachen z.B. massiv gegen E.ON knapp 87 Mrd. Euro Umsatz und
gie oder der Kohlekraft weiter geht. und RWE vor. Millionenschwere Scha- rund 93.500 Mitarbeitern eines der
densersatzforderungen drohten und die weltweit größten privaten Strom-
Marktmacht – Stromabsatz Genehmigung von Firmenübernahmen im und Gasunternehmen.“ Über die
Ausland lagen vorerst auf Eis. E.ON bot Eigentumsverhältnisse bei E.ON gibt
Ebenso beherrschend wie bei der Strom- schließlich an, das gesamte Stromleitungs- es wenig konkrete Infomationen. Im
erzeugung sind die vier Konzerne auch netz und Anteile ihres Kraftwerkspark in Geschäftsjahr 2007 befanden sich
beim Absatz. Nicht nur was die direkten Deutschland zu verkaufen. von den im Umlauf befindlichen
Verträge mit EndverbraucherInnen angeht, Aktien 19 Prozent im Inland und 56
sondern vermittelt über zahlreiche regio- Doch im März 2009 musste die Wett- Prozent im Ausland (E.ONs Ge-
naler Energieversorger und Stadtwerken, bewerbs-Kommission schließlich klein schäfte 2007/08, urgewald). Zu den
an denen sie beteiligt sind. Im Jahr 2007 beigeben. Die deutsche und französische großen Anteilseignern gehören die
hielten diese Konzerne an insgesamt 325 Regierungen setzten sich beim Gesetzes- Allianz Versicherung und die ameri-
regionalen Versorgern Anteile und damit paket zum Energiebinnenmarkt durch kanischen Investmentgesellschaften
an rund 40 Prozent dieser regionalen und verhinderten so die von der EU- Capital Research und Templeton.
Versorger. Kommission angestrebte Aufteilung der
Konzerne. Für die Stromkonzerne mehr RWE über sich selbst: „Unser
Obwohl die Konzerne in vielen Fällen als nur ein wichtiger Teilsieg, selbst wenn Markt ist Europa. RWE ist der
lediglich Minderheitsbeteiligungen halten, E.ON inzwischen erklärte, den Verkauf der größte Stromerzeuger in Deutsch-
geht auch das Bundeskartellamt davon Stromnetze dennoch weiter zu verfolgen. land und die Nr. 3 in Großbri-
aus, dass sie diese damit weitgehend kont- Auf ihrem Weg, sich als Global-Player im tannien. Unsere Position in Zen-
rollieren. Leprich kommt daher zu dem europäischen Energiemarkt zu etablieren tral- und Südosteuropa bauen wir
Ergebnis, „dass die vier Großen bereits und damit ihre wirtschaftliche Vormacht- kontinuierlich aus.“ Schon jetzt
Einfluss auf rund 80 Prozent des gesamten stellung noch weiter auszubauen, haben macht RWE bei einem Gesamt-
Stromabsatzes in Deutschland besitzen … RWE und E.ON eine deutliche Stärkung er- umsatz von rund 49 Mrd. Euro mit
und auf diese Weise den Vertrieb ihres in fahren. Nicht nur in Deutschland, sondern 18 Mrd. Euro (Zahlen 2008) ein
Großkraftwerken erzeugten Stroms sicher- in steigendem Masse in Europa werden Drittel seines Geschäfts außerhalb
stellen.“ (S. 33) sie künftig ein entscheidendes Wort in der Deutschlands. Wichtige Anteile hält
Energiepolitik mitreden. RWE an Strom- und Gasversorgern
Ziel Europa in Großbritannien, in Ungarn und
Die Studie „Die vier großen deutschen der Slowakei. Die Eigentümerstruk-
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, Energieunternehmen unter der Lupe tur bei RWE ist äußerst komplex.
über welche außerordentliche Macht diese (Kurzstudie), Uwe Leprich, Saarbrücken, Der ehemals hohe Anteil kommu-
vier Konzerne in der deutschen Energie- 28. November 2007“ steht im Internet als naler Gesellschaften ist inzwischen
politik verfügen. Neben der französischen PDF-Datei zum Download zur Verfügung. auf unter 25 Prozent gesunken. Be-
EDF und „Gas de France Suez“ (GDF Suez) Download-Link und weitere Informationen teiligungen halten u.a. die Allianz,
sowie der italienischen Enel gehören E.ON unter http://www.robinwood.de/Mehr- die Münchener Rückversicherungs-
und RWE inzwischen zu den größten Informationen.60.0.html Gesellschaft, die amerikanische
Stromversorgern in Europa und sind Capital Research and Manage-
außerdem im Gas- und Wärmegeschäft ment Company. Rund 37 Prozent
überaus agil. Seit Jahren verfolgen diese Dirk Seifert ist ROBIN WOOD-Referent befinden sich bei institutionellen
beiden Konzerne eine intensive Expansi- für Energie in Hamburg Anlegern und rund 13 Prozent in
onspolitik in Europa. Kontakt: energie@robinwood.de den Händen privater Investoren.

spezial XV
energie
Foto: argus/Raupach

Die Lichter gehn‘ nicht aus!


Ausgerechnet die Atomindustrie versucht mit der Angst zu spielen: Wenn der Aus-
stieg komme, drohe Deutschland eine Deindustrialisierung, Versorgungslücken
würden entstehen, ohne ihren billigen Strom gingen die Lichter aus. Ein kleiner
Rückblick auf einen warmen Sommer liefert erhellende Erkenntnisse.

Im August 2003 ist es so richtig Sommer, seit Wochen.


Flüsse und Seen haben sich aufgeheizt, Freibäder und
Badeseen sind überlaufen, Ventilatoren und Klimaanlagen
zentrale Großkraftwerke. Die vier großen Energiekonzerne
haben an einer solchen intelligenten Stromnutzung und
einem sparsamen Verbrauch jedoch kein Interesse. Um
ausverkauft. Von Brokdorf bis Philippsburg müssen die ihre Umsätze zu steigern, streben sie danach, immer mehr
Atomkraftwerke ihre Produktion um bis zu 80 Prozent Strom zu verkaufen. Ihre Strategie besteht darin, Strom
drosseln. Grund: Das Wasser kühlt einfach nicht mehr für Großverbraucher billig auf den Markt zu schmeißen:
und eine weitere Erwärmung der Flüsse wäre nicht zu Ist das Angebot erstmal vorhanden, wird sich die Nach-
verantworten. frage schon einstellen.

Für die Versorgungssicherheit lässt sich aus diesem Bei- Diese Preispolitik hat fatale Auswirkungen. Die Strom-
spiel lernen, dass Atom- und Steinkohlekraftwerke einem verschwendung wird forciert, Überkapazitäten werden
heißen Sommer nicht ausreichend gewachsen sind. Doch aufgebaut und der regenerativen Energie wird der Zugang
auch außerhalb des Sommers sind beide Kraftwerkstypen zum Netz erschwert. Schon heute wird die Abnahme
behäbige Großtechnologien, die nur unzureichend gere- von Windstrom häufig mit dem Argument verweigert,
gelt werden können. Nichts anderes verbirgt sich hinter die Netze seien überlastet. Im Klartext heißt das nichts
dem Begriff Grundlastkraftwerk. Die Großkraftwerke sind anderes, als dass lieber Kohle und Uran zu Strom gemacht
dazu ausgelegt, weitgehend unabhängig vom Bedarf werden. Derweil wächst das atomare Unfallrisiko mit dem
rund um die Uhr die gleiche Menge Strom zu erzeugen. Alter der Meiler und immer mehr CO2 heizt das Klima auf.
Besonders in der Nacht produzieren sie so Strom, den
keiner braucht. Mit abgeschriebenen AKW und gigantischen Kohlekraft-
werken lässt sich Strom für die Konzerne billig produzie-
„Aber der Wind weht doch nicht immer!“ lautet ein häu- ren. Jedenfalls so lange die Brennstoffe Kohle und Uran
figes Argument, derjenigen, die im nächsten Zug gerne steuerfrei bleiben, das Entsorgungsproblem von anderen
behaupten, sie würden ja gerne auf umweltfreundlichen getragen wird und der Staat dafür aufkommt, infrastruk-
Strom setzen, wenn er nur verlässlich produziert werden turelle Vorkehrungen gegen den Klimawandel zu schaf-
könnte. Wenn der Wind nicht weht, produziert eine fen.
Windkraftanlage so wenig Strom, wie ein AKW während
der Revision. Allerdings kommt es seltener vor, als man
meint, dass der Wind nicht weht – jedenfalls dann, wenn
man das Windaufkommen in europäischen Dimensionen
B ei einem Vorrang erneuerbarer Energien, einer intel-
ligenten Stromnutzung und ernsthaften Anstrengun-
gen zur Senkung des Stromverbrauches ist der sofortige
betrachtet. Ausstieg aus der Atomkraft möglich. Auch neue Kohle-
kraftwerke werden schlicht nicht gebraucht. In Deutsch-
Aus der Kohleverfeuerung stammt in Deutschland etwa land wird längst mehr Strom erzeugt, als verbraucht.
die Hälfte des Stromes. Von der Windenergie erwartet 2007 produzierten zeitweise sieben AKW gar keinen
niemand einen solchen Beitrag. Anders als konventionelle Strom. Trotzdem exportierte Deutschland mehr Strom, als
Großkraftwerke können sich die regenerativen Energie- es einführte.
träger aber ideal ergänzen. An einem lauen Sommertag,
wenn das Kühlwasser knapp wird, läuft Photovoltaik zu Allein durch die konsequente Anwendung effizienter
Hochtouren auf. Am Tage, wenn viel Strom verbraucht Technologien lässt sich der Strombedarf nach einer Studie
wird, weht auch der Wind stärker als in der Nacht, Biogas des Umweltbundesamtes um 12 Prozent reduzieren. Nur
kann immer dann verstromt werden, wenn die Nachfrage die Profite drohen zu schmelzen, davor fürchten sich die
groß oder das Angebot an Strom knapp ist. Energiekonzerne, Angst vor ausgehenden Lichtern brau-
chen sie uns nicht zu machen.
Regenerative Kombinationskraftwerke, in denen Wind-,
Biogas-, Wasser- und Photovoltaik-Kraftwerke zusam- Philipp Horstmann lebt als Umweltjournalist in
mengeschaltet werden beweisen schon heute, dass sie Dannenberg, Kontakt: 05861/985633
die schwankende Nachfrage besser bedienen können, als umweltjournalismus@gmx.net

XVI spezial
energie

Foto: Telemarco/PIXELIO

Schon 2030 könnte die Energieerzeugung zu 100 Prozent aus Erneuerbaren bestehen

Alles Erneuerbar
Die Energieversorger betreiben den Neubau von Kohlekraftwerken und fordern eine Verlängerung
der Restlaufzeiten von Atomkraftwerken. ROBIN WOOD setzt dagegen auf Energiesparen und
erneuerbare Energien. Die Energieversorger behaupten, Erneuerbare allein könnten den deutschen
Stromverbrauch nicht decken. Doch wie haben sich diese Techniken in den letzten 20 Jahren tatsäch-
lich entwickelt und welche Möglichkeiten bieten sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten?

N ach Berechnungen der Solarwerk-


statt Freising ist der Brutto-Strom-
verbrauch seit 1990 in Deutschland von
werden, während z.B. Kohlekraftwerke
gerade mal einen Wirkungsgrad von
gut 40 Prozent erreichen und mit der
Deutschland weitgehend ausgeschöpft
und liegt bei ca. 25 TWh.

550 Terawattstunden (Milliarden Kilo- Abwärme die Flüsse aufheizen. Windenergie


wattstunden, kurz TWh) auf 610 TWh
angestiegen. Denn eine Komponente in Fünf erneuerbare Energiequellen bzw. Seit dem Inkrafttreten des Stromeinspei-
der deutschen Energiepolitik ist bisher Techniken tragen heute bereits zur segesetzes im Jahr 1990 ist der Aus-
sträflich vernachlässigt worden: Energie- Stromerzeugung in Deutschland bei: bau der Windenergie eine beispiellose
einsparung. Denn jede Kilowattstunde, Wasserkraft, Windenergie, Biomasse, So- Erfolgsgeschichte. Mit diesem Gesetz
die nicht verbraucht wird, muss auch larenergie und Erdwärme (Geothermie). wurden erstmals in Deutschland feste
nicht produziert werden. Und hier gibt Vergütungssätze für Strom aus Wind-
es ein großes Potential: So könnten zwei Wasserkraft energie eingeführt. Die Vergütung stellt
Atomkraftwerke abgeschaltet werden, dabei keine Subvention im eigentlichen
wenn wir auf unnötige Standby-Schal- Die Wasserkraft trägt in Deutschland Sinn dar, weil sie nicht vom Staat gezahlt
tungen verzichten würden. schon seit Jahrzehnten mit einem Anteil wird, sondern von den Energieversor-
von ca. vier Prozent zur Stromerzeu- gern, die verpflichtet sind, den Wind-
Neben den erneuerbaren Energien ist gung bei. Seit 1990 konnte durch den strom abzunehmen.
auch die Kraft-Wärme Kopplung ein Ausbau von Kleinwasserkraftanlagen
wichtiges Element einer zukunftsfähigen und die Erneuerung von Turbinen ein Durch diese Regelung setzte ein starkes
Energiepolitik. Durch die gleichzeitige leichtes Wachstum von durchschnittlich Wachstum der Stromerzeugung aus
Produktion von Strom und Wärme kann 1,7 Prozent pro Jahr erzielt werden. Das Windenergie ein, von nahezu null auf 30
Brennstoff zu über 90 Prozent genutzt Potential der Wasserkraft ist jedoch in TWh im Jahr 2006. Die durchschnittliche

spezial XVII
energie
Foto: Sturm/PIXELIO

Wachstumsrate betrug dabei 51 Prozent. Erdwärme/ Geothermie kapazitäten für Strom zu verbessern und
Das Potential der Windenergie wird zu erweitern, z.B. in Form von Batterien
heute auf rund 300 TWh, also die Hälfte Aus Geothermie werden derzeit in oder Pumpspeicherkraftwerken. Immer
des derzeitigen Verbrauchs geschätzt. Deutschland erst 0,4 TWh Strom er- wenn mehr erneuerbare Energie erzeugt
zeugt. Da es 1990 noch keine Geother- als verbraucht wird, könnte diese dann
Biomasse mienutzung zur Stromerzeugung gab, gespeichert werden, um sie später bei
kann keine Wachstumsrate ermittelt Bedarf zur Verfügung zu stellen.
Die Stromerzeugung aus Biomasse werden. Für die weitere Betrachtung
betrug 1990 rund zwei TWh. Ein starkes wird von einem Wachstum von 50 Pro- Selbst wenn man unterstellt, dass es
Wachstum setzte im Jahr 2000 mit dem zent pro Jahr ausgegangen. in diesen Bereichen zu Verzögerungen
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein. kommt und eine Vollversorgung bis
Seit dem gibt es festgelegte Vergütungs- 2030 zu 100 % Erneuerbar? 2030 nicht umgesetzt werden kann: Das
sätze nicht mehr nur für Windenergie Potential der erneuerbaren Energien und
sondern auch für die anderen erneuer- Setzt man die Entwicklung der Erneuer- die bisherigen Wachstumsschübe lassen
baren Energieträger Biomasse, Solarener- baren mit den gleichen Wachstumsraten den Schluss zu, dass bereits 2020 die
gie und Erdwärme. Das EEG ermöglichte in Zukunft fort, kommt man zu einem erneuerbaren Energien einen Anteil von
ein starkes Wachstum aller regenerativen überraschenden Ergebnis: Schon 2016 50 Prozent an der gesamten Stromer-
Energieträger und wurde inzwischen von wäre eine Vollversorgung mit erneuer- zeugung liefern können. Das sind 20
vielen anderen Ländern übernommen. baren Energien erreicht! Prozent mehr, als die Bundesregierung
derzeit plant.
Die Biomassenutzung stieg bis 2006 auf Geht man von etwas vorsichtigeren
13 TWh. Das entspricht einer Wachs- Annahmen aus, nämlich, dass die Wind- Betrachtet man die Bedrohung, durch
tumsrate von 14 Prozent seit 1990 und energie und die Biomasse weniger stark die fortschreitende Klimakatastrophe,
sogar 21 Prozent zwischen 2000 und ausgebaut werden, als es ihr Potential sollten die Kosten einer Umstellung auf
2006. Das Potential der Biomassenut- zulässt und dass der Zuwachs in der Pho- erneuerbare Energien eigentlich eine
zung zur Stromerzeugung wird auf ca. tovoltaik nur 40 Prozent beträgt, wäre untergeordnete Rolle spielen. Dennoch
100 TWh geschätzt. die Vollversorgung „erst“ im Jahr 2022 brauchen die Erneuerbaren auch diese
erreicht. Allerdings – das ist zunächst Betrachtung nicht scheuen. Verschie-
Solarenergie lediglich eine theoretische Betrachtung. dene Untersuchungen zeigen, dass
Denn um eine Vollversorgung aus die Windenergie schon heute real zur
Die Nutzung der Solarenergie zur Strom- erneuerbaren Energiequellen gewähr- Senkung der Stromkosten beiträgt. Und
erzeugung, auch Photovoltaik genannt, leisten zu können, ist nicht nur der Bau auch beim derzeit noch teuren Solar-
konnte seit 1990 um den Faktor 2000 der entsprechenden Erzeugungsanlagen strom zeigt sich, dass das EEG Wirkung
gesteigert werden. Die durchschnittliche ausschlaggebend. So muss vor allem das zeigt und die Kosten für die Solarstrom-
Wachstumsrate lag bei 61 Prozent. Die Stromnetz den Anforderungen der de- erzeugung und alle anderen erneuer-
Photovoltaik erreichte im Jahr 2006 zwei zentralen Energie-Techniken angepasst baren Energien sinken, - während die
TWh, also 0,3 Prozent der Stromerzeu- werden. Gerade hier haben die großen Strompreise für konventionell erzeugten
gung. Verglichen mit dem enormen Po- vier Stromkonzerne, denen die Strom- Strom weiter ansteigen werden. Dadurch
tential von ca. 450 TWh, also theoretisch netze bis heute überwiegend gehören, wird vermutlich schon ab 2015 der auf
dreiviertel des Stromverbrauchs, steht die erforderlichen Anpassungen unterlas- dem eigenen Dach erzeugte Solarstrom
die Photovoltaik aber immer noch am sen. Sie haben zwar Milliardengewinne günstiger sein als der Strom aus dem
Anfang. Daher ist eine hohe Wachstums- durch die Stromdurchleitung verdient, öffentlichen Netz.
rate auch in Zukunft von besonderer aber so gut wie nichts in die Instandhal-
Bedeutung, um möglichst schnell einen tung und den Ausbau der Stromnetze Ziele der Bundesregierung
nennenswerten Anteil an der Stromer- investiert.
zeugung zu erreichen. Im August 2007 beschloss die Bundesre-
Außerdem sind regenerative Energie- gierung mit dem Energie- und Klima-
Denn die Vorteile dieser Technik liegen quellen mit Ausnahme der Wasserkraft schutzpaket ein Ausbauziel der erneu-
auf der Hand: Bestehende Siedlungs- und der Biomasse wetterabhängig. erbaren Energien von 25 bis 30 Prozent
und Verkehrsflächen können genutzt Die Herausforderung besteht darin die bis zum Jahr 2020. Damit gibt sich die
werden, und auch die Nutzung von Frei- Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Bundesregierung als Vorreiter in Sachen
flächen ist nicht so unsinnig, wie sie auf Verbrauch sicherzustellen. Unter dem Klimaschutz aus. Doch in der Realität
den ersten Blick erscheint: Im Vergleich Begriff des „virtuellen Kraftwerks“ stellt diese Vorgabe im Grunde eine
zu Biomasse erzeugt die Photovoltaik werden derzeit Lösungen entwickelt, Begrenzung der vorhandenen Potentiale
pro Fläche ca. drei bis acht Mal so viel die sicherstellen, dass der Strom auch der erneuerbaren Energien dar.
Energie und die Flächen können trotz- dann verfügbar ist, wenn der Wind mal
dem noch für extensive Viehwirtschaft nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Das zeigt z.B. auch die Leitstudie
genutzt werden. Wichtig ist es daher auch, die Speicher- 2008 des Deutschen Zentrums für

XVIII spezial
energie

!"#
$ %
"&%
' (
')(+
%",
")%
' %
"-.
"%) Vor allem aber die Frage des Atomaus-
stiegs hat maßgeblichen Einfluss auf das
Stromerzeugung Erneuerbare Energien Wachstum der erneuerbaren Energien.
70000 Kommt es nach der Bundestagswahl
zu einer Verlängerung der von den
60000
Geothermie Stromkonzernen E.ON, RWE, Vattenfall
Millionen kWh/a (GWh/a)

Photovoltaik
50000 Biomasse
und EnBW angestrebten Laufzeiten
Wind der Atomreaktoren, dann sieht es für
40000 Wasser
die Erneuerbaren schlecht aus. Längere
30000 AKW-Laufzeiten würden schlicht die
20000 Attraktivität für Investitionen in den Aus-
bau erneuerbarer Energie senken, weil
10000
das Stromangebot dauerhaft auf hohem
0 Niveau festgeschrieben würde. Gerade
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 aber der beschlossene Ausstieg hat die
www.Solarwerkstatt-Freising.de
14.9.2006 Investitionen in diesen Bereich deutlich
unterstützt.

Luft- und Raumfahrt, die im Auftrag ergieanlagendichte (sieben Anlagen pro Technisch steht dem flächendeckenden
des Bundesumweltministeriums erstellt 100 km²), während andere Bundesländer Einsatz der erneuerbaren Energien also
wurde. Die Studie unterstellt erstaunli- noch deutlichen Nachholbedarf haben. wenig entgegen und schon in naher Zu-
cherweise, dass der jährliche Ausbau der Hemmnisse für den weiteren Ausbau kunft könnten diese den größten Teil der
Photovoltaik nicht mehr erhöht, sondern bestehen z.B. in den immer noch z.T. Stromversorgung sicherstellen. Deutsch-
ab 2009 auf einem Niveau von einem „windfeindlichen“ Verwaltungsbestim- land könnte die bislang anvisierten Kli-
Gigawatt stabilisiert wird. Diese „Pro- mungen, die in vielen Gegenden dazu maschutzziele damit sogar viel schneller
gnose“ wird allerdings bereits jetzt von führen, dass die Potentiale für den erreichen. Das aber wird nur gelingen,
der Realität überholt: Branchenexperten Ausbau nicht ausgeschöpft werden kön- wenn es politische und gesellschaftliche
gehen für 2008 von einem Zubau von nen. Solche Bestimmungen ließen sich Mehrheiten gibt, die sich gegen die
1,5 Gigawatt aus und erwarten in 2009 bei entsprechendem politischen Willen großen Stromkonzerne stellen und dafür
ein starkes Wachstum auf 2,5 GW. durch eine Ergänzung im Bundesbauge- sorgen, dass die erneuerbaren Energien
setz ändern. weiter unterstützt und die Atomkraft-
Wie sich die Photovoltaik weiter entwi- werke endlich abgeschaltet werden.
ckeln wird, ist unklar. In jedem Fall hat Die Energiewende ist möglich!
die Bundesregierung mit der Novelle
des EEG im Jahr 2008 für Verunsiche- Die Potentiale der regenerativen Ener- Florian Kubitz hat Energiesystem-
rung gesorgt und eher signalisiert, den gien werden von weiten Teilen der Politik technik studiert und arbeitet heute
Ausbau der Solarenergie bremsen zu immer noch unterschätzt. Auch wenn für eine mittelständische Solarfirma
wollen. Denn statt wie bisher die Ver- energietechnisch noch einige Aufgaben in Hamburg. Bei ROBIN WOOD ist
gütungssätze um jährlich fünf Prozent für den flächendeckenden Einsatz der er im Vorstand, in der Fachgruppe
zu reduzieren, werden sie ab 2009 um erneuerbaren Energien gelöst werden Energie und der Regionalgruppe
jährlich acht bis elf Prozent gesenkt. müssen, sind ihre Möglichkeiten und Hamburg/Lüneburg aktiv.
Bislang ist es der Solarbranche gelungen, Potentiale so weitreichend, dass sie
die geringeren Einnahmen durch eine schon in sehr kurzer Zeit den größten
Reduzierung der Kosten der Solarstrom- Teil der Energieversorgung übernehmen SunEnergy Europe GmbH
anlagen im gleichen Maße aufzufangen. können. Entscheidend dafür aber ist,
Ob das aber auch in Zukunft möglich ist, ob der politische Wille ausreicht, die
bleibt vorerst abzuwarten. Rahmenbedingungen dafür fortzuschrei-
ben und weiter zu entwickeln. Schon
Noch schlechter sieht es bei der Wind- die genannten Änderungen am EEG
energie im Binnenland aus. Hier sollen könnten zu einer Abschwächung führen,
laut Leitstudie 2008 sogar Jahr für Jahr die angesichts der weiter wachsenden
weniger Windräder gebaut werden. klimaschädlichen CO2-Emissionen alles
Einen objektiven Grund gibt es dafür andere als wünschenswert ist.
nicht, denn noch immer sind mehr als
genug Flächen vorhanden. So hat z.B. Strom aus der Sonne zu
das bevölkerungsreichste Bundesland gewinnen, wird in Zukunft
Nordrhein-Westfalen eine hohe Winden- besonders wichtig sein

spezial XIX
energie

Wählen Sie!
Radioaktiv oder
AKTIV?
Bitte im Umschlag senden an:
Ich will lieber aktiv werden!
o Ich möchte ... neue „Faktor 4“-Aktionsflyer
o Ich möchte ... Einladungen zur Demonstration in Berlin
o Ich möchte mehr Informationen über ROBIN WOOD

Name, Vorname

Straße, Hausnummer

ROBIN WOOD e.V.


Geschäftsstelle PLZ , Ort
Postfach 10 21 22

28021 Bremen Telefon E-Mail

Datum, Unterschrift

XX spezial
internes

Neuer ROBIN WOOD-Vorstand 2009


Auf der Delegiertenversammlung mit Kindern und Jugendlichen an einer begleiten und neu anzustoßen. Außer-
Ende März in Hildesheim wurde der Schule für Erziehungshilfe und Lernförde- dem wollen wir unsere Arbeit transparent
neue Vorstand von ROBIN WOOD rung und Stefan Schneider (27) ist ange- gestalten. Unsere Aufgabe sehen wir
gewählt. Wir möchten die Chance hender Umweltmanagment-Student. darin die verschiedenen Ebenen im Verein
nutzen, uns kurz vorzustellen. zwischen Aktiven, Ehrenamtlichen, Mitar-
Wir freuen uns auf die Arbeit im Vor- beiterInnen und Förderern zu verknüpfen.
Dagmar Jordan (42), Biologin aus stand. Dabei werden wir uns neben der
Berlin, ist schon fast 20 Jahre für alltäglichen Vorstandsarbeit bemühen Wir sind zu erreichen unter
ROBIN WOOD aktiv – in der Fach- Diskussionsprozesse im Verein weiter zu vorstand@robinwood.de
gruppe Energie, als Kletteraktivistin
und langjähriges Vorstandsmitglied. Neuer Vorstand: Florian, Jana, Steffi, Henrike, Stefan, Dagmar, Jule (v. links)

Aus dem vergangenen Jahr sind


Jana Flemming (26), Sozialwissen-
schaftlerin aus Berlin, und Florian
Kubitz (31) Elektroingenieur aus
Hamburg, wieder dabei.

Ganz neu dazu gekommen sind


Henrike Becker (28), wissenschaft-
liche Mitarbeiterin am Institut für
Genetik in Mainz, sowie drei ROBIN
WOOD-Aktive aus Dresden: Steffi
Thiemig (22) macht bald ein Frei-
williges Ökologisches Jahr in einem
Tierheim, Jule Hübner (25) arbeitet

ROBIN WOOD-Floßtour 2009


Mal richtig abschalten! Atomkraft? Nein Danke! AktivstInnen werden über die atomaren Gefahren informieren
und für den Ausstieg aus der Atomenergie werben.
Vom 08. Juli bis zum 08. August wird ROBIN WOOD zu einer
Anti-Atom-Floßtour aufbrechen. Los geht’s bei Schweinfurt mit Den Tourenplan und weitere Informationen finden Sie
dem Ziel Passau. An vielen Orten entlang von Main, Main-Do- demnächst unter www.robinwood.de/Flosstour2009.
nau-Kanal und Donau wird das Floß ROBINA WALD anlegen. Anmeldungen unter flosstour@robinwood.de

Nr. 101/2.09 41
tatorte

Widerstand gegen
Flughafenausbau - –
ein Rückblick

Foto: Boykin Reynolds


„Auch wenn wir den Kelsterbacher Wald nicht vor der Rodung durch Fraport retten
konnten, haben der gemeinsame Protest mit den BürgerInnen der Region gegen den Ausbau...

Der Frankfurter Flughafen wird weiter ausgebaut. Umwelt-AktivistInnen hatten am 28. Mai 2008 aus
Größtes Projekt ist eine vierte Landebahn. Dafür Protest gegen den Ausbau den Kelsterbacher Wald
wurde wieder Bannwald gerodet, obwohl nach besetzt, der der Landebahn Nordwest weichen
hessischem Forstgesetz der Bannwald „für das Ge- soll. Anfang der 80er Jahre war für den Bau der
meinwohl unersetzlich“ ist. Aus gutem Grund: Er Startbahn West gegen den breiten Widerstand der
schützt die Bevölkerung vor Lärm und Luftschad- Bevölkerung großflächig Wald gerodet worden.
stoffen, speichert ihr Trinkwasser und dient den Der damalige hessische Ministerpräsident Holger
Menschen in der dicht besiedelten Rhein-Main-Re- Börner gab das Versprechen, dass nach dem Bau
gion als Naherholungsgebiet. kein Baum mehr für den Flughafen fallen wird.
Gesetzlich verankert wurde dies, indem der ver-
Flugzeuge sind die klimaschädlichsten Verkehrs- bliebene Wald mit der Klassifizierung als Bann-
mittel. Jeder Liter des Flugzeug-Treibstoffs Kerosin wald die höchstmögliche Schutzstufe erhielt.
schädigt das Klima so stark wie fast zehn Kilo-
gramm des wichtigsten Treibhausgases Kohlendi- Das Widerstandsdorf im Kelsterbacher Wald
oxid. Ein Flug auf die Kanaren schadet dem Klima wurde im Februar nach mehr als neun Monaten
pro PassagierIn mehr als würde jeder Fluggast ein von der Polizei brutal geräumt. Erik Mohr von
Jahr lang jeden Tag rund 30 Kilometer allein mit ROBIN WOOD hat im Widerstandsdorf gelebt und
dem Auto fahren. sich gegen den Flughafenausbau gewehrt.

42 Nr. 101/2.09
tatorte
Die beste Aktion einer Zeit, in der Fluggastzahlen, Fracht- die Bedürfnisse anderer Rücksicht zu
mengen und die Anzahl an Starts und nehmen, Konflikte gewaltfrei zu lösen,

V or allem sonntags kamen viele


Besucher an den Kuchenstand in
unser Protestcamp. Mir wurde bald
Landungen rückläufig sind und aufgrund
der Wirtschaftskrise mittel- und lang-
fristige Prognosen keine Notwendigkeit
in Gesprächen besonders die weniger
redegewandten und zurückhaltenden
Menschen zu Wort kommen zu lassen,
klar, warum so viele Menschen in der der Landebahn vorhersagen, auch keine
Rhein-Main-Region keine Hoffnungen in Notwendigkeit für einen Sofortvollzug
ihre gewählten politischen Vertreter und gegeben. Es sei denn, man sieht die Ver-
diesen angeblichen Rechtsstaat haben. handlung der Klagen als eine Gefahr für
Immer wieder hatte es in den vergan- den Ausbau. Gute Nacht, Rechtsstaat!
genen Jahren Wortbrüche von Politikern Wenn die Seilschaften zwischen Fraport,
und der Flughafenbetreibergesellschaft Regierung und Gerichten kein Interesse
Fraport gegeben. Mehr als 120.000 an Legalität haben, ist es legitim und
Menschen hatten Einwendungen gegen notwendig, dass Menschen mit zivilem
den Ausbau des Flughafens erhoben, Ungehorsam und direkten Aktionen wie
erfolglos. 260 Klagen gegen den Ausbau Blockaden ihr Recht einfordern.
sind noch nicht einmal verhandelt wor-
den, doch das zuständige Regierungs- Die Waldbesetzung gegen den Ausbau
präsidium gab dem Antrag der Fraport des Frankfurter Flughafens war die beste
auf „Sofortvollzug“ statt und genehmi- Aktion, an der ich bisher mitgewirkt
gte damit die Rodung des Bannwaldes habe. Sie war mehr als eine Umweltakti-
und den Beginn des Flughafenausbaus. on: Wir konnten uns über neun Monate
Eil- und Befangenheitsanträge wurden mit Menschen und Medien, die zu uns in
meist ohne Begründung abgelehnt. den Wald kamen, über unsere Utopien
von einer besseren Welt austauschen.
Laut Gesetz ist der „Sofortvollzug“ nur Wir versuchten bewusst zu leben und
bei „überragendem öffentlichen Interes- auf überflüssigen Konsum zu verzich-
se“ zulässig. Im Gespräch mit den vom ten. Was wir einkaufen mussten, war
Lärm geplagten Menschen der Region meistens vegan. Wir versuchten auf
habe ich schnell Zweifel an diesem
„überragenden öffentlichen Interesse“
bekommen. Selbst wenn daran keine ... und neun Monate Leben im
Zweifel bestünden, hätte es dennoch in Widerstandsdorf im Wald bei uns
Utopien eines selbstbestimmten
Lebens entstehen lassen“ Fotos: ROBIN WOOD/C. Grodotzki

Nr.
Nr. 101/2.09
94/3.07 43
tatorte
in einer Bäckerei und auf dem Biomarkt wieder Beamte auf die Frage, warum
nicht mehr verkauft wurde, musste in Kelsterbach nicht das grundsätzliche
abgeholt und das Geschirr gespült wer- Waldbetretungsrecht gelte, der Wald sei
den. Das alles setzte Engagement und an die Fraport verkauft worden. Das ist
Hilfsbereitschaft voraus. er zum Glück bis heute nicht. Einzelne
Polizisten drückten sich klarer aus: „Wir
Der Zaun machen hier, was Fraport sagt.“

Am 20. Januar wurde Barack Obama als Der Zaun um unser Waldcamp wurde
neuer Präsident der USA vereidigt. Die von Angestellten eines privaten Sicher-
Fraport nutzte diesen Tag, an dem das heitsdienstes bewacht. Viele Wachleute
öffentliche Interesse weit weg vom hes- wussten nicht einmal, dass hier eine Lan-
sischen Wald war, um mit den Rodungs- debahn gebaut werden soll, geschweige
Foto: ROBIN WOOD/C. Grodotzki arbeiten zu beginnen. Die Polizei zäunte denn, wie die Rechtslage ist. Wenn ich
unser Widerstandsdorf ein und hob mit ihnen gesprochen hatte, kam häufig
20.01.09: Als Barack Obama unseren Erdbunker aus, in dem sich ein kurz darauf einer ihrer Chefs und wies
vereidigt wird, nutzt die Fraport Aktivist angekettet hatte. Nachts wurde sie zurecht. War der Chef wieder weg
den Tag, um mit der Rodung zu der Zaun beleuchtet, jede Lampe hatte und ich sprach sie erneut an, sagten sie
beginnen: Sie zäunt das Dorf ein einen eigenen lärmenden Generator. kein Wort mehr und blickten unsicher
und hebt den Erdbunker aus und traurig zur Seite. Ein Unternehmen,
Seit diesem Tag kontrollierte die Polizei dass seinen Angestellten verbietet, mit
rund um die Uhr vor jedem Eintritt ins Menschen zu sprechen, ist moralisch
Neuankömmlinge und oft auch von der Widerstandsdorf die Personalien und bankrott.
Gesellschaft ausgeschlossene Menschen durchsuchte uns. Kletterausrüstung
an Aktionen und der Gemeinschaft und Schlafsäcke durften nicht mehr in Wir versuchten, die Rodungsarbeiten
teilhaben zu lassen. Privateigentum ha- das nun eingezäunte Dorf genommen durch Besetzungen von Bäumen und
ben wir geteilt oder mit Bibliothek und werden. Viele Polizisten gaben falsche Baumerntemaschinen zu verhindern.
Kleiderkammer gleich ganz abgeschafft Auskünfte. Erst im Februar sollten die Wer sich an diesen Aktionen zivilen Un-
und allen zur Verfügung gestellt. Täglich Kelsterbacher Stadtverordneten über ei- gehorsams beteiligt hatte, wurde nach
haben wir für alle Besetzer und Besucher nen eventuellen Verkauf des städtischen der polizeilichen Räumung stundenlang
gekocht, gegessen wurde zusammen. Waldes an Fraport abstimmen. Doch festgehalten. Im Polizeigewahrsam wur-
Regelmäßig musste Wasser geholt und schon lange vorher antworteten immer den die AktivistInnen fotografiert, ihnen
Feuerholz gesammelt werden. Essen, das

Baumerntemaschinen
18.02.09: Räumung des wurden besetzt, um die
ROBIN WOOD-Baumhauses Rodung zu verhindern

Foto: Wilfried Jaspers

44 Nr. 101/2.09
tatorte
wald

Foto: ROBIN WOOD/C. Grodotzki

Obwohl der Widerstand gegen den Kahlschlag im Wald friedlich und gewaltfrei war,
ging die Polizei mit aller Härte gegen die Protestierenden vor

wurden teils mit Gewalt Fingerabdrücke überklettern. Dennoch erschwerten die zu verlassen. Jede und jeder bekam eine
abgenommen, einige wurden nackt aus- zahllosen Platzverweise Aktionen gegen persönliche Polizei-Eskorte, einige wur-
gezogen. Die Rückkehr ins Widerstands- die Rodungsarbeiten. Als wir in unserem den in Gewahrsam genommen. Die Pres-
dorf wurde ihnen verboten. Widerstandsdorf eingezäunt und rund se konnte den Einsatz nicht beobachten,
um die Uhr bewacht wurden, nachts die denn die Polizei verwehrte ihr den
Einige wollten deshalb ihre Zelte angren- Scheinwerfer grell leuchteten und die Zugang zum Camp mit der (falschen)
zend zum Rodungsgebiet und nahe bei Generatoren lärmten, tagsüber die Bäu- Begründung, sie bräuchten dafür eine
unserem Widerstandsdorf aufschlagen. me in Hörweite zu Boden krachten und Genehmigung der Fraport. Unter un-
Die Polizei wies ihnen jedoch eine andere die Räumung stündlich drohte, wäre es seren Baumhäusern positionierten sich
Stelle fernab davon zu. Trotzdem wur- für viele gesünder gewesen, einfach zu Hubwagen. Vier AktivistInnen hatten
den die AktivistInnen mitten in der Nacht gehen. Doch wir konnten nicht anders: sich im Boden des ROBIN WOOD-Baum-
von anderen Polizisten aus dem Schlaf Wir mussten bleiben und uns diesem hauses und um den Stamm der massiven
gerissen, mit Gewalt und halbnackt aus Unrecht in den Weg stellen. Eiche angekettet. Wie üblich bevorzugte
ihren Zelten gezerrt. Die Polizei nannte die Polizei beim Lösen der Ankettvorrich-
es eine „routinemäßige Personalienkont- Die Räumung tungen mit Trennschleifern die schnelle
rolle“. Nach meinem Eindruck war dies und schmerzhafte gegenüber der für die
eine von vielen Repressionsmaßnahmen, Am 18. Februar drangen morgens um Gesundheit von Menschen sicheren Va-
die nicht mit den Aufgaben der Polizei 7:30 Uhr etwa 150 Polizisten von allen riante. Später erfuhr ich, dass noch drei
von Sicherheit oder Rechtsstaatlichkeit Seiten in unser Widerstandsdorf ein. weitere KletteraktivistInnen sich auf einer
zu vereinbaren sind. Es sollte sich noch Ausgerechnet in dieser Nacht hatten nur Baumplattform und in einem anderen
häufiger zeigen, dass die Polizei die zehn AktivistInnen in den Bäumen über- Baumhaus angekettet hatten.
schnelle Durchsetzung der Interessen der nachtet, obwohl wir mit fünf Baumhäu-
Fraport höher bewertet als die Gesund- sern und mehreren Plattformen dreißig Am Boden ließ ich mich tragen. Den Po-
heit von Menschen. Schlafplätze in den Bäumen hatten. lizisten sagte ich: „Sie müssen verstehen,
Polizeikletterer stiegen mit Steigeisen dass ich diesen Wald nicht freiwillig ver-
Wer trotz „Betretungsverbot“ zurück in an den Stämmen hoch und zerschnit- lasse, auch wenn ich weiß, dass ich keine
unser Widerstandsdorf wollte, wurde ten unsere zahlreichen Seilbrücken. Die Chance habe.“ Während der Fahrt zum
vom unmotivierten Wachpersonal nicht knapp vierzig WaldbesetzerInnen am Polizeipräsidium sah ich noch Teile des
davon abgehalten, nachts den Zaun zu Boden wurden gezwungen, das Camp kahl geschlagenen Waldes. Ich musste

Nr. 101/2.09 45
tatorte
weinen, aber ich fühlte mich unglaublich Sie fotografierten mich und erzwangen Warum wurde eine friedliche Aktivistin
stark: Wir hatten uns trotz der Repressi- die Abnahme von Fingerabdrücken. Ein von einem Polizisten so sehr misshan-
onen nicht an unserem Protest hindern Polizist drückte sein ganzes Körperge- delt, dass sie auch heute, zwei Monate
lassen. Ich dachte: „Der Traum vom die wicht auf meinen Finger, während mir später, ihren Arm nur eingeschränkt
Menschen schützenden Bannwald ist der andere, der mir zuvor „brachiale und unter starken Schmerzen beugen
aus, aber ich werde alles geben, dass Gewalt“ angedroht hatte, schmerzhaft kann? Warum hat sie dieser Polizist, als
mein Traum von einer gerechteren und den Arm verdrehte. Er drehte so lange, er sie auf einer späteren Demo wieder
friedlicheren Welt Wirklichkeit wird.“ bis ich unter den Tisch fiel. Ich weinte erkannte, ausgelacht? Wer mich kennt,
und wiederholte, dass ich, egal wie sie weiß, wie sehr ich Gewalt in allen ihren
Ingewahrsam mich behandeln würden, gewaltfrei blie- Formen ablehne. Doch nach den Miss-
be, weil Gewalt in meinem Traum von handlungen meiner FreundInnen durch
Auf dem Polizeirevier kamen zwei einer friedlicheren und gerechteren Welt die Polizei, nach den Provokationen und
Polizisten in meine Zelle und forderten keinen Platz hätte. dem Gefühl der Ohnmacht kann ich
mich zum Mitkommen auf. Ich sagte, Menschen, die daran verzweifeln und
ich würde nur in die Freiheit gehen. Ein Gewalt selbst Gewalt anwenden, nicht mehr
Polizist drohte mir, „brachiale Gewalt“ kurzerhand verurteilen.
anzuwenden. Ich erinnere mich genau, Ich konnte den Polizisten, der mir den
wie ich ganz ruhig sitzen blieb und in Arm verdrehte, nicht verstehen. Als ich Danach
ruhigem Ton sagte: „Es gibt für Sie gar ihn fragte, ob es ihm denn Spaß machen
keinen Grund, brachiale Gewalt anzu- würde, mir so große Schmerzen zuzufü- Nein, wir, die in dieser Gesellschaft le-
wenden. Ich sitze hier ganz friedlich. Von gen, sagte er: „Natürlich macht es mir ben, in der wer gierig ist, als erfolgreich
mir geht keine Gefahr aus. Egal wie Sie keinen Spaß.“ Da verstand ich, dass er gilt und wer rücksichtslos ist, als füh-
sich verhalten, ich werde ruhig und fried- zu dieser Misshandlung genötigt wurde. rungsstark, haben es im Widerstandsdorf
lich bleiben.“ Daraufhin packten er und Das System war schuld und seine Schwä- oft nicht geschafft, gerecht zueinander
sein Kollege mich und schleiften mich in che, sich dem zu widersetzen. zu sein, auf verletzende Sprüche zu
ein anderes Zimmer. Dort sollte ich mich verzichten und andere zu Wort kommen
nackt ausziehen. Das verweigerte ich. Von Anfang an wurde uns Gewaltbe- zu lassen.
Angeblich wollten sie so sicherstellen, reitschaft unterstellt, doch die Bestre-
dass ich mich nicht selbst verletze. Ich bungen, uns zu kriminalisieren, blieben Aber wir haben geübt anders zu leben.
entgegnete, dass ich trotz der Zerstö- erfolglos. Ich unterstelle der Polizei, Wir haben uns über Grenzverletzungen,
rung des Bannwaldes ein lebensfroher dass es auch für sie niemals Anzeichen Sexismus, Homophobie, Umweltschutz,
Mensch sei. Es gebe für mich überhaupt gewaltsamen Widerstands gab. Polizis- Tierrechte und Veganismus ausgetauscht
keinen Grund, mich zu verletzen, ebenso ten hatten keinen Grund, sich vor uns zu und viel Wichtiges für unser eigenes
wenig für sie, das anzunehmen. Sie fürchten. Warum lagen dann die Nerven Leben gelernt, das wir in keiner norma-
zogen mich trotzdem aus. Nachdem ich bei der Polizei so blank, dass auf einer len Schule oder Universität hätten lernen
mich wieder angezogen hatte, schleiften Demo nach der Räumung ein Polizist können. Wir protestierten solidarisch mit
sie mich in die Zelle zurück, aus der sie mit seiner Schusswaffe einen Clown den BürgerInnen der Region mit vielen
mich heraus geholt hatten. Nach einer bedrohte, der mit seinem Finger ein radikalen gewaltfreien Aktionen und
Weile holten sie mich erneut, um mich Peace-Zeichen in den Staub der Motor- lebten einigermaßen selbstbestimmt und
erkennungsdienstlich zu behandeln. haube eines Polizeifahrzeuges malte? glücklich in der Natur.

Erik Mohr
Der Kelsterbacher Wald ist für eine vierte Landebahn gerodet worden,
Kontakt: E.Mohr@gaia.de
obwohl heute mehr als zweifelhaft ist, ob die zusätzlichen Kapazi-
täten für den Frankfurter Flughafen überhaupt gebraucht werden

46 Nr. 101/2.09
tatorte
wald

Aktionswoche gegen RWE mit Anti-AKW-Bonbons

Köln, 02.03. bis 07.03.09: Mitglieder der Regionalgruppe Köln


haben sich Anfang März an der sogenannten „RWE-Aktionswo-
che“ der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald
beteiligt. Neben zahlreichen anderen Initiativen in insgesamt 44
Städten nahmen auch ROBIN WOOD-Mitglieder aus Köln an der
Kampagne „Stromwechseln wirkt“ teil. Sie verteilten vor einem
Bio-Supermarkt in Köln-Nippes Stromwechselflyer und Anti-
AKW-Bonbons an interessierte KundInnen. Ziel war es einerseits
möglichst viele Menschen zum Wechsel ihres Stromanbieters
weg von RWE hin zum echten Ökostromanbieter zu motivieren.
Andererseits sollte mit dem Slogan „FingeRWEg“ öffentlicher
Druck auf den Energiekonzern RWE gemacht werden, der nach
wie vor eine Beteiligung am Bau des Atomkraftwerks Belene in
Bulgarien in einem Erdbebengebiet plant. Die Aktion war ein
voller Erfolg und die Resonanz bei den Bioladenkunden zum
Thema Stromwechsel sehr positiv.

Bringt Licht ins Dunkel


der Atommüll-Beseitigung!
26.02.09: Mit einer 52 Kilometer langen Lichterkette von
Braunschweig über Wolfenbüttel bis Salzgitter protestierte
ROBIN WOOD zusammen mit vielen Anti-Atom-Initiativen,
Gewerkschaften, Verbände und Gemeinden gegen den ver-
antwortungslosen Umgang mit Atommüll. Die Lichterkette von
Braunschweig über die Asse II bis zum Schacht Konrad sollte
die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Atommüllla-
ger-Standorten in Deutschland sichtbar machen. Die Versuche,
in der Asse und in Morsleben Atommüll sicher zu lagern, sind
gescheitert. Das muss endlich Konsequenzen für die Suche
Foto: Frank Tunnat
nach einem Endlager-Standort haben, forderte ROBIN WOOD.

Tschernobyl Jahrestag 2009 –


Atomausstieg bleibt!
25. und 26.04.09: Rund 3.000 AtomkraftgegnerInnen demonstrierten an-
lässlich des 23. Jahrestages der Katastrophe von Tschernobyl in Münster (25.
April), Krümmel und Neckarwestheim (beide 26. April). Mit fast 1.500 Teilneh-
merInnen fand die größte Demonstration am AKW Krümmel statt.

Wenige Tage zuvor war bekannt geworden, dass in direkter Nähe des AKW
erneut ein Fall von Kinder-Leukämie aufgetreten ist. Damit sind seit Anfang
der 90er Jahre inzwischen 19 Kinder erkrankt. Statistisch normal wäre nur ein
Viertel davon. Wegen dieser einzigartigen Erhöhung der Leukämierate wird
seit Jahren vermutet, dass es einen Zusammenhang mit der Radioaktivität aus
dem AKW und der benachbarten Atomforschungsanlage GKSS geben könnte.
Das von Vattenfall und E.ON betriebene AKW Krümmel gehört zu den störan-
fälligsten Atomkraftwerken in Deutschland. Seit seiner Inbetriebnahme 1983
hat es insgesamt 313 Störfälle gegeben.

AktivistInnen von ROBIN WOOD beteiligten sich an den Demonstrationen. In


Krümmel simulierten sie an einem AKW-Modell, wie schnell es zum Super-
Gau kommen kann.

Nr. 101/2.09 47
wald

Alleenschutz
europaweit
Fotos: Arnika/ Jana Vitnerova
25.03.09: Besser sicht-
Ende Februar schlugen tschechische UmweltschützerInnen Alarm: Bis Ende bar - Arnika ist für den
März sollten 9000 Alleebäume gefällt werden. Bäume an der Straße seien Schutz der tschechischen
für die Autofahrer zu gefährlich, war die offizielle Begründung und so Alleen akiv
wurde begonnen, überall in Tschechien gesunde, alte Alleen zu fällen.
Die Regierung hatte aber offensichtlich nicht mit der großen Resonanz in
den Medien und mit starken Protesten von BürgerInnen und der Umwelt-
schutzorganisation Arnika gerechnet.

A rnika lud Anfang März Christiane


Weitzel von ROBIN WOOD zu einer
Pressekonferenz nach Prag ein. Sie stellte
mern, Nordrhein-Westfalen und Schles-
wig-Holstein gesetzlich geschützt. Dort
stehen mehr als 65 Prozent der bundes-
toten seit Beginn der Verkehrsstatistik
Anfang der 50er Jahre registriert. Und
das, obwohl sich die Zahl der Pkw seit
dort Maßnahmen zum Schutz der Alleen deutschen Alleen. Wird ein Alleebaum 1970 verdreifacht hat. Diese verbes-
in Deutschland vor. So sind Alleen in gefällt, muss mindestens ein neuer ge- serte Sicherheit auf bundesdeutschen
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom- pflanzt werden. In Nordrhein-Westfalen Straßen wurde dadurch erzielt, dass
hat die Landesregierung in Zusammen- Höchstgeschwindigkeiten festgesetzt,
arbeit mit Kommunen, Verbänden und Unfallschwerpunkte ermittelt und an
engagierten BürgerInnen das Programm besonders gefährlichen Stellen Leitplan-
„100 neue Alleen für Nordrhein-Westfa- ken angebracht, die Fahrschüler speziell
len“ aufgelegt. trainiert und die Fahrzeuge mit diversen
sicherheitstechnischen Neuerungen
In Deutschland sinkt seit Jahren die ausgestattet wurden.
Zahl der Verkehrstoten. Verunglückten
1970 noch rund 22.000 Menschen im Diese Fakten und der Druck der tsche-
Straßenverkehr tödlich, wurde 2008 mit chischen Verbände und der Öffentlich-
4467 die geringste Zahl der Verkehrs- keit haben das Verkehrs- und Um-
weltministerium in Tschechien schnell
überzeugt. Eine Woche nach der Presse-
Gemeinsame Pressekonferenz konferenz wurde das Fällen von Allee-
von Arnika und ROBIN WOOD in bäumen an Staatsstraßen der Kategorie I
Prag zum Schutz der Alleen gestoppt. Jetzt sollen Maßnahmen

48 Nr. 101/2.09
wald
ergriffen werden, den Straßenverkehr
in Tschechien sicherer zu machen. Die
Ministerien wollen eine Karte aller Alleen
und ihres Gesundheitszustand erarbeiten
und veröffentlichen. In Zukunft sollen
nur noch sehr kranke Bäume fallen.
Arnika macht sich nun dafür stark, dass
diese Maßnahmen auch an Straßen der
Kategorie II und III ergriffen werden, die
von den Kommunen verwaltet werden.

Fatales Alleenkonzept
für Brandenburg

Brandenburg, das Land mit den meisten


Alleenkilometern in Deutschland, ver-
sucht unterdessen den Alleenschutz aus-
zuhebeln. So bringt das Verkehrsministe-
rium gerade eine neue Alleenkonzeption
auf den Weg, die den Alleen-Erlass aus
dem Jahr 2000 ablösen soll. Darin hatte
Brandenburg festgelegt, dass für jeden
gefällten Alleebaum ein neuer gepflanzt
werden muss.

Aus dieser Verpflichtung möchten die Waldsterben unter neuer


Verkehrspolitiker sich jetzt klammheim-
lich verabschieden und nur noch 30- Bewirtschaftung
Alleen-Kilometer pro Jahr nachpflanzen
- das bedeutet ca. 5000 Bäume im Jahr. Den meisten wird die neue Forst- und Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner erst so
Bei jährlich 9000 Fällungen, die für 2010 richtig bei der Verkündung des Anbauverbots von Monsanto-Genmais aufgefallen
vom Verkehrsministerium prognostiziert sein. Wer – davon positiv überrascht und neugierig geworden – etwas tiefer in
werden, würde sich der Alleenbestand andere Verlautbarungen der neuen Chefin eingetaucht ist, beispielsweise in die
gravierend verringern: So sollen bis Kommentierung der Waldschadensergebnisse 2008, der ist schnell wieder ernüch-
2025 die märkischen Alleen um mehr tert aufgetaucht.
als 100.000 Bäume auf zwei Drittel des
heutigen Bestands reduziert werden. Erst Dramatisch die Zahlen: Knapp 70 Prozent aller Waldbäume sind erkennbar ge-
2060 stünden wieder so viele Alleen in schädigt. Nur noch 16 Prozent der Eichen sehen einigermaßen gesund aus. Doch
Brandenburg wie heute, so die Zahlen die Pressemitteilung der neuen Ministerin dazu fiel so lustlos und desinteressiert
des Verkehrsministers. aus wie schon unter ihrem Vorgänger Seehofer: Zwar sieht sie Handlungsbedarf
bei der weiteren Minderung der Stickstoffeinträge, allerdings verschweigt sie, dass
Diese Alleenkonzeption ist weder durch die Landwirtschaft selbst - genauer gesagt die landwirtschaftliche Tierproduktion
die gesetzlichen Vorgaben des Branden- - der bei weitem größte Luftverschmutzer mit Stickstoff ist. Und sie lässt auch
burger Naturschutzes noch durch das unerwähnt, dass sich aber gerade in diesem ihrem Zuständigkeitsbereich so gut
Straßengesetz gedeckt. Ein Skandal, wie nichts tut, während die Stickstoffemissionen im Energie- und im Verkehrssek-
den ROBIN WOOD zusammen mit der tor durch Entstickungsanlagen und Katalysatoren tatsächlich immerhin verringert
Schutzgemeinschaft Brandenburger wurden.
Alleen öffentlich machen und mit Protest-
aktionen verhindern will. Weiter führt das Ministerium aus, dass sich doch die Forstwirtschaft durch den Auf-
bau naturnaher Mischwälder gegen die Belastungen aus der Luft wappnen möge.
Christiane Weitzel, Schwedt Schön wär’s ja, den Anteil naturnaher Wälder zu forcieren - allein schon wegen
der Verpflichtung der Bundesregierung, die biologische Vielfalt in Deutschland
Helfen Sie mit und protestieren Sie zu erhalten und zu verbessern. Doch die Frage, wie das letztendlich klappen soll,
per E-Mail gegen die Alleenkon- wenn gerade die Buchen und die Eichen, also die typischsten Baumarten naturna-
zeption bei Reinhold Dellmann, her Mischwälder, am aller stärksten durch die Luftverschmutzungen dahin siechen
Minister für Infrastruktur und – diese Frage lässt Frau Aigner unbeantwortet.
Raumordnung in Brandenburg:
poststelle@mir.brandenburg.de Rudolf Fenner, Hamburg

Nr. 101/2.09 49
bücher

Feuer des Prometheus


Hartwig Berger
Gegen den Willen des Göttervaters Menschen den gleichen Anspruch auf
Der lange brachte Prometheus den Menschen klimawirksame Emissionen zugestehen.
Schatten des das Feuer und musste dafür büßen.
Und auch die Menschen haben sich mit
Wissenschaftlich fundiert beschreibt
Hartwig Berger Möglichkeiten der

PROMETHEUS
Über unseren Umgang mit Energie
diesem historisch einmaligen Entwick-
lungsschritt heute eine Menge Schwie-
Energieautonomie in einer globalisier-
ten Weltwirtschaft. Dabei setzt er auf
rigkeiten eingehandelt. Der Klimawan- die Produktivkraft Wissen: Um eine
del als Folge unseres ungebremsten dezentrale Energieautonomie unter
Energiehungers nach Kohle, Erdöl und umweltverträglichen Rahmenbedin-
Erdgas überschattet unsere Zukunft. gungen weltweit durchzusetzen, sei
eine konsequente Globalisierung des
Dabei ist es mittelfristig längst mög- Wissens nötig, so der Autor.
lich, auf fossile Energienutzung zu
verzichten. Warum ist die Wende zu Hartwig Berger stellt sich den Rat des
einer Solargesellschaft mit maßvollem Prometheus an die Menschen heute
Energieeinsatz bisher nicht gelungen? so vor: Über den Schatten eingespie-
Hartwig Berger analysiert in seinem lter Gewohnheiten springen und den
Buch ausführlich die soziokulturellen Abschied von verbrennungstechnisch
Hintergründe unseres verschwende- gewonnener Energie sofort einleiten.
rischen Umgangs mit Energie.
Hartwig Berger Hartwig Berger ist promovierter Philo-
Der lange Schatten des Prometheus. Chancen für einen Gesellschaftswandel soph und habilitierter Soziologe. Er ist
Über unseren Umgang mit Energie sieht der Autor in neuen Konzepten zur seit langem umwelt- und energiepoli-
Oekom Verlag, 2009 Klimagerechtigkeit. Für ihn ist klar, dass tisch aktiv und war Landtagsabgeord-
214 Seiten, 24,90 Euro nur solche Regelungen der Klimapolitik neter in Berlin. Bis 2008 war er Spre-
ISBN 978-3-86581-129-5 eine Chance haben, weltweit als ge- cher der Bundesarbeitsgemeinschaft
recht anerkannt zu werden, die jedem Energie von Bündnis 90/Die Grünen.

merk-würdiges

Energie sparen muss nicht billig sein - Blockheizkraftwerke

„Energiesparen ist sicher ein löbliches Unterfangen. Aber Für Großverbraucher gibt es diese Maschinen schon länger,
warum sollte ich sparen, so lange der Nachbar nichts davon nun werden sie aber auch für Einfamilienhäuser angeboten.
merkt. Da ist zum Beispiel die Heizung im Keller. Sie arbeitet
vor sich hin und im Winter wird das Haus auch schön warm. Für den prestigebewussten Eigenheimbesitzer haben diese
Zugegeben, sie ist in die Jahre gekommen und verbraucht Anlagen den Vorteil, dass sie noch relativ teuer sind, so dass
ein wenig zu viel Öl, aber eine neue Heizung, zum Beispiel in nicht jeder sie sich wird leisten wollen. Zudem besteht die
Brennwerttechnik, hat irgendwie nicht den rechten Pfiff.“ Möglichkeit, den erzeugten Strom an den lokalen Strom-
versorger zu verkaufen. Sie werden so zum Unternehmer
Solche schon fast verzweifelt klingende Aussagen kennt jeder und können ein Gewerbe anmelden. Damit schaffen Sie
Energieberater. Oft ist es schwer, einem Kunden die Vorteile sich in der Nachbarschaft eine exklusive Position, die zu viel
der modernen Energiespartechnik nahe zu bringen. Aber Gesprächsstoff führt und die Neugierde auf Ihren Heizungs-
im Bereich der Heizungen gibt es da glücklicherweise neue keller schürt - Sie können zum Beispiel Führungen organi-
Entwicklungen. sieren.

Nachdem mit der Brennwerttechnik der Wirkungsgrad der Aber Sie sollten sich beeilen. Mit jedem Mini-Blockheizkraft-
Heizungen in einem Maße gesteigert wurde, dass keine werk, dass installiert wird, sinkt der Preis und schrumpft die
weiteren Verbesserungen möglich erscheinen, werden jetzt Exklusivität. In wenigen Jahren könnte dieser Bonus verpuf-
sogenannte Mini-Blockheizkraftwerke serienreif. Dabei fen. Handeln Sie also schnell.
handelt es sich um Geräte, die nicht nur das Haus heizen,
sondern sozusagen nebenbei auch noch Strom produzieren. Werner Brinker, Darmstadt

50 Nr. 101/2.09
internes

Spenden für Rechtshilfe


Die Aktion ist vorbei, die Presse hat ehrenamtlich von einem Rechtsanwalt
die letzten Bilder geschossen und die betreut wird. Hier können die Betrof-
AktivistInnen packen ihre Ausrüstung fenen Unterstützung für ihre Verteidi-
zusammen und verlassen den Ort des gung vor Gericht erhalten.
Geschehens. Die Aktion ist scheinbar
vorbei. Wir brauchen Ihre Hilfe, um uns auch
in Zukunft nicht durch drohende Buß-
Doch nicht für die Aktiven, die während gelder und Prozesskosten an spektaku-
der Aktion mit dem Gesetz in Konflikt lären Aktionen hindern zu lassen. Wenn
geraten sind, um auf inakzeptable Miß- Sie die AktivistInnen unterstützen
stände und Umweltvergehen aufmerk- möchten, spenden Sie bitte an:
sam zu machen. Gegen sie strengt die
Staatsanwaltschaft Verfahren an und Renald Orth
Foto: A. Fuhrmann/www.brennpunktfoto.de
das, obwohl wir ausschließlich für ge- Stichwort: Rechtshilfe für
waltfreie Aktionen einstehen. Prozesse AktivistInnen
aber sind teuer und treffen viele Aktive Kto: 84 120 00 ROBIN WOOD-AktivistInnen be-
aufgrund geringer Mittel hart. BLZ: 251 205 10 setzten monatelang eine uralte
Sozialbank Hannover Buche in Dresden, die im Januar
ROBIN WOOD ist ein gemeinnütziger 2008 dem umstrittenen Brücken-
Verein und darf keine Gelder für An- Spenden auf dieses Konto sind nicht neubau übers Elbtal weichen
walts- und Prozesskosten von Aktivis- steuerabzugsfähig. musste
tInnen verwenden. Deshalb gibt es ein
unabhängiges Rechtshilfe-Konto, das Vielen Dank!

Der Atomkraft-Lobby eine kleben!


Die Propagandamaschine der Atomenergielobby läuft auf Hochtouren, denn der
Weiterbetrieb von Atomkraftwerken wird zum vielleicht wichtigsten Wahl-
kampfthema. Obwohl das marode Atommülllager ASSE für immer neue Skan-
dale sorgt, die Kinderleukämierate rings um das AKW Krümmel die weltweit
höchste ist und Atomenergie weder das Klima noch die Geldbeutel der Strom-
kundInnen schont, arbeitet die Atommafia Hand in Hand mit Politikern am
Ausstieg aus dem Atomausstieg. Anlass genug, sichtbare Zeichen gegen diese
lebensgefährliche Form der Energieerzeugung zu setzen. Neben Demonstrati-
onen und Protesten sind die ROBIN WOOD-Anti-Atom-Aufkleber ein geeignetes
Mittel für den Haus- und Außengebrauch.

Die wasserfesten Aufkleber können in der Geschäftsstelle bestellt wer-


den. Der erste Bogen (21 mal 10 cm) ist kostenlos, alle weiteren gibt es No Future für Atomkraft!
zum Selbstkostenpreis von 50 Cent. Auch Informationen über Ökostrom
und deren Anbieter können kostenlos angefordert werden unter: Selbst die Blumen im Garten der
Tel.: 0421/598288, info@robinwood.de, www.robinwood.de ROBIN WOOD-Geschäftsstelle zei-
gen Flagge gegen Atomkraft.

Nr. 101/2.09 51
post

Umweltzonen dienen als orientierten Verbände viel zu häufig Vorurteile widerlegt


willkommenes Alibi übersehen. Umso wichtiger wäre, dass
die äußeren Rahmenbedingungen (z.B. 100/1.09, Biokost und Ökokult
100/1.09, Wege aus der Krise Verkehrsinfrastruktur) eine bewusst
ökologische Entscheidung erleichtern Danke für euren Beitrag zum Thema, der
Seit vielen Jahren bin ich überzeugtes bzw. erst ermöglichen. Wenn der wirklich gut und umfangreich recher-
und engagiertes Mitglied mehrerer vielleicht 15 km entfernte Arbeitsort chiert ist und die üblichen Vorurteile
ökologisch ausgerichteter Verbände. Mir nur zweimal täglich vom Bus ange- gegenüber dem Ökolandbau kompetent
stellen sich derzeit einige Fragen, deren fahren wird, erübrigt sich jede weitere widerlegt.
Beantwortung noch niemandem gelun- Überlegung. Nebenschauplätze wie die
gen ist - Beispiel Pendlerpauschale: Es Umweltzone verdecken den Blick auf Evelyn Schönheit
sei ein Unding, waren sich die Verbände die wirklichen Probleme. Übrigens: „Bei
früher einig, dass für die Nutzung des keiner anderen Erfindung ist das Nütz-
Kraftfahrzeugs auf dem Weg zur Arbeit liche mit dem Angenehmen so innig
erheblich höhere Beträge absetzbar seien verbunden wie beim Fahrrad.“
als für umweltverträgliche Verkehrsmit- impressum
tel. Jetzt, da die Entfernungspauschale Wolfgang Bönig
im Kern verkehrsmittelunabhängig ist,
fordern dieselben Verbände ihre Ab-
schaffung. Die Begründung, sie fördere Energieverbrauch stagniert Nummer 101/2.09
den Wegzug vom Arbeitsplatz und trage
zur Zersiedlung der Landschaft bei, über- 100/1.09, Wandel des Lebensstils Magazin
zeugt nicht. Vom Wegfall der Entfer-
nungspauschale wird vor allem getrof- Aus dem Artikel wird nicht ersichtlich, Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
fen, wer de facto gezwungen ist, seinen woher die Zahl zur Entwicklung des Erscheinungsweise vierteljährlich
Arbeitsplatz wohnungsfern zu suchen. Primärenergieverbrauchs stammt (Stei-
Ein Umzug, falls überhaupt möglich, gerung des Primärenergieverbrauchs Redaktion: Sabine Genz, Angelika Krumm,
zerstört soziale Kontakte der gesamten 95 bis 05 um 1,4%). Ich habe andere Annette Littmeier, Nick Meendermann,
Familie. Arbeitet der Lebenspartner in Zahlen: Hiernach stagniert der Pri- Christian Offer, Regine Richter, Dr. Christiane
der anderen Richtung, ist ohnehin nichts märenergieverbrauch schon lange auf Weitzel (V.i.S.d.P.). Verantwortlich für Layout,
gewonnen. hohem Niveau, das Jahr 2005 bringt Satz, Fotos und Anzeigen ist die Redaktion.
aber im Vergleich zu 1995 eine leichte
Noch unverständlicher sind mir die Posi- Absenkung von ca. 0,23% (aus neue Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
tionen zu Umweltzonen und Abwrack- energie 11/06). Mir wäre es auch lieber, Lindenallee 32, 16303 Schwedt
prämie. Letztere wird zu Recht abgelehnt wenn der Rückgang schneller und mas- Postfach 10 04 03, 16294 Schwedt
wegen der negativen Ökobilanz auf siver ginge, aber Wunschdenken hilft Tel.: 03332/2520-10, Fax: -11
Grund der vorzeitigen Neuproduktion nun mal nicht weiter. magazin@robinwood.de
und der sozialen Negativwirkungen,
denn gefördert wird nur, wer sich einen Martin Heinze Jahresabonnement: 12,- Euro inkl. Versand
Neuwagen leisten kann. Doch annä- zu beziehen über: ROBIN WOOD e.V.,
hernd dieselben Argumente sprechen Geschäftsstelle, Postfach 10 21 22, 28021
auch gegen das Konzept Umweltzone: Nicht weit genug Bremen, Tel.: 0421/59828-8, Fax: -72
Nur wenige Kraftfahrzeuge, von denen info@robinwood.de, www.robinwood.de
viele nicht einmal hohe Kilometerleistun- 100/1.09, Wandel des Lebensstils Der Bezug des ROBIN WOOD-Magazins ist
gen erbringen, sind von den Sperrbezir- im Mitgliedsbeitrag enthalten.
ken tatsächlich betroffen. Eine deutliche Viele Ideen in dem Beitrag von Michael
Entlastung ist von ihrer Aussperrung Kopatz vom Wuppertal Institut finde Gesamtherstellung: bayreuth druck + media,
nicht zu erwarten. So sind die Umwelt- ich richtig, allerdings gehen mir die www.bayreuth-druck-media.de
zonen nicht mehr als ein willkommenes meisten nicht weit genug. Außer- Rollenoffsetdruck, Auflage: 10.000
Alibi für diejenigen, die die autoba- dem finde ich die Idee Arbeit „fair zu Das ROBIN WOOD-Magazin erscheint auf
sierte Verkehrspolitik nicht hinterfragen verteilen“ problematisch, wenn schon 100% Altpapier ausgezeichnet mit dem
wollen. Sie verursachen einen geradezu heute viele Menschen nicht mal von Blauen Engel.
wahnwitzigen Verwaltungsaufwand und dem Geld leben können, das sie für
spürbare soziale Härten. eine Vollzeitstelle bekommen. Hier Titelbild: Klaus Bossemeyer/ Bilderberg
kann keine Arbeitszeit mehr reduziert Art Direction: www.tangram-design.de
Leider muß ich des öfteren konstatie- werden.
ren: Das Problem des kleinen Geldbeu- Spendenkonto: ROBIN WOOD e.V., Postbank
tels wird in der Arbeit der ökologisch Sarah Bernard Hamburg, BLZ: 20010020, Konto: 1573-208

52 Nr. 101/2.09
internes

© R. Fenner

Aktionskunst!
Unikate für Menschen, die Menschen begeistern!
Für Sie machen wir Unikate aus echten Aktions- Wir können vielleicht sogar Ihre Farbwünsche er-
Transparenten: Original-Ausschnitte aus Aktions- füllen. Schon wenn Sie fünf Menschen für unsere
transparenten im Format A4 mit handgemachtem Ziele begeistern, gehört Ihnen ein Unikat. Wie
Passepartout im FSC-zertifizierten A3-Holzrahmen. das geht, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Nr. 101/2.09 53
internes

Mehr Menschen
Unsere aktiven Förderinnen und Förderer gehören bundesweit
objektiv zu den besten in der Republik. Wir informieren über-
durchschnittlich und Sie unterstützen uns überdurchschnittlich.
Aber wir sind insgesamt zu wenige.

Die Tatsache, dass wir immer noch Die alten Methoden der Förderer-Ge-
zu wenige sind, liegt an uns. Nein, es winnung funktionieren nicht mehr
liegt nicht nur daran, dass Sie mehr Wenn die neuen Gesetze der Bundes-
Menschen begeistern könnten. Es regierung zum Dialogmarketing
liegt auch und wesentlich daran, dass tatsächlich verabschiedet werden,
wir uns in den letzten Jahren zu sehr sind alle erprobten Wege komplett
auf die akuten Projekte konzentriert versperrt.
haben. Wir haben im Stillen gehofft,
dass unsere Arbeit und die Erfolge mit Es macht wenig Sinn, viel Zeit damit
den Kampagnen ausreicht, um genug zu verschwenden, über die Motive
neue Förderinnen und Förderer zu der Gesetzgeber nachzudenken, mit
gewinnen. denen sie den gemeinnützigen Organi-
sationen (NPOs) schaden.
Aber damit haben wir uns geirrt. Tatsache ist: Wir müssen darauf
reagieren. Wir müssen neue Konzepte
Im Vergleich zu vielen anderen NPOs entwickeln, um Menschen für gemein-
haben wir die Information und die nützige Ziele zu motivieren. Tatsache
Betreuung unserer aktiven FörderInnen ist: Wir denken darüber schon etwas
zwar so stark verbessert, dass Sie zu- länger nach als andere und liegen
verlässiger und treuer sind und mehr deshalb um eine Nasenspitze vorn. Tat-
Echte Belohnung! spenden als je zuvor. Das ist außeror- sache ist aber auch: Wie müssen viel
dentlich und ein sehr gutes Zeichen! mehr Menschen erreichen als bisher.
Jede neue Förderin und jeder
neue Förderer ist ein großer Aber auch wir werden auf ganz Viel zu wenige Leute wissen, z.B. dass
Zugewinn für unsere Umwelt! natürlichem Wege weniger. Zwar we- die Atommacht Deutschland in ASSE 2
niger als andere NPOs, aber auch wir gerade das totale Desaster erlebt. Wer
Deshalb möchten wir sie belohnen, schrumpfen schneller als wir wachsen. weiß schon, dass die superordent-
wenn Sie mehr Menschen für un- liche Supertechnik-Nation „Atom-
sere Ziele begeistern. Aber normale Wir erreichen viel für nachhaltige Ent- Deutschland“ in Wirklichkeit gar keine
Geschenke sind langweilig und passen wicklungen in unseren Fachbereichen, Lösung hat?
nicht zu Ihnen. Deshalb haben wir uns aber wir entwickeln uns selbst nicht
für Sie etwas Besonderes ausgedacht. nachhaltig. Wer weiß denn, dass Deutschlands
technische Lösungen für das welt-
1. Den unkaputtbaren, feinen Wir haben dieses Problem erkannt, weite Atommüll-Problem noch immer
Kaffeebecher, wenn Sie einen und bereiten sehr sorgsam eine auf dem superschlechten Niveau von
Menschen begeistern. Kampagne vor, um dieses Problem ASSE 2 ist?
zu lösen. Einiges ist dazu auch schon
2. Die neue Thermoskanne, vollbracht.
wenn Sie drei Menschen begeistern. Deshalb wollen wir jetzt auch
Unser Dank wird anders sein als der Ihre Kräfte mobilisieren. Sie
3. Wenn Sie fünf Menschen Dank der anderen: persönlicher, indivi- kennen sich mit Spenden wirklich
begeistern, haben Sie echte dueller und authentischer. Eben so wie aus. Sie können Menschen mobi-
Aktions-Kunst verdient. Mehr unsere anderen Aktionen. lisieren!
zur Aktionskunst finden Sie auf
der vorherigen Seite

< Rufen Sie uns an: 0421 / 59 82 88

54 Nr. 101/2.09
internes

Wählen Sie
aktiv oder radioaktiv?
Name:
Ich wähle aktiv!
Straße: Ich traue lieber meinem eigenen Verstand
als der Atomlobby.
PLZ , Ort:
Ich will mehr erneuerbare Energien statt
Telefon: E-Mail: Atommüll und ich weiß, dass es dabei
auch auf mich ankommt.
Konto-Nr.:
Ich möchte die Unterstützung von
BLZ, Bank: ROBIN WOOD, um mehr Menschen
für sichere Energie zu begeistern.

ROBIN WOOD e.V.


Geschäftsstelle
Postfach 10 21 22

28021 Bremen

Datum, Unterschrift

Nr. 101/2.09 55
Keine Lösung!
Die sicherste Endlager-Technologie
der Welt ist „Made in Germany“
und leider keine Lösung!
Im Gegensatz zu erneuerbaren Energien
schafft die Atomindustrie keine neuen Arbeitsplätze,
keine Versorgungssicherheit und keine nennenswerte
technologische Innovation. Neue Energie, politische Sicherheit
und neue, sichere Arbeitsplätze entstehen mit erneuerbaren Energien.

Die deutsche Endlager-Technologie wird seit 50 Jahren mit Ihrem Geld


subventioniert. Das Ergebnis ist nicht nur schlecht sondern auch beängstigend.

Helfen Sie uns, diesen Unfug zu stoppen!


Bitte blättern Sie um.

www.robinwood.de

Das könnte Ihnen auch gefallen