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Intensivkurs Schach Teil 4
Intensivkurs Schach Teil 4
Intensivkurs Schach
Ein Lern- und Lehrbuch
für
Anfänger und ihre Lehrer
Dietrich Schlotter
Intensivkurs Schach
Ein Lern- und Lehrbuch
für
Anfänger und ihre Lehrer
Gedruckt in
ISBN
Inhaltsverzeichnis
Seite Seite
Aufgaben / Lösungen
Mattführung mit Dame und 75
Der Turm 29 König gegen König
Die Gangart
Das Schlagen Aufgaben / Lösungen
Der Bauer als Verteidiger 140 Der Tausch von Steinen und 214
Gegenseitige Blockade ihr relativer Wert
Grenzbereiche Materieller Tauschwert
Relative Blockade Gestörtes Gleichgewicht
Sperrwirkung vor König
Aufgaben / Lösungen
Und so entstand die Idee, diese Lücke zu füllen. Das Ziel ist, dem Schach-
schüler – Jugendlicher oder Erwachsener - zu zeigen, wie er eine sinnvolle
Schachpartie spielen kann. Von Beginn an soll er lernen, Spielzüge zu
machen, die mit dem eigentlichen Gedanken des Schachspiels, dem Matt-
setzen, in irgendeinem Zusammenhang stehen, nicht aber nur isoliert ir-
gendwelche nach den Spielregeln mögliche Bewegungen der Steine auf
dem Schachbrett auszuführen. Bereits mit wenigen Figuren soll er richtig
spielen, eine Stellung analysieren, Pläne entwickeln und Entscheidungen
treffen, bis er schließlich mit allen Steinen eine komplette zielgerichtete
Partie bis zum Ende führen kann.
Lehrern, die sich aus Zeitmangel nicht freiwillig mit in die Tiefe gehender
Unterrichtsvorbereitung für eine Schacharbeitsgemeinschaft beschäftigen
wollen, soll dieses Buch als Ersatz dienen und ihnen die Arbeit erleich-
tern.
Kapitel 37 positionelles Übergewicht als
Chance für Gewinn zu nutzen
hofft. Der Ausgang der Partie
Ein wichtiger End- hängt dann oft von einer genauen
Analyse der Stellung und ihren
spieltyp verborgenen Ressourcen ab. Dazu
gehören die folgenden Endspiele
von zwei verbundenen Freibauern
Isolierte Freibauern
gegen zwei isolierte Freibauern.
Um eine Partie gewinnen zu kön-
nen, muss normalerweise zuerst Diagramm 505
versucht werden, ein Ungleichge-
wicht in einer Stellung herzu-
stellen. Die einfachste Form ist,
ein materielles Übergewicht, z.B.
einen Mehrbauern zu erringen.
Dies ist jedoch nicht immer mög-
lich, sodass an andere typische
Stellungen gedacht werden muss.
Dazu gehören Endspiele, in denen
die Bauern der Spieler ungleich
auf dem Brett verteilt sind, u.a.
Bauernmehrheit am Damenflügel
gegen eine solche am Königsflü-
gel. Will man jedoch gewinnen, so Das Diagramm zeigt schematisch
muss man sich im Endspiel in fast die charakteristischen Merkmale.
jedem Fall einen oder mehrere
Freibauern verschaffen. Nur durch Weiß hat zwei verbundene Frei-
sie, erlangt man das nötige Mattpo- bauern, die normalerweise für ei-
tential, um den Gegner zur Aufga- nen Gewinn ausreichen, weil der
be zu bewegen. gegnerische schwarze König den
hinteren, deckenden Bauern (a5)
Typische Stellungen, die nach nicht nehmen darf, da dann der
hartem Ringen im Mittelspiel ent- b-Bauer unmittelbar vorziehen und
stehen, sind Positionen, in denen in eine Dame umgewandelt werden
zwar keine Partei einen materiellen könnte. Es ist offensichtlich, dass
Vorteil hat, stattdessen jedoch der schwarze König nur zwischen
aufgrund der Bauernstruktur ein b7 und a6 hin- und herziehen oder
327
nach Vorziehen des c-Bauern auch gegnerische König nicht im Quad-
auf c6 ziehen kann, um die Um- rat des Bauern steht oder mit sei-
wandlung eines weißen Bauern zu nem ersten Zug in dieses hinein
verhindern. Wäre es Weiß nun ziehen kann. Das Quadrat des
möglich seine Bauern mit seinem Bauern wird für beide auf der
König zu unterstützen, indem er 6. Reihe stehende Bauern von den
diesen auf das Feld c5 überführt, Eckfeldern h6, h1, c1 und c6 ge-
so wäre der Sieg nach den weiteren bildet. Der weiße König steht also
Zügen sowohl im Quadrat des Bauern h6
als auch des c6 (vgl. fette Markie-
(Diagramm 505 aber wK auf c5) rung), das isolierte Vorrücken
a5-a6+ Kb7xa6 eines der Bauern zum Umwand-
Kc5xc6 h6-h5 lungsfeld wäre also sinnlos, da der
b6-b7 … Bauer geschlagen würde. Z.B.:
usw.
1. … h6-h5
gesichert. Ohne Hilfe des eigenen 2. Kf4-g5 h5-h4??
Königs ist eine Umwandlung des 3. Kg5xh4 …
a- oder b-Bauern jedoch nicht
möglich. Daraus ergeben sich nun Kommt Schwarz nun erst auf den
die Gegenchancen von Schwarz. Gedanken, mit dem anderen Bau-
ern vorzustürmen, muss er feststel-
Schwarz muss die entscheidende len, dass der weiße König noch
Frage beantworten: „Können sich immer im Quadrat dieses Bauern
seine isolierten Bauern gegen die (c6) steht und auch nach
Eroberung durch den gegnerischen
König ohne die direkte Hilfe des 3. … c6-c5
eigenen Königs (Deckung) vertei-
digen und eventuell sogar die in das nun maßgebliche neue
Umwandlung in eine Dame er- Quadrat mit den Eckfeldern c5, c1,
zwingen?“ g1 und g5 hineinziehen kann (ge-
strichelte Markierung).
328
Ist dieses Ergebnis zwangsläufig? Eine Position des weißen Königs
Die Antwort lautet: „Nein!“ auf einem Feld der 5. Reihe hätte
an diesem Ergebnis nichts geän-
Im Rückblick stellt man fest, dass dert, und ebenso wenig ein An-
Schwarz ein Tempo verschenkt zugsrecht von Weiß wie in Dia-
hat. Er hätte im 2. Zug nicht mehr gramm Nr.507.
mit dem h-Bauern ziehen dürfen,
sondern sofort wie folgt ziehen Diagramm 507
müssen:
2. … c6-c5!
3. Kg5xh5 …
3. … c5-c4
4. Kh5-g5(4) …
329
Wir ziehen aus diesen beiden Bei- Es sollen deshalb im weiteren Ver-
spielen die allgemeine Schlussfol- lauf nur noch Stellungen unter-
gerung: sucht werden, in denen der König
im Kampf gegen die isolierten
Zwei isolierte Freibauern kön- Bauern im ersten Zug nicht einen
nen sich ohne die Unterstützung dieser gegnerischen Bauern neh-
des eigenen Königs gegen den men kann.
Angriff des alleinigen gegneri-
schen Königs verteidigen und
sogar die Umwandlung eines Welche Auswirkung hat eine Ver-
Bauern erzwingen, wenn der änderung der Position der isolier-
gegnerische König das Quadrat ten Bauern, d.h. wenn sie zwar auf
des einen Bauern verlässt, um derselben Reihe, aber durch weni-
den anderen Bauern zu erobern. ger Linien getrennt stehen?
1. Ke5-d6! h6-h5
2. Kd6-c5 h5-h4
3. a5-a6+ Kb7xa6
4. Kc5xc6 h4-h3 usw.
330
Diese Drohung – schwarzer Bauer Schwarz könnte im 2. Zug jedoch
zieht nach d5 oder h5 – kann Weiß anders fortsetzen.
nur dadurch neutralisieren, dass er
sich nur auf den Feldern f6, f5 und Variante zu Diagramm Nr.508
f4 aufhält, um im richtigen Augen- 1. Kf6-f5 h7-h6
blick sofort den Bauern anzugrei- 2. Kf5-f6 d7-d6!
fen, der zuerst die 5. Reihe betritt. 3. Kf6-f5 …
1. Kf6-f5 h7-h6
2. Kf5-f6 h6-h5?
3. Kf6-g5 d7-d5
Diagramm 509
Schwarz am Zug
331
Nach 8. Kg4xh4 d4-d3
9. Kh4-g3 d3-d2
4. Kf5-e6? h6-h5 10. Kg3-f2 d2-d1D
5. Ke6-f5 d6-d5!!
332
bemerkenswerten Ergebnis. Die und
jeweilige Anzahl der erforderlichen
Züge eines isolierten Bauern bis AZU minus ALB = 2
zum Umwandlungsfeld (AZU) (5) minus (3) = 2
beträgt im Diagramm Nr.507 fünf
(5), die Anzahl der Linien zwi- und der gegnerische König hält die
schen den isolierten Bauern (ALB) Bauern auf, sie sind aber immun
vier (4), d.h. der Abstand der Bau- gegen eine Eroberung.
ern von einander ist 4 Felder.
Aus diesen Ergebnissen folgt der
AZU minus ALB = 1 erste allgemeine Merksatz:
(5) minus (4) = 1
Stehen zwei isolierte Freibauern
auf derselben Reihe und kann
Stellt man für das Diagramm der gegnerische König, der im
Nr.511 diese beiden Vergleiche an jeweiligen Quadrat beider Bau-
ergibt sich ebenfalls: ern steht, keinen der beiden
Bauern mit seinem ersten Zug
KGQ minus KQB = 0 schlagen, so kann die Umwand-
und lung eines Freibauern nur er-
AZU minus ALB = 1 zwungen werden, wenn die
(4) minus (3) = 1 Kantenlänge des gemeinsamen
Quadrats der Bauern (KGQ)
Betrachtet man nun Diagramm ebenso viele (oder mehr) Felder
Nr.510 stellt man fest, dass das hat wie die Kantenlänge des je-
gemeinsame Quadrat der isolierten weiligen Quadrats der Bauern
Bauern (punktierte Markierung) (KBQ).
kleiner als das jeweilige Quadrat
des Bauern (fette durchgehende Man kann das auch so formulieren:
Markierung) ist, d. h. KGQ (d6 bis Beträgt die Differenz zwischen
h6) beträgt 5 und KQB (h6 bis h1 der Anzahl der Züge eines der
bzw. d6 bis d1) beträgt 6 und isolierten Bauern bis zum Um-
AZU=5 und ALB=3. Daraus ergibt wandlungsfeld (AZU) und der
sich Anzahl der Linien zwischen den
isolierten Bauern (ALB) Eins (1)
KGQ < KQB oder weniger, so kann die Um-
KGQ minus KQB = -1 wandlung erzwungen werden.
333
Der strategische Plan 3. Kf3-f4 …
Aus diesem Merksatz lässt sich die In der entstanden Stellung (vgl.
Zielsetzung der Partei mit den auch Diagramm Nr.511) stehen
isolierten Bauern ableiten. beide isolierte Freibauern auf der
Liegen zwischen den beiden Bau- 5. Reihe, und es gilt:
ern nicht mindestens 4 Reihen
muss der Spieler als Zwischensta- KGQ minus KQB = 0
tionen auf dem Wege zur Umwand- und
lung, Positionen anstreben, die die AZU minus ALB = 1
vorgenannten Kriterien erfüllen. (4) minus (3) = 1
334
Liegen nur zwei Linien zwischen Wie ist jedoch eine Stellung zu
den isolierten Bauern erfüllt die beurteilen, wenn die isolierten
folgende Stellung die Kriterien des Bauern näher zu ihrer Grundreihe
Merksatzes. stehen, z. B. eine Reihe weiter
zurück oder sogar auf der Grund-
Diagramm 513 reihe (7. Reihe) selbst? Ändert das
die Einschätzung und den Ausgang
der Partie grundlegend?
Diagramm 514
335
1. Kf3-e4 h5-h4 KGQ (von e7 bis h7) = 4 und zu-
2. Ke4-f3! Kb7-a6 sätzlich KQB (e6 bis e1 bzw. h6
3. Kf3-g4 e5-e4 bis h1) = 6, also
4. Kg4xh4 …
KGQ < KQB
Der gegnerische König hat einen KGQ minus KQB = -2
der isolierten Bauern erobert, dabei AZU(5) minus ALB(2) = 3
das Quadrat des anderen Bauern
(e4, e1, h1, h4) jedoch nicht ver- Weiß kann also die Bauern in je-
lassen. Er wird diesen nun auch dem Falle aufhalten. Er steht in-
schlagen können, und schließlich nerhalb beider Bauernquadrate (für
gewinnt Weiß die Partie. Ein ande- h6 = fette Markierung, für e7 =
rer 2. Zug von Schwarz ändert Rechteck e6, e1, h1, h6). Wird er
daran nichts, z.B.: sie aber auch erobern?
3. Kh7-g6 …
336
lung mit Hilfe der eigenen Frei- Bleiben nun noch Stellungen mit
bauern. nur einer Linie zwischen den iso-
lierten Bauern zu untersuchen.
1. Kg5-f5 Kb7-c6
2. Kf5-e6 Kc6-b7
3. Ke6-d5! … Diagramm 516
337
nach dem Ergebnis der Analyse Schwarz am Zug:
mögliche Umwandlung eines Bau- 1. … f3-f2!
ern erreichen will. 2. Kh1-h2 f2-f1D
Weiß am Zug:
Weiß am Zug
1. Kh1-g1! Kb7-a6
2. Kg1-f2(1) h3-h2
ergibt die Analyse: KGQ (von f4
3. …
bis h4) = 3 und zusätzlich KQB (f4
bis f1 bzw. h4 bis h1) = 4, also
338
KGQ < KQB 2. … h3-h2??
KGQ minus KQB = -1 3. Kf2-g2 h2-h1D
AZU(3) minus ALB(1) = 2 4. Kg2xh1 …
Fazit: Die isolierten Bauern kön- Der weiße König steht weiterhin
nen vom gegnerischen König auf- im Quadrat des f-Bauern, kann
gehalten werden. diesen also ebenfalls erobern. Das
weitere Vorrücken des Bauern, das
1. Kg2-f3 h4-h3 nicht erzwungen werden konnte,
war also total falsch. Der richtige
Diagramm 519 2. Zug für Schwarz ist:
2. … Kb7-a6
(Kb7-c6)
3. Kf2-f3 ...
(Remis)
339
Liegen die Voraussetzungen des Diagramm 520
2. Merksatzes vor, dann gilt zu-
sätzlich:
Zum Schluss noch eine interessan- Der weiße König ist vor seinem
te Stellung, die André Cheron in Bauern eingesperrt, eine der be-
seinem „Lehr- und Handbuch der kannten Methoden, um die Um-
Endspiele“ in diesem Zusammen- wandlung des Randbauern zu ver-
hang erörtert (vgl. Diagramm hindern. Schwarz nimmt auf kei-
Nr.520). nen Fall sofort den f-Bauern. Re-
mis durch dreimalige Zug- und
Variante A) Stellungswiederholung oder zuvor
1. … Kf7xf6
2. Kh7-g8 K~ 2. f6-f7 Kf8xf7
3. h6-h7 … 3. Kh8-h7 Kf7-f8
oder
1. … Kf7-f8 Nun kann sich Weiß aussuchen, ob
2. Kh7-g6 Kf8-g8 er remis durch Patt oder Stel-
3. f6-f7+ Kg8-f8 lungswiederholung erreichen will.
4. h6-h7 Kf8-e7
5. h7-h8D …
Weiß gewinnt.
340
Kapitel 38 seines Königs bis zum Umwand-
lungsfeld vorzuziehen. Weil dies
in vielen Fällen vom Verteidiger
Ein Freibauer direkt verhindert werden kann –
siehe dazu die grundsätzlichen
(Mehrbauer) als Verteidigungsstrategien im End-
spiel König und Bauer gegen den
Köder alleinigen König – kommt der
zweite Gewinnplan in Betracht,
Zu den Regeln von Bähr der darin besteht, den Freibauern
als Köder für eine Ablenkung des
In einem Bauernendspiel mit verteidigenden Königs zu nutzen,
einem Paar sich gegenseitig blo- um den gegnerischen, blockieren-
ckierender Randbauern und nur den Randbauern zu erobern und
einem von diesen mindestens 3 anschließend den eigenen Rand-
Linien entfernt stehenden Frei- bauern zur Umwandlung durch-
bauern (Mehrbauern) einer Partei zubringen.
hat der Angreifer (die materiell
überlegene Partei) zwei unter- Die Aufgabe des Verteidigers
schiedliche Gewinnpläne, die er ergibt sich zwangsläufig aus diesen
miteinander verbinden muss. strategischen Plänen, d.h. er muss
zuerst den Freibauern seines Ge-
Diagramm 521 genspielers erobern und dann ver-
suchen, die angestrebte Umwand-
lung des gegnerischen Randbauern
zu verhindern, nachdem er seinen
eigenen Randbauern verloren hat.
Dies kann ihm nur gelingen, wenn
er mit seinem König das auf der
dem Bauern benachbarten Linie
(b- oder g-Linie) liegende, zukünf-
tige Schlüsselfeld eine Reihe vor
der Grundreihe (z.B. b7) gegen
eine Besetzung durch den angrei-
Schwarz am Zug fenden König verteidigen kann.
Dazu muss sein König entweder
Der erste Plan besteht darin, den das dem Umwandlungsfeld (z.B.
Freibauern (f5) mit Unterstützung a8) benachbarte Läuferausgangs-
341
feld auf der Grundreihe (z.B. c8) Diagramm 522
oder das davor liegende Feld be-
setzen. Ob er dies kann und des-
halb die Verteidigung Erfolg haben
wird, hängt primär von der Stel-
lung des zu erobernden Freibauern
und dessen Entfernung von diesen
beiden kritischen Feldern in Be-
ziehung zu den sich blockierenden
Randbauern ab.
342
ern auf a5 entscheidend, weil der 4. Kd5-c5 Kf6xf5
weiße König nach dem Schlagen 5. Kc5-b5 Kf5-e6
des Bauern auf der 6. Reihe mit 6. Kb5xa5 Ke6-d7
seinem nächsten Zug immer das 7. Ka5-b6 Kd7-c8!
auf der benachbarten Linie liegen-
de Schlüsselfeld (b7) besetzen Der schwarze König hat das entscheidende
kann. Bei spiegelbildlichen Stel- Feld c8 erobert und verteidigt nun das Feld
b7. Dies ist eine bekannte Remisstellung,
lungen (Randbauernpaar h5/h6 denn entweder geht der schwarze König in
plus weißer Freibauer, Randbau- die Ecke, oder er sperrt – nach 8. Kb6-a7
ernpaar a3/a4 oder h3/h4 plus ein Kc8-c7 – den weißen König vor dem
schwarzer Freibauer) gilt entspre- Randbauern auf der a-Linie ein.
chendes.
Diagramm 524
343
Brettmitte – die Grenze – (punk- wichtsdreiecks mit entsprechender
tierte Markierung) getrennt, der Stellung der Könige stehen.
angreifende König steht neben
seinem Freibauern, der verteidi- Diagramm 525
gende König verhindert wegen
Zugzwangs in jedem Falle die
Umwandlung des Freibauern und
der Freibauer befindet sich auf der
vom kritischen Grundreihenfeld –
hier c8 – in seine Richtung weg-
führenden langen Diagonale – hier
Diagonale c8-h3.
344
zur Ausgangsreihe der gegneri- fehlt. Das Feld c7 ist zwar ein op-
schen Bauern (2. Reihe, Endpunkt timales Feld für den Angreifer,
h2) gezogen, dann Bildung eines dessen spätere Besetzung durch
den angreifenden König zur Ge-
Diagramm 526 winnführung aber nicht erforder-
lich ist. Es genügt die Eroberung
des Feldes b7.
345
Der schwarze König steht jetzt leider nicht Nr.528 und 529 machen die Situa-
auf der Diagonale c8-h3, ihm fehlt deshalb tion deutlich.
ein Zug, um rechtzeitig das Feld c8 zu
erreichen.
Diagramm 528
4. Kb5xa5 Ke5-d6
5. Ka5-b6! Kd6-d7
6. Kb6-b7! ...
346
(Die Seiten des Bährschen Ge- „Die Endspiel Universität“ nach-
winndreiecks – siehe gestrichelte geholt und festgestellt, dass der
Markierung – schrumpfen jeweils angreifende König vor seinem
um ein bzw. zwei Felder entspre- Freibauern das Verhältnis der
chend der Entfernung des weißen bedeutsamen Tempi zu Gunsten
Randbauern von der Brettmitte. seiner Partei verändert.
Der Zusammenhang mit dem kriti-
schen Verteidigungsfeld c8 oder Diagramm 530
einem Schlüsselfeld auf der 7.
Reihe wird deshalb immer unkla-
rer.)
347
Im folgenden Diagramm Nr.531 Und Weiß gewinnt, weil er die Bauern-
steht der Freibauer zwar im umwandlung in eine Dame erzwingen
kann.
Gleichgewichtsdreieck, das maß-
gebliche Tempoverhältnis beträgt
Daraus zieht man die Schlussfolge-
aufgrund des Kg4 (statt Kg3) je-
rung:
doch 1:0 zu Gunsten von Weiß.
Der Verteidiger kann nicht remis
4. Merksatz:
halten.
Ist das maßgebliche Tempover-
hältnis des Königs und seines
Es folgt z.B.:
Freibauern aufgrund ihrer Posi-
Diagramm 531
tion zum Bähr-Gleichgewichts-
dreieck und der Stellung des
Randbauern ausgeglichen, endet
die Partie bei korrektem Spiel
remis.
Diagramm 532
Anzug beliebig
1. Kg4-f4 Kg6-h5
2. Kf4-e4 Kh5-h4
3. Ke4-d4 Kh4xh3
4. Kd4-c4 Kh3-g4
348
drei Linien von den Randbauern Weiß ist am Zug und kann mit dem 1. Zug
entfernt. Dadurch kann Schwarz ins Quadrat des Bauern g7 ziehen, sodass
der Bauer allein den reinen Wettlauf zum
mit seinem Antwortzug die Erobe- Umwandlungsfeld gegen den König ver-
rung des weißen Randbauern dro- lieren würde. Will Schwarz einen Gewinn-
hen und ausgleichen, weil Weiß versuch unternehmen, muss der schwarze
den schwarzen König nach dem König in jedem Falle zwei Züge machen,
um eines der Schlüsselfelder seines Frei-
Schlagen des Bauern a4 nicht auf bauern zu besetzen. Diesen Zeitverlust
der Randlinie einsperren kann. muss Weiß nutzen, um den gegnerischen
Z.B. 1. d2-d3 Kc4-b4 2. Kc2-d2 a-Bauern zu erobern und den eigenen
Kb4xa4 3. Kd2-c3 (oder d3-d4) Bauern eventuell umzuwandeln.
Ka4-b5. Wäre Schwarz am Zug,
Das maßgebliche Tempoverhältnis ist mit
gewinnt Weiß auf 1. … Kc4-b4 2:2 ausgeglichen, da der schwarze Frei-
wegen 2. Kc2-d3 Kb4xa4 3. Kd3- bauer g7 zwar noch zwei Felder vor dem
c4! Ka4-a3 4. d2-d4 a5-a4 5. d4-d5 Gleichgewichtsdreieck c1-h6-h1 steht,
Ka3-b2 usw., denn nachdem beide Weiß also zwei Tempi verloren hat, jedoch
durch die Position der Randbauern (statt
Parteien sich eine neue Dame ge- a5 auf a6) ein Tempo und durch die Kö-
holt haben, gewinnt Weiß auf- nigsstellung auf e7 statt auf f7 ein weite-
grund der schlechten Position der res, zweites Tempo gewonnen hat. Der
schwarzen Figuren mit 9.Dd8-d2+ g-Bauer nützt Schwarz als Köder somit
Kb2-b1 10.Kc4-b3! usw.. nichts. Es folgt z.B.:
3. ... Kh7-g6
4. Kd4-e3 Kg6-f5
5. Ke3-f2! Kf5-f4
6. Kf2-g2 …
(Diagramm Nr.534)
349
steht im Gleichgewichtsdreieck und hat Die Partie endet mit einem Remis, was
durch den Zug g5-g4 noch ein Tempo auch für abweichende Varianten gilt.
verloren.
1. ... Kh7-g6
2. Kd6-c5 Kg6-f5
350
Bauern. Der weiße König steht Diagramm 536
etwas aktiver (3. Reihe), verliert
aber nach 1. Kf3-e4?? Ke7-e6! die
Opposition und kann die Grenzbe-
reiche (Markierungen) der feindli-
chen Bauern nicht mehr erobern.
Nur durch 1. Kf3-e3!! kann er die
Fernopposition erringen. Dann
kann Schwarz nicht beide Grenz-
bereiche seiner Bauern gleichzeitig
verteidigen. Nach 1. ... Ke7-e6 2.
Ke3-e4 müsste er die Opposition
aufgeben und prüfen, welchen Weiß am Zug
seiner Bauern er verteidigen will.
Entscheidet er sich für die Vertei- Falls nämlich das Randbauernpaar
digung seines a-Bauern (durch auf der h-Linie an der Grenze er-
2. ... Ke6-d6), droht er zusätzlich, halten bliebe, jedoch der schwarze
Bauer a5 zu erobern. Dieser Bau- a-Bauer (a6) verloren ginge, stün-
erngewinn nützt ihm aber nichts, de der sich dann ergebende weiße
weil Weiß umgehend den schwar- Freibauer (a5) bereits innerhalb
zen h-Bauern verspeist. Z.B.: des fiktiven Gleichgewichtsdrei-
ecks mit Ausgangspunkt f8 als
3. Ke4-f5 Kd6-c5 dem kritischen Verteidigungsfeld
4. Kf5-g5 Kc5-b5 (gestricheltes Dreieck). Es könnte
5. Kg5xh5 Kb5xa5 sich also eine Gleichgewichtsstel-
6. Kh5-g6 Ka5-b4 lung im oben beschriebenen Sinne
7. h4-h5 ... usw. mit Remis ergeben.
351
Nur dieser Zug von Schwarz verteidigt den gewichtsdreieck, der König neben
Grenzbereich seines h-Bauern. Nach ihm. Trotz des von Weiß erreich-
1. ... Ke7-f6 erobert Weiß durch 2. Ke3-f4
die Opposition, dann den Grenzbereich ten materiellen Vorteils ist die
und anschließend den Bauern h5. Stellung nach dem 2. Merksatz
ausgeglichen, und die Partie endet
2. Ke3-d4 Kf7-f6 bei korrekter Zugfolge remis.
Wiederum nur dieser Zug von Schwarz Sollte Weiß 6. Ka6-a7 versuchen, könnte
(Diagonalopposition). Nach 2. ... Kf7-e6? Schwarz mit 6. ... Kc7-c8 7. a5-a6 Kc8-c7
3. Kd4-e4! ... usw. gewinnt Weiß. 8. Ka7-a8 Kc7-c8 (Einsperrung) oder
7. Ka7-b6 Kc8-b8 8. a5-a6 Kb8-a8
3. Kd4-c5 Kf6-e6 9. Kb6-c5 (a6-a7 Patt) Kb8-a7 antworten,
und es wird remis wie oben.
Schwarz darf auf keinen Fall selbst Jagd
auf den h-Bauern machen, solange der In der folgenden Stellung wird von
weiße König so nahe an a6 steht, sonst
verliert er, weil Weiß schneller die Dame
Weiß auf originelle Weise eine
auf a8 bekommt. Gleichgewichtsstellung, die ein
Remis ergibt, herbeigeführt, weil
4. Kc5-b6 Ke6-d6 wiederum der 2. Merksatz und die
5. Kb6xa6 Kd6-c7 Konstruktion des Gleichgewichts-
6. Ka6-b5 Kc7-b7!! dreiecks mit Ausgangspunkt f1 den
Verteidigungsplan vorgeben.
Weiß am Zug
Es ist eine typische Bähr-Gleich-
gewichtsstellung entstanden. Der Auslöser der Überlegungen ist das
weiße Freibauer steht im Gleich- an der Grenze stehende Randbau-
352
ernpaar auf der h-Linie. Die Posi- 7. ... Kb7-c7
tion der sich gegenseitig blockie- 8. Kb5-a6 Kc7-d6
renden h-Bauern an der Grenze
und die drohende Gefahr, dass der Schwarz gäbe bewusst seinen Freibauern
weiße a-Bauer verloren gehen und auf, um den weißen h-Bauern zu erobern.
ein schwarzer Freibauer entstehen
könnte, ruft sofort die Erinnerung 9. Ka6xa7 Kd6-e5
an die Regeln von Bähr wach.
Weiß stellt fest, dass ein schwarzer Diagramm 539
Freibauer auf a7 noch außerhalb
des fiktiven Gleichgewichtsdrei-
ecks f1-a6-a1 stünde, was für ihn
aufgrund des 2. und 4. Merksatzes
(Tempoverhältnis mindestens 0:1,
also nicht ausgeglichen) eventuell
Verlust der Partie bedeuten würde.
(Nach Bähr stünde der schwarze
Freibauer also im Gewinndreieck
e3-a7-e7.) Eine mögliche Zugfolge
bestätigt diese Erkenntnisse.
353
schwarzen Bauern vorwärts ins
Gleichgewichtsdreieck zu locken. Diagramm 540
Der Bauer ist in das Gleichgewichtsdrei- In weiteren 4 Zügen gelangt der weiße
eck gezogen. Hätte Schwarz 4. ... Ka5-a6 König auf f1 und verteidigt das Schlüssel-
gespielt, wäre er nach 5. Kc5-c6 weiterhin feld g2.
vor seinem Bauern eingesperrt gewesen.
Weiß hat das Zwischenziel erreicht.
Fazit:
Bauernendspiele sind nicht einfach
5. Kc5-c4 Ka5-b6
zu führen. Als Hilfsmittel bei der
6. Kc4-b4 ...
Stellungsanalyse und für den end-
gültigen Plan nutze man als An-
354
greifer und Verteidiger die gelern- Die vorstehende Stellung ergab
ten Regeln, Grund- und Merksätze, sich beim Schaakfestival Gronin-
wenn bestimmte Stellungsmerkma- gen am 21.12.2010 im Open-
le wie isolierter Randbauer, sich Turnier A in der Partie zwischen
blockierende Randbauern oder ein Ullrich Krause (Weiß) und Sipke
einzelner Freibauer einen Anhalts- Ernst (Schwarz).
punkt für ihre Anwendung liefern.
Schwarz hat zwar momentan einen
Bauern weniger, könnte aber mit
Schlussbetrachtung dem nächsten Zug 40. ... b4xc3
ausgleichen. Da Lf4 jedoch das
Feld c1 beherrscht, ist nicht zu
Ein Beispiel aus der Turnierpraxis
erkennen, dass Schwarz seine Dril-
neuerer Zeit, in dem verschiedene
lingsbauern c3, c4 und c5 vorteil-
Phasen eines Endspiels mit ganz
haft verwerten könnte, weil sich
unterschiedlichen Anforderungen
der weiße König rechtzeitig über
zu betrachten sind, soll dem Ler-
f3, e2 und d1 oder d2 dem Blocka-
nenden nochmals die Vielfältigkeit
defeld c2 nähern könnte.
und Schönheit des Schachspiels
Stattdessen kann Schwarz sofort
nahe bringen. Er wird sehen, dass
40. ... b4-b3 erwägen und sich
besprochene Eigenheiten der Stei-
einen gefährlichen, weit vorange-
ne unter ständig wechselnden Be-
schrittenen Freibauern bilden. Nur
dingungen bedacht und in die Plä-
noch zwei Züge fehlten zur Um-
ne eingebaut werden müssen.
wandlung in eine neue Dame!
Diagramm 541 Doch 41. Lf4-c1 Lc7xe5 42. Lc1-
b2 hält den b-Bauern auf und deckt
seinen wichtigen Bauern c3, der
die beiden schwarzen c-Bauern
blockiert. Auch hier ist nur ein
Remis zuerkennen, denn der weiße
a-Bauer ist nicht anzugreifen und
die beiden weißen Freibauern dürf-
ten für ein ausreichendes Gegen-
gewicht sorgen. Schwarz erinnert
sich jedoch an eine elementare
Erkenntnis und zieht:
Nach 40. a3-a4
40. ... Lc7xe5!
355
Der Wert der Steine ist relativ. Ein
Bauer kann wertvoller als ein Läu- Diagramm 542
fer sein.
356
Erst dann kann man den komple- denn erstens würde Schwarz das
xen Plan zur Fortführung des materielle Gleichgewicht wieder
Kampfes entwickeln. herstellen (4:4) und zweitens sich
einen weiteren Freibauern, nun auf
Das Naheliegende zuerst: der der b-Linie, bilden. Er hat zwei
Freibauer auf c4. Schwarz ist am Möglichkeiten, um b4 zu gewin-
Zuge und braucht drei Züge bis zur nen.
Umwandlung in eine Dame auf c1.
Kann Weiß das verhindern? Ant- Kann 42. ... a5xb4 richtig sein?
wort: “Ja!“ Denn dazu diente der Antwort: „Nein!“ Die Begründung
Zug 42. Kg4xf4, mit dem der wei- für dieses Urteil ist schon schwie-
ße König rechtzeitig in das Quad- riger zu erkennen, doch bei sorg-
rat des Bauern c4 (durchgehende fältiger Prüfung und Anwendung
Markierung) zog. 42. g3xf4 wäre der Endspielregeln zu finden.
wegen ... c4-c3(!) oder ... c5xb4
mit nicht zu verhindernder Um- Der weiße König könnte auch den
wandlung eines Bauern eindeutig auf b4 entstanden Freibauern bei
falsch gewesen. Jetzt wäre der einem Wettlauf aufhalten und an-
sofortige Wettlauf c4 gegen Kf4 schließend seinen eigenen, durch
allerdings für Schwarz wenig sinn- diese Art des Schlagens geborenen
voll. Freibauern auf der a-Linie (a4)
ungehindert zum Umwandlungs-
Diagramm 543 feld a8 marschieren lassen. Man
sieht nämlich, dass Weiß mit
43. Kf4-e3 b4-b3 und 44. Ke3-d2
gerade noch rechtzeitig in das
Quadrat des Freibauern b3 (gestri-
chelte Markierung) eindringen,
also die entscheidende Bedingung
der Quadratregel erfüllen kann.
Schwarz dagegen fehlt ein Tempo,
um nach 42. ... a5xb4 und
43. ... Kf4-e3(!) Kg6-f6 44. a4-a5
Kf6-e7 das sich durch Vorziehen
Schwarz am Zug des Bauern stetig verkleinernde
Quadrat ( 2 verschieden gepunkte-
Die Alternative, das Schlagen des te Markierungen) des entfernten
Bauern auf b4, liegt auf der Hand, a-Randbauern zu erreichen.
357
Bleibt also das Nehmen c5xb4 mit kann Weiß ebenfalls ein Duo
dem c-Bauern, wodurch er gleich- g3+h3 bilden, das von vorn über-
zeitig den bisherigen Doppelbau- haupt nicht anzugreifen ist, weil es
ern auflöst, die Schwäche seiner eine Drei-Felder-Schranke bildet
Bauernformation beseitigt, sich (vgl. Markierung). Bei jedem seit-
einen gedeckten Freibauern und lichen Angriff, der allerdings so-
das bewegliche Duo b4+c4 kreiert. lange verhindert ist, wie der weiße
Der weiße a-Bauer ist dann wei- König auf e3 steht, gehen die Frei-
terhin in der Widderformation bauern erneut in die Treppenfor-
a4/a5 blockiert, also keine Gefahr. mation über, indem einer der Bau-
ern vorzieht. Kann Weiß noch
42. ... c5xb4 remis halten?
43. Kf4-e3 ...
Oder könnte ein auszunutzendes
Diagramm 544 Ungleichgewicht schon darin be-
stehen, dass die weißen Freibauern
im Gegensatz zu den schwarzen
noch weiter vom Umwandlungs-
feld entfernt stehen? Ist dadurch
der schwarze König etwas beweg-
licher? Kann Schwarz aufgrund
dieser Tatsache den Bauern e4
erobern und sich einen dritten
Freibauern verschaffen?
358
König ängstlich hinter seinen Bau- Jetzt sieht man, dass der König zwar die
ern zum eigenen Schutz verschan- Bauernumwandlung verhindert hat, die
eingenommene Treppenformation der
zen muss, steigt er im Endspiel Bauern jedoch einen Bauernverlust ver-
zum angriffslustigen Helden auf. hindert, denn Weiß darf nun c3 wegen
Seine Beweglichkeit wird zum b2-b1D nicht nehmen. Außerdem ist er mit
entscheidenden Kriterium, das seinem König an die Felder b1 und c2
fixiert. Wenn Weiß seinen e-Bauern nicht
nicht selten für den Ausgang der noch hätte, könnte der schwarze e-Bauer
Partie verantwortlich ist. Aber man sofort zum Umwandlungsfeld wandern.
muss dies auch erkennen. Und der Einen seiner Bauern (b2 oder e-Bauer)
Weg führt oft, wie in der Eröff- verwandelte Schwarz dann in jedem Falle
nung oder im kombinationsreichen in eine Dame. Aber so weit ist es noch
nicht.
Mittelspiel bei den anderen Figu-
ren über das Zentrum. Das takti- An dieser Stelle soll noch eine andere
sche Instrument, um den Einfluss Überlegung eingeschoben werden. Wie
von Schwarz auf das Zentrum zu hätte Schwarz auf den Zug 46. h2-h4
erhöhen, ist hier die Ablenkung des reagieren müssen? Selbstverständlich
nähert er sich dann nicht sofort dem Zent-
weißen Königs von e3, wodurch rum, sondern stoppt den h-Bauern. Z.B.:
der Gewinn des Bauern e4 droht.
46. h2-h4 Kg6-h5
43. ... b4-b3 47. e4-e5 Kh5-g4
44. Ke3-d2 b3-b2 48. Kc2-b1 Kg4-f5
45. Kd2-c2 c4-c3 49. h4-h5 Kf5xe5
46. Kc2-b1 … 50. h5-h6 Ke5-f6
Diagramm 545 Diagramm 546
359
Rechtzeitig zieht der schwarze König in
das Quadrat des h-Bauern, sodass h6 den 46. … Kg6-f6
Wettlauf zum Umwandlungsfeld verlieren
würde. Zwar könnte Weiß nach 51. g3-g4 47. h2-h4 Kf6-e5
Kf6-g6 52. g4-g5 den gefährlichen 48. h4-h5 Ke5xe4
h-Bauern retten, den Vormarsch des 49. h5-h6!? …
e-Bauern – wie vorher angedeutet – mit
Bauernumwandlung aber nicht kompensie- Falls Weiß auf h5-h6 verzichtet und
ren. 52. ... e6-e5 53. Kb1-c2 e5-e4 usw. 49. Kb1-c2 spielt, um Ke4-d3 zu verhin-
Der weiße König ist schließlich doch wie dern, geht der schwarze König zurück ins
in der Hauptvariante zum Hin- und Her- Quadrat des h-Bauern (... Ke4-f5) und der
ziehen gezwungen. Also zurück zum weitere Ablauf ist aus oben gezeigter
Partieverlauf. Nebenvariante zu sehen.
360
Schwarz seinen Gegner in Zug- Der so von Weiß im 56. Zug erzwungene
zwang bringt und ein Tempo ge- Übergang in ein reines Bauernendspiel
stellt nämlich noch eine Falle, die nicht
winnt – ein oft entscheidendes ohne weiteres, und schon gar nicht wie im
taktisches Element. Diese Zielstel- Turnierspiel unter Zeitdruck, leicht zu
lung am Damenflügel hatte erkennen gewesen wäre. Kommen dem
Schwarz wahrscheinlich bereits im Lernenden die entstandenen Stellungs-
merkmale nicht irgendwie bekannt vor?
Kopf als er 40. ... Lc7xe5 zog. Randbauern in Blockadestellung (Widder
a4/a5) an der Grenze und zurückhängen-
53. Kb2-b3 Dc1-c2+ der Freibauer e6 als Mehrbauer noch
54. Kb3-a3 Dc2-c5+ außerhalb des Bährschen Gleichgewichts-
55. Ka3-a2 Dc5-c2+ dreiecks, da Schwarz den Bauern g3 offen-
sichtlich leicht erobert? Kann der Freibau-
56. Ka2-a3 … er dann nicht als Köder eingesetzt werden,
um schließlich den gegnerischen Randbau-
Nach diesem Zug nochmals Halt! Hatte ern a4 zu gewinnen und den eigenen (a5)
Schwarz dem Gegner durch seinen letzten, in eine Dame umzuwandeln? Ist eine
m.E. überflüssigen Zug – er hätte sofort solche Zielstellung für Schwarz nicht
55. ... Dc5-c4+ spielen sollen – nicht noch immer gewonnen? Sollte dieser „schlüssi-
eine Chance eröffnet, in ein eventuell ge“ Plan nicht umgehend auf dem direktes-
ausgeglichenes, zumindest aber schwieri- ten Wege umgesetzt werden? Wenn
geres Bauernendspiel abzuwickeln? Dies Schwarz auf die immer erforderliche,
soll jetzt wegen der grundsätzlichen Be- sorgfältige Analyse in dieser Situation
deutung als Nebenvariante vorgeführt verzichtet, verschenkt er noch den mögli-
werden. chen Sieg.
Zieht er z.B. vorschnell
56. Dh8-b2!? Dc2xb2+
57. Ka2xb2 Kd2-e3 58. ... Ke3-f3?
58. Kb2-c3 ... 59. Kc3-d4 Kf3xg3
361
dann hat er sogar den Mehr- und Freibau- 64. Kc6-d6! Kc4-b4
ern auf e6, aber keine Bähr- 65. Kd6-d5! Kb4xa4
Gewinnstellung herbeigeführt. Der Frei-
bauer steht zwar drei Züge vor dem
Gleichgewichtsdreieck, aber er ist unge- Und nun der entscheidende Verteidigungs-
schützt, weil der schwarze König nicht zug.
unmittelbar neben oder ein Feld vor ihm
steht. Es fehlt also ein entscheidendes 66. Kd5-c4!! …
Merkmal. Und noch dazu ist Weiß am
Zug! Diagramm 551
Diagramm 550
362
Diagramm 552 Soweit der Exkurs und nun zurück
zur Hauptvariante, d.h. dem tat-
sächlichen Spielgeschehen (siehe
56. Zug nach Diagramm Nr.547)
mit einem Damenendspiel.
363
Rückgewinn eines Bauern oder beide Parteien dieselbe Anzahl von
Dauerschach zu erhalten. Was also Zügen bis zum jeweiligen Um-
tun? wandlungsfeld. Wäre dann Weiß
am Zuge ließe sich Dauerschach
Erforderlich ist wiederum die sicher nicht mehr vermeiden.
gründliche Analyse! Dazu muss
man die Frage beantworten, ob Daraus ergibt sich die Frage:
Schwarz nun von sich aus den „Kann der schwarze König den
Dametausch erzwingen sollte. Dies g-Bauern aufhalten?“ Die Antwort
hängt unmittelbar davon, wie die findet man mit Hilfe der Quadrat-
Chancen nach einem sofortigen regel. Wäre in Diagramm Nr.635
Übergang in ein reines Bauernend- Weiß am Zuge (g3-g4!), könnte
spiel einzuschätzen sind. Man der schwarze König nicht mehr in
entferne in Gedanken also die bei- das dann verkleinerte Quadrat des
den Damen vom Brett. Bauern (gestrichelte Markierung)
gelangen, sodass Schwarz den
Diagramm 554 Wettlauf verlieren würde. Wäre
jedoch Schwarz am Zuge, könnte
er mit seinem ersten Zug in das
bestehende Quadrat des Bauern
(fette Markierung) hineinziehen
(Kd2-e3, Kd2-d3 oder sogar
Kd2-c3!) und den Bauern aufhal-
ten. Das Quadrat des Bauern e6
(gepunktete Markierung) spielt nur
insofern eine Rolle, als dass man
erkennt, dass der weiße König
schon in ihm steht, bei der Um-
wandlung des e-Bauern deshalb
Weiß hat einen entfernten Freibau- die Unterstützung des schwarzen
ern, den er nicht mit dem König, Königs erforderlich ist. Durch die
der den gegnerischen Randbauern Position Kd2 wäre diese Voraus-
blockieren und erobern muss, un- setzung bereits erfüllt, ebenso na-
terstützen kann. Also käme ein türlich, wenn der schwarze König
Wettlauf des Bauern g3 gegen e6 auf der e- oder f-Linie stünde. Als
oder den schwarzen König als Plan Ergebnis der Analyse kann man
in Frage. Bei einem Wettlauf der somit festhalten, dass Schwarz
Bauern gegeneinander brauchten nach einem Damentausch gewin-
364
nen würde, wenn er im Quadrat Diagramm 556
des Bauern g3 z.B. auf dem Feld
c3 stünde, unabhängig davon, wer
dann am Zuge wäre.
Diagramm 555
Schwarz gewinnt
365
Für den Lernenden ist diese Partie,
gerade weil sie nicht zu den be-
rühmten Vorbildern gehört, son-
dern das alltägliche Turnierge-
schehen widerspiegelt, mit seinen
Chancen und Gegenchancen zwi-
schen Spielern, die sich in ihrer
nominellen Spielstärke durchaus
erheblich unterschieden, ein Lehr-
stück erster Güte, das das ganze
Spektrum der Endspiele umfasst,
mit denen er sich in diesem Lehr-
gang auseinandersetzen musste.
366