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Christoph Henning

Der Denkweg von Hermann Schwarz


Vom unselbstischen Handeln zur handelnden Ewigkeit:

5 3 J a h r e P h i l o s o p h i e i n D e u t s c h l a n d (1892 - 1945)

I Einleitung
II Das philosophische Hauptwerk der 1920er Jahre
III Die Vorgeschichte: sein Denken bis 1921
IV Die Nachgeschichte: sein Denken seit 1933
V Auswertung
VI Bibliographie Hermann Schwarz
VII Sonstige Literatur

„ ... tantum religio potuit suadere malorum! “ Lukrez, De rerum natura I, 101

„Dass der Geist des Menschen metaphysische Untersuchungen einmal gänzlich aufgeben werde,
ist eben so wenig zu erwarten, als dass wir, um nicht immer unreine Luft zu schöpfen,
das Atemholen lieber ganz und gar einstellen würden.“ Kant 1968, Bd.5, 245

„Das Nichts ... ist das Sein selbst, dessen Wahrheit der Mensch dann übereignet wird, wenn er
sich als Subjekt überwunden hat und d.h., wenn er das Seiende nicht mehr als Objekt vorstellt.“
Heidegger (1938): GA 5 (Holzwege), 113

Als Magisterarbeit eingereicht am 6. August 1999 an der Technischen Universität Dresden, Institut für
Philosophie bei Professor Thomas Rentsch, Zweitgutachter war Professor Rehberg, Institut für Soziologie.
Christoph Henning: Der Denkweg von Hermann Schwarz. 53 Jahre Philosophie in Deutschland (1892 - 1945)

I. Einleitung
I.1 Vorrede 1
I.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
I.3 Der Lebensweg des Hermann Schwarz . . . . . . . . . . . . . . . . 4
I.4 Literaturbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
II. Das Philosophische Hauptwerk der 1920er Jahre
II.1 Das Ungegebene 12
II.1.a) Die Seelenlehre. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . 15
II.1.b) Das Ungegebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
II.1.c) Negative politische Theologie. . . . . . . . . . . . . . . . .. 24
II.2 Gott - Jenseits von Theismus und Pantheismus 29
II.2.a) Ausbau des Schöpfungsmythos . . . . . . . . . . . . . . . . 31
II.2.b) Ausbau des Erlösungsmythos. . . . . . . . . . . . . . . . . 35
II.3 Völkische Mystik: kleinere Schriften (1920-1930) 40
II.4 Systematische Selbstdarstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
III. Die Vorgeschichte: sein Denken bis 1921
III.1 Erkenntnistheoretische Grundlegung (1892-1895) . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
III.2 Ethisch-psychologische Grundlegung 61
III.2.a) Psychologie des Willens (1900) . . . . . . . . . . . . . . . . 62
III.2.b) Das sittliche Leben (1901). . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
III.2 Religionsphilosophiegeschichtliche Grundlegung (1906-1920) 73
III.2.a) Erlebnis-Christologie: Transformation liberaler Dogmengeschichte. . . . 77
III.2.b) Die Herkunft der Philosophie des Ungegebenen . . . . . . . . . . . 79
III.2.c) Philosophische Paradoxien: Über die Legitimität der unbegriffenen Neuzeit . 85
IV. Die Nachgeschichte: sein Denken seit 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . 89
IV.1 Nationalsozialistische Weltanschauung (1933) 89
IV.1.a) Alte und neue Pflichtgesinnung im Staatsleben . . . . . . . . . . . 90
IV.1.b) Die Überwindung des Kapitalismus . . . . . . . . . . . . .. 92
IV.1.c) Deutsche Weltanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
IV.1.d) Grundfragen der völkischen Erziehung . . . . . . . . . . . . . 97
IV.1.e) Politische Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
IV.2 Deutsches Glaubensringen (1934-1938) 100
IV.2.a) Christentum, Nationalsozialismus und Deutsche Glaubensbewegung . . . 101
IV.2.b) Ekkehart der Deutsche - Völkische Religion im Aufgang . . . . . . . 104
IV.2.c) Weitere kleine religiöse Schriften . . . . . . . . . . . . . . . 106
IV.3 Philosophischer Nationalsozialismus (1936-1937) 107
IV.4 Fatalistische Spätphilosophie (1938-1944) . . . . . . . . . . . . . . . . 110
V. Wertung und Deutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
V.1 Die deutsche Freiheit 118
V.2 Brüder im Geiste? Hermann Schwarz - Martin Heidegger . . . . . . . . . . . 126
V.3 Philosophie im Nationalsozialismus - Resümee und Plädoyer . . . . . . . . . . 129
VI. Bibliographie Hermann Schwarz
VI.1 Bücher 134
VI.1.a) Eigene Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
VI.1.b) Hermann Schwarz als Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . 135
VI.1.c) Festschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
VI.2 Kleinere Abhandlungen und Artikel 136
VI.2.a) Artikel in der Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik (ZPhK) . 136
VI.2.b) Kleinere Rezensionen in der ZPhK . . . . . . . . . . . . . . 136
VI.2.c) Artikel in den Beiträgen (BPhI) und Blättern (BDPh) . . . . . . . . . 137
VI.2.d) Artikel in anderen Magazinen und Festschriften . . . . . . . . . . . 138
VI.3 Hermann Schwarz im Spiegel der Literatur und Forschung 140
VI.3.a) Direkte Schülerschaft oder Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . 140
VI.3.b) Bezugnahmen auf Hermann Schwarz . . . . . . . . . . . . . . 142
VI.4 Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 143
1

I. Einleitung
1. Vorrede
Was vermag die Beschäftigung mit Hermann Schwarz (1864 - 1951) philosophisch zu
erbringen? Diese Frage kann in sowohl subjektiver (qua persönlicher) als objektiver (qua fachli-
cher) Hinsicht beantwortet werden. Beim Verfasser gingen die subjektiven Motive als `Vernunf-
tinstinkt´ den objektiven voraus. Eine `Grundfrage´ aller Philosophiestudenten ist die nach der
Philosophie selbst: was ist Philosophie? Was will, was kann sie leisten? In der universitären Pra-
xis wird diese (legitimerweise) nicht nur nicht beantwortet, sondern häufig nicht einmal gestellt.
Eine Privatstrategie war es darum, den als verbindlich geltenden Kanon des Faches dadurch in
(die) Frage zu stellen, daß er aus seiner Entstehungszeit heraus zu lesen versucht wurde. Um es
für die zeitgenössische Philosophie zu konkretisieren: Warum ist von den vielen Philosophien,
die es in der ersten Jahrhunderthälfte gegeben hat, genau dieser Kanon extrahiert worden? 1

Im Vertrauen auf die Vernunft in der Philosophiegeschichte müsse also, so lautete die damalige
Strategie, die Abziehung dessen, was damals Philosophiealltag war, von dem, was heute davon
als gültig gesetzt ist, das ergeben, was Philosophie eigentlich ist. In der Beschäftigung mit dama-
liger Philosophie fiel das Augenmerk irgendwann einmal auf Hermann Schwarz, der in den
1920er Jahren zu den Größeren zählte. Durch seinen Obskurantismus einmal auf ihn aufmerksam
geworden, stießen schnell weitere persönliche Gründe für eine Beschäftigung mit ihm hinzu: fan-
den sich in der Erbschaft des einen Großvaters überraschenderweise einige Schriften von
Schwarz, so stellte sich heraus, daß der andere gar einst bei ihm in Greifswald studiert hatte.
Nachdem Prof. Rentsch signalisiert hatte, daß das Werk von Schwarz auch ihm wohlbekannt sei,
wurde eine nähere Beschäftigung mit ihm ins Auge gefaßt. Soweit zur ratio cognoscendi.
Nicht zufällig wird Schwarz gerade in neueren Publikationen häufig genannt. Sehr bald stellte
sich heraus, daß es auch objektiv gute Gründe gibt, sich seiner anzunehmen: die Philosophiege-
schichtsschreibung der neuesten Philosophie in Deutschland ist zu zwei Seiten hin offen. Klafft
einmal - abgesehen von sporadischen Nennungen des Historismus, des Neukantianismus und der
Lebensphilosophie - eine Lücke zwischen den Größen des 19. Jahrhunderts (Hegel, Schelling,
Kierkegaard, Marx, Nietzsche) und denen des frühen 20. Jahrhunderts, so gibt es einen zweiten
hiatus irrationalis zwischen letzteren Größen und der Gegenwart. Eine Untersuchung von Her-

1 Wittgenstein, Lukács und Heidegger sind als Initiatoren dieses Kanons zu nennen (siehe Schnädelbach 1983, 13.)
Zitiert wird auf amerikanische Weise: Name des Verfassers und Erscheinungsjahr verweisen auf das Literaturver-
zeichnis im Anhang, arabische Ziffern bezeichnen die Seitenangabe. Ziffern ohne nähere Angaben beziehen sich im-
mer auf das jeweils behandelte Werk von Hermann Schwarz.
2

mann Schwarz vermag beide Lücken zu erhellen, da er von 1892 bis 1945 konstant veröffentlich-
te. Speziell die Zeit des Dritten Reiches ist in jüngster Zeit breit diskutiert worden. Was aber die
Philosophie angeht, so dringt man in die inhaltlichen Tiefen damaliger Werke kaum je wirklich
vor. Schriften, die die Philosophie dieser Zeit nicht nur äußerlich berühren, sind zumeist entwe-
der denunziatorisch oder apologetisch. Besonders die Gestalt Martin Heideggers hat geradezu
unversöhnliche Gräben aufgerissen. Ohne von der Heidegger-Debatte auszugehen, sind Erkennt-
nisse über Hermann Schwarz auch für ein Verständnis Heideggers aufschlußreich. Sie lebten
nicht nur zu der gleichen Zeit, sondern auch in und aus derselben. Sie haben ähnliche Fragen -
und sogar ähnliche Antworten.
Der Nationalsozialismus (fortan kurz: NS) war geschichtlich trotz allem das bislang größte anzu-
nehmende Übel (es falsissimum). Was bleibt eigentlich von einer Philosophie, die sich ausge-
rechnet ihm verschrieben hatte und derart gleichsam historisch `falsifiziert´ wurde? Reißt sie die
gesamte Philosophie mit sich in den Strudel der Unglaubwürdigkeit? Die Traditionen, auf die
Hermann Schwarz sich stützt, waren "deutsche" Mystik und "deutscher" Idealismus. Hier ist spe-
ziell zu fragen: wie war eine solche Rezeption dieser Philosophie überhaupt möglich? Liegen
vielleicht, ähnlich wie bei Marx und beim Christentum, Gründe für die Möglichkeit des politi-
schen Mißbrauchs auch in ihnen selbst? Dies war der Punkt, an dem Hermann Schwarz im Studi-
um zur Sprache kam: in dem Oberseminar Negative Theologie und Philosophie (Rentsch/Franz,
SS 1996) wurde diskutiert, ob mystisches Denken zu emanzipatorischen und freiheitlichen politi-
schen Überzeugungen führe. Wurde zur Bestätigung dieser These das Engagement von Simone
Weil ins Spiel gebracht, so lieferte das von Hermann Schwarz ein Gegenbeispiel. Wie steht es
also um diese neuere Mystik (Schwarz 1920)? Und wie läßt sich eine solche Frage nach der Poli-
tiklastigkeit einer Philosophie überhaupt stellen?
Die Frage ”was ist Philosophie?” ist also keineswegs eine nur private, sondern eine
”Grundfrage”, die im ersten Jahrhundertdrittel als besonders virulent empfunden wurde. Sie 2

selbst gründet in der Zeit, die zwischen Nietzsche und Heidegger liegt, und in der Philosophie
sich selbst zum Problem wurde. Hermann Schwarz steht mitten in diesem Ringen der Gegen-
wart. Da er sich eines überdeutlichen Stiles bedient, treten die Problemlagen aus seinen Schrif-
3

2 Martin Heidegger stellte die Grundfragen der Philosophie explizit 1933 und 1937 (Heidegger 1984, GA 45; vgl
Rentsch 1989, 62). Für Schwarz sind es jene, ”die sich auf das Verhältnis von Leib und Seele, auf die Freiheit oder
Unfreiheit unseres Willens und auf das Wesen und Wirken Gottes beziehen” (Schwarz 1912, V).
3 Um auf Pzywara 1929 anzuspielen. Die Selbstthematisierung (und `Fragwürdigkeit´) der Philosophie in dieser Zeit
wird von älteren Philosophiegeschichten noch nicht, in jüngeren nicht mehr gesehen.
3

ten klar hervor, sehr viel plastischer als etwa bei Heidegger. Durch Kontinuität und Breite seines
Schaffens sind zudem die Hintergründe eines Denkens sichtbar, das sich im NS schließlich hin-
ter die Machthaber stellte. Auch diese sind bei Heidegger derart unerkennbar, daß dessen politi-
sches Engagement oft von seiner Philosophie getrennt wird. Das Engagement von Schwarz muß
nicht vom Interpreten aus seinen Schriften abgeleitet werden, denn das tat er selbst. Die äußerli-
che Parallele des NS-Engagements bei Heidegger und Schwarz läßt sich, ebenso wie die merk-
würdige Ähnlichkeit der ”handelnden Ewigkeit” (Schwarz 1935, 90) mit dem Seinsdenken des
späteren Heideggers, auf die bereits Thomas Rentsch aufmerksam gemacht hat, auf gemeinsame 4

Hintergründe zurückführen. Diese Hintergründe, ihre Rezeption und Verarbeitung im Denkweg


von Schwarz sowie das daraus schließlich resultierende Skandal einer philosophischen Grundle-
gung des Nationalsozialismus (Schwarz 1936) bilden das Thema dieser Arbeit. 5

2. Aufbau der Arbeit


Der äußere Lebenslauf von Hermann Schwarz, soweit er bekannt ist, und ein Literaturbericht, in
dem auch die Vorgehensweise in dieser Arbeit erläutert wird, sind vorangestellt. Um im Haupt-
teil (Kapitel II bis IV) das Werk von Hermann Schwarz in seiner vollen Breite zu gewärtigen,
ohne sich in die beiden Lücken in der deutschen Philosophiegeschichtsschreibung spekulierend
zu verirren, wird zunächst die Vollgestalt betrachtet, die Hermann Schwarz seinem Denken in
den Zwanziger Jahren gibt (II). Diese liegt in seinen beiden Hauptwerken Das Ungegebene von
1921 und Gott von 1928, sowie in seiner Selbstdarstellung von 1931 vor. Sie bewegt sich bereits
im Terrain dessen, was als Philosophie der Moderne gilt. Hermann Schwarz bildet einen Kontra-
punkt zu schulemachenden Autoren wie Ludwig Wittgenstein, Georg Lukács und Martin Hei-
degger, die alle in jenen Jahren ihre entscheidenden Werke vorlegten. In vielem bewegt er sich
auf überraschende Weise auf dem Stand der damaligen Problemdiskussionen. Zwar weicht seine
Position von denen der Genannten oft gravierend ab, aber dies gleichwohl auf gemeinsamen Bo-
den. Die Fragen, die damals gestellt wurden - und heute nur zurückgestellt, nicht beantwortet
sind, leiten auch Hermann Schwarz. Er beantwortet sie nur auf eigenständige Weise. Um die spe-
zifische Differenz zu den schulemachenden Philosophen seiner Zeit einzuholen, wird dann auf 6

4 Rentsch 1989, 218 ff.


5 Von einem ”Skandal in der Philosophie” sprechen Kant: Kritik der reinen Vernunft (KrV), B XXXIX; sowie Mar-
tin Heidegger 1927: Sein und Zeit (SuZ), 205. Darauf ist zurückzukommen.
6 Es ist daher kein Exotismus, ihn zu lesen. Im Ursprung des deutschen Trauerspiels erkannte Walter Benjamin ge-

rade unbekannteren Werken einer Umbruchszeit einen besonderen Erkenntniswert zu (Benjamin 1980, I.1, 238).
4

seine Vorgeschichte abgehoben (III). Diese gliedert sich nach seiner anfänglichen Beschäftigung
mit Mathematik (1888) chronologisch in eine erkenntnistheoretische (1892-95), eine ethisch-
psychologische (1900-02), eine religionsphilosophische (1906-13), eine polemische, zunehmend
`völkische´ seit dem Kriegsausbruch im Fichtejahr 1914, die schließlich gegen 1930 in eine sozi-
alphilosophische übergeht. Vom Hauptwerk der 1920er Jahre her gelesen, haben diese Teilmo-
mente einen zu umreißenden systematischen Zusammenhang.
Schließlich wird die philosophische Position zu beleuchten sein, die Schwarz im Dritten Reich
einnahm (IV). Anders als für viel andere war es für ihn eine Zeit des Erfolges. Trotz seines hohen
Alters gab er wieder Lehrveranstaltungen und publizierte unzählige Schriften. Noch 1945 erschi-
en ein 700seitiger dritter Band seiner Gesammelten Werke. Diese Periode wird indes nicht als
geistloser Opportunismus, sondern als konsequente (wenn vielleicht auch nicht als einzig mögli-
che) Verlängerung seiner Philosophie deutlich. Abschließend wird sein Gesamtwerk in einer
Stellungnahme beurteilt (V). Sind schon in den Kapiteln zu den einzelnen Zeitabschnitten Dar-
stellung und Kritik nicht zu trennen, so gilt es hier, den übergreifenden Zusammenhang der Pro-
blempunkte noch einmal kritisch zu beleuchten. Dort werden ein Vergleich mit Heidegger und
einige systematische Schlußbetrachtungen angestellt. Dieser Ausblick will Hinweise für die Dis-
kussion um die Philosophie im NS insgesamt geben. Im Anhang befindet sich eine Bibliographie
aller aufgefundenen Schriften von Schwarz sowie relevanter Literatur.

3. Der Lebensweg des Hermann Schwarz


Hermann Schwarz wurde am 22. Dezember 1864 in Düren (Rheinland) als Sohn eines lutheri-
schen Gymnasialprofessors geboren. Er ist Generationsgenosse von Edmund Husserl (1859-
1938), Heinrich Rickert (1863-1936) und Max Weber (1864-1920). Zur philosophiehistorischen
Orientierung sei erwähnt, daß 1866 Friedrich Albert Lange erstmals seine Geschichte des Mate-
rialismus, 1867 Karl Marx sein Kapital veröffentlichte. Der Taufschein legt eine christlich ge-
prägte Erziehung zumindest nahe, zumal auch ein priesterlicher Onkel Pate stand. Der Vater
verstarb bereits 1882, die Mutter kehrte (wohl zur eigenen Mutter) nach Halle zurück, wo Her-
mann Schwarz in die Pensionsanstalt der Franckeschen Stiftungen gegeben wurde. Die seither
auftretende pietistische Sehnsucht nach gefühlter Gemeinschaft rührt aus dieser Zeit. Er selbst 7

berichtet in dem Abriß Meine religionsphilosophischen Wandlungen (Schwarz 1945, 13 ff.) eini-

7 Das ”Zeugnis der Reife” weist ihn als unauffällig, strebsam und bibelfest aus (in: UA Halle RP 21 II Nr. 148).
5

ges aus dieser Zeit. Dem ist jedoch nur bedingt Glauben zu schenken, da diese nachträgliche Sti-
lisierung eher an Augustins Confessiones erinnert als an eine ernstzunehmende Biographie.
Nachdem er in Halle Mathematik und Naturwissenschaften für den höheren Lehrberuf studiert
hatte, promovierte er dort im Dreikaiserjahr 1888 - in dem zugleich Nietzsche erkrankte - bei
dem Mathematiker Georg Cantor. Die Arbeit, betitelt Ein Beitrag zur Theorie der Ordnungsty-
pen, wollte den ”Übergang von der endlichen Zahl zur aktual unendlichen” als denknotwendig er-
weisen - auch dies ein bleibendes Thema seines Denkens. Von 1887-1901 gab es in Halle einen
8

Privatdozenten, der sich dort habilitiert hatte mit der Arbeit Über den Begriff der Zahl - Psycho-
logische Analysen: niemand geringeres als Edmund Husserl. Für den 1. Juli 1887 ist Schwarz als
Husserls ”ordentlicher Opponent” bei dessen Nostrifikation verzeichnet. In späteren Arbeiten
von Schwarz ist ein Einfluß von Husserls Psychologismuskritik gegeben. Ein weiterer ortsansäs-
9

siger Gelehrter war der Privatdozent Karl Goswin Uphues (1841-1916). Dieser hatte sich 1884 in
Halle für Philosophie habilitiert und war dort von 1890 bis 1916 außerordentlicher Professor. Er
war ein zum Protestantismus konvertierter Katholik, der philosophisch weiterhin an der thomisti-
schen Lehre festhielt. Bei ihm habilitierte sich Schwarz 1894 mit einer Schrift über Die Lehre
von den Sinnesqualitäten bei Descartes und Hobbes. Dem war 1892 bereits ein Versuch voraus-
gegangen, der gescheitert war. Die abgewiesene Habilitationsarbeit Über die Lokalisation unse-
10

rer räumlichen Empfindungen wurde umgearbeitet und als Das Wahrnehmungsproblem


(Schwarz 1892) veröffentlicht. Da Schwarz durch diese und andere Veröffentlichungen von sich
Reden machte, blieb er bis 1908 als Privatdozent in Halle besoldet und somit ein Kollege von
Uphues. Die Abhängigkeit von ihm scheint sich nach den anfänglichen öffentlichen Parteinah-
men (Schwarz 1894a, 1895) zu verlieren. 1932 vertritt Schwarz noch einen erkenntnistheoreti-

8 Dies ist entnommen: Sieg 1994, 310 ff. Siehe Lehmann 1943, 470 ff. und Leaman 1993, 79 f. Die Akten im Uni-
versitätsarchive Halle zeigen, daß Cantor diese Arbeit angeregt hatte: Cantor verweist auf seinen eigenen Vergleich
der Ordnungsypen mit den Idealtzahlen Platos (Aristoteles: Metaphysik 1089). Allerdings war er nicht vollauf zufrie-
den: ”Die Darstellung läßt in mancher Beziehung zu wünschen übrig” - die Arbeit wird `nur´ mit ”acute et diligenter
composita” bewertet (UA Halle Rep. 21 II Nr 148). Bezugnahmen auf Cantors "Überzahl Ω" finden sich später un-
zählige (etwa Schwarz 1921, 21).
9 Explizite Bezugnahmen auf Husserls Logische Untersuchungen (Husserl 1992, Bde. 2-4) sind in Schwarz 1912, 39
zu finden sowie in Aufsätzen von 1908 (Die verschiedenen Funktionen des Worts) und 1918 (Vom Unanschaulichen
Wissen - alle Aufsätze von Schwarz sind im Anhang verzeichnet). Zur Kooperation im Jahre 1887 Gerlach 1994,
185; daneben auch auf den Kopien der Husserl-Akten im Privatbesitz, hier Blatt 4.
10 Schwarz selbst sieht die Ursache dafür nachträglich darin, daß Carl Stumpf, für den die Arbeit wohl gedacht war
(übrigens auch ein Lehrer Husserls), inzwischen durch Benno Erdmann abgelöst worden war, welcher leider im Ge-
gensatz zu Schwarz ein erkenntnistheoretischer Idealist gewesen sei (Schwarz 1945, 9 f.). Die Akten aus Halle zei-
gen eher, daß Schwarz sich in der Interdisziplinarität verrannt hatte: die Arbeit wurde den Physikern, Psychologen,
Philosophen und Mathematikern vorgelegt, und man kam zu dem Schluß, Schwarz sei ”über den Umfang der von
ihm behandelten Probleme nicht vollständig informiert” (UA Halle Rep. 21 III Nr 142).
6

schen kritischen Realismus, ohne jedoch irgend jemand zu nennen. Besonders Uphues´ Vorstel-
lungsfeindlichkeit dürfte sich indes tief festgesetzt haben. 11

Ein weiterer Einfluß stammt von dem Hallenser Rechtsphilosophen Rudolf Stammler (1854-
1938), der 1896 eine Überwindung der materialistischen Geschichtsauffassung verfaßte, auf die
sich Schwarz noch 1929 bezog. Halle war eine traditionelle akademische Hochburg, die sich
12

seit je im Spannungsfeld von Aufklärung und (pietistischem) Irrationalismus befand. Ein Vertre-
ter der letzteren Gewichtung war der Literaturhistoriker der Romantik, Rudolf Haym, bei wel-
chem Schwarz im Studium mehrere Prüfungen in Philosophie ablegte. 1902 steuerte Schwarz zu
einer Festschrift einen Aufsatz bei. Schwarz dürfte es in Halle dennoch schwer gehabt haben,
denn auch bei dem zweiten Versuch seiner Habilitation gab es Verzögerungen. Daraus dürfte 13

sein zunehmendes Einzelgängerdasein zurückzuführen sein.

Ob die Hallenser Kantianer Alois Riehl (der einen `kritizistischen´ Realismus vertrat) und Hans
Vaihinger (Philosophie des Als Ob) für seine Entwicklung von Bedeutung waren, ist offen. Eine
Notiz (Schwarz 1921, 55) deutet auf Kenntnisnahme. Schwarz hielt jedenfalls Vorträge in der
Philosophischen Gesellschaft, dem Vorgängerverein der Kantgesellschaft, die 1904 in Halle ge-
gründet wurde (Schwarz 1943, 16), und veröffentlichte rege in den Kantstudien. 1904 heiratete er
seine Frau Käthe (vermutlich geb. Rudolfi). 1907 wurde er Herausgeber der renommierten Zeit-
schrift für Philosophie und philosophische Kritik (ZPhK), wie sich das von Immanuel Hermann
Fichte und Heinrich Ulrici als Zeitschrift für Philosophie und Spekulative Theologie initiierte
Fachblatt seit 1847 nannte. Noch als Hallenser Privatdozent veröffentlichte er einige größere
14

Werke, und zwar hauptsächlich zur Ethik und Psychologie (Schwarz 1896, 1900, 1901, 1902,
1904). Diese erregten immerhin genug Aufsehen, um von Größen wie Wilhelm Wundt, Paul Na-
torp, Hans Vaihinger und Richard Hönigswald besprochen zu werden (Festschrift Schwarz 1924,
79). Da er durch diese Veröffentlichungen und Rezensionen als jemand erschien, der sowohl ex-
perimentelle Psychologie als auch traditionelle Philosophie zu lehren imstande war, wurde er als
außerordentlicher Professor an eine Fakultät berufen, an der sich Naturwissenschaften und Philo-

11 Darauf ist zurückzukommen. Kurt Flasch hat Werke von Goswin Karl Uphues neu herausgegeben (Uphues 1991).
12 Stammler 1896. Der Bezug findet sich in Schwarz 1901, 1904/12 sowie erneut in Schwarz 1933. Max Weber ver-
faßte eine bissige Kritik an Stammler (Weber 1907). Stammler hat Schwarz in Marburg empfohlen (Sieg 1994).
13 Das Ministerium klagt eine Probevorlesung ein, die Abstimmung verlief knapp (UA Halle Rep. 21 III Nr.142).
14 Köhnke 1986, 101 und 461. Sein späteres Preisen der Arbeitsethik beruhte mithin auf wirklichem Fleiß.
7

sophie um die Besetzung eines vakanten Lehrstuhles höchst uneinig waren, und die darum einen
Kompromiß anstrebte:
1908 wechselte Schwarz ins neukantianische Marburg. Glücklich wurde er in Marburg nicht, war
er doch gegen den Willen der dortigen Philosophen (und damals bestimmenden Gestalten) Her-
mann Cohen und Paul Natorp berufen worden, und auch in der Psychologie nicht zu überzeugen
in der Lage. Trotz deren ablehnender Haltung zitiert er Cohen und Natorp später noch anerken-
15

nend, insbesondere ihre Platondeutungen (Schwarz 1913, 33). Ein dort wirkender Theologe war
Wilhelm Herrmann (1846-1922), auf dessen Spuren Schwarz bereits in Halle hätte stoßen kön-
nen, wo Hermann von 1875 bis 1879 Privatdozent war. Hermann war ein Lehrer von Karl Barth
und Rudolf Bultmann (der dadurch für eine Rezeption der Philosophie Heideggers geradezu prä-
destiniert war). 1910 wird Schwarz, vermutlich auf Betreiben Rehmkes, als ordentlicher Profes-
16

sor für alle Fachbereiche der Philosophie nach Greifswald berufen, wo er bis zu seiner Emeritie-
rung 1933 bleibt. Er machte das Rennen gegen Georg Simmel, der auf der Berufungsliste an glei-
cher Stelle stand. In Greifswald wirkende Denker waren der `Immanenzphilosoph´ Wilhelm
17

Schuppe (1836-1913), dessen Lehrstuhl Schwarz übernahm; der Neo-Wolffianer Hans Pichler
18

(1882-1958), ein Wunschkandidat von Schwarz und Mitstreiter aus den Beiträgen, der noch
1934 an einer Festschrift für Hermann Schwarz mitwirkte; bis 1922 Johannes Rehmke (1848-
1930), dessen Grundwissenschaft mit dem Begriff des ”Gegebenen” arbeitete - worauf das Unge-
gebene (Schwarz 1921) wohl gemünzt ist; und der Ontologe Günther Jacoby (1881-1969). An
19 20

dieser kleinen Universität wendet sich Schwarz intensiv der philosophischen Theologie zu, mit
dem Ergebnis einiger Monographien (Schwarz 1913, 1912, 1922) und der Verleihung des theolo-
gischen Ehrendoktors (Dr. theol. h.c.) durch die Universität Königsberg 1913.
In Greifswald radikalisiert sich sein politisches Denken. Zwar war ihm der Tod für das Vaterland
- frei nach Horaz - auch vorher schon die "grösste sittliche That” (Schwarz 1901, 378). Doch war
im Wilhelminismus zwischen dem offiziellen Chauvinismus, dem solche damals durchaus gängi-

15 Sieg 1994, 310ff., zitiert aufschlußreiche Briefstellen und aus seinem `Kompromiß´-Lehrangebot vom SS 1909
(200): Psychologie der geistigen Arbeit und Begabung mit Versuchen sowie Vorlesungen über Hume und Logik.
16 Karl Barth war zur gleichen Zeit in Marburg (Scholder 1977). Ritschls `Gotteskindschaft´ kennt auch Schwarz.
17 Davon ist in Husserls Briefwechsel mit Simmel die Rede (Husserl 1994 VI, 407). Mit Schwarz schrieb Husserl
sich nicht, obzwar er 1924 einen Brief ankündigt (a.a.O. III, 444). 1910 empfiehlt er wärmstens die ZPhK (III, 400).
Schwarz spielte 1911 mit dem Gedanken, Husserls Schüler Alexander Pfänder nach Greifswald zu holen (II, 166).
18 Schwarz 1892, 359 verweist auf Schuppe. Schuppe und Rehmke waren erkenntnistheoretische `Idealisten´.
19 Schwarz 1928, 2, erwähnt ihn nur beiläufig. 1910 hatte er dieses Werk jedoch rezensiert (ZPhK 139).
20 In einer Reihe zur Greifswalder Universitätsphilosophie (Häntsch 1993) werden diese Denker behandelt. Karl Jas-
pers hatte 1921 einen Ruf nach Greifswald bekommen, den er allerdings ablehnte (Jaspers 1992, 223).
8

gen Äußerungen wohl zuzurechnen sind, und der weitaus schärferen völkischen Bewegung noch
ein weites Feld. 1913 wird er erster Vorsitzender der Greifswälder Ortsgruppe des Deutschen
Wehrvereins, einer völkisch-militaristischen Vereinigung. Es waren aber besonders der als Of-
21

fenbarung erlebte Kriegsausbruch, die langen Kriegsjahre (in denen er Monat für Monat für die
Frontkämpfer spendete) und der von den daheimgebliebenen Patrioten nicht akzeptierte Kriegs-
ausgang, die seine Radikalisierung bewirkten. 1914 war die allgemeine Kriegsbegeisterung selbst
unter Philosophen verbreitet, ja von ihnen geradezu forciert. 1918 allerdings waren viele nach-
22

denklicher geworden, wie die Wandlungen Max Schelers vom Verkünder des Genius des Krie-
ges zum Denker eines Ausgleichs oder die Thomas Manns vom konservativen Revolutionär zum
Vernunftrepublikaner hinreichend belegen. Nicht also Schwarz.
Schon 1889 hatte er einen Armeedienst aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen. 1914 23

ist er bereits 50 Jahre alt und erlebt den Krieg an der ”heimische(n) Front" (Schwarz 1917, in:
1945, 264). Dies verbindet ihn mit Heidegger, und unterscheidet beide von Denkern wie Paul
Tillich oder Ludwig Wittgenstein, die den Krieg wesentlich existentieller erlebten und diesbe-
züglich keinerlei Kompensationsbedürfnis hatten. Während des Krieges wird Schwarz zum ein-
24

deutig kriegsbejahenden Agitator und geradezu fanatischen `Einpeitscher´, nach dem Krieg zum
Revisionisten. Noch 1929 sah er es als ”unsere Pflicht” an, die ”Kriegsschuldlüge” zu widerlegen
(Schwarz 1928b).
Aus starkem Pflichtgefühl übernimmt er speziell in speziell in der Pädagogik große Verantwor-
25

tung. Er engagiert sich für die Studentenschaft und muß ein warmherziger Lehrer gewesen sein.
Die Richtung seines Engagements steht, in der Tradition patriotischer "Volkspädagogik" von
Fichte bis Ernst Krieck, politisch an der äußersten Rechten. Die Benennung der Greifswalder
Universität nach Ernst Moritz Arndt 1933 dürfte auf Schwarz zurückgehen, der ihn schon zuvor
als Führer zum Deutschtum erklärt hatte (Schwarz 1927). 1923 tritt er, als erster amtlicher Philo-
soph überhaupt, in die NSDAP ein. Dies war ein symbolischer Akt, da er damals Rektor der Uni-
versität war. Auch seine Rektoratsrede ist ”im Geiste der nationalsozialistischen Weltanschauung”
gehalten. 1924 trat er aus der NSDAP wieder aus, da er mit der Kandidatur Erich Ludendorffs
26

21 Über diesen informiert Marilyn Shevin-Coetzee in Puschner 1996, 366 ff.


22 Lübbe 1963, 171 ff., Krockow 1990, 91-111.
23 Und zwar ”wegen eines Gehörfehlers”, so Schwarz 1945, 26 (vgl. auch die Greifswalder Personalakte).
24 Wittgenstein etwa hatte sein Feldgrau noch Jahre nach dem Krieg getragen.
25 Aus einem Urlaubsgesuch ist devoteste Kaisertreue herauszulesen, daneben initiierte er Sammlungen für die
Front. Diese und ähnliche Dokumente sind in seiner Personalakte im Greifswalder Universitätsarchiv einzusehen.
26 Aus einem NS-Fragebogen. Alte und neue Pflichtgesinnung erscheint in Schwarz 1922c, 1933 und 1940.
9

zum Reichspräsidenten nicht einverstanden war. Worauf diese Haltung gegen Ludendorff und
dessen spätere Witwe Mathilde zurückgeht, ist unklar. Die Differenzen zur Partei waren jeden-
27

falls nicht schwerwiegend: 1929 tritt er Rosenbergs Kampfbund für deutsche Kultur bei und wird
von der Ortsgruppe der NSDAP mit der Ehrenkarte ausgezeichnet. . 28

So hat es wenig zu besagen, daß Schwarz im März 1933, immerhin 68jährig, emeritiert wird.
Nach einem ausdrücklichem Gesuch war der einschlägige Bescheid des zuständigen preußischen
Ministers bereits am 22. Dezember 1932 ergangen, noch von der alten Regierung und an seinem
Geburtstag - politische Gründe kommen also nicht in Frage. Im Gegenteil, als Emeritus, der von
Greifswald nach Darmstadt zog (in die Fichtestrasse 1), hielt er wieder Vorlesungen und Reden:
in Frankfurt, wo eben noch Horkheimer, Adorno und Paul Tillich (der durch Arnold Gehlen ver-
treten wurde) gelehrt hatten, in Darmstadt, Greifswald und Berlin. Er veröffentlicht weiterhin
zahlreiche Schriften. Die ersten offiziell nationalsozialistischen erscheinen 1933, die letzte 1945.
Er vermag als Philosoph den NS philosophisch und sogar theologisch ernstzunehmen, ja zu be-
gründen und zu festigen. Insbesondere versucht er, innerhalb der Deutschen Glaubensbewegung,
welche sich noch rechts von den Deutschen Christen um die Synthese einer neuen völkischen
Religion bemühte, an Einfluß zu gewinnen. Als dies sich 1936 zerschlägt, ist er tief enttäuscht.
Den Gedanken an Einflußnahme in das religiöse Geschehen, das er für zentral hält, gibt er aber
nicht auf. In späteren Werken ”vertieft” er seine Gedanken in verschiedener Hinsicht und sucht
innerhalb der inzwischen entstandenen NS-`Metaphysik´ und `Religion´ klärend und ordnend zu
wirken. Dafür bekommt er zu seinem 75. Geburtstag die Goethemedaille verliehen. Zwar hatten
er und seine Anhänger sich eine noch höhere Ehrung versprochen, doch läßt bereits diese auf ein
Wohlwollen seitens des Regimes schließen - Orden wurden 1939 noch längst nicht so inflationär
verteilt wie gegen Kriegsende. Zu den Ehrungen ist auch die auf acht Bände von je 700 Seiten
angelegte Gesamtausgabe zu rechnen. Ein derart aufwendiges Projekt war in den 1940ern eine
29

Besonderheit. Aufgrund der Papierknappheit wurde 1944 ein Druckstopp verfügt; der dritte Band
der Gesamtausgabe ging jedoch noch 1945 in den Druck. Wie er die Jahre nach der Kapitulation
verbracht hat, war bislang nicht herauszubekommen. Im Dezember 1951 verstirbt er, fast 87jäh-
rig, in Darmstadt. Ohne übertrieben zu `biographisieren´ läßt sich doch feststellen, daß seine
27 Später behauptet er, schon damals hitlertreu, einen Dualismus befürchtet zu haben (Schwarz 1945, 32). Wahr-
scheinlicher ist, daß Ludendorffs Verbindungen zur Industrie aus der Sicht des `nordeutschen NS´ opportun waren.
28 Leaman 1993, 79, zitiert: ”stets in Kontakt mit der Ortsgruppe Greifs. geblieben, die 1929 eine Ehrenkarte aus-
gestellt hat”. Der Fragebogen zum Ariernachweis besagt: ”blieb aber stets in Fühlung mit der Ortsgruppe, die mir
1929 ... (unlesbar) übermittelte” (eingesehen in der Greifswalder Personalakte).
29 Eine Anzeige im Deckel von Schwarz 1940 kündigt acht Ausgaben an.
10

Überhöhung der Sekundärtugenden in Wissenschaft, Militär und Familie (etwa: ”das deutsche
Muttermysterium” verklärt die Frau ”als Tempelhüterin der Wohnstube”, Schwarz BDPh 1930) in
seinem Lebenslauf eine Entsprechung findet: sein Vater starb früh, seine Mutter gab ihn in ein
Heim; den Militärdienst konnte er 1889 aus Gesundheitsgründen und 1914 wohl aus Altersgrün-
den nicht antreten; die akademischen Kollegen waren ihm lange Zeit alles andere als gewogen.
Vermutlich entstanden aus alledem Wunden, die es zu kompensieren galt.

4. Literaturbericht
Eine Bibliographie des umfangreichen Werkes von Hermann Schwarz existierte bislang nicht.
Eine Auskunft für die Schriften bis 1924 gibt die Festschrift Vom sittlich-religiösen Erleben
(Schwarz 1924). Für die vorliegende Arbeit wurden die Bestände der Sächsischen Landes- und
Universitätsbibliothek in Dresden, der Staats- und der Universitätsbibliotheken in Berlin sowie
der Universitätsbibliothek in Greifswald genutzt, in denen ein Großteil des Werkes einsichtig ist.
Es gibt einige Bezugnahmen auf Schwarz in Werken zeitgenössischer Autoren, etwa bei Husserl,
Max Scheler, August Messer, Oswald Külpe, Arnold Gehlen, Johannes Hessen und Kurt Leese.
In namhaften philosophischen Lexika und Philosophiegeschichten seiner Zeit ist er aufgeführt
(im Anhang sind diese Stellen verzeichnet). Eine solide Zusammenfassung der Philosophie von
Schwarz aus der Sicht des Amtes Rosenberg findet sich bei dem Philosophiehistoriker Gerhard
Lehmann 1943. Nach Kriegsende ist es ruhig um Schwarz, der ja immerhin noch bis 1951 fort-
lebte. Bislang wurde nur ein von ihm verfaßter Zeitungsartikel von 1950, ein von ihm verfaßter
Artikel über sich selbst, der noch im Jahre 1950 in Werner Ziegenfuß´ Philosophenlexikon er-
scheint, sowie ein rechtsextremes Werk mit Auszügen aus seinen Schriften aufgefunden. 30

In diesem Umfeld dürfte es über das Kriegsende hinaus eine Bekanntschaft mit seinem Werk ge-
geben haben. Seine Gedanken lebten in Organen wie dem Bund für Gotteserkenntnis fort, wel-
cher sich auf Mathilde Ludendorff zurückführt. Hermann Schwarz polemisierte zwar stark ge-
31

gen diese, aber dies legt eine gedankliche Nähe ja gerade nahe. Erste offizielle Erwähnung findet
er wieder bei dem Sekretär Ernst Jüngers, Armin Mohler (1950/1989), der ihn als Lehrer von
Heinz Heimsoeth ausweist. Auch Hermann Lübbe (1963) machte früh auf Hermann Schwarz als
32

30 Schwarz 1964; das einzig verfügbare Exemplar entstammt Armin Mohlers Sammlung (nun: Bibliothek Chemnitz).
31 Über diesen Karl Witte in Künneth 1933; Astrid Lange 1993, 111; Nanko 1993, 50; Bibo 1995 im Anhang.
32 So jedenfalls schließt Villacanas (in: Schrader 1997) aus einer Notiz bei Mohler 1989, 275. Heimsoeth berichtet
davon nichts (Heimsoeth 1977), er selbst benutzte aber den Term "ungegeben" (Heimsoeth 1923, 71). Schwarz und
Heimsoeth gaben zusammen die Blätter für Deutsche Philosophie (BDPh) heraus und kannten sich aus Marburg.
11

einen der prägnantesten Vertreter des politischen Neufichteanismus im Ersten Weltkrieg auf-
merksam. Zuletzt war es wohl Ernst Nolte (1988), der ihn in einer Besprechung Heideggers ei-
nem breiteren Publikum bekanntmachte. Neuerdings wird darum, neben der dankenswert dezi-
dierten Durchforstung der verfügbaren Akten jener Zeit (Heiber 1991 und 1994, Leaman 1993),
auch inhaltlich auf ihn eingegangen (Sluga 1993, Kiesewetter 1995). Aus anderer Perspektive
verfaßt, aber ebenso aufschlußreich ist seine Behandlung bei Sieg (1994).
Wenn die Darstellung der Meinung von Schwarz nicht im Konjunktiv erschient, so stellt dies
nicht die Meinung des Autors dar. Um textnah zu bleiben, werden reichlich Belege aus Texten
von Schwarz angebracht. Kurze Wendungen, die keine Sätze ergeben, sind in den Fließtext (in
Klammern gesetzt) eingeflochten, argumentativ zentrale Zitate werden vollständig zitiert und
vom Fließtext abgesetzt. Längere belegende Zitate sind im Interesse des Leseflusses in die Fuß-
noten gesetzt. Zitate von Hermann Schwarz werden ”kursiv und in Anführungszeichen” gesetzt, um
sie von ”anderen Zitaten” abzuheben. G e s p e r r t e und fette Hervorhebungen von Schwarz
und anderen Autoren werden, wenn sie dem Zusammenhang entgegenstehen, entfernt, ohne dies
noch einzeln anzugeben. In Zitaten von Schwarz stammen ”fette Hervorhebungen” g e n e r e l l
von mir, um die Bezugnahmen zu verdeutlichen. Im Fließtext werden Titel und lateinische For-
meln kursiv, argumentative Schwerpunkte wie üblich g e s p e r r t oder kursiv, `Anspielungen´,
die keine wörtlichen `Zitate´ sind, in einfache Anführungszeichen gesetzt.
12

II. Das philosophische Hauptwerk der 1920er Jahre


II.1 Das Ungegebene: Eine Religions- und Wertphilosophie (1921)
”`Es gibt kein Erkennen: f o l g l i c h - gibt es einen Gott´: welche neue elegantia syllogismi!
Welcher T r i u m p h des asketischen Ideals! -” Nietzsche 1994 IV: Genealogie der Moral, 169

Die Lage der Philosophie in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg war düster. Zunächst ein-
mal waren ihr - von Todesopfern ganz abgesehen - philosophisch die Leviten gelesen worden, in-
dem Marx, Nietzsche und Freud die Geltungskraft der Philosophie philosophisch depotenziert
hatten. Des weiteren hatten mehr und mehr empirische Wissenschaften wie Psychologie, Soziolo-
gie und politische Ökonomie den vormaligen Zuständigkeitsbereich der Philosophie übernom-
men. Das Feld, was der Philosophie noch blieb, wurde ihr zudem von außerakademischen Welt-
anschauungs-Literaten streitig gemacht, deren Schriften eine große Resonanz fanden. Zuletzt
hatte die vormalige politische Bindung der Philosophie an das kriegsherrliche Kaiserdeutschland
sie dem philosophischen Ausland, zugleich auch der neu entstandenen Republik im Inland, ent-
fremdet. Die grundsätzliche Neubestimmung der Philosophie, die sich in den Werken von Hei-
degger, Wittgensteins und Lukács´ abzeichnen sollte, wurde von diesen damals in mühsamen
Kämpfen allererst errungen. Die akademische Philosophie schien es sich in der Defensive einzu-
richten: auf Rückzugsposten wurden alte Ansprüche, etwa in der Erkenntnistheorie und Moral-
philosophie, von den Philosophen der Vorkriegszeit verteidigt. Idealtypisch war dabei auf der
einen Seite ein heute anrührender ethischer Idealismus übrig geblieben, der sich der Sinnexplika-
tion widmete, auf der anderen Seite die Geltungsrechtfertigung eines erkenntnistheoretischen
33

Idealismus, der sich in die Apriorität, in die "transzendentale Subjektivität" oder das "Normalbe-
wußtsein" flüchtete. 34

Nicht nur das ungelöste Problem dieser Positionen, über sich selbst Rechenschaft abzulegen, 35

ließ diese Situation in den Augen der Philosophen selbst krisenhaften Charakter annehmen, son-
dern auch die Tatsache, daß diese Philosophien auch inhaltlich seltsam leerliefen, da in ihnen
”unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt” seien. In dieser Zeit publizierte Hermann
36

Schwarz ein philosophisches Werk von immerhin 291 Seiten, mit dem verheißungsvollen Titel
Das Ungegebene (Schwarz 1921). Es ist durch seine zweckmäßig neugeschaffene Terminologie

33 Schnädelbach 1974, Apel 1979 und 1989; vgl. Eucken 1922: Der Sinn und Wert des Lebens.
34 Husserl 1992, Bde. 5 und 8; "Normalbewußtsein": Windelband 1914, 253. Kants "Bewußtsein überhaupt" strapa-
zierte auch Rickert, vgl. Schnädelbach 1983, 221. Nur in Ermangelung besserer Termini werden beide hier `Idealis-
mus´ genannt.
35 Dieses neukantianische Problem und seine Lösung bei Heidegger untersucht Brach 1996.
36 Wittgenstein 1984, 85 (Tractatus 6.52).
13

recht unkompliziert geschrieben. Dennoch bringt es eine Unmenge von komplexen philosophi-
37

schen Gedanken in eine Ordnung zueinander und scheut vor starken Aussagen nicht zurück. Es
ist Anleitung für den Alltag und verheißt Wege aus der Krise. In durchweg thetischem Duktus
gehalten, beginnt es mit einem Bekenntnis (Vorwort) und endet mit der ” religiösen Erlösung” (§
36), verspricht also insgesamt ein Wissen von Gott.
Das Buch will darlegen, daß ”Gott keine gegebene, sondern eine in uns werdende Größe ist”
(Schwarz 1921, Vorwort, erster Satz). Dies ist dem Autor gewiß, und es ist Ziel des Buches, die-
sen Gedanken zu ”zeigen”, um anschließend dieses klar und deutlich gemachte Wissen in eine
`Anweisung zum seligen Leben´ münden zu lassen (”Metaphysik des seligen Lebens”, Vorwort,
letzter Satz). Es läßt sich also als kognitivistische theologische Ethik klassifizieren. Zwischen
den einzelnen Kapiteln ist keine lineare logische Abfolge festzustellen. Der e i n e Gedanke wird
nacheinander, neu ansetzend, auf verschiedenen Gebieten erwiesen. Wohl aber gibt es dabei eine
aufsteigende Tendenz. Im ersten Teil (Das Ungegebene im Erkennen) versucht sich Schwarz auf
den Spuren der traditionellen theologia naturalis daran, Gott aus den Dingen in der Welt zu er-
kennen (”unser Weg gehe ... ins Kosmologische”, 5). Gott wird dabei als `letzte Einheit´ verstan-
den. Dieser Versuch ist erkenntniskritisch `geläutert´, da Gott zwar als Begriff präsent, aber über
38

ihn in der Untersuchung der Vorstellungen nicht viel herauszubringen ist (”Es ist erkannt, daß
Gott über alles Entfaltete und Entfaltende hinausliegt”, 37). Es folgt die transzendentale Wende `von
außen nach innen´: in einer Ontologisierung nicht des Gewußten, sondern des erlangten (Nicht-)
Wissens wird das Nicht-gegeben-sein von Einheit in der Natur u n d im Denken zu `dem´ Unge-
gebenen (”Nichtseiendes also ist die Gottheit”, 58). Dieses Ergebnis wird als unbefriedigend zu-
rückgestellt: ”so göttlich das Wissen ... ist, so gleichen wir doch als Wissende Zuschauern, die eigent-
lich ... immer nur dabei sind” (70). Die Welt als Vorstellung wird verlassen.
Der zweite Teil (Das ruhende Ungegebene im Wertleben), der sich vom Erkennen (Vorstellen) in
das Empfinden (Gefallen) wendet, durchforstet die möglichen Seinsweisen des menschlichen In-
dividuums nach `Wert´. Das `Gefallen´, gemeinhin unter das seelische Vermögen des `Fühlens´
gerechnet, tritt bereits als Bestandteil des `Willens´ auf. Die gefühlten Phänomene der Lust und
Unlust sind nur Gegenstände, keine Determinanten des Willens (qua Gefallens). Die Funktion

37 Die merkwürdigen deutschen Wortschöpfungen waren auf Verlangen des Verlegers entstanden, der keine Fremd-
worte duldete (Schwarz 1945, 31). Dies war eine verbreitete `völkische´ Marotte
38 Gott gedacht als Einheit begegnete damals in verschiedenen Werken, etwa Plog 1932. `Henologische´ Gottesbe-
weise gab es seit je: Aristoteles (Metaphysik 1075 a 18) und noch Kant (KrV, B 654f.) kannten Gott als Einheit in
der äußeren Natur, Schelling als innerlich angeschaute ”absolute Einheit” (siehe Weischedel 1971, 252; vgl. dort
auch die Stellen unter ”Gott als Einheit”, 506). Siehe auch Rickert 1924 (Das Eine).
14

des Gefallens ist hier eine wahrnehmende, obwohl das Wahrnehmen eigentlich schon im `Erken-
nen´ abgehandelt zu sein schien. In der Analyse des Gefallens liefert Schwarz eine zweite Er-
kenntnistheorie: die derart erkannten `Gegenstände´ sind die ”Werterscheinungen”. Im Umgang
mit ihnen legt Schwarz ein erstaunlich kritisches Bewußtsein an den Tag: sie sind ihm, ähnlich
wie für Ernst Bloch, bloßer `Vorschein´. Es gilt bei den Werten, den Vorstellungsfetischismus
zum "bildlosen” (49) Wollen hin aufzusprengen, denn zu erschließen sind sie erst im rechten
39

Handeln. Diese psychologische Diagnose dient Schwarz als Grundlage zu einer Art Kulturkritik.
Als Ursache für den Mißerfolg vieler Lebensstrategien wird Wert-verdinglichendes Denken (”die
Seele ... verdinglicht sich”, 71; ebenso 90), damit letztlich eine `Präsenzmetaphysik´ ausgemacht
(”Wer die Bildlichkeit der Gotterscheinung für vorhandene Wertessenz nimmt”, 124). Eingeflochten
sind Stellen, die diese zweite Erkenntnistheorie, den `Wertphänomenalismus´, in das Licht einer
`umgekehrten Projektionsthese´ stellen: Hatte Feuerbach die Gottesvorstellungen als Projektio-
nen der Menschen bezeichnet, so hat man den Eindruck, bei Schwarz seien die Werterscheinun-
40

gen genau umgekehrt Projektionen der Gottheit, mit denen sie die Menschen zu bestimmten
Handlungen verlocken will. Der Großteil des zweiten Teiles gibt eine transzendentale Dialektik
41

der ”Scheinwerte ” (§ 11). Anerkennenswert von den Gefühlen bleiben einzig die ”unselbstischen
Neigungen” (73), die dann einzeln behandelt werden. Im Erkennen (77) und in den Gefallensre-
gungen wird eine Stufung nach dem ”Dinghaften, Ichhaften und Gottheitlichen” (79) eingeführt. Die
unselbstischen Gefallensregungen sind das `gottheitliche´ Pendant der praktischen Vernunft zur
Wahrheitsgeltung in der theoretischen, sie weisen hinüber in den dritten Teil.
Im dritten Teil schließlich (Die Entsiegelung des Ungegebenen im Wertleben) wird eine Tugend-
lehre in Form einer systematischen Typologie des Vorziehens entwickelt. Erst hier erreicht die
Untersuchung die Spontaneität des Willens, welche auf den seelischen Vermögen des Vorstellens
und des Gefallens gleichsam `aufruht´. Aus der `Zergliederung´ der möglichen Willenshandlun-
gen wird diejenige Lebenshaltung herauspräpariert, die ein auf Dauer gestelltes ”Wertleben” er-
möglicht. Nach Fichteschem Muster ist erst mit dem W i l l e n die Realität und die gleichur-
sprüngliche Intersubjektivität erreicht, da er sich a priori auf andere Menschen bezieht. Damit ist
die Ebene der praktischen und politischen Philosophie erreicht. Die Untersuchung endet mit ei-
39 Der Term `Verdinglichung´ ist keine Erfindung von Lukács, dessen opus magnum erst zwei Jahre später erschien.
Das Wort geht auf Henri Bergson (chosification) zurück, der Gedanke ist älter (vgl. Rohrmoser 1961). Bemerkens-
wert ist Schwarz´ Ablehnung der neuen Mythologie (Frank 1988), die gerade die Bildlichkeit als Synthesis bemühte.
40 Feuerbach 1849, 72: ”Gott ist das offenbare Innere, das ausgesprochene Selbst des Menschen”.
41 ”In unseren unselbtischen Gefallensregungen formen sich Erscheinungen von Fremdwerten entsprechend allen
den Arten, wie die Sehnsuch der Gottheit nach einheitsvoller Ganzheit geht” (Schwarz 1921, 76).
15

nem Plädoyer der völkischen Weltanschauung, in der das Subjekt endlich ein ”religiöses” werde
(237). Die Darstellungsweise erinnert stark an Hegel: Der im ersten Teil erarbeitete Gedanke
42

(Gott `west´ als Einheit im Wissen - ”solches Geistigkeitsall nennen wir `Gott´”, 69) kommt nicht
vollends zu sich selbst. Er muß in sein anderes übergehen (der Wissende als Person - ”der wer-
tende Mensch”, 71). Dort wird er erneut negiert und entwickelt sich erst im dritten Teil zum `ab-
soluten Wissen´ (Vergemeinschaftung - die ”Willensgemeinschaft”, 237).
Die schier unüberschaubaren Argumentationsstränge und Hintergründe, die in diesem Werk zu-
sammenkommen, lassen sich am besten `archäologisch´ in Schichten voneinander abheben. 43

II.1.a) Die Seelenlehre


Die Gliederung des Buches in drei Teile richtet sich nach der Lehre von den drei Seelenvermö-
gen: es ist "dieselbe Seele ..., die einerseits vorstellt, andererseits fühlt und will” (77; ebenso 15). Die-
se Dreieinigkeit weist zurück auf die aristotelische Seelenlehre. Platon hatte die Seele akosmisch
gedacht als dasjenige am Menschen, das pränatal existiere und unsterblich sei. Aristoteles band
44

die Seele letztlich an den Körper zurück und führte eine Dreigliedrigkeit ein: er unterschied eine
ernährende Seele von einer empfindenden und einer denkenden als aufeinander aufbauend. Diese
Seelenlehre war im eindeutigen Sinne bewertet: je höher das Vermögen, desto wertvoller. Kant 45

schließlich begründete in der Dreizahl seiner Kritiken eine Gliederung der Vernunft in Denken
(reiner Verstand), Wollen (praktische Vernunft) und Fühlen (Urteilskraft). Damit ging zwar eine
46

Ausdifferenzierung der Logiken in den einzelnen Gebieten, aber keine Wertung von den Vermö-
gen einher. Hermann Schwarz beginnt wie Kant mit einer Untersuchung des Erkennens; aller-
dings ist bei ihm eine Wertung eindeutig gegeben:
Das Denken (Vorstellen), ist die basale Funktion des Geistes. Das Fühlen (Gefallen), das sich
auf diese Denkakte richtet, erhebt sich über diese Denkakte, auf die es sich bezieht. Das Wollen
(Vorziehen) bildet den Gipfel des Ganzen, in dem es sich noch einmal `frei´ auf das Gefallen
42 Paul Junker übernimmt diese Gliederung fraglos (Junker 1923). Hegel war sonst kein Vorbild von Schwarz. Seine
Hegelkritik gleicht der Kantkritik Hegels: er habe zu ”glatte logische Synthesen” (Schwarz 1917, in: 1945, 258).
43 Diese Methode ist angewandt in Arbeiten von Thomas Rentsch (Rentsch 1989, 108 ff., und 1999, über Hegel).
44 Platon beschreibt dies im Phaidon 76 und 107, Phaidros 245 und im Krition (Platon 1990). Als ”nicht deutsch”
lehnt Schwarz später ”Platons Gleichnis von dem Rosselenker Verstand” ab (Deutsches Wesen, BDPh 1930, 391).
45 Aristoteles: De Anima 414 b, 433 b. Schwarz 1921, 6 bezieht sich auf Aristoteles. 1935 kritisiert er, Aristoteles
habe beim `Hineinholen´ der Ideen Platos deren ”innere Jenseitigkeit” unterschlagen (Mysterium, BDPh 1935, 283).
46 In der ersten Einleitung zur Kritik der Urteilskraft heißt es: ”Wir können alle Vermögen des menschlichen Ge-
müts ohne Ausnahme auf die drei zurückführen: das Erkenntnisvermögen, das Gefühl der Lust und Unlust und das
Begehrungsvermögen” (Kant 1968, Bd. X, 18). Damalige Lehrbücher sahen dies als Begründung der Vermögens-
psychologie (Elsenhans 1909; Friedlein 1913, 218; Windelband 1935, 429). Schon Wolff unterschied zudem obere
und untere Vermögen, aber erst Kant und Tetens etablierten das `Fühlen´ als dritten Bereich (Pongratz 1984, 64 ff.).
16

richtet. Statt der aufsteigenden Reihe `Fühlen-Wollen-Denken´, wie sie Aristoteles´ Stufenbau ja
immerhin nahelegt, liegt hier eine Reihe `Denken-Fühlen-Wollen´ vor. Schwarz trennt jedoch
nicht nur die Vermögen `Denken, Fühlen, Wollen´, sondern unterscheidet innerhalb derselben
noch zwischen `dinghaft, ichhaft, gottheitlich´. Es ergibt sich folgendes Schema, dessen Auffül-
lung nun erläutert wird:
dinghaft ichhaft gottheitlich
Wählen/Vorziehen (Wollen)
Gefallen/Werte (Empfinden)
Vorstellen/Erkennen (Denken)

Der Anfang wird mit möglichen `Gegenständen der Erkenntnis´ gemacht (im Schema links un-
ten), innerhalb derer der Gottsucher allerdings nicht fündig wird, solange er einem äußerlichen,
bildhaften Vorstellen verhaftet bleibt. An dieser Stelle erstellt Schwarz eine Typologie der theis-
47

tischen und pantheistischen Gottesvorstellungen, die uns erst bei der Analyse eines früheren
Werkes, aus dem er hier schöpft, interessieren soll (Schwarz 1913). Terminologisch übernimmt
er Spinozas Unterscheidung zwischen ”imaginatio ” und ”intellectio” (1921, 46/49). Erst im Rah-
men der bildlosen intellectio kommt es zu einem adäquaten Gottesverständnis, im Nach-Denken
der Gedanken Gottes: ”Dieses Denken Gottes ist mit dem Gelten der Wahrheit einerlei” (50). Zwi- 48

schengeschaltet ist der Weg über ein nach innen gerichtetes Wahrnehmung, der Versuch also, die
”Einheit des Selbstbewußtseins” zu einer ”innerlich erlebten” (15) zu machen. Eine solche intellek-
tuale Anschauung (Introspektion) vermag jedoch nicht zu einem Wissen von Gott zu verhelfen,
da auch sie noch ”bilderndes Vorstellen” (50) ist. Ein solches Wissen ist erst im bildlosen Nach-
vollzug der Gedanken Gottes möglich. In erstaunlich moderner Kritik verwirft Hermann Schwarz
hier jede Vergegenständlichung als ”Wahrheitsverseinlung”. Ihm ist klar, daß ”sowohl Gottheit-Na-
tur wie Gott-Wahrheit etwas Unwirkliches sind” (51). Einen Vorschein religiöser Erfahrung vermag
jedoch das Erlebnis der Verendlichung der abstrakten Geltung in einem lebensweltlichen Kon-
text zu geben. Dieses Erlebnis, in der sich das Reich der geltenden Wahrheit und die Welt der zu-
fälligen Existenzen durchdringen, wird als erfahrbar gedacht in der ” Evidenz” (67) im ”Gelten un-
serer Existenz” einerseits, der ”Wissenschaft” andererseits (65).49 Hier gibt es erste Gotteserfahrung:
”Das Leben der Erkenntnis ist nun mein Leben und doch nicht mein Leben. Denn die Gottheit, die ihre
göttliche Wirklichkeit gefunden hat, lebt in mir” (67). Die gottheitliche Weise des Denkens ist quasi-
47 Eine `Kritik der Vorstellungserkenntnis´ hatte Schwarz bei seinem Lehrer Karl Goswin Uphues angetroffen.
48 Vgl. Spinoza 1975, 44 (I 15 Anm.). Brumlik 1994, 77 ff. weist selbst Spinoza `bildhaftes Denken´ über Gott nach.
49 Hierin liegt eine Nähe zur Phänomenologie Husserl ("Evidenz") und - antizipierend - Heideggers ("Existenz").
17

christologisch konzipiert, wird aber für zu schwach befunden: ”Das Erlebnis des Einleuchtens ist
nur wie ein darüber hingehauchtes Flimmern, wie Anflug und Überzug” (70).
Das G e f a l l e n gliedert sich auf in solches an Zustandswerten, Personwerten und Fremdwer-
ten. Auch hier greift Hermann Schwarz auf ein früheres Werk zurück (Schwarz 1900), in wel-
chem er die Zergliederung der Gefallensakte systematisch durchführte. `Gefallen an Zustands-
werten´ wie Lust oder Ekstase läßt sich als Eudämonismus übersetzen, `Gefallen an Personwer-
ten´ etwa als Existentialismus. Beiden, die als `Selbstwerte´ zusammengefaßt werden, wird das
Gefallen an Fremdwerten wie mitmenschlicher Zuneigung (Liebe oder Altruismus), sozialen (Pa-
triotismus) oder ideellen Gebilden (Wissenschaftlichkeit) gegenübergestellt. Auf dieses Gefallen
an Werten richtet sich nun noch einmal das V o r z i e h e n. Nicht nur der Gegenstand einer
Wahl klassifiziert eine Handlung, sondern auch die Gesinnung.
Dinghaftes Vorziehen kann keine Einheit bilden, da jeder nächstgrößere Wunsch den vorherge-
henden umstößt. Ichhaftes Vorziehen ist ”Willkürwahl” (153), worunter die negative Freiheit v o
50

n etwas, die ”reine nackte Freiheit” (153) zu verstehen ist. In Anspielung auf Kierkegaard heißt es
vom `ichhaften Wollen´: ”es gibt kein Entweder-oder” (153). Hinzukommen muß die ”Einheitstat
der Lebensführung” (154), die allererst Personsein konstituiert. Erst hiermit ist die positive Frei-
heit zu etwas, Freiheit im eigentlichen Verständnis erreicht. Diese ist durch ”Selbstvernichtung”
(158) teuer erkauft, sie ist nur durch tragisch durch einen ”Riß” (156) zu haben. Das synthetische
51

Vorziehen, für Schwarz formal die Klimax menschlicher Verhaltensweisen, kann sich nun noch
auf verschiedene Werte richten. Die schon von Augustinus gebrandmarkte Selbstliebe (amor sui)
wird als ”selbstisch” (160, 212) abgelehnt. Unselbstisch und damit gottheitlich ist erst syntheti-
52

sches Vorziehen, das sich auf Fremdwerte richtet. In das Schema eingetragen, gestaltet sich diese
Aufgliederung so:

Dinghaft Ichhaft Gottheitlich


Wollen Analytisches Vorziehen: Analytisches Vorziehen: Synthetisches Vorziehen:
Wunschstärke zentral Selbstliebe entscheidet Persönlichkeit will
Fühlen Zustandswerte (Eigen- Personwerte (Eigenwerte Fremdwerte (etwa Liebe,
werte wie Lust) wie Authentizität) Wahrheit, Vaterland)
Denken Bildliches Vorstellen der Bildliches Vorstellen der Bildloses Denken gelten-
Außenwelt (imaginatio) Innenwelt (Introspektion) der Wahrheit (intellectio)
50 Deterministische Willenspsychologien hatten bereits Wolff und später Brentano aufgestellt, vgl. Kapitel III. 2.
51 ”Der synthetisch Wählende muß die natürliche Einheit seines Lebens zerreißen. Das ist die Tragik” (1921, 156).
Ähnliches gab es in der Mystik, in den Exertien des Ignatius von Loyola, bei Hegel wie später bei Heidegger (vgl.
die ”Langeweile” und die ”Nichtigkeit unserer Person”, Schwarz 1921, 102 f., auch 220). Vgl. dazu Rentsch 1999.
52 Augustinus 1991, Buch XII.6. Vgl. die Theorie der Willensfreiheit (Gehlen 1978, 157): ”selbstischer Wille”.
18

Schwarz übernimmt und transformiert die psychologische Lehre der seelischen `Vermögen´, wie
sie sich im 18. Jahrhundert durchgesetzt hatte. Zuvor war das Fühlen kaum als eigenständig und
das Begehren als `minderwertig´ angesehen worden, das Denken beanspruchte eine Vorrangestel-
lung. Solche psychologischen `Zergliederungen´ hatte man schon in der Antike gekannt. Das 53

Entstehungsumfeld der ersten wissenschaftlichen Psychologie, die griechische Polis, war zwar
nicht so homogen, wie nachträgliche Interpreten glauben machen wollten. `Denken´ war jedoch
tatsächlich nicht in dem Sinne `politisch´, wie es das in der Neuzeit wurde. Philosophisches Den-
ken wie politisches Handeln waren in der Polis nur für Bürger, also innerhalb einer gesellschaft-
lichen Schicht möglich. Theorie in der Moderne dagegen wurde ein Instrument der politischen
Auseinandersetzung gerade zwischen Klassen. Durch die Beschränkung auf diese eine, führende
Schicht war Theorie in der Antike in diesem Sinne unpolitisch. Antike `politische Theorie´ geht
von der Vorhandenheit e i n e r Wahrheit aus, die es nur herauszufinden und zu verwirklichen
gelte - auch wenn man sich, wie die Sophistik zeigte, nicht darüber einig war, was diese sei. Zur 54

Zeit des Hermann Schwarz waren auch die vormals Ausgeschlossenen maßgeblich in die Politik
eingerückt. Frauen und Arbeitende bedienten sich der Theorie, um politische Ansprüche zu for-
mulieren. Davon ging in den Augen der Konservativen eine Gefahr für die politische Stabilität
des Gemeinwesens aus. Zwar erzeugte die Theorie die Auflösung vormaliger gesellschaftlicher
55

Geschlossenheit nicht, aber immerhin erschienen diese Prozesse innerhalb der theoretischen
Selbstverständigung der aufstrebenden Klassen am klarsten. Durch die zwangsläufig entstehende
Interessenkollision war Theorie zu einem politischen Instrumentarium geworden: im einmal eta-
blierten parlamentarischen Diskurs gilt ja, wenigsten nach der questio iuris, die Kraft des besse-
ren Arguments. Der gesellschaftlichen Differenzierung korrelierte ein Weltanschauungspluralis-
mus. Neuzeitliche Theoriebildung befaßte sich jedoch nicht nur mit diesen inhaltlichen Partialin-
teressen. Seit dem Naturrecht des 17. Jahrhunderts ersann sie zudem, im Interesse aller, auch for-
male Verfahrensregeln. Wer nun - aus welche Gründen immer - vor allem anderen auf politische
Homogenität bedacht war, wird die Theorie schlecht in einer Vorrangstellung belassen können.
Eine solche Abwertung der Theorie aus politischen Gründen objektiviert sich bei Schwarz zur

53 Der Begriff `Vermögen´ hat eine steile Karriere hinter sich: als `Potenz´ ursprünglich aristotelisch (Aristoteles:
Metaphysik, IX 2, 3 und 5), geht es über den scholastischen `habitus´ bis zu Leibniz, Schelling und Pierre Bourdieu.
Zur Vermögenspsychologie: Pongratz 1984, 64 ff. Auch die von Schwarz geliebte `Dynamik´ ist aristotelisch.
54 Siehe hierzu Arendt 1960, Meier 1980 und 1994, zur Kritik vor allem Tomberg 1973.
55 Schwarz 1901 geht auf die Frauen- und Arbeiter-”Frage” ein. Seine dortige Haltung ist wohlwollend, aber hilflos.
19

Abwertung des Denkens innerhalb seiner Psychologie. Das Wollen, das bei ihm die psychologi-
56

sche Triade anführt, kann nicht mehr auf vernünftige Kriterien zu seiner Bestimmung zurückgrei-
fen, sondern wird statt dessen zu blinder Sekundärtugend sinnentleert und mit phantasmatisch-
unvordenklichen Entitäten (`Volkheit´) kurzgeschlossen.
Solche vereinfachten wissenssoziologischen Interpretationen können nur Annäherungen an be-
stimmte Antworten sein und vermögen philosophisch nicht restlos zu befriedigen. Denn die mit
der Philosophie geradezu gleichursprüngliche Frage der Hierarchisierung von Denken und Wol-
len ist von ihrem sozialen Umfeld relativ unabhängig. Der Ausgang des Mittelalters und der Be-
ginn der Neuzeit wird von einigen Autoren beispielsweise auf einen diesbetreffenden Paradig-
menwechsel zurückgeführt: die Umstellung der Theologie vom thomistischen Intellektualismus
auf scotistischen Voluntarismus habe ein geistiges Klima geschaffen, welches die Ausbreitung
neuzeitlicher Wissenschaft wesentlich habe hervortreiben helfen. Auch in dieser ganz anderen
57

sozialen Konstellation geht es also philosophisch um die Zuordnung von Denken und Wollen. Es
gibt also eine Permanenz der philosophischen Frage jenseits ihrer sozial beeinflußten Antworten.

Der wichtigste philosophische Denker der Moderne, nicht nur hinsichtlich dieser Frage, ist nach
wie vor K a n t, da er die drei Verstandesvermögen nach ihren Geltungsansprüchen ausdifferen-
zierte. Dies ist aber weder eine Hierarchisierung, noch eine Vergleichgültigung. Denn nur durch
die Trennung der Geltungssphären bleibt die jeder Sphäre eigene Logik gewahrt. Kants zentrale
Fragen: ”Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun?” werden je innerhalb ei-
ner Grammatik einer Lösung entgegengeführt. In der Ethik hatte die praktische Vernunft in der
58

Tat einen Primat, aber eben nur dort. Und auch dort blieb die Vernunft von Bedeutung: Es geht
zwar vorrangig um den Willen, aber hier gerade um die Frage, was ihn bestimmt. Fichte hob
durch seine Radikalisierung des Primats der praktischen Vernunft diese Teilautonomie der Ver-
standesvermögen wieder auf. Weil die theoretische Vernunft nicht imstande sei, sich selbst zu
begründen, wird sie von Fichte in einem “Machtspruch der Vernunft” kurzerhand der prakti-
59

56 Dieser radikale Schritt hatte sich zwar 1900 und 1901 angekündigt, wurde dort aber noch nicht vollzogen.
57 So zumindest nach Blumenberg 1996. Ähnlich argumentiert auch Funkenstein 1986.
58 Kant: KrV, B 833. Was schön wäre zu wissen, gilt nichts in der Frage danach, was ich wissen kann. Was an empi-
rischen Bestimmungsgründen aufzubieten ist, spielt keine Rolle bei der Frage, was ich tun soll. Die philosophische
Frage nach Gott, bei Kant als Postulatenlehre in die praktische Vernunft gerutscht, ist eine der reflexiven Urteils-
kraft: so wie es gute Gründe gibt, in regulativem Gebrauch eine Naturteleologie anzunehmen, kann Gott auch als Ur-
heber des Sittengesetzes betrachtet werden - ohne daß daraus etwas zu folgern wäre. Die Pointe des Sittengesetzes
ist, daß es auch dann gilt, wenn Gott nicht als Urheber angenommen wird. Anthropologie kann diesen Fragen nicht
zuvorkommen (wie Marquard 1973 annimmt), sondern nur ihren Schlußstein bilden (Kant 1968 X, 9 ff. und XII).
59 Fichte 1971 I, 106 und 144. Zu diesen Zusammenhängen siehe auch Kapitel V.1.
20

schen Vernunft untergeordnet. Daraus resultiert eine Wertrangigkeit: gibt es erst einmal eine
Hierarchisierung der Vermögen, so kann jede Frage jedem Vermögen vorgelegt werden. Tat- 60

sächlich ist bei Schwarz 1921 der Rechtsgrund für eine generelle Niedrigstellung des Denkens
die ungenügende Antwort, die dieses auf die Gottesfrage gibt. Er rezipiert also Kants transzen-
dentale Dialektik insofern, als der Verstand letztlich eine abschlägige Auskunft erteilt. Anders als
für Kant, der die Frage nur innerhalb des entsprechenden Kontextes zu stellen erlaubte, ist dies
für Schwarz nun Anlaß, die Vernunft generell zu deklassieren. Schon hier ist ersichtlich, warum
Schwarz nichts einzuwenden hatte gegen eine politische Praxis, die strategisch stark auf das Füh-
len setzte und das Wollen ideologisch anpries: Was vernünftigerweise wünschenswert wäre,
61

spielt in einer Philosophie, die das Denken und Fühlen im - nunmehr blinden - Wollen aufgehen
läßt, keine große Rolle mehr. Hier liegt der Triumph des Willens und damit ein veritabler Irratio-
nalismus vor.

II.1.b) Das Ungegebene ”Jeden Begriff also begleitet einerseits in großer Fülle das Seiende,
andererseits in zahlloser Menge das Nichtseiende.” Plato, Sophistes
256

“Die Idee ist das beständige Integral, was die Erscheinungen


zu einem Ganzen zusammen hält.” Eschenmayer 1816, § 394

Als Versuch einer angemessenen Kategorisierung der Strukturmuster menschlicher Verhaltens-


weisen wäre das bisher Behandelte für heutiges Denken immerhin noch diskutabel. Bei Schwarz
ist es allerdings nicht nur mit Werturteilen behaftet, sondern zudem eingebunden in eine komple-
xe metaphysische Lehre, eine `Onto-Theologie´. Im Vorwort bekennt er sich zur ”deutschen
62

Mystik und der Philosophie des deutsche Idealismus ”. Durch die Verwobenheit mit solchen Gedan-
ken erscheint die Seelenlehre lediglich als Wendung ad hominem, die in Bezug auf das Göttliche
die Form der Metaphysik des Ungegebenen annimmt. Es sind bei Schwarz nicht zwei Lehren, die
miteinander verknüpft werden - lediglich unsere Analyse trennt diese Schichten. 63

60 Fichte verlegte im Atheismusstreit die Gottesfrage in den Glauben an eine `moralische Weltregierung´, Schleier-
macher ins `Gefühl für das Unendliche´; Hegel wollte Gott wieder als `Gegenstand der Erkenntnis´ etablieren, ihn
wieder ”absolut vornehin an die Spitze der Philosophie” stellen (Hegel 1983, 22, vgl. Weischedel 1971, 356 ff.).
61 Damalige Ästhetik erfüllt erstaunlich gut Kants Kriterienkatalog der Kategorie "Erhabenheit" (KdU, §§ 23-29).
Nietzsches Wille zur Macht war, auch wenn es nicht autorisiert war, ein vielzitiertes Werk (siehe Riedel 1997).
62 Christoph von Wolzogen zeigt, daß dieses Einschätzung Hegels von Heidegger (Heidegger 1957) sich implizit auf
den späten Natorp bezieht (in: Pöggeler 1988, 313 ff.). Henrich 1960 hat den Term systematisch aufgegriffen.
63 Diese methodische Trennung kann auf eine ähnliche Verfahrensweise in der Theologie verweisen, wo auch per-
spektivisch zwischen immanenter und ökonomischer Trinität unterschieden wird.
21

Erwähnt werden Kant (44, 50, 56, 255 ff.), Hegel (37 f., 218), Schelling (20) und Schopenhauer
(205) in nur äußerlichen Zusammenhängen, nur Fichte wird offen als Ideengeber bezeichnet.
Ohne tiefe Bezüge auch auf die erstgenannten wäre jedoch eine solche Metaphysik, die menschli-
che Verhaltensweisen derart eng an die Theologie knüpft, nicht denkbar. Kants Negativbefund
war, daß aus dem Begriffe Gottes nichts vor der Erfahrung liegendes zu deduzieren, eine An-
schauung zudem nicht verfügbar sei, so daß einer rationalen Theologie jeder Weg abgeschnitten
schien (KrV, B 595 ff.). Wie sehr dieser Befund die Zunft erschütterte, läßt sich noch an Heideg-
gers Empörung darüber ablesen, daß für Kant `Existenz´ kein reales Prädikat sei. Anders als vie-64

le seiner Zeitgenossen akzeptiert Schwarz diesen Befund zunächst voll und ganz, wenn er
schreibt: ”Soweit Brunos `Natur´, das Körper- und Seelesein reicht, ist Gott nicht und ist er auch nicht
möglich” (33). Dies wird jedoch wenig später, einem Umschlagen in die dritte Dimension beim
Betrachten eines Hologrammes vergleichbar, zu der Einsicht: ”Alle Dinge haben ihr `Nicht´ und
eben dies `Nicht´ in jedem Dinge ist das darin verschlossene Göttlichkeitsstreben der Gottheit” (37). In
diesem Gedanken-Sprung liegt der Kern der Aneignung. 65

Schwarz, der über Schellings Pantheismus hinaus zu sein glaubt, wiederholt damit gleichwohl
66

dessen Gedanken: das erkannte Nichtsein, wie es in einer Negation oder Privation zu Tage tritt,
wird überschwenglich verstanden als Erkenntnis des Nichtseienden. Der Begriff von Gott als
67

`Grund aller Dinge´ wurde trotz Kants `docta ignorantia´ in der Philosophie weiterhin mitge-
führt. Dieser wird von Schwarz zunächst als das ”Unentfaltete" verstanden, wie es Schelling vor
68

allem in seiner Potenzenlehre vorgedacht hatte. Darüber hinaus aber versteht Schwarz Gott als
69

das ”Ungegebene”, das Nichtseiende schlechthin. Hier ist die Positivierung der Negativität, die
schon Platon kannte, nochmals radikalisiert. Ein derart positiviertes `Nicht´ wird nun als existen-

64 Heidegger 1975, §§ 7-10; mit Bezug auf Kants Kritik am ontologischen Gottesbeweis: KrV, B 620 ff.
65 Explizit ist von einem Sprung - ein Terminus Schellings und Kierkegaards - die Rede: Schwarz 1921, 37.
66 ”Das eine Sein kann nicht Gott sein”, 22; ”Der Beweis, daß das `Universum´ diesen Reichtum besäße, läßt sich
nicht erbringen”, 32. In späteren Werken von Schwarz (etwa 1937a) gilt Schelling als `Ästhetizist´.
67 Schelling (1827) 1984, 32: ”inwiefern alles Gewordene von bloß abhängiger und insofern zweifelhafter Realität
ist, insofern kann man sagen, ... es sei ihre Natur, zwischen Sein und Nichtsein zu schweben.” Das ”Sein, das ich mir
selbst zuschreibe, (ist) so zweifelhaft als das, was ich den Dingen zuschreibe” (a.a.O., 36). Hegel raisoniert in der
Religionsphilosophie: ”Das Unendliche geht nicht durch das Sein, sondern durch das Nichtsein des Endlichen her-
vor; dieses Nichtsein des Endlichen ist das Sein des Unendlichen” (Lasson 1927, 55; ähnlich Jaeschke 1985, 168).
68 Siehe etwa Hegels Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes (Hegel 1970, Band 17) oder die Theologie
von Christian Hermann Weisse. Aufschlußreich ist ein Blick auf Weischedel 1971, 507: ”Gott als Grund”.
69 Schelling (1809) 1964 kennt bereits Gottes ”Rest” (72) in den Dingen und ”Keim” (77) im menschlichen Willen.
Hochinteressant ist der Blick auf die spekulative Psychologie des Schellingschülers Carl August Eschenmayer von
1816: schon dort werden die drei Vermögen ”Denken, Fühlen und Wollen” (Eschenmayer 1816, § 289 f.) als die
drei ”Bestreben im Menschen” gefaßt (§ 385) und von dort her eine ”Transcendentale Kosmogonie” (§ 434) entwor-
fen. § 385 ist zudem überschrieben: ”Grundzüge der Ethik” - wie das Werk von Schwarz 1896.
22

tiell erfahrbar gedacht: ”Es ist ein Unbewegtes auch in uns, unser Nicht” (44). Auch diese Positivie-
rung der Negativität hat Schelling bereits vollzogen. Im Anschluß an Jacob Böhme unterschied
Schelling in Gott zwischen Existenz und Grund: Zu sich als Existenz werde Gott erst durch die
70

Schöpfung eines freien Wesens. Dieses freie Wesen sei allerdings frei auch zum Bösen. Das
Böse, als selbstmächtiger Abfall von Gott begriffen, reaktiviere dann den Grund. Der Grund 71

selbst kann jedoch, wenn überhaupt, nur als das begriffen werden, was er `ist´: nämlich nichts,
`das´ Nichts, "Gottesnichts" (1928, 200). Schwarz radikalisiert Schelling dahingehend, daß als
noch negativer als die relativ nichtseienden Seinsarten Gottes, die schon Schelling kannte (Keim
und Rest, 1921 §§ 5 und 22), die absolute Negativität (`Nicht´) als Seinsart Gottes behauptet
wird - ein Grund ohne dazugehörigen Gott also.
Der Gedanke eines `seienden Nichts´ scheint sich selbst zu widerstreiten und droht durch sprach-
liche Barrieren dem Verständnis immer wieder zu entschlüpfen. Darum bedient sich Schwarz,
wie vor ihm Bernhard Bolzano und nach ihm Heidegger, des Kunstwortes `wesen´: ”Trotzdem 72

die Gottheit nicht ist, wirkt und west sie in allem. Sie wirkt, indem es in ihren Entfaltungen Keime und
Reste gibt. Sie west, insofern sie ungegeben ist” (1921, 59). Diese Behelfskategorie will eine Seinsart
zum Ausdruck bringen, die ungegenständlich ist. In der neukantianischen Kategorienlehre war
der Terminus für dergleichen nichtseiend Seiendes die `Geltung´. Spekulative Philosophie kann
73

derart Gegebenes, also Geltendes (das Sittengesetz etwa ist für Kant pures Faktum der Vernunft),
noch einmal hinterfragen. Analog zu Kants bloßer Phänomenalität seiender Gegenständlichkeit
für uns verweist Schwarz auch Geltendes in die Sphäre der Phänomenalität
(”Werterscheinungen”, 93). Kein `Deutscher Idealist´ akzeptierte die kantische Unterscheidung
zwischen phänomenal und noumenal, so unterschiedlich ihre Lösungsansätze auch waren. In
ähnlicher Weise glaubt auch der kritische Realismus diesen Chorismos überwinden und über das

70 Platon 1990: Sophistes; Schelling 1964, dazu Höffe 1995 und Zizek 1996.
71 "Dieser Grund seiner Existenz, den Gott in sich hat, ist nicht Gott absolut betrachtet, d.h. sofern er existiert; denn
er ist ja nur der Grund seiner Existenz, Er ist die N a t u r - in Gott”, so Schelling 1964, 70. Daraus erklärt er das
Böse: ”Das Prinzip, sofern es aus dem Grunde stammt und dunkel ist, ist der Eigenwille der Kreatur” (ib., 76); dieser
erzeuge ”zwar ein eignes, aber ein falsches Leben” (80). Man vergleiche Schwarz: ”Die andere Art synthetischen
Vorziehens (die sich auf `Eigenwerte´ richtet, CH) zwingt das göttliche Lebenwerden in widerwärtige Bahn. Wohl
bricht auch hier göttliches Leben hervor, aber solches, das in sich hungrig bleibt und auch in der Seele des Men-
schen, dessen Wille diese göttliche Negativität aufschließt, frißt und zehrt” (1921, 160; Gottes ”Zornleben”: 229).
72 Brach 1996, 18, referiert Bolzanos Wissenschaftslehre von 1837, §16: ”Der Satz an sich `west´.” (Husserl verehr-
te Bolzano.) Theologen war der Begriff `wesen´ seit Meister Eckhart präsent. Tillich 1959, 81, zitiert Rothes Theo-
logische Ethik, Wittenberg 1845, 51f.: ”Gott wird hier gedacht als lediglich seiend und nicht daseiend oder etwas
seiend, als lediglich wesendes (nicht existierendes) Sein. (...) Das ist das, was die Mystiker Gottheit nennen”.
73 Trendelenburg 1846, E.v. Hartmann 1896, Lask 1911, vor allem Rudolf Hermann Lotze (über ihn Schnädelbach
1983, 206). Vor allem `völkische´ Philosophen machten sich um Kategorienlehren verdient, etwa Heyse 1921, Pich-
ler 1937, Spann 1939. Stapel 1919 ging sogar so weit, Kants Kategorien ins Gemeindeutsche zu ”übersetzen”.
23

an sich Seiende Aussagen treffen zu können (siehe Kapitel III.1). Wird einerseits die praktische
Philosophie der theoretischen angeglichen, indem auch dort `Dinge an sich´ angenommen wer-
den, andererseits aber gerade Kants Trennlinie zwischen noumenal und phänomenal eingezogen,
so kommt es unweigerlich zur konstativen Behauptung einer intelligiblen Überwelt. Das `an sich´
der praktischen Vernunft ist (mit Schopenhauer) der Wille, der nur für den rechnenden Verstand
`Nichts´ ist; die überschwengliche Spekulation dagegen sieht in ihm `Gott´, der als durch die
Geltung weltlos `wesend´ begriffen wird. So wurde lange vorher schon `gedacht´. 74

"Wesen" als Brückenbegriff bezieht sich bei Schwarz auf die Tätigkeitsform, durch die Geltendes
hervorgebracht wird. Arbeitet das Analogon im Bereich des Seienden, das Wirken, mit dem Be-
griff der Ursache, so ist die leitende Kategorie innerhalb des Wesens die des Grundes. Eine `We-
sen des Grundes´ bezeichnet demnach eine quasikosmische, seiend-nichtseiende und aktivisch
gedachte Seinsart. Sie ist transzendent, da Bedingung der Möglichkeit des als geltend Erfahre-
nen. Was den kritischen Realismus von der Spekulation unterscheidet, ist also keineswegs der
Gegenstand der Betrachtung. Die Differenz liegt in der Aneignungsweise des Wissens vom Ab-
soluten: glaubte Schelling, des Absoluten zunächst in der intellektualen Anschauung, später in
einer positiven Realphilosophie habhaft zu werden, und meinte Hegel, Gott in das Denken hin-
einziehen (`logisieren´) zu können, so verneint Schwarz solche Vernunftreligion, indem er Kants
Erkenntniskritik auch auf das Gebiet des Geltenden ausdehnt. Die gewonnene Negativität wird
dann aber - gegen Kant - positiviert und mit Fichte als sich selbst erst im Handeln des Menschen
hervorbringend gedacht. Diese wird dann mit göttlichen Prädikaten versehen.
Die diversen Begriffe von Gott, die dabei nur zu oft durcheinander gehen, versucht Schwarz zu
ordnen. Nach einer Aussonderung derjenigen Begriffe, die sich als nicht tragfähig erweisen, blei-
ben nur negative Bestimmungen Gottes übrig, die nachfolgend positiviert und dynamisiert wer-
den. Auch dieser gibt es drei, und diese Dreiheit korreliert der Unterscheidung `dinghaft, ichhaft,
gottheitlich´. Erfahren wird die Negativität in den "metaphysischen Spannungen, in die wir hineinge-
nommen sind, indem wir in das Wesen und Webe der Gottheit einbezogen sind” (160). Ihnen korreliert
jeweils ein Glück (162 ff.), das auftritt, wenn der Mensch dieser Spannung `entgegenlebt´:

Dinghaft Ichhaft Gottheitlich


Glück / Spannung Entwicklung Ergänzung Blitz
Seinsart der Gottheit Keim Rest Nicht

74 Siehe dazu die Aufsätze Schöpfung aus Nichts und Selbstverschränkung Gottes, in: Scholem 1970; und Vom
nicht zum Nichts, in: Taubes 1996. Lask 1911 spricht offen von dem "Übersinnlichen" und der "Zweiweltentheorie".
24

Diese Metaphysik hat eine `seinsgeschichtliche´ Dimension. Sie beschreibt einen gegenwärtigen
Weltzustand, der stark unter Spannungen steht. Es bedarf der Klärung, warum es einst so gekom-
men ist. Vor allem weist das Modell in die Zukunft, in der das Begonnene durch uns vollendet
werden soll. Es sind somit die theologischen Kategorien Schöpfung und Heil, deren Beweislast
noch drückt. Dies ist nun die dritte Schicht, die das Buch in sich trägt, und die ob ihres spezifi-
schen Inhalts einen anderen Status beansprucht. Sie ist nicht mehr, wie die erste Schicht, eine
Ethik auf psychologischer Grundlage (Schwarz 1901), und auch keine sinndeutende `Onto-Theo-
logie´, wie die zweite. Sondern, da sie Schöpfung und Erlösung innerhalb dieses Denkens behan-
delt, ist dies die eigentlich religiöse Botschaft.

II.1.c) (Negative) Politische Theologie


”dieses Nichts des Endlichen ist das Sein des Absoluten.” Hegel

Eine Geschichte der Entstehung der Welt kann, da sie eine unvordenkliche Totalität umgreifen
soll, angesichts derer jede andere Darstellungsform versagt, nur ein Mythos sein. Ein solcher 75

schimmert jedoch nur hin und wieder durch. Schwarz muß diesen Mangel empfunden haben,
denn in dem `zweiten Hauptwerk´ (Schwarz 1928) entwickelt er diese Lehre noch einmal im Zu-
sammenhang. Hier taucht sie nur unvermittelt auf, als Kommentar inmitten philosophiehistori-
scher Erörterungen. Erzählt wird von einer Gottheit, die zu sich kommen wollte, dabei aber selt-
sam tragisch gänzlich in die völlig zersplitterte Welt überging, die nun in Fesseln ihrer weiteren
Selbstverwirklichung umschlug. So heißt es, nach einer Kritik an Spinoza und Leibniz:
”Es gibt wenigstens zunächst keinen Gott, weder einen überseienden, noch einen inseienden, sondern es
gibt nur Einzelwesen (modi, Monaden), und am allerwenigsten gibt es unter den Monaden eine unend-
lich schöpferische. Entgötterte Welt!” (57).

Abgesehen von dem Einsprengsel ”wenigstens zunächst” ist dies der bekannte Negativbescheid
des Denkens, den andere ähnlich aufrechterhielten. Er wird in einem Sprung vom Denken ins
Sein zu einer Seinsaussage verlängert. Als `Erklärung´ wird ein Schöpfungsmythos erzählt:
76

”Die Einheit, v o n der jedes Einzelwesen die Besonderung darstellt, ist selber weder gewesen, noch ist
sie. (Hier schiebt Schwarz in einer Fußnote ein Zitat der Upanishaden ein, CH.) ... Sie ist in den Einzel-
wesen gleichsam verpufft, ehe sie selbst zu beginnen vermochte, oder vielmehr, als sie beginnen wollte,
da mißlang dieser Versuch, und an ihrer Stelle entstanden Millionen Einzelwesen” (57).

75 (Vgl. Schwarz 1945, 288.) Frank 1988 hat die Aporetik einer Neuen Mythologie herausgestellt. Der `Mythos´ ist
bei Artur Bonus und Alfred Rosenberg, bei Claude Lévy-Strauss und Roland Barthes recht ungeschichtlich.
76 Aus einem Satz über das Wissen (I): `Wir wissen nicht, ob (x)´ wird geschlossen auf einen über das Gewußte (II):
`Wir wissen, daß nicht (x)´, und aus diesem auf einen über dessen Sein (III): `Wir wissen, daß (x) = nicht´.
25

Dieser Mythos verrät eine necessaristische Denkart. Er kommt immer wieder, aber je nur spora-
77

disch zum Vorschein (etwa: ”Die Gottheit hungert bei uns nach ihrem Wertleben”, 172). Von größe-
rem Gewicht als diese Gewesenheit ist die zukünftige, eigentlich handlungsanweisende Dimensi-
on. Das Heil, welches der Mensch erwirken soll dadurch, daß er in sich dieser unglücklichen
Gottheit ins Dasein verhelfe, wird seherisch prophezeit: der Ausweg aus dem metaphysisch-kos-
78

mischen Dilemma liegt im entschlossenen Ergreifen einer politischen Richtung, zu deren be-
schwörendem Plädoyer sich der Schluß des systematischen Teils schließlich entwickelt. Inner-
halb dieser religiösen Schicht lassen sich Züge der traditionellen christlichen Heilslehre her-
auspräparieren. Diese ”Umbesetzungen” seien vorwegnehmend aufgelistet:

Gegenstand im Christentum bei Hermann Schwarz 1921


Gott Christlicher Vater- und Schöpfergott (Sir. 23.1) das Ungegebene (Gottungegeben)
Sünde Seinwollen wie Gott, eritis sicut deus (1. Mos. 3.5) Eigenwille, Selbstischkeit
Schuld Erbsünde, Ungehorsam gegen Gott (1.Mos. 3.23) Keine Persönlichkeit sein
Tod Wirklicher Tod / Unglauben (Römer 5.12) Hingabe, Metanoia im Pflichtenkonflikt
Gnade Rechtfertigung durch Glaube (Römer 3.24) Gegenseitige Hingabe
Verheißung Reich Gottes, Gerechtigkeit (Jos. 48.18, Mark. 1.15) Wertleben, Gottesgeburt
Erlösung Jesus Christus, Auferstehung (Eph 1.7) allmächtige Innerlichkeit
Liebe Nächstenliebe, Feindesliebe (Gal. 5.6) Volkstum, allesseinkönnende Güte
Institution Gemeinde, Kirche (Matth. 16.18) Willens- und Volksgemeinschaft

Dem Philosophen Schwarz waren die zahlreichen Antinomien der christlichen Heilslehre klar,
als deren Auflösung seine Philosophie sich denn auch versteht. Einem ungegebenen Gott sind
Mängel der Welt nicht zuzurechnen, so daß das Theodiceeproblem, immerhin Crux so manchen
Systems, gänzlich entfällt. Ebensowenig gibt es hier einen Diesseits/Jenseits-Dualismus, so daß
kein Opfer des Intellekts mehr erbracht werden muß, um diesseitige Frömmigkeit und jenseitige
Entlohnung miteinander in zu Einklang bringen - wofür die Unsterblichkeit der Seele erst einmal
zu beweisen war. Dafür handelt Schwarz sich neue Paradoxien ein, auf die er sogar selbst hin-
79

weist (196). Diese lassen sich prinzipiell darauf zurückführen, daß das All des Seienden hier aus
der Dreiheit `Gott, Mensch und Welt´ in die Zweiheit `Mensch und Welt´ überführt wird, die
80

gleichwohl religiös sein will.

77 Die Welt ist nicht gewollt, sondern in göttlichem ”Werdezwang” `gemußt´ (1921, 218, vgl. zu Spinoza: 45).
78 Dies geschieht ohne Gott. Jakob Friedrich Fries nannte es "Ahndung" (Fries 1805), was auch in Schellings
Weltaltern auftaucht. Das ist kein kritischer (Tillich 1962), sondern völkischer Prophetismus: ”Dieser Volkswille of-
fenbart sich nicht durch Wahlen, sondern durch Prophetie” (Wilhelm Stapel, zitiert bei Hoffmann 1994, 169).
79 Gott, Freiheit und Unsterblichkeit waren selbst für Kant noch die `großen Themen der Metaphysik´. Christian
Wolff etwa oder Moses Mendelsohn verwandten tatsächlich große Energien, um die Unsterblichkeit zu `beweisen´.
80 Lucién Goldmann hat daraus ein grobmaschiges strukturalistisches Schema zur Klassifizierung von epochalen
Weltbildern gemacht, welches für Annäherungszwecke sogar sinnvoll ist (Goldmann 1973, ebenso Löwith 1967).
26

Eine Schwierigkeit dabei ist die, diesen Gedanken theoretisch in eine konsistente Form zu brin-
gen. Dem dient diese ganze Metaphysik. Eine andere ist es jedoch, das rechte Verhalten des
Menschen in diesem Kosmos zu bestimmen. In dem traditionellen dreigliedrigen Weltbild konn-
te der Mensch sich jeweils um der Welt willen an Gott (im Gebet), um Gottes Willen an die Welt
(im guten Werk, in der Verkündigung), ja sogar `die Welt´ sich um des Menschen willen an Gott
(im Eid, im Ritus) oder um Gottes Willen an den Menschen wenden (in der Seelsorge). Ein als 81

"Ungegeben" gedachter Gott kann zwar die theoretischen Konsistenzprobleme auffangen, die das
Christentum seit je bedrückten. Im praktischen Verhalten jedoch entfällt er als Instanz, so daß
sich der Mensch nur um sich oder um die Dinge um ihrer selbst willen bemühen kann. Beides
wäre areligiös, da nur ding- oder ichhaftes Verhalten.
Die dreiwertige christliche Ethik kann einfach sagen: Tu dies (y), denn Gott will es. Ihr philoso-
phisches Manko besteht darin, daß sie einen solchen Willen Gottes als geoffenbart hinnehmen
muß. Die durchaus rationale Funktion des Gotteswortes in der theologischen Ethik ist, ein unbe-
dingtes Sollen (y) zu begründen, das einerseits nicht als materialer Bestimmungsgrund aus den
Dingen kommen darf, andererseits jedoch konkret sein muß. Diese Last kommt eben Gott zu,
und der Theologe muß nicht erweisen, warum dies materiale (y) unbedingt gilt. Eine rein philo-
sophische Ethik, die mehr als formal sein will, kann dagegen nicht über Empfehlungen und
Nützlichkeitserwägungen hinaus. Wenn in der Moral auf unbedingte Geltung bestimmter Prä-
skriptionen dennoch nicht verzichtet werden soll, kann die Lösung nur in einer Amalgamierung
von materialer und formaler Ethik liegen, in welcher Gesinnung und Gegenstand einer Handlung
unterschieden, aber nicht getrennt werden. So konstruiert Schwarz die Möglichkeit geheiligter
82

Werke ohne einen geoffenbarten Willen Gottes. Dies erzeugt das ”Paradoxon des Wertlebens”
(196): Schwarz lehnt ein Verhalten, welches den Dingen Eigenwert zuschreibt, ab. Die Negation
dessen, die reine Innerlichkeit, wird jedoch ebenso negiert und muß sich entäußern (als `in-der-
Welt-sein´). Erst dann, wenn ich mich ihnen aus Pflicht nähere, sind die Dinge wertbehaftet. In
doppelter Verschränkung adelt so der Fremdwert der Dinge mein Tun, die Selbstlosigkeit meines
Tuns im Gegenzug die Dinge (217). Paradoxerweise wird nur der zur Person, der sich selbst hin-
und damit aufgibt: ”Nur wer sich nicht sucht, findet sich” (196).
Bei Kant kann der Philosoph über den jeweiligen Inhalt des Sittengesetzes in einer konkreten
Handlungssituation keine Aussagen treffen, im Vertrauen auf die Spontaneität des Gewissens
81 Dies sind beliebige Beispiele. Auch die verbliebenen Möglichkeiten lassen sich durchspielen: Gott wendet sich an
mich um der Welt willen (Erwählung), Gott wendet sich an die Welt umwillen meiner (”mit Gottes Hilfe”).
82 Nur so ist der Gedanke einer unbedingten Pflicht a priori an einen materialen Gehalt zu binden (Kapitel V.1).
27

muß er das auch gar nicht. In einer Kantkritik hatte Schwarz diese Ethik folgerichtig als "hetero-
nom" bezeichnet: die Leerstelle in der Theorie erschien ihm als versteckte Transzendenz (1902,
vgl. 1921, 201). Wird diese Leerstelle immanentisiert, also als material deduzierbar gedacht, ist
zwar die störende Heteronomie aus der Ethik verbannt, aber dies um den Preis einer gesteigerten
Beweispflicht. Der Ethiker muß jetzt angeben, welche materialen Inhalte Gegenstände der Pflicht
sein können. Dies ist der Sinn der letzten Paragraphen (§§ 27-35).
Innerhalb der Fremdwerterscheinungen, auf die das synthetische Vorziehen sich richten kann, um
zum rechten unselbstischen Handeln zu werden, gibt es schwerwiegende Unterschiede. Einige
Fremdwerterscheinungen erweisen sich im Handeln als Scheinwerte. Der Idealismus etwa (§ 30),
der mögliche Gegenstände der Pflicht als universalistische Forderungen auszeichnet, macht sich
einer Verbildlichung des eigentlich nur zu fühlen und zu wollenden schuldig; solche Forderun-
gen sind nicht erfüllbar, zudem widersprechen sich einzelne Forderungen oft - so kann sich das
Ungegebene nicht aufschließen. Der Moralismus (§ 27) fällt zurück in die Werkgerechtigkeit, in-
dem das Ich, das sich durch seine Selbstlosigkeit gewinnt, wieder selbstisch wird. Pessimismus
und Skeptizismus (§ 28) sind das Resultat der Unmöglichkeit, sich auf diese dinghafte Weise zu
verwesentlichen. Die einzig verbleibende Möglichkeit ist die des real erlebbaren Willenszusam-
menschlusses (§§ 33 und 34), in der die ”Einheitsgeistigkeit, das göttliche Ganzleben, ... s e i n e
Ganzheit gewinnt” (228, gemeint sind ”Freundschaft, Liebe, das eigene Volkstum”, 235).
Hier allerdings brechen die Konsistenzprobleme theologischer Ethik, die ja eigentlich überwun-
den werden sollen, wieder auf. Denn solch ein volklicher Willenszusammenschluß (Schwarz
spricht freimütig von ”Volksgemeinschaft” 233) ist ja notwendig jeweils ein begrenzter: einmal
angenommen, dieser sei als derart hermetischer möglich, ist er trotzdem noch begrenzt auf je ein
Volk. Hiermit trifft der Gedanke des göttlichen Einheitsstrebens an eine antinomische Grenze.
Denn entweder wird die faktische Partikularität verschiedener `Willensgemeinschaften´ gedank-
lich überstiegen in Richtung auf ein noch höheres, endgültiges Ganzes - damit trete jedoch eine
Verbildlichung und somit Verunmöglichung ein. Oder aber es muß bei der Partikularität bleiben
83

- dann aber ist keine letzte Einheit erreicht. Es gäbe nun zwei Möglichkeiten, mit dieser Antino-
mie umzugehen. Entweder könnte die verbildlichte Einheit eines ”Menschheitsganzen” (§ 35) zu
einer faktischen, erlebbaren politisch allererst gemacht werden. Das wäre der äußerlich-pragmati-

83 Er selbst argumentiert gegen den Pantheismus, dieser könne nicht willkürlich irgendwo halt machen, sondern müs-
se letztlich alles vergotten, Allheitsgedanken seien jedoch nicht denkbar (Schwarz 1922d, 101).
28

sche Weg. Oder die begrenzte Einheit könnte als das dennoch "Ganzundganze” (245) gedanklich
84

mit der Wirklichkeit versöhnt werden. Das ist der innerlich-kompensatorische Weg, den Schwarz
geht.

Um ihn zu `denken´, greift er erneut auf traditionell religiöses Gedankengut zurück. Das Modell
solcher Einheit ist die "Auferstehung" (253) des einen Willens nach dem `Tode´, den das un-
selbstische Wollen durch den unstillbaren Pflichtenkonflikt erleiden muß (§ 32): ”Wie wir uns
verneinen und in den Pflichtenkonflikten begraben, um unversehens ein höheres Leben zu gewinnen, so
geht es mit dem vereinzelten Wertleben selber.” Im Christentum kann allein Gott solche Probleme lö-
sen; und da er für derartiges einzustehen hat, kommt er als Offenbarter selbst zu Wort. Auch an 85

dieser systematischen Knotenstelle ist der Garant einer äußerst weitreichenden Schlußfolgerung
ein Gott - allerdings einer `ex machina´, der zudem sprachlos ist: Gott gebiert sich in die Seelen
86

derjenigen, die sich füreinander hingeben. Der Gipfel dessen ist der Krieg (246). Diese grausige
Konsequenz ist für Schwarz kein Anlaß, die Prämissen zu prüfen, wie es das für andere war.
Sondern sie wird als eine solche anerkannt, und zwar als der ” höchste und letzte Durchbruch der
ungegebenen Einheit” (247). Wie der Pflichtenkonflikt, der sich genausowenig aus der Welt schaf-
fen läßt wie der Krieg, eine neue innerliche (Mikro-) Einheit im Wollenden hervorruft, so ist es
auch der Krieg, der eine neue (Makro-) Einheit zwischen den Wollenden schafft. Er ist das Er- 87

möglichende, daß ”sich das Leben von Tausendmaltausenden heiligen kann” (246) und wird als
Äquivalent unverfügbarer Gnade begriffen. Alles, was dem entgegensteht - ”das `du sollst nicht
töten´” (246) oder Gerechtigkeit und Gleichheit (248) - hält diesem Faktum nicht stand, denn
Schwarz kann es nicht `denken´: ”Liebe läßt sich nicht als weltschöpferische Ursache, sondern nur
als Lebensmacht denken, die die Welt innerlich überwindet” (252). Erlösung ist als kollektiver Akos-
mismus konzipiert, als Solipsismus eines Großsubjekts.
In der prophetischen Verheißung: ”bis endlich in aller Herzen die Ganzform göttlichen Lebens durch-
bricht” (253)88 tritt die Widersprüchlichkeit deutlich hervor; waren doch zuvor die Möglichkeit

84 Siehe Zum ewigen Frieden (Kant 1968 XI, 195 ff.), nach dem Motto: ”Handeln! Handeln!” (Fichte 1794, 68),
oder die pax romana, der reine Machtfriede, dessen Idee (nicht nur) im Austrofaschismus wiederkehrte.
85 1.Petrus 5,7: ”alle eure Sorge werfet auf ihn”.
86 Schwarz (1921, 203 und 1941, Statt eines Vorwortes) läßt das Ungegebene immerhin Gedichte aufsagen.
87 Der damals (auch von Wittgenstein und Max Weber) vielgelesene William James ging den entgegengesetzten
Weg vom äußeren Krieg zur inneren "religiösen Erfahrung": "war is a school of strenous life and heroism; ... What
we now need to discover ... is the moral equivalent of war: ... monkish poverty- worship" (James 1958, 284). Die Ir -
reduzibilität ausgerechnet des Krieges läßt sich als “idealistischer Positivismus” beschreiben (mit Vaihinger 1927).
88 Ein fanatischer Zug: alle müssen bekehrt werden, damit der Durchbruch kommt (Schwarz 1917, in: 1945, 264).
29

der utilitaristischen Addition von `Einzelglücken´ und der Zufriedenstellung aller Menschen-
gruppen verneint worden. Auch wenn Schwarz sie nicht anerkennt: die Antinomie zwischen zu
entfaltender Einheit und politischer Erlebnismöglichkeit bleibt bestehen. Daß die Antinomie am
Ende des Buches gerade innerhalb des religiösen Kontextes auftritt, ist nicht verwunderlich,
denn eine widerspruchsfrei formulierte philosophische Ausdeutung der Religion wäre die Aus-
nahme. Solche Widersprüche sind zumeist lediglich in der Reflexion `ausfransende Ränder´, die
im gelebten Alltag nicht gravierend sein müssen. Widersprüche zwischen Prädikaten Gottes (wie
Allmacht und Allgüte) etwa werden erst dann eklatant, wenn die Religion zugleich einen philo-
sophischen Anspruch erhebt. Aber auch im Alltag treten mitunter Widersprüche auf, etwa in
Pflichtenkollisionen, wie sie Schwarz beschreibt. Der Sinn der Religionen ist nun eben der, mit
solchen Widersprüchen, mit der `ethischen Arationalität der Welt´, umzugehen. Widersprüche,
89

die die Religion aus dem menschlichen Leben aufgreift, sind in der Philosophie der Religion
nicht hinwegzuerklären. Religion fordert umgekehrt gerade das “Verweilen beim Negativen”. 90

Religion philosophisch zu verstehen bedeutet keineswegs, das Negative, also etwa Tod, Leid,
Schuld und ähnliches, aufzulösen. Wohl aber läßt sich innerhalb verschiedener Religionsphiloso-
phien unterscheiden, welcher Widerspruch auftritt, wo und warum er auftritt. Bei Hermann
Schwarz sind Ursachen für die Antinomik einerseits in seiner Einheitsphilosophie, die Unzusam-
mengehöriges zusammendrängt, andererseits in seiner Christologie ohne Christus, die sich neue
Inhalte sucht, zu verorten. Seine versuchte Lösung der Antinomie entwertet radikal die Bezirke
91

der Welt, die nicht in der letzten möglichen Einheit mitgeeint sind: ”Am gegebenen Menschentum
ist nichts achtenswertes” (249).92 Mit der Rekonstruktion der Systematik dieses Hauptwerkes ist
eine Folie gegeben, an der wichtige Kernpunkte, die im folgenden noch einzeln zu behandeln
sind, in ihren Zusammenhang ersichtlich sind, und an der sich auch ein Großteil seiner weiteren
Veröffentlichungen auftragen läßt.

89 Max Weber 1920, 569: ”Der Kosmos der Naturkausalität und der postulierte Kosmos der ethischen Ausgleichs-
kausalität standen in unvereinbarem Gegensatz gegeneinander.” Siehe auch Windelband 1935, 158 f.
90 So der Titel von Zizek 1994, nach der Stelle Hegel 1970 III, 36.
91”Wer ist dieser Christus ...? Er ist Einheitsgeistigkeit” (Schwarz 1921, 228). ”Einzig die ergreifende Lehre des
Christentums ... wäre imstande, über den Gedanken des Menschheitsganzen Erlebniswärme auszubreiten. Allein Je-
sus ist nicht der Gott, der sich für uns geopfert hat, sondern der Mensch, in dem gerade das innerlich aufgegangen
ist, was das Bild der allgemeinen Menschheit nur in der äußeren Erscheinung andeutet” (248).
92 Das ist ein veritabler moralistischer N i h i l i s m u s nach dem Strickmuster Fichtes. Später gibt es für Schwarz
”rassische Anlagen” (Schwarz 1945, 702), die Antinomie ist `onto-anthropologisch´ untergraben.
30

II. 2 Gott - Jenseits von Theismus und Pantheismus (1928)


Das zweite große Buch der 1920er Jahre bringt inhaltlich und systematisch kaum neues. Es ist je-
doch, wie bereits Nolte (1988) feststellte, weitaus populistischer gehalten, so daß es - anders als
das restliche Werk - auch heute noch in Bibliotheken und Antiquariaten zu haben ist. Ähnlich
wie der alternde Husserl, versucht auch der alternde Schwarz, seinen Grundgedanken erneut dar-
zulegen. Dabei wird die Systematik zugunsten der Verständlichkeit vernachlässigt. Es heißt:
”Das Ziel unsere(r) Betrachtung ist die Durchleuchtung aller überindividuellen Erlebnisse, die dem
Menschen begegnen, z.B. des Erkennens der Wahrheit, des Schauens von Schönheit, des Lohnes und Bis-
ses des Gewissens, an der Hand des Gedankens, daß eben hinter ihnen die sich selbst schaffende Gött-
lichkeit stehe” (1928, 199).

Behandelt werden also Inhalte der alten Transzendentalienlehre: das Schöne, das Wahre und das
Gute. Anhand ihrer soll, wie schon im Mittelalter, erkennend zum Göttlichen auf-, oder nunmehr
besser: abgestiegen werden. Werden in unsystematischer Folge in acht Kapiteln nacheinander
93

die Erkennbarkeit Gottes für uns im `wesen´, in den Spannungen, der Schönheit, der Wahrheit,
der Willensfreiheit, im Wert, in der Idee und in der Liebe erörtert, so steht das 1921 systematisch
Erarbeitete im Hintergrund, ohne hier noch einmal hergeleitet zu werden. Auch in diesem Werk
von 1928 ist die Verkünd(ig)ung der völkischen Weltanschauung der Höhepunkt, so daß es als
eine Reformulierung seiner politischen Theologie von 1921 zu verstehen ist. Dort unklar geblie-
bene Sachfragen werden neu aufgerollt.
Ohne zu zitieren, geht Hermann Schwarz dabei stärker als bisher auf philosophische Zeitströ-
mungen ein. Die erste wichtige Weiterung besteht in der Rezeption des jüngeren Neukantianis-
mus (mit dessen Vertretern Bauch und Cohn Schwarz ja in persönlichem Kontakt stand). Auch
93 Heidegger bezichtigte Nietzsche der ”Umdrehung des Platonismus” (GA 6.1, 153; GA 43); oben ist fortan unten.
31

dieser hatte Kategorienlehren des Geltens sowie Wertphilosophien erarbeitet, ja sich sogar der
Religion zugewandt, und war dadurch eine konkurrierende Richtung. Hatte Schwarz 1921 einen
94

alt-neukantianischen Dualismus von Kosmologie und Axiologie aufgemacht, wo alles nicht-


welthafte Sein als Axiologisches verstanden wurde, so kennt Schwarz 1928 einen reicheren onto-
logischen Pluralismus. Nur faßt er die derart gegenüber 1921 differenzierte ”Eigenart des Wesen-
95

den, Geltenden und Werthaften” (4) anders auf als der Neukantianismus und ähnliche Wertphiloso-
phien. Er grenzt sich von Theologen, die Gott ”mit Kategorien der Existenz buchstabieren” (5) ge-
nauso ab wie von den ”Ontologisten”, die ebendies mit ”Wert und Geltung” (4) täten und ”Sinnwe-
senheiten und Wertwesenheiten in die freie Luft” (5) hingen. Seine Bergsonianische Kritik der Ver-
räumlichung bringt er im Einleitungskapitel auf den Punkt:
”Verseinlung des Wesenden ist ebenso töricht, wie Verseinlung des Geltenden (Begriffsverseinlung) und
Verseinlung des Werthaften. Es ist alles derselbe Fehler. Für uns `west´ die Gottheit, die die Welt im In-
nersten zusammenhält, sie existiert nicht. Eben diese wesende Art des Weltgrundes hat man nicht in ih-
rer Eigentümlichkeit zu erkennen vermocht” (19).

`Wesen´ ist nicht nur eine Hervorbringung von Geltenden analog zum `wirken´ als Hervorbrin-
gung von Existierendem, sondern soll die Seinsart der ungegebenen Gottheit erfassen, die hinter
allem - auch der Dingwelt - steht: ”Zahlen wesen nicht. (...) Aber vielleicht g e l t e n sie nur dadurch,
daß etwas Wesendes hinter ihnen steht” (3). Dagegen `durchwest´ ”das organische Ganze ... seine Tei-
le” (3). Darin zeigt sich eine Rezeption der zeitgenössischen Lebensphilosophie. Theoreme von
Hans Driesch, Lehrer und Vorgänger von Gehlen in Leipzig; von Hugo Dingler; vor allem des
den Organizismus auf die Gesellschaft übertragenden Othmar Spann sind hier vorausgesetzt. Sie 96

dienen jedoch nur als Stufen zur Erkenntnis des eigentlich Ungegebenen. Ablesbar ist dies auch
an weniger relevanten Bezügen: sprach er zuvor von Gott als "Substanz" (1921, 244), so ist er
nunmehr "Funktion" (1928, 168). Dies könnte als Kenntnisnahme der bahnbrechenden Schrift
von Ernst Cassirer gedeutet werden. Die Polemik gegen "freischwebende Ideen" (169) deutet auf
zumindest oberflächliche Bekanntschaft mit der damals kreißenden Wissenssoziologie. Hermann
Schwarz hat die Geschehnisse in der zeitgenössischen Philosophie also durchaus verfolgt, und
zwar noch weit bis in die 1930er Jahre.
94 Ehrenfels 1897 f., Wiederhold 1920; Rickert 1921, 1924; Cohn 1923a; Bauch 1923, 1926; Natorp 1925.
95 Rickert 1932, 102, umschreibt diesen wie folgt: ”Der gesamten, entweder wahrnehmbaren oder verstehbaren Welt
der Objekte tritt das prophysische Sein der freien Subjekte gegenüber, das sich der Vergegenständlichung entzieht
und so die Objektwelt ergänzt. Zu diesen drei diesseitigen Seinssphären kommt endlich eine vierte, metaphysische
Region, die nur dem Glauben sich erschließt.” Husserl 1913 ließ Ontologien nur als regionale zu. Wenn Schwarz die
”Dreiheit von Welten” (1928, 89f.) moniert, gibt er den Hinweis: ”So die Schule von Heidelberg!”
96 Lehmann 1943 gibt Auskunft über Dingler, Driesch und Spann. Anklänge an die Ausgliederungslehre (Spannun-
gen) des letzteren, etwa in Spann 1923, finden sich beispielsweise: Schwarz 1928, 13 f.
32

II.2.a) Ausbau des Schöpfungsmythos


Ein Schwerpunkt liegt auf der Reformulierung des zuvor nur durchschimmernden Schöpfungs-
mythos und der dort antinomisch endenden Erlösungsprophetie. Immer wieder wird das Unvor-
97

denkliche beschrieben (etwa 9-16, 37-44):


”Im Anfang die stille Wüste, das reglose Eine, in dem noch niemals ein Unterschied geblickt hätte. In
dem unermeßlichen Abgrunde schläft dumpf das Ziel, sich gliedhaft zu beleben, und nun ist aus dem reg-
losen Schoße auf einmal millionenfach geteiltes Dasein entsprungen” (9). ”In dieser Mengenunend-
lichkeit der Dinge und Seelen ist Einheit nur insofern ausgedrückt, als jedes Ding die Einheit seiner end-
lichen Bestimmtheiten ist. Aber nirgends finden wir universale Einheit in eigener, unendlicher Be-
stimmtheit ... Indem jedes Ding von dem anderen getrennt dasteht und sich gegen sie behauptet, bejaht
es s e i n e Ganzheit, aber hindert die Ganzheit des Weltseins; d i e s e Ganzheit bleibt `ungegeben´”
(10); ”dennoch ist für das Lebenwerden der Absolutheit notwendige Voraussetzung, daß Einzeldasein
vorhanden ist. Es gibt erst den Hebelansatz für göttliche Selbstschöpfung” (10).

Behauptet wird also eine unvordenkliche restlose Zersplitterung, die zwar tragisch, aber zugleich
(heils-) notwendig sei. Diese Gedanken stellen erklärtermaßen ein Weiterdenken von Anstößen
durch Meister Eckhart und Jacob Böhme dar. Was Schwarz nicht verrät, ist die Abkunft solcher
Logik und Ontologie kurzschließenden Spekulationen von der lurianischen Mystik, wo in eben-
98

so necessaristischer Denkart (”notwendige Voraussetzung”) eine Kontraktion Gottes und ein Her-
vorgang der Welt aus dem derart gelichteten Gottesnichts gedacht wurde. Durch seine deutsch-
99

völkische Gesinnung konnte Schwarz derlei nicht anerkennen. (Zwar hatte er zuvor jüdische Au-
toren wie Husserl oder Cohen bedenkenlos zitiert. Schon seine Beteiligung an den Blättern für
deutsche Philosophie aber deutet eine antisemitische Wendung an. ) Schwarz lehnt sich also
100 101

`nur´ an Meister Eckhart an, wenn er Gott und Gottheit unterscheidet: `Gottheit´, die ” stille Wüs-
te”, bezeichnet dabei Gottes vorweltliches Sein, `Gott´ dasjenige, in dem es sich einst durch uns
wird voll erschaffen haben (siehe 1921, 10). Das dazwischenliegende gegenwärtige Zeitalter

97 Schwarz 1928, 39, formuliert: ”Die Tragik des Weltprozesses weist sowohl auf bevorstehendes Geschehen hinaus
..., darin sie sich lösen könnte, als auch auf ein letztes Urgeheimnis zurück, aus dem sie geschürzt ist.”
98 Auch Heidegger nannte seine Vorlesung `Ontologie´ problemlos `Logik´ und schließlich Hermeneutik der Fakti-
zität (1923, GA 63). Noch Vom Ereignis (GA 65) zehrt von dieser Weichenstellung. Siehe auch Geyser 1929.
99 Brumlik 1992, 180, führt Schellings Arbeit von 1809 auf Kontakte mit einem Philosemiten zurück. Zur jüdischen
Mystik Scholem 1960 und 1970; Habermas 19 71, 172 f., und 1991, 39 ff.; Samuelson 1995, 17ff; Kobusch 1984.
100 Über die Abspaltung der Deutschen philosophischen Gesellschaft von der Kantgesellschaft durch Bauch 1917
sowie die jeweils dazugehörigen Zeitschriften Kantstudien und Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus
bzw. (seit 1927) Blätter für deutsche Philosophie (BDPh) berichtet Laugstien 1990, 124 ff. Die jüdischen Vertreter
des Neukantianismus wie Hermann Cohen oder Ernst Cassirer scheint Schwarz zunehmend ignoriert zu haben. Eine
Ausnahme bildet Hönigswald, den er noch 1931 mit in sein Sammelwerk aufnimmt.
101 Noch das Christentum, aus dem er Eckhart und Böhme herauszudrehen sucht, ist von dieser Stoßrichtung betrof-
fen. Dieser Kampf gegen das Christentum ist ein ”potenzierten Antisemitismus” (so Cancik 1995 über Nietzsche).
33

kennt Gott nur als ”Gottheitlichkeit” und ”Göttlichkeit” (1928, 46), als nichtseiende ”metaphysi-
102

sche Spannungen” (42 ff.) also. Die Menschen werden nun als Ruinen der Gottheit begriffen.103
Daher korrelieren den Spannungen menschliche Bedürfnisse. Die lurianische Spekulation von
den zerbrochenen Gefäßen klingt dabei stark an:
”Aus ihrem Zuge nach Einheit und Ganzheit hervorgegangen, sind wir Bruchstücke geblieben. Daher
rührt ein Sehnen und Drängen in uns, daß sich alles, worin wir Bruchstück sind, öffne und weite. Wir
sind Buchstaben, vom Griffel der Gottheit geschrieben, und sollen das Wort werden, als das sie uns ge-
meint hat, und in dem sie sich selbst gemeint hat” (44).

Die beiden metaphysischen Spannungen der Gottheitlichkeit werden "kosmische" (46) genannt,
die der Göttlichkeit "akosmisch" (47). Das entspricht der Dreiteilung des `Keim, Rest und Nicht´
von 1921. Die fast hymnische Partie endet mit dem Ausblick der ”Erlösung für die Gottheit und für
die Welt” (47) und einem unausgewiesenen Zitat von Paulus (Römer 8, 22), der nur als " Wissen-
der" apostrophiert wird. Trotz aller Beteuerung, ”nicht biologisch” (47) zu sein, liegt hier eine
quasikosmologische Sicht auf die Dinge vor. Die Fragen nach dem Sinn menschlichen Lebens
und nach Gott rutschen in einen ihnen fremde Behandlungsart. Dies geschieht in den folgenden
Schritten:
Ein Wissen um die rechte Art zu leben wird von einem Wissen über Gott und die Entstehung der
Welt abhängig gemacht. Das ist durchaus nicht in jeder Ethik so, weshalb diese als kognitivis-
tisch und theologisch zu klassifizieren ist. In der Frage nach Gott wird die Religionskritik der
Neuzeit rezipiert. Daher fällt die Antwort auf die Frage, wie sie einst im Rahmen der Metaphysik
gestellt wurde, negativ aus. Die übliche Reaktion auf diese abschlägige Auskunft war ein Wech-
sel der Diskursart. Kant etwa beschränkte sich bei der philosophischen Rede über Gott auf Refle-
xionsurteile und einen nur regulativen Gebrauch - der analysierende Verstand kann empirisch
kein Wissen von Gott herausvernünfteln. Wenn die überlieferte Rede von den ersten und letzten
Dingen nicht verworfen werden soll, kann man sich ihr nur in veränderter Einstellung nähern.
Philosophie formulierte diese ihre Nichtzuständigkeit so, daß Gott für sie überseiend und überu-
naussprechlich war, die Religionen hatten dem dadurch Rechnung getragen, daß sie von Gott
gleichnishaft redeten. Religiöse Rede von Gott und Schöpfung ist mythologisch. In den (westli-
chen) rationalisierten Religionen, die über eine bloß mythische Redeweise weit hinauskamen, ist
die Negativität Gottes für den Verstand zudem klar ausgesprochen: Gott wird als Handelnder

102 Ein Seitenblick auf Heidegger 1927: auch er transformiert in die ”-lichkeit”, etwa `Welt´ und `Geschichte´. Da-
hinter steht mit Fichte und Hölderlin die Annahme, das gegenwärtige Zeitalter sei von allen guten Göttern verlasen.
103 Ähnliches tritt bei A.W. Schlegel, Simmel 1908 ("Wir sind Fragmente") und Heidegger auf ("Ruinanz").
34

(oder Wirkendes) betrachtet. Diesen Wechsel in der Diskursart vollführt Schwarz nicht. Die Gel-
tungskraft der logischen Kategorien wird uneingeschränkt beibehalten, gleich-gültig innerhalb
des kategorialen Bereichs des Existierenden, des Geltenden, des Werthaften und des Wesenden.
Einem Denkzwang für uns muß sich selbst das von uns gewußte `Wesen´ beugen. Nur so kann 104

Schwarz von dem Ungegebenen Bedingung (104), Konditionalität (”kann nur gedacht werden,
wenn”, 23; bereits 1921, 252), Notwendigkeit (und zwar physische, 1928, 10) und durchgängig
auch das "Sein" aussagen. Diese Spätfolge des erkenntnistheoretischen kritischen Realismus
führt zu einem Entgleiten all jener Bestimmungen Gottes, die die biblische Rede von Gott hatte:
Güte, Liebe, Gerechtigkeit, Gnade, zuweilen auch Zorn und Eifersucht, vor allem aber Barmher-
zigkeit Gottes.
Das Woher und Wohin der Welt und des Menschen übersteigt die Grenze menschlichen Erken-
nens. Um dergleichen dennoch in eine humane Weltsicht mit einzubeziehen, sind in der narrati-
ven Grammatik die üblichen Erkenntnismaßstäbe fallengelassen. Aus dem, was auf diese Weise
gewußt wird, kann ohnehin nichts gefolgert werden. Solche narrativen Systemschlüsse bringen
105

die unaufhebbaren Sinngebungsprozesse menschlichen Daseins zur Ruhe. Grundfragen, die seit
je gestellt wurden, wurden in ihnen seit je auch gestillt. Derlei Grundantworten sind mithin keine
propositionalen Aussagen über `etwas´ (Existierendes, Geltendes, Werthaftes oder Wesendes) in
der Welt, sondern haben ihren Sitz mitten im Leben. Da der menschliche Alltag sich nicht elimi-
106

nieren läßt, kommen Bestimmungen wie Liebe und Güte bei Schwarz durch die Hintertür wieder
herein, aber eben lediglich im Rahmen einer im schlechten Sinne `metaphysischen´ Denkungsart.
Ihr genuiner Geltungssinn, den sie auch ohne Begründung hätten, wird durch die quasikosmische
Herleitung depotenziert und verfälscht. Die Schöpfungsmythe der Metaphysik des Ungegeben
stellt somit eine nur halbierte Rezeption der neuzeitlichen Religionskritik dar. Die Religionskri-
tik wollte parasitären Gebrauch der Religion dadurch entlarven, daß ihm Inkonsistenz nachge-
wiesen wurde. Radikale Vertreter stellten die weltliche Bedeutung der Religion generell in Fra-
107

ge. Schon Epikur hatte die Bedeutung der Religion für Politik und Alltag zu neutralisieren ge-

104 Selbst Gott muß nach den Gesetzen der Logik handeln und denken, darum ist die Logik Instrument der Erkennt-
nis Gottes. Diese Rangordnung von Gott und Logik wurde im lateinischen Aristotelismus vertreten, welcher im `Sys-
tem´ des Thomas von Aquin gipfelte. Der Voluntarismus des Duns Scotus (nicht mit dem von Schwarz zu verwech-
seln) war eine Gegenströmung, welche Gott über die Logik stellte; vgl. Obermann 1965 und Honnefelder 1990.
105 Wo dies dennoch versucht wird, etwa in der Ableitung der göttlichen Legitimation königlicher Herrschaft, liegt
parasitärer Gebrauch religiöser Rede vor (siehe Kant: KrV, B 664, 719, 777 und 846).
106 Diese Deutung der Religion, die sich philosophisch auf den späten Wittgenstein stützen kann, ist dargestellt bei
Rentsch 1999. Sie geht zurück auf Albrecht Ritschl, Wilhelm Herrmann und Hermann Gunkel.
107 So bestanden der Ketzerei Angeklagte wie Savanerola oder Luther darauf, aus der Bibel widerlegt zu werden.
35

wußt. Karl Marx, der nicht zufällig von diesem ausgegangen war, sah die “Kritik des Himmels”
bei den Junghegelianern nur als Durchgangsstufe für die Kritik der tatsächliche Verhältnisse. 108

Eine vollgültige Rezeption neuzeitlicher Religionskritik muß religiöse Fragen, die ja faktisch un-
aufhebbar drängen, unter Berücksichtigung des spezifischen Geltungssinnes religiöser Rede be-
handeln. Die Religionen hatten diesen durch die Behauptung ihrer Weltlosigkeit ja selbst mitge-
führt. Schwarz rezipiert von der Religionskritik nur das negative Ergebnis. Den nächsten Schritt,
die Negierung theoretischen Wissens als der der religiösen Sphäre angemessenen Verhaltenswei-
se (Negation der Negation), vollzieht er nicht. Statt dessen versucht er, weiterhin mit Verstandes-
mitteln ein umgreifendes Gesamtbild zu entwerfen, in das der Negativbescheid lediglich mitein-
geht. So wird `das´ Nichts verdinglicht.
Schwarz verweist zurecht auf Widersprüche im Christentums (149 ff., 198 ff.): ”Setzen wir das
Vollkommene als erstes und lassen das Unvollkommene darauf folgen, so wird kein Schuh daraus, man
müßte denn bei Theodiceen Hilfe suchen” (149).109 Der Lösungsversuch besteht darin, ein neues on-
tologisches Paradigma aufzustellen: `Sein´ wird nicht als mehr als `anwesen´, sondern als `wesen
´ begriffen. Dadurch, daß innerhalb des verstandeslogischen Denkens eine neue Ontologie einge-
führt wird, werden bestehende Widersprüche zwar geglättet; 110
der Überstieg in eine andere
Grammatik allerdings, in der allein der Sinn religiöser Rede zu entschlüsseln wäre, o h n e daß
auftretende Antinomien von Bedeutung wären, wird dadurch gerade verhindert. Zum Nachteil
111

der Inhalte wird alles in einer Denkart abgehandelt. Die auftretende Antinomie zwischen göttli-
chem Einheitswillen und lediglich partikularer politischer Landschaft ist hier gravierender als in
Mythos und Offenbarung, da sie nun voll in den Geltungsbereich logischer Kategorialität fällt.
Wenn Schwarz anführt, es sei dieselbe Seele, ”die einerseits vorstellt, andererseits fühlt und will ”
(1921, 77), so meint er damit, es sei dieselbe Denkungsart, in der sich diese eine Seele als vor-
stellende, fühlende und wollende weiß (”fühlende, wollende, wissende Bewußtheit”, so 1931, 60). Er
verabsäumt die Reflexion auf die verschiedenen Weisen zu wissen, die die Transzendentalphilo-
sophie bei Kant und Husserl sowie in der späteren Sprachphilosophie Wittgensteins vollzogen
hat. 112
Zwar unterscheidet er 1921 die empirisch-psychologischen Vermögen `Fühlen, Wollen,
108 ”Für Deutschland ist die Kritik der Religion im wesentlichen beendigt ... Die Kritik des Himmels wandelt sich
damit in die Kritik der Erde” (Marx 1958, 337). Daß dies nicht areligiös sein muß, zeigt Gollwitzer 1962.
109 Theodiceen behandelt er ausführlich in Schwarz 1912, 234 f.
110 "Welche Teile der christlichen Dogmatik wir betrachten, immer ist das Ergebnis das gleiche. In ihr sind Schätze
verborgen, aber heben kann man sie erst, wenn die Gottesverseinlung verschwindet” (153).
111 In Märchen sind logischen Fehler bedeutungslos, im Buddhismus werden Widersprüche geradezu gesucht.
112 Aufschlußreich ist der Seitenblick auf Lukacs 1923, 140 ff., sowie Heidegger: GA 25, 78. Eine Ausdifferenzie-
rung der Verstandesvermögen muß in jeder Zeit erneut errungen werden - eine Vielgestaltigkeit der Rationalität war
36

Denken´, 1928 sogar verschiedene Weisen zu sein. Ein modernes Korrelationsapriori, in dem je-
der Seinsart eine entsprechende Gegebenheitsweise, jeder Proposition eine spezifische Sprach-
handlung und ein Verstehenskontext korreliert, erlaubt keinen solchen `Methodenmonismus´. 113

Theologische Fragen lassen sich leider nicht lösen wie Mathematikaufgaben.

II.2.b) Ausbau der Erlösungsprophetie


Die eindimensionale Perspektive herrscht auch in der Erlösungsprophetie vor. Das Eschaton
(”Vollgöttlichkeit”, 180; ”Gottgottestum”, 201) kann nur von uns "vollendet" (200) werden, und
zwar in physikalistischer Quasikausalität. Dabei gibt es zwei Hegelianismen. Zum einen erin-
114

nert dieses Narrativ an Hegels Philosophie der Geschichte: Hegel sah zuerst Freiheit für Einen -
Schwarz die Gottesgeburt durch Hingabe in einer Seele; dann die Freiheit für Einige oder Viele -
Schwarz analog die Gottesgeburt in der Liebe eines Volkes; und zuletzt käme die Freiheit für
alle; aber hier erschöpft sich die Analogie. Ist in einem Volkstum Gott geworden, so ist dies
115

zwar nur ”Teilgöttlichkeit” (203); und ”Göttliche Totalität ” (203) will, daß die ”Ausschließlichkeit
116

gegen das Gotteserlebnis in anderen Volkstümern” (200) überwunden werde. Aber dies geschieht le-
diglich im ”einzelnen Menschen”, welcher ”in sich selber” (200 f.) eine solch universale Menschen-
liebe ”erlebt”. Allein hierin kommt die Gottesbewegung ”zum Bewußtsein ihrer selbst a l s göttlicher
Bewegung” (201). Dies ist die zweite Hegel-Reminiszenz: der absolute Geist erkennt sich in uns
als er selbst, indem ”die geistig schon bewegte Seele noch einmal Gefäß für jenes letzte Zusichselbst-
kommen des Gottesnichts wird” (201).
Die Antinomie lag 1921 darin, daß als Gottes Seinsart durchgängig Einheit, zumindest das Er-
streben einer solchen angegeben wird, er aber zu keiner letztlichen Einheit kommt. Es bleibt bei
verschiedenen ”Volkstümern” (200), letztlich noch immer bei dem Krieg (”Gottmenschentum
kämpft miteinander”, 205). Die letzte Einheit, die erreicht werden kann, ist eine solche für ein Be-
wußtsein, also bloß subjektiv und somit keine wahre Einheit. Dies ist eingestanden: " Im Subjekt,
nicht im Objekt, liegt ein für allemal die Realität des Wertlebens” (176). Letztlich geht es also um ein
kontemplatives Verstehen (202), nicht um tätige Liebe. Wie in diesem Buch viele Zeitströmun-

ja schon in der Antike gegeben. Die Inhalte, die vernünftig behandelt werden können, sind dabei wandelbar. Die An-
tike kannte Theologie vor allem als Kosmologie, Religion als Mysterienreligion und Staatskult (Eliade 1992).
113 Schwarz 1912, 16 aufgreifend: ”Wir streben ... nach einem Monismus der kausalen Erklärung”.
114 Schwarz 1928, 200: ”Es muß eine solche geben"; ib., 202: "Gott wird um so mehr, je mehr der lebendigen Ver-
kettung unter den Menschen wird”. "Teilgöttlichkeit" (203) gibt es nur für physikalistisches Denken.
115 Hegel 1970, Band 12 (Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte), 32.
116 Vorher hatte Schwarz bestimmt, daß ”die Gottheit ganz in jedem Dinge wese” (1928a, 42); ein Widerspruch.
37

gen als Vorstufe zur Erkenntnis der Philosophie des Ungegebenen eingearbeitet werden, so ist es
schließlich auch mit dem Christentum. Zwar spricht Hermann Schwarz von ”evangelischer Liebe”
(198 ff.), ”christusförmiger Seelengüte” (201), gar von Christen, Kirche (204) und Reich Gottes
(202f.); aber sie werden lediglich als - immerhin letzte - zu überwindende Stufe zur Einsicht ge-
nommen. Sie werden in ihrer Reinterpretation derart transformiert, daß sich ihr Sinn verkehrt. 117

Von christlichen Zügen ist in der Schlußemphase keine Spur:


”Nicht darauf, daß die Menschen voneinander nicht leiden, kommt es an, sondern darauf, daß sie unter
der Unvollendetheit ihres Gottestums leiden. Sie sollten erst beten: `Gott, komme zu mir!´, ehe sie vom
Gottesreiche sprechen, in dem Gott zu Gott kommen soll” (205).

Die Erwirkung eines Gottestum im Volkstum (Schwarz 1928c) ist in der methodenmonistischen
und daher physikalistischen Denkart von Hermann Schwarz notwendige Bedingung für ein Reich
Gottes. Liebe zum Nächsten, die je nur Liebe ”zu Gott im Nächsten” (204) - und somit keine Liebe
des endlichen Nächsten selbst ist, k a n n nicht kommen, ”wenn sich nicht schon Gottmenschentum
vorfindet ... in dem, der geliebt wird” (204). Die darüber hinausführende Stufe des Reiches Gottes
ist dadurch verunmöglicht. Nicht allein, weil sie nur je für ein Bewußtsein ist. Es fände sich erst
gar kein Ansatzpunkt im Handeln und Denken, der ein kontrafaktisches Sollen einlassen würde -
und ein solches ist der christlichen Religion wie der Vernunftethik essentiell. Das Endliche ist
hermetisch gegen jedes Einbrechen des Kontrafaktischen abgeriegelt, die Bezüge zum Christen-
tum bloße Rhetorik. Hier schlägt die völkische Religion voll zu. Völkische wie Hermann
Schwarz sahen `das Volk´ als wichtigste und letztmögliche Einheit in der Welt. Wies das benutz-
te Medium (hier die Vernunft) tendenziell in eine andere Richtung, entstanden Antinomien. Aber
völkische Religiosität war seinerzeit weit verbreitet. Schwarz hatte sein argumentatives Soll
schon erfüllt, wenn es ihm gelang, seine Gedanken in diese völkische Richtung hin enden zu las-
sen. Für die völkischen Zeitgenossen reichte dies aus. Eine andere Struktur hatten auch die tradi-
tionellen Gottesbeweise nicht: es ist genug, daß Gott bewiesen ist - denn damit ist bereits die fak-
tisch bestehende Lehre erreicht, die über sein was und wie näher Auskunft gibt. Innerhalb des
völkischen Spektrums gab es verschiedenste Auffassungen. Daß ”das Volk” das erste und letzte
118

117 Ernst Nolte hat in seiner Paraphrase den christlichen Impuls fälschlich als authentischen interpretiert: ”Insofern
scheint Schwarz ein überkonfessionelles Christentum begründen zu wollen (...). Aber er schiebt doch eine Bedin-
gung ein” (Nolte 1988, 349). Diese Bedingung jedoch negiert das Bedingte de facto gänzlich.
118 Die Rekonstruktion des Völkischen stützt sich auf Beyreuther 1980, Emmerich 1971, von See 1970, Hermand
1967 und 1988, Hieronymus (in: Faber 1986), Ketelsen 1976 und 1993, Vondung 1988, Mohler 1989, Mosse 1991
und 1993, Schnurbein 1992, Nanko 1993, Bibo 1994, Ulbricht (in: Faber 1997), Puschner 1996 und Cancik 1998.
38

sei, war jedoch dogmatischer Kernbestand. Wie war eine solche Religiosität möglich? Das gän-
119

gige Erklärungsmuster benutzt die Strukturanalogie zwischen christlicher und völkischer Religi-
on als Explanans: Die Substanz des Christentums sei von seinen Nachfolgern angeeignet wor-
den. Diese unhistorische These setzt allerdings die säuberliche Trennung von weltlichen und re-
120

ligiösen Dingen, die sie zu erklären meint, bereits voraus. Es ist ja gerade der vorgeblich `säkula-
risierte´ Nachfolger des Christentums, der die Bereiche, die innerhalb des Christentums rein
weltlich waren, sakralisiert. Naturerscheinungen und Herrschaft hatten im Christentum keine di-
vinatorische Qualität. Darin steckt der säkularisatorische Charakter des Christentums selbst.
121 122

Spricht man im Bereich des Völkischen von Resakralisierung, so kann damit nur eine Reaktivie-
rung vorchristlicher Religionen gemeint sein. Der Rückgriff auf die Edda und ähnliche Religi-
onsfragmente aus vorchristlicher Zeit ist ein solcher Rückgriff. Der Schlachtruf ”Ohne Juda,
ohne Rom / wird gebaut Germanias Dom” zeigt, wie bewußt dies geschah. Auch wenn die Sä- 123

kularisierungsthese als Erklärung wenig taugt, weist sie doch richtig auf die große Menge von
Strukturelementen hin, die bei der Flucht aus dem Christentum mitgenommen wurden. Nach wie
vor gibt es ein auserwähltes Volk, einen Messias und eine Ewigkeit, denn die Fluchtbewegung
124

speist sich aus einer Dynamik, die im Christentum selbst beschlossen liegt.
Die prägnanteste Form der Säkularisierungsthese geht auf Karl Löwith zurück, der nicht zufällig
Hegelexperte war. Er prägte die Formel von der "Doppeldeutigkeit in Hegels Religionsphiloso-
phie". Obwohl Hegel sich formell gegen die Flachheit der Aufklärung gewandt hatte, brachte er
125

sie zumindest religionsphilosophisch doch zu Ende. Ganz gegen seinen Willen wurde der Glaube
an einen historischen Jesus gerade von Hegel desavouiert - dadurch, daß er ihn zu verstehen

119 Wilhelm Stapel, 1920, 47: ”Wer sich über die Bedeutung des Volklichen nicht klar ist, mache das Experiment,
nacheinander in einen Saal mit einer jüdischen und mit einer deutschen Versammlung zu gehen. Wer dabei nicht die
Verschiedenheit und den sozial bestimmenden Wert des Volkstums empfindet, der ist untauglich zur Erörterung un-
serer Frage”. Friedrich A.Beck 1944: ”Volk ist eine nach rassischen Gesetzen außen und innen geschlossene ganz-
heitliche Gemeinschaftsseinsweise der menschlichen Wirklichkeit” (zitiert aus Emmerich 1971, 123).
120 Nach Taubes 1947 legitim, nach Löwith 1953 illegitim. Carl Schmitt verstand darunter tatsächlich eine substan-
tielle Beerbung (Schmitt 1990: Politische Theologie, 38, 42, 45; siehe auch Schmitt 1950, 70 ff.).
121 Theokratische Elemente im Judentum wurden vom ikonoklastischen Prophetismus ausgetrieben. Mit Aussprü-
chen wie ”Mein Reich ist nicht von dieser Welt” (Joh. 18, 36) oder ”Gebt dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott,
was Gottes ist” (Matth. 22, 21) war dergleichen prinzipiell verunmöglicht (Faber 1975 und 1997).
122 Angeregt durch Nietzsche betrachtete Max Weber dies geschichtlich (dazu Gogarten 1955, Tenbruck 1975).
123 So Georg von Schönerer, zitiert nach Hermand 1988, 88.
124 Frappierend ist die völkische Reformulierung christlicher Gedanken bei Kummer 1927 (über ihn Zernack 1997,
157; vgl. Borkenau 1984, 247 ff.). Zum Messianismus Hermand 1988, Linse 1987; auch Scholem 1970, 121. Über
Sebottendorf liegt an der TU Dresden eine soziologische Seminararbeit vor (politischer Extremismus, WS 1998/99).
125 Löwith 1953, 1964. Das Stichwort fiel auf der Hegelkonferenz 1962, hierüber Kruck 1994, 125 ff. Das folgende
bezieht sich neben letzterem vor allem auf Theunissen 1970, Weischedel 1971, Küng 1970 und Jäschke 1983.
39

meinte. (Hier holt die Dialektik auch Hegel ein). Spinozas philologische Bibelkritik und Kants
philosophische Zurückweisung der Gottesbeweise stellten zwar die Vernünftigkeit des Geglaub-
ten in Frage, wahrten aber dadurch den essentiellen Vollzugscharakter des Glaubens. Der Glaube
als Gestalt des Geistes drohte durch die harsche Kritik der bloß verständigen Aufklärung bald un-
terzugehen. Für Hegel war der Widerstreit zwischen Glaube und Vernunft eine existentiell erleb-
te `Zerrissenheit´. Er wollte sie dadurch `versöhnen´, daß er die Vernünftigkeit des Geglaubten
erwies. Dieses Unterfangen hatte einerseits tatsächlich eine Versöhnung der Vernunft mit dem
bisher nur Geglaubten zur Folge. Der Vollzugscharakter des Glaubens allerdings war damit um
sein Eigenrecht gebracht. Die Aufhebung der Religion in den Begriff ist einerseits apologetischer
Erweis ihrer Vernünftigkeit. Zugleich ist sie zwar nicht der Mörder, aber doch der Totengräber
des historischen Christentums. Die rationale Struktur, die der historische Jesus verkörperte, ist
als solche erkannt und somit von dem (ohnehin gefährdeten) Glauben ablösbar gemacht. Wenn
es zuvor hieß credo ut intelligam (Anselm von Canterbury), so kann das credo dann, wenn er-
kannt worden ist, auch wegfallen. Dies ist die Bedingung der Möglichkeit für eine Übertragung
126

der Strukturen des Christentums auf andere Inhalte. Tatsächlich brachte die Leben-Jesu-For-
127

schung das Problem mit sich, sich auf eine solche historische Begebenheit nicht zurückführen zu
können. Theologische Systeme versuchten nun die zeitlose Bedeutung der einen Menschwer-
128

dung Gottes in Jesus Christus gegen die rationale Verflüssigung der Christologie in alle mögliche
anderen Bereiche des Lebens abzugrenzen; Höhepunkte waren die Christozentrik von Schleier-
macher, Albrecht Ritschl und Karl Barth. Hiermit war die interne Konsistenz des Christentums
129

gewahrt, aber der Schritt in diese Religion wurde dadurch erschwert, da heranführende Religi-
onsphilosophie, rationale Theologie, natürliche Religion hier nicht möglich war. Solches (protes-
tantische) Christentum behauptete sich als reale Geschichtsmacht, konnte aber nach außen keine
Rechenschaft mehr ablegen. 130
Die höchstmögliche Rechenschaft, die Hegel ja abgelegt hatte,
126 Hegel ist das nicht entgangen: ”Dieser Mißton ist in der Wirklichkeit vorhanden. (...) Wenn die Zeit erfüllt ist,
daß die Rechtfertigung durch den Begriff Bedürfnis ist, dann ist im unmittelbaren Bewußtsein, in der Wirklichkeit
die Einheit des Inneren und Äußeren nicht mehr vorhanden und ist im Glauben nichts gerechtfertigt. (...) Wie sich
die zeitliche, empirische Gegenwart aus ihrem Zwiespalt herausfinde, wie sie sich gestalte, ist ihr überlassen und ist
nicht die unmittelbar praktische Sache und Angelegenheit der Philosophie.” (Hegel 1970 Bd. 17, Vorlesungen über
die Philosophie der Religion, 342 f.). Man bemerke die Zeitenthobenheit der Philosophie gerade auch bei Hegel.
127 Hier gilt dasselbe wie oben von Kant und der Antike: Natürlich war Hegel nicht der erste - bereits die Mystik
hatte die christologische Struktur von ihrem Inhalt abgetrennt. Aber derlei wird in jeder Zeit neu errungen.
128 Siehe Schweitzer 1906, Georgi 1990.
129 Dazu Schleiermacher 1835, Ritschl 1889, K.Barth 1932 ff.
130 Gebrüder Blumhardt und Franz Overbeck sahen dieses Problem deutlich. Es mußte auch zwischen Religion und
Philosophie heißen: Entweder-Oder. Ernst Troeltsch sprach erneut die Absolutheit des Christentums aus, Nietzsche
dagegen sah es als überwunden an. Das Problem des Redens nach außen begegnet in dem Frankfurter Gespräch Til-
40

führte eben nicht mehr notwendig zur sichtbaren Kirche. Bruno Bauer `posaunte´ also nur hinaus,
was in der innersten Konsequenz Hegels lag: aus kirchlicher Sicht mußte Hegel als Häretiker
131

gelten.
Was geschieht aber mit der einmal als vernünftig erkannten rationalen Struktur, wenn sie nicht
mehr notwendig an ihren ursprünglichen Inhalt zu binden ist? Wenn sie nicht entweder, wie bei
132

den Christozentrikern, in ihrem Domizil belassen, oder aber ganz aufgegeben wird, wird sie 133

sich andere Inhalte suchen. Dies ist etwa der Fall bei Richard Wagner, der die Religion in die
Kunst aufheben will; bei dem Hegelianer David Friedrich Strauß, der eine neuen Glauben aus-
ruft; und zuletzt auch bei den sich ab 1890 formierenden Völkischen. Diese sind mithin als reli-
giöse Gruppe zu betrachten. Auch Adolf Lasson war Hegelianer. Selbst auf der Suche nach den
historischen Gründen des Idealismus, verschaffte er diesen Religiösen das historische Paradigma,
indem er 1868 durch seine Meister Eckhardt-Studie eine regelrechte Welle lostrat. Gegen andere
Völkische, welche typischerweise im mittleren Bildungssektor tätig waren, sticht Schwarz jedoch
heraus. 134
Der argumentative Gehalt der Völkischen war meist recht dünn. Die akademische
Schützenhilfe für die völkische Weltanschauung bestand meist nur aus argumentativ nicht ausge-
wiesenen professoralen Werturteilen. Schwarz´ Erlösungsprophetie vermittelte nun die völki-
135

sche `Gestimmtheit´ mit den freischwebenden religionsphilosophischen Gehalten: sie wandte die
Form hegelscher Christologie auf die Inhalte von Lagarde und Langbehn an. Sie gehört somit zu
den wenigen philosophischen Ausformulierungen der völkischen Gedanken. Seine Version

lichs mit Mannheim, Adorno, Horkheimer, Brunner: es geht dort um Mission (Tillich 1983).
131 Bruno Bauer: Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel, den Atheisten und Antichristen (1841), in: Pepper-
le 1985. Hegels Wort ”Gott ist tot” ertönte erstmals 1802 in Glaube und Wissen (in: Hegel 1970, Band 2).
132 Karl Barth urteilte 1947, 343, der Protestantismus habe es versäumt, Hegel zu seinem Thomas von Aquin zu ma-
chen. Hegel ist auch als Philosoph des Protestantismus lesbar; aber eben nur ”auch” - darauf kommt es hier an.
133 Hiermit quälte sich Nietzsche, ohne sich letztlich wirklich von dieser Struktur lösen zu können. Humanistische
Bildung war damals über die Maßen altphilologisch geprägt, so daß die subjektive Notwendigkeit, diese angelernten,
aber entleerten Formen mit neuem Inhalt zu füllen, nachvollziehbar wird (Cancik 1995). Blumenberg 1996 hat die
Säkularisierung als bloß philologische Permanenz der Floskeln enthüllt, vgl auch Schöne 1968. Eine andere Form,
die Schwarz neu füllt, ist der C h o r a l. Man vergleiche etwa den Versmaß des Chorals "Gelobet seist du Jesus
Christ, daß du Mensch geworden bist" mit seiner Dichtung "Ich will getan sein nicht gesucht / vor Suchern bin ich
auf der Flucht / der Sucher der bin ich allein / und wen ich finde der ist mein" (man möchte hinzufügen: Kyrieleis;
Schwarz 1921, 203; vgl. 1943, 629). Das extremste aufgefundene Bespiel bedarf keines Kommentars: "Gottheit, all-
wesende, der wir entstammen / Geheiligt werde dein Name! / Zu uns komme dein Gottesleben / deine Sehnsucht er-
fülle sich bei uns! / Gib, daß wir Wertpersönlichkeiten werden / und nicht zu selbstischem Ich verkümmern. / Verwe-
sentliche uns und laß uns lieben alles Wesentliche. / Erlöse uns vom Ehrlosen. / Dann geht mit allen Seelen / Deine
Kraft und Herrlichkeit zur Ewigkeit" (Amen, CH - Schwarz 1937b, im Deckblatt - n ic h t mit im Wiederabdruck
1945).
134 "Pfarrer, Pädagogen, Schriftsteller und bildende Künstler, sowie Angehörige der damals erst entstehenden `alter-
nativen´ Heil- und Helferberufe" nennt Ulbricht, in: Faber 1997, 164.
135 Max Weber, selber nationalliberal, wandte sich gegen diese. Die Reaktionen hat Lepenies 1985 dokumentiert.
41

grenzt sich ab gegen platten Biologismus (”im Blutzusammenhang ist nur Material”, Schwarz 1928,
187) sowie bloß patriotische Vaterlandsliebe (”wir bleiben auf dem Boden der Ideenethik stehen”,
182). Die kleineren Schriften machen dies deutlich.

II.3 Völkische Mystik: kleinere Schriften (1920-1930)


In zahlreichen Reden und polemischen Schriften tat sich Schwarz in den 1920er Jahren als Agita-
tor hervor. Anhand der kleinen Schrift Ethik der Vaterlandsliebe (1922b) läßt sich beispielhaft
136

ablesen, welche materialen Inhalte in der Philosophie des Ungegebenen gemeint sind. Die Repu-
blik Deutschland versuchte damals eine Westbindung und begann den wirtschaftlichen Wieder-
aufbau durch eine stabile Friedenspolitik. Schwarz aber verkündet:
”Diesen Pazifisten verweigere ich schlechterdings das Recht, mit dem Gebot der Feindesliebe denen in
den Weg zu treten, die im Entscheidungskampfe von Staaten bereit sind, mit ihrem Leben dem eigenen
Staate wider die Tausende zu helfen, die ebenso bereitwillig für den gegnerischen Staat mit dem Leben
einstehen und ihn zu tausendfacher Drohung gegen uns machen. Ob Vaterlandssinn Tatliebe entbindet,
das machen wir nicht mit Pazifisten aus, die nur Gedankenliebe haben, sondern das machen wir mit uns
selber und dem Gebote Christi aus” (1922b, 20).

Er weiß seine Philosophie so gut agitatorisch anzuwenden, daß von einer Trennung von Philoso-
phie und Politik keine Rede sein kann. Die religionspsychologische Ablehnung bildhafter Got-
137

teserkenntnis wird stracks gegen die Kriegsgegner ausgespielt. Der Verweis auf das Gebot Jesu
ist leicht gemacht, denn dieses hatte bei Schwarz den spezifischen Sinn der unselbstischen Hin-
gabe - und die mündete ja gerade im Krieg. Jesu Kreuzestod ist als Paradigma der Individual-
ethik aufgehoben und in Richtung auf eine höherstufige Ethik überschritten: ”die soziale Sittlich-
keit, ... die auf das Ganze eines Volkstums sehende und gehende Gesinnung, ... steht höher als die al-
truistische” (22). ”Jesus dachte nicht in Völkern, sondern in Individuen” (31). Es ist, als ob der `mortal
god´ des Thomas Hobbes erst durch den ”sozialen Nationalismus” (21), durch ”Verbündung aller
Deutschen untereinander” (21) belebt würde: ”Während das letzte Wort der individualen Ethik das Op-
fer, die Selbstentäußerung ist, erschafft sich in der Geschichte ... etwas göttlich Neues” (24). Hiermit
setzt er sich von dem völkischen Protestantismus ab, der die absolute Autorität des Staates im
Namen Gottes behauptete. 138

Die Überwindung der Teilgöttlichkeit, bei der sich die ganze Göttlichkeit in einer Seele vollen-
det, zeigt nun in Schwarz ihren Geist: Er ist fähig, auch in den Soldaten des gegnerischen Landes
136 Schmitt 1932 hatte die Etymologie von Politik weg von der polis, hin zu dem polemos gelenkt.
137 Schwarz 1922b, 34 (letzte Seite) verweist auf sein gerade erschienenes Buch Das Ungegebene (Schwarz 1921).
138 Bruno Bauch schrieb in diesem Sinne bereits 1905 Luther und Kant. Von theologischer Seite erkannten, mit Be-
zug auf Luther, Althaus, Gogarten und Hirsch eine ”absolute Autorität des Staates” an (vgl. Germann 1995, 74).
42

das `Gottestum im Volkstum´ zu sehen. Nach seiner Philosophie ist er damit bereits erlöst und
139

macht sich an die Verkündigung der Frohbotschaft (1922b, 30). Das Ergebnis ist Kriegshetze,
und zwar mitten im Frieden. Die 1921 erarbeitete hermetische Abriegelung gegen Kontrafakti-
140

sches wird auf das Gebot der Feindesliebe angewandt: ”Wer anders ist denn unser Feind, als der
Nächste? ... Der ferne Feind im anderen Volke tut mir nichts. (...) Das Wort `Liebet eure Feinde´ und das
Wort `Liebet eure Nächsten´ ist hiernach identisch” (21). Der ”Tatliebe ” entbindende Staat ist das
Absolute, das keinen anderen Gott neben sich duldet. Hier wird nicht mehr durch die Blume der
Abstraktion geredet. Germanenfrömmmiger Duktus 141
und Antisemitismus 142
treten hervor. Die
größte Kultushandlung im völkischen Religionsersatz (Bry) besteht im `Vorlaufen in den Tod´:
”Die freiwillige Weihe des Lebens an größeres als das eigene Leben” ist nur möglich ”in der reinen
Flamme der Vaterlandsliebe. Diese ist unter uns geschickt, damit in Vielen die Göttlichkeit schlechthin-
niger Hingabe, bis zum höchsten Opferbeweise, aufbrechen könne” (1922b, 25 f.).

In dieser kleinen Schrift treten wichtige Merkmale völkischer Religiosität auf: Vorordnung der
Ganzheit des Volkes vor jede individualethische Überlegung und daraus folgende Opfergesin-
nung; Militarismus und Antisemitismus; Ersetzung traditioneller Religion durch diese Inhalte
und eine deutschtümelende Stilistik. Das `Philosophische´ daran ist die Kritik zu simpler völki-
scher Gedanken sowie deren interne Neuformulierung. Aber ist völkische Religiosität überhaupt
philosophisch zu deuten? Deren Debakel bestand seit je darin, daß es die nationale Einheit, auf
die man sich berief, nicht gab (Schwarz 1940, 484), und auf dem demokratischen Wege auch
nicht geben sollte. Schwarz reagierte darauf mit einer Positivierung der Negativität, vergleichbar
der Erfindung der Zahl `Null´. Das `Volk´ hat dieselbe Funktion wie der `Grund´: es ist einigen-
143

de Einheit, die nicht existiert, aber dennoch wesend `ist´. Beide werden realistisch als `ungege-
ben´ konzipiert, als werdende Größen, die das, was verworren und zersplittert ist, ordnen und
läutern sollen. Dieser Real-Idealismus ist durch Verweis auf die Nichtvorhandenheit `des´ Vol-
kes nicht zu zügeln, denn es gilt ja gerade, diese ”Einheitsgeistigkeit” (1928a, 181) durch ”Willens-

139 Gehlen verwies 1935 darauf, daß Fichte, der die Wahrheit der Religion erkannt zu haben meinte, sich zugleich
als Parakleten sah (Deutschtum und Christentum bei Fichte, in: Gehlen 1980; 269, 290). Ähnliches gilt auch für
Schwarz. Er zählt ”sich selbst zu diesen einheimischen Führern” (30): ”so treibt es mich, ihnen zu zeigen, wie sie
bei sich selbst genesen können” (a.a.O.). "Ich" ist zwar nur ein Beispiel, hat jedoch eindeutig auch diesen Sinn.
140 Die einzigen militärischen Aktionen bestanden zu dieser Zeit im gewaltsamen Niederschlagen des Generalstreiks
1920; der Ruhrwiderstand sollte erst kommen.
141 Schwarz 1922b, 19: ”Keine deutsche, noch so baldurhafte Idee, die nicht mit einem Lokiworte auf `ismus´ vom
deutschen Hödur totgeschlagen wird”. Diese Loki/Hödur-Metaphorik begegnet fortan immer wieder.
142 Der "marxistische Volksgenosse” geht ”am semitischen Gängelbande” (1922b, 21). Das ”Berechtigte am Anti-
semitismus” sei die ”Gefahr, daß das Denken und Fühlen unserer Volksgenossen an jüdischem Wesen erkranke”,
die ”an der Leine jüdischen Handels- und Geschäftsgeistes laufen und ihm zur Weltherrschaft helfen” (31).
143 Siehe Kant: Versuch über negative Größen (Kant 1968 II, 779 ff.); Freud: Die Verneinung (Freud 1992, 319ff.).
43

verkettung” (180) auf dem Boden der unüberspringaren ”Irdischkeit” (195) allererst zu schaffen.
Auf diese Weise kann die Metaphysik die Politik begründen und heiligen: es ist strukturell der-
selbe Gedanke. Die Bedeutung dieser Operation ist erst an dem Kontext der `völkischen Bewe-
144

gung´ ersichtlich.
Die v ö l k i s c h e B e w e g u n g stand nach dem Ersten Weltkriegs in vollster Blüte. Sie war
seit der Romantik als politisch-theoretische Strömung greifbar, die im Namen eines metaphysi-
schen `Volkes´ eine tatsächliche Souveränität des Volkes gerade ablehnte. Die Ablehnung resul-
tierte aus deutschen Reaktionen auf die französische Revolution von 1789: Eine deutsche Revo-
145

lution wurde nicht in Erwägung gezogen, weil es ein `Deutschland´ nicht gab - Bürgerschaften
wie Mainz gliederten sich der französischen Republik einfach an. Der jacobinische Terror
schreckte dann selbst die anfänglichen Sympathisanten ab. Als Napoleon die Rheinbundstaaten
auf seine Seite gebracht und Preußen besiegt hatte, schien den Widerständischen um Freiherrn
von Stein nur ein patriotisches Volksheer gegen Napoleon ankommen zu können. Die Erweckung
eines solchen Patriotismus auf dem französischen Wege aber war nicht möglich, da Napoleon
damit letztlich gestützt würde. Patriotismus sollte sich auf das Volk als auf eine naturhafte Gege-
benheit beziehen, welche daher nicht praktisch-politisch, sondern metaphysisch konzipiert war. 146

Die Ideologen der Freiheitskriege entwarfen innerhalb nur eines Jahrzehnts einen metaphysi-
schen Nationalismus. Fichte war zuvor Jacobiner, und auch der Schwede E.M.Arndt bekannte
noch 1805: ”Es ist schön, sein Vaterland lieben und alles für dasselbe tun, aber schöner doch,
unendlich schöner, ein Mensch sein und alles Menschliche höher achten, als das Vaterländi-
sche.” Zehn Jahre später war die Politische Romantik von verschiedenen Autoren ausformuliert
147

und in den Freiheitskriegen bereits wirksam geworden. Diese aus dem Boden gestampfte ”Kon-
trast-Ideologie” (Seidel) war jedoch lediglich zu Verteidigungszwecken dienlich, wie von einer
rein negativen Ideologie nicht anders zu erwarten. Im Wiener Kongreß erstarrte die politische
148

Landschaft wieder in restaurativer Verharrung. Die Volkstumsideologie (Emmerich), die in er-


staunlicher Einmütigkeit formuliert, da auf vorliegende militärische Zielsetzungen abgestimmt

144 Mit Wittgenstein ließe sich karikierend fragen: wie kommt es, daß der Fleck so gut in seine Umrandung paßt?
Daher, daß sie durch ihn allererst eine ist - die Frage ist tautologisch (Wittgenstein 1984, 350).
145 Für das Folgende Hoffmann 1994, 75 ff., Träger 1979, Zimmermann 1989, Batscha 1989 und Kriele 1994.
146 Noch Thomas Mann affirmiert das (Mann 1919, 241 und 253, ähnlich Heidegger 1953, 38).
147 Ernst Moritz Arndt: Fragmente über Menschenbildung (zitiert aus Vondung 1988, 154). Zu Arndt siehe auch
Schwarz 1927 sowie seine Vorrede zur Umbenennung der Greifswalder Universität 1933.
148 Seidel 1924, 133. Wie Schmitt 1932 ein Freund/Feind-Denken, predigte Arndt ”Volkshaß” (darüber Niedersträs-
ser 1989).
44

worden war, blieb bis 1871 eine immer wieder auftauchende Randströmung. Der greise Arndt
war noch 1848 mit von der Partie - erfolglos. 149

Die metaphysische Größe `Volk´ war eine nicht fest definierte Universalität, hinter der sich eine
(preußische) Partikularität verbergen konnte. Einmal ins Leben gerufen, konnten später auch
150

andere Gruppen ihre Interessen im Namen des Volkes vorbringen. So taten es die Rechtsopposi-
tionellen nach 1871, indem sie eine `neue Religion´ zu stiften gedachten, die um ein metaphy-
sisch-völkisches Erleben zentriert war. Sie strebten zwar eine mehr als bloß militärisch und wirt-
schaftlich zusammengehaltene nationale Einheit an, lehnten aber die Demokratie ab. Die phan-
tasmagorische völkische Religion diente jetzt als Kulturkritik (Schnurbein). 1914 stützten sich
Gruppen darauf, die sich bislang unterrepräsentiert fühlten: die Katholiken, die Juden und die
Bildungsbürger. Sie meinten ihr verlorengegangenes Prestige dadurch wiederzuerlangen, daß sie
dem nationalen Taumel voraneilten. Nach 1918 schließlich bezog man sich darauf, um gegen die
Demokratie im In- und Ausland literarisch zu Felde zu ziehen. Die Versionen völkischer Opposi-
tion waren verschieden ausgestaltet, je nach Interessengruppe: kleinbürgerliche Amateur-Litera-
ten vertraten in ihren bäuerlichen Schollen-glorifizierungen eine andere Gewichtung als die ul-
traimperialistischen Alldeutschen, und diese wieder eine andere als die Akademiker, die sich eine
vorzeitliche germanische Hochkultur und eine `deutsche Wiedergeburt´ aus dem Geiste erträum-
ten. Dennoch teilte man Grundlinien. Klassisch hatte Paul de Lagarde die allem vorgängige
`Volkheit´ definiert: ”Das Volk spricht gar nicht, wenn die einzelnen Individuen sprechen, aus
denen das Volk besteht. Das Volk spricht nur dann, wenn die Volkheit ... in den Individuen zu
Worte kommt.” 151
Dieses polemische Konstrukt wollte Schwarz philosophisch ausweisen.
Diese Phantasie-Entität `Volkheit´ läßt sich als Schwundstufe vorheriger Legitimationsmuster in-
terpretieren. Nachdem es mit den Religionskriegen im 16. und 17. Jahrhundert unmöglich ge-
152

worden war, ein Gottesgnadentum zu behaupten, kam als legitimierende Instanz zunehmend die
Natur zum Einsatz. Aus `der´ Natur ließen sich jedoch nur abstrakte Prinzipien ableiten. Ein na-
turrechtlicher Universalismus konnte kaum partikulare Herrschaft legitimieren - die klassische
Naturrechtslehre hatte absolutistische Allmacht ja gerade begrenzen wollen. Mit der Natur des
149 Emmerich 1971. Ungewunden schildert Schwarz 1927 die Rolle E.M. Arndts bei der Revolution von 1848.
150 Laclau 1993 nennt dies einen ”empty signifier”. Die Kategorie `universal´ war den Völkischen durchaus nicht
fremd (Spann 1939, Dietrich 1935, Bülow in der Vorrede zu Adam Müller 1931, vgl. Marcuse 1965, 20 und 33).
151 Lagarde: Über die gegenwärtige Lage des deutschen Reiches (aus: Hoffmann 1994, 167; vgl. Schwarz 1943, 345
und 633). "Volkheit" ist als vergessenes Sinnfundament konzipiert. Sie hat die gleiche theoriestrategische Funktion
wie in anderen philosophischen Richtungen die "Lebenswelt": überall ungreifbar, trotzdem alles `fundierend´. Selbst
Helmut Plessner verkündete 1931: "Volkheit ist ein Wesenszug des Menschen" (Safranksi 1994, 236).
152 Etwa: Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen, in: Schmitt 1932; Plessner 1992, 144 ff.
45

Menschen hat es zudem seine Bewandtnis: Der Mensch ist nicht auf eine bestimmte Seinsweise
`festgestellt´. Letzlich bestimmt ihn seine "zweite Natur", das historisch wandelbare Ensemble
der gesellschaftlichen Verhältnisse. Allein sie ist dem Menschen zugänglich. In Krisenzeiten 153

drängte dieser Gedanke zur Wirklichkeit, Revolutionen schienen erforderlich. Wer Revolutio- 154

nen prinzipiell ablehnte, konnte also beim `Naturdenken´ nicht stehenbleiben. Es war nur da-
155

durch noch zu unterbieten, daß dem rationalen Materialismus noch ein Stockwerk untergescho-
ben wurde. Noch mehr Natur als in der `zweiten´, der organisierten Bedarfsdeckung des verge-
156

sellschafteten animal rationale, kann es nur im Vorrationalen, im Unvordenklichen geben. Ob-


gleich der französische Aristokrat Artur de Gobineau 1853 die `Rasse´ eigentlich gegen eine na-
tionale Einheit ins Leben gerufen hatte, erfüllte sie bald diese Funktion: transzendentale Synthe-
sis des im politischen Diskurs immer schon in Anspruch genommenen Begriffes `Volk´, an des-
sen realer Einheit es aber gerade mangelte. Sie markiert nur den Endpunkt einer Kette, den vor-
her `Sprache´, `Geschichte´, `Kultur´, `Staat´ und eben `Volkheit´ innehatten. Bevor sich die Le-
bensphilosophie akademisch durchsetzte, gab es bereits die kulturell antimodernistische ”völki-
sche Opposition”, deren Impulse selbst noch die Jugendbewegung aufnahm. Sie behauptete
157

eine deutsche Einheit, um sie zugleich gegen aufklärerische Rationalität zu immunisieren - und
sie war extrem rassistisch. Wer fortan `Natur´ politisch in Anspruch nahm, ideologisierte bewußt
und mußte sie allererst geistig aufbereiten. 158

Der Ekel an den sozialen Folgeerscheinungen der gesellschaftlichen Modernisierung, die in


Deutschland nach 1871 rapide und ohne ideelle Vorbereitung vor sich ging, motivierte im beson-
ders betroffenen Mittelstand eine abstrakte Frontstellung. Die negativen Aspekte der Modernisie-
rung wurden `der´ Aufklärung, `dem´ Liberalismus und `den´ Juden zur Last gelegt. Zugleich 159

wurde auch die einzig vernünftig mögliche Opposition abgelehnt, nämlich die, die gegebenen

153 "Das menschliche Wesen der Natur ist erst da für den gesellschaftlichen Menschen" (Marx 1974, 186). Von ei-
ner "zweiten Natur" spricht bereits Hegel 1970, Bd. 7, § 151. Zur "Nichtfestgestelltheit" vgl. Gehlen 1993.
154 Nach Habermas 1971: Naturrecht und Revolution. Marxistische Geschichtsphilosophie berief sich ohne weiteres
auf die `Naturgeschichte´. Mannheim 1984 sieht eine Kontinuität auch zwischen Historismus und Marxismus.
155 Instruktiv sind die Analysen bei Grimm 1991, 116 ff. und Böckenförde 1991, 170 ff.
156 Simmel 1957, 98. Kants Vernunftrecht war für Völkische unbrauchbar, da `atomistisch´ und internationalistisch.
157 So Hermand 1988, 47; Puschner 1996 nennt es ”völkische Bewegung”, Mosse 1991 ”völkische Revolution”.
158 Hartmann 1993 weist darin ein Paradox auf: die sich gegen den reinen Geist, für eine naturale Fundierung aller
Werte Aussprechenden sind gleichwohl gezwungen, die vorgefundene Natur zu negieren und aus dem (eben noch
abgelehnten) Geiste umzuschaffen, da sie ihren Zwecke gerade nicht genügt. Auch Schwarz lehnt den Parlamentaris-
mus deswegen ab, weil er nur ”eine Naturform volklicher Selbstbestimmung” (1928a, 194) sei. Der Term `Sozialdar-
winismus´ ist ein Oxymoron, denn ein `survival of the fittest´ in der Ökonomie kannte schon Adam Smith. Zur politi-
schen Kategorie `Natur´ siehe auch Nolte 1963, 183 ff.; Faber 1975, 208 ff. sowie Weingart 1988.
159 Heinrich von Treitschke (”Die Juden sind unser Unglück!”) provozierte 1879 den Berliner Antisemitismusstreit.
46

Fakten überhaupt erst einmal zur Kenntnis zu nehmen und insofern mit diesen Erscheinungen auf
gleichem Boden zu stehen. Für oppositionelle Betätigung verblieben andere Felder: Kunst, die
160

einen zunehmend metapolitischen Anspruch zu haben anhob; Religion, die sich dazu allerdings
des kirchlichen Korsettes entledigen mußte; und `verstehende´ Geisteswissenschaft, die sich von
vernünftigen Kriterien zunehmend lossagte. Die völkisch-politische Weltanschauung war eine
Vermengung von Wissenschaft, Kunst und Religion. Um die Moderne als `geschichtliches Un-
161

recht´ zu widerlegen und Mittel zu beschaffen, eine Verwindung überhaupt vornehmen zu kön-
nen, mußte hinter sie zurückgegangen werden: allein die Kunst garantiert den Zugriff zu der Sub-
stanz, mit der die politische Biologie dann hantieren konnte. In einer Ӏsthetisierung der Poli-
162

tik” erträumte sich das deutsche "Kollektiv" so seine Geschichte. Schon seit ihren Anfängen bei
163

Herder war die Völkerpsychologie ästhetisch motiviert: Erstrebt wurde eine künstlerisch antizi-
pierte oder rückprojezierte Totalität; Anschauungsmaterial lieferten altsprachliche Berichte, im-
portierte Sagen oder Reisebriefen von Dichtern. Gleichursprünglich war der ästhetischen Syn-
164

thesis die durch sie verdeckte militärische - Kunst kann nichts Außerkünstlerisches schaffen,
sondern nur Geschaffenes oder zu Schaffendes darstellen. Die Verklärung von Blut und Scholle
ging bruchlos mit alldeutschem Militarismus einher. 165

Die durch Bismarck oktroyierte Einheit wurde zunehmend durch die Klassenspaltung gefährdet,
die kulturell-militärische Synthesis des Deutschtums reichte also nicht mehr aus. Um die mit
dem Erstarken der Arbeiterbewegung drohende gesellschaftliche Umverteilung zu verhindern,
wurde die bereits bestehende Einheit `Volk´ als natürliche dagegen gesetzt, in deren Namen die-
sem `Fortschritt´ Einhalt geboten werden sollte. Diese Geschichtsflucht drängt aus mehreren
Gründen vom Profanen ins Heilige: Der Prototyp einer solch fingierten Gegeneinheit ist das pau-
linische Denken des bereits-Angebrochen-Seins des Reiches Gottes, um revolutionär-apokalypti-

160 Nicht nur der Liberalismus, auch andere politische Richtungen versuchten, ihre Positionen ”wissenschaftlich” zu
beweisen. Dabei waren die Ökonomen in der Tat erfolgreich - Marx ebenso wie vor ihm Smith und Ricardo.
161 Das Motto kam von Langbehn 1890, 59: ”Die Wissenschaft wird zur Kunst und die Kunst wird zur Religion”.
162 Germanistik, Altphilologie (Schlegel, Nietzsche, Lagarde, Willamowitz-Neuendorf), vorsokratische Philosophie,
Archäologie, Anthropologie, Psychologie und zuletzt die Biologie - alle flüchteten aus der Geschichte.
163 Benjamin 1980 III, 238 ff.: Theorien des deutschen Faschismus; und V (Passagenwerk), 1012.
164 Tacitus und Caesar, Edda, altisländische Sagen und der Heliand waren die altsprachlichen Quellen; protovölki-
sche Reisebriefe und ästhetisch motivierte Literatur stammte von J.G. Herder, Georg Foster und Justinus Möser.
Eine Zusammenstellung fand sich damals in der Germanenbibel. Siehe Henning 2000.
165 Das Nebeneinander von moderner Technik und rückwärtiger Ideologie ist keine Erfindung des NS. Schon die
kulturell antimoderne völkische Opposition propagierte zugleich den (modernen) totalen Staat: er wäre die ”Essenz
des Volkes” (Freyer 1931). Zur Konservativen Revolution: Mohler 1989, Breuer 1993 und 1995; Faber 1975 und
1981. Völkische Gedanken in philosophischem Gewand sind noch heute zu finden, etwa im politischen Fichteanis-
mus bei Henrich 1990 und Ebeling 1993, die ein allem vorgängiges `Volk´ annehmen; vgl. auch Willms 1983.
47

sches Sektierertum zu unterbinden. Galt die Stillstellung der Geschichte eigentlich der Bestrei-
166

tung der Legitimität der in der Geschichte neu auftretenden Züge der Moderne, so gab es eine un-
übersehbare Konvergenz mit dem apokalyptischen Mythologem vom Ende der Geschichte
schlechthin. Der Marxschen Beschleunigung der zu Ende gehenden "Vorgeschichte" 167
frontal
entgegen stellten sich die selbsternannten "Katechonten", die dieses Weltende aufhalten woll-
ten. Die christliche Dogmatik wurde damit aufgesprengt: gerade die aus der radikalen Religions-
168

kritik hervorgegangenen Emanzipationsbewegungen wurden des Chiliasmus bezichtigt, während


die Gegengruppen, die sich selbst auf christliche Lehren beriefen, sich dieser heilsgeschichtlich
gedeuteten Bewegung gerade in den Weg stellten - nemo contra deum nisi deus ipse. Diese Ge- 169

genaufklärung hat einen Zug ins prähistorische und atavistische. Im imaginierten `dort´, vor jeder
speziell neuzeitlichen Ausdifferenzierung verschiedener Geltungssphären, war `alles eins´, Herr-
schaft somit per se `heilig´. Unter Zurückweisung monarchischer und parlamentarischer Legiti-
170

mationsmuster entstand ein neopaganes magisches: `echte´ Volksherrschaft ist nur da, wo das
Volk ganz in seiner Herrschaft präsent ist. Der ”Führer” muß nicht nur ”artgleich” sein (Schmitt
1934, 32), sondern das Volk als ganzes in sich repräsentieren: nur in ihm kann es sich selbst wol-
len und ergreifen. Religio als `Rückbindung´ wird substanzontologisch, Repräsentation als tran-
substantiierte Realpräsenz gedacht - so, wie im magischen Symbol das Bezeichnete im Bezeich-
nenden anwest. Um alle gesellschaftlichen Gruppen von diesem Führer repräsentiert sein zu las-
sen, muß das in ihm Repräsentierte eine unüberwindliche, dem Willen des Einzelnen entzogen
Integrationsleistung erbringen. Dies tat es schließlich, nachdem die vormalig ausersehenen In-
stanzen Geschichte, Sprache und Kultur sich als unverläßlich erwiesen hatten (aus Sicht der Völ-
kischen also 1918), über das `Blut´. Die religiöse Überhöhung des Blutes sowie der Führergedan-
ke waren der Katechismus der Völkischen. Bei vielen trat später eine unerschütterliche Loyali-
171

tät zum NS zutage, da sie ihn zuvor selbst verkündigt hatten.

166 Taubes 1993. Dennoch war Paulus für völkische Kreise stets ein rotes Tuch (vgl. Chamberlain 1905, 580/689 f.).
167 Mit der bürgerlich-kapitalistischen "Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen
Gattung ab" (Marx 1951, Vorwort; ähnlich 1953, 25). "Der Kommunismus ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte
und weiß sich als diese Lösung" (Marx 1974, 184). Vgl. zur `Naturgeschichte´ A. Schmidt 1960, 114.
168 Schmitt 1938, Grosskeutschi 1996. Die Gleichsetzung marxistischer Bestrebungen mit der spätjüdischen Prophe-
tie, die von beiden Seiten vorgebracht wurde, taucht noch in dem Ideologem des `Jüdischen Bolschewismus´ auf .
Nolte 1963, 404 f. berichtet, Hitler habe dabei verwiesen auf die Bibelstellen Jesaja 19, 2 und 3 und Exodus 12, 38.
169 Diesen Ausspruch Goethes und seine Verwendung bei Schmitt und Blumenberg analysiert Faber 1997. Walter
Benjamin (1980 I.1, 257 ff.) hat diese `Kehre´ mit und gegen Carl Schmitt pointiert hervorgehoben.
170 Auf diesen Aspekt hat besonders Emile Durkheim aufmerksam gemacht, siehe Habermas 1981 Bd. 2, 75 ff.
171 Schwarz 1922c, 4: ”Es ist dann, als ob durch den Willen des Führers das Gesetz, die Ordnung und Würde des
Ganzen selbst befähle”; Schwarz 1940, 495: "Adolf Hitler hat die übergeordnete Einheit im Blute gefunden".
48

Das große Problem dieser `völkischen ”Bewegung´ war nun aber, daß man sich nur über das
Feinbild einig war, nicht aber die eigenen positiven Gehalte. Vor allem die (unverzichtbare) reli-
giöse Spekulation schwankte zwischen lutherischem Deutschchristentum, germanistischer Ed-
dafrömmigkeit, rassistischer Theo-/Anthropo-/Ariosophie und materialistischem Monismus. Die
Exkurse über Theismus und Pantheismus, die in verschiedensten Werken von Schwarz auftau-
chen (etwa Schwarz 1904/12, 1913, 1921, 1922a, 1928) sind innerhalb des völkischen Paradig-
mas zu lesen. Daher sind sie nicht primär auf die eigentlichen, historischen Theisten, Deisten,
Atheisten, Materialisten und Pantheisten zu beziehen, sondern auf deren jeweilige Rezeption im
völkischen Lager. Die Kenntnis der historischen Gestalten war in diesen Kreisen weniger über
ein Primärstudium als vielmehr über zusammengestückelte pamphletische Sammelbändchen,
seichte Sekundärliteratur und Romane vermittelt. Solche existierten etwa über Eckhart, Luther,
Bruno, Spinoza, Böhme und Paracelsus. Schwarz tat sich, seit er in dezidiert völkischen Bah-
172

nen dachte, als Exeget der völkischen Propheten Fichte, Arndt und Meister Eckhart hervor
(Schwarz 1913, 1917, 1925, 1927, 1935). Durch sein vertieftes Studium der Religionsphiloso-
phie waren ihm die historischen Tiefen religiöser Spekulation bekannt. Dies drängte ihn dazu,
immer wieder seine Lehre von der in uns werdenden Gottheit zu verkünden. Das Christentum
versuchte er so weit wie möglich in die völkische Religiösität zu transformieren, und wo das
nicht mehr möglich war, kritisierte er scharf. Seine Philosophie des Ungegebenen (Schwarz
1921) und ihre agitatorische Anwendung (etwa in Schwarz 1922d) war also eine durchweg philo-
sophisch-politische Unternehmung. Integrierendes Moment war dabei die `deutsche´ Mysik.

Angesichts der Grausamkeiten des Krieges stellte Karl Barth die Frage, wie in der Predigt von
Gott überhaupt die Rede sein könne. Dies war eine Grundlagenreflexion der auslegend verkün-
173

digenden Rede von Gott. `Auslegende Verkündigungen´ sind auch die von Meister Eckhart über-
kommenen Predigten, auf die sich Hermann Schwarz in weiten Teilen stützte. Da Schwarz aber
174

keine Diskursunterscheidung kennt, wird der spezifische Charakter der philosophischen Mystik
verwischt. Diese setzt eine zeitenthobene, offenbarte und geglaubte Wahrheit voraus, während
172 Hoffmann 1994 nennt Richard Benz: Die Deutsche Romantik, Leipzig 1937, und Paul Kluckhon: Die Idee des
Volkes im Schrifttum der deutschen Bewegung von Möser und Herder bis Grimm, Berlin 1934 (siehe auch Cysarz
1942). Adolf Barthels, ein Vater der Deutschen Glaubensbewegung, verfaßte ein Drama über Luher; Romane über
Spinoza, Böhme und Paracelsus schrieb Erwin Kolbenheyer. Ein Roman Eckhart stammt von Victor von Scheffel.
`Eckhart´ war ein Synonym: Die evangelisch-bündische Jugend nannte ihr Periodikum Ekkart. Hindenburg wurde
postum als ”getreuer deutscher Ekkehart” gefeiert. Die Festschrift von 1934 kürt auch Schwarz zum ”Eckhart”.
173 Barth 1921: Der Römerbrief; ein Grundwerk der neueren Theologie, das die bisherigen Prämissen umdachte.
174 Die Traktate wenden sich an nichtakademische Personen; Quint (Hg.) 1936ff, Band I und V.
49

die sich darauf beziehende Auslegung einen wandelbaren Charakter hat. Verstehende Ausle-175

gung appliziert das Offenbarte auf die jeweilige Gegenwart. Die Auslegung ist von dem Wandel
der Zeiten betroffen, nicht aber die darüberstehende Offenbarung. Diese spricht in eine jede Zeit
immer wieder neu wie von außen her. Meister Eckharts rationale Mystik als modus der Ausle-
gung ist nicht von der Offenbarung zu trennen, auf die sie sich bezieht. Auslegung kann das
176

Ausgelegte niemals ersetzen, da sie auf verschiedenen Ebenen liegen. In der Folge Hegels liest
Schwarz diese Texte nun so, als seien sie philosophische Abhandlungen. Seine verklärte mysti-
sche Philosophie ist das derivative Ergebnis dieser simplen Lesart.
177

Schwarz hat seine Philosophie des Ungegebenen als philosophische Ausformulierung mysti-
schen Erlebens bezeichnet ("das mystische Grunderlebnis", in: 1945, 334; vgl. 20). An Texten
jener Jahre, in denen er seine philosophische Mystik gegen konkurrierende Entwürfe verteidigt,
tritt das klar hervor (Schwarz 1920, 1924). Johannes Müller, Arthur Bonus und Rudolf Steiner
unterliegen ähnlichen Vorwürfen wie später Jakob Wilhelm Hauer und Mathilde Ludendorff: sie
formulieren ihre neureligiösen mystischen Entwürfe in inkonsistenter Weise. Steiner nimmt mys-
tische Ekstase schon für Erkenntnis; Schwarz sieht in ihr erst das Erlebnis, welches allererst be-
grifflich zu durchdringen ist. Bonus und Müller täten dies noch innerhalb des statischen Gott-
glaubens, welcher nach Schwarz eben nicht konsistent formulierbar ist. Einzig die Religionsphi-
losophie Rudolf Euckens wird als akzeptable Formulierung stehengelassen. Schwarz, der sich als
unverstandener Apostel sah, hat über die äußere Religionsgeschichte keine Studien angestellt.
Für ihn mußte ein richtiger Gedanke allein durch sich selbst zur Kirche werden, ohne Vermitt-
lung durch soziale Prozesse. Authentische Mystik ist jedoch nur als Sonderpraxis innerhalb eines
bestehenden Ganzen denkbar, abgetrennt davon macht sie wenig Sinn. Historisch war die Mys-
178

tik zwar oft ein Korrektiv gegen zu starre Dogmatik oder zu einseitiges Verständnis der Lehre.
Solche Kritik bezog sich auf die wandelbare Auslegung jedoch gerade im Namen des Offenbar-
ten. Daß die Kirche gegen mystischen Strömungen oft skeptisch war, ist als sozialer Prozeß ver-
ständlich: es war - mit Mannheim 1928 - eine "Konkurrenz auf dem Gebiete des Geistlichen".

175 In einem anderen Kontext hat Walter Benjamin dieses Verhältnis mit den hebräischen Ausdrücken `Haggada´
und `Halacha´ benannt (Benjamin 1980 II.2, 678 f; vgl. zur Mystik insgesamt: Haas 1996).
176 Heinrich Ebeling 1941 (”Das thomistisch-franziskanische Kontroversproblem über die Gnadenmitteilung als An-
gelpunkt”, 146) und Manstetten 1993 werten sie sogar als philosophische Lösung theologischer Widersprüche. Ruh
1985 unterscheidet bei Meister Eckhart den Theologen, den Mystiker und den Prediger.
177 Schwarz flicht mystische Exkurse ein, die von Naturerlebnissen (Bergwanderung, Betrachten einer Harzland-
schaft, nächtliches Radfahren) auf das Schicksal Deutschlands kommen (Schwarz 1940, 709; 1945, 15 und 640).
Scharfe 1980 nennt solche `Verklärungen´ als ein Grundmerkmal des Pietismus.
178 Bereits Lasson 1868, 28 (gewiß kein Apologet) sah, daß Mystik keine Kirche gründen kann (vgl. Brunner 1924).
50

Vor allem Mystik ohne den sozialen Rahmen der Kirche und den textualen der Offenbarung wur-
de abgelehnt. Eine Vergottung des Staates hatte es auch in völkischen Kreisen des Protestantis-
mus selbst gegeben, die sich auf die Zwei-Reiche-Lehre Luthers zurückführten. Seltsamerweise
begegneten die Kirchen den Völkischen zumeist entgegenkommend. Selbst wenn sie die neuen
Religionen bekämpften, nahm sie sie soweit ernst, daß die Völkischen davon nur profitierten. 179

Klarer als Emanuel Hirsch, Friedrich Gogarten oder Paul Althaus sah Schwarz, daß im Falle ei-
ner Entscheidung zwischen Gott und Staat vom Protestantismus keine klare Linie zu erwarten
war. Die völkische Weltanschauung ist allerdings auch bei Schwarz inkonsistent, nicht aus einem
Guß. Falsch wäre es jedoch, seine vorpolitische Philosophie unvermittelt neben seine völkische
Parteinahme zu stellen. Ihre innere Zusammengehörigkeit liegt in den gemeinsamen Wurzeln in
einer früheren Phase seines Denkens, dem kritischen Realismus. 1931 geht er darauf selbst ein.

II.4 Systematische Selbstdarstellung (1931)


In dem von ihm verlegten Sammelband Deutsche Systematische Philosophie nach ihren Gestal-
ten legt er eine äußerst gedrängte Zusammenfassung seiner Gedanken vor. Sammelbände, in de-
nen deutsche Philosophen über sich selbst zu Wort kommen, gab und gibt es seit je. Hier ist das
Prädikat `deutsch´ allerdings keine bloße Herkunftsbezeichnung. Mit von der Partie sind Johan-
nes Volkelt, seit 1884 in Basel, 1930 verstorben; Hans Driesch, philosophischer Ziehvater von
Arnold Gehlen; Bruno Bauch, Gründer der antisemitischen Deutschen Philosophischen Gesell-
schaft; Nicolai Hartmann, der bereits 1924 mit H.S. Chamberlain kooperierte; und, als einzig
180

jüdischstämmiger, Richard Hönigswald (mit nur 30 Seiten). In weiteren Bänden waren unter an-
derem Hans Cornelius, der Lehrer Max Horkheimers, sowie Ludwig Klages vertreten.
In den 1920ern wurden Meister Eckhart, Jacob Böhme und J.G. Fichte breit rezipiert. Wohl aus 181

diesem Grund hält sich die Terminologie enger an Jacob Böhme als zuvor (1931, 70). Auch die
völkisch-ständestaatlichen Vorstellungen sind konkreter geworden. In bewährter Ordnung be-
ginnt die Darstellung mit der Schöpfung (”Anfang aller Anfänge”, 70), legt in der Analyse der ge-
genwärtigen Welt (”Was ist Welt?”, 76) die drei ”metaphysischen Spannungen” (83 ff.) sowie die

179 Siehe dazu Künneth 1933, 1935; Schuster 1933; Faulhaber 1933; den Artikel Unsere Auseinandersetzung mit
der nordischen Bewegung in Paul Le Seurs Zeitschrift Hochweg vom März 1934; sowie insgesamt Scholder 1977.
180 Leaman 1993, 46. Über ihn auch Haug 1989. Leaman berichtet auch über die restlichen bis auf Volkelt.
181 Inzwischen war zu Fichte erschienen: Hirsch 1920, Heimsoeth 1923, Wundt 1926 und 1929; zu Böhme: Leese
1928, zu Eckhardt die 1923 neuaufgefundene Rechtfertigungsschrift, daneben unzählige neu übersetzte und kom-
mentierte Werkausgaben, etwa durch Martin Buber/Gustav Landauer, Berlin 1922; Wilhelm Willige, Greifswald (!)
1922; Otto Karrer, München 1926. Eine Auseinandersetzung über "das Nichts" war zwischen Heidegger und Rudolf
Carnap vonstatten gegangen (Rentsch 1985, 140 ff., zur Rezeption Eckharts bei Robert Musil: Rentsch 1999).
51

Rolle des menschlichen Willens frei (”Die Fülle der Göttlichkeit kann nur im Einzelnen hervorbre-
chen”, 110) und endet mit der Erlösungsprophetie der ”von volklicher Bruderliebe gesättigten Vater-
landsliebe” (122). Nur das `Nichts´ ist gefährlicher geworden, es ist nun von fast autonomer Akti-
vität: Für Schwarz 1931 ist ”Gott vom Nichts, das Nichts von Gott durchdrungen (...) der Gottheit sitzt
das Nichts im Geblüthe, es ist die erwähnte Negativität (Ungrund) in ihr” (70 f.). Gnostisch-dualisti-
sche Züge werden erreicht, wenn es heißt: ”Es ist, wie wenn eine Negativität in der Gottheit zum
Nichtsein strebt, während sie selbst zu göttlichem Leben strebt” (84). Die Welt, 1921 `bloß´ wertlos,
1928 immerhin Teil der `Schöpfung,´ hat 1931 widergöttliche Qualitäten gewonnen:
”Zum anderen Teile stammen sie (die Spannungen, CH) aus dem ebenso rastlosen Streben, mit dem der
Weltgrund in der Gottheit, in dem sich ihre dem Nichts zugewandte Seite verselbständigt, s e i n e Erfül-
lung, das ist die Allheit endlicher Existenzen sucht” (84).

Zwar ist in diesem Weltdrama die Erlösung dem freien Willen des Menschen anempfohlen. Aber
die Schuld für den Fall der Schöpfung trägt er nicht. Damit liegt erneute eine halbierte Rezeption
vor, diesmal nicht der Religionskritik, sondern der biblischen Religion selbst. Das Theodiceepro-
blem (unde malum?) rührt aus der Schwierigkeit, wie die Annahme eines guten Schöpfergottes
`Böses´ erklären kann. Entweder wird Gott entlastet und die Gefallenheit der Welt der Freiheit
des Menschen angelastet. Dann fällt auch die Aufgabe einer `Resurrektion der Natur´ an ihn. 182

Wenn die Tragik der Welt ohne menschliches Zutun seinen Lauf nahm, besteht für ihn auch kei-
ne Erlösungslast (extra posse nullus obliquat). Schwarz steht dazwischen: er kennt zwar eine
menschengemachte Erlösung der ganzen Welt, aber keine solche Schuld. Denken, das eine
schuldlose Geworfenheit des Menschen in eine schlechte Welt annimmt und ihm zugleich die
volle Verantwortung für diese Schlechtigkeit zuschiebt (sowie die Pflicht, ihr zu entrinnen), ist
tendenziell gnostisch (oder: gnostizistisch). Religion wird so zur ungeheuren Last.
Die gnostische Lösung der Theodicee war einfach: Der Schöpfergott dieser schlechten Welt ist
ein anderer als der völlig jenseitige Erlösergott. Sie war derart plausibel, daß sie immer wieder
183

aufkam. Dies anerkennend, hat Hans Blumenberg von einer zweifachen Überwindung der Gnosis
gesprochen: die erste, letztlich ”mißlungene Abwendung” durch Augustinus bestand darin, daß
die Verantwortung für den Fall radikal dem Menschen zugerechnet wurde. Hiermit allerdings
wurde Freiheit selbst zu einem Diadochengeschenk; die Gnosis platzte darum im Spätmittelalter
in der `doppelten Prädestination´ wieder auf. Dem begegnete die Neuzeit qua Descartes durch die

182 Gott fällt nicht völlig heraus: für die Schöpfung des freien Willens und die Vollbringung der Erlösung bleibt er
zuständig. Moralität kann nach Kant nur Glückswürdigkeit, nie die Glückseligkeit selbst erwirken (KpV 233).
183 Zur Gnosis: Rudolph 1994, Jonas 1954. Zur Theodicee Marquard 1973, Haag 1978 und Safranski 1997.
52

säkulare `Selbstbehauptung´, welche die gnostische Frage durch Neuordnung der Prämissen, gip-
felnd in Nietzsches Umwertung aller Werte, letztlich erübrigte. Diese Überlegung ist sehr holz-
184

schnittartig. Sie erlaubt jedoch, die überhaupt möglichen Verteilungen der Parameter `gut´ und
`böse´ an `Mensch´ und `Gott´ einmal durchzuspielen: Ist der Mensch gut und die Götter böse,
185

ergibt sich eine antike Sicht. Ist der Mensch böse und Gott gut, so hat man die alttestamentari-
sche Perspektive. Im Skeptizismus ist keines von beiden der Fall. Fallen `gut´ und `böse´ an die
menschliche Seite, so entweder als Möglichkeiten in die Seele jedes Einzelnen; das wäre die au-
gustinische Sicht. Oder die Menschheit wird aufgeteilt in `Gute´ und `Böse; dies wäre
Freund/Feind-denken. Fallen `gut´ und `böse´ an die göttliche Seite, können sie entweder auf die
Götter verteilt werden; dies wäre gnostisch. Oder beides liegt in einem Gott: so Jacob Böhme.
186

Schematisiert sieht das so aus:

Gott Mensch Denksystem


gut (der Schöpfer Jahwe) böse (der sündigende Frevler) Prophetisch
böse (der Neider Zeus) gut (der Held und Kämpfer) Prometheisch
indifferent indifferent Epikureisch
gut /böse zwischen (2) Göttern Gnostisch
gut /böse in Gott Jacob Böhme
gut /böse in jedem Menschen Augustinisch
gut /böse zwischen Menschen Partikularistisch

Die religiös legitimierte Ethik von Hermann Schwarz hängt in der Tiefe mit der traditionellen
Theodicee und dem ”gnostischen Rezidiv” (Blumenberg) zusammen. Wird `gut´ und `böse´ in
Gott hineinverlegt, ohne daß dabei, wie noch beim lutherischen Böhme, ein personaler Gott ge-
dacht ist, gibt es letztlich keine synthetisierende Kraft mehr, die das Auseinanderklaffen der
Gottheit in zwei Lager auffangen könnte. Dies ist bei Schwarz 1931 der Fall. Der damit drohen-
den gnostischen Weltflucht ist zwar durch säkulare Selbstbehauptung vorgebeugt: Gott gebiert
sich erst in der gegenseitigen Hingabe (die ”tiefere Göttlichkeit in volksbrüderlicher Willensver-
schränkung” macht jeden ”frei zur Hingabe an sein Tagewerk”, 123). Diese Lösung erzeugt jedoch
religiös sanktionierten Partikularismus: ist die Gottlosigkeit konsequent, lastet kein Erlösungs-
druck und der Mensch kann ruhig seinen Garten bestellen. Wird umgekehrt mit dem Erlösungs-

184 Blumenberg 1996, 138-259: ”Wenn nicht mehr daran geglaubt werden kann, daß die Entscheidung zwischen Gut
und Böse in der Geschichte fällt, ...verliert sich die Suggestion des Ausnahmezustandes”, auch die der Gnosis.
185 Dies ist zwar eigentlich unmöglich, da gut und böse nur je zusammen auftauchen, und zwar auch nur im gelebten
menschlichen Alltagsleben, nirgendwo sonst. Aber gerade diesen falschen, weil lokalisierenden Ansatz vertritt der
kritische Realismus. Daher ist diese Analyse aller denkbaren Varianten dennoch heuristisch sinnvoll.
186 Der Vereinfachung halber ist der Polytheismus hier nicht vertreten. Er fiele jedoch unter den Epikureismus.
53

druck auch die Schuld gedacht, ist die Bewältigung in die Seele eines jeden Menschen gelegt. 187

Einzig in der halbierten Gottlosigkeit wird Religion politisch-partikularistisch und setzt `dämoni-
sche´ Energien frei. Bei Schwarz fallen aufgrund der Gottlosigkeit die prometheische, die pro-
phetische und die Böhmesche Variante aus; die gnostische ist aktivistisch verunmöglicht (wie
zudem auch ein ferner Erlösergott für Schwarz undenkbar wäre); die augustinische würde wie-
derum Glauben an einen Gott oder aber erkenntniskritische Bescheidung erfordern - beides ist
bei Schwarz nicht der Fall. Es bleibt also die partikularistische Variante. Diese ist deswegen so
brisant, weil die Prädikate `gut´ und `böse´ nur halb gottlos sind: sie sind immerhin göttlichen
Ursprungs und fordern daher unbedingten Gehorsam. Hier ist latent gnostisches Denken tatsäch-
lich zur Dämonie aufgebrochen. Dies ist 1931 jedoch kein epochales Problem, sondern ledig- 188

lich Ergebnis einer in Halbheiten steckenbleibenden Philosophie.


In dieser letzten Publikation vor 1933 heißt es explizit: ”Das erkenntnistheoretische Vorwort der
Philosophie des Ungegebenen ist ein `kritischer Realismus´.” (59). Ein Standpunkt wird nach vier
Jahrzehnten reformuliert. Die hier vertretene Version ist dennoch (gegen Sieg) plausibel und 189

enthält Überlegungen, die auch von Husserl und Wittgenstein angestellt wurden. Auch wenn der
kritische Realismus, den August Messer noch 1923 vertrat, keine breite Strömung war, teilten
190

doch viele Nachidealisten die Grundhaltung. Zwar war der Neukantianismus in der 2. Hälfte
191

des 19. Jahrhunderts eigentlich als anti-idealistische Bewegung aufgebrochen, um philosophi-


sches Denken aus der spekulativen Verirrung rückzuholen. Es hatte dort jedoch eine idealistische
Wende gegeben, gegen die sich nun die verschiedensten Richtungen wandten: Empiriokritizis-
mus wie historischer Materialismus, Phänomenologie, Existentialismus und eben auch der kriti-
sche Realismus. 192
Die Funktion des erkenntnistheoretisch `realistischen´ Hintergrundes bei
Schwarz ist ersichtlich: ”Das Übersichselbsthinaus der praktischen Philosophie muß in einem tran-
187 Sie kann entweder, wie bei Kant und dem frühen Wittgenstein, erkenntniskritisch von allen Weltproblemen abge-
löst sein. Religion spielt sich dann im ”pianissimo” der intimsten Privatsphäre ab. Oder aber auch die Annahme des
ausgleichenden (insofern `gerechten´) Gottes wäre zu vollziehen. Da die ausgleichende Gerechtigkeit oder gar ein
Endgericht permanent ausbleibt, wäre dann nur eine verjenseitigte Vorstellung Gottes möglich, so daß Religion auch
auf diese Weise politisch `neutralisiert´ ist - als politischer, nicht als sonstig weltlicher Faktor (Weber 1920, 17-236
behauptet eine nichtpolitische, aber immens weltliche Wirkung der protestantischen Ethik).
188 Voegelin 1938 und 1959 sah `die´ Neuzeit als moderne Gnosis; siehe auch Nolte 1963 über den `Faschismus´.
189 Sieg 1994 vermag in dem (Marburger) Denken von Hermann Schwarz keine Struktur zu erkennen.
190 Messer 1923 (Der kritische Realismus) nennt als weitere Hauptvertreter Oswald Külpe und Johannes Volkelt.
191 Ernst Bloch war Schüler des `kritischen Realisten´ Oswald Külpe (Hammer 1994). Plessner überliefert Husserls
Ausspruch “Mir ist der ganze deutsche Idealismus immer zum K... gewesen” (Plessner 1985; Habermas 1991, 150).
192 Windelband 1909, 96 ff. feiert retrospektiv die ”Rückkehr zum Idealismus”. Köhnke 1986, 404 ff. datiert diese
Wende auf 1878/79. Hierzu insgesamt N. Schmidt 1995, 78 ff. Der Neukantianismus war der Abstoßungspunkt mo-
derner Philosophie. Nicht nur Lukács und Heidegger (Goldmann 1973) begannen in kritischer Abhängigkeit von
ihm; noch Habermas´ Geltungssphären reproduzieren Schemen von Rickert.
54

szendenten Sinne unserer Wissensakte sein Gegenbild haben” (59). Hier begegnet erstens Fichtes Ein-
sicht, daß das `Ich´ nur im Handeln zur Welt und zu anderen `Ichen´ kommt, diese Frage also in-
nerhalb der theoretischen Vernunft oder Erkenntnistheorie falsch gestellt ist. Zu derselben Ein-
sicht waren damals auch Heidegger und der Pragmatismus gekommen. In dem "muß" tritt zwei-
193

tens die Univocität der logischen Kategorien für alle Seinsbereiche hervor. Das Ineinanderschie-
ben theoretischer und praktischer Vernunft, welche diese Univocität bedingt, wird hierin drittens
befestigt. Da wir es im Handeln mit Wirklichem zu tun haben, müsse also im Umkehrschluß
auch das Gewußte wirklich sein. In diesem "Schluß auf Reales" (Messer 1923, 65) wird die Kluft
zwischen Denken und Sein schlichtweg eingezogen; so wird vieles wieder verunklärt.
Der Methodenmonismus, der sich am Subjektpol des Wissens als gnoseologischer Reduktionis-
mus auswirkt, wird durch einen ontologischen Pluralismus am Objektpol des Wissens wettge-
macht. Das in vereinerleiten Wissensakten Gewußte (”fühlende, wollende, wissende Bewußtheit”,
Schwarz 1931, 60) wird als so oder so - aber jeweils: gegenständlich - beschaffen unterschieden.
Es müssen daher scholastische Unterscheidungen zwischen Gegenständlichkeit und Objektivität,
zwischen Wirklichkeit/Bestand (scotistisch: quiditas) und Realität/Existenz (haecceitas) getrof-
fen werden: jeder Wissensvorgang ”vergegenwärtigt Gegenständlichkeit, die unabhängig von ihm Be-
stand hat, einerlei ob dieser Bestand existiert oder nicht” (60).194 Hierin liegt die Behauptung nicht
existierender, aber bestehender Gegenständlichkeit beschlossen. Die Annahme eines nichtseiend
Seienden, einer positivierten Negativität, eines wesenden Grundes erweist sich nicht nur als in-
tern konsistent, sondern als logische Folge solcher Erkenntnistheorie.
Paradigmatisch für den anti-idealistischen Affekt ist die Beschäftigung mit den F a r b e n, wie an
den Farbphilosophien Goethes und Wittgensteins ablesbar ist. Die radikalste Fassung des Idea-
195

lismus, die bei George Berkeleys (esse est percipi) vorliegt, trat nicht umsonst innerhalb des Em-
pirismus auf. Der idealistische Gedanke der Konstituiertheit alles Wahrgenommenen konnte mü-
helos in ein nur scheinbar entgegengesetztes mechanistisches Weltbild integriert werden. Gerade
dadurch, daß man den Farben zugestand, konstituiert zu sein, wurde ihre Seinsart zu einer bloß
subjektiven, zu den sekundären Qualitäten John Lockes herabgesetzt. Für die Autonomie der
Farben zu argumentieren hieß darum gegen mechanistische Verkürzung (bei Newton) und idea-
193 Alfred Denker sieht Fichte als vergessenen Vordenker der Intersubjektivität (Die Wissenschaftslehre und die
philosophischen Anfänge Heideggers, in: Schrader 1997), an deren Konstitution Husserl gescheitert war. Ähnlich
Habermas 1988, 197 ff., sowie Jürgen Stolzenberg, in: Hogrebe 1995. Auch "Faktizität" kommt von Fichte.
194 Wirklichkeit (als subjektives ”Gegebensein”) und Realität (als objektive ”Existenz”) unterscheiden kritisch-rea-
listisch Messer 1923, 13 ff., Külpe 1912 ff., Heideggers Habilitation (Gudopp 1983, 158); vgl. Meinong 1904.
195 Siehe hierzu auch die Studie von Rehbock 1995 sowie die Aufsätze in Rentsch 1999.
55

listische Verklärung (bei Berkeley) zugleich anzugehen. Bei Wittgenstein sind die Überlegungen
zu den Farben eingebunden in die Überwindung der Abbildtheorie der Sprache insgesamt. Nicht
mehr korreliert einem Wort ein Ding, sondern die minimalste Sinneinheit kann nur ein Satz sein.
Es wäre darum unsinnig, das dem Wort `rot´ korrelierende `etwas´ zu suchen (daher der Aus-
spruch: ”Rot existiert nicht”) und anschließend lokalisieren zu wollen (als ”Farbeindruck”). 196

Auch Hermann Schwarz argumentiert gegen Idealismus (Immanentismus, wie ihn etwa Schuppe
vertrat) u n d Reduktionismus (Materialismus, Schwarz 1904/1912). ”Das Alles, das Nichts, Far-
ben, Töne” (61) sind auch für ihn autonome Phänomene. Im Unterschied zu Wittgenstein jedoch
behalten sie bei Schwarz eine gegenständliche Seinsart: ”jeder Gegenstand ist dem Vorgange, der
ihn vergegenwärtigt, transzendent. Was gegenständlich erblickt wird, ist nie der psychische (immanente)
Bestand des Wissensvorganges selbst” (61); und zwar aufgrund der Abbildtheorie der Sprache (”Je-
des Wort drückt ... die von ihm genannte Gegenständlichkeit aus”, 67).197 Wenn er also fordert: ”Es
muß im Wissen von Gott etwas sein, was es zum Wissen von Gott macht, im Wissen vom Nichts etwas
sein, was es zum Wissen vom Nichts macht” (67), so ist hiermit die Brücke in seine Metaphysik ge-
schlagen, die er so für erkenntnistheoretisch abgesichert hält. Es können eben nur Gott oder das
Nichts selbst sein, die ein Wissen von ihnen ermöglichen. Darum glaubte er, durch eine geordne-
te Gliederung der Gedanken über Gott schon über ein Wissen von ihm zu verfügen.

III. Die Vorgeschichte: Sein Denken bis 1921

III.1 Erkenntnistheoretische Grundlegung (1892-1895)


Die erste Werkgruppe, mit der Hermann Schwarz überhaupt an die Öffentlichkeit trat, betraf die
Erkenntnistheorie. Ob Schwarz damals so religiös war, wie er später glauben macht, sei dahin- 198

gestellt - die pietistische Umgebung und der Einfluß von Uphues legen es immerhin nahe. Hier
trennt er Religion und Wissenschaft noch so sauber, daß von Religion - gar von einer völkischen
- kaum die Rede ist. Dies verwundert um so mehr, als auch Spätscholastiker wie Suárez oder Ga-
briel Biel behandelt werden. Verschwiegene Religiosität und Anleihen bei der Scholastik hatte es
auch bei Franz Brentano, Alexius Meinong und Husserl gegeben. `Strenges´ theoretisches Arbei-
ten, welches sich bloße Meinungsbekundungen über Persönliches versagt, ist ein Erfordernis

196 Wittgenstein 1984, 273 und 414. Das ”Blau des Himmels” gibt es bei Schwarz u n d Wittgenstein (a.a.O., 367).
197 Diesen von Richard Rorty geprägten Begriff behandelt systematisch Schnädelbach 1998, 68.
198 Schwarz berichtet 60 Jahre später überschwenglich von seiner Jugend in den Franckeschen Stiftungen: "`Wie ist
´, so fragte ich mich, `Gott zu denken?´ Da überkam mich eine Art Vision. Ich sah Gott" (Schwarz 1945, 4).
56

wissenschaftlichen Zusammenarbeitens. Diese Schriften wenden sich an die Wissenschaftsge-


meinschaft, deren Regeln Schwarz glänzend beherrscht, und verstehen sich als Diskussionsbei-
trag. Sie sind darum diszipliniert, mitunter kämpferisch, aber überall sachlich und wohlinfor-
miert. Vom bekenntnishaftem Duktus ist beim Schwarz dieser Phase noch nichts zu verspüren.
Wäre er früher verstorben, läse man diese Schriften wohlwollender.
Der kritische Realismus, wie ihn Schwarz hier vertritt, ist lange nicht so unkritisch wie das, wozu
er durch ihn geführt wurde. Zieht man spätere Schriften Husserls zur Interpretation hinzu, wird
klar, daß Schwarz sich hier in der Nähe der späteren Phänomenologie bewegt, ja sie vielleicht so-
gar mitanregte. Der Problemkreis, der b e i d e bewegte (und Späteren entglitten ist), schließt
199

den der Psychologie ein. Angeregt ist diese Werkgruppe durch Inkomensurabilitäten zwischen
verschiedenen Wissenschaften. Der Titel Das Wahrnehmungsproblem vom Standpunkt des Phy-
sikers, des Physiologen und des Philosophen (Schwarz 1892) zeigt an, daß diese Standpunkte
sich in ihren Schlußfolgerungen widersprechen - Husserl nannte das später "Krisis". Ausgehend
von der geisteswissenschaftlichen Psychologie (Schwarz beansprucht die Erkenntnispsychologie
Uphues´, Husserl die beschreibende und zergliedernde Psychologie Diltheys für sich) werden
diese Widersprüche auszuräumen versucht. In Die Lehre von den Sinnesqualitäten bei Descartes
und Hobbes, seiner Habilitation (Schwarz 1894b), geht Schwarz zurück ins 17. Jahrhundert, um
von dort her die Mechanik angemessen zu verstehen und ontologischen Reduktionismus zu un-
terbinden - Husserl geht noch 1930 zurück auf Descartes. Den phänomenologischen Schlacht-
200

ruf: "Rettet die Phänomene!" hätte Schwarz sich schon damals zu eigen machen können: Gegen-
stand seiner Untersuchungen ist die Seinsart von Farben und Tönen, welche durch sensualisti-
schen Reduktionismus gefährdet schien. Wenn auch eine Abhängigkeit Husserls von Schwarz
wenig wahrscheinlich ist, so läßt sich doch die Herkunft aus einem gemeinsamen Diskussions-
kontext nicht übersehen. Ihre Gedanken sind keine Geniestreiche Einzelner, sondern entstammen
allgemeinen Problemfeldern, die nur ex post nicht mehr sichtbar sind. Noch bei Heidegger bezie-

199 Die Logischen Untersuchungen verweisen auf Schwarz (Husserl 1992 III, 409). Husserl, von 1887-1901 in Hal-
le, hatte Schwarz bei seiner Nostrifikation zum ”ordentlichen Opponenten”. Sie wurde, neben Benno Erdmann und
Carl Stumpf, von Georg Cantor - dem Lehrer von Schwarz - abgenommen. Der Husserlforschung ist diese Nebenli-
nie der Genesis der Phänomenologie entgangen. Gerlach 1994, 185, merkt an: ”Hermann Schwarz aus Düren, von
1884 bis 1887 Student der Mathematik in Halle. Nach dem Sommersemester 1887 sind zu seiner Person keine Ma-
trikeleintragungen mehr vorhanden; Studienabschluß nicht in Halle.” Schwarz war bis 1908 Privatdozent in Halle.
200 ”Die richtig verstandene mechanische Methode soll mit Hilfe von Bewegungen und der mathematischen Rech-
nung Ordnung und Zusammenhang in den Wechsel der sinnlichen Phänomene bringen” Man dürfe nicht ”aus der
Methode ein Metaphysik machen” (Schwarz 1895, 23). Schwarz mußte die historischen Studien über Descartes und
Hobbes anschließen, da sein Werk von 1892, welches nur Zeitgenossen besprach, von Carl Stumpfs Nachfolger Ben-
no Erdmann nicht als Habilitation anerkannt wurde (Schwarz 1945, 9).
57

hen sich viele polemische Spitzen auf einstige psychologische Wahrnehmungslehren, und seine
Suche nach metaphysikgeschichtlichen Wurzeln seinsgeschichtlicher Vorgänge ist hier bereits
vorgezeichnet. Als die Phänomenologie mit Husserls Weggang nach Göttingen 1901 bekannt
wurde, bewegte sich Schwarz bereits in den entfernteren Gefilden der Ethik (Schwarz 1896,
1900, 1901, 1902). So wäre erklärlich, warum er an Diskussionen um die Phänomenologie kaum
mehr teilnahm - den wachsenden Antisemitismus einmal beiseite.
Die Bedeutung des durch Wittgenstein eingeleiteten "linguistic turn" 97 in der Philosophie wird
1

oft darin gesehen, daß Probleme, wie sie in der Erkenntnistheorie vorlagen, aus ihrer Aporetik
rückholbar wurden; viele Fragen hätten sich so als Scheinprobleme erwiesen. Zweierlei wird bei
derart selbstzufriedener Philosophiegeschichtsschreibung allerdings unterschlagen: nachdem die
Ergebnisse analytischen Philosophierens heute überschaubar sind, tauchen die nämlichen Fragen
im veränderten Gewand wieder auf. Sprachanalytisches Philosophieren ist eine Methode, die
201

Fragen neu stellen und Antworten richtig einzuordnen helfen kann. Sachhaltige Auskünfte über
außerhalb ihrer liegende Gegenstände aber gibt sie nicht. Zum anderen ist sprachanalytische Phi-
losophie gerade aus solch erkenntnistheoretischen Fragen erwachsen - Husserls Logische Unter-
suchungen waren ja nahe daran, bahnbrechende Einsichten Wittgensteins vorwegzunehmen.
Analytische Philosophie war die Antwort auf vor allem erkenntnistheoretische Fragen. Auch bei
Schwarz zeigt sich noch 30 Jahre später ein aus diesem Antireduktionismus gespeistes sprachkri-
tisches Bewußtsein, was ihn zu solchen Einsichten hätte führen können. Beim Vergleich des Ge-
dankens an einen Blitz mit den Nervenprozessen, die im Gehirn dem Gedanken "Blitz" korrelie-
ren, macht er eine Liste von Sinnzusammenhängen auf, welche durch solche Reduktion nicht
eingeholt werden kann:
”1. Man versteht das Wort `Blitz´. / 2. Man sagt `Blitz´. / 3. Man gewahrt einen Blitz.
4. Man erkennt einen Kugelblitz als Blitz. / 5. Man denkt beim elektrischen Funken an `Blitz´.
6. Man stellt Blitzschein vor. / 7. Man urteilt `es blitzt´. / 8. Man urteilt `es blitzt nicht´.
9. Man urteilt `es blitzt wieder´. / 10. Man urteilt `das ist ein Blitz´.
11. Man schließt `es hat gedonnert, also hat es geblitzt´. / 12. Man schließt `jemand sagt
>Donner<. Darum braucht es noch nicht geblitzt zu haben.´” (Schwarz 1922a, 128)

Dies markiert die Grenzen der physiologischen Psychologie (1895 Anhang; ähnlich 1904/12,
70). Das Problemniveau, auf dem sich Schwarz in den 1890er Jahren bewegte, war so hoch, daß
es noch späterer Problematisierung ähnlicher Fragen (wie der nach der `Glatze des gegenwärti-

1
201 Die Frage nach dem Geist, dem Sein der Außenwelt, dem Status der Farben oder gar der sozialen Ontologie wird
in den 1990ern wieder diskutiert; siehe etwa Dennett 1991, Searle 1992 und 1993, Putnam 1993.
58

gen Königs von Frankreich´) gerecht wird - auch wenn er sie selbst nicht mehr mitvollzog. Deu-
tet man hier `Objektivationstheorie´ als Konstruktivismus, `Sensualismus´ als Reduktionismus,
so wird die Problematik der Schriften von Schwarz aus den 1890ern zu einer aktuellen. 202

In seinem Mathematikstudium bei Georg Cantor hatte er sich dem damals landläufigen erkennt-
nistheoretischen Idealismus genähert, der eine generelle Konstituiertheit des Wahrgenommen an-
nahm. Die psychologischen Studien bei Uphues hatten ihm aber zur Einsicht verholfen, daß das
Wahrgenommene dem Wahrnehmen, das Erkannte dem Erkennen, kurz: die Inhalte des Bewußt-
seins dem Bewußtsein selbst `transzendent´ sind. Über die Beschaffenheit dieser Bewußtseinsin-
halte urteilte der `naive Realismus´ von Physikern wie Helmholtz anders als die Physiologie, die
durch Nervenreize erzeugte `mentale Gegenstände´ annahm (den vormaligen entia rationis ent-
sprechend). Der erste Problemschwerpunkt, mit dem Schwarz sich vergeblich zu habilitieren ver-
suchte, war der Sensualismus: ”Der psychologische Tatbestand der äußeren Wahrnehmung”
(Schwarz 1892, 345) hat einen Doppelcharakter: ”Sinnendinge sind ... etwas Äußeres in ihrer Bezie-
hung zueinander, etwas Inneres in ihrer Beziehung zum Bewußtsein” (360 - ein Gedanke von
Uphues). Sie sind `subjektiv´, da sie je nur von Jemandem gewußt werden können, und `objektiv
´, da sie dennoch ”als etwas” (358) wirkliches begegnen. Schwarz will durch eine kritische Sich-
tung bestehender Annahmen zeigen, daß Praxis und Methode der Naturwissenschaft verschiede-
ne metaphysische Annahmen zulassen. Er will diejenige herausstellen, welche bestehende Wi-
203

dersprüche glättet und der alltäglichen menschlichen Praxis gerecht wird. Die erste mögliche
204

metaphysische Interpretation dessen, der naive Realismus - bei Husserl: `natürliche Einstellung´ -
geht von einem unproblematischen Sein der Dinge aus. Er darf jedoch nicht unreflektiert meta-
physifiziert werden: ”Wir haben kein Recht, psychologische Thatsachen ins Metaphysische zu übertra-
gen” (355).205 Die Gegner dieser Auffassung: subjektiver und transzendentaler Idealismus, gehen

202 Heutige Hirnforschung etwa bringt ähnliche Argumente wie vor 100 Jahren, ohne ihre Vorgänger zu kennen. Das
Blitz-Beispiel muß gängig gewesen sein; auch Heidegger benutzt es in seiner Dissertation (Heidegger 1972, 127).
203 ”Nicht nur liegt in dem Verfahren nichts, was den Physiker dazu zwänge, eine bestimmte metaphysische Be-
hauptung aufzustellen, sondern es ist sogar mit allen metaphysischen Theorien verträglich” (Schwarz 1892, 25).
204 ”Wir alle sind in unserem gewöhnlichen Thun und Handeln überzeugte Realisten (im erkenntnistheoretischen
Sinne). ... Wenn wir dieser Überzeugung auch nach dem Durchgang durch die wissenschaftliche Zergliederung treu
bleiben dürfen, wenn sie mit der ... wissenschaftlichen Einsicht nicht unverträglich wird, darf dies als ein willkom-
menes Ergebnis begrüßt werden. Wir werden uns befriedigt fühlen ... Dieses Motiv - mehr als eine Motiv ist es nicht
- soll für das folgende im wesentliche maßgebend sein” (1892, 338 f.). Hier zeichnet sich eine Unterscheidung des-
sen ab, was Husserl ”Einstellungen” nennen sollte. Auch die Rolle der ”Lebenswelt” ist bereits erfaßt.
205 ”Der metaphysische Standpunkt des naiven Realismus wird durch den Nachweis von der sogenannten Relativi-
tät der Sinnesdaten vernichtet” (Schwarz 1894a, 2). `Einstellungen´ unterschied schon Fichte: ”Es gibt zwei sehr
verschiedene Standpunkte des Denkens; den des natürlichen und gemeinen, da man unmittelbar Objekte denkt, und
den des ... künstlichen, da man mit Absicht und Bewußtsein sein Denken selbst denkt. Auf dem ersten steht das ge-
meine Leben und die Wissenschaft ..., auf dem zweiten die Transzendentalphilosophie” (Fichte 1986, 234; ein Brief
59

von einer völligen oder teilweisen `Gemachtheit´ der Dinge für uns aus. Berkeleys Version der
völligen Aufgabe wahrnehmungsunabhängiger Realität sei zwar konsistent, aber ”mit der natur-
wissenschaftlichen Erklärung unvereinbar” (398, auch 1895, 75). Mit Berkeley greift Schwarz den
erkenntnistheoretisch anspruchsvollsten Vertreter des subjektiven Idealismus auf - andere, wie
etwa Schopenhauer und Fichte, sollten später für ihn wichtiger werden. Die Version des tran-
szendentalen Idealismus sei eine ”eklektische Richtung” (1892, 26), da sie die Standpunkte ledig-
lich vermenge. Ein objektives Gestell werde als subjektiv aufgefüllt gedacht. Das objektive Ge-
rüst war nach Locke primäre Qualität, nach Kant Ding an sich, nach Helmholtz Gegenstand der
Tastwahrnehmung. Die subjektiven Auffüllungen ergeben dann subjektive oder mentale Gegen-
206

stände (einstmals ”entia rationis” genannt). Dieser Subjektivismus schließlich ist der Hauptgeg-
ner, dagegen will Schwarz die ”Annahme unabhängig ... bestehender Farben und Töne” (380) mit
207

den Ergebnissen und Methoden der neueren Wissenschaften vereinbaren. Da viele Hallenser Pro-
fessoren Anhänger der subjektivistischen Richtung waren, kam Schwarz 1892 als Habilitand
noch nicht durch.
In dem Bändchen Was will der kritische Realismus? (Schwarz 1894a) konturiert er seine Stoß-
richtung noch einmal gegen Mißverständnisse: Der kritische Realismus wolle keine neue Meta-
physik liefern, sondern nur ”heuristische Principien für die Aufstellung von Problemen ..., die bisher
der Beachtung sich entzogen haben” (1894a, 39). Voreilige reduktionistische Seinsstellungnahmen
sollen vermieden werden, indem der Erkenntnisvorgang als Bewußtseinsausdruck des Gegen-
standes, ”gleichgültig, ob es einen solchen Gegenstand giebt oder nicht” (2) interpretiert wird. Ähnli-
ches bezweckte Husserl später mit seinen Begriffspaar `noesis/noema´. Im Rückgang auf die Ent-
stehung wissenschaftstheoretischer Hintergrundannahmen 208
bringt schließlich Die Umwälzung
der Wahrnehmungshypothesen durch die mechanische Methode Klärung (Schwarz 1895).
In seiner Beurteilung der Wissenschaftsgeschichte ist von einem linearen Erkenntnisfortschritts-
denken, wie es `dem´ 19. Jahrhundert gemeinhin unterstellt wird, keine Spur. Schwarz geht da- 209

von aus, ”daß die Kette der scholastischen Tradition nie gerissen sei” (1895, 95). In einer nach- 210

vom 22. 4. 1799).


206 Damalige Physik und Wissenschaftstheorie war tatsächlich oft kantianisch, siehe dazu Köhnke 1986.
207 ”Das Transcendente, auf das ein Bewußtsein ... sich richtet ... , existiert entweder außerhalb des Bewußtseins in
Wirklichkeit, oder es existiert überhaupt nicht. ... Wogegen er (der kritische Realismus, CH) polemisiert, das ist ein
gewisses Gerede ... Es ist die Behauptung, daß Farben, Töne usw. s u b j e k t i v seien” (Schwarz 1894a, 7).
208 Mit Heidegger wird dies oft verkürzend `neuzeitliche Metaphysik´ genannt.
209 Der Rückgang auf das 17. Jahundert erwies sich noch bei späteren - bekannteren - Autoren als gewinnbringend;
so bei Husserl 1992 Bd. 8, Benjamin 1980 I.1, Schmitt 1922, Funkenstein 1986 oder Foucault 1971.
210 Dies verbindet ihn mit historischen Denkern wie Gerhard Lehmann, Heinz Heimsoeth oder Joachim Ritter.
60

zeichnenden Kontrastierung der aristotelischen (1) und epikureischen ”Wahrnehmungshypothesen”


(2) erklärt sich die Durchschlagskraft der mechanischen Methode (3) im 17. Jahrhundert daraus,
daß sie den gordischen Knoten zu lösen versprach. Schwarz will nun zeitgenössische Wahrneh-
mungshypothesen mit dem Verweis darauf korrigieren, daß der Atomismus (2), welcher bei der
Entstehung der mechanischen Methode (3) im 17. Jahrhundert Pate gestanden hatte, bei Demo-
krit ursprünglich mit einer unhaltbaren Wahrnehmungstheorie (der Lehre von den `intermediären
Spezies´) verbunden war. Die Spätscholastik dagegen (1) hatte aus der Defensive gegen den Me-
chanismus eine Lehre von der Objektivität der Phänomene entwickelt, die mit der Übernahme
des Mechanismus (2/3) zu Unrecht vergessen wurde. Nach Schwarz ist mit der einen Frage, wie
Wahrnehmung zustande komme - die eindeutig im Sinne des Mechanismus entschieden ist - über
die andere, was das Wahrgenommen sei, noch nichts ausgemacht. In einer Art `Schwellenkunde
´ will er das Problemniveau zur Zeit der Durchsetzung des neuen Paradigmas der Erkenntnis-
211

theorie auch für die Ontologie zurückgewinnen. Die drei Wahrnehmungshypothesen definiert
Schwarz so:
”Die Bewegung, ein V o r g a n g geht über vom Körper zum Sinnesorgan, dies die heutige Anschauung;
E i g e n s c h a f t e n wandern, so die Scholastik; S u b s t a n z e n wandern, letzteres die Lehre Demo -
krits” (1895, 3).

Aber ”nach Einführung der mechanischen Methode” (6) blieben ontologische Fragen offen. Es sei

”ein doppeltes Wunder ..., daß überhaupt Sinnesqualitäten angeschaut werden, wo in Wirklichkeit nur
mechanische Vorgänge walten” und ”daß zwischen den angeschauten Sinnesqualitäten weitklaffende
Verschiedenheiten bei nur geringer Verschiedenheit der mechanischen Vorgänge auftreten” (1894b, 7).
Er unterscheidet drei Lösungen des 17. Jahrhunderts:
”a) die radikale, seitdem nicht wiederholte Antwort Hobbes´, Farben und Töne seien ... überhaupt
nichts, nihil, b) die dualistische Behauptung Descartes´, Farben und Töne seien Physisches und Psychi-
sches zugleich, ... c) die von Hobbes bevorzugte Theorie, Farben, Töne usw. seien etwas Physisches,
nämlich Eigenschaften des Gehirns” (1894b, 7).

Diese repräsentieren zugleich den damals von ihm vertretenen psychophysischen Parallelismus
(b), den bekämpften Subjektivismus der mentalen Gegenstände (c) und - vorzeichnend - den
212

später von ihm vertretenen Nihilismus (a). Hier zeichnet sich ab, wie Hermann Schwarz später
auf `das´ Nichts hat kommen können: es ist eine der grundlegenden möglichen Seinsarten der
Phänomene überhaupt. Vor dieser schreckt er in den 1890ern zwar noch zurück. Grundlegende
211 So Menninghaus 1986 über Walter Benjamin, der auch Epochengrenzen untersuchte.
212 Schwarz 1894a, 22 plädiert für die ”Vorstellung einer parallelistischen Zusammengehörigkeit der mechanischen
Vorgänge mit den übrigen Sinnesdaten ... objektive Farben und Ätherschwingungen ... würden danach in ähnlicher
Weise untrennbar nebeneinander hergehen, wie etwa bei einer Bewegung Richtung und Geschwindigkeit”. 1912
fordert er die "funktionale Zuordnung" (10) nur als "methodische Annahme" (14), nicht als ontologische (16).
61

historische Behandlungen `des´ Nichts hatte er auf diesem Wege jedoch bereits kennengelernt.
Gabriel Biel etwa hatte gegen das Modell des Francisco Suárez hervorgehoben:
”Die Erkenntnis des Nichtexistierenden scheint Gott abgesprochen werden zu müssen. - Auch von derar-
tigem, antwortet unser Autor (Gabriel Biel, CH), besitzt Gott Ideen. ... Dieser Gedanke ist bedeutsamer
als er scheint” (Schwarz 1895, 84).

Er erlaubt, zwischen abstrakten Allgemeinheiten und konkreten Vorstellungen von angeschauten


Dingen zu unterscheiden. Daneben zitiert Schwarz Descartes´ Behauptung, daß ”`Empfindungen
213

von Geschmäcken, Gerüchen, Tönen, Wärme, Kälte, Licht, Farben u. dgl. ... Nichts außer unseren Ge-
danken bestehendes repräsentieren´ (Pr. I §71)” (1894b, 50), um ihm einen Widerspruch nachzu-
weisen. Andernorts (Principia Philosophiae I 52) behaupte er nämlich, `dem´ Nichts kämen kei-
ne Attribute zu. Erklärt man mit dem frühen Hobbes und dem sich mißverstehenden Descartes:
”die Qualitäten für überhaupt nichts, n i h i l ..., so erscheinen auf der Seite des Objektiv Wirklichen die
mechanischen Vorgänge, auf der Seite des subjektiv Wirklichen die Bewußtseinsvorgänge” - nach Hus-
serl: noesis - ”und auf der Seite des absolut Unwirklichen die angeschauten Sinnesqualitäten,” - nach
Husserl: noema - ”die weder i m Bewußtsein als objektive Zustände desselben, noch f ü r das Bewußt-
sein als Fikta existieren, sondern wie der gewesene Sokrates, wie √ -1 den unmittelbaren Gegenstand ei-
ner auf Nichtexistierendes sich richtenden Erkenntnis bilden” (1894b, 79).

Negativität als eigener Seinsbereich ist bei Schwarz in den 1890ern zwar nur eine abseitige Spe-
kulation, aber sie ist bereits erkenntnistheoretisch vorgedacht. 214

III.2 Ethisch-psychologische Grundlegung


Der Weg zur Negativitätsphilosophie der 1920er führte zunächst über die Ethik der "Selbstvernei-
nung" (1901, zweiter Teil). Für Schwarz war es wichtig, 1892-95 ein ontologiekritisches Bewußt-
sein gewonnen zu haben, welches nicht voreilig methodische Annahmen zur Ontologie auf-
spreizt und aus dieser heraus argumentiert. So kann er sich problemlos von der Erkenntnistheorie
zur Ethik hinwenden. Im frühesten Wurf legt er den Schwerpunkt auf die ” sittlichen Gefühle”
(Schwarz 1896, 102). Diese bestimmen die Moral, ohne daß vom moralisch Handelnden viel
mehr gewußt werden muß. Solche Gefühls-Ethiken gab es zuvor bei Adam Smith (vgl. Schwarz
1896, 101), Shaftesbury, Hutcheson und in Schillers Kantkritik. Für den reflektierenden Philoso-

213 ”Vielmehr so wie Gottes Erkenntnis sich auch auf das richtet, was weder gewesen ist noch sein wird, das vorzu-
bringen er gar nicht die Absicht hat und von dem in der intuitiven Anschauung die Nichtexistenz nicht abgetrennt
werden kann, so schaute Gott vor der Schöpfung auch solches Nichtexistierende an, das sich zu den Dingen verhält
wie etwa der vernichtete Sokrates zum wirklichen Sokrates. Das ist es, was man, ehe die nominalistische Kritik kam,
mit Ideen der Dinge verwechselt hatte” (Schwarz 1895, 85). Auch andere Zeitgenossen mühten sich damit ab: der
obligatorische Kommentar der Neukantianer war nicht mehr der der Sentenzen, sondern der von Platos Sophistes
(Brach 1996), der nach dem Nichtseienden fragte. Heideggers Behauptung von 1929, nach dem Nichts sei nicht ge-
fragt worden, ist angesichts dessen als absurd zurückzuweisen.
214”Ähnlich gilt vom Nichts, daß es weder in Gedanken noch in Wirklichkeit existiert” (Schwarz 1894a, 6).
62

phen erhebt sich nach Schwarz allerdings das Problem, wie die `Erhabenheit´ der Gewissensge-
fühle, mithin ihr Vorrang vor anderen erkannt werden kann. Sind sie nur ein Gefühl neben ande-
ren, wäre der Entschluß zur Moral reine Willkür und der Zufall entschiede. Nähme man dies an,
seien die Kulturvölker nicht als sittlich, sondern als bloß dressiert zu denken. Das Eigenrecht des
Pflichtbewußtseins werde so nicht erreicht. Seine ”nativistische Erklärung des Pflichtbewußtseins”
(122) nimmt kurzerhand einen die Ethik naturalisierenden ”Pflichttrieb” (125) an, der zwar die
selbstischen, nicht aber die unselbstischen Neigungen ausschließe. Dem Zufall bei der Bestim-
mung desselben entgeht er durch die (trotz aller Erkenntniskritik kognitivistische) Zuwendung zu
einem
”höheren, über uns hinausliegenden Prinzip” : ”Nur durch das Vorhandensein eines solchen über uns
hinausliegenden höheren Wertes, an dem wir durch selbstlose Hingabe teilnehmen, erhalten unser Ge-
fühle einen vernünftigen Sinn (...) Die nativistische Lösung des Pflichtproblems weist hiermit in eine un-
zweifelhafte Analogie zu der realistischen Erkenntnislehre” (133).

Seine erkenntniskritische Haltung hielt ihn aber davon ab, in naivem Realismus einen solchen
Wert einfachhin zu behaupten. Zwar ist nach dem kritischen Realismus davon auszugehen, daß
auch den sittlichen Gefühlen `etwas´ korreliere. Dennoch ist zuvor - more arithmetico - zu prü-
fen, mit wie gearteten Phänomenen man es überhaupt zu tun habe. Dies geht er 1896 in Rezepti-
on von Axiomen von Brentanos und Meinongs an - ein erstaunliches kleines Werk. Erste wirk-
215

lich eigene Ausarbeitungen dieser Problematik bringt aber erst die nächste Werkgruppe.

III.2.a) Psychologie des Willens (1900)


Gegenüber der Unterordnung der Ethik unter das Gefühl, wie noch 1896 bei ihm selbst, oder un-
ter den Verstand, wie bei vielen anderen (er nennt den Rationalismus der Aufklärung wie den
Monismus der Naturwissenschaften), verortet Schwarz die Ethik in seiner nächsten Werkgruppe
nun im Willen - zunächst ganz kantisch. Dieser Wille aber ist dermaßen autonom, daß schließ-
216

lich auch noch Kants Ethik als "heteronom” (1902, 139) erscheint, da sie dem Willen in Form des
Sittengesetzes noch etwas vorschreibt. Nach Schwarz ist es der Wille selbst, der synthetisch, d.h.

215 Einen "Gewissenstrieb" nahm bereits Crusius an (Pongratz 1984, 65 f.) Zu Brentano siehe Stegmüller 1960.
Schwarz `verbessert´ Meinongs moralische "Werteformel" so: gegeben W: Wert einer Handlung, u: riskiertes Übel
für mich, G: erwirktes Gut für andere, C und k: Proportionalitätskonstanten, dann gilt: "W (G.u) = + C. ((u & C) /
G)k" (Schwarz 1896, 65 f.). Verfasser bekennt offen, dem nur wenig abgewinnen zu können.
216 Bereits 1894a zog er das Fazit, Kant werde in der Erkenntnistheorie zu hoch, in der Ethik jedoch zu gering ge-
achtet. 1901 gibt er in § 3 (unter: "feste Richtlinien") eine regelrechte Kant-Paraphrase.
63

schöpferisch "vorzieht ": er stiftet durch seinen sittlichen Entschluß eine Hierarchie von Werten.
Werte als solche bleiben - übersinnliche - Gegenstände des Fühlens (Gefallens), wie es im Neu-
kantianismus und bei Brentano ja üblich war. Nur sei eben die Frage der Ethik nicht die nach
dem Guten, sondern die nach dem Besseren. Stets gibt es verschiedene Werte; die bloß analyti-
sche Wahl, die nach der Wunschgröße geht, bleibt vormoralisch. Das kantische Muster läßt nach
einer ”Begründung" der Ethik suchen. Kant suchte einen Rechtsgrund, Schwarz tendiert eher zu
217

einer objektivistischen `Erklärung´ moralischer Ansprüche ("Normgesetze des Willens”, Schwarz


1900, §1). Erst eine Unterscheidung der moralrelevanten (`freien´) und der außermoralischen
(`natürlichen´) Handlungssphären ermöglicht ein sinnvolles Reden von Moralität. Schwarz geht
von einem monistisch-deterministischen Weltbild aus und sucht von dort her die Ebene der kan-
tischen Moral wiederzugewinnen, indem er sich auf die Psychologie stützt - gegen Hedonismus,
Utilitarismus und Materialismus sowie konkurrierende Neukantianer. Er legt nun die Trennung,
statt in die Handlung, in `den´ Willen selbst hinein, indem er dort untere von oberen Begehrungs-
vermögen unterscheidet. Naturkausalität erstrecke sich nur auf die unteren Vermögen, während
die oberen `frei´ seien. Die von Rickert gewonnenen Freiräume diesseits der Grenzen naturwis-
senschaftlicher Begriffsbildung werden damit psychologisch unterfüttert. 218

Bezeichnenderweise wird als Beispiel zur Gewinnung einer Naturgesetz-freien Region die Logik
eingeführt - im Anschluß an Husserls Psychologismuskritik (Schwarz 1900, 11; auch 1902, 192).
Dies entspricht zwar dem Phänomenalismus der kantischen Erkenntnistheorie, nach welchem
Naturgesetze von der menschlichen Vernunft allererst gesetzt werden. Die Kantische Freiheit aus
der Moralphilosophie wird dadurch allerdings verfehlt, da dort ein logisch-verrechnendes Den-
ken gerade abgewehrt wird. Der ganze ”kausale Dualismus" (1912, 20) ist von dieser Doppeldeu-
tigkeit getroffen: Schwarz nimmt zuviel aus der Natur mit in die Freiheit herein. So sucht er 219

etwa, in dem Glauben, der Moral damit einen Dienst zu erweisen, einen ” immateriellen Träger”
(1900, §1, auch noch Schwarz 1922a) genannt Seele, welcher die nichtempirischen Funktionen
des Willens soll ausführen können - dies ist genau der Reduktionismus der physiologischen Psy-
217 Die Suche nach Letztbegründungen bei K.O. Apel wird zwar andernorts fündig, ist aber als Suche vergleichbar.
Schwarz 1900 trägt den Untertitel: Zur Grundlegung der Ethik, Schwarz 1901: Eine Ethik auf psychologischer
Grundlage. 1903 hält Schwarz einen Vortrag: Die psychologische Begründung der Ethik (Schwarz 1943, 16 ff., er
hatte sie bereits 1894 in Halle als Antrittsvorlesung gehalten, siehe seine Akte UA Halle Rep.21 III Nr. 142).
218 Schwarz hatte diese Schrift (Rickert 1896 ff.) im Jahre 1903 rezensiert (Literaturverzeichnis). Oberes Begeh-
rungsvermögen war bei Kant nur die praktische Vernunft selbst (KpV, 44); Schwarz eliminierte schon hier die Ver-
nunft, später ersetzte er "praktische Vernunft" durch die Sekundärtugend "Pflichtbewußtsein" (BDPh 1930, 391).
219 Denkbar wäre auch, `Natur´ moralisch aufzuwerten (vgl. heutige Öko-Ethik). Dagegen polemisiert Schwarz aller-
dings, und nur daher ist dies ein Lapsus. Die Pointe: bei Schwarz ist der Wille ist gegen die (naturalisierten) `Norm-
gesetze des Willens´ gerade unfrei (Schwarz 1900, 353: "natürliche Sanktion des Sittlichen").
64

chologie, den er eigentlich abweisen wollte. Die unsaubere Trennungslinie, die sich später in der
quasi-kosmischen Redeweise als verhängnisvoll erweist, ist bereits abzusehen - gänzlich gegen
seine durchaus hellsichtigen Intentionen. Die willenspsychologische Grundlegung der Ethik kann
- Schwarz entgegenkommend - als Klärung ethischer Grundbegriffe interpretiert werden. Sie läßt
sich knapp in schematischer Gliederung erfassen. In Absetzung vom Gefühl werden die Willens-
akte dem Denken parallelisiert:

Seelenvermögen Leitdifferenz Funktionsweise Binnendifferenzierung


Denken wahr / falsch aktiv, subjektiv höheres (Urteilen) vs. niederes (Wahr-neh-
men, Vorstellen, Erinnern, Einbilden)
Wollen wert /unwert aktiv, subjektiv höheres (Vorziehen) vs. niederes (Gefal-
len)
Fühlen Lust / Unlust passiv, reaktiv (Empfinden)

Die Trennung der Willensregungen vom Gefühl dient als Absetzung vom Hedonismus: gegen-
wärtige private Zustände von Lust und Unlust sind zwar ein möglicher, aber nicht der einzig
mögliche Gegenstand des Gefallens. Dieses kann sich vielmehr auch auf Nichtgegenwärtiges und
Nichtsubjektives richten. Sein Korrelat sind die Werte. Diese mißversteht Schwarz nicht objekti-
vistisch, sondern als den jeweiligen Handlungen innewohnende Normen. Daher ist das Gefallen
220

objektlos (nicht aber gegenstandslos). Er unterscheidet in der "Einteilung der Werte und Unwerte,
die uns im Gefallen und Mißfallen bewußt werden” aufsteigend das Gefallen an "psychische(n) Zu-
ständen”, "psychischen Akte(n)”, "an sich als seelischer Person”, an "Zustände(n) und Personen ande-
rer”, an "menschliche(n) Gesamtheiten als Ganzes” und solches an "ideelle(n) Fremdwerten” (wie
”das Schöne, Wahre, Gute"; 1901, 36 ff.).
Die Parallelisierung mit dem Denken - die schon bei Sigwart begegnet (1900, 16) - ermöglicht
eine Binnendifferenzierung innerhalb des Willens, die basale Gefallensregungen von komplexe-
ren Vorziehensakten unterscheidet. Das Vorziehen steht über dem Gefallen und entscheidet, wel-
ches Gefallen zum Tatmotiv werden soll. Es richtet sich somit nicht mehr auf Werte, sondern auf
das verschiedene Gefallen an Werten. Innerhalb des Vorziehens wird noch einmal unterschieden
zwischen analytisch und synthetisch - erneut eine Kant-Reminiszenz. Diese weitere Differen-
221

220 Analog zum "logischen Zwang", den Schwarz pragmatisch interpretiert ("in unseren logischen Prozessen selbst
steckt die Norm", 1900, 15), sind auch die ethisch relevanten `Werte´ eigentlich Verfahrensregeln des moralischen
`bewertens´: "Wert ist alles das, dessen Sein wir lieber wollen als sein Nichtsein ... (Fußnote:) Zugleich empfiehlt
sich ... der Ausdruck `Werthalten´. ( ...) Wollen = Gewilltsein ist aber ein komplexes Phänomen, das sich in Lieber-
wollen, Gefallen und vorstellungsmässiges Ursachbewußtsein auflöst" (1900, 318).
221 Schwarz nennt seine Ethik ”apriorischen Voluntarismus”- er führt eine neues synthetischen a priori ein, welches
kein Verstandesurteil, sondern eine schöpferische Willensregung sei (269, vgl. 1943, 45).
65

zierung ermöglicht eine Integration bereits bestehender Willenspsychologien in die Schwarzsche,


die eigentlich auf etwa anderes hinauswill. Gefallen kann "gesättigt ", d.h. wunschlos, oder "unge-
sättigt ", d.h. mit aktuellen Wünschen verknüpft sein. Innerhalb des "analytischen Vorziehens” ent-
scheidet so die Wunschgröße über die Handlung: "Wir ziehen analytisch vor, wenn wir die Kenntnis
des Besseren oder Vorzüglicheren schon anders woher gewonnen haben, nämlich aus dem Sättigungs-
und Kontrastverhältnissen des Gefallens und Missfallens ” (Schwarz 1900, 317).222 Solch Verhalten ist
aber noch immer quantitativ induziert. Erst das ”synthetische Vorziehen”, welches zwischen ver-
schiedenen quantitativen Gefallensreihen qualitativ wählt, reformuliert die Willensfreiheit. Dies
ist der Kern der Argumentation gegen den Willens-Determinismus, der die reine Motivstärke, die
von außen her bestimmt wird, entscheiden ließ. Verschiedene Menschen werden zwar verschie-
den wählen. Innerhalb des synthetischen Vorziehens herrscht ob der Mannigfaltigkeit von Wer-
tungsunterschieden jedoch keine Willkür: Schwarz formuliert an dieser Stelle die ethischen
Axiome. Sie sind ein Äquivalent der kantischen formalen Verfahrensregeln, nur daß sie nicht aus
der Vernunft, sondern aus dem Willen kommen. Die ersten beiden bestimmen den jeweiligen In-
halt der Moral, das (spätere) dritte schreibt diesen als Pflicht vor:

(1) ” Das Wollen eignen Personwerts steht über der Rücksicht auf die eignen Zustände.”
(2) "Das Wollen religiöser, mitmenschlicher, sozialer und ideeller Fremdwerte steht über
dem Wollen von Eigenwerten” (beides 1901, Vorrede).
(3) "Das Gefallen am synthetischen Vorziehen steht höher als jedes andere Gefallen” (1902, 188).

Die Axiome treten in dem willenspsychologischen Modell erst an der Spitze auf. Sie lassen sich
in einer vertikalen schematischen Anordnung der Fakultäten des Willens wie folgt verorten:

Vorziehen - synthetisch nach Maßgabe der drei Axiome - qualitativ


- analytisch nach Sättigungsgrad des Gefallens - quantitiv
Gefallen zeitenthoben an Zustands, Person- oder Fremdwerten
(Lust nur gegenwärtig eigene Zustände, erzeugt durch Gegenstände)

Horizontal ergibt sich folgende Ketten von Spezifizierungen (unter dem Strich die zugehörigen
niederwertigen Bestimmungen, die k e i n e Kette bilden):

-Seele -Wollen -Vorziehen -synthetisch -Fremdwerte -Volk


Leib Denken Gefallen analytisch Eigenwerte Ideen

222 Meinong und Brentano, ja schon Wolff hatten solche Kasuistiken erarbeitet - eine Frühform `analytischer´ Ethik.
66

Obwohl Schwarz der Unterbestimmung der Willensfreiheit durch Subsumierung unter das Ge-
fühl (1) oder den Verstand (2) zu entgehen meint, bleibt er ihr dennoch verhaftet. Ein derart de-
capitierter Willen ist letztlich, in actu, doch auf Gefühl und Verstand angewiesen:
(1) Der sittliche Wille entscheidet sich a priori richtig, und zwar durch Introspektion. Entscheidet
er falsch, war er eben nicht sittlich (sondern `widergeistig´, wie er es späterhin nennt). Diese 223

Bestimmung ist tautologisch. Es kann danach keine moralisch `böse´ Handlung geben, sondern
nur entweder außermoralische oder moralisch gute. Hierüber stolperte schon Kant. Mit ihm teilt 224

er die beiden Voraussetzungen, daß (a) Moralität ein Faktum ist, dessen Wirklichkeit es nicht zu
beweisen, sondern deren Möglichkeit es zu erweisen gilt; und (b) daß der gute Wille "objektlos "
225

sein muß (1901, §12). Die Möglichkeit, dem Willen prozessural Verfahrensregeln an die Hand
zu geben, ist bei Schwarz durch eine Prämisse verunmöglicht, welche ihn jegliche Fremdbestim-
mung des Willens ablehnen läßt. Sie will, daß "das synthetische Vorziehen keinem fremden Zwang,
sondern selbsteigenen Regeln folgt” (1901, 44). Verfahrensregeln, die aus der Vernunft kommen,
sind nicht gelitten. Die häufige Erwähnung Schopenhauers läßt aufhorchen: der Wille ist hiermit
tatsächlich blind - und wird vom G e f ü h l geleitet.
226 227

(2) Auch der Verstand wird, durch die Hintertür der Reflexion, wieder eingeführt: wahrhaft syn-
thetisches Vorziehen ist nur solches, das sich bestimmten Werten hingibt, die in der Reflexion
bestimmt zu werden vermögen. Soviel er auch sonst von Kant übernimmt (1901, §3; siehe dort
den Aufbau des Inhaltsverzeichnisses) - zwischen Verstand und Vernunft unterschiedet Schwarz
n i c h t. Dennoch beansprucht er etwas Dahingehendes, da seine eigenen Reflexionen sich nicht
mit dem decken, was er über den Verstand ausführt. Schwarz bewegt sich mithin auf einer re-

223 "Das synthetische Vorziehen hingegen zeigt durch seinen eigenen Akt erst an, wo das Bessere liegt" (Schwarz
1900, 317 f.), es "schafft durch seinen Akt ganz neue Würdeunterschiede" (1901, 52; ähnlich 42). Für diese "innere
Evidenz" (1900, 15) gibt es keine Kontrollinstanz: "Wohin es sich entscheidet, darauf erglänzt der Strahl göttlicher
Würde" (1901, Vorrede). ”Nicht also das Gesetz der Sittlichkeit zu erkennen, sondern die Unmittelbarkeit daran zu
spüren und sie rein aus solchem unmittelbaren Gefallen üben zu wollen, den imperativen Impulsen wegen ihrer ei-
genen sittlichen Würde zu folgen, das macht die innere Revolution” (1901, 87 f.). "Introspektive Psychologie" be-
trieb Schwarz übrigens schon als Knabe (Schwarz 1945, 4 f.). Kant ordnete das Gefallen dem Gefühl zu (KdU, §1).
224 Kant versuchte sich durch einen "Hang der Willkür" (RGV, 23 f.) und einen "obersten inneren Grund der Anneh-
mung aller Maximen" (ib., 61) zu helfen, welche Moralität und das `Böse´ zusammen bestehen ließen.
225 "Die menschliche Sittlichkeit bewegt sich, wie sehr die Lebensverhältnisse wechseln, immer in den Formen der
Gerechtigkeit und Rücksichtnahme, der Selbstbeherrschung und der selbstlosen Hingabe. Den Schlüssel ... geben
jene Axiome. Indem die ethische Wissenschaft sie entdeckt, wird sie den Menschen zur Fackelträgerin" (1900, V).
226 "So ist das synthetische Vorziehen, wenn man will, blind" (1901, 54; ebenso 67, 87). Schopenhauer wird 1900,
§1 als Gewährsmann aufgerufen; 1901, 5 eher kritisch. - Auch für den frühen Gehlen war Schopenhauer bedeutsam.
227 Letzter Bestimmungsgrund ist das "Gefallen an reiner Sittlichkeit" (1901, 86): das analytische Vorziehen wird
vom Gefallen an Seiendem (1900, 318), das synthetische vom Gefallem am Selbstsein (1900, 337) geleitet, welches
sich einstellt bei entsprechenden Verhaltungen (vgl. bei Gehlen: "Wollenwollen", bei Heidegger:
"Entschlossenheit").
67

flektierenden Ebene, die er nicht mehr selbst reflexiv einholt. Da Schwarz schon hier den Ver-
228

stand in den Willen hineinzieht - er wird regelrecht `aufgesogen´ -, den Willen aber letztlich
durch das Gefühl substituiert, kann er 1921 getrost die Kantische `Vernunft´ unterschlagen und
das `Denken´ dem `Fühlen´ und `Wollen´ unterordnen. Der Preis, den Schwarz für seine Detran-
szendentalisierung zahlt, ist die Zerstörung der Vernunft. 229

III.2.b) Das sittliche Leben (1901)


Ist das Werk von 1900 Grundlegung, so bringt das von 1901 die materiale Ausführung. Diese 230

wagt sich aus der Abstraktion vor und wartet mit Überraschungen auf: trotz der kantisch-forma-
len Methode ist der Inhalt weitgehend aristotelisch und hegelianisch. Der Hegelianismus macht
sich bemerkbar in der historischen Einbettung, die Schwarz zuweilen als Bestätigung seiner The-
sen heranführt (129, 313), der Aristotelismus an der Konkretheit der Normen, die er selbst for-
231

muliert, sowie vor allem an der aufweisenden Methode. Unverkennbar ist, daß Schwarz die mo-
ralphilosophische Tradition breit rezipiert hat. Die materialen Ausführungen sind eine zeitgemä-
ße Reformulierung derselben, wie besonders die sittlichen Axiome zeigen. Er gibt freimütig zu,
daß das erste Axiom der "Gerechtigkeits- und Selbstbeherrschungsethik der Antike", das zweite der
"Rücksichtnahme- und Hingabepredigt des Christentums" und das dritte Kants Gewissen entspricht
(Schwarz 1901, Vorrede; 1902, 188). 232

Die vielfältigen Differenzierungen erlauben überraschende Neufassungen. So reformuliert er das


höchste Gut als einfache Gefallensregung ohne Normbewußtsein, das sittlich Gute als ”die psy-
chologische Thatsache des Gefallens am synthetischen Vorziehen”, das sittlich Bessere als dieses Vor-
ziehens selbst (Schwarz 1901, 67). Der Begriff der Willensfreiheit wird vorbehalten für den Fall,
daß ”das sittliche Wählen keinem Motivzwange gehorcht” (im psychologischen Sinne) oder gar ”sei-
nerseits Motivkraft übt” (im metaphysischen Sinne, 96). Mit seinen Reformulierungen will
Schwarz metaphysische Hintergrundannahmen fernhalten, die in tradierten Formulierungen mit-
geschleppt worden sind - ganz ähnlich wie in seiner Erkenntniskritik. Darum legt er, wie zuvor

228 Schwarz verortet `Reflexion´ im Gefallen: das Gewissen sei "reflexionsartiges Gefallen" (Schwarz 1901, 37 / 66,
vgl. KpV, 176). Pichler: Vernunft und Verstand, mystifiziert die Leerstelle `Vernunft´ (Festschrift für Schwarz 1934),
in die K a n t die Prinzipien des "Begehrungsvermögen" ja gelegt hatte (Kant 1968 X, 20; vgl. Kittsteiner 1991).
229 Agnes Heller sagte in einem Gespräch, die Zerstörung der Vernunft (Lukács 1954) sei das schlechteste Buch von
Lukács, da es einen Irrationalismus nicht gebe. Die Willenspsychologie von Schwarz widerspricht dem eklatant.
230 Die Parallele zur Grundlegung und der Metaphysik der Sitten ist nicht zu übersehen (Kant 1968, Bd. VII f.).
231 Der Titel zitiert Hegel (”Der Geist ist das sittliche Leben eines Volks”, Hegel 1970, Bd.3, 326) und Wundt 1886.
232 Zur Stoa siehe 1901, 145, wo er Horaz und Juvenal zitiert (vgl. Kant, KpV 283); zum Christentum 331 ff. (”Der
moralische Glaube zeigt uns den göttlichen Willen in einem neuen Licht. Ihn hat Jesus Christus gelehrt”, 344).
68

den psychologischen Tatbestand, hier den ethischen von ihm selbst her frei, um nach dieser rei-
233

nen Deskription eine angemessenere Interpretation zu ermöglichen.


Der scheinbar inhaltsleere Formalismus wird mit einer naturrechtlichen und einer christlichen
Ethik verbunden. Da die Axiome des synthetischen Vorziehens geschichtlich entstanden sind,
treten sie an die Spitze, ohne das unter ihnen liegende umzustoßen. Darin sah Schwarz eine Ver-
söhnung Schillers mit Kant (1901, VIII). In der Reflexion wird aus den Axiomen deduziert,
234

aber eben das, was an materialer Sittlichkeit schon da ist. Diese transzendentale Klärung der Be-
dingungen der Möglichkeit von Sittlichkeit kennt also mehrere Quellen derselben. Wenn
Schwarz den Willen als blind, Sittlichkeit dagegen als ein Faktum behandelt, das sich zudem al-
lein aus dem Willen soll speisen können, ist dies kein Widerspruch, sondern eine Vermittlung
von Aristoteles und Kant auch betreffs der Inhalte: nur die Gesinnung entscheidet über die ”sittli-
che Reinheit” (1901, 55) einer Handlung - soweit gibt er Kant recht. Die Bestimmung des Inhalts
aber ist auf schon bestehende Sittlichkeit - den Alltag - verwiesen, welche daher schon bei Ari-
stoteles aufgewertet wurde. Mit diesem schätzt Schwarz das ”öffentliche Gewissen” in seiner Be-
deutung für die Motivierung einer moralisch richtigen Tat hoch ein: 235

”die Begriffe, die in einer Gemeinschaft darüber gelten, welche Handlungs- oder Verhaltensweisen sitt-
lich recht, und welche unrecht sind ..., halten dem Einzelnen einen Codex entgegen, der unter Umstän-
den weit über seine eigene ethische Reflexion hinausreicht. ... vergleichende(n) Aussagen, die die man-
nigfaltigen Personwertbestrebungen werten ... sind in der Gemeinschaft schon tausendmal hervorgetre-
ten und treten immer wieder hervor.” (146f.)

Aus demselben Grunde erfährt auch die Pädagogik eine hohe Stellung: zwar ist Autonomie We-
sen und Ziel aller Ethik. Nicht aber im Sinne eines je schon fertigen, autarken Robinson-Atoms,
sondern im Sinne der Autonomie des Willens. Diese hebt erst mit dem synthetischen Vorziehen
an und setzt eine Menge voraus. Die Individuen bedürfen der Anleitung, um diesen Punkt über-
haupt zu erreichen - gefordert ist eine ”sittliche Erziehung anderer” (§ 12). Schwarz betrachtet die
praktische Intersubjektivität immer schon miteinander gelebten Lebens als Analyse-Ebene der
Moralphilosophie. Dies gilt heute als progressiv, war aber Grundbaustein der Tradition. Dazu ge-

233 In den Ethikvorlesungen spricht er in seltsamem Positivismus vom "wirklichen Sachverhalt" (1943, 412), vorher
von den ”Tatsachen der Verantwortlichkeit, der Vergeltung” (1912, 142).
234 Die Axiome als sich ihrer selbst bewußte Moralität sind - mit Hegel - erst "hervorgegangen" (Hegel 1970, Bd. 7,
198), während es irgendeine Form von Sittlichkeit immer schon gibt. Bei Hegel ist diese Unterscheidung gebunden
an die "bürgerliche Gesellschaft" - und diese "gehört übrigens der modernen Welt an" (Hegel 1970, Bd. 7, 339).
Schwarz stützt den "geschichtlichen Fortschritt" (1900, 337) hier auf Wilhelm Wundt (Wundt 1886).
235 Kants Aufwertung der Öffentlichkeit fiel in die politische und Rechtsphilosophie, sie steht im Zusammenhang
mit der `Legalität´. In der Moralphilosophie, wo es um die Beurteilung der `Moralitität´ geht, wäre das öffentliche
Gewissen bloß ”empirischer Bestimmungsgrund” (KpV, 148).
69

hört die Vagheit sittlichen Urteilens (traditionell: der phronesis), die nur an Beispielen lernen
kann (129), sowie die Rolle von ”Zucht und Gewöhnung” für das Erlernen der Tugend als einer
dauerhaften Grundhaltung. Ähnlich der Verknüpfung der kantisch-formalen axiomatischen mit
236

den aristotelisch-aufweisenden Methode gibt es auch betreffs der inhaltlichen Positionen von
Aristoteles und Kant eine Stufung. Die gelebte Sittlichkeit des M a ß- haltens wird als Billigkeit
(§16) integriert (”es handelt sich um die richtige, verhältnismäßige Schätzung anderer untereinander,
... unser Verhältnis zu den Mitmenschen”, 159 f.), die abstrakte Unbedingtheit der Moralität als Ge-
rechtigkeit hinsichtlich der jedem Menschen eigenen W ü r d e. Sie wirft die Billigkeit nicht um,
sondern ergänzt und korrigiert sie (160):
”Gerecht sein heißt, den Wert aller Mitmenschen untereinander und mit dem eignen wahren gleich set-
zen. (...) Gerechtigkeit ist ... die ... Lösung der Frage, wie man Menschen als solche unabhängig von ih-
rer Beziehung auf irgendeinen Einzelzweck werten müsse. (...) liegt mein wahrer Wert ... darin, daß ich
dieses seelische normbestimmte Wesen bin, das hoch über seinen Zuständen und allem Äußeren steht:
nun wohl, dann tragen meine Mitmenschen die gleiche Himmelsprägung”.

Fundamental sei die ”logische Wahrheit” der Billigkeit, auf der die ”sittliche Wahrheit” der Gerech-
tigkeit aufruhe (169). Beide zusammen erlauben es, in einer Rekonstruktion des Naturrechts (§
18) materiale Normen zu deduzieren, mithin eine neue `Synthesis a priori´ zu bilden:
”Die Verbindung der Gedanken von Billigkeit und Recht führt nämlich zu dem Satze: überall, wo man
mit anderen in Mitbewerb eintritt, soll man sich im Verhältnis zu den Mitmenschen nicht anders werten,
als einem ein unparteiischer Dritter nach Billigkeit zustände. Man kann das schlechtweg als den Grund-
satz der Unparteischkeit bezeichnen” (169).

Das `Naturrecht´ ist allerdings nur die eine Seite der Sittlichkeit. Sie wird aus der Personwertmo-
ral gespeist und aus dem ersten Axiom abgeleitet. Die Selbstlosigkeit der Menschenliebe (das
zweite Axiom) verarbeitet die christliche theologische Ethik (”Die Liebe zu den Mitmenschen trägt
die andere Hälfte (Fremdwertmoral)”, 169) - eine dritte Tradition der Ethik. Diese war bislang den
beiden philosophischen Ethiken (die bereits untereinander quer liegen) meist entgegengesetzt.
Bei der Fremdwertmoral kommt nun als Garant des Altruismus Gott mit ins Spiel: ”Wir stehen in
einem metaphysischen Verhältnis zu Gott: darum können wir altruistisch Fremdwerte wollen” (66,
ebenso 200). Die christliche Ethik wird harmonistisch in den Gesamtentwurf zu integrieren ver-
237

sucht - vergeblich: Im Pflichtenkonflikt treten die Widersprüche zwischen den verschiedenen


Ethiken wieder hervor. Innerhalb der Personwertmoral ist die Entscheidung leicht, da hier die

236 Gehlen nannte dies mit Hume schlicht ”Gewohnheit” (Rügemer 1979, 16), Wittgenstein 1984, 239 ”Abrichtung”.
237 Schwarz zitiert Martin Kähler (1901, 66) - genau wie später Heidegger (SuZ, 272). Kähler gehörte der konserva-
tiven Fraktion an und war zu Studienzeiten von Schwarz Rektor in Halle.
70

Axiome noch greifen. Schwierig wird es in der Fremdwertmoral. Schwarz widmet dem dorti-
238

gen Pflichtenkonflikt ein eigenes Kaptitel (VIII), in dem er folgert: ”Zu welchem Fremdwerte sol-
len wir uns entschliessen, wenn mehrere streiten? Zu dem, der uns und andern Menschen der gemein-
samste sein kann” (363). Die Pflichten gegen Gott und das sittliche Gesetz scheiden aus, da sie in
jedem wahrhaft sittlichen Handeln ohnehin miterfüllt sind (353). Es bleiben die ideellen und die
sozialen Fremdwerte. Schwarz votiert eindeutig für die letzteren:
”Welches Thun daher, lautet die entscheidende Frage, pflegt die sittliche Gesinnung am vielseitigsten?
Ist das ideelle Eintreten für die Kunst und Wissenschaft sittlich vielseitiger, oder ist es das soziale Ein-
treten für menschliche Gesamtheiten? Letzteres: denn das Staatsleben kann alle andern sittlichen Zwe-
cke in sich aufnehmen” (366).

In diese Bestimmung gehen einzelne Schutzklauseln ein: die ”Achtung gegen die Mitmenschen”
(359) schränkt den Opferwillen Einzelner genauso ein, wie ”das soziale Ganze, für das einzutreten
oberste Hingabepflicht ist, ... nur ein sittliches Gemeinwesen sein” kann und darf (367). Dieses Ge-
meinwesen wird schließlich noch genauer bestimmt, und damit ist die Ethik vollendet, die er
nach 1933 bruchlos anwenden kann:
”Die modernen Staaten sind Kultur- und Rechtsstaaten. Wenigstens strebt man in ihnen danach, daß sie
immer mehr zu solchen sittlichen Gemeinwesen werden. ... Die modernen Staaten nennen sich außer-
dem Nationalstaaten. Hiermit ergänzt sich das ethische Ideal, das sie verkörpern. (...) Im Begriffe des
nationalen Staates ist die Wärme der Neigung aufgenommen” (381).

Schwarz´ Ethik ist geprägt von einem Krisenbewußtsein (”In unserer Zeit gährt es”, 1901, 1), de-
ren Ursache er vor allem in geistigen Fehlentwicklungen sieht (”theoretische(n) Ratlosigkeit”,
a.a.O.). Die Reformulierung der Tradition, in der Schwarz einen Lösungsweg sah, war um so nö-
tiger, als die szientifische Orientierung seiner Zeit über derlei hinwegzugehen sich gewöhnt hat-
te. `Reformulierung´ bedeutet auch `Transformation´ - nolens volens, denn es gibt keine ”ein für
alle Mal” gültigen und verfügbaren Bestände.239 Jede Artikulation eines historischen Satzes ge-
schieht aus einer wiederum historischen Situation, die die Bedeutung desselben auch dann ver-
schiebt, wenn es nicht die Intention des Autors ist. Solche Ausführungen erlauben - neben aller
Eintragung derselben in eine `reine´ Philosophiegeschichte - Rückschlüsse auf die Verortung des
Autors im sozialen Umfeld seiner Zeit; besonders dann, wenn mit einer Norm ihre Applikation
gleich mitgeliefert wird. Schwarz´ Hintergrund ist das wilhelminische Deutschland der Jahrhun-
dertwende, und zwar aus der Sicht eines wissenschaftlich ambitionierten Patrioten mit Hallen-
sisch-pietistischem Hintergrund. Bereits die Einleitung zählt die ”brennendsten sittlichen Aufga-

238 Schwarz deduziert den Satz: ”das Wollen des mehr innerlichen Personwerts ist ... vorzuziehen” (1901, 139).
239 Um eine der von Schwarz geliebten Stilblüten aufzugreifen - die er jedoch affirmativ benutzt.
71

ben” auf (1901, 1 ff.): die ”soziale Frage” - vor allem die Arbeiterbewegung; die ”Frauenbewe-
gung”; die ”hygienischen Bestrebungen” - gegen die Prostitution, für naturgemäßes Leben; der
Streit ”zwischen Religion und Moral” - gemeint sind die Altlasten des Bismarckschen Kampfes
zwischen Kirche und Staat; die ”Frage des internationalen Rechts” - angestoßen vor allem durch
die Differenzen in der Kolonialpolitik; schließlich die ”soziale(n) Gesetzgebung” - also die Diskus-
sion um das bürgerliche Gesetzbuch (BGB), welches dem Kaiserreich deutliche Züge eines Sozi-
alstaats gegeben hatte. Es gibt kaum Politika, zu denen sich Schwarz nicht äußert, aber all diese
politischen Probleme werden als `bloß´ ethische mißverstanden. Damit steht Schwarz nicht ab-
240

seits, sondern in der Linie eines für damalige Verhältnisse recht progressiven Reformismus. Ins-
besondere der Neukantianismus hatte sich für derartiges stark gemacht, auch wenn ihm dies von
rechts als `Kathedersozialismus´ und von links als `Revisionismus´ angekreidet wurde. Zwischen
dem ausformulierten Argumentationsmaterial der philosophischen Ethik und den Wertungen und
bisweiligen Kurzschlüssen, in denen Schwarz diese Ethik auf seine Zeit appliziert, ist allerdings
zu unterscheiden. Besonders die Applikation trägt Züge des pietistischen Antimaterialismus. 241

Der Pietismus war eine Erneuerungsbewegung innerhalb des Protestantismus, welche dogmati-
sche und institutionelle Verkrustungen angriff und dem durch immer neue `Begeisterung´ vor-
beugen wollte. Diese Vergeistigung treibt bei Schwarz seltsame Blüten. Zwar läßt sie ihn äußerli-
chen Zwang ablehnen: ”Zwangsmittel können alles mögliche andere bewirken, wahre Menschenwürde
können sie nicht schaffen” (164) - dies verrät den Geist der Utopie, den die offiziellen Institutionen
so gefürchtet hatten, da aus ihm Bildersturm und Zerfall von Herrschaftsmustern drohte. Schwarz
nimmt Predigerallüren an:
auch der Mitmenschen ”wahrer Wert liegt nicht darin, daß ein anderer für sie denkt und sittlich will,
sondern, daß sie es für sich tun. Willst du sie dazu anleiten, o, nichts spricht so sehr zu ihrem wahren
Denken und sittlichem Wollen als deines (vgl. S. 129). Bist du aus dem Geiste geboren, so wirst du ihren
Geist zu treffen wissen. Deine Zwangsmittel aber würden lügen” (165).

Daraus leitet er sogar Meinungsfreiheit ab (167). Der einmal bestehende, aber doch wohl gewalt-
sam eingerichtete Staat dagegen wird von Schwarz ohne wenn und aber akzeptiert; ”der Tod für
das Vaterland bedeutet ... die größte sittliche That ” (378). Dies widerspricht sich nicht unerheblich;
der Glaube, ein Soldatentod sei ohne weiteres gleichzusetzen mit selbstloser Hingabe an Fremd-
werte, ist platteste Ideologie. Sobald es darum geht, w i e die Menschenliebe, die er anhand der

240 ”Klarer läßt es sich nicht aussprechen, daß der letzte Maßstab aller Rechtsprechung auf ethischen Gebiete
liegt” (1901, 4). Diese Bemerkung fällt anhand einer Besprechung BGB, das erst 1900 in Kraft getreten war.
241 Zum Pietismus vor allem Kaiser 1973, Beyreuther 1978 und Scharfe 1980 (hier 33 ff. und 162ff.).
72

Schilderung einer Begegnung mit einem Bettler beispielhaft einzufangen weiß, praktisch umzu- 242

setzen sei, kommt Schwarz ins Schleudern. Obwohl gerade die Applikation die anspornendste
Forderung an einen Philosophen sein sollte, ergeht er sich hier nur in bloßen Andeutungen, die
sich zudem widersprechen. Das Bettler-Beispiel endet nietzscheanisch (161):
243

”Aber kann ich ihm denn etwas schenken, ohne seine Würde zu verletzen? Mit jedem Geschenk gäbe ich
ihm bloße G n a d e. (...) Achtete ich denn auf seine W ü r d e, wenn ich ihn noch so reichlich beschenk-
te, wegginge und in Gedanken zusähe, wie er den Nächsten anbettelte ... ?”

Dem wäre dann zuzustimmen, wenn die Menschenliebe eine bessere Option in der Hinterhand
hätte. Eine staatliche Fürsorge lehnt Schwarz aber gerade ab: ”Mit Armenhäusern, Volkswohlverei-
nen und Arbeitsnachweisstellen ... unterschreibt ihr nur euren Schuldschein” (161). Was soll es dann
heißen, wenn Schwarz ein Hinsehen auf das, woran wir alle ”in Unterlassungssünden mitschuld
sind” fordert, o h n e durch Almosen oder Fürsorgeeinrichtungen abgelenkt zu werden? Möglich
wäre etwa noch der Gedanke an eine sozialistischen Umsturz, welcher die Ursachen der Un-
gleichheit angehen will - aber gerade diesen lehnt Schwarz durch seine Ablehnung von Zwangs-
mittel ja eo ipso auch ab. Der Ausruf ” Löscht die Schuld aus, ihr Heutigen!” (161) stimmt nach-
denklich. An dieser Stelle begnügt sich Schwarz mit der Empfehlung eines erbarmungslosen
244

Blickes, der folgenlos bleibt - ein Ausdruck von Verwirrung angesichts dieses Phänomens, wel-
ches scheinbar nicht adäquat zu behandeln ist. Alle möglichen Einwürfe werden gemacht, so daß
schließlich jeder Weg, damit umzugehen, verstellt ist. Die Verwirrung wird nicht aufgelöst; die
Schuld, die restlos offen gesehen werden soll, wird am Ende dem Bettler selbst zugeschoben:
”Genug, wenn wir uns zunächst dazu aufraffen, Gerechtigkeit zu üben, in allen, die Menschenantlitz tra-
gen, die gleiche Menschenwürde zu sehen. Nichts kann bei irgend einem diesen Glanz beflecken, außer
sein eigenes normwidriges Verhalten. Auch jenen Bettler kann kein anderer als er selbst erniedrigen.
Das thut er, wenn er ... bettelt, um nicht arbeiten zu brauchen, oder wenn er die erbettelten Groschen
durch die Gurgel jagt ... Nein guter Freund: keinen Deut von dem, was Andere schon haben, kannst du
... fordern. Denn alle Habe läßt sich als der angesammelte Erfolg größerer Umsicht, Geschicklichkeit

242 ”Vor mir steht ein armer Bettler, gebückt und mit der Gebärde der Demut. (...) einer der Niedrigsten und Ver-
achtetsten. (...) Aber sind das seine Farben? Es sind meine Farben und die der Gesellschaft. Ich ziehe sie ab: nun
erst kommt sein Wert zum Vorschein. Ein ganz anderes Wesen steht vor mir, ... mit Gottesprägung wie ich” (161).
243 Obwohl er sonst Gerechtigkeit vertritt, lehnt er eine materiell ausgleichende oder gar eine Verteilungsgerechtig-
keit ab: ”Genuß ist kein Objekt, das würdig ist, zur Verteilung zu gelangen” (1901, 172). Es gibt keinen Anlaß, in
Ungleichheiten einzugreifen: die ”Verschiedenheit der Genußquoten ... müßte denn auf andere Ungleichheiten hin-
deuten” (ib.). Dies war das Hauptargument der Arbeiterbewegung: sie setzte nicht bei der Konsumption, sondern bei
der Produktion an. Diese nimmt er jedoch nur grob verzerrt wahr: "Die Marxisten vergotten die soziale Wirtschaft”
(238). Er wertet die Arbeiterbewegung ethisch und schließt: ”unsere Arbeiterbewegung macht es den Unternehmern
schwer, Edelsinn zu zeigen”, sie leide an ”sittlicher Verblendung” (193 f.). Die Ökonomie ist außen vor gelassen.
244 Als schließlich tatsächlich `Asoziale´ - die verkörperte `Schuld´ - ”ausgelöscht” wurden, hatte Schwarz in der
Religionsphilosophie jeden Gedanken an Schuld `ausgelöscht´. Er sieht eine Kontinuität zwischen 1901 und der NS-
Zeit, denn den Abschnitt Ethisches zur sozialen Frage (§ 19) nimmt er noch 1943 in die Gesamtausgabe hinein.
73

und Energie derer, die sie besitzen, oder ihrer Voreltern denken. Es läßt sich ... nicht verlangen, daß die
Söhne Unfähiger an dem teilnehmen, was fähigere Väter ihren Söhnen hinterlassen haben” (162).

Alles Reden von Menschenliebe nützt nichts, wenn dasselbe passiert, als wenn ein Misanthrop
vorbeiginge: nämlich nichts, als daß der Bettler auch noch verhöhnt würde. Wie sehr Schwarz
auch sonst Theorie und Empirie versöhnen will – geht es nicht mehr um praktische Philosophie,
sondern um soziale Praxis selbst, sind ethische und materiale Erwägungen in keiner Weise mehr
vermittelt. Der ethische Gedanke, daß dem Bettler eigentlich ein menschenwürdiges Leben zu-
stünde, wird nicht in materiale Überlegungen, was die Ursachen für sein Los und was mögliche
Abhilfen sein könnten, überführt. Solche werden mit Verweis auf die Ethik gerade verunglimpft.
Moral wird gänzlich subjektiviert, und es bleibt bei der bloßen Gesinnung. Der Status quo wird
so nicht nur erhalten, sondern noch mit moralischer Weihe versehen. Ähnliches begegnet auch
bei der Behandlung der Arbeiter- (§ 19) und der Frauenbewegung (139f.): die Impulse werden
gesehen, von einem moralischen Standpunkt sogar als berechtigt bezeichnet - um schließlich um
so überzeugter zurückgewiesen zu werden. Dieses Grundmerkmal des Pietismus: selbstlose Ge-
sinnung gepaart mit Naivität und politischer Kurzsichtigkeit, war gut in Patriotismus - bei
Schwarz schließlich in den NS - überführbar. Schwarz untergräbt nicht nur Kants Unterschei-
dung von Verstand und Vernunft, sondern auch die zwischen Moralität und Sittlichkeit. Kant
hatte eine Beschränkung auf die bloße Gesinnung innerhalb der Moralität und nur dort gefordert.
Schwarz verlängerte die Schranke in die Sittlichkeit und machte daraus eine `Gesinnungsethik´.
III.3 Religionsphilosophiegeschichtliche Grundlegung (1906-1920)
Hermann Schwarz kam erst spät zur Klarheit über sein eigenes Denken. Beim Erscheinen seines
systematischen Hauptwerks von 1921 zählte er bereits 56 Jahre. Bevor er seine umfangreiche
Studie Der Gottesgedanke in der Geschichte der Philosophie (1913) vorlegte, hatte er schon
große systematische Werke verfaßt. Diese flochten an vielen Stellen vage religionsphilosophi-
245

sche Andeutungen ein. Als er 1906 zu einem Vortrag über Religion aufgefordert wurde, begann
er im Alter von 42 Jahren Studien über die Geschichte der Religionsphilosophie. Dies weitete
sich zu der 600seitigen Monographie (Schwarz 1913), einer 100seitige Vorstudie (1912, dritter
Abschnitt) sowie einer kleineren Göschen-Monographie von knapp 200 Seiten (1922d, basierend
auf Vorlesungen von 1920) aus. Erst diese Studien ermöglichten die eigene Systematik.
Seine historische Untersuchung ist geleitet von Fragestellungen, die er bereits hatte. Obwohl
Schwarz so unterschiedliche Denker wie Anaxagoras, Plato, Plotin, Augustinus, Eriugena, Meis-

245 Vor 1913 sind es bereits über 2000 Druckseiten reine Systematik - alles andere nicht mitgezählt.
74

ter Eckhart, Cusanus und Jacob Böhme behandelt, faßt er all diese Systeme doch in griffige
246

Lehrbuchformeln. Er trägt von außen Leitdifferenzen heran wie ”psychologistisch”/ ”logistisch”


(1913, §2) und ”intellektualistisch”/ ”voluntaristisch” (§19). Psychologistisch sind ihm Systeme,
die Gott als ein Wesen vorstellen, das denkt (1) oder will (2) - er nennt als ”Fortsetzer dieser so-
kratisch-anaxagoreischen Philosophie” neben Giordano Bruno ”Fechner, Lotze, Beneke” (27). Logis-
tisch sind die, bei denen das Gedachte oder Gewollte dem denkenden (3) oder wollenden (4) Be-
wußtsein vorausliegt, wobei zunächst offen bleibt, ob dies Bewußtsein göttlich oder menschlich
ist. Vertreter der logistischen Richtung sind ihm Platon (§3), die Stoa (§5) und Spinoza (1912,
198). Dies läßt sich wie folgt auftragen:

Gottesvorstellung Psychologistisch Logistisch


Intellektualistisch 1) Scotus Eriugena (§16) 3) Platon (§3)
Voluntaristisch 2) Duns Scotus (§19) 4) Stoa (§5), Plotin (§7)

Hinzu treten zahlreiche weitere Unterscheidungen wie ”physikalisch”/ ”axiologisch” (1912, 217
ff.) oder zwischen menschlicher Aktivität und Passivität zur Erwirkung des Heils (bei Plato ak-
tiv: 1913, 41; bei Luther passiv: 429). Bei allen Differenzierungen läßt sich aber eine vermissen:
die historischen Texte werden alle in hermeneutischer Eindimensionalität gelesen: so, als ent-
spräche jedem Wort ein Ding. Die wichtigsten Informationen, die die jeweiligen Systeme für
Schwarz enthalten, sind propositionale Aussagen über das Gotteserlebnis und das Gottesgut.
Diese werden referenzsemantisch als tertium comparationis der verschiedenen Systeme benutzt.
Die Suche nach dem `Erlebnis´ deutet auf eine nach wie vor psychologische Orientierung hin, die
nach dem `Gut´ (”das Gottesgut ... muß in uns sein”, 178) auf eine häretische. Obwohl Hermann
247

Schwarz eine große Sensibilität für religionspsychologische Fragen und Widersprüche entwickel-
te, gelang es ihm bis zuletzt nicht, diese aufzulösen. Zwar sieht er den Grundfehler philosophi-
scher Theologie, Gott als Substanz aufzufassen, vermeidet ihn im gleichen Atemzug aber selbst
nicht. Zum weltüberhobenen, ordnenden nous des Anaxagoras meint er:
”Ein nus, an dem noch die Eierschalen der Stofflichkeit haften, kann nur von außen n e b e n die Dinge
treten, er kann sie nicht geistig durchdringen. Einen Monismus des S t o f f s gibt es eben nicht. Einzig
und allein Immaterielles kann in allen Räumen zugleich gegenwärtig sein und das Räumliche aneinan-
der binden (Kraft, Energie).” (Schwarz 1913, 20)
246 Zumindest in dem großen Werk von 1913: Der Gottesgedanke in der Geschichte der Philosophie, Erster Teil:
Von Heraklit bis Jakob Böhme, beschränkt es sich auf diese. In den beiden kleineren Buchpublikationen geht er auch
auf neuer Denker ein, wobei J.G.Fichte und der Neufichteaner Rudolf Eucken richtungsweisend sind.
247 Der Wunsch, selbst Gott zu s e i n, ist `heidnisch´. In der Debütausgabe als neuer Herausgeber der ZPhK publi-
ziert Schwarz dort erstmals seit zehn Jahren wieder einen Aufsatz, in dem er selbst herausstellt, daß die Vergottung
des Menschen heidnisch und erst die Menschwerdung Gottes christlich sei (ZPhK Bd.131, 1907, S.177).
75

Kraft und Energie sind zwar nicht materiell, aber noch immer physisch gedacht (nicht mehr
`existierend´, aber immer noch als gegenständlich `bestehend´). Schwarz trennt zwar ausdrück-
lich ”physikalisch” und ”axiologisch ” - dies aber lediglich im Rahmen der ”Kosmologie” (1912,
217). Er bleibt auf halben Wege stehen. Seine Grundfrage: ”Wie ist der Übergang aus dem Gelten
ins Sein zu erklären?” (1913, 248) ist demzufolge als letztlich ontologisch gemeinte zu lesen.
Schwarz legt an dem behandelten Zeitraum eine geschichtliche Dynamik frei, über die er in Zwi-
schenbetrachtungen Rechenschaft ablegt. Den verschiedenen Gottesbildern unterstellt er einen
248

gegenständlich gedachten `Gott´ als Reverenzpunkt, dessen Denkmöglichkeit er als bereits philo-
sophisch destruiert voraussetzt. Unhintergehbares Faktum sind lediglich das `axiologische Erleb-
nis´ und die in diesem enthaltenen `Werte´, welche als durcheinander erzeugt gedacht werden.
Die Darstellung weist diesen Gedanken als sich in der Geschichte der Religionsphilosophie
selbst entwickelnd auf. Dies ist der Geist Hegels aus den Händen Euckens: Der status naturalis
249

(”der Zustand des natürlichen Menschen”, der ”für sich” ist und Wert lediglich als äußerliche ”Vor-
stellung” kennt) entspricht der ”griechischen Ethik” (397). Die Empfindung ”eines Sollens” treibt
darüber hinaus: der ”fortgeschrittene Zustand religiösen Lebens” ist derjenige, ”alle Werte in einem
göttlichen Willen zusammenzufassen und anzunehmen, daß von diesem der Befehl an uns ausgeht, ihm
gemäß zu leben” (398) - gemeint ist der jüdische Monotheismus. Schwarz spricht an dieser Stelle
vom ”gesetzlichen Menschen”, der vom ”Christenmenschen” überwunden werde (399). Dieser erst
habe die ”Überzeugung, daß echte Religiosität nur in dem Verzicht auf Eigenwillen” (400) bestehe. Er
verwickle sich allerdings durch die überkommene Annahme eines jenseitigen Gottes (”der tran-
szendente Irrtum”, 402; ”Reste der Jehova-Religion”, 126) in Unstimmigkeiten ”bezüglich der Bewe-
gung, die wir aus Gott erfahren und für ihn ausfüllen sollen”. Unklar nämlich bleibt: ”Worin besteht
die Bewegung a u s Gott, deren Gefäß restlos zu sein wir uns anschicken?” (401).250 Der ”mystische
Mensch” mache den umgekehrten Fehler wie der Christenmensch: ”Bei ihm weicht die Transzen-
denz Gottes aus der Vorstellung, aber er vollendet nicht den Selbstverzicht im Willen” (402; ”der Wille
für alles Sein erstarrt”, 111). Das höchste religiöse Erleben, dessen systematische Ausformulie-
rung noch 1921 sein Anliegen ist, sei erst möglich, wenn Wille und Vorstellung auf Gott verzich-
248 Den § 21 etwa publiziert er separat als Die Arten religiösen Erlebens (ZPhK 150).
249 Er sieht den ”Kern aller Religiosität in axiologischen Gotteserlebnissen”; sein Verhältnis zu Hegel bestimmt er:
”Uns aber, die wir auf Hegels genialen Gedankenbau staunen, wird darum der Mut zur Kritik nicht fehlen” (ZPhK
157, 1915, 79). Der starke Einfluß Euckens (vgl. 1913, 302) geht auch aus seinen Artikeln über diesen von 1914/16
hervor (ZPhK 155 und 160, vgl. Schwarz 1945, 24 und 126). Eucken vertrat einen undialektischen Hegelianismus.
250 Wilhelm Herrmann, dem Schwarz in Halle und Marburg begegnete, hatte ähnlich gefragt. Lee 1995, 19, nennt
die Frage: ”Ist `Offenbarung´ Gottes eine fertige Lehre oder ein individuelles Erlebnis göttlicher Macht?”
76

teten: ”Wie dem Menschen aller Eigenwille geschwunden ist, haben ihm alle Werte aufgehört, abstrakte
und transzendente Vorstellungsgrößen zu sein” (403). Erst in der reinen Korrelation von Wert und
Erlebnis ist das Ziel erreicht. Gott als vereinzelt vorgestellter wird dadurch nicht etwa bestätigt,
sondern widerlegt: ”der Mensch hat dem Werte mit seinem Sein gezahlt, nun durchflammt ihn dessen
höheres Sein. In ihm gebiert sich der immanente Gott als Leben des Werts, der vorher abstrakt war ”
(404). Erst dieses Wissen der Gegenwart ermöglicht die Erkenntnis der Geschichte. Der Ablauf
hat schematisiert die folgenden Stufen:

Zustand des Menschen Handlungsweise Geschichtliche Verortung


Natürlicher Mensch Tun des Eigenwillens Griechische Ethik
Gesetzlicher Mensch Tun des Gotteswillens aus Eigenwillen Altes Testament
Christenmensch Tun des Gotteswillens um Gottes willen Neues Testament - nach Luther
Mystischer Mensch Aufgehen in Gott aus Eigenwillen Plotin, Bernhard von Clairvaux
Seele der Seele Aufgehen in Gott um Gottes willen Meister Eckhart

Diese Geschichte der Religionsphilosophie ist zugleich religiöse Geschichtsphilosophie, wie an


folgender Bemerkung über die List der göttlichen Vernunft erhellt: ”Die Gottes- und Gnadenvor-
stellung ist nur eine notwendige Funktion im Lebenwerden dieser Gottesanlage. Ist unter dem Zuge jener
Vorstellung unser Wille bereit geworden, zu sich nein zu sagen,... so mag der gewandelte Mensch in ei-
nem letzten Schritte getrost noch sie verabschieden” (402). Dies ist die d r i t t e halbierte Rezeption,
diesmal eine von Hegel. Auch dieser meinte ja die volle Wahrheit der Religion erkannt zu haben,
hatte aber durch die Aufhebung in den Begriff die Geltungssinn religiöser Kategorien gerade
transformiert. Schwarz dagegen meint den wahren Inhalt der Religion verstehen zu können, ohne
die religiöse Dimension aufgeben zu müssen. Er kommt damit in die Nähe des `johanneischen
Christentums´, welches mit der vollen Erkenntnis Gottes zugleich das Zeitalter des Geistes an-
brechen sah. Solchen Bestrebungen dürften ihm im Studium Fichtes sowie Origines (§11) und
251

der Kirchenväter begegnet sein.


Tatsächlich ist in jenen Jahren sehr viel von Geist die Rede. Es ging "vom Heiligen Geist zum
Volksgeist". In einem Aufsatz von 1907, in dem er vom `Geist´ als von der ”Wahrheit des Le-
252

251 Die Unterscheidung in petrinisches (römisch-katholisches), paulinisches (protestantisches) und johanneisches


Christentum klingt bei Schwarz an, wenn er ausführt: ”Das Christentum gestaltet sich anders, wenn man die physi-
sche Mitteilung der Gnade, anders, wenn man die gnostische Entsinnlichung, und anders, wenn man die Umwand-
lung der Gesinnung in der Ergriffenheit durch das e i n e Geistesleben betont” (187). Siehe Gehlen 1980, 271 ff.
252 Vondung 1988, 161 ff.: ”Den stufenweisen Fortschritt der Offenbarung kann man entziffern, wenn man – wie
Bengel von sich glaubte - den `apokalyptischen Schlüssel´ gefunden hat. Das Finden des Schlüssels ist selbst ein Of-
fenbarungsereignis, das den baldigen Eintritt ins tausendjährige Reich bereits ankündigt” (a.a.O., 163). Johann Al-
brecht Bengel veröffentlichte 1740 eine Erklärte Offenbarung Johannis oder vielmehr Jesu Christi, die über Fried-
rich Christoph Oetinger noch auf die Tübinger Stiftler Hegel und Schelling gewirkt haben könnte.
77

bens” und einer ”freien Verinnerlichung des unendlichen Geistes in der endlichen Natur jedes einzelnen
Individuums” spricht, gibt Schwarz zugleich als Ziel an, den ”Geist unseres Volkstums” zu stärken.253
Die Rede vom Göttlichen verschwindet nicht gänzlich, sondern wird auf anderes gegenständlich
Gedachtes angewandt. `Gott´ selbst sei zwar undenkbar geworden; leichter zu Denkendes aber
wird durchaus `göttlich´ genannt - so später das Gottestum im Volkstum (Schwarz 1928c). Der
Grund für seine Einmischungen der NS-Zeit ist gelegt, wenn ihm 1913 klar wird:
”Die Lehre vom Gottesgut, das in menschliches Leben eingeht, verdrängt alle transzendenten Gottesvor-
stellungen und zersetzt sie. Diese konnten nach dem Auftreten des Christentums ihren Rang nur auf
Grund kosmologischer Erwägungen, nicht auf Grund menschlicher Heilsbedürfnisse behaupten; bis
einst auch das Stündlein der kosmologischen Transzendenz schlagen und die Tiefe des Gottmenschheits-
gedankens erst ganz ans Licht gehoben werden sollte” (1913, 177).

Die Konsequenz formuliert er in dem späteren Werk: ”Im Volksleben ist Gott, was die großen Füh-
rer eines Volkes unter dem geistigen Gesicht ihres Volkstums tun” (1922d, 158). Der Gedanke ver-
harrt zwischen Menschwerdung Gottes und Vergottung des Menschen. Der Gedanke einer Ver-
gottung des Menschen, wie er in Pharaonentum, Cäsaropapismus und Absolutismus zu finden ist,
war gerade durch den Gedanken der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus abgewehrt wor-
den. Wenn aber nicht mehr der eine historische Jesus, sondern die ewige Christusidee, die im-
254

mer und überall applizierbar ist, diesen Gedanken verkörpert (1913, 183), ist diese Konsequenz
zurückgenommen und politische Theologie kann eine Theokratie wieder behaupten. Die Mittler-
rolle des völkischen Messias speiste sich also auch aus der liberalen Theologie.
255

III.3.a) Erlebnis-Christologie: Transformation liberaler Dogmengeschichte


”Sie machen es allesamt wie die Weiblein, alle diese großen Schwärmer und Wundertiere, sie halten die
`schönen Gefühle´ bereits für Argumente, den `gehobenen Busen´ für einen Blasebalg der Gottheit, die
Überzeugung für ein Kriterium der Wahrheit.” Nietzsche 1994 - Antichrist - , 375

Die protestantische Theologie zwischen Hegel und Karl Barth war höchst unentschieden. Einer-
seits hatte man sich - anders als die katholische Theologie, deren Majorität diese Wissenschaften
schlicht ignorierte - der Hegelschen Philosophie sowie der historischen Bibelkritik und Leben-
Jesu-Forschung gestellt, andererseits hielt man an der überkommenen Dogmatik fest, ohne deren
Berechtigung noch erweisen zu können. Diese Situation drängte auf eine Entscheidung: entwe-
der mußten die Resultate weltlicher Rationalität ganz angenommen und die Dogmatik fallenge-
253 Ein markantes Buch in der neuidealistischen Bewegung (ZPhK 131, 1907; 174, 178 und 158) - Schmidt 1908.
254 Zur politischen Religion Voegelin 1938, zur Kritik derselben Faber 1997; Marx 1953, 38; Hermand 1988, 117.
255 "Der wahre und je einzige Führer weist ... in den Bereich der Halbgötter" (Heidegger GA 39, 210; Linse 1987).
78

lassen werden; oder aber es mußte im Namen des weiteren Glauben-Könnens der Sprung aus der
Rationalität gewagt werden. Es ist nun d a s Werk dieser langen Phase der Uneindeutigkeit in
256

der protestantischen Theologie, welches Schwarz 1913 benutzt: Adolf von Harnacks dreibändi-
ges Lehrbuch der Dogmengeschichte (1913, §10).
Schwarz nimmt den historischen Jesus so auf, wie ihn die liberale Theologie seit Reimarus ge-
deutet hatte (1913, §9): als einen Menschen, der ein außergewöhnliches `Erlebnis´ gehabt und
sich darüber verbreitet habe, und erst von der Nachwelt wider Willen vergottet wurde. Er über-
nimmt die These von der Hellenisierung des Christentums, welche strikt zwischen israelischem
und griechischem Denken trennt. Unangenehmes in der kirchlichen Dogmatik wird auf Deka-
257

denzerscheinungen des untergehenden Hellenismus zurückgeführt. Nach Schwarz war die anti-
258

ke Theologie in Antithetik steckengeblieben: ”Hier Gott, dort Welt: wohin wir uns wenden, werden
wir aufgesogen. (...) Das ist eine furchtbare, unerträgliche Antithese. In ihr endet die griechische Philos-
phie" (111). Daher war Jesu Auftreten so wirksam - seine Lehre trat genau "in die Lücke" (115).
Ihm wird eine beschränkte Heilfunktion zugestanden. Jesus ist weder der Erlöser noch bloßer Sit-
tenlehrer, sondern ein Lehrer des seligen Lebens, der zur rechten Zeit auftritt und durch seine Er-
lebnisfähigkeit den Weg weist. Darin sieht Schwarz eine erste kopernikanische Revolution, in
der der Blick von außen nach innen gelenkt wurde (”Jetzt wurde umgekehrt alle äußere Erfahrung
der Wucht des inneren Erlebnisses untergeordnet”, 113), und die so ”Forderungen des Platonismus
und des Plotinismus in sich vereinigte” (115). Fortan konnte man sich Göttlichem und Weltlichem
zugleich widmen.
Dieses Heilsereignis wird lebensphilosophisch gedeutet: ”Das Erzeugende ist sein Gotteserlebnis,
das Bedingte sind die Vorstellungen, ist Jesu Lehre von Gott” (114).259 Die neuen theologischen Kate-
gorien dienen einzig dazu, das neue Gotteserlebnis ”zu beleuchten ”. Aus dem ”Erlebnis innigster
Gottesgemeinschaft, völligen Einswerdens eines führenden göttlichen und des frei gehorchenden
menschlichen Willens” entsteht so die neue Lehre, die aus drei Bestimmungen besteht: ” Gott ist die
Liebe, Gott ist heilig, ... `das ewige Leben´ oder `das Himmelreich´” (114). Die antike Zerrissenheit
256 Den ersten Weg gingen der späte David Friedrich Strauß und Franz Overbeck, den zweiten Sören Kierkegaard.
Die Dialektische Theologie beendete diese Misere insofern, als sie sowohl Dogmatik als auch Wissenschaft ein-
klammerte, zugunsten des unmittelbaren Angesprochenwerdens durch die Offenbarung. Erst aus dieser heraus kann,
unter Verwendung der Wissenschaft, die Dogmatik neugeschrieben werden – das Lebenswerk Karl Barths.
257 Harnack 1990, 90. Schwarz sieht ”zwei religiöse Gedankenreihen ..., die sich unter verschiedenen Voraussetzun-
gen ausgebildet hatten” (1913, 1): ”Dort steht vor uns das hellenische, hier das christliche Gotteserlebnis” (72).
”Der Grieche setzt voraus, daß wir noch die Wahl zwischen Gott und Welt haben. (...) Der Prophet aus Israel sieht
unsere Lage anders an ... Im Leben stehen heißt wollend, nichtwollend immer von neuem schuldig werden” (122).
258 Nach dem Muster von Burckhardt 1929 zeichneten noch Spengler 1923 und Jonas 1953 die Spätantike düster.
259 Siehe auch Schwarz 1913, 130, die `Grundlegung´ dazu findet sich bei Dilthey 1990, Band I und VII.
79

des Menschen zwischen Gott und Welt ist versöhnt in diesem neuen ” Gottesbewußtsein, dem Glau-
ben. Er läßt uns, inmitten des Gefühls eigener Ohnmacht, die höhere entgegenströmende Kraft Gottes
ergreifen. Dadurch werden wir befähigt, sittliche Aufgaben an uns und anderen zu vollbringen” (121).
Schwarz interpretiert Jesus hier als Theologen, der selbstlose Moral gepredigt habe, um die anti-
ke Antithetik aufzulösen. Da der Mensch von sich aus nicht fähig sei, das Heil zu erlangen (non
peccare non posse - Augustinus), tue dies nach Jesus eben Gott. Der Mensch könne sich weiter-
hin unbedarft innerweltlich betätigen. In seine Emphase der jesuanischen Lehre schleichen sich
jedoch zentrale Mängel:
”Unser haltloses Wollen wird uns immer in die Welt hinaus, nicht über die Welt hinauf führen. In unse-
rer Schwäche und Schuld können wir die Kluft nicht überbrücken, die uns vom Heilig-Reinen trennt.
Darum strömt G o t t e s Liebeswille uns entgegen. Die weltüberlegene Macht verhüllt sich nicht kalt
und selbstgenügsam in ewigem Schweigen. Sie ist Wille, der unserer Seele nahe ist und nur auf ihre ver-
trauende Hingabe wartet, um sie zu füllen. Mit soviel Einsatz sich die Seele hingibt, mit soviel Gottes-
kraft und Gotteswert wird sie erfüllt.” (122 f.)

Schwarz fällt hinter sein kritisches Bewußtsein wieder zurück, indem er in das Denken über Gott
eine Logik implementiert (”Darum”). So wird Gott zur Substanz (”füllen”), die sogar physischen
260

Gesetzen unterliegt (”soviel ..., soviel”) und verfügbar wird. Den Eigenwillen, den Schwarz ja los-
werden will, bringt er so gerade wieder hinein. Die jesuanische Botschaft wird sogar noch aus
dem Urchristentum, etwa der Naherwartung, herausgesprengt (124). Dafür aber gehen Aussagen
in sie ein, die aus sehr viel späterer Zeit kommen: Die Welt ”als ein Arbeitsfeld für ideelle Aufga-
ben” (123) zu sehen verweist eher auf Fichtes Bestimmung der Natur als `Material der Pflicht´ als
auf die spätjüdische Apokalyptik; und noch die protestantische Arbeitsethik wird in die jesuani-
schen Botschaft hineingelesen (”Sinn für fröhliche Arbeit in der Welt”, 124). Schwarz benutzt die
liberale Dogmengeschichte, um Gott in das Menschliche hineinzuziehen. Die weitere Verarbei-
tung dieses Materials ist von dem christlichen Ursprung unabhängig. Auch Augustinus, Eriuge-
na, Meister Eckhart und der Cusaner werden gegen das Christentum gelesen.

III.3.b) Die Herkunft der Philosophie des Ungegebenen


”Platonische Weisheit hat als Ursprung alles Gegebenen
längst das Nicht-Gegebene erkannt.” K. Barth 1921, 22

260 ”Zu all der Einzelgöttlichkeit, die wir empfinden, muß es ein Ganzes ... geben” (1913, 303). Anders als Max
Weber, der in intellektueller Aufrichtigkeit das Aushalten solcher Spannungen forderte, sah Schwarz ”die schwerste
Aufgabe” darin, ”die letzte unendliche Einheitstiefe zu finden, aus der alle die verschiedene Geistigkeit, die dem Tun
des Künstlers, des Forschers, des Staatsmannes, des schlichten Arbeiters Gehalt gibt, ... hervorbricht” (302). Er be-
griff die Integrationskraft moderner Gesellschaft nur religiös.
80

In hegelianischer Darstellungsart steht das gegenwärtige Wissen auf der höchsten Stufe und er-
kennt erst von dort aus den Sinn der ihr vorausliegenden Geschichte. Diese Geschichte wiederum
liefert sukzessive die Bausteine, aus denen das gegenwärtige Wissen aufgebaut wird. Dieser Pro-
zeß ist kein historisch-zufälliger, sondern ein logisch-notwendiger, der lediglich in die Zeit fällt
(”Notwendigkeit innerer Entwicklung”, 82). Vergangene Stadien des Gedankens sind unverzichtba-
re Elemente, die im gegenwärtigen Wissen `aufgehoben´ sind. Daher läßt sich angeben, welche
Elemente der Religionsphilosophie von Schwarz woher entnommen sind. Im Durchgang durch
die Geschichte der philosophischen Theologie nimmt Schwarz viele Gedanken mit. Als Statio-
nen lassen sich die folgenden aufzählen:
P l a t o (§ 3) habe das Nichtsein und gleichzeitige Wirken unserer Orientierungen mustergültig
festgeschrieben. Gleich von Anbeginn ist 1913 die "Spannung des Nicht" präsent, die in späteren
Darstellungen erst als krönender Abschluß dient. Schwarz fragt, ”wie Gesetz und Einheit in die
261

Welt der Dinge hineinkommen” (1913, 29) - ob psychologistisch: ”ganz durch ein Bewußtsein”, oder
logistisch: ”ganz durch sich selbst”. Plato habe nun ein Drittes gedacht: ”von sich aus mittels eines
Bewußtseins” (29). Schwarz wendet hier Husserls Psychologismuskritik (siehe 1912, 39) auf den
nus des Anaxagoras an. Es sei richtig, daß dieser Verstand alle Ordnung enthalte, aber damit sei
nicht gesagt, daß er sie auch erzeuge. Die ”reine, überirdische Wahrheit” ist nicht von der subjek-
262

tiven Willkür eines Bewußtseins abhängig, so die Lehre Platos: ”Die Begriffe s i n d ihm” (1913,
35). Die Synthesis der einzelnen Ideen soll in der alle Ideen durchziehenden ”Idee des Guten” (39)
gewährleistet werden. Das wäre ”die höchste (Gottesvorstellung), die die alte Philosophie hervorge-
bracht hat” (48); aber bei Plato ist sie noch ganz nicht zu Ende gedacht: ” Der ursprüngliche Plato-
nismus bringt es ... doch nicht über eine Republik der Ideen hinaus ” (40). Die Wahrheit kommt erst
dadurch in die Welt, daß es von uns geschaut und verwirklicht wird - im so verstandenen Plato-
263

nismus ist die Philosophie des Ungegebenen schon vorgezeichnet: aus dem Nichts wird der
Mensch innerlich angesprochen, eine Einheit muß er allererst schaffen. Auch Heidegger hatte vor
1933 eine `Platokrise´, als er gegenüber Platon nichts eigenes mehr aufzubieten wußte. Dies 264

war um so gravierender, als die damalige Philosophie sehr platolastig war. Besonders der Neu-
kantianismus war sehr an Plato orientiert, in wissenschaftstheoretischer wie kulturphilosophi-
261 Noch dort gibt er zu: ”Im Altertum hat Plato von der dritten metaphysischen Spannung gewußt” (1928, 127).
262 So hatte Husserl den Kompetenzstreit über die Logik beendet (Schmidt 1995).
263 ”So sollen auch wir, d.i. die Umgewandelten, zur Schau der Ideen Wiedererwachten (die Philosophen), eine an-
dere Welt gestalten, nämlich im gemeinsamen Zusammenleben mit anderen Menschen in einem sittlich-sozialen
Kosmos” (38). Diese ethische Lesart der Ideenlehre und die Spuren, die sie hinterließ, ist im Auge zu behalten.
264 Hierüber Safranski 19947, 244 ff. Beide hatten in ihrer Platointerpretation diejenige Paul Natorps vor sich.
81

scher Hinsicht. Bei Schwarz verblassen Philo, die Stoa und Aristoteles (§§ 4-6) gegenüber Pla-
265

ton völlig. Aristoteles Entelechielehre ist für ihn nur eine evolutionistische Schwundstufe des
Platonismus. Sie wird das Muster für die spätere `Entwicklungsspannung´.
Erst P l o t i n (§ 7) vermag wieder Maßstäbe zu setzen. In ihm ” erreichte die hellenische Gottess-
pekulation ihren Höhepunkt” (82), hier findet Hermann Schwarz einen ausformulierten necessaris-
tischen Denkmonismus. Plato war den Mittelweg zwischen Psychologismus und Logismus ge-
gangen, ohne ihn zu sichern: seine Idee des Guten, die alle Ideen zusammenhalten sollte, war zu-
gleich eine Idee unter vielen. Diese Mißlichkeit konnte von Nachfolgenden nur durch `Überstieg´
gelöst werden. Diese logische Erfordernis wird sogleich ontologisiert:
”Der Widersinn, als läge ... der Grund für das Bestehen des Denkens in den Ideen, für das Bestehen der
Ideen im Denken, läßt sich nur vermeiden, wenn man den Grund für das Bestehen und Zusammenbeste-
hen von beiden über beiden hinaus sucht. (...) Es muß eine wahrhafte Totalität geben, in der der Gegen-
satz von Denken und Sein aufgehoben ist. (...) Diese verselbigt Plotin mit dem absoluten, vielheitslos
Einen” (88).

Diesen ”Gottesdienst des Absoluten” (83) übernimmt Schwarz nahezu gänzlich, bis auf jene Ver-
selbigung. (Gott `denken´ zu wollen, ohne ihn zu personalisieren, läßt in der Tat wenig anderes
zu.) 1921 transsubstantiiert er diesen verselbigten Grund von oben nach `vorn´: er verlegt ihn
vom statischen Gipfel des Kosmos dynamisch in den Abschluß desselben. Dadurch gibt es kei-
nen Regreditus mehr, sondern nur die Flucht nach vorn. Bei Plotin allerdings tun sich durch die
266

statische Kosmologie (”von oben nach unten”, 108) und die Verjenseitigung und Logisierung des
Absoluten ”gefährliche Abgründe” (102) auf:

”Vom Sonnenlande der altplatonischen Ideen streicht starke freie Höhenluft. Dort setzt sich begeistertes
Wollen in Tat und Kraft um. In Plotins Vergottungslehre schweben süße, betäubende Nebel heran, die
alles Wollen erschlaffen und lähmen” (102). 267

In dieser Philosophie stehen sich Endliches und Unendliches noch zu unvermittelt und feindselig
gegenüber. ”Die bloße Bewußtlosigkeit erhöht nicht unser Sein” (106).
A u g u s t i n u s (§ 13 f.) faßt die inzwischen in die Welt gekommene Lehre Jesu philosophisch.
Diese hatte zwar den Widerstreit Platos und Plotins gelöst, war aber philosophisch nur unbefrie-
digend begriffen worden. Denn ”sowohl die Eins-, wie die Jehova-, wie die Logos-Lehre scheitern an
ihrem transzendenten Gottesbegriffe” (176), der noch in die Christologie mitgenommen wird. Ei-
265 Siehe insgesamt Brach 1996; Köhnke 1986, besonders 610 (eine Tabelle zur Klassiker-Rezeption, die Plato ein-
deutig anführt), Sieg 1994, bes. 144 oder 381; Kobusch 1997, darin besonders Helmut Holzey: Platon im Neukan-
tianismus. Platonismen wurden in der Tat auch von so verschiedenen Denkern wie Husserl, Gadamer, Max Wundt
oder Werner Jaeger vertreten, siehe Orozco 1994 und 1995. Noch in Schwarz 1940 wird in der Laudatio auf Partien
in der Politeia angespielt (Vorrede zum 1. Band der Gesamtausgabe).
266 Max Wundt weist in der Festschrift für Schwarz 1935 auf diese Verwandtschaft hin. Der Vorrang der Dimension
`Zukunft´ Bei Heidegger (SuZ, 178: "Absturz”) und Bloch 1918 weist auf eine gedankliche Nähe.
267 Ein metaphorologischer Seitenblick: Landschaft war eine durch Langbehn popularisierte völkische Chiffre (Mos-
se 1991, 23). Reaktionäre Organe nannten sich mit Vorliebe Hochstift, Hochland, Hochweg oder Hohe Warte.
82

gentlich aber sei diese von jenem unabhängig: ”Gott ist dem überzeugten Christen keine entsinnlich-
te Jenseitigkeit. Er ist göttliches Leben in uns, anschaubar in Christus ” (176), in welchem Gottmen-
schentum ”f ü r uns geworden ist, damit Gottmenschentum i n uns werde” (177). Da Augustinus Er-
lebnisse gehabt habe, die denen von Jesus vergleichbar sind, ist er ”ein Aufgewachter” (191) und
”der Erste” (192), der sie wissenschaftlich faßt. Damit ist er für Schwarz selbst ein Christus und
wird an Fichtes Seite gestellt (199). Er hat die Lehre Jesu von der Person des historischen Jesus
268

und dem Glauben an ihn unabhängig gemacht und zur Erkenntnis des inneren Seins verarbeitet.
”Gott ist ... die Wahrheit” (207), sein Denken ”das Gelten der Begriffe ” (247) und allein die Seele
des Menschen der Ort, an dem es wirkt. Dies macht sich Schwarz zu eigen.
S c o t u s E r i u g e n a (§ 16), ”der geniale Schotte” (502), verarbeitet die Lehre Plotins, wie
Augustinus das mit der Lehre Jesu tat. (Sein Vorgänger Dyonisios Areopagita erweist sich als
nur aufgesetzt christlich.) Er schmiedet den Akosmismus Plotins in Panentheismus um dadurch,
daß ”das Dasein der Dinge, ihrem Sosein gegenüber, nicht als Negativität, sondern als Positivität”
(264) angesehen wird. Hierin erblickt Schwarz den Gedanken vom ”Werden Gottes in den Dingen
..., das sich in dem Werden der Dinge zu Gott vollende” (262). Erst so kann der quietistische Neupla-
tonismus den Dingen eine eigene Würde geben. Die Schöpfungslehre des Eriugena greift ver-
schiedene bisherige Elemente auf und dynamisiert sie. Augustinus´ deus est veritas (vgl. 207)
wird ebenso in die Schöpfung hineingenommen (”Gottes erzeugende Kraft ... ist sein Denken”, 270)
wie die Trinität (”Wie Gott im Logos real zu den allgemeinen Wahrheiten wird, ... so wird der heilige
Geist real zu den vielen einzelnen Dingen”, 275). Dadurch wird die Dogmatik transformiert: Eriuge-
na ersetzt den heiligen Geist durch den ”mens humana” (das ”menschliche reine Denken”, 282) und
gesteht dem Menschen ein Mittun der Schöpfung (procreatio) zu: ”Erst Gott und Mensch zusam-
men erzeugen so die Wirklichkeit der physischen Welt” (283). So wird der Mensch zum Schöpfer
Gottes: ”Erst im Prozesse unserer Erkenntnis (d.i. derjenigen des absoluten Ich) wird Gott ganz aus ei-
nem Nichtseienden zum Seienden” (288). Hermann Schwarz sieht hierin Vorboten des objektiven
und subjektiven Idealismus (287). Vor allem aber ist es einer seines eigenen Schöpfungsmythos.
M e i s t e r E c k h a r t (§ 20) vollzieht das, was Eriugena in der Kosmologie vollzieht, in der
Axiologie. Er synthetisiert den Existentialismus Augustins mit der kosmologischen Spekulation
Eriugenas. So kommt er zu der Lehre von der Gottesgeburt in der Seele dessen, der sich innerlich

268 ”Jesus war ihm e i n, nicht der Christus; ... ein Mensch ... von der Kraft Gottes ergriffen” (189). Da auf Augusti-
nus dasselbe zutrifft (”Solche Erlebnisse hat Augustin gehabt”, 192), ist er ein z w e i t e r. Schwarz widmet ihm 60
Seiten - so viel wie sonst nur noch Jacob Böhme. Seitenweise aber referiert Schwarz nur die Lehren Augustinus´.
83

dazu bereitet. (Schwarz verschweigt, daß es diese lange vorher gab.) Die mit Jesus anhebende
269

und in Fichte schließlich obsiegende (382) Immanentisierung Gottes in die Seele des Menschen
(131) kommt schon hier voll zu Bewußtsein:

”Für das Bewußtsein des Abgeschiedenen ist der transzendente Gott nicht nur ethisch-religiös ver-
schwunden, er hat auch die metaphysische Transzendenz verloren. Statt daß die Seele das Spiel der
Dreieinigkeit empfängt, ermöglicht es sich jetzt in ihr. (...) Nicht daß ein göttlicher Prozeß, der schon
vorher bestanden hätte, in sie ergösse ... indem die Seele vernichtet zur Gottheit kommt, wird Gott”
(365).

Dies ist der zentrale Baustein für Schwarz´ Erlösungsprophetie: wird Gott in der Seele und nur
dort, so ist es allein am Menschen, solche Erlösung zu vollbringen. Die Rede vom ”wesen” (370)
der Gottheit und dem ”Hemmnis” (390) des Eigenwillens ist direkt in die Philosophie des Unge-
gebenen übernommen (”Gott ist überhaupt nicht gegeben ”, 369). In der Konfrontation mit dem his-
torischen Eckhart zeigt sich allerdings, daß Schwarz über einige Züge von dessen Denken be-
fremdet ist. Dem Mittelalter verhaftet, falle Eckhart zurück in einen ”eigenartigen Neuplatonis-
mus” (325): ”Individualität als solche erscheint als Sünde” (373) - es kann bei dem Werden Gottes
im Individuum nicht bleiben, daher Eckhart in der ”Rückkehrlehre” (377) ”vom Wiedervergehen-
müssen Gottes spricht” (374). Später gebe er dies auf (”Nichts mehr von Rückkehr!”, 391).
Mit dem ”Gipfel seiner religiösen Spekulation” (392) aber sei eine ”neue geschichtliche Größe in das
religiöse Leben und Denken eingetreten” (393). Es handelt sich um die heilsgeschichtlich relevante
Erkenntnis, ”daß sich Gott mit dem Seelengrund verbunden hat, und zwar so, daß es sich um Anlagen,
Möglichkeiten handelt, die ... jede (Seele) ihres eigenen Gottmenschentums fähig macht” (388). Hiermit
ist trotz des neuzeitlichen Tode Gottes Religiosität ermöglicht - fernab von ” Nietzsches Atheismus”
(1922d, 78). Später nimmt er dies in Anspruch als ”Erlebnis undogmatischer Religiösität, das ganz
270

deutscher Art ist” (136), da ”diese Denkweise ... im deutschen Blute liegt ” (139). Das `deutsche Volk´
bekommt hiermit im Namen der `deutschen Mystik´ die Erlöserrolle zugespielt, da Gott nur in
und durch die Erlebnisse deutscher Seelen `ist´: 271

”Für die deutsche Mystik ist kein jenseitiger Gott vorher gegeben, der als erhabenes Wesen im Himmel
trohnte. In der Welt schläft nur Gottes-Möglichkeit. Gottes Wirklichkeit kann es einzig und allein in
menschlichen Seelen geben. Gott erlebt dann ihre Gotteserlebnisse (1922d, 138).”

Noch in der NS-Zeit sieht er Meister Eckhart als den wichtigsten "deutschen Propheten" (Schwarz
1941, 168). 1913 gehört Schwarz zu den Ersten, die ihm ein breiteres Publikum zuführten.
269 Joseph Zapf gibt anläßlich Taulers einen Abriß, in: W.Böhme 1990, 78 ff., ähnlich schon Heinrich Ebeling 1941.
270 Eine Vorlesung tönt lapidar: ”Der Glaube an den Gott der Kirche wird ausgeschaltet” (Schwarz 1943, 433).
271 Dies bezeichnet das Zusammen hegelsch-christologischer Form mit (Lagardes) völkischem Inhalt.
84

N i k o l a u s v o n K u e s (§ 24) gilt als Wegbahner des Pantheismus der meist zugleich ge-
nannten Giardano Bruno (§ 26) und Spinoza (1912, 198; 1922, 50). Er ist der paradigmatische
Gesetzes-Pantheist, der mit Cantor verglichen wird (1921, 21). Den Mathematiker Schwarz be-
272

eindruckt das Benutzen mathematischer Symbole, etwa des Differentials, für die Theologie
(1913, 456) derart, daß er es übernimmt. Das Durchwesen der ungegebenen Einheit, welches im
”Possest” (479), dem ”Wurzelbegriff des Pantheismus” (458) vorgedacht sei, ist die Inversion des
Neuplatonimus: liegt `das Eine´ dort über begriffliche Gegensätze hinaus, fallen sie für Cusanus
ineinander. Gott `ist´ alle Möglichkeit, ”Enthalt und Enfalt sowohl der idealen, wie der realen Welt”
(492). Obwohl Schwarz von der Wirklichkeit in die Möglichkeit zurückdrängt, stammt das Mo-
dell von Cusanus und Bruno ab (500). Dies erlaubt Schwarz, von `Gott in den Dingen´ zu reden.
Jacob Böhme (§ 27) schließlich ermöglicht es, dem Problem Schellings zu entgehen: Dieser
konnte in der Identitätsphilosophie das Böse nicht unterbringen, so daß Ethik insgesamt heraus-
fiel. Schelling transformierte dieses System im Rückgriff auf Böhme, Schwarz bezieht diesen
273

von Anfang an mit ein. Die Lehre vom Ungrund und der Natur in Gott erlaubt es, trotz Mystik
von Schuld zu reden. In seiner späteren Persönlichkeitsethik macht er ausgiebig Gebrauch von
dem, was er hier nur referiert. Die Identitätsphilosophie muß an der Anerkenntnis des Bösen
nicht zerreißen, wenn sie das Böse in Gott verlegt. Hierin sah Schwarz den Höhepunkt; ein zwei-
ter Teil des Werkes von 1913 erschien nicht.
Die Interpretation von K a n t ist aus anderen Werken ersichtlich (1907, 1924b und c). Er habe
das deutsche Denken von französischem Rationalismus und englischem Empirismus befreit und
so den Blick auf die Innerlichkeit freigeräumt. Allerdings sei er auf halbem Wege stehengeblie-
ben, da er eine universale und heteronome Ethik und letztlich noch den transzendenten Gott ver-
trete. Schwarz hat Kant oft kritisiert, treffen wollte er damit vor allem sein neukantianisches Um-
feld. In der realistischen Erkenntnistheorie wie in der ”autonomen”, anti-universalistischen Ethik;
in seiner metaphysischen Theologie wie in der Verweigerung der Trennung verschiedener Gram-
matiken innerhalb der Philosophie setzt sich Schwarz gravierend von Kant ab. Er akzeptierte die
Grenzen, die Kant dem Wissen zog, nicht. Daß er ihn 1907 verlegte und 1924 zu dessen 200.Ge-
burtstag als großen Deutschen feiert, hat politische Gründe. Wichtig ist er vor allem, weil er den
Deutschen Idealismus ermöglichte.

272 Er vergleicht ihn auch mit Eriugena; 1922d vergleicht er Zeno mit Fechner (ähnlich 1933, 285). Auf der Suche
nach Kontinuität vergleicht Rosenberg 1930, 458 Meister Eckhart mit Lagarde. Diese Vergleiche sind rein intuitiv.
273 Das idealistische System war gesprengt. Hierüber Paul Tillich: Mystik und Schuld (1912), in: Tillich 1959.
85

Geht die Rede von Gott in den Dingen auf Eriugena und den Cusaner, die von Gott in der Seele
auf Meister Eckhart zurück, so die Rede von `Gott in der Volksgemeinschaft´ auf F i c h t e. 274

Dieser ist der wichtigste Ideengeber in der Religionsphilosophie, wie er ja für die Völkischen ei-
ner der wichtigsten Autoren, wenn nicht sogar deren Urstifter war. 1917 und 1925 widmet ihm
275

Schwarz Buchpublikationen, 1921, 1926 und 1937 größere Artikel. Es gibt seit 1912 kein größe-
res Werk, in dem er nicht eine zentrale Rolle spielte. Dabei sind es insbesondere die Weiterfüh-
rung der Kantschen Religionskritik im Atheismustreit 1799 und die Reden an die deutsche Nati-
on von 1807, die die für Schwarz zentralen Elemente enthalten: die Rede von Gott wird von dem
transzendenten Bezugspunkt völlig abgelöst und zunächst auf den Glauben an eine `moralische
Weltregierung´, später auf den an das Deutsche Volk als das `Urvolk´ übertragen. Philosophisch
nutzt Schwarz dabei, mit Fichte gegen Fichte, die Setzungsphilosophie der frühen Wissenschafts-
lehre. Dabei setzt für Schwarz nicht ein `Ich´ sich selbst, sondern Gott sich in die Seele und -
über diese- ins Volkstum: ”Jene geistige Unendlichkeit, die Fichte `Ich´ nennt, und mit der er das in
uns werdende göttliche Leben meint, setzt sich selbst” (Schwarz 1922d, 154). Dies unterscheidet sich
bei aller Nähe vom dem historischen Fichte, selbst dem späten religiösen Absolutisten. Als
Schwarz sich seiner eigenen Konzeption sicher war, machte er selbst darauf aufmerksam und for-
derte auf, über Fichte hinauszugehen (BPhI 1926; vgl. Schwarz 1943, 519). In früheren Arbeiten
(Schwarz 1917, der Aufsatz von 1921) ist Schwarz ganz Fichteaner. 276

III.3.c) Philosophische Paradoxien: Über die Legitimität der unbegriffenen Neuzeit


Schwarz rezipierte die christliche Religion, die Religionskritik und die Religionsphilosophie He-
gels jeweils nur halb. Er nahm dezidiert moderne Tendenzen vorweg (Verdinglichungskritik,
deontische Ethik, anthropologischer Negativismus, Sozialität des Menschen). Dies geschah aber
in einer zunehmend von der akademischen Umwelt abgekoppelten Weise. So entging er zwar
dem Mandarinentum, welches sich tagespolitischen Fragen enthoben wähnte: er zeigte ein päd-
277

274 Gott in den Dingen, Gott in der Seele, Gott in der Volksgemeinschaft (BDPh 1942; erneut 1945, 690). ”Fichtes
Gedanke vom Gottestume im Volkstume” war ihm ein ”überhöhendes Gegenstück zu Platos” Idealstaat (1928a, 200).
275 Untersuchungen über die völkische Bewegung ignorieren ihre Präsenz in der akademischen Philosophie (mit
Ausnahme von Bourdieu 1988): Bei Nanko 1993, Puschner 1996 und der anderen zitierten Literatur wird Hermann
Schwarz nicht einmal erwähnt. Philosophisch-völkische Werke über Fichte erschienen von Gogarten 1914, Hirsch
1920, Heimsoeth 1923, Bauch 1925, Max Wundt 1927, Gehlen 1935 (auch Plessner und Scheler waren Fichteken-
ner), Weischedel 1938. Die Fichtegesellschaft war ein politischer Verein (Willms 1967, 5).
276 Theodore Kisiel hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Kategorie des "Selbst" eine Kontinuität zwischen Hei-
deggers frühen Vorlesungen, SuZ und den Vorlesungen der NS-Zeit bildet (Der soziologische Komplex der Ge-
schichtlichkeit des Daseins: Volk, Gemeinschaft, Generation). Schwarz 1917 ist ein Nukleus des Hauptwerks.
277 Hierüber Ringer 1983, Bourdieu 1988, Brunkhorst 1990 und die Kritik bei Habermas 1991, 458.
86

agogisch-aufklärerisches Engagement, welches sich nur in der politischen Richtung von den Ar-
beiterseminaren unterschied, welche die Frankfurter Schule einst abhielt. Zugleich aber entfiel
278

damit die einzig mögliche Korrekturinstanz, die in der Diskursivität mit anderen Fachphiloso-
phen bestanden hätte. Schwarz ist nur noch lehrend, nicht mehr selbst lernend (was nicht heißt,
daß er nicht weiterhin rezipierte). Durch die einseitige Fixierung der Völkischen auf erzieheri-
sche Ziele schleichen sich mehr Fehler ein, als nötig gewesen wären. 279

Seine Philosophiegeschichte als Geschichtsphilosophie schillert zwischen Progressivität in der


280

Gedankenführung und Schlichtheit in den Schlußfolgerungen. Die religiöse Deutung der Philoso-
phiegeschichte bleibt seit 1913 stabil. Sie will beschreiben, wie sich aus der Religionsphiloso-
phie selbst ein freier Weltbezug herausbildet. Dazu greift Schwarz die Paradoxien heraus, die im-
mer weitertrieben. Der Versuch, aus der Selbstbewegung der Gedanken die Gegenwart als ver-
nünftig zu erweisen (und damit gegen politische Religionen zu verteidigen), ist auch nach Hegel
noch gemacht worden. Schwarz nimmt auch solche Gedanken überraschend vorweg, zeichnet
281

aber die zu verteidigende Gegenwart gänzlich anders. 1934 wettert er gegen die politischen
Theologen: ”Mit der christlichen Religion scheint ihnen zugleich die menschliche Sittlichkeit unter den
Tisch zu fallen” (in: 1943, 116).282 Dies entspricht durchaus der modernen Diskursdifferenzie-
rung. Allein Schwarz propagiert nicht den Epikureismus, wie Hans Blumenberg, oder einen
283

Atheimus ad maiorem dei gloriam, wie Odo Marquard, sondern ein ”arteigenes sittliches Bewußt-
sein” (1943, 163).284 Alle drei aber stützen sich philosophisch auf den Aufweis der folgerichtigen
Selbstbewegung des Gottesgedanken in der Geschichte der Philosophie.

278 Die Sympathie, auf die völkische Gruppen in der Bevölkerung rechnen konnten, wird in neueren Publikationen
über die Modernität des NS auch auf diese Nähe zum `Volk´ zurückgeführt. Wie `Verseinlung´ die `Ontologisierung´
verdeutscht, so `Volksgemeinschaft´ den `Nationalsozialismus´.
279 Schwarz verfaßt viele Aufsätze über Pädagogik, die Festschriften bringen meist Aufsätze von Schülern.
280 Karl Joel schrieb eine Philosophiegeschichte als Geschichtsphilosophie (1929); Gustav Kafka eine Geschichts-
philosophie der Philosophiegeschichte (1933), Joh. Thyssen eine Geschichte der Geschichtsphilosophie (1936).
281 Blumenberg 1996, Marquard 1973; schon G. Krüger 1933. Politische Anleihen bei der Theologie treten immer
wieder auf (Böckenförde 1991). Die Verwurzelung dieser Thematik im Dritten Reich geht aus Kamlah 1940 hervor.
282 ”Die Theologen der Barthschen Schule lehnen die Verschmelzung von Glaube und Sittlichkeit ab. (...) Es komme
allein auf den Glauben an den gottgesandten Sohn-Erlöser an. Dann hebe Gott ... seinen Zorn über uns ... auf und
stelle das uns geziemende Untertanenverhältnis ... wieder her”, um dann zu schließen: ”Das ist sehr viel Semitisches
auf einmal” (in: Schwarz 1943, 433). Schon 1913 monierte er an Scotus: ”vergewisserte er sich, daß schon allein
die gläubige Überzeugung, durch Jesus erlöst zu sein, die gottgefällige Willenshingabe sei, so würde ... (der Gläubi-
ge darin) seine Seligkeit erleben” (1913, 337). Etwas "schlechtweg als Offenbarung hinzunehmen" (326) sei undenk-
bar.
283 Nach Pierre Bayle können auch Atheisten sittliche Gemeinwesen bilden. Das Wort vom ”Volk von Teufeln
(wenn sie nur Verstand haben)" zeigt die Ausdifferenzierung von Religion, Politik und Moral (Kant 1968, Bd.XI,
224).
284 ”Als ob nicht Kant und Fichte längst eine andere `Metaphysik der Sitten´ gezeigt hätten" (in: 1943, 163).
87

Das griechische Denken trieb alle Denkmöglichkeiten des "deus philosophorum" (1913, 174) auf
einmal hervor (83). Nach Schwarz war es, obwohl er diese Leistung bewundert, unmöglich, bei
dieser Pluralität sich gegenseitig ausschließender religiöser Weltbilder stehenzubleiben. 285
Die
versuchte Synthese zu einer Einheit bei Plotin scheiterte an ihrem Akosmismus (106). Sie konnte
erst in Jesus mit dem aktivistischen, aber polyzentrischen Platonismus versöhnt werden (116).
Nun trieb die Inkommensurabilität biblischen und hellenistischen Denkens von einem System
zum Nächsten. Schwarz und Blumenberg legen die Schwerpunkte verblüffend ähnlich: zunächst
auf die Folgerichtigkeit, aber Unmöglichkeit von Augustinus Prädestinationslehre, dann auf das 286

Grauen, welches der Gott des spätnominalistischen Voluntarismus hervorruft:


”Das Sittliche ist ja nach Duns nichts Einsichtiges, sondern erst durch Gottes Willen sittlich. (...) Wiese
ihn (den Frommen, CH) der Finger Gottes etwa auf Fasten und Kasteien, ... so würde er seine fromme
Willenshingabe daran betätigen. (...) Die Gefahr eines moralischen Quietismus liegt hier nahe, wo die
heftigste religiöse Bewegung den Willen ergreifen kann, ohne daß er sittlich ergriffen wäre. (...) Das un-
mittelbare Fazit der Dunsistischen Lehre i s t solch moralischer Quietismus” (336 ff.).

Noch Luther ist davon betroffen und kann am allerwenigsten vermitteln. 287
Selbst bei Meister
Eckhart besteht eine ”Disharmonie zwischen dem ethischen Postulate und der metaphysischen Voraus-
setzung” (358), die aus der Synthese des Thomismus heraus-, daneben ein ”Widerspruch zwischen
den Prinzipien der Natur und der Gottheit” (381), der in die Annahme eines Seelengrundes hinein-
drängte. Besondere Beachtung verdient §18, wo die Anthitetik in aller Schärfe freigelegt wird: 288

”Dieser Streit der Realisten und Nominalisten hätte die verschiedenen Seiten des überkommenen Gottes-
begriffes auseinandertreiben müssen.” (307) ”Allein der Gegensatz jener Richtungen wurde damals noch
nicht scharf herausgearbeitet” (309).

Das alte Gottesbild ist für Hermann Schwarz philosophisch schlechhin inakzeptabel. Warum
dann noch so viel Aufwand mit vergangenen Lehrmeinungen treiben? Eine Glosse aus seiner
Studentenzeit, datiert auf 1884-1889, zeigt den I m p u l s dieses Aufwands:
”Auf den Namen `Gott´ sind alle Bezeichnungen gehäuft, welche der Menschengeist für das Größte und
Edelste zu ersinnen vermochte. (...) Alle Gegensätze, welche die Menschenseele in ihrem reinen, idealen
Streben kränkten und verstimmten, sind in diesem Prinzip versöhnt. (...) Aber dieser höchste Punkt, den

285 Dies ist nur solange einzusehen, wie diese eine gesellschaftliche Integrationsleistung zu erbringen haben.
286 Die "physische und die ethische Bewegung der Welt, sind hiermit zwar vereinheitlicht. Aber die Vereinheitli-
chung ist teuer erkauft (...). Ein Gott, der ein Gott der Liebe sein soll und doch nur eine Reihe von Menschen einsei-
tig aussucht (...,) die anderen, ohne daß bei jenen Auserwählten die Unwürdigkeit ... geringer wäre, in dem Meere
des Verderbens bleiben läßt? (... ) Es kann keine härtere Parodie auf den Gott der Liebesmacht geben” (209ff.).
287 ”Luthers Glaubensprinzip” erscheint ”als ein Umweg” (1913, 447): ”Indem Luther alles Gewicht auf die Offen-
barung rückte, konnte er erreichen, daß eine Zeitlang die metaphysischen Kämpfe ... schwiegen. Es war nur eine
Waffenruhe. Bald genug flammte um die Frage ... erneut heftige Leidenschaft” (457). Vgl. Althaus 1962.
288 Schon wegen des hegelianischen Titels Von der Essenz zur Existenz, von der selbstbewußten Substanz zum Sub-
jekte (Schwarz 1913, § 18 - vgl. Hegel 1970, Bd. 3, 23).
88

im Laufe seiner geschichtlichen Entwicklung das religiöse Bewußtsein im Christentum erreicht hat, wird
der Anlaß, den mit ungemessener Verehrung umgebenen symbolischen Namen `Gott´ fallen zu lassen
und ihm einen höheren Inhalt zu geben. An der erglaubten Persönlichkeit hat die Religion die höchsten
Gefühle der Menschenbrust gereift. Jetzt muß sie in ihrer Entwicklung weitergehen. Sie muß auf den
Personenkult verzichten und das zu suchen anfangen, was sich hinter dem Personifikation verbirgt”
(Schwarz 1943, 11).

Wäre die Glosse authentisch, ließe sich das Werk von 1913 als großangelegte Suche nach den
Spuren dieser Entwicklung interpretieren. Es zeigte sich ein durchgängiger Hegelianismus sowie
eine Planmäßigkeit und Kontinuität im ganzen Ouevre. Noch das Aufgehen im NS und das Be-
streben, den neuen Glauben verbindlich durchzubilden stünden im Zusammenhang mit frühesten
Jugendregungen. Das Buch von 1913 bildet jedenfalls die Basis, von der eigene religionsphiloso-
phische Entwürfe sich künftig abstoßen. In den Gedanken über Gott von Heraklit bis Jakob Böh-
me hat sich keiner gefunden, bei dem hätte stehengeblieben werden können. Elemente konnten
zwar mitgenommen werden, ein eigener konsistenter Entwurf scheint aber nötig. Darin besteht
die Differenz zu Blumenberg und Marquard: versuchen diese, die neuzeitliche Religionslosigkeit
als soziales Faktum philosophisch ernstzunehmen, so will Schwarz darin gerade eine neue Reli-
giosität erblicken (oder gegebenenfalls stiften). Der freie Weltbezug der Neuzeit gerät ihm selbst
zu etwas religiösem. Schwarz bleibt dem religiösen Paradigma verhaftet. Hierin liegt eine `hal-
bierte Antizipation´ von Blumenberg und Marquard.
Die simple Schlußfolgerung aus dem progressiven Gedanken ist bedingt durch Asoziologizität.
Diese `geschichtsphilosophischen Thesen´ sind idealistisch im schlechten Sinne: eine jede Philo-
sophie erfaßt zwar ihre Zeit im Begriff, aber die Geschichte wird nicht durch diesen Begriff vor-
angetrieben. Eine neue philosophische Konstellation spiegelt eine neue geschichtliche Situation
wider, die andere als philosophische Motoren hatte - nach Marx `in letzter Instanz´ ökonomi-
sche, es können aber auch noch andere sein. Da Schwarz `schlecht-idealistisch´ denkt, verbleibt
289

er im Verständnis der Neuzeit, trotz geteilter Diagnose des Todes Gottes, im Rahmen der Religi-
on. Er unterstellt dieser sogar generell eine führende geschichtliche Rolle: dadurch nämlich,
290

daß die Religion die einzige Instanz sei, in der Kollisionen von verschiedenen Pflichten, Werten
oder Philosophien `versöhnt´ werden könnten: ”Religion endet ethische Konflikte” heißt es noch
1931 (in: 1943, 705). Dies mag auf vorneuzeitliche Gesellschaftsformationen zutreffen. Im 20.

289 "Die Moral, Religion, Metaphysik und sonstige Ideologien ... haben keine Geschichte, sondern die ihre materiel-
le Produktion ... entwickelnden Menschen ändern mit ihrer Wirklichkeit auch ihr Denken " (Marx 1953, 23).
290 Man kann zeigen, daß sie an einem besonderen Ort zu einer besonderen Zeit einmal eine solche Rolle gespielt
hat (Weber 1920 tat dies für den Puritanismus, Kaiser 1973 für den Pietismus) - einfach vorausetzen kann man es
nicht.
89

Jahrhundert so zu reden heißt schlichtweg, die Neuzeit nicht begriffen zu haben: soziale Konflik-
te wurden durch Religion je nur verschlimmert. Die philosophische Anstrengung der Neuzeit war
gerade, dem zu entgehen, und zwar im stark betroffenen Deutschland besonders.

IV. Die Nachgeschichte: sein Denken seit 1933


”Mit Polizei, Maschinengewehr und Gummiknüppel kann man auf die Dauer kein Regiment erhalten. Es
gehört dazu noch etwas anderes, irgendeine gläubige Vorstellung von einer weltanschaulichen Notwendig-
keit der Aufrechterhaltung eines Regiment." Hitler im Illustrierten Beobachter, 5. Jg., Folge 6, 8.2. 1930

Hermann Schwarz hatte sich in den 1920er Jahren zunehmend auf Meister Eckhart, Fichte und
Jacob Böhme gestützt. Dieses Programm konnte er nach dem 30. Januar 1933 ungehindert beibe-
halten; ja, vieles in seiner Philosophie schien lückenlos auf das Ereignis der `Machtergreifung´
(Bracher) hingedeutet zu haben. Nach 1933 ist systematisch wenig verändert. Dieses Kapitel
dient daher nicht mehr der Analyse der Philosophie, sondern - da Schwarz seine Philosophie im
nunmehr eindeutigen Sinne appliziert - der Darstellung, wie sie angewandt wird. Schwarz be-
und ergriff den NS vor allem als religiöses Phänomen. Dankenswert ehrlich wird die Funktion
seiner NS-Schriften in der Vorrede seines Schülers und Verlegers Hans Thieler charakterisiert:
”Nun gibt es aber zwei Weisen des Kampfes um den völkischen Kosmos: Die erste Weise ist die, daß der
führende Politiker ... den Kosmos der organisierten Volksgemeinschaft ... erwingen .... muß ... Die zweite
Weise ist die, daß der führende Wissenschaftler die `Wahrheit´ dieses Kampfes ... zu begründen hat.
Beides zusammen, die Tat und das Wort erst führen zum Erfolg, lehrt Plato” (1940, XV).

Seine Schriften haben erklärtermaßen eine legitimatorische Funktion, er möchte eine philoso-
phisch stichfeste politische Theologie des NS liefern. Seine Philosophie setzt sich dabei äußerst
selbstbewußt vom politischen NS ab, aber nur, um ihn als das `harmonisch Entgegengesetzte´
(Hölderlin) zu stärken. Diese `Grundlegung´ macht von 1933 bis 1945 zwar Wandlungen durch,
aber Schwarz mußte an der S u b s t a n z seiner Philosophie nichts ändern.

IV. 1 Nationalsozialistische Weltanschauung (1933)


Im ersten der publizierten Werk handelt es sich um eine Sammlung von sechs älteren Aufsätzen.
`Weltanschauung´ bedeutete nunmehr soviel wie `politische Philosophie´ im Sinne von für-den-
NS-votierende-Philosophie. Schwarz, der sich Grundfragen der Weltanschauung schon 1912
291

gestellt hatte, war bestrebt, sich als "alter Kämpfer" (Hermand 1988, 202) zu erweisen. Damit
stand er nicht allein. Der ”Kampf ums Dabeisein” war bei der völkischen Rechten im ersten Jahr
291 Leske 1990, 69 und 118; vgl. Lehmann 1943, 489 ff.
90

die Regel. Dieses Werk dokumentiert die Transformation eines breiten Themenspektrums in die
292

neue Wirklichkeit. Im Gegensatz zur Zeit danach waren die Möglichkeiten zur Einflußnahme
1933 noch recht hoch. Äußere Reglementierungen griffen erst wenig, die Identifikation war je-
doch ohnehin euphorisch. In seinen Einschätzungen liegt Schwarz allerdings vielfach daneben.
Das Büchlein zeigt den Habitus des damaligen Bildungs(klein)bürgertums, das hinter Hitler
stand. Die Aufsätze Grundfragen der völkischen Erziehung (1933) und Deutsches Wesen und
Deutsche Weltanschaung (1930) wollen möglichst viel völkisches Gedankengut in die "nationale
Erhebung", den "völkischen Durchbruch von 1933" mit einbringen (1933, Vorrede). Die Wirt-
schaftskrisen-Aufsätze Schenkende Berufe (1929) und Die Rettung der deutschen Wirtschaft
durch den volkhaften Staat (1929) sowie die Rektoratsrede Alte und neue Pflichgesinnung im
Staatsleben (1922) vertreten einen `deutschen Sozialismus´. Volkstum und Erlösung zuletzt legt
seinen ”privaten Nationalsozialismus” dar. 293

IV.1.a) Alte und neue Pflichtgesinnung im Staatsleben (1922)


Die "im Geiste der nationalsozialistischen Weltanschauung” gehaltene Rektoratsrede wendet erneut 294

Wilhelm Wundts Hegelianismus des "sittlichen Fortschreitens" (1933, 9) auf die deutsche Ge-
schichte an. Drei deutsche Staatsformen werden einer sie allererst ermöglichenden " Pflichtseele"
zugeordnet. Zunächst wird dem Preußen Friedrichs des Großen, wo die Pflicht um der Pflicht
willen getan worden sei, Kants Ethik des "unbedingten Sollens" quasi-materialistisch beigeordnet.
Diese Konstellation war durch interne Mängel überwindbar: die Integrationsleistung durch die
Persönlichkeit Friedrichs war rein äußerlich, und dem entsprach ideell die Inhaltsleere der sittli-
chen Pflicht bei Kant. Nach des großen Königs Tod war Preussen daher korrumpierbar. Es folgte
eine Entzweiung: die Beamtenschaft setzte sich über die Untertanen. Dasselbe sei im Kaiser-
295

reich geschehen: Dessen "Pflichtseele" sei entstanden aus Fichtes "Idee des Deutschtums", die nicht
mehr Pflicht aus Pflicht stifte, was so rasch zum bloßen Gehorsam verkam, sondern "Pflicht aus
Liebe" (7). Trotzdem verkam auch dieses Reich schnell zur "N u r organisation" (9), eine neue
Spaltung in der Bevölkerung entwickelte sich durch den sich breitmachenden "Erwerbssinn". (Die
Weimarer Republik der Rede nicht wert.) Nun gelte es, einen dritten deutschen "Pflichtgeist" zu
292 Fulda 1999, 267. Mohler 1989, 376, ist in seiner Relativierung: ”Manche Völkische suchten damals ihre abwei-
chenden Meinungen unter dem offiziellen Signet durchzuschmuggeln” zumindest für Schwarz zu widersprechen.
293 Diesen Ausspruch über Heideggers Rektoratsrede kolportiert Safranski 1994, 227.
294 So urteilt er in einem NS-Fragebogen über seine ”politische Betätigung”. Die Rede wird 1940 mitaufgenommen.
295 "Die Beamten, deren Leistung die Würde des Staates ist, begannen sich selbst gottähnlich zu fühlen" (7). Muß
man nicht wie Karl Barth fragen: Wer ist hier Gott? Die Wendung scheint nahezulegen, daß es der Staat sei.
91

schaffen, welcher darin bestehe, "daß wir den Brüdern im Volke mit wahrem Brüdersinn begegnen
und nicht ruhen, bis wir sie mit unserer Liebe zum deutschen Menschen in ihnen selbst angesteckt ha-
ben" (11). Diese warmherzige Gemeinschaft bestimmt Schwarz militaristisch als Permanenz der
”Schützengrabengemeinschaft” - die er ja gar nicht erlebt hatte. Diese Grundhaltung ist typisch für
damaliges `antidemokratisches Denken´ (Sontheimer), welches sich Politik als spirituelles Grup-
penerlebnis zurechtbog, das entweder alle restlos erfasse oder aber zu verwerfen sei. Krisen wur-
den allein auf mangelnde emotionale Integration zurückgeführt.
Die Dreiheit ist nicht nur rhetorisch. Sie ist millenarisch konnotiert: wenn diese dritte "Volksge-
meinschaft" erreicht sei, werde "der Geist Friedrich des Großen und Fichtes auferstehen", und die
neue "zuchterfüllte Staatsgesinnung" werde "uns frei von allen Übel machen". Damit wird die Ver-
fallstheorie religiös aufgehoben. Schwarz sah sich der Aufgabe gegenüber, "den deutschen Sozia-
lismus von Marx zu befreien". Nur "raffende Betriebsamkeit" (9), übertriebener "Geschäftsgeist"
296

von Einzelnen sei verantwortlich zu machen für die Polarität in Deutschland, die die Arbeiter-
schaft für die Irrungen des Marxismus überhaupt erst empfänglich gemacht habe. Diese für das 297

(staatlich freigestellte) Beamtentum damals typische Verkennung wirtschaftlicher Zusammen-


hänge gipfelt in der Forderung nach einer "Entwirtschaftlichung der Seelen" (11). Die "Wiederho-
lung" einer solchen "Gemeinsamung" benötigt geistige Erziehung zur rechten Gesinnung ("Der
298

deutsche Idealismus muß sich mit deutschem Sozialismus verbinden ", 11) und einen politischen "Füh-
rer" (4). Dieser schloß jedoch später Bündnisse mit der Industrie und der Mehrwert wurde weiter
privat angeeignet. Allein die Arbeiter wurden `seelisch entwirtschaftlicht´ - also ihrer vormaligen
wirtschaftsdemokratischen Rechte entkleidet. Diesen Operationen arbeitete Schwarz elf Jaher
vorher `idealistisch´ zu. Bedeutungsverschiebungen im sozialistischen Vokabular hatte es unab-
hängig von Schwarz eine ganze Reihe gegeben. Beim `deutschen Sozialismus´ holte diese Ver-
299

schiebung weit aus. Wenn der "preußische" (Spengler 1920) oder deutsche Sozialismus (Revent-
low 1930/Sombart 1934) propagiert wurde, standen die konkreten Ziele der Arbeiterbewegung
im Hintergrund. Ökonomie spielte in solchen Entwürfen, die vom Paternalismus bis zum "Natio-
nalbolschewismus" (Niekisch) reichten, durchaus eine Rolle. Solche konservativ-revolutionär
300

296 Spengler 1920, 4.


297 Irrungen des Marxismus ist der Titel von Spann 1931.
298 Im Sinne der Verwendung bei Heidegger: SuZ, 385.
299 Die `konservative´ Revolution von Rechts (Freyer 1931), der Arbeiter (Jünger 1932), die entökonomisierte Ge-
meinschaft (Tönnies 1935 - vorher hieß es: `Vergemeinschaftung der Produktionsmittel´) zeugen davon.
300 Von Fichtes Schrift Der geschlossene Handelsstaat (1800) ausgehend etwa bei Ferdinand Lasalle oder Eduard
Stadler (darüber Petzold 1978); eher von Kant ausgehend im Austromarxismus (Holzey 1994).
92

radikalisierten Tendenzen wurden schließlich `nationalsozialistisch´ umgesetzt. Aber die `Ent-


wirtschaftlichung´ konnte sich auch einer Verwendung des Wortes `Sozialismus´ bedienen, die
durch ihre Religiosität eine Fokussierung auf die prosaische Ebene des Wirtschaftens von vorn-
herein untergrub. Sprach S c h w a r z vom ” deutschen Sozialismus ” (und das tat er oft), so hat
301

man es also mit einer religiösen Kategorie zu tun.

IV.1.b) Die Überwindung des Kapitalismus (1929)


Die zwei Aufsätze von 1929 suchen die Ursachen der Wirschaftskrise in Deutschland. Dafür ist
zunächst notwendig, den Begriff der `Weltwirtschaft´ auszuschalten. Dies geschieht im Aufsatz
Die Rettung der deutschen Wirtschaft durch den volkhaften Staat in zwei Schritten. Zunächst
wird die Weltwirtschaft syllogistisch dadurch außer Kraft gesetzt, daß Wirtschaft begrifflich ver-
ankert wird in der kleineren Einheit des Staates:302
Obersatz: Wirtschaft gibt es nur, wo Recht ist.
Untersatz: Es gibt kein Weltrecht.
Schluß: Es gibt keine Weltwirtschaft.
Auch in dieser kleineren Einheit wird der Wirtschaft eine untergeordnete Rolle zugewiesen. Sie
hänge vom Recht ab, dieses vom Staat, dieser wiederum vom Volk, und dessen Kraft zuletzt von
der Art, wie es sich selbst erfaßt: "Es genügt nicht, daß Kultur und Wirtschaft volklich bedingt s i n d,
sie müssen auch volklich e r f ü h l t werden, damit sie nicht mißwüchsig werden " (1933, 215). Das
Weltgeschehen wird auf das Gefühl zurückgeführt. Dort Klärung zu verschaffen, wird bereits als
Ausweg aus der Krise gesehen. Dem dient nun die Metaphysik der Gemeinschaftsformen: 303

301 Weitling 1844 hatte `Kommunismus´ von `Kommunion´ abgeleitet (Hugo Ball, Vorbild von Bloch und Benja-
min, bewunderte dieses Werk). Titel wie R.Todt: Der radikale deutsche Socialismus und die christliche Gesell-
schaft (1878), Karl Kautsky: Der Ursprung des Christentums (1908); Friedrich Heiler: Jesus und der Sozialismus
(1919); Hermann Kutter: Die Revolution des Christentums; Georg Wünsch: Christliche Sittlichkeit und sozialisti-
sche Wirtschaft (1928) zeugen von der religiösen Konnotation (entnommen Martin Leutzsch: Erinnerung an die Gü-
tergemeinschaft. Über Sozialismus und Bibel, in: Faber 1994). Troeltsch 1912 sprach von ”religiösem Liebeskom-
munismus”; selbst Max Weber, Anhänger der christlich-sozialen Bewegung und des Vereins für Sozialpolitik, defi-
nierte: "Kommunistische und dabei rechnungsfremde Leistungsvergemeinschaftung oder -vergesellschaftung gründet
sich nicht auf Errechnung von Versorgungsoptima, sondern auf unmittelbar gefühlte Solidarität. Geschichtlich ist sie
daher ... aufgetreten auf der Grundlage von primär außerwirtschaftlich eingestellten Gesinnungen, nämlich: 1. als
Hauskommunismus der Familie ... , 2. als Kameradschaftskommunismus des Heeres, - 3. als Liebeskommunismus
der (religiösen) Gemeinde, in diesen beiden Fällen (2 und 3) primär auf spezifisch emotionaler (charismatischer)
Grundlage" (Weber 1922, 88 - Hervorhebungen entfernt, CH).
302 Dieses Argument entstammt Stammler 1896. In diesem Sinne nannte Werner Sombart sein Fach nicht mehr "Na-
tionalökonomie", sondern "Volkswirtschaft" (Sombart 1954).
303 Diese behandelte er auch sepparat, siehe Schwarz 1930 und die Vorlesungen von 1931, in: Schwarz 1943.
93

Schwarz unterscheidet "Interessenverband", "geistige Gemeinde" und "beseelten Bund". Die geistige
Gemeinde, in der man zusammentritt "zum Dienste an einer Idee oder zum Kultus einer wissenschaft-
lichen, sittlichen, religiösen Überzeugung" (216), scheidet für "die Wirtschaft als solche" aus. Bleiben
die anderen beiden. Die Wirtschaft soll nun dem "Staatsgedanke(n) beseelten Bundes" (226) unter-
stellt werden, weil das Wirtschaften im Interessenverband für die Krise verantwortlich gemacht
wird. "Mit dem Aufhören des mittelalterliche Zunftwesens, in dem ein Hauch von beseeltem Bund web-
304

te" - ständische Theoreme klingen an - "begann in der Wirtschaft individualistisches Denken zu herr-
schen". Schwarz unterscheidet innerhalb dieser neuzeitlichen Formation eine "deutsche Wirt-
schaftsgesinnung" von einer zweiten, deren Beschreibungen "business”, "make money”, "trusts"
(217) nahelegen, daß es die anglo-amerikanische sei. Der letzteren, die "auch bei uns immer mehr
305

zunächst den einzelnen ergriffen hat", entspringen verschiedene Übel. Der resultierende "überstei-
gerte Erwerbssinn" (219) oder "Industriegeist" (Pestalozzi) führe zu "sozialer Härte" der "Reicheren"
(218). Der Individualismus wirke sich auch auf den Staat aus: Mit Fichte und Hegel spöttelt
Schwarz über die Vorstellung, der Nachtwächterstaat diene allein der Wahrung des Besitzindivi-
dualismus - dies sei vielmehr "Kleinbürgersinn". "Der universale Kleinbürgersinn sei der Pazifismus "
(220), welcher zusammen mit der aus dem "Industriesinn" hervorgehenden "Weltmarktgelüsten" zu
den "heutigen außenpolitischen Uferlosigkeiten" (223) geführt habe - nicht der Kolonialkriege, son-
dern des Kosmopolitismus des Völkerbundes. In einer aus der Ökonomie herausgesprengten Ent-
fremdungstheorie wird sogar der "Demokratismus" daher erklärt. Gewalt, die dem einzelnen ge-
fährlich werden könne, müsse "nach dieser Auffassung" möglichst eingedämmt werden, und dazu
diene die Demokratie. Dies entspricht tatsächlich den klassischen Vertragstheorien. Ein allein
dem Schutz der Wirtschaftssphäre verschriebenes Staatswesen verkomme jedoch zum "Mecha-
nismus". Zwangsläufig "verdarb im Gefolge dieses Systems ... im Arbeiter der deutsche Mensch"
(220). So verschärfte sich die Entzweiung: der Arbeiter ward vaterlandslos, der Staat ward ”leer
306

und sinnlos " (224). Derart ”den behäbigen Bürgern zur Wohlfahrts -", den Arbeitern dagegen ”zur
Martermaschine" verkommen, daß sogar Theorien vom ”Klassenstaat" (221) annehmbar schienen,
gefährdeten nunmehr ”die Strömungen des Pazifismus, Industrialismus und Kommunismus” (222) die
Staatlichkeit schlechthin. Unter Beschwörung der Griechen und Römer, die den Staat noch als

304 Man vergleiche Weber 1922, 36, 199 ff. Weber sah, daß es im modernen Kapitalismus nicht anders möglich ist.
305 Hierin folgt er wohl Sombarts Unterscheidung in Händler und Helden von 1915.
306 Den systemimmanenten Zwang zu immer erneuter Kapitalakkumulation - und damit verbunden: zu immer erneu-
tem Verkauf der Arbeitskraft unter Wert - läßt Schwarz außer Acht und rechnet die negativen Folgen dem Willen der
Wirtschaftssubjekte zu. Der pietistische Antimaterialismus hatte diese Sicht schon in Schwarz 1901 begünstigt.
94

Selbstzweck zu sehen vermochten, beschreibt Schwarz als "Rettungsweg für die deutsche Wirt-
schaft und die deutsche Kultur", daß ”der Staat wahrhaft volklich erfühlt und gestaltet" werden müsse,
”dann kehren von selbst auch Wirtschaft und Kultur zu den heimischen Wurzeln zurück, aus denen sie
entsprungen sind, ohne deren Säfte sie nicht bestehen können " (224). Die "Werksgemeinschaft " (ein
Werk von Longert-Bang), die die wirtschaftlichen Probleme lösen werde, setze den entsprechen-
den Staat "beseelten Bundes" voraus, der ”die innere Verbundenheit all derer darstellt, die durch Blut,
Land, Sprache, Geschichte und Arbeit zu äußerem Schicksal verbunden sind" (225). Unter Verweis auf
Stahlhelm und NS schließt Schwarz damit, daß heute, 1929, "die deutsche Seele dabei" sei, "sich
diesen Staat zu schaffen ".
Daß an sozialer Ungerechtigkeit die Gesinnung der "Fabrikherren" schuld sei, war eine bereits im
Reformismus des 19. Jahrhunderts verbreitete Vorstellung. Wirkkräfte für gesellschaftliche Pola-
risierungen wurden vergeistigt und externalisiert. Auch die gewaltigste Ausprägung dieses Ver-
drängungs´, der Antisemitismus, ist präsent, wenn Schwarz sinniert: "Freilich ist das internationa-
le Finanzkapital" - Rudolf Hilferding - "darauf aus, die wirschaftlichen Betriebe der einzelnen Völker
in die Hand zu bekommen", oder sich über "jüdische Literatur in deutscher Sprache ohne deutsche
Geist" (215) mokiert. Für solchen Antisemitismus hätte es keiner Juden bedurft. 307 Symptomatisch
ist das ”von selbst” (225) - hierüber glaubte Schwarz sich keine Gedanken machen zu müssen. An
die Stelle konkreter Überlegungen tritt die Religion. Dieser Text zeigt, in welchem Maße vor-
308

angehende Theoreme in den NS `aufgehoben´ wurden. Der romantische Antikapitalismus mit- 309

telständischer Schichten - zu denen die akademischen Berufsbeamten ja gehörten - ließ sich fol-
gerichtig in den NS überführen. Eingeklemmt im ”Niemandsland zwischen Kapital und
Arbeit”, erträumten sie einen `dritter Weg´, von dem aus beide bedrohlichen Seiten zu denun-
310

zieren waren, ohne die Angehörigen beider Klassen menschlich zu verwerfen, da diese schließ-
lich doch Mitglieder des so verehrten `Volkes´ waren. Die völkische entökonomisierte Ersatzver-
gemeinschaftung wurde zwar lebensphilosophisch vorgetragen, konnte sich aber neben den kna-
benhaft-pubertären Enthusiasmen der Jugendbewegung auf keine gelebte Wirklichkeit stützen.
Das einzige `Ereignis´, das dem hier suggerierten nahekommt, ist das Front- oder `Schützengra-
benerlebnis´. Aus diesem Ausnahmezustand, dieser Extremsituation des kollektiven massivsten
307 Vgl. Claessens 1992, 230. Die `Juden´ galten als das `raffende Kapital´: "Kampf gegen das Börsenkapital, Schutz
dem Industriekapital. Das eine wird als jüdisch, das andere als arisch bezeichnet" (Hitler in Bracher 1986, 136).
308 Man vergleiche E.Ludendorff 1937, 35: "die weitere Einheit in Recht und Wirtschaft schaffen" könne nur die
"Einheit von Rasseerbgut und Gotterkenntnis". Dies ergibt die Ablenkungskette: Wirtschaft - Staat - Volk - Religion.
309 Romantische Züge bei Marx selbst legen Schmidt 1960, Frank 1973 und P.Röder (in: Faber 1994) frei.
310 So Lothar Kettenacker in Bracher 1986, 109. Anthony Giddens `Dritter Weg´ hat eine schwere Hypothek.
95

Bedrohtseins positive Normen des Zusammenlebens für Friedenszeiten herzuleiten, war indes
ebenso fiktiv wie das antisemitische Feindbild. Alles, was tatsächlich aus daraus geboren wurde,
war entweder radikale Verneinung der bisherigen Mittel der Politik oder autosuggestive Perpetu-
ierung des Belagerungszustandes und des "Typus des Soldatischen". Die blinde Gefühlswärme
311

schlägt unweigerlich in ihr Gegenteil um. Im Komplementäraufsatz Schenkende Berufe widmet


sich Schwarz nun der Innenseite der `Werksgemeinschaft´, der Weise also, wie sie sich im Ein-
zelnen spiegelt.

(a)"Bloßes Dasein", die "wertlose Selbstbehauptung der blinden Individualität" des "unerwachten
Menschen" (275f.) entspricht dem Interessenverband: "Wie man sich jeweils getrieben fühlt,
will man leben und sich ausleben ". Es fehlt der "einheitsgebietende Wille".
(b) Der geistigen Gemeinde entspricht der "Geistesweg zu sich selber": "geistige Wesenheit, ... die
sich in mir schaffen will", entsteht dadurch, daß ich "ja zu meiner Aufgabe" sage. Mit dem
"Beruf, der nach mir ruft”, ergreife ich zugleich "den Sinn meines Lebens", ich "empfange die
Würde einer Persönlichkeit". Die bindende Kraft ist auch hier begrenzt, da "das organische
Selbstleben einer unmittelbaren Seelengemeinschaft" fehlt, es entsteht nur eine Organisation,
die vermittelt über Zwecke eint, daher kann sich hier alles "isolieren, entpersönlichen und
mechanisieren" (279).
(c) Allein "der Bruderweg zu anderen Menschen" schafft wirklich die "beruflich und volklich beleb-
ten Persönlichkeiten "; dies entspricht dem beseelten Bund. "Die göttlich-geistige Kraft der Berufe
will sich tiefer vergöttlichen in einer brüderlichen Willenskette " (278). Erreicht wird dies über eine
Selbsterkenntnis des "Volkstums" in "jedem einzelnen", wenn "sich in seiner Seele Berufstreue
312

und Brudersinn vermählen". "Vollpersönlichkeit" (280) wird, wer erkennt, ”daß schon in meinen
Anlagen selbst etwas wesentliches steckt, nämlich die Art meines Volkstums " (278).

Die von Max Weber als Konvergenzkriterium zwischen Protestantismus und Kapitalismus ge-
wertete methodische Lebensführung wird re-sakralisiert: "Der göttliche Sinn der Berufe beginnt bei
uns aufzugehen wie ein neues Evangelium und erlöst uns vom Volkstod " (280). `Entwirtschaftlichung
der Seelen´ bleibt das zentrale Motiv: "Heute sind wir soweit, die öde wirtschaftliche Auffassung der
Berufe zu überwinden. Sie bedeutet Volkstod ." Das pragmatische Autarkiestreben des NS traf sich
311 Bäumler 1934, 129. Die Verneinung führte zum Pazifismus, die Perpetuierung zu den Freikorps.
312 Von einer politischen "Verwandlung" durch Selbsterkenntnis sprach auch Lukacs 1923, 185: "Die Selbsterkennt-
nis des Arbeiters als Ware ist aber bereits als Erkenntnis: praktisch".
96

mit diesen völkischen Sehnsuchten geradezu perfekt. Schwarz versprach sich vom NS eine Erfül-
lung seiner Sehnsüchte, darum veröffentlichte er seine Forderungen 1933 erneut. Die vielfachen
Dreiheiten lassen sich zur Übersicht so auftragen :

Soziale Form (1930) Existential (1929) Prinzip (1929/1922) Konkretion (1922)


Interessenverband Bloßes Dasein Egoistisch zweckhaft Preußen, Friedrich der
Pflicht aus Pflicht Große
Geistige Gemeinde Persönlichkeit Selbstlos zweckhaft Deutsches Reich, Kai-
Pflicht aus Liebe ser Wilhelm
Beseelter Bund Vollpersönlichkeit Selbstlos zweckfrei (1922 noch offen)
Liebe zum Deutschen

IV.1.c) Deutsche Weltanschauung (1930)


In dem 1933 veränderten Artikel Deutsches Wesen und deutsche Weltanschauung von 1930 ima-
giniert Schwarz aus der Philosophie eine aller Politik vorgängige Einheit des deutschen Volkes.
Gegen die vorgeblich mechanistischen Gesellschaftslehren der Aufklärung entwirft er eine deut-
sche "Gemeinschaftsphilosophie ... auf dem Boden faustischen Dranges" (1933, 307). Diese merkwür-
dige Stilisierung gibt sich als Geschichte der `deutschen Philosophie´, wie es sie vordem schon
gab. Das Prädikat `deutsch´ beschreibend auf etwas anzuwenden, von dem her erst eine Bedeu-
313

tungsbestimmung dieses Prädikats erfolgen soll, ist zirkulär. Somit liegt hier keine historische
Untersuchung, sondern eine völkische Kampfschrift vor. Die deutsche ”Weltanschauung”, in der
sich ”nordisches Blut für sich selbst sichtbar gemacht " habe, liest Schwarz in Meister Eckehart, Lu-
ther, Böhme, Kant und Fichte hinein. Er fährt hier die Ernte jahrzehntelangen Philosophierens
ein. Deutsche "Gemeinschaftsehnsucht" wird mit allen philosophischen Würden als im NS wirk-
314

lich "werdend" gesehen. Dies ist urwüchsiger ”politischer Existentialismus”: 315

(a) Existentialismus, weil der deutschen "Gegenstandsauffassung" eine spezifische Form des
Selbstseins korreliert: die auch anderenorts als typisch deutsch klassifizierte "Innerlichkeit",
313 Windelband 1935, 292, 367 und 444 listet solche Werke auf. Vgl. die `Selbstdarstellungen´ (Schwarz 1931).
314 Schwarz 1933, 285: "Diese Philosophie denkt nicht statisch, sondern dynamisch. Ihr heißt es nicht `Gott ist´,
sondern `Gott wird´. Er wird in sich selbst: so Nicolaus. Er wird in der Seele: so Ekkehart. Er wird in der Natur: So
Bruno. Er wird in all der Weise zusammen: So Böhme. Der dreißigjährige Krieg hat mit der übrigen deutschen
Kultur auch diese geistige Hochblüte verschüttet. Descartes´ Substanzbegriff brach in das deutsche Denken ein ...
Selbst der geniale Leibniz fand aus solcher Verstrickung nicht genug heraus. Erst Kant riß die fremde Wurzel aus
dem deutschen Boden. Auf einmal blühte aus ihm ... wieder eine deutsche Metaphysik hervor, die Metaphysik der
Fichte, Schelling, Hegel. Allzu stürmisch durchlief sie ihre Möglichkeiten, bei Fichte in Parallele mit Ekkehart, bei
Hegel in Parallele mit Nicolaus, bei Schelling in Parallele mit Böhme. Über den Kampf ... der drei Philosophien
vergaß man des ewigen deutschen Quells, in den ihre Wurzeln gesenkt waren. Ganz bald, im Zeitalter der Natur-
wissenschaften wurden sie alle begraben. Physik aus aller Herren Länder entmächtigte die deutsche Metaphysik".
315 Ein Ausdruck von Herbert Marcuse 1934, in: Marcuse 1965, 44. Schwarz 1943, 182 geht auf den Existentialis-
mus ein. Zum politischen Existentialismus auch Lehmann 1933, Heyse 1935, Löwith 1953 und Krockow 1958.
97

die erst die "Tiefe der Dinge" aufschließt (290). Diese "innere Heimlichkeit ", in der der "Fun-
ke der Ewigkeit" glimmt (288), ist nur negativ gegeben: da uns "die Wesenhaftigkeit eines
Selbst" fehlt, ist diese nur "als Sehnsucht" (289). Als differentia spezifica des Teutonischen
ist die Negativität ausgemacht: zwar haben andere Völker dieses "Selbst" ebensowenig -
aber sie vermissen es auch nicht ("nur deutsche Augen können es sehen", 292). 316

(b) Politischer Existentialismus ("volklicher Individualismus (Existenzialismus)", 60), da dieses


nichtende Nichts `Grund´ aller weiteren deutschen Züge ist. Noch die Kleinstaaterei wird in-
tentional damit erklärt: "Der Deutsche zieht sich gern aus der Geselligkeit auf sich selbst und in die
Natur zurück. Das kann in Sondertümelei ausarten, in der sich nicht nur einzelne, sondern ganze
Stämme gefallen " (289). Um "den Adel deutscher Art zum Zuchtmeister der deutschen Seele " zu ma-
chen, brauchte "das deutsche Volk" diese "Führung" die es nunmehr "gefunden" hat (284).

Eine Politisierung der Philosophie, die aus der allgemeinen Sphäre der Philosophie in die beson-
dere der Politik eingreift, hat externe Kriterien, die nicht der Tagespolitik selbst entstammen.
Solche sind in einer philosophischen Vertiefung der Politik, wie sie hier vorliegt, n i c h t mehr
gegeben. Analog zur Unterwerfung der Theorie unter die Partei im Leninismus ist die Eigenlogik
philosophischen Denkens auch hier außerphilosophischen Zwecken unterstellt. Ähnliches gibt es
in der Tradition zwar regelmäßig; es ist allerdings zu differenzieren, welches philosophische
317

Gewicht die jeweiligen Gründe dafür beanspruchen können. Eine Affirmation des Nichtidenti-
schen wird oft provoziert durch den Verdacht auf einen hinter dem Universalismus lauernden
Partikularismus. Auch damaligen Gelehrten erschien, katalysiert durch die Erlebnisse des Welt-
krieges (und sensibilisiert durch Nietzsche) der sozialistische Universalismus als ein russisches,
der demokratische als ein französisches, der liberale als ein englisches Hegemonialstreben. Die 318

nötige deutsche `Selbstbehauptung´ konnte nach ihrer Meinung nur entstehen, wenn die `undeut-
schen´ Universalismen `verwunden´ würden. Alle Normen, die eine philosophische Kritik deut-
scher Politik hätten formulieren können, wurden in einer gründlichen Metaphysikkritik über
Bord geworfen. Philosophie sollte sich aus philosophischen Gründen der faktischen Politik un-
terstellen; die deutsche Politik dagegen rechtfertigte sich allein aus sich selbst, ja sie bestimmte

316 Entwickelt wurde der Existentialismus gerade in Frankreich (Camus, Sartre) und Spanien (Unamuno, Marcel)!
317 Schon in der Antike wurde gelingende Gemeinschaft als Voraussetzung des Philosophierens gesehen, woraus
sich in Krisenfällen die Notwendigkeit repressiver Maßnahmen philosophisch herleiten ließ - Kontingenzbewußt-
sein.
318 `Deutsche Philosophie´ hatte dies im Ersten Weltkrieg begonnen (etwa Natorp und Scheler, vgl. Lübbe 1963).
98

sogar noch, was an deutscher Philosophie `deutsch´ sei. Was mit der Philosophie in dieser Kon-
319

stellation langfristig geschehen wäre, ist fraglich.

IV.1.d) Grundfragen der völkischen Erziehung (29. 6. 1933)


In einer drei Jahre später vor Studenten gehaltenen Rede bestätigt der inzwischen emeritierte
Schwarz, daß die philosophische Vertiefung der Politik über keine externen Kriterien verfügt: es
komme für jeden darauf an zu begreifen, daß ”im nationalsozialistischen Erleben" (701) ”die Seele
mit ... noch zwingenderen Bildern, als den Sinngehalten des wissenschaftliche und künstlerischen
Schaffens ... erfüllt” wird: ”mit den Bildern nämlich `Vaterland, Ehre, Freiheit ´” (1933, in: 1940,
702). Wissenschaft, auch Philosophie, wird eindeutig und freiwillig politischen Zwecken unter-
stellt. Schwarz hatte sich bereits mehreren Aufrufen für die neue Herrschaft angeschlossen. Im 320

Juni war diese formal bereits gesichert, es ging nun um die innere Festigung und weitere Gestal-
tung derselben. Schwarz redet hier in zwei Richtungen: Zum Einen wollte er die Studenten auf
Linie bringen; daher die Rede von ”innerer Gleichschaltung” (704) sowie der verbrüdernde Ton-
fall. Zum Anderen wendet sich Schwarz an die Machthaber. Getragen von dem Glauben, gestal-
321

tend eingreifen zu können, greift er NS-Größen wie Ernst Krieck und Alfred Rosenberg nicht nur
auf, sondern an: Gegen Krieck verteidigt er die äußere Stellung der Wissenschaft, die ihm mehr
als nur Dienerin des Staates zu sein hat; gegen Rosenbergs ”Rassen-Seele” hebt er als deren In-
322

halt ”das Leben der Volkheit in der Seele” (705) hervor. Die getroffene Unterscheidung von völki-
schem Staats-, Kultur- und Ewigkeitsbewußtsein (691) dient dieser Strategie: der neue Machtap-
parat fällt unter die Rubrik des Staatsbewußtseins. So kann er akzeptiert und gutgeheißen wer-
323

den, ohne eigene Ansprüche einzudampfen und an Status zu verlieren: das völkische Kulturbe-
wußtsein hat eine Eigenberechtigung j e n s e i t s der Staatlichkeit, denn ” die Mittel der Macht-
schöpfung sind nicht die Mittel der Kulturschöpfung” (705). Auf dem Weg von der ”Gemeinschaft des
Schützengrabens” (691) bis zur ”ewigen deutschen Duheit”, dem ”Leben der Volkheit ” (694 f.) wird
der Staat sogar zum bloßen Mittel und Durchgangsstadium relativiert:

319 Erinnert sei an die Bücherverbrennung und die Berufsverbote von Sozialisten und Juden. Vgl Leaman 1993, 123.
320 Leamann 1993, 79 listet diese auf: im April 1929 unterschrieb er einen Aufruf von Rosenbergs Kampfbund, im
März 1933 den Wahlaufruf für die NSDAP und im November 1933 (Heideggers) Bekenntnis der Professoren.
321 ”Völkische Erziehung läßt uns bewußt werden, daß wir von metaphysischer Duheit getragen sind" (1940, 692).
322 Ähnlich die Rede von Theodor Litt 1933 (dazu Haug 1989): die Geisteswissenschaft wollte im Verteilungskampf
nicht leer ausgehen.
323 Schwarz verweist dabei auf Ernst Kriecks Nationalpolitische Erziehung, Berlin 1934.
99

”In wem die Tiefe der Volkheit lebendig wird, dem gilt der Staat nur als ihre äußere Sichtbarkeit. (...)
Es ist die Anschauungsform, unter der Volkheit wirkt, solange sie noch nicht in unseren Seelen als jener
Himmel der Willensverkettung aufgeht, der unsere Ichheit ... hinwegschmilzt” (694).

In dieser augustinischen Staatskonzeption erscheint die alte pietistische Sprengkraft. Die frühe 324

Kritik am `bildernden Vorstellen´ (1921) wird gegen Rosenberg und Krieck gewandt (” Das nä-
hert sich doch wieder statischem Denken , 705). Als Kritik am R e g i m e sind diese Ausführungen
jedoch nicht aufzufassen. Dieses sah sich ja selbst als etwas Mehr-als-Staatliches, eben als " Drit-
tes Reich" (692) an,325 die Rolle von Ernst Krieck war keine letztentscheidende, und auch der In-
halt von Rosenbergs Mythus war in keiner Weise verbindlich. Eher sind sie Mißverständnisse der
neuen Zeit, die Schwarz unbedingt bejahte. Er wollte, daß Wissenschaft den Dienst am Staate
möglichst hochwertig und freiwillig versehe. Als sich zeigte, daß ihm nicht entsprochen wurde,
zog er diese Kritikpunkte wieder ein - spätere Aufsätze über Rosenberg etwa (so 1937) sind reine
Apologie. Die Prognosen vom Absterben des Staates waren nicht einmal verfehlt: Der Rechts-
staat wurde mehr und mehr abgetragen, bis der Zugriff auf die Bürger nahezu unvermittelt war.
Selbst die nun zu behandelnde Theologisierung (das völkische "Ewigkeitsbewußtsein", 691) war
keine Absetzung, sprach doch auch Hitler oft vom ”Ewigen”.

IV.1.e) Politische Theologie (1933)


Das Dritte Reich brauchte keine religiöse oder philosophische Grundlegung, um zu existieren.
Beim Abraum religiöser und philosophischer Bestände war es dennoch auf Schützenhilfe ange-
wiesen. Carl Schmitt wandte sich noch 1970 vehement gegen jede politische Christologie. Daß
man dies im Interesse des Dritten Reiches tun mußte, spürte auch Schwarz. Der Aufsatz Volks-
326

tum und Erlösung wendet sich gegen den Christozentriker des 20. Jahrhunderts, gegen Karl
Barth. Jener hatte die Bekennende Kirche durch das Bekenntnis allein zu Jesus Christus gegen
das Aufweichen nach rechts zu immunisieren versucht. Barths radikale Verjenseitigung des
Christlichen ist der G e g e n p o l der radikalen Sakralisierung des zutiefst Weltlichen bei
Schwarz. Beide schätzen das Spektrum des Protestantismus ähnlich ein: Konsequenz zeigte nach
Schwarz in "grausamer Ehrlichkeit " nur die Richtung, die sich überhaupt nicht von ihrem jüdisch-
christlichen Herkommen löse: die dialektische Theologie; sowie die, die sich völlig davon befreit

324 ”Jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln, und das soll er nicht; also soll er auf-
hören” (Hegel 1970 I, 234 f.) - der Sinn des Tübinger Systemfragments zieht sich über Marx/Engels bis zu Schwarz.
325 Hitler selbst ließ verlauten: "Der Staat ist nur Mittel zum Zweck" (Mein Kampf, zitiert aus Hermand 1988, 149).
326 Schmitt wie Schwarz veröffentlichten in den Schriften der Deutschen Hochschule für Politik. Was sie unter-
schied, war die Konfessionalität ihres Herkommes. Siehe dazu den Briefwechsel Schmitt-Stapel in Tomissen 1996.
100

habe: der religiöse Nationalismus. "So bleibt uns nur die Wahl, entweder bei der Transzendenzreligi-
on zu bleiben, ... oder uns zur Religion der deutschen Mystik (und Fichtes) zu bekennen " (51).327
Schwarz meint die gleichen Gruppen wie Barth, wenn er das Mittelfeld in "volksbejahende" und
"volksverneinende" oder "pazifistische" Theologen einteilt. Beiden bescheinigt er "theologisches
Versagen vor dem Vaterlandserlebnis ". Dieses Faktum läßt sich schlechterdings nicht mit der
christlichen Religion in Einklang bringen darüber ist er sich ex negativo mit Barth einig.
Schwarz reformuliert die Orthodoxie nun derart, daß k e i n christlicher Rest bleibt:

S c h u l d ist nur annehmbar, wenn sie als selbstverschuldete einsehbar ist. Die kirchliche Lehre,
die von der Erbsünde ausgehend nur einen servo arbitrio kenne, widerstrebe der "adligen Seele"
(42) - ein Bezug auf Nietzsche. Einzig sinnvoll sei daher die Rede von einer " Schuld der Sache ge-
genüber, der man treu sein will " (57), gegenüber sich und den anderen. Dies sei der Fall, wenn die
selbstischen über die unselbstischen Neigungen siegten - ein durchgängiges Motiv seit 1896.

E r l ö s u n g ist entsprechend "ein Loswerden der Selbstischkeit aus göttlicher Kraft" (48), wie er
anerkennend bemerkt: "Der Erlösungsbegriff des Christentums hat einen unvergänglichen Wert" (47).
Dem waren 1921 Bestimmungen der `Göttlichkeit´ ohne untergeschobenen Träger `Gott´ voraus-
gegangen. 1933 folgert Schwarz: "die transzendente Annahme kann entbehrt werden" (48). Was
bleibt, ist die immanente Transzendenz des `Gottestum im Volkstum´, schillernd zwischen akti-
vistischer Selbsterlösung und religiöser Passivität ("wir müssen getragen werden", 49). Christliche
"Erlösung" ist hinfällig, folgerichtig auch "Sünde" und "Gericht" (52).
L i e b e zuletzt sei "verwesentlichter Altruismus ", die Wendung der Erlösung ins Praktische:
"Christliche Liebe ist das Reinwerden unserer unselbstischen Antriebe vom Staube der Selbstsucht "
(48). Abzüglich Gottes, wird "Vaterlandsliebe" die Bestimmung dieses Zustands, da der einzige
Hort der ungegeben-gegebenen Göttlichkeit das "Vaterlandserlebnis" (60, vgl. 1922b) sei.

327 Barth selbst urteilte: "Die Gemeinschaft der zur Kirche Gehörigen wird nicht durch das Blut und ... die Rasse,
sondern durch den heiligen Geist und die Taufe bestimmt. Wenn die deutsche evangelische Kirche die Judenchristen
ausschließen ...würde, würde sie aufgehört haben, christliche Kirche zu sein" (Barth 1933, 24). Es gebe nur ein Ent-
weder-Oder, kein ernstzunehmendes `zwischen´. In diesem Bereich aber bewegten sich die Deutschen Christen (eine
"Sammlung von Prachtstücken aus dem großen theologischen Mülleimer"), von denen er rät, sich "nicht in Diskus-
sionen mit ihr einzulassen", sowie die Größen wie Lilje, Künneth, Gogarten, Heim und Brunstädt umfassende Jun-
greformatorische Bewegung, die eine theologisch nicht ernstzunehmende Opposition darstelle (vgl. Scholder 1977).
101

Diese Umbesetzungen versehen sich nach wie vor an der Realität des Dritten Reiches, dem die
Stiftung einer neuen Religion nichts weniger als ein Selbstzweck war. Dennoch liegen die Er-
gebnisse dieser Arbeit genau auf Hitlers Linie, dem es darauf ankam, Großgruppen wie die Kir-
chen zu schwächen, ohne befremdliches Sektierertum an die Stelle zu setzen. Die Schriften der
nächsten Jahre (1934-36) widmen sich vorrangig diesem Themengebiet.
94

IV. 2 Deutsches Glaubensringen (1934-38) ”Im Inneren waren zwar alle Herzen, aber nicht
alle Köpfe gewonnen.” Schwarz 1943, 3

Die schreibende Zunft sprang 1933 begeistert auf den Zug auf (sobald sicher war, daß er fuhr).
Schwarz selbst verweist auf Hans Grimm, Schauwecker und Ernst Jünger (1940, 485). Doch
auch wer nicht bereits die Flucht ergriffen hatte oder in Haft gekommen war, hatte bald Grund,
verstört zu sein. Nicht also eine erstaunlich breite Schicht des verbliebenen Professorentums.
328

Mitten unter ihnen Schwarz, der als Emeritus wieder in die Vorlesungs- und Publikationstätig-
keit gehoben wurde. Die Schriften von 1934-38 können weder als Verblendung durch die enthu-
siastischen Anfänge, noch als bloß kompromißlerische Mitläuferschaft beschönigt werden. Gera-
de darum sind sie höchst symptomatisch, allerdings jetzt für die Zeit, in der die utopistische Auf-
bruchsstimmung vergangen und der harte politische Alltag eingekehrt war. Was bewog die geis-
tige Elite philosophisch, dem dritten Reich die Stange zu halten? Wofür eigentlich alles?
In dieser Phase spricht Schwarz häufig vom ”Nationalsozialismus, religiös erlebt ” (1936b, in: 1945,
575). Das Bändchen Christentum, Nationalsozialismus und deutsche Glaubensbewegung ist eine
religionsphänomenologische Einholung des ”Wunders” des NS (1934, 42, bzw. 1940, 494) von
innen, aus der Teilnehmerperspektive. Die Realität unter dem Hakenkreuz ist mittlerweile be-
329

kannt, wird bejaht und in einen ”transzendentalen Nationalsozialismus” (ib., 498) vertieft. Auch
Hitler wird nun zitiert und gefeiert. Allerdings scheint die Erwartung einer `zweiten Revolution´
(Farías 1989, 153) noch mitzuschwingen. Schwarz, dessen Schwärmen für einen deutschen So-
zialismus bis 1945 nicht an der prokapitalistischen Politik Hitlers irre wurde, realisierte auf reli-
giösem Gebiet schneller, daß die Erwartungen getäuscht wurden. Er sieht: ”eine weltanschaulich-
religiöse Einheit unseres Volkes gibt es bislang nicht ” (484). 1934 hoffte er noch auf die Erreichung
einer solchen; daher sprach diese Schrift, wie er retrospektiv ausführt (1945, 47), vor allem zu
den Deutschen Christen. Später wandte er sich an die unbedeutendere Deutsche Glaubensge-
meinschaft (1936b), nach deren Zerfallen nur noch an eine Darmstädter Ortsgruppe (1937b) oder
gar einzelne Schüler (1944, Abdruck eines Briefwechsels).

328 Der in diesem Zusammenhang gern genannte 30. Juni 1934 ist ein äußerst fragwürdiges Datum.
329 Der Unterschied zu anderen Religionsphilosophien liegt nicht darin, daß sich Schwarz zu der untersuchten Reli-
gion bekennt, sondern darin, daß es eben diese Religion ist. Zurückführung von Religion auf Erlebnisse gab es auch
im Grenzerlebnis (Tillich), im Christuserlebnis der frühen Gemeinde (Harnack und Bultmann); vgl. Hoffmann 1923.
95
IV.2. a) Christentum, Nationalsozialismus und deutsche Glaubensbewegung (1934)

Die folgende Philosophie ist keine völkisch-präfaschistische mehr wie die von 1933, die den
Aufbruch euphorisch als etwas langerwartet Neues begrüßte, sondern dezidierte NS-Philoso-
phie. 330
Die politische Praxis wird bejaht, wichtige Theoretiker werden affirmativ zitiert. Schwarz
greift erneut Werke von Krieck und Rosenberg auf, nun aber, um sie als Prolegomena zu seinen
Werken zu nutzen. Er behauptet unbescheiden: ”Rosenbergs Methodik der Rassenseele und des Ver-
fassers Aufbau eines transzendentalen Nationalsozialismus - es sind zwei Wege zu demselben Ziele ”
(Schwarz 1934, in: 1940, 498). Das Ziel ist das ”zu Ende denken” des NS, der Anspruch ähnlich
`vermessen´ wie bei Heidegger. 331

Das Büchlein von 1934 behandelt den NS religionsphilosophisch (”religionsphilosophische(n) Zer-


gliederung des nationalsozialistischen Erlebens ”, 492). Dieser hatte seine Wurzeln tatsächlich in ei-
ner völkisch-rassistischen Germanenfrömmigkeit und gebrauchte gern "para-christliche" Riten
(Cancik 1998). Das Verhältnis zum Christentum, der auch im 20. Jahrhundert noch beherrschen-
den Religionsform, war darum ungeklärt. Hitler hatte sich zwar zu einem `positiven Christentum
´ bekannt - was aber darunter zu verstehen sei, war eben die Frage. In diese greift Schwarz ein.
Seine Auffassung ist verkürzt die, daß vom Christentum nur dasjenige in den NS hinüberzuneh-
men sei, was durch das Nadelöhr der deutschen Mystik gehe. Dabei greift er wie bereits 1913 auf
die liberale Theologie zurück, die den Ideengehalt des Christentums von ihrer zeitbedingten For-
mulierung zu trennen versucht hatte. Zeitgebunden sei die ”Lehre von der Sündenvergebung durch
unverdiente Gnade”, `ewig´ dagegen seien die Erlebnisse von ”evangelischer” Glaube, Liebe und
Freiheit (488). Er trennt die Naturordnung von der Heilsgeschichte: ” Damals galt es als Beweis
göttlicher Mächte, daß sie sich unter Durchbrechung des gewohnten Naturverlaufes versichtbarten ”
(485); dagegen ”Unsere religiöse Sehnsucht sucht das Ewige, das sich in der Seele aufschließt und
nicht in der Umkehrung der Naturordnung” (486) - das ist durchaus `existentiale Interpretation´ und
kommt damit Rudolf Bultmanns Entmythologisierung nahe. 332
Von Bultmann unterscheidet
Schwarz erst die weitere Ausdeutung.
Die Kritik, die Schwarz ”zu üben weiß”, ist eine ”logische, ethische, rassische” (490) - der Über-
gang von der Philosophie in den Rassismus ist völlig unproblematisch. Dahinter steht die Erlö-
sungsgewißheit des glaubenden Nationalsozialisten: ”Diese Gewißheit hat Hitler dem ganzen deut-
schen Volke mitgeteilt ” (496). Unter diesem `Glauben´ leidet auch die Wissenschaftlichkeit, die
330 Bisherige Einteilungsversuche beziehen sich auf Autoren, nicht auf Texte: Sluga 1993 unterscheidet im NS ”phi-
losophical radicals” von den ”philosophical conservatives”; Gereon Wolters unterscheidet zwischen ”Nazis”, ”Op-
portunisten” und ”Aufrechten” (in: Fulda 1999, 231; im Anschluß an Heiber 1991, 155).
331 Auch Heidegger wollte bekanntlich ”den Führer führen” (siehe Pöggeler 1985).
332 Ihre Ausdeutbarkeit in diese Richtung erhellt an Bultmanns Büchlein Jesus von 1929, das in Tat-ähnlicher Auf-
machung erschien. Bultmann überstand die NS-Zeit recht unbeschadet. Oroczo 1995, 35 f. bringt Anekdoten, Brum-
lik 1992, 261ff. zeigt die Gradwanderung im Bultmanns Evangelium des Johannes von 1941.
96
der Politik ja bewußt subordiniert worden war: Schwarz sieht sich als Aufgabe eine ”geistige Auf-
nordung” (498) gestellt. Und so unterscheidet er die ”aufklärerische Kritik am kirchlichen Gottes-
glauben” (491) von der deutschen: ”So hat sich auch deutsches Wesen sein veredeltes Christentum ge-
schaffen. Es ist das Christentum der deutschen Mystik” (504). Das Wort vom Tode Gottes hat
Schwarz ebenso angenommen wie Heidegger: das Christentum selbst ist kein ernster Gegner
mehr (”Das Gerüst ist morsch geworden ”, 490). Nun aber beginnt der eigentliche `Kampf ums Erbe
´, denn diese Religion hatte ja einen ”Wahrheitsgehalt” (Eucken 1927). Auf der einen Seite steht
- man meint Hegel zu hören - die Aufklärung, die diese Wahrheit verflacht zu den ”politischen
Schlagworten der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” (491).333 Die deutsche Mystik und der deut-
sche Idealismus andererseits haben ”den besseren Schatz des Christentums” geborgen, der für den
NS unverzichtbar sei - gemeint ist das ”axiologische Christentum, d.h. die für deutsches Gemüt we-
senhaften und ewigen Werte” (492), um bei Hegel zu bleiben: die Innerlichkeit. Zwischen ihnen
kommt es zum Kampf, ja zur ”weltgeschichtlichen Entscheidung” (508f.). Die absolute Vorrang-
stellung Deutschlands, die seit Fichte philosophisch, von Wilhelm II. und Hitler schließlich auch
praktisch vertreten wurde, bekommt religiöse Weihen.
Das Büchlein transportiert Doppelbotschaften: Hitler ist zur beherrschenden Figur geworden
(492, 495, 497, 518) - aber neben ihn stellt Schwarz Fichte (518) und sogar Klopstock (497).
334

Hitlers Weltmachtgelüste haben in dieser Philosophie durchaus ihre Entsprechung - aber


Schwarz kommt zu diesem (gleichen) Ergebnis auf einem sehr anderen Wege. Hitler sprach zu-
weilen ganz krude von Überbevölkerung und dem nötigen Siedlungsraum (dabei zugleich Prä- 335

mien für Kinderreiche aussetzend) - bei Schwarz wird die Mission des NS zu einer metaphysi-
schen. Nötig dafür ist die religiöse Deutung desselben: Die durch das Christentum in die Welt
gekommene "evangelische Liebe" sei durch das Christentum zugleich auf die Liebe zu Mit-
menschen beschränkt worden, ”anderes Lieben, sofern es über uns hinauszielt ” (510), wurde ver-
nachlässigt. Einmal befreit von diesem Joch, ”treten die reine Liebe zu Volkstum und Vaterland, zu
Kunst und Wissenschaft ... mit auf den Plan” (511). Solche Lieben aber seien - und dem ist zuzu-
stimmen - zuweilen untereinander unverträglich. Besonders Nationalismus und Sozialismus ha-

333 Sinngemäß einzufügen wäre, die beiden Erben der Aufklärung, Rußland und Amerika, seien "metaphysisch das-
selbe" (Heidegger 1953, 32). Schwarz spricht von ”Demokratie” und ”Bolschewismus” (1934, in: 1940, 508).
334 Zuvor hatte Bäumler die Zunft auf Hitler persönlich eingeschworen (Bäumler 1934, 127): ”Der Nationalsozialis-
mus (kann) von den geistigen Positionen der Vergangenheit aus nicht mehr verstanden werden ... Er läßt sich mit den
Begriffen Fichtes nicht geistig begründen.” Auch wenn Schwarz lange nicht der Einzige war, der das tat, mußte er
sich angesprochen fühlen. Bäumler hatte daneben dekretiert, ”eine Hochschule, die selbst im Jahre der Revolution ...
nicht von der Führung durch Adolf Hitler und Horst Wessel redet, ist unpolitisch” (ib., 126). Wenn Schwarz 1934
schreibt, ”Adolf Hitler (und Fichte) haben uns unter eine andere Bedingung gestellt” (in: Schwarz 1940, 518), so ist
das kein Larvieren, sondern ein gerüttelt Maß Trotz. Das Horst-Wessel-Lied kommt in 1936a zum Zuge (1940, 392).
335 "Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem
Land im Osten" (Hitler, Mein Kampf, zitiert aus Hermand 1988, 152). Solche Forderungen trug Schwarz klar mit.
97
ben beide religiösen Gehalt (494), aber stehen gegeneinander - ein klassisches Dilemma. Aber
wer glaubt, kann Berge versetzen - auch, wer an Hitler glaubt: ”Da kam das Wunder des National-
sozialismus! ... Erlösen kann uns aus dem Widerstreit nur ein mächtigeres Gotteserlebnis, ... (welches)
sie in seine übergeordnete Einheit eingliedert. Adolf Hitler hat die übergeordnete Einheit im Blute ge-
funden” (494f.). Zur Explikation dieser Metanoia bemüht Schwarz die Mystik; so, wie er sie
schon 1921 politisch ausgedeutet hatte. Anhand von Krieck und Rosenberg belegt Schwarz die
”Erlösung, Erfüllung!” (493) - womit er zugleich erweist, daß nicht er die religiöse Dimension
hinzuerfindet. Der NS erscheint deswegen als `transzendental´, weil er alles andere erst trägt und
ermöglicht. Er sei der ”Grundton, dessen Obertöne” alle anderen Gotteserlebnisse werden und sich
erst so nicht mehr gegenseitig ”vernichten” (519). Dieses völkische Grund- oder Tiefenerlebnis,
von Schwarz seit langem ersehnt (siehe 1901, 366), gebe dem NS seine Weihe.
Schwarz sah sich genötigt, dieses religiöse Erleben zu explizieren, um es diesmal wirklich auf
Dauer zu stellen. Wer sich seine Gedanken zu eigen gemacht hatte, war zu unbedingtem Gehor-
336

sam geradezu verdammt. Denn es gab so schlechthin keine Geltungsgründe, die gegen den NS
hätten aufgebracht werden können, da er diese alle ja allererst ermöglichte. Stellte man ihn, so
stellte man alles in Frage. Sowenig die Säkularisierungsthesen auch als historische Erklärung des
`Totalitarismus´ taugen - im diesem Falle treffen sie zu: traditionelle theologische Topoi sind ein-
fach material umbesetzt worden. Das Buch von 1934 ist das aggressivste und optimistischste al-
ler faschistischen Machwerke von Schwarz. Man kommt von selbst nicht darauf, daß der Autor
bereits 69 Jahre zählte. Die folgenden Werke heben einzelne Aspekte erneut und gründlicher her-
vor. Schwarz sah nicht ein, warum man seinen Ideen nicht Folge leistete und setzt immer neu an,
um ihre Richtigkeit doch noch zu erweisen. Darum wird vieles nun redundant.

IV.2.b) Ekkehart der Deutsche - Völkische Religion im Aufgang (1935)

Wie Hermann Lübbe unter den Fichteschriften des ersten Weltkrieges als skurilste die von
Schwarz hervorhob, so wäre unter den vielen Schriften über Meister Eckart aus dem Dritten
Reich diese - erneut von Schwarz - als die skurrilste zu bezeichnen. Gegenüber früheren Wer-
337

ken ist die Verwendung von NS-Schriften noch unkritischer geworden: Rosenberg hat die Rolle
Eckharts nunmehr ”seherisch erschaut” (Vorrede), die neuen `Forschungen´ über die Kultur der
alten Germanen werden integriert. In dem Maße, wie der eigene Anspruch zurückgefahren wird,
vermag andere NS-Philosophie, die auf größere Resonanz gefallen war, eingebaut zu werden.

336 Der NS sei ”von religiöser Kraft, aber noch nicht von religiöser Erkenntnis getragen” (1945, 565 - zuerst
1935).
337 Lübbe 1963 nennt Schwarz 1917 (Fichte und wir). In philosophischer Eckhart-Literatur des Dritten Reiches
(Oltmanns 1935, Klein 1940, Bracken 1943) wird Schwarz nicht genannt.
98
Schwarz verfolgt das geistige Geschehen seiner Zeit noch immer aufmerksam, hier zitiert er
Werke von Bernhard Kummer und Otto Höfler. Die durchgängige Rede von ”arteigener Religion ”
deutet darauf hin, daß der Kontext nun die Deutsche Glaubensbewegung (DGB) ist, die ein Ver-
such war, die vielen völkischen Sekten unter eine Dachorganisation zu bringen. Die Rolle von 338

Meister Eckhart ist nunmehr integrativ. Er soll nicht mehr nur Geist und Macht zusammenbrin-
gen, 339
sondern alle faschistischen Ideologeme unter einen Hut bekommen, auch die altnordi-
schen: ”Der Germane, schreibt Kummer, kannte schon immer den namenlosen Grund der Seele (28),
das spätere Fünklein Ekkeharts ” (1935, 13; ebenso 24).340 Philosophische Ursprungs-Spekulationen
werden etymologisch mit den alten Germanen verbunden: ”Der tiefere Grund ist der Brunnen der
Urd” (38). Die Bombentrichtermetaphorik der Kriegsjahre wird beschworen, um die Synthese
herzustellen: ”Das starke Gemeinschaftsgefühl des Germanen macht auch sein Verhältnis zu den Göt-
tern verständlich. ... (Sie) sind seine Gefährten im Schützengraben des Schicksals ” (17). Auch Autoren
wie Heidegger oder Hans Freyer hätten sich hier wiederfinden können: 341

”Die deutsche Sprache lädt uns von selbst ein, die beiden Hauptworte das `Wesen´... (`ein´ und `das´
Wesen, CH) mit dem Tätigkeitswort `wesen´ in Beziehung zu setzen. ... Damit haben wir erst ganz den
Sinn, den Ekkehart mit seiner wesenden Gottheit verbindet. Sie west erstens eigenschaftslos in allen Din-
gen, als ihre wesende Mitte oder Tiefe. Sie west zweitens eigenschaftslos vor allen Dingen als wesende
Erstheit. Sie ist drittens der Born, in dem nicht nur Zeit, sondern auch Ewigkeit noch verschlossen sind,
aus dem Zeit und Ewigkeit erst aufbrechen müssen. Viertens, sie existiert aber nicht” (30 f.). ”Sie ist das
wesende Ur, aus dem alles seinen Ur-sprung tut, hinein ins Dasein, aber sie ist kein Urwesen” (32).

In einem dionysischen Taumel feiert Schwarz den "philosophischen Rassismus" (Marten), in


dem alle gegenwärtigen Strömungen zusammenkommen sollen. Man bemerke dabei das ”Wir”,
das dieser Stelle den Charakter eines hymnischen Glaubensbekenntnisses verleiht, welches um
der Gemeinsamung willen die Stationen der gemeinsamen Heilsgeschichte erinnernd aufführt:

338 ”Nach dem Scheitern meiner Hoffnungen auf ein deutsches Christentum ekkehartischer Art sah ich... die beson-
dere `Deutsche Glaubensbewegung´ entstehen, die der Tübinger Religionsgeschichtler Prof. Hauer, zusammen mit
dem Herausgeber des `Reichswart´, dem Grafen Reventlow, gegründet hatte. (...) Ihr zu dienen schrieb ich das
Buch `Ekkehart der Deutsche´” (1945, 36f.). Hauer war ein Brieffreund von Hermann Hesse (Dierks 1986; Nanko
1993 bringt einige Briefe), Reventlow hatte einst Hitler mit Ludendorff bekannt gemacht.
339 Geist und Macht - ein Lieblingsthema von Thomas Mann - erscheinen bei Schwarz 1933 als völkisches Staats-
und Kulturbewußtsein, 1934 als Christentum und NS bzw. als Hitler und Klopstock (zu diesem Hermand 1988, 33;
sowie Blitz 1996). Schwarz dichtete übrigens selbst - ein Blick auf seine völkische `Poesie´ sagt mehr als jede Cha-
rakterisierung: "Jungdeutschland steigt aus dunklem Tal / und wallt im Zukunftssonnenstrahl / Ein Heer, ein Meer,
das brausend schwillt / und alle Dämme überquillt" (1919, in der Vorrede zur Festschrift von 1935).
340 Martin Herpel (Hermann Schwarz und der nordische Gedanke, 1933) mag Schwarz auf die Nähe seiner Philoso-
phie zu Bernhard Kummer gestoßen haben. 1935 und 1937 jedenfalls bezieht sich Schwarz affirmativ auf Kummer.
341 Die ”handelnde Ewigkeit” (1935, 90: bereits BDPh 1930, 390) ähnelt dem Megasubjekt `Seyn´ bei Heidegger,
der zu diesem ja auch erst durch das ”nichtende Nichts” (Heidegger 1929) kam. Ein "aktives Nichts" kannte auch
Freyer 1931: "Das bisher transzendentale Volk tritt in die Geschichte ein und wird zur unerbittlichen Realität” (zi-
tiert nach Hoffmann 1994, 170; vgl. Saage 1983). Die Rolle des Volkes als "vorentscheidende Gewalt" konnte auch
der (volkliche) Staat einnehmen (Gehlen 1980, 304; vgl. Pilch 1994). Zu diesen `Etymogeleien´ siehe auch Pankau
1997.
99
Verschiedenen Rede-Ebenen Text (Schwarz 1935, 21 - fette Hervorhebungen von mir, CH).
Zeitebene 1: Gegenwart, ”Uns sind die Augen aufgegangen für die Höhenlage arischen Wesens
Betonung des Heilswissens in der Welt. Wir sind uns bewußt geworden, daß einst seine ungestüme
Zeitebene 2: Geschichte, nordische Gestaltungskraft die ausschwärmenden Herrenstämme ge-
Aufzählung der Stationen schaffen hat, die fast alle indogermanischen Hochkulturen der Erde
vom Ursprung über die prä- ausgesät haben. Wir sehen, wie seine unverminderte Kraft die Helden
historische Hochkultur bis des Schützengrabens geschaffen hat, die dem Ansturme des halben
1914-18 Erdkreises standzuhalten vermochten, wir sehen seine innere Stille, in
Zeitebene 3: Ewigkeit, der es die Seelen geschaffen hat, die Nibelungenlieder und den Mythos
die Kultur drückt zeitlos den von Gottes Geburt in der Seele, den kategorischen Imperativ und die
Charakter aus neunte Symphonie gedacht, Kölner Dome gebaut, `Ritter, Tod und
Zeitebene 1: Gegenwart, Teufel´ gemalt haben, und wir dürfen mit Stolz sagen: es gibt nichts in
das nun explizierte Wissen der Welt noch außer der Welt, was uns teurer sein könnte als die
wird feierlich bekannt Reinerhaltung dieses Blutes”

Sogar dem Christentum wird eine Brücke gebaut, in dem die Rolle der Trinität beibehalten wird.
Ohnehin von den jüdischen Ursprüngen unabhängig (”Was hat mit dem Gott der Bibel noch Augus-
tins Trinität zu tun ... Und erst Dionysius, der Areopagite!” 52 f.), sei sie erst in Meister Eckhart zu
ihrer Wahrheit gekommen. Diese Lehre wird, wohl der Christen wegen, integriert. Nachdem 342

Schwarz sich mit konkurrierenden Ansätzen kritisch auseinandergesetzt und sogar noch die ”heu-
tigen Biologen” (125) belehrt hat, kommt er zu der Schlußformel: ”Versteht ihr nun das Wunder der
Ewigkeit, die nur unser Ja, euer Ja zu Blut und Boden, zu Volk und Führer abgewartet hat ” (126)? Was
er über Eckhart ausführt, ist zwar gegenüber seinen früheren Auslassungen nicht neu und zeugt
auch nicht gerade von philologischem Verantwortungsbewußtsein, aber ist dennoch nicht durch-
gängig falsch. Meister Eckharts Bestreben, dogmatische Verhärtungen aufzubrechen und zu ei-
nem vertieften persönlichem Verständnis des Heilsgeschehens zu kommen, hat Schwarz richtig
gesehen. Er zieht fatale Schlüsse und stellt Eckhart in ein braunes Licht - aber der Fehler liegt
nicht schon in der Eckhart-Interpretation. 343

IV.2.c) Weitere kleine religiöse Schriften

Es gelang der Deutschen Glaubensbewegung nicht, sich auf eine Linie zu einigen. Das Schlin- 344

gern der DGB ist an dem nächsten kleinen Werk: Deutscher Glaube am Scheidewege (1936b)
abzulesen. Es versucht, das Selbstverständnis der DGB aus der Sicht von Schwarz noch einmal a
primis fundamentis vor Augen zu stellen und ist daher eher von historischem als von systemati-

342 Noch kurz zuvor hatte er sie mit Verweis auf Cusanus abgelehnt: ”Gott in der Seele ist nicht dreieinig, sondern
vieleinig” (1934, in: 1940, 501). 1935, 40 tönt es dagegen: ”Nur wo ... innerhalb dieser Dreiform göttliche Lebens-
bewegung seelisch empfunden ... wird, da sind die ragenden Höhepunkte deutschen Glaubens”.
343 Das Niveau anderer NS-Werke über Eckhart, soweit sie politisch gemeint sind, fällt stark ab (vgl. Hunke 1981).
344 Schwarz schildert retrospektiv, seine Grundsatzschriften seien nicht angenommen worden. Er war einfaches Mit-
glied und trat 1936 aus (Schwarz 1945, 41 f.). Nanko 1993 erwähnt ihn nicht.
100
schem Interesse. Die Bedeutung des religiösen NS tritt weniger selbstbewußt als zuvor, aber dar-
um nur um so grundsätzlicher hervor:
”Die rassenbiologische Weltanschauung des Nationalsozialismus gibt zwar für alle Gebiete deutschen
Zusammenlebens die Ordnungsanweisung her. Das innere Feuer des deutschen Sozialismus aber kann
sich nur in den Seelen selbst entzünden. Wo das geschieht, da ist der Nationalsozialismus religiös er-
lebt. Da liegt mehr vor, als daß im Namen der Rasse nur politisch und sozial gedacht wird. (...) Mit
Weltanschauung beginnt der Nationalsozialismus, mit politischen Regelungen setzt er sich fort, mit reli-
giösem Erleben vollendet er sich” (1936b, in: 1945, 575).

In Pionierarbeit hat Hubert Cancik angemessene Klassifizierungen für die damaligen religiösen
Gruppen zu erarbeiten begonnen. Die DGB rechnet er dabei dem Ende der Weimarer Republik
zu. Damit ist gemeint, daß sie die neue faschistische Realität nicht adäquat erfaßte und so nicht
345

merkte, daß sie von Hitler nicht erwünscht, sondern nur für ein kirchenpolitisches Manöver be-
nutzt wurde. Schwarz stellte die religiöse Dimension des NS selbst wesentlich stärker in den
Vordergrund. Das mag der Grund dafür gewesen sein, daß er von der DGB nicht wohlgelitten
war. Zwar beanspruchte auch er, den NS besser zu verstehen als dieser selbst. Aber er forderte
keine religiöse Sonderpraxis neben der faschistischen Realität, sondern nur deren theoretische
und meditative Durchdringung. Schwarz wollte diese Realität stützen, nicht - wie etwa Ernst Re-
ventlow - sie verändern. Der `deutsche Sozialismus´ war bei Schwarz völlig `entwirtschaftlicht
346

´, daher gab es keinen Grund zu irgendeiner Kritik. Das von Cancik als eigentlich faschistisch ge-
wertete DGB-Nachfolgeblatt Durchbruch brachte weiterhin Artikel von Schwarz (1945, 550).
Das kleine Religionswerk 1936b war ein Versuch, das Auseinanderfallen der DGB aufzuhalten
und eine Übersicht und Kritik der verschiedenen Strömungen zu schaffen. Insbesondere die von
Hauer gestellte Aufgabe, den geistfeindlichen Ludwig Klages zu korrigieren (1945, 40), geht
Schwarz hier an.
Einen ähnlichen Versuch n a c h dem Zerfallen der Plattform DGB stellt das Buch Deutsche Got-
teserkenntnis einst und jetzt (Schwarz 1938) dar, das besonders als Kritik von Mathilde Luden-
dorff zu verstehen ist. Ihre religiöse Vereinigung Gotteserkenntnis (L) wurde 1937 als einzige
”dritte Konfession” anerkannt (Cancik 1998, 218). Schwarz bringt seine alten Kritikpunkte vor:
gegen verdinglichendes Denken und gegen Subjektivismus, für eine selbstzweckhafte sittliche
Vergemeinschaftung aller Deutschen, die per se schon die einzig möglichen religiösen Weihen
habe, die es nur noch zu begreifen gelte. Die esoterischen Schriften Irminsul (1937b) und die
Darmstädter Richte von 1937 (beide in 1945, 650-90) sind religionshistorisch aufschlußreich, da

345 `Neuheiden´ und totaler Staat. Völkische Religion am Ende der Weimarer Republik, jetzt in: Cancik 1998, 187
ff. Auch Schnurbein 1992, Nanko 1993 und Bibo 1995 enthalten Kategorisierungen und Listen aller Gruppen.
346 Cancik weist auf die antiimperialistische Tendenz Reventlows hin - von der bei Schwarz keine Rede sein kann.
Wie um dies klarzustellen, druckt er 1940 frühe Reden mit ab wie: Forderung nach deutschen Kolonien (1940, 38).
101
sie Wurzeln des Neuheidentums noch der Bundesrepublik aufzeigen (etwa bei Kusserow 1977):
die "arteigene Frömmigkeit" (1945, 670) wird dort ohne taktische Rücksichten formuliert.

IV.3 Philosophischer Nationalsozialismus (1936/37)

Hermann Schwarz´ eigentliche Profession war ja die Philosophie. In zwei kleineren Schriften
widmet er sich noch einmal dieser Disziplin, um das bereits religiös vorgetragene zwar nüchter-
ner, aber ebenso feierlich zum Ausdruck zu bringen. Die Reihe, in der diese Schriften veröffent-
licht wurden, zeigt eindeutig ihre legitimatorische Funktion: Schriften der Deutschen Hochschu-
le für Politik. Diese veranstaltete in Frankfurt Vorlesungsreihen, die anschließend in den Druck
gingen. Dort kamen so hochrangige Personen zu Wort wie Goebbels, Rosenberg, Walter Groß
(Leiter des rassenpolitischen Amtes der NSDAP), Carl Schmitt oder Otto Kollreuter, aber auch
besonders eifrige Newcomer wie der Philosoph Alfred Grunsky. Der Inhalt des Büchleins Zur
347

philosophischen Grundlegung des Nationalsozialismus (Schwarz 1936a) findet sich ähnlich auch
in anderen Werken. Von Interesse ist eher, wie er es sagt und welche Schlüsse er zieht. Der
`Schluß´ des Werkes lautet denn:
”Wir sind überzeugt, daß unser Sozialismus blutsbrüderlicher Liebe auf die anderen Völker übersprin-
gen und auch das Verhältnis der Völker untereinander neu gestalten wird. Denn er trägt vor sich her die
Verheißung eines neuen Völkerbundes, der wesenhafter ist als der jetzige, weil er beruht auf dem Sozia-
lismus der Völkerehre” (Schlußwort 1936a, in: 1940, 393).

Dieses Ergebnis deckt sich mit den tatsächlichen Vorhaben des Dritten Reiches auf erstaunliche
Weise - angefangen mit dem Austritt aus dem Völkerbund bis hin zur geplanten Neuordnung Eu-
ropas und der Anfeuerung ethnischer Revolutionen in umkämpften Gebieten (wie etwa dem Bal-
kan), welche besonders im Verlauf des Krieges zu einem Mittel deutscher Politik wurden. Der
Neuidealismus von Schwarz war zwar unorthodox, wenn man von den Schriften Hitlers, Ro-
348

senbergs und einiger weniger mehr als von `der´ NS-Ideologie ausgeht. Anhand dieser Schrift
läßt sich aber nachvollziehen, daß es viele Wege gab, zu dem - von der Politik vorgegebenen -
Ergebnis zu kommen, die alle legitim und gangbar waren: ob es nun über Plato oder Fichte oder
gar die einstmals verfemte deutsche Aufklärung war. Innerhalb des `pluralen´ NS war es eben
349

kein "geistiger Widerstand", wenn man nicht mit rassischen Kategorien argumentierte. Auch 350

idealistisch ließen sich die Rassegesetze gutheißen, ja ließ sich sogar noch `revolutionär´ auftre-
351

347 Grunsky veröffentlichte dort: Der Einbruch des Judentums in die Philosophie. Dazu Schorcht 1990, 141 ff. Über
die Deutsche Hochschule für Politik berichtet Farías 1989, 280 ff., auch Heidegger sprach 1934/35 dort.
348 In dieser Rubrik erscheint Schwarz in zeitgenössischen Philosophiegeschichten (siehe Literaturverzeichnis).
349 Leske 1989, 157. Wundt 1939 und 1945 betrieb historische Studien über Schulphilosophie und Aufklärung.
350 Gehlen sah den NS als ”Tatbeweis” seiner Philosophie (Rügemer 1979, 88) und übernahm 1942 den Vorsitz der
Deutschen Philosophischen Gesellschaft. ”Geistiger Widerstand”: ein Wort von Heideggers Sohn (Heidegger 1983).
351 Schwarz 1936b: ”Wir trennen uns von einer fremden Kulturwelt, die zersetzend in die unsere eingedrungen war,
weil wir sie, als wir rassenbiologischer Erkenntnis noch nicht geöffnet waren, ahnungslos in unseren Lebensraum
hineingelassen hatten. (...), üble Erfahrung hat unsere rassenbiologische Erkenntnis geweckt. Wir haben einen
102
ten: Schwarz erkennt in der bloß ”bürgerlichen Vaterlandsliebe” (1940, 388), die dem `stati-
schen´ Denken verhaftet bliebe, eine Unzuverlässigkeit. Der Staat, ohnehin nur Durchgangsstadi-
um, bedürfe einer heißeren Liebe: ”Zwar kann kein Volk ohne die Klammer und das Schwert des Staa-
tes leben. Aber seine Klammer wird morsch und sein Schwert wird stumpf, wenn nicht im Herzen der
Volksgenossen heilige Duheit lebt” (389). Mögliche kritische Impulse, die er in pietistisch-unklarer
Gestalt ja selbst gehabt hatte (vor allem in Schwarz 1901), werden vorwegnehmend verunmög-
licht. Eine staatliche Allmacht könne zwar gefährlich sein, wenn sie Selbstzweck sei, aber unter
Hitler sei sie dies gerade nicht:
”Es ist die Aufgabe des Staates, diese Totalität der lebendigen Volkheit ebenso zu pflegen, wie seine
Selbstherrlichkeit in ihr zu begrenzen, eine Aufgabe, die nur lösbar ist, wenn der Lenker des Staates zu-
gleich Führer des Volkes ist” (389f.).

Wenn im Führer Volk und Staat eins sind, kann es keinen Konflikt geben - das sonst so verding-
lichungskritische Denken macht ausgerechnet vor den eigenen Voraussetzungen halt. `Das Volk´
in einem solch metaphysischen Verständnis `gibt´ es ebensowenig wie die Idee der `Menschheit´.
Die politische Metaphysik von Hermann Schwarz hantiert mit dieser Entität aber an hervorragen-
der Stelle. Der Rechtsgrund, auf welchen Schwarz verweist, um mit der `Volkheit´ argumentie-
ren zu können, ist das `Erleben´ und damit das G e f ü h l. Dieses wird beschwörend mit Super-
352

lativen belegt: Im ”Erlebnis der Schützengrabengemeinschaft” brechen ”die allerüberlegensten Ewig-


keitskräfte hervor” (383), es sei das ”letzte Geheimnis geschichtlichen Lebens ..., daß in der Esse des
Schicksals die Völker zu Volkheiten reifen sollen ” (392).353 Seiner alten Grundorientierung (Schwarz
1900 und 1912) und anderslautenden Beteuerungen (1945, 570) entgegen hat er in den 1930ern
den menschlichen Willen wieder entwertet. Nur noch die `handelnde Ewigkeit´ will etwas - sie
will in uns aufbrechen, während "wir" dies lediglich zu empfinden, zu erleben haben. Hier
354 355

rächt es sich, daß Schwarz 1921 den Willen so stark hervorgehoben hatte: er ist so frei, daß er
nicht mehr unser Wille ist, sondern zu einem fremden wird, dem unbedingter Gehorsam geschul-
det ist. Der einzelne M e n s c h ist willensunfrei. Letztlich liegt hiermit eine Ästhetisierung der
356

politischen Theorie vor. Schwarz ist im Alter wieder auf seine Ursprünge verfallen: kritisch rea-
listisch entspricht jedem Erleben ein `Etwas´ - so entsteht hier die ernsthafte Behauptung einer

Schnitt vollzogen, der notwendig war, wenn wir unsere eigene Art retten wollten” (in: Schwarz 1945, 574). Auch
Heidegger beklagte eine "Verjudung" des "Geisteslebens" (Leaman 193, 110 f.).
352 Cancik 198, 240 f. zitiert eine Hitlerrede: " Ich fühle euch und ihr fühlt mich! ... Wir sind jetzt Deutschland".
353 1934 sprach er in paradoxaler Verschränkung von der ”allerhöchsten Spannung” inmitten des ”allertiefsten
Aufbruches” (in: Schwarz 1940, 496). Superlative benutzte er seit je (Schwarz 1896, 131: ”letzter Grund”).
354 ”Diese heilige Duheit will als immer neuer Strom von Seele zu Seele gehen”; ”der Zug geschichtlichen Lebens
... will, daß sich der Strom gleichen Blutes zu beseeltem Bunde schließe” (1936a, in: Schwarz 1940, 377 und 388).
355 ”Wir Deutsche, insofern wir völkisch ergriffen sind, erleben uns als durch einander verwachsene Einheit”
(1936a, in: 1940, 373). Schwarz 1943, 2: ”Der Nationalsozialismus brachte die feste Richtung vom Erleben her”.
356 "Ich fühle mich nur als der Vollstecker eines geschichtlichen Willens" sagte Hitler 1940 (in: Zitelmann 1989).
103
`Volkheit´. Seine allererste Ethik war von einem ”Gefühlsgewissen” ausgegangen (Schwarz 1896)
- auch bei diesem ist er 40 Jahre später wieder angekommen. Das ganze Büchlein gibt eine Re-
prise seiner Philosophie des Ungegebenen, die restlos in den NS übergeht. Nur ist das völkische
Megasubjekt nun keine Forderung mehr, sondern bittere Realität, mit der seine Philosophie nun
zu ringen hat. 357

Das zweite Werk dieser Reihe, Grundzüge einer Geschichte der artdeutschen Philosophie
(1937), versucht, auch die andere `deutsche Philosophie´ in das Dritte Reich einmünden zu las-
sen. Es will den NS aus der Philosophie legitimieren, indem es die Philosophen zu Vorläufern
der Nationalsozialisten macht. Natürlich unterscheidet es sich inhaltlich von vergleichbaren Ver-
suchen beträchtlich: eine solche Geschichte gibt es schlechthin nicht, sie wird ins Blaue hinein
358

(re)konstruiert - und das natürlich von jedem anders. Die Methode ist jedoch überall ähnlich: Ju-
den und Marxisten werden ausgespart, und sonst kommt nur das zu Wort, was der legitimatori-
schen Funktion gerecht wird. Die 1935 eingeführte Germanenkunde liefert den Einstieg über die
”Frühgermanen” (1937a, 9), den `Schluß´ bildet wiederum der NS. Die deutsche Seele habe ”in
der deutschen Mystik, der deutschen Romantik und dem deutschen Idealismus ihren Reichtum ausge-
schüttet, und der Nationalsozialismus hat ihn göttlich eingeholt” (80). In der Dreiteilung von Mystik,
Romantik und Idealismus begegnen viele alte Bekannte wieder. Für die Romantik hatte Schwarz
sich zuvor nie sonderlich erwärmen können. Er führt diese Kategorie hier ein, weil viele deutsche
Denker weder in die Mystik noch in den Idealismus so recht passen mögen. So gehören in den
weitgefaßten Romantikbegriff nicht nur Herder und Schleiermacher, sondern auch Leibniz und
Nietzsche. Immerhin hat die Romantik noch das ”Umschlagen des Humanitätsgedankens in den Na-
tionalgedanken” (37) zuwege gebracht. `Romantik´ steht hier für die Spannung der ”Selbsterweite-
rung” (27). Natürlich zieht Schwarz der romantischen Linie ”Leibniz, Herder, Schleiermacher bis
hin zu Nietzsche” die idealistische ”Kant, Fichte bis hin zum Nationalsozialismus” (27) vor, die allein
die `Spannung des Nicht´, den ”Atem der Ewigkeit” erkannt habe (”Tiefen in uns”, 55). Waren die
Romantiker zu selbstisch (”geistiger Hochmut”, 63), so hätten auch die Idealisten sich noch in ver-
seinelnde Spekulationen verloren (57). Es gelte besonders die deutsche Mystik zu reaktivieren,
die in Fichtes ”organischem Idealismus ” (63) wiedergekehrt sei.
Schwarz legt hier in einer Aufbereitung der historischen Religionsphilosophie den Grund für die
weitere Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen. Bei den alten deutschen Denkern weist er
wohlwollend auf Grenzen hin, um damit auf den richtigen Weg zu verweisen, der ja - in Eck-
hart, Böhme und Fichte - längst schon gelegt sei. Bei den neueren Denkern ist er dann (in
Schwarz 1938) um so ungnädiger, da es ein großes Verhängnis sei, heute noch diese Wege zu
357 Der Versuch der Einholung des konkret Geschichtlichen führt zu einer stärkeren Betonung des Schicksals.
358 Etwa: Böhm 1937, Haering 1941, Glockner 1941, Del-Negro 1942 und Lehmann 1943.
104
vernachlässigen. Dies bekommen besonders Ernst Bergmann, Ludwig Klages und Mathilde Lu-
dendorff zu hören: sie seien an der anhaltenden religiösen Entzweiung des Volkes mitschuld.

IV. 4 Fatalistische Spätphilosophie (1941/1944)

"Wenn ich eines Tages den Krieg befehlen werde, kann ich mir nicht Gedanken machen über
die 10 Millionen junger Männer, die ich in den Tod schicke.” (Hitler, in: Rauschning 1940, 79)

In den letzten beiden Büchern Ewigkeit (1941) und Unsere Heiligtümer (1944) kommt es zu ei-
ner bemerkenswerten Verschiebung. 1941 unternimmt er einen erneuten Versuch, seine Philoso-
phie des Ungegebenen zu applizieren und sie als Manifest einer religiösen Vertiefung des NS
einzusetzen. Die Zeit hat sich jedoch inzwischen verändert - der Aufbruch von 1933 ist zum Aus-
bruch von 1939 geworden. Dies schlägt sich spürbar nieder. Die Veränderungen lassen sich
359

kurz benennen: der Ton gegenüber den Kritisierten wird merklich schärfer (”bodenloses Wirr-
warr”, 33; ”Wirrköpfe”, 102; ”Verfallserscheinung”, 12); die Rede von Gott und Göttlichkeit wird
gänzlich fallengelassen (49, 99, 122); es gibt überhaupt kein externes Sollen mehr (9), sondern
nur noch das "germanisch-deutsche Sittlichkeitsgefühl"; eine Rede von ”Hochwerten” wird ein-
360

geführt (13 ff.); die Betonung liegt auf Heldenmut, Schicksal und Opfergesinnung (75, 123: hel-
disches Dasein); das Ziel totaler Umbesetzung christlicher Termini in nationale wird vorgegeben
(16, 104/8) und Hitler wird zum Gegenstand einer religiösen Gewißheit (20, 126). Direkt und
scharf angesprochen werden Gustav Frenssens (51, 74), Ludwig Klages (60, 64), Graf Reventlow
(61), Herbert Grabert (89), Georg Pick (91), Kurt Leese (92) und Mathilde Ludendorff (37, 97;
Rosenberg dagegen kommt ungeschoren davon, 78). Ähnlich wie in 1937a werden Schopenhau-
er, Eduard von Hartmann, Leibniz, Eckart, Bruno, Herder und Goethe als die eigentlichen Origi-
nale ins Feld geführt. Sie alle seien Religionsdenker, die etwas Richtiges zwar gesehen, es aber
dadurch, daß sie der alten Religion verhaftet blieben, auch gleich wieder verdorben hätten. Ein
alter Glaube könne nur von einem neuen ersetzt werden (87). Dieser sei mit dem NS erreicht -
darauf kommt ihm alles an: zur ”politischen Wertordnung des Nationalsozialismus” soll sich "die
Wucht einer metaphysischen Überzeugung” gesellen (47). Seine eigene Lehre von den drei Span-
nungen, die er jetzt `Streben nach Lebenshöhe, Lebenserweiterung und Lebensverwesentlichung´
nennt (35, 100) expliziert diesen neuen Glauben, der die Fehler der anderen sehen lehrt. Das Ziel
ist nach wie vor die religiöse Homogenisierung: es ”naht die Stunde deutscher Glaubenseinheit.
Einst werden sich alle Deutsche miteinander als Kinder der Ewigkeit fühlen ” (103). Damit verbunden

359 Schwarz 1945, 44 f., bemerkt : ”1939 entstanden, kam es wegen der Kriegsverhältnisse erst 1941 heraus”.
360 "Einziger Maßstab für alle Forderungen aus arteigenem Glauben ist das germanisch-deutsche Sittlichkeitsgefühl"
(aus dem Glaubensbekenntnis der `Durchbruchmänner´, in: Cancik 1998, 214). Ähnlich Walter Darré: "Sittlich ist,
was der Erhaltung der deutschen Art förderlich ist" (in: Hermand 1988, 256).
105
ist die Vision einer totalen Rekonziliation, einer "Resurrektion der Natur": ”Alle Geschiedenheit,
361

die das Sein unter sich zerteilt, weil es sich von der Ewigkeit geschieden hat, wird von diesem Ewig-
keitsstrome hinweggespült” (45).
Die Ankunft dieses Ereignisses läßt sich nur erwarten (”Nun müssen wir warten”, 42; auch 62);
und zwar ”ohne Warum” (10, 102; eine Eckhart-Reminiszenz). Schwarz hatte 1921 verkündigt,
daß dies nur in einer Seele geschehe. Dieser Subjektivismus der Innerlichkeit ist noch präsent;
denn für e i n e Seele gilt: ”Wenn wir ihr (der Ewigkeit, CH) den Weg öffnen, so bricht sie von selbst
in uns auf” (84). Zuvor hätte man sich bei dem Subjektivismus beruhigen können, 1941 aber
herrscht K r i e g - und dies ändert alles. Nichtkriegerische staatliche Vergehen wie Eugenik und
Judenmord werden von Schwarz ohnehin gedeckt. Eine Versöhnung auf subjektivierte Art ist
362

durch den neuen Krieg jedoch verunmöglicht, da er immer schon mehr als nur eine Seele betrifft.
Schwarz ist gezwungen, von Tod (43) und Leid zu sprechen - wenn er auch nur die `Volksgenos-
sen´ meint. Der Krieg steht der Versöhnung entgegen, er läßt sich nicht sublimieren. Dies zeigt
sich an Stellen wie diesen, wo er zwischen den Zeilen überall hervorbricht:
”Die deutsche Seele bekennt sich zur naturhaften Wirklichkeit als solcher, trotz aller Gefährlichkeiten,
die darin enthalten sind. Auf Tod und Leben ist hier das Feld unseres Schaffens, unseres liebenden Wir-
kens, unseres heldenhaften Einstehens. Wir fühlen uns mit allem in ihr seienden untrennbar verbunden,
wir schmieden uns in der Esse der Umwelt unser Schicksal” (95).
”`Vaterland´ ist in uns Segen der Ewigkeit. Wenn wir uns schaffend, kämpfend dafür einsetzen, dann
geht, geweckt durch unseren Einsatz, Ewigkeit mit uns” (102). ”Setzten wir nicht dafür unser Leben ein,
nie würde uns des Lebens Wesentlichkeit gewonnen sein (nach Schiller)” (103).

Letztlich wird das metaphysische Geschehen an den neuen Krieg gekettet - unbedingter Gehor-
sam ist nötig, weil die Erringung der Versöhnung auf kollektiver Ebene von ihm abhängt. Wird
bei Schwarz ohnehin alles ”verklärt” (84), so der Krieg noch einmal besonders: die Einheit auch
nur einer Seele läßt sich in Kriegszeiten nur bei völliger Geschlossenheit des Volkes herstellen.
Diese scheint den Kriegsgewinn nicht nur zu erfordern, sondern im Umkehrschluß auch zur Fol-
ge haben zu müssen. Gemäß der völkischen Mythen hatten die Germanen ihren Hochwert in
363

der ”Wertung der Sippe als tragender Lebensmacht” (116). Ein Drama metaphysischen Ausma-

361 Marx 1974, 186. Der neuplatonische Hintergrund ist bei Marx nur rhetorisch, bei Schwarz dagegen bierernst.
362 Inidealistisch-positivistischer `sozialer Physik´: ”Je inniger sich Ehre, Treue und Hilfsbereitschaft zwischen den
Volksbrüdern gestaltet, um so schärfer wird auch gleichsam am negativen Pole die Kraft der Abstoßungen gegen
das, was feindlich das Leben des Volkstums bedroht. Da darf und muß es, wenn sich die Drohung zur Vernichtungs-
gefahr für das Volkstum steigert, Haß geben. Das ist dann heiliger Haß, in dem dieselbe Ewigkeitstiefe ist, wie in
der weihevollen Liebe zur Volksgemeinschaft” (106). ”Wir sterilisieren im Dritten Reiche erbranke oder auch ver-
brecherische Menschen... wir, denen an der Erhaltung reinen und gesunden Blutes in unserem Volke liegt, verhin-
dern nach Möglichkeit solche Befruchtungen, deren naturgesetzliche Folge gegen unseren Wunsch ist” (1941, 122).
363 Hermand 1988, 151 zitiert Hitler mit den Worten "unbesiegbar für immer" - scheinbar glaubte Schwarz das
auch.
106
ßes war es, diesen zu verlieren. Schwarz läßt offen, wann der erste `Sündenfall´ stattfand, um 364

desto dringlicher an den zweiten zu erinnern:


”Jetzt ist nicht mehr zu untersuchen, wie es kam, daß bei unseren Vorfahren der Hochwert der Sippen-
und Volksgemeinschaft absank ... , sondern man erinnere sich daran, wie wir Deutsche zum zweiten
Male das Wertgefühl der Volksgemeinschaft aus der Seele verloren haben. Das war im Weltkriege. Als
er ausbrach, waren wir einig in heißen Vaterlands- und Brudergefühlen. Aber diese haben sich nach und
nach verflüchtigt” (119).

Und dies darf nicht erneut passieren. Nicht, weil Schwarz auf die konkreten Kriegsgewinne spe-
kulierte - das wäre noch realpolitisch -, sondern wegen des metaphysischen Dramas. Es kommt
darauf an, die neuen Gemeinschaftsgefühle durch das rechte Verständnis derselben gegen jede
365

Anfechtung zu mobilisieren. Als kriegs- und heilsgeschichtsentscheidend gilt die Frage,


”wie es zu verstehen ist, daß wir an unserer volksbrüderlichen und führertreuen Gemeinschaftsgesin-
nung ein echtes Ewigkeitserlebnis haben. (...) Wir müssen uns von einer inneren Gewalt erfüllt fühlen,
von der Gewalt der in die Zeit hineintretenden Ewigkeit. (...) Das allein könnte uns gegen alles Schwach-
werden der Gefühle auch in der größten Not wappnen und verhüten, daß das große Erleben der Volks-
gemeinschaft (und damit der Krieg, CH) zu einem dritten Male verloren ginge” (121).

Der blutsbrüderliche Zusammenschluß nach Anleitung durch Hermann Schwarz will genau dies:

”Wenn wir das tun, so lagert sich nämlich inwendig in uns über dem Deutschland draußen ein unendli-
cher Wert. Das ewige Deutschland geht als eine innere Sonne in uns selber auf” (123).

So endet auch dieses Werk, genau wie sein 20 Jahre älterer Bruder, mit der Feier des Krieges;
mit dem Unterschied, daß nun wirklich einer tobt. Natürlich war Schwarz ein Sonderling und in-
nerhalb des Dritten Reiches gewiß keine Autorität. Seine religionskritischen Gedanken jedoch
waren plausibel; und sobald sie sich positiv hervorwagen, sind sie für die damalige Zeit sympto-
matisch. Viele Menschen scheinen tatsächlich so empfunden zu haben: `weiter bis zum letzten
und trotz allem´. Selbst wer nicht die emphatische Sinndeutung des Hakenkreuzes (127) mit-
366

machte, konnte sich von dem Grundduktus der Schrift getragen fühlen. Hätten sich solche Ge-
danken auf lange Sicht nicht sogar durchsetzen können? 367

Obwohl Schwarz aus sittlichen Impulsen immer ein Nietzschegegner war, wurde er durch den
Zweiten Weltkrieg zum Nietzscheaner. Dem absoluten Durchhaltewillen, dem kostbaren Gut
368

der Volksgemeinschaft (jenes ”Letzte und Tiefste ”, 126) wird alles andere unterstellt. Das Wapp-
nen gegen jedes Schwachwerden der Gefühle (121) beinhaltet die gänzliche Verabschiedung von
der humanistischen Moral und der christlichen Religion, die so hinderlich von Schuld und Ge-
wissen reden. Besonders im Krieg wird der Glaube an Jahve ”zu Gift, von dem wir Sündenkrämpfe
364 Von ”Sündenfällen des deutschen Geistes” spricht er 1928b, 43 und BDPh 1930, 383. Nach völkischen Gedan-
ken war der erste `Fall´ die Christianisierung durch Karl den Großen im Jahre 772 n. Chr.
365 1938/39 gab es keine mit 1914 vergleichbare Euphorie. Schwarz sah sie, weil er sie seit langem sehen wollte.
366 Der Krieg mußte von außen gestoppt werden, die Stimmungslage der Deutschen bei Kriegsende war gedrückt.
367 Etwa, wenn das Attentat am 20 Juli 1944 geglückt wäre und das Reich sich gehalten hätte (vgl. Kühnl 1995).
368 Ein eindeutiger Hinweis: er spricht nun von ”Moralin” (Schwarz 1941, 29; vgl. dagegen 1901, Anhang).
107
bekommen” (82). Erst wenn wir auf der spiralförmigen (94) ” Stufenleiter `gläubiger Freiheit ´” (103)
auch noch über die Säkularisate von Klages und Ludendorff hinaussteigen, werden wir durch das
”innere Freiwerden” (87) belohnt, besser: beschenkt. Denn siehe, ”Das Schuldgefühl ... ist aus sei-
ner Seele genommen” (31). Um dieses Ziel zu erreichen, bedient sich Schwarz der religiösen Spra-
che - nicht nur der Termini, sondern auch religiöser Redeweisen wie der Prophetie:
369

”Wann wirst du deutsches Volk, das immer sein Eigenstes so schwer erkannt hat, merken, daß du längst
hast, was du in den religiösen Bewegungen, die dein völkisches Erleben geweckt hat, erst suchst? Kein
einzelner wird dir das deutsche Evangelium bringen. Lerne im Buch deiner Geistesgeschichte lesen.
Dort sind deine Propheten und künden nicht das ewige Leben, sondern führen dich in den Garten leben-
diger Ewigkeit” (72).

Schwarz entlarvt zwar den ”Verschiebungstheismus und Namenspantheismus” (46) seiner Zeitgenos-
sen treffend als bloße Permanenz der Floskeln (”Das Gaukelspiel mit dem unerkennbaren Gott”,
104), spielt aber selbst gekonnt mit Bezügen zum Christentum. In der zitierten Passage werden
eine Reihe ehrwürdiger Topoi aufgerufen: das Volk Israel, der Trotz der Propheten (die nichts im
eigenen Lande gelten), das Evangelium und das Buch der Geschichte, der Garten Eden (eher
wohl Gethsemane), schließlich das gelobte Land. Schwarz tritt auf wie ein Prophet, der - im
wörtlichen Sinne - weiß, wo es lang geht, und sein Volk dorthin "führen" will. Es muß ein Glück
für ihn gewesen sein, wenn beim Nürnberger Prozeß niemand diese Schrift gekannt hat.
Dieser Entwurf ist aporetisch, der Übergang von dem verinnerlichten Sonnenaufgang (123) zu
der gewünschten politischen Wirklichkeit nicht im geringsten reflektiert. Der (Kurz-)Schluß ba-
siert auf der Annahme geteilter Überzeugungen seitens der Leser und wird gegen Andersdenken-
de immunisiert: ”Nur heldischem und unselbstischem Wollen erschließt sich von innen her Ewigkeits-
sinn” (16). Arnold Gehlen, der auch von Fichte herkam, kam erst über die Problematisierung die-
ses Überganges (Handlung, Gewöhnung, Institutionalisierung) zu seiner Anthropologie; nichts
dergleichen bei Schwarz. Ganz ähnlich wie Heidegger überspielt Schwarz theoretische Defizite
gekonnt durch religiöse Überhöhung, die nur durch Zweideutigkeiten und Anspielungen auf
theologische Restbestände eine vermeintliche Tiefe erhält. Dies geschieht allerdings nicht wider
besseres Wissen, sondern aus tiefster Überzeugung. Insofern ist dies keine Propaganda. 370

Schwarz hatte inzwischen zwei schwere Kritiken einstecken müssen. Der Theologe Kurt Leese
hatte ihn unter die Denker eines "werdenden Gottes" subsumiert. Sein Gedanke einer `wesen-
371

den Gottheit´, die erst durch unsere Willensentschlüsse zur Gottgöttlichkeit werde (noch 1936b,

369”Wir wollen glauben, daß wir in unserer Sehnsucht nach Wesentlichkeit ebenso auf die Ewigkeit bezogen sind,
wie sich diese ... auf uns bezieht, und daß letztlich diese beiden Spannungen ... dasselbe sind. Was wissen wir...?
Aber wenn wir die Aufgaben ergreifen, dann wird uns zumute, als trete Weihe in unser Leben ein, unser Wirken
...verklärt sich. (...) der Laut der Ewigkeit in uns ... ertönt mit all den Namen, die uns heilig sind” (1941, 84).
370 Zwischen der NS-Ideologie und der Philosophie ab 1933 ist zu differenzieren. Allerdings konnte die Philoso-
phie, wenn auch auf anderen Wegen, zu den gleichen Ergebnissen kommen wie Josef Goebbels.
371 Leese 1938. Neben Schwarz galt dies vor allem Scheler, der zuletzt tatsächlich so etwas vertrat (Scheler 1995).
108
vgl. 1945, 37), war inzwischen zu Mathilde Ludendorffs dritter Konfession vulgarisiert worden.
Dagegen wollte Schwarz sich abgrenzen (1941, 85: "Abwehr eines Mißverständnisses"), und so
widmet er Leeses Kritik eingehende Erörterungen - ohne sie allerdings auszuräumen. Denn
372

durch die Aufgabe der Kategorien `Schöpfung´ und `Gottheit´ wurde gerade die andere Kritik,
373

die er erfahren hatte, bestätigt. Der theologische "Vergötzungstadel" an der völkischen Religiosität
(Schwarz 1943, 705) hatte gelautet, sie propagiere eine ”menschliche Selbsterlösung” (Schwarz
1934, in: 1940, 491). Dies betraf den von der ”Erlösungskraft des Nationalsozialismus” (ib., 494)
überzeugten Schwarz - der eigentlich hätte `Braun´ heißen müssen - besonders. Je mehr Schwarz
nun die gottheitliche Dimension aufgab, desto mehr traf diese Kritik zu. So larviert er zwischen
den Kritikpunkten hin und her und verstrickt sich in Aporien, deren Unlösbarkeit nur noch eine
gewaltsame "Selbstbehauptung" erlaubt. Um nicht der Selbsterlösungskritik zu verfallen, muß
374

eine Transzendenz behauptet werden, aus der her das Profane seine Weihe bezieht. Dieses darf
aber 1941 nicht einmal mehr als `wesende Gottheit´ gedacht werden. Eigentlich hatte Schwarz
dieses `ganz Andere´ mit Fichte als "moralische Weltordnung" entworfen. Aber im Zuge des 375

Krieges soll ja gerade die moralische Transzendenz des Ge- und Verbotenen über das Praktizier-
te als hemmender Skrupel der Volksgemeinschaft ausgeschaltet werden. Es bleibt also nur der
Weg, das ohnehin Getane als Forderung `germanisch-deutschen Sittlichkeitsempfindens´ ins
Reich des Idealen hinüberzublenden, und es von dort her wieder als Begründung und Vertiefung
des Getanen zu benutzen - eine klassische platonische Verdopplung, ein gigantischer naturalisti-
scher Fehlschluß. Es erscheint nun als Freiheit, das mitzutun, was von allen Volksgenossen getan
wird: im Glauben an die normative Kraft des Faktischen gilt das je Getane zugleich als Norm sei-
ner selbst. Wer in diesem normfreien Handeln das Handeln nach einer selbstgegebenen Norm
376

zu e m p f i n d e n vermag, handelt nach Schwarz frei, sittlich und religiös zugleich - in Wirk-
lichkeit aber völlig enthemmt. Die Blindheit des Willens war schon bei Schwarz 1900 zu konsta-
tieren, sie findet sich ähnlich bereits bei Fichte und Schopenhauer. 377

An diesem Werk ist abzulesen, daß die heilsgeschichtlichen Kategorien, die nach 1945 zur Sinn-
deutung der Geschichte herangezogen wurden, dem Dritten Reich selbst entstammen. In der Ab-

372 InDie gläubige Freiheit deutscher Menschen (BDPh 1938, 386), vgl. 1945, 42.
373 ”Man lasse den Schöpfungsbericht überhaupt von der Gottheit fort und sage nicht `Gottheit´, sondern `Sinn
schenkende Ewigkeit´” (1941, 85) - dies bezieht sich wohl auf Ludendorff 1935; Kurt Leese wird zitiert: 92 ff. Dies
im Hinterkopf, lese man erneut die Stelle bei Hegel 1970, Bd.3, 26 f., wo Hegel - obzwar hintersinnig - fragt,
"warum nicht vom Ewigen ... allein gesprochen wird, ohne den sinnlosen Laut noch hinzuzufügen" (nämlich: `Gott´).
374 Spengler 1920, 4: "Wir wollen keine Sätze mehr, wir wollen uns selbst". Heideggers `Selbstbehauptungs´-Rede
schloß: "Wir wollen uns selbst" (in: Farías 1989, 163). Eigene Widersprüchlichkeit förderte den Intellekt(uellen)haß.
375 Diese Fichtesche Formel war der Auslöser des Atheismusstreites von 1799 (Fichte 1987, 21).
376 "Der Führer selbst und allein i s t die heutige und künftige Wirklichkeit und ihr Gesetz" (Heideggers Appell vom
3.November 1933, zitiert aus Kemper 1990, 37). Der Führer `ist´ das Recht und sein eigener Rechtsgrund zugleich.
377 Die NS-Weltanschauung war eine "Welt als Wille ohne Vorstellung" , so kolportiert Fest 1973, 294.
109
weisung jeglichen Gedankens an Schuld erntete man nach 1945, was vorher gesät worden war:
moralische Resistenz gegen Schuldgefühle, an der jeder "Ruf des Gewissens" (SuZ, 272) wie ein
Tropfen am Regenmantel abperlt. Es gab keine Instanz, der gegenüber man sich überhaupt
378

schuldig fühlen konnte. Das Gewissen sagte je nur: du sollst, denn du kannst, denn du tust es ja
schon. Wer im Bewußtsein handelt, rechtsetzende Gewalt zu sein, urteilt nur nach Kriterien, die
er selbst zu setzen im Begriff ist. Kaum jemand empfand sein eigenes Handeln als einen Norm-
379

bruch; NS-Philosophie versah dieses Denken mit geistigen Weihen. Schwarz war in dieser Hin-
sicht im Dritten Reich ein wichtiger Denker: in der Konsolidierungsphase verschaffte er den
Schein philosophischer Legitimität, im Krieg ermöglichte er ungetrübte Loyalität - alles in offizi-
ellen Drucksachen. Die erschienenen drei Bände der Gesamtausgabe (Schwarz 1940, 1943,
1945) bemühen sich, die Glaubensgeschichte des Dritten Reiches anhand eines zentralen Den-
kers für spätere Zeiten zu konservieren. Den ”Schlußstein deutschen Glaubens” sieht Schwarz in
dem beschriebenen Fatalismus, den er nur noch mit früheren Stadien seines Denkens zu vereinen
sucht. Er bemüht sich noch gegen Kriegsende, die Jugend mit in diesen ergeben-aggressiven Fa-
talismus hineinzuziehen (Schwarz 1944). In einem Dialog läßt er ein Mädchen jubilieren:
”Ich danke dir, du hast mir das Wesen deutschen Glaubens enthüllt. Er sieht das Schicksal nicht als
blindes Fatum, sondern in heiliger Dreigestalt. In sich selbst ist es Weltentiefe, Seinsgrund und Sinn-
grund der Welt. Äußerlich steht es um uns mit Forderungen des Lebens und der Umwelt, und in uns wird
es zu handelnder Ewigkeit” (1945, 715).

53 Jahre universitäre Philosophie in Deutschland münden in eine Hetze ein, die noch die Flack-
helfergeneration in den Tod zu schicken sich anläßt - der S k a n d a l der deutschen Philosophie.

378 Ein (von niemandem gefordertes) "Kollektivschuld"-Geständnis wurde in der frühen (katholischen) Bundesrepu-
blik breit abgelehnt - eine sehr bedenkliche Kontinuität. Man vergleiche Guardini 1946 dagegen mit Jaspers 1946.
379 Wer daran ist, "den Vorstellungen entsprechende Gegenstände ... hervorzubringen" (Kant: KpV, 29), kann die
Vorstellungen erst an diesen Gegenständen als rechtmäßige erweisen. Historische Zeit spielt bei diesem utopischen
Pokerspiel die Hauptrolle. Heideggers (und Blochs) Betonung der ”Zeitlichkeit” hatte auch solch handfeste Motive.
Das Gewissen bei Heidegger ruft das Dasein übrigens nur zu "sich selbst" (SuZ, § 57) und zu n i c h t s anderem.
110
111
V. Wertung und Deutung ”Der Graben liegt zwischen Kant und Fichte, nicht zwischen Fichte und Hegel.”
Alfred Bäumler, Einleitung zu `Hegels Staatsschriften´, Jena 1926, S.27

Stellt heutige Philosophie sich den Machenschaften ihrer Vorgängerin, muß sie zugleich mit sich
selbst ins Gericht gehen. Der hier behandelte Hermann Schwarz ist zwar nur ein Fall, aber kein
Sonderfall. Außer denen, die als Juden oder Marxisten gehen mußten, waren fast alle irgendwie
beteiligt. Es geht nicht um die Beurteilung der moralischen Integrität von Personen; zu fragen
380

ist vielmehr, was dieser Skandal eigentlich für die Disziplin Philosophie als solche bedeutet.
Hier begegnet die Schwierigkeit, daß Wertungen meist aus wissenschaftlichen Untersuchungen
herausgehalten werden - um im Anschluß daran (genau an dieser Stelle also) um so regelloser
und willkürlicher gefällt zu werden. Auf den ersten Blick zu urteilen war Schwarz um 1900
Christ und Kantianer, um 1940 dagegen gläubiger Nationalsozialist. Wie geht man damit um?
Einerseits könnte in der Aufmachung einer `Genealogie des Bösen´ behauptet werden, Christen-
tum und Kantianismus führten eben zum Faschismus. Andersherum könnte man Christentum
und Kantianismus völlig heraushalten, um die Verantwortung der Person Hermann Schwarz
(oder den ominösen ”Zeitumständen”) zuzuschieben. Es müßte dann in der Biographie der Punkt
(x) aufgewiesen werden, an dem der `Fall´ von einem reinen Denken in die unsaubere Politik
stattgefunden habe. Einen solchen gibt es jedoch bei Schwarz an keiner Stelle. Es ließe sich 381

also entweder die Eigendynamik des geistigen Kontinuums `Philosophie´ völlig eindampfen zu
einem Nebeneffekt der reinen Geschichte der Macht; oder aber mit den Veteranen behaupten,
382

daß die ”wirklichen Nazis” überhaupt kein Interesse an der Philosophie gehabt hätten, daß diese 383

also in einer Nische weiterhin ihr `rein´ geistiges Dasein gefristet und so überdauert habe. Die
Wahrheit liegt, wie so oft, in der Mitte. Die eigentliche Arbeit fängt mit dem Abweis von Pau-
schalisierungen allerdings erst an. Im folgenden wird versucht, das Philosophische an Schwar-
zens Parteinahme durch eine historische Einordnung in den Blick zu bekommen und zu verorten
(1). Der folgende Vergleich mit Heidegger soll die Symptomatik dieses Herkommens verdeutli-
chen (2), um mit Bemerkungen zur Philosophie im NS insgesamt abzuschließen (3).

380 Ähnliche Studien zu anderen Autoren liegen vor; ich verweise auf das Literaturverzeichnis.
381 Bei anderen - etwa im Leben des Georg Lukács - mag es solche Punkte sehr wohl gegeben haben.
382 Mit Foucault 1976 und 1991 (mit Lenin wäre dies übrigens ebenso möglich - wenn auch nicht mehr zeitgemäß).
Der Kreis um W.F. Haug behandelt die ideologischen Mächte im Faschismus tatsächlich so. Das Philosophische an
der Philosophie kommt dabei nicht in den Blick. Allein die jeweilige Bindung einer Person an `die Macht´ wird an-
hand von Dokumenten untersucht - was zwar auch nötig ist, aber eben nicht nur. Plato, Aristoteles, Seneca bis zu
Hegel und Marx hatten alle solche Bindungen, trotzdem sagt die Kenntnis dessen über ihre Philosophie wenig aus.
383 Mit Gadamer 1990 - welcher so freundlich war, mir brieflich mitzuteilen, er wisse nichts näheres über Schwarz.
112
V. 1 Die deutsche Freiheit ”Wodurch unterscheidet sich aber unsere Freiheitsgeschichte von der ...
eines Ebers, wenn sie nur in den Wäldern zu finden ist?” Marx 1958, 339
” ... wenn die Freiheit unseres Willens keine andere als die ... psychologische ... wäre, so würde sie im
Grunde nichts besser, als die Freiheit eines Bratenwenders sein”. Kant, KpV 174

Im Schwarzschen Oeuvre gibt es auffallende Kontinuitäten. Zu nennen ist vor allem der durch-
gängige Impuls, die menschliche Willensfreiheit zu verteidigen. Davon sind die frühen ethischen
Entwürfe getragen (1896, 1900, 1901), davon zeugen die Behandlungen der `Grundfragen´ aus
den Folgejahren (1912, 1922a, 1925), und noch die NS-Philosophie tritt im Namen der Freiheit
auf (BDPh 1938). Daneben gibt es ein konstantes Auftreten gegen "bilderndes Vorstellen” (1921,
50) und ”Verseinlungen” (1928a, 16), die Schwarz von seinem Hallenser Lehrer Uphues mit-
brachte und die ihn noch 50 Jahre später zu der häretischen Bemerkung hinriß, der NS-Staat sei
bloße ”Werterscheinung” (1941, 24), dem die Wertfülle (pleroma) der verwirklichten ”Volkheit ”
erst noch zu folgen habe. Drittens spielt das pietistische Erbe der durch selbstzweckhafte Verge-
meinschaftung entbundenen altruistischen Gefühlswärme seit den frühesten Entwürfen überall
mit hinein. Und neben alledem gibt es schließlich das `positivistische´ Element des kritischen
Realismus, der oft vorschnell von Empfindungen auf Tatsachen schließt. Damit sind Züge ge-
nannt, die eigentlich als typisch modern gelten: moralische Autonomie, Verdinglichungskritik,
Sozialität des Menschen und Konkretion der Philosophie. Leider wirkten sie nicht als Bollwerke
gegen den heraufziehenden NS, sondern wurden noch zu seiner Legitimierung herangezogen. Sie
können also post festum unmöglich als per se emanzipatorisch bezeichnet werden.
Die Wurzel der fatalen Wendungen bei Schwarz ist sein Kantverständnis. Dieses hat eine ehrwür-
dige Vorgeschichte, die nicht nur Hermann Schwarz betrifft. K a n t hatte in den Kritiken eine
Dreizahl von Perspektiven ausgebreitet. Traditionelle Topoi kamen unter je anderer Perspektive
in den Blick - Kant spricht vom jeweiligen Gebrauch der Vernunft. Gegenstandskonstitution
384

hat zunächst weder mit Moral noch mit der Beschaffenheit des `Ich´ etwas zu tun. Durch die
spitzfindig (nicht von Kant) angehängte Frage nach der Konstitution des die Gegenständlichkeit
konstituierenden transzendentalen Subjektes, sowie die (wiederum nicht von Kant) behauptete
Notwendigkeit, alle Philosophie aus e i n e m Grundsatz entspringen zu lassen, glaubten sich
Kants Zeitgenossen in einer Klemme. Fichte beendete diese Misere, indem er seine Wissen-
385

schaftslehre als geschlossenes "System der Philosophie" entwarf. Die Gegenstandskonstitution


386

wurde nun zum Nebeneffekt der Selbstkonstitution des `Ich´.


384 Kant trennt u.a. theoretischen und praktischen (KpV, 29), diskursiven und intuitiven (KrV, B 747) sowie konsta-
tiven und regulativen Gebrauch (KrV, B 671). Die beiden Einleitungen zur KdU legen Rechenschaft darüber ab.
385 Der Glaube an die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Letztbegründung (was die letzte Ursache unserer Vor-
stellungen sei), einer Konstitution der Konstitution, und an die monolithische Geschlossenheit des Wissenskorpus
(gemäß der ordo-Vorstellung) sind unkantisch und höchst vormodern (vgl. Baumanns 1990; Heidegger GA 25, 78.)
386 Fichte 1971 I, 76 und 477, vgl. den Systemgedanken bei Hegel 1970 Bd. 3, 27. Nach Kant wäre ein "System der
Freiheit" nur in der Moraltheologie, und auch dort nur zum immanentem Gebrauch, möglich (KrV, B 847).
113
Vermeintlich offene Fragen der theoretischen Vernunft löste er durch einen "spekulativen Primat
der praktischen Vernunft". Schelling ersetzte diese Methode zunächst durch die ästhetische der
387

intellektualen Anschauung, später durch seine Realphilosophie; Hegel durch seine Philosophie
der Vermittlung. In dieser Einheitsphilosophie (Kodalle) ging die saubere Trennung der Gel-
tungssphären, die Kant erreicht hatte, wieder verloren. Bei Kant eine methodische Annahme, die
die Beurteilung der Moralität einer Handlung von empirisch-theoretischen Betrachtungen rein-
hält, wurde `Freiheit´ nun wieder in die ontologische Ebene hineingebracht. Es gibt nicht mehr
388

die verschiedenen Redeebenen der Wissenschaft einerseits, der moralischen Dimension, in der
man auf ganz andere Weise urteilt, andererseits (”Reich der Sitten”, KpV 262), sondern nur noch
eine, in der die beiden Momente höchstens noch als übereinandergeschachtelte Stockwerke ge-
dacht werden. Die Differenz zwischen Ding an sich und Erscheinung, bei Kant Ermöglichungs-
389

grund eines Redens von Freiheit (KpV 174), wurde von Fichte wieder eingezogen. Aus dieser
Fichteschen Transformation des Kantischen Freiheitsbegriffes zehrt die Plausibilität der
Schwarzschen Ausführungen. Kants Pluralismus des Vernunftgebrauchs wird in idealistischen
Methodenmonismus eingedampft, dafür wird innerhalb der Ontologie eine neue metaphysische
(axiologische) Ebene eingeführt. Spekulativ wird das Ganze dadurch, daß eine so schier unver-
390

meidliche cartesische Zerteilung der Welt dadurch vermieden wird, daß von einem Pol ausge-
hend alles andere deduziert wird. Der oft monierte `Kantische´ Dualismus liegt indes nicht bei
391

Kant, sondern in der Fichteschen Lesart von Kant begründet. Bei Kant gibt es keinen ontologi-
schen Dualismus, sondern eine (proto-)sprachanalytische Differenzierung der Redeweisen.

387 Kroner 1921, 362; dort eine Schilderung der Vorgeschichte. Heidegger haßte dieses Werk (Gadamer 1977, 32).
Lask lehnte den bei Rickert aufkeimenden "Vorrang des Ethischen im Theoretischen" scharf ab (Lask 1923 I, 349).
388 Spämann 1972 liest die Stelle ”Es ist überaus merkwürdig, daß auf diese transzendentale Idee der Freiheit sich
der praktische Begriff derselben gründe” (KrV, B 561) als Begründung. Freiheit ist in der KrV jedoch nur als denk-
möglich erwiesen, keinesfalls `begründet´. Dies kann "auch nicht gelingen” (B 586), sie ist "Idee" (KpV: "Postulat").
389 Bereits 1901, 169 schichtete Schwarz logische und sittliche Wahrheit bruchlos übereinander. Bei Schelling er-
scheint dies als Potenzen-, bei Scheler und Nicolai Hartmann später als (aristotelische) Schichtenlehre. Auf die Wur-
zel des Einheitsdenkens bei Fichte verweist bereits Kodalle 1998. Fichte selbst pointierte die Differenz zu Kant
brieflich dahingehend, man könne in der Transzendentalphilosophie entweder ”also verfahren, daß man gewisse
Grundunterschiede ... als nicht weiter zu vereinigend, voraussetze ... ; welches ... eine unvollständige, in sich selbst
nicht ... zur absoluten Einheit gekommene ... geben würde ... Eine solche Philosophie ist die Kantische... Oder man
kann so verfahren, daß man jene ursprüngliche Einheit des Seins und Bewußtseins ... durchdringe und darstelle ...
Diese jetzt beschriebene Philosophie ist die Wissenschaftslehre” (Brief vom 23. Juni 1804, in: Fichte 1986, 360 f.).
Baumanns 1990, 130 konstatiert ebenfalls eine unaufgelöste Vermengung von Theorie und Praxis bei Fichte. Kant
dagegen trennte scharf: ”Sind Erscheinungen Dinge an sich selbst, so ist die Freiheit nicht zu retten” (KrV, B 564).
390 Auch der Fichteaner Gehlen betrachtet 1933 `Freiheit´ als ”neue, ganz eigene metaphysische Dimension” (Geh-
len 1980, 144), die ”keine moralische mehr” sei (a.a.O., 178); vgl. Windelband 1935, 162.
391 Entweder wird, wie bei Fichte und Hegel, alles vom Geist, oder, wie bei Fries, Herbart, Beneke, Schelling und
schließlich Nietzsche, alles von der Natur abgeleitet. Schwarz wandte sich in der Linie Fichtes gegen Nietzsche.
Aber wie die `Kehre´ Gehlens vom Idealismus zur Anthropologie zeigt, lagen diese Seiten nahe beieinander. ”Man
sieht, Fichtes Standpunkt und der Neumaterialismus haben eine ähnliche Struktur. Nur ist Fichtes Spiritualismus
weit konsequenter” (Schwarz 1912, 18). Siehe auch den Ex-Pietisten Engels über das `Ding an sich´ (Engels 1958).
114
Wird angesichts des Geistes noch `Verdinglichungskritik´ wirksam (etwa Schwarz 1943, 235),
kommt es zur Annahme so merkwürdiger Gegenständen wie dem `Ungegebenen´, der `wesenden
Gottheit´ oder dem `Seyn´. Alte Traditionen wie der Neuplatonismus oder die deutsche Mystik
können dann gut aufgegriffen werden, weil in ihnen eine solche Ebene des Seiend-Nichtseinden
`schon´ gesehen wurde. Man meint, im Interesse der Sittlichkeit die Region des allem zugrunde-
liegenden `Geistes´ verteidigen zu müssen - und gibt in Wirklichkeit gerade damit die Dimensi-
on der Moralität preis. Die Hypertrophie des ”Nichts” bei Schwarz wie bei Heidegger speist sich
aus dieser Dynamik: Sittlichkeit in einem Methodenmonismus zu behaupten, ohne sie unter die
natürlichen Gegenstände zu verrechnen, zwingt zur Einschaltung des ”Nichts”, um von einer
Ebene auf die nächste zu gelangen. Man kann nicht bruchlos von einer Ebene in die nächste
`springen´. Aber gerade dieser Bruch, dieser Abgrund wird zum ”Nichts” `verdinglicht´, besser:
`verwesentlicht´. Gewonnen wird damit eine Verhaltensweise des Menschen zu den Dingen, die
man Freiheit nennen mag: die Möglichkeit, zu verneinen. `Der´ Mensch ist in seinem `Welt
392

´-Verhalten in `das´ Nichts gestellt, im Gegensatz zum Tier kann er sich so oder so zu den Din-
gen verhalten. Freiheit im Sinne der Moralität ist damit jedoch noch nicht erfaßt. Um die morali-
sche Dimension menschlichen Verhaltens in den Blick zu bekommen, bedarf es eines Perspekti-
venwechsel, der von ontologischen Erwägungen gerade abläßt. Wer den Menschen metaphysisch
als immer schon in der Freiheit seiend begreift, die eben nichts als das grundsätzliche Weltver-
halten des Menschen meint, sieht die moralische Dimension, in der es um andere M e n s c h e n
geht und verschiedene Möglichkeiten, mit diesen zusammenzuleben, gerade nicht. So läßt sich
hundertmal von Freiheit reden, selbst wenn alle tatsächlichen Freiheiten der Menschen beschnit-
ten und die von Kant gemeinte moralische Würde der Menschen mit Füßen getreten werden. Die-
se Verstellung Kants durch Fichte ist nicht nur bei Schwarz zu bemerken, sondern ebenso bei
Heidegger, ja schon bei Hegel und Schelling selbst. Wenn Hegel sinniert: ”Im Begriffe hat sich
393

das Reich der Freiheit eröffnet”; wenn Schelling die menschliche Freiheit in einer aufwendigen
Spekulation aus einem kosmischen Geschehen herleitet, wenn Heidegger sie als das ”Wesen der
Wahrheit” behauptet, wird sie zu einer metaphysischen Eigenschaft, zu einer Seinsart des Men-
schen gemacht. Moral wird ausgebootet, indem sie überhöht wird. Versteht man Freiheit, statt
394

als besondere Fähigkeit des Menschen, sich in jeder Situation auch anders - nämlich gemäß des
392 Scheler 1928; Plessner 1928 nennt dies "exzentrische Positionalität"; vgl. auch Bergson 1920.
393 Der Kritik an der Heideggers Unterbestimmung der Phänomene `Gewissen´ und `Schuld´ durch Ebeling 1991, 35
ist zuzustimmen: ”Das Lob des totalen und unausgesetzten Schuldigseins befreit nämlich von der Verantwortung und
Pflicht und Schuldigkeit für dies und das nachhaltig Konkrete.” Ebenso ist es mit der Freiheit: wird sie derart hoch
angesetzt wie bei Heidegger und Schwarz, bleibt sie an einem ”Ort v o r der Moralität” (ib.). Auch wer keine Wahl
mehr hat, ist frei: ”Freiheit aber i s t nur ... im Tragen des Nichtgewählthabens" (Heidegger: SuZ, 285). Davon zehrt
noch der Aufruf zur wahllosen Wahl 1933, den Heidegger schrieb und Schwarz unterschrieb. Habermas sieht etwas
ähnliches noch in Heideggers Humanismus-Brief, der erkläre, "warum moralische Bestimmungen ... unter dem Ni-
veau des wesentlichen Denkens bleiben" (in: Farías 1989, 29) - eine `Grundlegung ´ des NS noch nach 1945.
115
Sittengesetzes - zu verhalten, als allgemeine menschliche Seinsart, aus sich selbst heraus zu le-
ben (die auch in der Knechtschaft noch gewahrt ist), läßt sich noch der unfreieste Gehorsam als
395

Freiheit verkaufen, da gerade das Sittengesetz aus dem Blick geraten ist. Genau das tat Schwarz
guten Gewissens, als es nötig war. `Evangelische´ Freiheit in seinem Sinne meint:
”Die Freiheit von allen äußeren Bindungen (hierunter fällt das Sittengesetz, das Schwarz schon 1902 als
heteronom ankreidete, CH) in der Hingabe an das bei uns gegenwärtig gewordene Gottesleben, daß jene
Bindungen entweder außer Recht setzt oder in seine eigene Wesenhaftigkeit eingliedert, in der wir sie als
innere Aufgabe wiederempfangen” (1934, zitiert aus 1945, 34).

Sein derartig sinnverkehrender Gebrauch des Begriffes Freiheit w a r philosophisch gedeckt. 396

Politische Freiheit, die durch die Garantie von Grundrechten die Verfolgung von Interessen legi-
timiert, die in einer ausdifferenzierten Gesellschaft notwendig verschiedene sind, wurden schon
zuvor als `Willkür´ diffamiert und somit gerade bekämpft. Die politischen Freiheiten, von denen
vor allem in der angelsächsischen Tradition die Rede ist, liegen jedoch auf einer weiteren Ebene.
Es ist unzulässig, sie als `bloß äußerliche´ Willkürfreiheit von einer vermeintlich tieferen deut-
schen Freiheit abzugrenzen. Gerade in der Rechtsphilosophie Kants spielt die `negative´ Frei-
397

heit-von eine entscheidende Rolle: Moralische Freiheit steht in keinem Bedingungsverhältnis zur
politischen Freiheit, sondern es ist umgekehrt die Gewährung der politischen Freiheit, die eine
`innere´ moralische Freiheit allererst ermöglicht. Solche Differenzierungen wurden in der Sy-
398

stemphilosophie untergraben. Statt dessen kam es schon bei Fichte und Hegel zu einer verfehlten
religiösen Überhöhung des Freiheitsbegriffes und zur Aufwertung der zwischengeschalteten Ebe-
ne des Staates oder Volkes als eines Selbstzweckes. 399

Schwarz bedient sich bei der Divinisation des spekulativen Freiheitsbegriffes seines pietistischen
Hintergrundes. Das dort geübte Herauslösen der Religion aus den verbindlichen Praxen in alle
möglichen Bereiche des Alltags erlaubte eine völlige Trennung vom kirchlichen Ursprung:
Wenn nur die Ergriffenheit dieselbe ist wie im Konventikel, so hat man Religion - auch wenn es

394 Hegel 1970, Bd. 6, 251; Schelling 1809 (1964); Heidegger 1943. Ein wacher Geist bemerkte (unter Verweis auf
Hermann Cohen): "Wird die Freiheit nicht im Horizont des Sittengesetzes verstanden, sondern theoretisch, dann
kann sie nur durch den Verstand (i.e.S.), nicht durch die Vernunft begriffen werden. Der Begriff von ihr wird dann
spekulativ, er ist eine bis zum Unbedingten erweiterte Kategorie, kein praktische, sondern eine bloß transzendentale,
dogmatisch metaphysische ... Idee. Damit ist offenbar alles, was die Eigenart und den Sachgehalt des Moralischen
ausmacht, preisgegeben" (Gerhard Krüger 1931, 169). Selbst so kritische Geister wie Adorno vertreten eine Ein-
heitsphilosophie, nur mit umgekehrten Vorzeichen (Wurzel dessen ist Horkheimers Habilitation über Kants KdU).
395 Spinozas conservatio sui, Kants "absolute Selbsttätigkeit", KrV A 418. Fichte selbst unterschied 1793 drei Frei-
heitsbegriffe (transzendentale, kosmologische, politische Freiheit; Fichte 1988, 98), die Freiheit des Willens und der
Individuen wurde von ihm aber konsequent `geopfert´ (Willms 1967, Kodalle 1998, vgl. Rohs 1991, 97 ff. ).
396Auch die Theorie der Willensfreiheit benutzte ihn so (”Die echte Freiheit aber ist die freiwillige Unfreiheit”, Geh-
len 1980, 176; vgl. Gerwin Klinger in Haug 1989, 188); daneben Gustav Märkisch (Deutscher Freiheitsglaube) in
der Festschrift für Schwarz 1934. Auch `Freiheitsphilosophien´ wie die von Rudolf Steiner wären zu überprüfen.
397 Zentrale Unterscheidungen in der Freiheitsdiskussion trafen Tönnies 1935 (`Willkür und Kürwille´) und Berlin
1968 (`positive und negative Freiheit´). Zur "deutschen Freiheit" vgl. Waas 1939 sowie W. Weiland in Faber 1986.
398 Kersting 1993, 136 ff.; auch Kriele 1994. Ich verweise auf die Arbeit von Daniel Schulz, die das behandeln wird.
399 Zu diesen Transformationen bei Fichte siehe Willms 1967, 144 ff., bei Hegel siehe Marcuse 1990, 154 ff.
116
sich um Dinge wie Kunst oder Wissenschaft handelt. Die in der Orthodoxie (selbst noch bei
Schleiermacher) verankerte Korrekturinstanz der Schrift verhinderte ein losgelöstes schwärmeri-
sches Umhertreiben religiöser Verhaltensweisen. Schwarz, der als Philosoph mit einem berech-
tigten Verstehensanspruch, aber in einem inadäquaten Methodenmonismus der biblischen Religi-
on und der klassischen theologischen Auslegung nichts mehr abgewinnen kann, trennt sich ganz
bewußt von dieser Instanz - ohne aber von der Religion zu lassen. Paul Tillich hat solche Freistil-
Theologie als Dämonie gebrandmarkt, und ein Opfer dieser Angriffe war Emanuel Hirsch. 400

Auch Schwarz griff Hirsch an, der (wie er) über Fichte zum Nationalismus gekommen war, aller-
dings von der anderen Seite her: wegen Unzuverlässigkeit im nationalen Sinne.
Schwarz war Theologe genug, um die Unvereinbarkeit nationalreligiöser und altkirchlicher Glau-
bensinhalte zu sehen: das Luthertum (nicht nur) von Hirsch erlaubte zwar einen fanatischen Pa-
triotismus, ja sogar ein Bejahen des NS. Eine Trennung von der Offenbarung allerdings war nicht
möglich, ohne sich von der Religion ganz zu lösen (sola scriptura). Hirsch ging so weit, den
401

Staat zu `vergotten´. Die mehrmalige harsche Kritik von Tillich mußte er sich allerdings gefallen
lassen, ohne ihr recht begegnen zu können, da er mit ihm auf gemeinsamen Boden stand - dem
der Offenbarung. Der Pietismus dagegen hatte sich aus dem eng umgrenzten Feld des lutheri-
schen Biblizismis befreit. So konnte sich Schwarz von der Offenbarung und der `Gottesvorstel-
lung´ trennen, ohne auf religiöse Verhaltensmuster zu verzichten. Er fühlte sich von solcher Kri-
tik nicht getroffen, `gab´ es für ihn doch von vornherein keinen Gott. Vielmehr holte er zum Ge-
genschlag aus und fragte, woher denn die Theologen von einem solchen überhaupt wüßten. In
Hinblick auf den geglaubten Inhalt brachte er die Religionskritik in Anschlag; die bleibenden
Verhaltensweisen der dekapitierten Religion aber übertrug er kritiklos auf andere Inhalte - wie
dies im Pietismus seit je praktiziert worden war. So brachte er zuwege, woran andere gescheitert
waren: eine politische Theologie des Nationalismus (Stapel 1932) zu erstellen, ohne sich hem-
mende Fremdinstanzen wie das Gewissen oder Gott einzuhandeln. So war eine Divinisation des
Freiheitsbegriffes auch theologisch möglich.
Ein weiteres wichtiges Element für diese Operation war der kritische Realismus. Nach diesem le-
gitimierten sich religiöse Verhaltensweisen bereits durch sich selbst, da in jedem Erleben ein er-
lebtes Etwas gesehen wurde. So waren die (nach Hegel) freischwebenden religiösen Verhaltens-
weisen auch religionspsychologisch gedeckt. Dieses Moment speiste sich aus einem Affekt ge-
gen Kant: da die Unterscheidung noumenaler und phänomenaler Gegenständlichkeit als ontologi-

400 Tillich 1926. Er hatte Kontakte zum Tat-Kreis; mit Hirsch und Leese war er befreundet (siehe Tillich 1983).
401 Luthers Freiheitsbegriff ließ diese Transformationen nicht zu: der Wille ist nur gegen Gott unfrei, Gott ist nur
der geoffenbarte, Pflichten gegen den Staat sind abgeleitete (Luther 1520 und 1523; dagegen Bauch 1905, Müller
1983).
117
sche Zerteilung der Welt über- (und fehl-) interpretiert wurde, strengte man sich an zu erweisen,
daß das Wahrgenommene einen Realitätswert habe. Handfestere Ursachen für solche Erlebnisse
zog Schwarz (ausgerechnet) durch das antimaterialistisch-(verdinglichungs-)`kritische´ Bewußt-
sein nicht in Betracht. Die Ontologisierung - und damit: die Entmoralisierung - der Freiheit da-
402

gegen wurde durch diesen erkenntnistheoretischen Optimismus begünstigt, ihre `Souveränität´


wurde statt dessen auf imaginierte Mega-Subjekte übertragen.
Diese aufgewiesenen Momente sind E l e m e n t e im präzisen Sinne von Hannah Arendt. Sie 403

führten weder ideengeschichtlich noch denknotwendig zum NS. Manche dieser Momente hätten
genausogut zum Gegenteil dipositionieren können, und umgekehrt konnten scheinbar entgegen-
gesetzte Elemente wie ein marxistischer, liberaler oder katholischer Hintergrund ebenso zur Par-
teinahme für den NS hinführen. Man hat mit solchen Elementen keine Genealogien, sondern le-
404

diglich Tatsachenwahrheiten erfaßt, die durchaus kontingent sind. Sie sind nur in historischer,
nie in bloß begrifflicher Analyse aufzuhellen. Im Falle der deutschen Freiheit liegen allerdings
genügend Einzelstudien vor, die die Verallgemeinerung zulassen: Die Art und Weise, wie spezi-
ell im Deutschen Idealismus die menschliche Freiheit behandelt worden war, ließ sich problem-
los im Dritten Reich weiterführen: Ein `freier´ Wille, der `Welt´ erst konstituiert, findet an ihr
keine Begrenzung (geschweige denn, daß er sich kritisch korrigieren ließe.) Muß er die Selbst-
405

konstitution vollbringen, hat er prinzipiell kein Interesse, sich überhaupt begrenzen zu lassen,
denn dies gefährdet die Identität des `Selbst´. Ist er so sehr `ein´ Wille, daß es auch keine ver-
schiedenen (Vernunft-) Perspektiven mehr gibt, erscheint er vom Verstand her als das `Nichts´,
welches spekulativ mit dem `Nichts´ Gottes kurzgeschlossen werden kann. So wird der Wille zu-
letzt völlig vom Individuum entkoppelt, welches dadurch gänzlich - und im wahrsten Wortsinne
- entrechtet ist. Deutsche `Freiheit unter dem Gesetz´ war keine Unterstellung unter den demo-
kratischen bestimmten Gemeinwillen, sondern unter dessen metaphysisch-biologische Ersatz-En-

402 Daß das verdinglichungskritische Bewußtsein sich derart affirmativ auswirkte, sollte davon abhalten, darin ein
Allheilmittel zu sehen, das mit den Waffen der Kritik (oder der ”kritischen Theorie”) gegen jedweden Unbill feihe.
403 Arendt 1990 spricht von Elementen und Ursprüngen, nicht von U r s a c h e n totaler Herrschaft.
404 Siehe Corino 1980. Erinnert sei an Robert Michels, Gottfried Benn, Heinrich Rickert oder Hermann Mörchen.
405 Der ”Glaube an unsere Freiheit ... ist es, welcher alles Bewußtsein einer außer uns vorhandenen Realität begrün-
det” (Fichte 1971 II, 263 / 1800, 123; vgl. Stegmaier 1997, 159) - vor dem Willen gibt es nichts. Kant hatte die Au-
ßenwelt nicht in Frage gestellt (Sinnlichkeit ist ein eigener Stamm der Erkenntnis, die Kategorien gelten objektiv).
118
tität. Damit ließ sich nach 1933 hervorragend ”politische Philosophie” treiben; aber diese `Keh-
406

re´ wurde nicht erst 1933 vollzogen. Vor ihr hat schon Heinrich Heine gewarnt. 407

V.2 Brüder im Geiste? Hermann Schwarz - Martin Heidegger

”Die deutsche Ewigkeit ist nicht Feierabend und Sabbatstille,


sondern ewig neuer Morgen.” Schwarz BDPh 1930, 393

”Stehen wir vor dem Abend für die Nacht zu einer anderen Frühe?” Heidegger

Die Welle der Beschäftigung mit der Philosophie im NS wurde losgetreten von der erneuten Hei-
deggerdebatte im Anschluß an das Buch von Viktor Farías. Die Gemüter erregte jedoch nicht die
Tatsache, daß Heidegger bis ins Mark Nationalsozialist war, sondern die, daß seine Philosophie
trotzdem so gut ist. Nach vielen Spiegelfechtereien wurde festgestellt, daß, um die Politiklastig-
keit seiner Philosophie überhaupt beurteilen zu können, zunächst das philosophische Feld jener
Jahre zu beleuchten wäre. Ein Vergleich mit Heidegger wäre bloße Spielerei, gäbe es nicht so
408

verblüffend viele Gemeinsamkeiten:


Es beginnt mit der Herkunft aus dem kritischen Realismus. Die Defensive, in der beide sich
durch ihre religiöses Herkommen wähnten, führte bei beiden zur Hinwendung zu einer apologeti-
schen Erkenntnistheorie. Zwar kamen sie durch ihre verschiedenen Konfessionen zu verschiede-
nen Spielarten des kritischen Realismus: Der katholische Heidegger vertrat die Variante von Jo-
seph Geyser, der protestantische Schwarz die des Konvertiten Uphues. Bei beiden hinterließ die-
ser anti-idealistische Affekt tiefe Spuren, die noch in den Annahmen eines auch ohne das Seien-
de wesenden Seins oder einer in uns handelnden Ewigkeit in der jeweiligen Spätphilosophie wie-
derzufinden sind. Beide wuchsen dann als Außenseiter in den etablierten (großbürgerlichen)
409 410

Schulzusammenhang des Neukantianismus hinein: Schwarz studierte in Halle - unter Vaihinger

406 Im Sinne von Lehmann 1943, 489 ff. Wilhelm Wundt 1915, 93 affirmierte: ”Die Bedeutung des neueren deut-
schen Idealismus liegt ... darin, daß er ... die in der Gemeinschaft wirksamen Willenskräfte als die schöpferischen
Mächte des sittlichen Lebens erkannt hat, wobei ... sie von einem dem Einzelwillen übergeordneten Allgemeinwillen
ausgehen”. De facto folgt aus dieser politischen Metaphysik der Kadavergehorsam: ”In diesen Gedanken ist auch der
Schlüssel der wahrhaften politischen Ethik zu finden, welche sich in der Forderung erschöpft, das Gesetz, das schon
ist, zu bejahen” (Gehlen 1980, 147). Noch Heidegger maßt sich einen idealistisch vermittelten "Auftrag des deut-
schen Volkes" an (Rektoratsrede, in: Farías 1989, 155). Der totalitäre Zug des deutschen Idealismus ist oft bemerkt
worden (Cassirer 1985, Popper 1957, Glucksmann 1987). Er denkt in der Tat weit `utopischer´ als etwa Marx.
407 ”Es werden bewaffnete Fichteaner auf den Schauplatz treten, die in ihrem Willensfanatismus weder durch Furcht
noch durch Eigennutz zu bändigen sind; denn sie leben im Geist ... solche Transzendental-Idealisten wären bei einer
gesellschaftlichen Umwälzung sogar noch unbeugsamer als die ersten Christen” (Heine 1991, 143).
408 Zu diesem Ergebnis kommen etwa Nolte 1989, Sluga 1993 und Leaman 1993.
409 Der `kritische Realismus´ der Frühschriften Heideggers wird beleuchtet bei Gudopp 1983, 11 ff. Vom Sein, das
auch ohne das Seiende west, spricht Heidegger im Nachwort zu Was ist Metaphysik von 1943 (in: GA 9).
410 Auf die sozialen Hintergründe legt insbesondere Bourdieu 1988, 65 ff., einen Schwerpunkt.
119
damals eine Hochburg des Kantianismus - und wurde zeitweilig Kollege von Natorp in Marburg;
Heidegger war in Freiburg Schüler Rickerts, in Marburg ebenfalls Kollege Natorps. Aus der Au-
ßenseiterrolle erwuchs bei beiden eine Frontstellung, die trotz innerer Abhängigkeit permanent
gegen den Kantianismus polemisierte. Der Kantianismus war damals keineswegs `erledigt´, son-
dern wurde noch zu der Legitimationsinstanz der Weimarer Republik. Die merkwürdige Front-
411

stellung gegen den Neukantianismus wuchs sich bei beiden untergründig zu einer antirepublika-
nische Politisiertheit aus, die im Grunde hilflos war, da sie von den gleichen Quellen zehrte wie
das Bekämpfte.
Der Neukantianismus selbst war mehr und mehr in einen Fichteanismus eingemündet. Dieser 412

Impuls ließ sich aufnehmen und gegen den Kantianismus wenden. In den Zwanziger Jahren grif-
fen Schwarz und Heidegger die diffuse "völkische Gestimmtheit" auf. Die Disziplin Philoso-
413

phie transformierte sich so in einen Mobilisator gegen die Republik. Vermutlich waren es der
Kriegsverlust, mangelnde Aufstiegschancen und Lehrer/Schüler-Rivalitäten, die zu der abstrak-
ten Anti-Haltung trieben, die zwar einen revolutionären Gestus an den Tag legte, aber inhaltsleer
blieb. `Man´ ergriff keine Partei, sondern stand als Patriot über den Parteien, war aber dennoch
gegen alles. Genau dieser Habitus war mit dem Erscheinungsbild der NSDAP kongruent: eine
überparteiliche Partei gegen alle Parteien, mit revolutionärem Gestus und wenig Programm, die
zudem Aufstiegschancen bot (und mit dem Antisemitismus eine griffige Handhabe gegen den
leidigen Neukantianismus lieferte). Beide stellten sich dieser Partei als Rektoren ihrer Universi-
414

tät zur Verfügung: Schwarz 1923 in Greifswald, Heidegger 1933 in Freiburg. Beide wurden
schließlich in der Erwartung einer `zweiten Revolution´ und dem Zünden ihrer Ideen enttäuscht
und zogen sich mehr und mehr zurück - ohne sich jedoch je zu distanzieren. Beide entwickeln in
der Folgezeit einen tieferen, vergeistigten NS. All dieses sind biographische Parallelen, die als
415

solche nicht viel über die Philosophie aussagen. Es ist jedoch bemerkenswert, wie sehr sich Bio-
graphie und Philosophie ähneln. Gemeinsame Merkmale ihrer Philosophie sind die folgenden:
Beide hatten mit Husserl zu tun, und dessen Antipsychologismus prägte sie beide. (Heidegger
kündigte anfangs noch mathematische Abhandlungen an.) 416
Die Annahme subjektiver Gegen-
411 Tragende Säulen wie die Rechtsphilosophie, die Sozialpolitik und das Kulturverständnis waren neukantianisch
geprägt (Holzey 1994, Pascher 1971).
412 Köhnke 1986 datiert den Beginn auf das Fichtejahr 1862; das Fichtejahr 1914 tat das seine. Windelband, Ri-
ckert, Lask, Bauch, Heimsoeth - alle legten Grundsatzschriften über Fichte vor; vgl. die Angaben bei Lübbe 1963;
Willms 1967, 2-14; Schrader 1997. Fichte einte schon damals Nationalisten wie Treitschke und Sozialisten wie
Lasalle.
413 Bourdieu 1988, 19. Einen verdeckten `Gefühlsprimat´ kennt ähnlich wie Schwarz auch Heidegger (SuZ, § 29).
414 Hans Leisegang, eigentlich unverdächtig, zieht 1930 eine Linie zwischen Kantianismus und Judentum: da die Ju-
den als `Fremdvolk´ auf Toleranz angewiesen seien, bliebe ihnen nichts als eine universalistische Ethik übrig.
415 Der von Heidegger wird heute gelesen und gepriesen. Beiträge zur Philosophie (Heidegger 1989; dazu Nicolaus
Tertulian, in: Kemper 1990, 51 ff.) erinnert stark an den Titel Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus.
416 Im Vorwort zu Die Lehre vom Urteil im Psychologismus (Heidegger 1972, 3).
120
stände war dadurch verunmöglicht, beide schritten in Rezeption nominalistischer Traditionen zu
einer realistischen Ontologie fort. Begriffen wie der `Wahrheit´, der `Seele´, dem `Sein´, dem
`Nichts´ und dem `wesen´ scheinen übersinnliche, ätherische Quasi-Substanzen zu entsprechen,
denen man `denkend´ auf die Schliche zu kommen vermag. Das auf diese Weise mögliche `me-
417

taphysische´ Freiheitsverständnis findet sich auch bei Heidegger - der es seit 1933 genau wie
Schwarz politisch wendete. Das `Gewissen´ wurde infolgedessen sinnentleert und material auf-
418

gefüllt zur bloßen Selbstbehauptung (Schwarz 1943, 424 / SuZ, §54).


Mit dem `kritisch´-realistisch-metaphysischen Methodenmonismus verband sich bei beiden die
Schwierigkeit, die richtigen Worte zu finden. Beide suchten besonders in den expressionistischen
1920er Jahren nach neuen Ausdrucksmitteln, die die Grenzen der (vermeintlich) auf eine be-
stimmte Ontologie fixierten Sprache transzendieren sollten. Die Notwendigkeit einer solchen
`Übersprache´ hatten sie sich selbst eingehandelt: wird alles als in einer Sicht der Welt einholbar
gedacht, müssen neben den dinglichen Kategorien noch personale "Existentialien" (SuZ, 242)
oder ”Zustands- und Personwerte” (Schwarz 1901) ersonnen werden. Die Metaphysifizierung der
letzten Sinnfragen rührt aus dieser Eindimensionalität: obgleich sie so nicht einholbar sind, wird
der Erkenntnisanspruch nicht eingezogen. Darin kann man etwas Prometheisches - oder einfach
Sturheit sehen. Statt der gnoseologischen betonen beide die anthropologische Begrenztheit des
Menschen, die zu einer Betonung des existentiellen `Nicht´ hinführt. Aber auch die anthropologi-
sche Grenze akzeptieren sie nicht, und so wird anknüpfend die völkisch aufgeladene " Volksge-
meinschaft" (Schwarz 1921, 233; ähnlich SuZ, 384) thematisiert - die jedoch wiederum in Rich-
tung auf etwas noch `Tieferes´ transzendiert wird, da es auch hier keine verfügbare Totalität gibt.
Dieses Tiefere wird als ein über und durch die Menschen abrollendes Geschehen mit Ereignis- 419

Charakter (`Dynamik´, wie Schwarz es hilfloser nannte) vorgestellt. Nötig für dieses `Abrollen´
ist allerdings eine Entmenschlichung der Individuen. Die theologische, metaphysische und mysti-
sche Tradition, die beide im Hintergrund hatten, spielt dabei stark hinein. Auch Heidegger sprach

417 Der Methodenmonismus verbindet den Fichteanismus des 20. Jahrhunderts mit der Systemphilosophie des vori-
gen. Das Bedürfnis nach einem System war entstanden durch den Anspruch, alles Wißbare und Gewußte einheitlich
darzustellen. Neuerdings ist der Alltag als Erbe der Metaphysik bezeichnet worden: es gibt keine Notwendigkeit, `al-
les Gewußte´ (oder: theoretische und praktische Vernunft) in aufwendigen Deduktionen spekulativ miteinander zu
vereinen, da es im Alltag ohnehin schon vereint ist. Wüßten wir selbst nicht schon von allen diesen Dingen, könnten
wir ja gar nicht von ihnen sprechen. Heidegger hat auch solche - progressiven - Überlegungen gehabt.
418 Sichtbar ist dies an einer Rede Heideggers von 1934: ein Tier könne nicht "arbeiten", es fehle ihm "die Freiheit,
will sagen: der Geist" (Leaman 1993, 118). Deutlicher kann die Verwässerung des Moralischen ins Anthropologi-
sche nicht ausgesprochen werden. In der Rektoratsrede heißt es: "Der Begriff der Freiheit des deutschen Studenten
wird jetzt zu seiner Wahrheit zurückgeführt" (Leaman 1993, 130) - nämlich zur "Bindung". Es gibt übrigens ein
Marburger Bindeglied zwischen der Kantauslegung der beiden: Heinz Heimsoeth. Heimsoeth hat Schwarz als Stu-
dent in Marburg erlebt, Heidegger 1928 greift auf Thesen Heimsoeths zurück.
419 ”Kategorien sind keine Begriffe, die auf Rechnung unseres verbindenden Handelns kämen ... Vielmehr setzt sich

in ihnen absolute, aber bisher ungegebene Einheit als Gelten und Wahrheit” (Schwarz 1921, 263; auch 1931, 96).
121
wie Schwarz vom "Göttlichen"; auch Schwarz nahm wie Heidegger das Griechische zum Vor-
bild, als es galt, einen politischen `Entwurf´ zu machen. 420

Der (trotz gegenteiliger Versicherungen unleugbare) existentialistische Zug in Sein und Zeit hat
eine Parallele in dem Bestreben von Schwarz, eine Persönlichkeitsethik zu entwerfen, die eine
"Ganzheit des Lebens" (1921, 258) ermöglichen soll. Heidegger wie Schwarz sahen den Weg dort-
hin in dem selbstlosen Ergreifen einer Aufgabe - wodurch, als es soweit war, `Arbeitsdienst´ her-
vorragend aufzuwerten war. Auch die Erziehung hatte dabei eine bedeutende Stellung, da
Schwarz wie Heidegger der `Geist´ in der Geschichte die `Führung´ innezuhaben schien. Daraus
leiteten beide eine Sonderstellung nicht nur der Universität, sondern auch ihrer selbst ab, die je-
doch der Realität (insbesondere des Dritten Reiches) nicht entsprach. Dies ist dann bei beiden
das Grundmovens einer tendenziellen Distanzierung von `geistig´ besonders niveaulosen Schrif-
ten des Dritten Reiches. Von der Politik desselben distanzierte sich bis zuletzt keiner von beiden.
Der `Geist´ ist bei beiden indes seltsam nicht-intellektuell: die Schlüsselkategorie des `Erlebens´,
durch Dilthey zu erkenntnistheoretischen Ehren gekommen, gewährleistete einen nonkognitiven
und ursprünglichen Zugang zu den Phänomenen. Nicht umsonst versuchten sich beide ernsthaft
421

als Dichter, und der "knorrige" Ursprungs-Duktus findet sich hier wie dort.
Impliziert war zuletzt ein spezifisches Geschichtsverständnis. In Theorien von Marx (und aufge-
griffen von der Arbeitsbewegung, wo dieser Gedanke zur Wirklichkeit drängte) war die Ge-
schichte in eine vorher ungekannte Vorrangstellung geraten: es gäbe einen ausweisbaren Prozeß,
der sich in der Geschichte abspielt und alles andere im höchsten Maße beeinflußte - die Ausbrei-
tung des Kapitalismus. Aus der Geschichte drohten daher noch große Erschütterungen. Entgegen
der etwas `unphilosophischen´ Behauptung eines `in´ der Geschichte sich abspielenden Prozesses
begann Heidegger in der Folge Diltheys, die Seinsart der Geschichte selbst zu thematisieren. Mit
Schwarz teilte er dabei die krypto-chiliastische Annahme, daß `objektive´ Geschichtsgesetze
nicht existierten, sondern daß es einen (kosmischen) Wandel geben könne, der das Geschehen
422

auf völlig neuartige Weise bestimmen würde. "Geschichtlichkeit" (SuZ, 20/392) betraf das (sub-
stantielle) `Wesen´ des Menschen: der neue Mensch bildete ein Hauptthema der Philosophie im
NS überhaupt. Da die Philosophie an einer solchen Transformation maßgeblich beteiligt wäre,
423

420 Das Mysterium der Einheit von Gott, Staat und Volk in der griechischen Philosophie, BDPh 1935. Die `dorische
Welt´ (Benn) war für künftige `Europastrategien´ (Opitz) ohnehin brauchbarer als der in seiner Integrationsleistung
begrenzte `nordische Gedanke´ (Herpel). Zu Heideggers (NS-)Religiosität: Gadamer in Kemper 1990, 113.
421 Die Eskamotierung des `blutleeren´ Intellekts im Namen des `erdverbundenen´ Geistes war leicht rassisch aufzu-
füllen - das eigentliche Subjekt war der Volksgeist (”das sittliche Leben eines Volks”, Hegel 1970 Bd. 3, 326).
422 Beide hielten allerdings zum nationalrevolutionären Flügel des Deutschen Sozialismus - also Strassers und der
SA (vgl. Farías 1989, 151 ff. - darum wird der 30. Juni 1934 so wichtig.) Vgl. Gossweiler 1994, Kühnl 1966.
423 "Die nationalsozialistische Revolution ist und wird werden die völlige Umerziehung des Menschen", so Heideg-
ger 1933 (nach Leaman 1993, 118), ”eine völlige Umwälzung des deutschen Daseins” (nach Löwith 1953, 49). Geh-
len prophezeite einen ”ganz neuen Typus Mensch" (nach Rügemer 1979, 55). Schwarz spricht 1934 von "Wand-
122
hatte sie in den Augen von beiden folglich eine `metapolitische´ Funktion. Sie ist transzendentale
Politik, wie Heidegger nur verschlüsselt, Schwarz dagegen unverblümt aussprach, als er seine
Methode den "transzendentalen Nationalsozialismus" taufte (1940, 492).
Mit dem `unverblümten Aussprechen´ ist der Punkt genannt, der wohl dafür verantwortlich war,
daß sie sich gegenseitig nicht ein einziges Mal zitierten: Was Schwarz aussprach, kam dem, was
Heidegger (politisch) zu sagen hatte, äußerst nahe. Aber er sprach es so schlicht aus, daß es leicht
zu diskreditieren war. War es für Heidegger nicht einfacher, seinen Namen ganz zu meiden, als
sich auf eine Auseinandersetzung darüber einzulassen, was ihn von Schwarz unterschied? Dies
tat Heidegger bei Autoren, die er verachtete, nicht: Klages und Spengler etwa wurden sehr wohl
von ihm erwähnt. Vielleicht hatten sie also einfach ein unausgesprochenes Stillhalteabkommen:
424

Heideggers Seins-Esoterik war nicht im Sinne von Schwarz, aber er erwähnt den damals auf der
425

Höhe seines Ruhmes stehenden Heidegger an keiner Stelle. In Heideggers Augen erschien das
Schrifttum von Schwarz höchstwahrscheinlich als etwas dünn; hätte er ihn aber angegriffen, hät-
te es für Schwarz schwierig werden können. Ist es nicht denkbar, daß Heidegger Schwarz - der
sich ja auch an repräsentativer Stelle aussprach - dies einfach ersparen wollte? Er mag sich also
aus Pietät oder zumindest Kollegialität über den alten Hermann Schwarz ausgeschwiegen haben,
da sie `im Grunde´ eine ähnliche Stoßrichtung hatten.
Die einfachere Vermutung, sie hätten sich nicht gekannt, ist auszuschließen. Dafür gibt es einige
Belege: beide hatten in einigem Abstand eine Stelle in Marburg. Es ist kaum vorstellbar, daß der
alte Natorp auf seinen Spaziergängen mit dem jungen Heidegger nicht auch einmal auf die Zeit
mit dem merkwürdigen Hermann Schwarz zu sprechen gekommen wäre. Auch Heideggers För-426

derer Husserl hat Schwarz gut gekannt, da dieser 1887 in Halle sein offizieller Opponent war.
Daneben zitiert Heidegger 1927 eine Volkelt-Festschrift, 427
in der auch ein Beitrag von Schwarz
erschienen war - spätestens hier hätte er ihn also wahrnehmen müssen. Das untrüglichste Zeichen
ihrer Bekanntschaft geht noch weiter zurück: im Jahre 1914 veröffentlicht die Zeitschrift für Phi-
losophie, deren Herausgeber Schwarz damals war, einen Teilabdruck von Heideggers Habilitati-
on. Mindestens in Schriftverkehr müssen sie also gestanden haben. Zuletzt dürften sie in ihrer je-
weiligen Agitation für den NS einander mindestens registriert haben.

lung" und "Verwesentlichung" (in: 1940, 518 und 690). Wie sie auch geschähe - sie beträfe nur den `deutschen´
Menschen. Vgl. den Arbeiter Ernst Jüngers; Künzlen 1994 und die Ausstellung Der neue Mensch im Dresdner Hy-
gienemuseum.
424 (GA 29/30, 244). Daß Heidegger mit seiner Bemerkung von 1935 über das, "was heute vollends als Philosophie
des Nationalsozialismus herumgeboten wird", auf Schwarz anspielte, ist unwahrscheinlich - dessen "philosophische
Grundlegung des Nationalsozialismus" (Schwarz 1936a) war noch nicht erscheinen (Heidegger 1953, 152).
425 Man bedenke aber, daß Sein und Einheit einstmals austauschbar waren (ens et unum convertuntur).
426 Schwarz und Natorp waren sich 1917 während einer `jugendbewegten´ Veranstaltung wiederbegegnet (Schwarz
1945, 27). Nach Auskunft von Theodore Kisiel war auch Heidegger von der Jugendbewegung angetan.
427 Heidegger 1993, 394; Schwarz: Vom Unanschaulichen Wissen (1918) - ein Traktat über das `Wiedererkennen´.
123

V. 3 Philosophie im Nationalsozialismus - Resümee und Plädoyer


”Die Freiheit, von der die Menge spricht, das Massenparadies, ist
nicht die Freiheit, die die deutsche Seele meint.” Schwarz, BDPh 1930

”... die echte Freiheit aber ist die freiwillige Aufgabe der Freiheit”. Gehlen 1980, 176

In der Analyse schien es, als könne Schwarz leicht eine Reihe von Fehlern nachgewiesen werden.
Dies geschieht allerdings post festum: nur wir können daran sehen, welche philosophischen
Holzwege er ging und uns bemühen, sie selbst tunlichst zu meiden. Ein historisches Urteil ist da-
mit noch nicht gewonnen. Dafür wäre erst zu erfragen, ob es für damals Lebende überhaupt "ob-
jektiv-real möglich" war, diese Fehler zu vermeiden oder sie überhaupt nur als solche zu sehen?
428

Hier beginnt ein gefährliches Terrain. Die Prinzipien unseres Urteilens dürfen nicht naiv der da-
maligen Situation unterschoben werden. Allerdings darf umgekehrt auch nicht - in vorgespiegel-
ter Naivität - so von den `Zeitumständen´ fabuliert werden, als redete man statt vom Deutschland
des 20. Jahrhundert von der Kultur eines anderen Planeten. Sollten tatsächlich gravierende Unter-
schiede damaliger und heutiger Urteilspraxis aufweisbar sein, darf nicht in vorschnellem Relati-
vismus (etwa: ”das hat man damals noch nicht so gesehen”) die Akte geschlossen werden. Die
`metapolitische´ Dimension der Philosophie beginnt gerade dort. Ihr Wirkungsbereich erstreckt
sich auch auf die Urteilsprinzipien, eine Umgestaltung derselben kann philosophisch höchst in-
tendiert sein. Der Verweis auf die unterschiedliche Art des Urteilens bringt keine Entlastung, im
Gegenteil: Genau an diesen Urteilsprinzipien hat sich Philosophie im NS abgearbeitet. Im Falle 429

der gänzlichen Ausbootung von humanistischer Moral und christlicher Religion in Schwarz´
Schriften der 1940er Jahre trifft dies beispielhaft zu: er untergrub bewußt die Urteilskriterien,
nach denen der Krieg und die geforderten Opfer ablehnbar gewesen wären.

428 (Lukács 1923, 169) - "objektiv" heißt hier nicht mehr als `praktisch´.
429 Sie hat sich durch die Ausscheidung universalistischen Denkens als `artfremd´ gut immunisiert (Henning 1999).
124
Schwarz fing allerdings nicht bei `Null´ an - Möglichkeiten für solche Operationen waren gege-
ben. Vorhergehende Prinzipienumstellungen hatten dies erlaubt, mag das ihre Intention gewesen
sein oder nicht. Solche philosophischen Operationen zeitigen politische Folgen, die noch mit in
430

die Philosophie hinein gehören - besonders dann, wenn ihre Geschichtlichkeit erkannt ist. Umge-
kehrt haben auch die meisten politischen Operationen eine philosophische Dimension, und sei
sie noch so verdünnt. Alle beinhalten sowohl das eine wie das andere, nur in unterschiedlichem
431

Mischungsverhältnis. Eine von Politik `reine´ Philosophie ist ebensowenig denkbar, wie eine von
`reiner´ Machtkalkulation gesteuerte Politik. Aber die eine Ebene läßt sich nicht auf die andere
432

reduzieren, sie lassen sich nicht einmal unvermittelt aufeinander beziehen. Politik und Philoso-
phie sind Pole einer sozialen Wirklichkeit, die überall enthalten sind, jedoch auf jeder Stufe in
einem anderen Mischungsverhältnis. Was die spezielle politische Dimension einer bestimmten
Philosophie, was die spezielle philosophische Dimension einer bestimmten Politik sei, ist histo-
risch zu untersuchen. `Begriffsdichtung´ hat in Bewertungsfragen nichts verloren.
Obwohl die Philosophie in wenig politisierten gesellschaftlichen Sektoren beheimatet ist, kann
sie in Zeiten, in denen durch Erschütterungen kurzzeitige Machtvakuen entstanden sind, zur ent-
scheidenden Spielfigur im Wettrennen um das Erringen einer kulturellen Hegemonie werden.
Besonders Krisenzeiten erleben häufig eine verstärkte symbolische Austragung der Politik, von
der aus politische Umstrukturierungen ihre Ausgangsimpulse oder Rechtfertigungen nehmen
können. Die vorliegende Bestandsaufnahme eines Falles zeigt, daß Philosophie im NS nicht ein-
fach die von der Politik vorgegebene `Weltanschauung´ reproduzierte, sondern das "kulturelle
Kontinuum" Philosophie auch in dieser Zeit tradiert wurde. Philosophie, schon prinzipiell nicht
433

unpolitisch, war es dennoch im Dritten Reich um so weniger, und bei Schwarz neigt das `Mi-
schungsverhältnis´ sogar entschieden in Richtung Tagespolitik. Philosophie wurde von ihm ohne
Gewissensnöte dazu gebraucht, das Dritte Reich in den Sattel zu heben und bis zuletzt darin zu
halten. Dies reichte von der verdeckten Rechtfertigung einzelner Maßnahmen bis zur eisernen
Durchhaltepredigt des totalen Krieges. Das mag ihm als persönliches Versagen angerechnet wer-
den; auch lassen sich schwere philosophische Regelverstöße aufweisen. Dennoch konnte er das
434

430 Nietzsches Umwertung aller Werte und die völkische Kritik des Christentums dürfte als intendierte, Fichtes
Transformation Kants und Harnacks Liberalisierung der Domengeschichte als nichtintendierte Vorarbeit gelten.
431 Hier von ”Operationen” zu reden heißt natürlich, den Boden der Philosophie schon verlassen zu haben. Philoso-
phische Werke können eine soziologisch ausweisbare soziale Operation vollziehen, indem sie das Selbstverständnis
einer Gruppe von Menschen oder einer ganzen Gesellschaft transformieren (nicht aber: ”erzeugen”).
432 Heidegger sah 1937, daß "sowohl Mussolini wie Hitler von Nietzsche ... wesentlich bestimmt sind " (GA 42,
240). Philosophielastigkeit der Politik erscheint in Grundsatzentscheiden (etwa über Kriegseinsätze oder Abtrei-
bung) ebenso wie in simpelsten Tarifkämpfen. Sie sind durchtränkt von Ideen, die in die Philosophie zurückweisen.
433 Respektable Forschungstraditionen nahmen in dieser Zeit ihren Ursprung. Von langlebigen ”kulturellen Konti-
nua” sprach auf einer Konferenz über `Entartete Musik´ in Weimar 1999 der Berliner Historiker Reinhard Krüger.
434 So geht die Aufbereitung des `deutschen´ Mystikers `Ekkehart´ auf Kosten der Vernachlässigung seiner (eigent-
lich philosophischen) lateinischen Schriften, und auch das Kantbild ist arg zurechtgestellt.
125
mit der Philosophie tun. Dies ließ sich zwar auch auf anderen philosophischen Wegen erreichen,
die zum gleichen katastrophalen Ergebnis führten; aber alle diese `Holzwege´ waren Philosophie.
Daraus folgen drei Kränkungen, die von einer Betrachtung der Philosophie im NS für die heutige
Philosophie ausgehen:

1. Philosophie im NS war in den allermeisten Fällen pronationalsozialistisch - und eben trotz-


dem Philosophie und keineswegs eine bloße Schwundstufe derselben.
2. Philosophen haben in vielen Fällen die von ihnen gedeuteten Werke sogar richtig gedeutet.
3. Ihre politische Urteilsfähigkeit steht zu philosophischem Talent und Bildung in keinem pro-
portionalem Verhältnis. Sie verfügen über keine privilegierte politische Urteilsbefähigung.

Die Philosophie verfügt allerdings über eine "Inkompetenzkompensationskompetenz". Als aus 435

dem Skandal der deutschen Philosophie zu ziehende Lehre wäre künftig die geschichtliche Di-
mension als konstitutiv in das politische Beurteilen von Philosophie miteinzubeziehen. Werden 436

Urteile über politische Implikationen oder Auswirkungen einer Philosophie einfach als undiszi-
plinierte und regellose `Wertung´ an disziplinierte philosophische Untersuchungen angehängt, ist
nicht nur die Fehlerquote hoch, sondern es wird zudem auf unqualifizierte Weise ex cathedra po-
litisiert. Beispiele dafür liegen haufenweise vor - etwa in den Fehlurteilen über die politische Di-
mension der Philosophie Heideggers t r o t z zutreffender philosophischer Analyse bei Silvio Vi-
etta, Günther Figal und Jean Grondin: Vietta hat Heideggers Technikkritik zutreffend als eine
437

solche herausgestellt, die die Führungslosigkeit der globalen Technisierung anprangert. Gerade
dies war nun aber keine Kritik am NS, sondern umgekehrt exakt der Grund, warum Heidegger
für ihn votierte, da der NS versprach, der Technik Herr zu werden. Günther Figal hat Sein und
Zeit zutreffend als "Phänomenologie der Freiheit" bezeichnet. Aber er schließt philosophische
Freiheit vorschnell mit der politischen kurz und übersieht, daß die Freiheit, die Heidegger 1927
meinte, genau die ist, die 1933 zum Zuge kam: nach außen hin völlige Regellosigkeit, `innerlich´
eine Mentalität, die sich erst im entschlossenen Exekutieren frei fühlte. Grondin schließlich hat
438

gezeigt, daß Sein und Zeit sehr wohl eine Ethik impliziert - die nämlich, immer in der Besinnung
auf das `Eigentliche´ zu leben. Aber dies kurzerhand mit der Vernunftethik Kants zu parallelisie-

435 Marquard 1981, 23.


436 Selbst die Wissenssoziologie ermangelt noch dieser geschichtlichen Dimension, solange sie lediglich ("undialek-
tisch") von der Seinsgebundenheit auf politische Interessen schließt, ohne das eigentlich politische Gebiet der vielfa-
chen Koalitionen, Kompromisse und Brechungen miteinzubeziehen.
437 Vietta 1988, Figal 1990, Grondin in einem in Kürze von Thomas Rentsch herausgegebenen Sammelband zu
Sein und Zeit (in Ottfried Höffes Reihe Klassiker auslegen).
438 Sind sittliche und natürliche Gesetze gleichermaßen `gemacht´, lassen sie sich auch gleichermaßen ignorieren.
Die völlige Enthemmung ist das Resultat dieses `ekstatischen´ Freiheitsverständnisses.
126
ren, übersieht, daß es Heidegger `Ethik´ genau umgekehrt darauf ankam, den Einfluß einer norm-
präskriptiven `Vernunft´ auf die Lebensführung zu eliminieren. Alles dieses sind Fehlurteile
439

über die politische Bedeutung einer Philosophie im Anschluß an eine eigentlich zutreffende phi-
losophische Analyse. Eine Kontextualisierung des politischen Beurteilens von Philosophien er-
weist sich somit als unverzichtbar.
Eine solche Reflexion auf die je k o n k r e t e Geschichtlichkeit der Philosophie ist es, die auch
Heidegger und Schwarz lange Zeit versäumten - woraus ihre politische Naivität resultierte; um
sie dann unvermittelt, in bloßer Angliederung an die Faktizität, nachzuholen - worin exakt ihre
politische Verfehlung besteht. Wenn Heidegger `die´ technische Zivilisation auf Plato oder
Schwarz den Verlust des Ersten Weltkrieges auf mangelnde vaterländische Gesinnung zurück-
führt, ist das gleichermaßen ungeschichtlich geurteilt. Diese unglaublichen politischen Fehlurtei-
le wurden von der unbestrittenen philosophischen Qualifikation der beiden nicht verhindert.
Es verbietet sich also, Fragen wie die eingangs gestellte danach, ob Mystik genuin emanzipato-
risch oder repressiv sei, ungeschichtlich zu stellen. Der Zeitpunkt der Artikulation einer Aussage
spielt in ihre jeweilige Bedeutung notwendig mit hinein, und zur Ermittlung dieser Bedeutung ist
die Textualität zu verlassen. Eine quietistische Mystik dann zu elaborieren, wenn ein ganzes
Volk sich anschickt, Kontinente zu erobern, hat eine gänzlich andere Bedeutung, als wenn dieser
Hintergrund nicht gegeben ist. Wenn Montesquieu im aufklärerischen Frankreich Freiheit als
440

das Recht definiert, ”das zu machen, was die Gesetze erlauben”, bedeutet das nicht dasselbe, als
wenn dies ein Gehlen im faschistischen Deutschland tut. `Geschichtlichkeit´ der Philosophie
441

bedeutet nicht bloße Zufälligkeit und `Wandelbarkeit´ des Wissens in der Zeit, sondern eine Ver-
wobenheit mit den politischen Zuständen und Geschehnissen, die so eng ist, daß schon eine Aus-
blendung dieser Ebene ideologisch sein kann. Deutsche Mystik, Hallensischer Pietismus und
deutscher Idealismus sind keineswegs als zeitlos `präfaschistisch´ zu brandmarken, sondern es ist
ihre spezifische Rezeption bei Schwarz, die sie dazu gemacht hat. Dennoch ist das Augenmerk
einerseits auf bestimmte Mängel in den Kerntexten, die eine solche Ausdeutbarkeit erlaubten, an-
dererseits auf die Unzulässigkeit ihrer unmittelbaren Applikationen auf eine veränderte Zeit zu

439 Die "Kontamination theoretischer und praktischer Parameter" (Ebeling 1991, 113) führt zu einem materialen und
unbedingten Sollen - ein kategorischen Imperativ des Dritten Reiches lautete: handle immer so, daß die Maxime dei-
nes Handelns vom Führer, wenn er sie wüßte, gutgehießen würde; oder: handle immer so, daß du nicht anders han-
deln kannst (dazu G. Klinger in Haug 1989). Zur Berufung Eichmanns auf Kant: Arendt 1964 und Zizek 1992.
440 Schon Bernhard von Clairvaux entwickelte die Brautmystik und einen Aufruf zum Kreuzzug. Ein Umschlagen
der (Zen-) Mystik in militaristisches Harakiri gab es auch im faschistischen Japan. Die historische Dimension der po-
litischen Bedeutung von Philosophien ist auch sichtbar am Naturrecht: entstanden aus dem spanischen Kolonialismus
als Selbstbegrenzung desselben, schlug seine politische Bedeutung durch die Gegenreformation um. Für emanzipato-
risches Bestreben war es wertlos geworden. Ähnliches gilt heute für die Parolen von 1968: so progressiv sie damals
waren - werden sie heute vorgebracht, sind sie rechtsradikal (etwa bei Horst Mahler und Bernd Rabehl).
441 Montesquieu 1965, 210; Gehlen 1980, 147.
127
richten. Es kann nicht darum gehen, die Gebetsmühlen der Dialektik neu zu bewässern. Aus die-
ser Untersuchung leitet sich ganz einfach das Plädoyer für eine konkretere und materialhaltigere
Philosophie ab, die sich interdisziplinär auch den Ergebnissen der Soziologie, der Ökonomie, der
Politik- und Geschichtswissenschaften zu stellen hat. Erst dann wird sich das eigentliche Terrain
der Philosophie erkennen und vertreten lassen: Grundfragen zu stellen ist und bleibt eine Domä-
ne der Philosophie, welche sich in keine andere Wissenschaft wird überführen lassen; auch nicht
und schon gar nicht in die Kognitionspsychologie. Eine Kenntnis der Tradition und der internen
Regelhaftigkeit philosophischen Denkens ist nicht zu ersetzen. Antworten der Philosophie auf
diese Grundfragen sind aber nur dann seriös, wenn sie sich nicht einer adäquaten Kenntnisnahme
der Ergebnisse anderer Wissenschaften überhoben dünkt.

Denken in Vermittlungen erfordert, philosophische Eindimensionalität aufzugeben. Eine anthro-


pomorphe Perspektive, wie sie Hermann Schwarz und Martin Heidegger hatten, bekommt viele
Dinge in den Blick, aber eben längst nicht alle. Ihre Fehlurteile lassen sich auf den Versuch, poli-
tische, geschichtliche und soziale Zusammenhänge unter einer Perspektive des unmittelbar
menschlichen Nahbereichs zu betrachten, oder kürzer: auf ihre Asoziologizität zurückführen. 442

Wissenschaften, die andere Perspektiven und Methoden einnehmen, um genau solche (makroso-
ziologischen) Phänomene in den Blick zu bekommen, sind indes nicht inhuman. Es besteht keine
Notwendigkeit, alles in einem Entwurf abzuhandeln, denn `alles´ ist ohnehin schon miteinander
verwoben - und zwar im gelebten Alltag (und nirgends sonst). Schwarz betrieb selbst experimen-
telle Psychologie und verglich verschiedene Wissenschaften; aber statt einer Diskursdifferenzie-
rung führte dies bei ihm nur zu einer ontologischen Aufstockung. Sein durchaus ehrenwertes
Motiv, die Würde des Menschen dadurch zu `retten´, daß er die Grenzen des Szientismus auf-
zeigte, wirkte sich vor allem deshalb so gegenteilig aus, weil er sich dabei in die Philosophie ver-
strickte und den Wittgensteinschen Weg aus dem "Fliegenglas" nicht fand. 443

442 ”Nach dem tiefsinnigen Ausspruch Heraklits nähren sich alle Gesetze von dem einen Göttlichen. Von den
menschlichen Gesetzen nährt sich die soziale Wirtschaft” (Schwarz 1964, 93). Gerade dies ist eben nicht der Fall –
auch wenn die Forderung danach ehrenwert ist. Kants Kritik des Anthropomorphismus gilt noch immer (KpV, 244).
443 Ansätze zu einem Ausweg lassen sich bei Schwarz und Heidegger selbst finden, und zwar gerade in beider Tran-
szendierung des Subjekts. Es gilt, diese Ansätze aus ihrer verfehlten Metaphysizierung zu erlösen und durch bessere
Konzepte in ihr Recht zu setzen. Wittgensteins Fliegengleichnis findet sich in Wittgenstein 1984, 378.
134
VI Werkverzeichnis von Hermann Schwarz:

VI.1 Buchveröffentlichungen

VI.1.a) Eigene Werke

1888: Ein Beitrag zur Theorie der Ordnungstypen, Dissertation, Halle

1892: Das Wahrnehmungsproblem vom Standpunkte des Physikers, des Physiologen und des Philosophen.
Beiträge zur Erkenntnistheorie und empirischen Psychologie, Leipzig (408 Seiten)

1894a: Was will der kritische Realismus? Eine Antwort an Herrn Professor Martius in Bonn, Leipzig (40 S.)
´´ b: Die Lehre von den Sinnesqualitäten bei Descartes und bei Hobbes, Habilitationsschrift (in: 1895)

1895: Die Umwälzung der Wahrnehmungshypothesen durch die mechanische Methode. Nebst einem Beitrag:
Über die Grenzen der physiologischen Psychologie, Leipzig (411 S.)

1896: Grundzüge der Ethik, Leipzig

1900: Psychologie des Willens, Leipzig (391 S.)

1901: Das sittliche Leben. Eine Ethik auf psychologischer Grundlage. Mit einem Anhang:
Nietzsches Zarathustralehre, Berlin (417 S.)

1902: Glück und Sittlichkeit. Untersuchungen über Gefallen und Lust, naturhaftes und sittliches
Vorziehen, Halle (211 S., zuvor bereits in einer Festschrift für Rudolf Haym 1902)

1904: Der moderne Materialismus als Weltanschauung und Geschichtsprinzip, Leipzig

1912: Grundfragen der Weltanschauung (zweite, erweiterte Auflage von 1904), Leipzig (298 S.)

1913: Der Gottesgedanke in der Geschichte der Philosophie, Teil1: Von Heraklit bis Jacob Böhme, Heidelberg
(612 S.)

1917: Fichte und wir, Osterwieck (wieder in: 1945, dort 114 S.)

1919: Weltgewissen oder Vaterlandsgewissen? (Beiheft 1 der


Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus) Erfurt (erneut in: 1940)

1920: Über neuere Mystik, in Auseinandersetzung mit Bonus, Joh. Müller, Eucken, Steiner, Gütersloh
(Teilabdruck in: 1945)

1921: Das Ungegebene. Eine Religions- und Wertphilosophie, Tübingen (291 S.)

1922a: Leib und Seele. Sechs Hochschulvorträge, München (167 S., Teilabdruck in: 1945)
´´ b: Ethik der Vaterlandsliebe (in: Pädagogisches Magazin) Langensalza
(2. Auflage 1926, erneut in 1940, 36 S.)
´´ c: Alte und neue Pflichtgesinnung im Staatsleben. Greifswald (erneut in 1933 und 1940)
´´ d: Gottesvorstellungen großer Denker. Sechs Hochschulvorträge, München (160 S.)

1924a: Auf Wegen der Mystik. Drei grundlegende Erörterungen der Philosophie des Ungegebenen. Erfurt
(Beiträge zur Philosophie, Schriftreihe Weisheit und Tat. Erneut in: 1945, dort 68 S.)
´´ b: Kant und wir (Greifswalder Universitätsreden 12), Greifswald (erneut in 1940)
´´ c: Einführung in Fichtes `Reden an die deutsche Nation´, Langensalza (Päd. Magazin, 72 S., 2 Auf. 1925)

1925: Ethik, Breslau (116 S., Auszug in: 1943)

1927: Ernst Moritz Arndt, ein Führer zum Deutschtum, Langensalza (82 S., erneut in 1940)

1928a: Gott. Jenseits von Theismus und Pantheismus, Berlin (212 S.)
135
´´ b: Kriegsschuldlüge und unsere Pflicht. Greifswald (Aufsatz, erneut in 1940)
´´ c: Gottestum im Volkstum. Langensalza (erneut in 1940)

1930: Gemeinschaft und Idee, in: Greifswalder Studien zur Lutherforschung und neuzeitlichen Geistesgeschichte,
Greifswald/Berlin (erneut in 1940)

1931: Hermann Schwarz, 70 S. Selbstdarstellung, in: Deutsche systematische Philosophie in ihren Gestalten,
hrg. von Hermann Schwarz, Berlin (1933 erschien ein Sonderdruck)

1933: Nationalsozialistische Weltanschauung. Freie Beiträge zur Philosophie des Nationalsozialismus


aus den Jahren 1919 - 1933, (Junker und Dünnhaupt) Berlin (1933 zweimal aufgelegt, erneut in: 1940)

1934: Christentum, Nationalsozialismus und deutsche Glaubensbewegung, Berlin (erneut in: 1940)

1935: Ekkehart der Deutsche. Völkische Religion im Aufgang, Berlin (126 S.)

1936a: Zur philosophischen Grundlegung des Nationalsozialismus,


in der Reihe: Schriften der Deutschen Hochschule für Politik, Berlin (erneut in: 1940)
´´ b: Deutscher Glaube am Scheidewege: Ewiges Sein oder werdende Gottheit? Berlin (erneut in: 1945, 70 S.)

1937a: Grundzüge einer Geschichte der artdeutschen Philosophie, Schriften der Dt. Hochsch. f. Pol., Berlin (80 S.)
´´ b: Die Irminsul als Sinnbild deutschvölkischen Gottesglaubens, Berlin (erneut in: 1945)

1938: Deutsche Gotteserkenntnis einst und jetzt, Stuttgart

1940: Gesammelte Werke Band 1: Politisch-Philosophische Schriften, Berlin


(700 S., enthält neben Wiederabdrucken einige unveröffentlichte Reden)

1941: Ewigkeit. Ein deutsches Bekenntnis, Berlin (erneut in: 1964)

1943: Gesammelte Werke Band 2: Vorlesungen zur Ethik und Volkstumsphilosophie, Berlin
(700 S., enthält Wiederabdrucke und Vorlesungen über "Soziologie und Gemeinschaftsphilosophie")

1944: Unsere Heiligtümer: Ehre, Volksgemeinschaft, Vaterland, Berlin

1945: Gesammelte Werke Band 3: Vom Gottesgedanken zum Ewigkeitsglauben. Erlebnisberichte und Aufsätze
aus vier Jahrzehnten, Berlin (727 S., enthält Wiederabdrucke, bislang Unveröffentlichtes sowie einen
autobiographischen Abriss: Meine religionsphilosophischen Wandlungen, 45 S.)

VI.1.b) Hermann Schwarz als Herausgeber:

1902: Immanuel Kant. Ein Lebensbild nach Darstellungen der Zeitgenossen Borowski, Jackmann, Wasianski,
Halle (mit einem Vor- und Schlusswort, 2. Auflage 1907)
1907 - 1918: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, kurz ZPhK (seit Band 131), Leipzig
darin 1916: Festschrift Rudolf Eucken zum 70. Geburtstage zugeeignet (ZPhK Band 160)
1927 - 1945: Blätter für Deutsche Philosophie, kurz BDPh
1931: Deutsche Systematische Philosophie in ihren Gestalten, Berlin
1933: Der Geist der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Greifswald

VI. 1.c) Festschriften

1924: Vom sittlich-religiösen Erleben. Philosophische Untersuchungen, Hermann Schwarz zum


60. Geburtstag, dargebracht von Schülern; hrg. von Georg Schwarz (mit Bibliographie)
1934: Gott, Seele, Geist. Zum 70. Geburtstag von Hermann Schwarz ,
Bd. 4/5 der BDPh, 8. Jahrgang, hrg. von Heinz Heimsoeth, Berlin
1935: Hermann Schwarz als Philosoph der deutschen Erneuerung. Zum 70. Geburtstag
von Hermann Schwarz, Berlin (102 S.)
1939: Band 4 der BDPh, 13.Jg., ist eine `verdeckte´ Festschrift zum 75. Geburtstag
136
1940/1943/1945: 3 Bände der Gesamtausgabe; insgesamt als Laudatio zum 75. Geburtstag aufzufassen
(Paul Junker vom Verlag `Junker und Dünnhaupt´ war sein Schüler)
1964: Volkhafte Philosophie im Aufgang: Auszüge aus Schriften von Hermann Schwarz, Berlin
(Posthum herausgegeben von Th. Braun-Ditzen, Verlag Deutsche Heimat, Reihe Lebenswille)

VI. 2 Kleinere Abhandlungen und Artikel

VI.2.a) Artikel in der Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik (ZPhK)

1896: „Die Zwiespältigkeit der naturwissenschaftlichen Erkenntnistheorie“, Band 109, S. 26 - 50

1897: „Descartes´ Untersuchungen über die Erkenntnis der Außenwelt“, Band 110, S. 105 – 124

1907: „Ein markantes Buch in der neuidealistischen Bewegung“ (zu Ferdinand Jakob Schmidt: Zur Wiedergeburt
des Idealismus. Philosophische Studien, Leipzig 1908), Band 131, S. 157-181 (erneut in 1945)

1908: „Die verschiedenen Funktionen des Worts“ (zu Husserl), Band 132, S. 152 – 164

1909: „Eugen Dürr: Die Lehre von der Aufmerksamkeit“ (Leipzig 1907, längere Rezension), Band 134, S. 130 - 137

1910: zu Johannes Rehmke: Philosophie als Grundwissenschaft (längere Rezension), Band 139, S. 77 – 83

1912: „Zum 60. Geburtstage Richard Falckenbergs“ (Mitherausgeber der ZPhK), Band 144, S. 113 - 115

1913: „Zur Begrüßung des 150. Bandes“, Band 150, S. 1f.


´´ : „Die Arten des religiösen Erlebens“, Band 150, S. 73 - 81 (entspricht § 21 des Buches Schwarz 1913)

1914: „August Dorner und der Naturalismus“, Band 153, S. 1 – 9


´´ : „Universale und charakteristische Religion bei Rudolf Eucken“, Band 155, S. 1 – 18 (neu in Schwarz 1945)

1915: „Dem deutschen Geiste“ (Stellungnahme des Herausgebers zum Kriegsausbruch), Band 156, S. 1 f.
´´ : „Eine neue Metaphysik der Geschichte“ (Rezension zu Karl Dunckmann: Metaphysik der Geschichte,
Leipzig 1914), Band 156, S. 154 - 162
´´ : „Die Entwicklung des Pantheismus in neuerer Zeit“, Band 157, S. 20 – 80

1916: „Euckens Lehre von den Stufen der Wirklichkeit“, Band 160, S. 71 – 94

1917: Selbstanzeige zu Fichte und Wir (Schwarz 1917), Band 163

1918: „Zum 70. Geburtstage von Johannes Rehmke“, Band 165, S. 1f.

(seit 1917 waren Bruno Bauchs BPhI das von Schwarz bevorzugte Podium)

VI.2.b) kleinere Rezensionen in der Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik
(ZPhK):

1896: zu Friedrich Jodl: Abriss der Geschichte der Ethik, in Band 112
´´ : zu Max Wentscher: Über physische und psychische Kausalität und das Prinzip des psychophysischen
Parallelismus; Bd. 112

1904: zu Wilhelm Wundt: Einleitung in die Philosophie (1901), Bd. 123

1905: zu August Dorner: Zur Geschichte des sittlichen Denkens und Lebens (1901), Bd. 125
´´ : zu Oskar Kraus: Zur Theorie des Wertes. Eine Benthamstudie, Bd.125
´´ : zu L. Levy-Bruhl: Die Philosophie Auguste Comtes, Bd. 126

1906: zu Paul Hensel: Hauptprobleme der Ethik (1903), Bd. 127


´´ . zu Walter Kinkel: Johann Friedrich Herbart, sein Leben und seine Philosophie, Bd. 127
137
´´ : zu Paul Natorp: Philosophische Propädeutik (1903), Bd. 127

1907: zu Eduard von Hartmann: Philosophie des Unbewussten (1904); Arthur Drews: E. v. Hartmanns
philosophisches System im Grundriss (1902) und Das Lebenswerk E. v. Hartmanns (1907); O. Kästner:
Sozialpolitik und Neuidealismus. Grundlagen und Grundzüge einer echten Volksbildung mit besonderer
Berücksichtigung der Philosophie Euckens (1907); W. Nein: Grundriss der Ethik mit Bezug auf das Leben
der Gegenwart (2. Auflage 1906); sowie zu Neuausgaben Schellings und Nietzsches; alles Bd.131

1908: zu E. Homann: Plato als Vorgänger Kants? Kritische Bemerkungen zu P. Natorp: Platos Ideenlehre, Bd. 133

1909: zu Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Berlin 1904; Max Frischeisen-Köhler: Moderne
Philosophie, Stuttgart 1904; Wilhelm Wundt: Grundzüge der physiologischen Psychologie, Leipzig 1908;
Wilhelm Wätzold: Die Kunst des Portraits, Leipzig 1908; E. Dürr: Die Lehre von der Aufmerksamkeit
(1907); alles Bd. 134
´´ : zu Karl Roller: Hausaufgaben und höhere Schulen, Leipzig 1909; E. Hornesser: Die Tat. Wege zu freiem
Menschentum; beides Bd. 135

1910: zu Alois Höfler: Drei Vorträge zur Mittelschulreform, Wien o.J.; Elias Metschenikoff: Beiträge zu einer
optimistischen Weltauffassung, München 1908; Sammelrez. zu Neuerscheinungen von Werken von Plato,
Kaiser Julian, Kant, Pestalozzi, Schelling, Feuerbach, J.S. Mill, Gustav Schneider, Otto Siebert; Bd. 136
´´ : zu E. Neumann: Ökonomie und Technik des Gedächtnisses, Leipzig 1908; Henriette Goldschut: Was ich von
Fröbel lernte und lehrte, Leipzig 1909; Wilhelm Specht: Die Beeinflussung der Sinnesfunktionen durch
geringe Alkoholmengen, Leipzig 1907; Band 137

1911: zu Gustav Friedrich Wagner: Enzyklopädisches Register zu Schopenhauers Werken, Band 141
´´ : zu Wilhelm Wundt: Allgemeine Geschichte der Philosophie sowie ders.: Grundzüge der physiologischen
Psychologie II, Leipzig 1910; Max Mechanik: Marsiana. Vorträge eines Bewohners des Mars,
Berlin 1909; Max Dessoir: Philosophisches Lehrbuch, Stuttgart 1910; Sammelrez. zu neuerschienenen
Werken von Plato, Spinoza, de la Mettrie, Shaftesbury, Lessing, Schiller, Julius Baumann (Christian
Wolff),
Carl Stumpf, Karl Wolf, Clemens Bäumker; alles Band 142

1913: zu Franz Brentano: Von der Klassifikation der psychischen Phänomene (1911); und Oswald Külpe:
Psychologie und Medizin (1912); Bd. 149
´´ : zu O.Braun: E.v. Hartmann (1909); O.Gilbert: Griechische Religionsphilosophie; Theodor Gomperz:
Griechische Denker 1 (3. Auflage 1911); E. Neumann: Ök. u. Technik des Ged. (3. Auflage, 1911);
M.Ossner: Das Gedächtnis (2. Auflage, 1911); W.Wundt: Grundz. der physiol. Psy. 3 (1911);
sowie Neuausgaben von Kant, Fichte und Schleiermacher; alles Bd. 150

1914: zu W.Wundt u.a.: Allgemeine Geschichte der Philosophie (1913); sowie zu einer neuen
philosophiehistorischen Reihe, hrg. von Clemens Bäumker; Bd. 153

VI.2.c) Artikel in Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus (BPhI, das Blatt der
Deutschen Philosophischen Gesellschaft) 1917-1927, bzw. Blätter für Deutsche Philosophie
(BDPh), 1927-1944:

1926: „Fichtes religiöse Entwicklung“ (BPhI 4.1, zitiert als: Schwarz BPhI 1926)
1927: „Pragmatische und idealistische Religiosität“ (Besprechung von Hauer: Die Religionen, BPhI 4.)
´´ : „E.M. Arndts Panentheismus“ (neue Zählung: BDPh 1. 1/2 )
´´ : „Pestalozzis Grundanschauung von Staat und Gesellschaft“ (BDPh 1.3, erneut in 1940)
1930: „Deutsches Wesen und deutsche Weltanschauung“ (3.4, verändert in 1933 und 1940, zitiert als: BDPh 1930)
1933: „Protestantisches Gewissen und Volkstum - gegen das Unzulängliche bei Luther“ (7.3/4, erneut 1940)
1935: „Das Mysterium der Einheit von Gott, Staat und Volk in der griechischen Philosophie“ (9.3)
1936: „Übersicht über die Hauptströmungen in der Volkstumsphilosophie“ (10.3, erneut in 1940)
1938: „Die gläubige Freiheit deutscher Menschen“ (12.4)
138
1939: „Aus den politischen Reden von Hermann Schwarz“ (13.4)
1942: „Gott in den Dingen, Gott in der Seele und Gott in der Volksgemeinschaft“ (16.1/2)

VI.2.d) Artikel in anderen Magazinen und Festschriften

1892: Selbstanzeige zu Das Wahrnehmungsproblem, in: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie 16

1895: „Über die Grenzen der physiologischen Psychologie“, in: Neue Pädagogische Zeitung 19

1896 « Le Recherches de Descartes. Sur la connaissance du Monde extérieur », in: Revue de Metaphysique et de
Moral 4.4, Paris, Juli
´´ : „Über die Willensfreiheit“, Vortrag im Hallenser Lehrerverein, gedruckte Handschrift

1897: „Die Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorgänge des Gegenstandsbewusstseins bei Uphues“
in: Archiv für systematische Philosophie 3
´´ : „Das Verhältnis von Leib und Seele“, in: Monatshefte der Comenius-Gesellschaft, Heft 7/8
´´ : „Erkenntnistheoretisches aus der Religionsphilosophie Thieles“
in: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie 21

1898: „Der Rationalismus und Rigorismus in Kants Ethik“, in: Kantstudien 2.1 und 2.3

1899: „Die empiristische Willenspsychologie und das Gesetz der relativen Glücksförderung“, in: Vierteljahresschrift
für wissenschaftliche Philosophie 23.2

1900: Selbstanzeigen zur Psychologie des Willens, in: Viertelj. für w. Phil. 24, 1900, und Kantstudien 5
´´ : Rezensionen zu Christian von Ehrenfels: System der Wertphilosophie, und Alexander Pfänder:
Phänomenologie des Wollens, in: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie 25

1901: Selbstanzeigen zu das sittliche Leben in: Viertelj. für w. Phil. 25, 1901 und den Kantstudien 6

1902: „Gefallen und Lust. Ein Beitrag zur Einteilung der seelischen Vorgänge“, in: Festschrift für Rudolf Haym,
(erneut in: Schwarz 1902)
´´ : Selbstanzeige zu Glück und Sittlichkeit, in: Kantstudien 7
´´ : „Hedwig Wener, eine Thüringer Philosophin“, in: Thüringer Rundschau, Jena, Wochenblatt 20. und 27.4.

1903: „Lindners Geschichtsphilosophie“, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche
Literatur 11. 6 (eine Besprechung von Rickert: Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung,
1896/1902, und Th. Lindner, Geschichtsphilosophie, 1901)
´´ : „Die ethische Bedeutung des Kirchenbaus“, in: Die Kirche. Zeitschrift für Bau, Einrichtung und Ausstattung
von Kirchen, 1, Oktober (erneut in: 1945)

1904: „Natur- und Geisteswissenschaft in der Geschichte der Philosophie“, in: Neue Jahrbücher für das kl. Alt. 12.
7

1906: „Woran krankt unsere Zeit, und was tut dagegen not?“ in: Glauben und Wissen, in Folge in den Nummern 4.9,
5.2 und 5.5 (erneut in: 1943)
´´ : „Spinozas Identitätsphilosophie“, in: Festschrift für Max Heinze
´´ : „Der Wiederaufschwung der Philosophie in Deutschland“, in: Leipziger Illustrierte Zeitung 127, 3295, am
23.8.
´´ : „Die Gottesvorstellungen der großen Denker“, in: Montagsblatt, wissenschaftliche Beilage der
Magdeburgischen Zeitung vom 3. und 10. 12.

1907: „Kuno Fischer“, in: Leipziger Illustrierte Zeitung 129, 3341 (am 11.7. 1907)
´´ : „F.E.Beneckes Metaphysik von 1840“, in: Philosophische Wochenschrift Wien, 7 (am 20.7. 1907)
´´ : „Über die Gottesvorstellungen von Platon, Leibniz und Fechner“, in: Monatshefte der Comenius-Gesellschaft
16
´´ : „Die experimental-pädagogische Forschung in Deutschland“, in: Neue Jahrbücher für Pädagogik, Leipzig,
fortlaufend (20.7. und 20.10.1907; 24.1., 24.5. und 24.6. 1909)
´´ : „Die deutschen Landerziehungsheime“, in: Leipz. Ill. Zeit. 129, 3358 (am 7.11. 1907)
´´ : Rezension zu Richard Hönigswald: Über die Lehre Humes von der Realität der Außendinge (1904), in:
139
Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 44
1909: „Der Pessimismus, ein Untergang und ein Übergang“, in: Die Tat. Wege zu freiem Menschentum 1

1911: „Die Seelenfrage“, in: Weltanschauung, Philosophie und Religion in Darstellungen von Dilthey, Groethuysen
u.a., hrg. von Max Frischeisen-Köhler, Berlin

1912: „Parallelismus oder kausaler Monismus?“ In: Unsere Welt 4, hrg. vom Keplerbund

1913: „Das Studium der Philosophie“, in: Greifswalder Hochschulblätter 3.2 (13.11.1913)
´´ : Selbstanzeige zu der Gottesgedanke (Schwarz 1913), in: Kantstudien 18

1914: „Pantheistische Religiosität und theologische Kosmologie“, in: Die Geisteswissenschaften, 1.26 (erneut in:
1945)
´´ : „Vaterlandsliebe und Menschheitsglaube. Den Kommilitonen im Felde“, gedruckte Handschrift
´´ : „Euckens Geistesphilosophie“, in: Das neue Deutschland 2.20
´´: Selbstanzeige zu Grundfragen (Schwarz 1912), in: Die Philosophie der Gegenwart 4, Seite 114

1915: „Deutscher Militarismus und Idealismus“, in: Neue Jahrbücher für Pädagogik 36

1916: „Der Wille siegt!“ in: Neue Jahrbücher für Pädagogik 36 (erneut in: 1940)

1918: „Vom unanschaulichen Wissen“, in: Festschrift für Johannes Volkelt zum 70 Geburtstag, dargebracht von
Paul
Barth u.a., München 1918
´´ : „Die Ethik der Vaterlandsliebe“, in: Leipziger illustrierte Zeitung 151, 3924 (12.9., als Buch 1922)
´´ : „Vaterland und Menschheit vor dem deutschen Gewissen“ (als Buch 1919: Weltgewissen oder
Vaterlandsgewissen? erneut in: 1940) in: Neue Jahrbücher für Pädagogik 42, Heft 1 und 2,

1919: „Erkenntnis und Erlebnis auf der Schule“, in: Philosophische Mitteilungen. Monatsschrift zur Förderung
philosophischer Bildung und Kultur 2, Leipzig, 1.April
´´ : „Aphorismen über intellektuelle Bildung“, in: Vierteljahresschrift für philosophische Pädagogik 2.4, Oster-
wieck
(als: „Gedankenbildung, wie sie sein sollte“ erneut in: 1940)
´´ : Die Einheitsschule, gedruckte Handschrift
´´ : „Volkstum und Menschheit bei Rousseau“, in: Deutscher Volkswart 4 , Leipzig, 9. September
´´ : „Hermann Lietz. Seine Persönlichkeit, sein Werk“, in: Leben und Arbeit; von Bürgern und Freunden der
deutschen Landerziehungsheime 11.3, Beckenstedt am Harz (April/Juni)
´´ : „Deutschlands Not und die deutsche Studentenschaft“, in: Die Deutsche Hochschule, der Beilage zur
Deutschen Zeitung, Berlin (26.11. und 3.12. 1919)

1920: Allgemeine Geschichte der Philosophie, gedrucktes Vorlesungsdiktat


´´ : Logik und Erkenntnistheorie, gedrucktes Vorlesungsdiktat
´´ : „Was kann der deutsche Idealismus dem deutschen Volke sein?“ in: Der Volkswart 5, 5.Mai
´´ : „Probleme der einheitlichen Lehrerbildung“, in: Preußische Lehrerzeitung 6 und 7 (13. und 15.1. 1920)
´´ : „Der Kampf um die zukünftige Lehrerbildung“, in: (Roter) Tag 20, 61 (12.3.1920)

1921: „Lebensheiligung“, in: Geisteskultur und Volksbildung, Monatshefte der Commenius-Gesellschaft 30, 3 und 4
(erneut in: 1940)
´´ : „Fichte und das gegenwärtige Deutschland“, in: Deutschlands Erneuerung 10, München (erneut in: 1940)

1922: „Zur Philosophie des Ungegebenen“, in: Blätter für die Fortbildung des Lehrers und der Lehrerin 15.9
(1.5. 1922, erneut in: 1945)
´´ : Eröffnungsrede bei der Hauptversammlung am 12.7. 1922, in: Gesellschaft der Freunde und Förderer der
Universität Greifswald 9 (verlegt bei Hartmann)
´´ : „Persönlichkeitsideale“, in: Erziehung und Bildung. Wissenschaftliche Beilage der Preußischen Lehrerzeitung
3
(vom 12. Dezember 1922)
´´ : „Schelers Buch vom Ewigen im Menschen“, in: Deutsche Literaturzeitung, 24.6. 1922 (43. Jg., Bd. 25), Berlin
140
1923: „Völkisches Erwachen“, in: Pommerscher Beobachter, Greifswald (erneut in: 1940)
´´ : „Geleitworte“, in: Der Rhein. Blätter für die Befreiung der Rheinlande 1.1, Berlin (15.2. 1923)

1924: „Hedwig Wenders 70. Geburtstag“, in: Leipz. Ill. Zeitung 162, 4120 (am 21.2. 1924)
´´ : „Der Deutsche Kant. Zum rechten Gedächtnis“, in: Deutsche Zeitung, Berlin (am 20.4. -!-)
´´ : „Fichte und das Rätsel des deutschen Volkstums“, in: Der Lehrstand, Beilage zu Der Jungdeutsche,
Kassel (am 3.6.)
´´ : „Dem deutschen Philosophen. Zum Gedenken an Jacob Böhme“, in: Deutsche Zeitung 518, Berlin (16.11.)

1925: Selbstanzeige von Schwarz 1925, in: Deutsche Zeitung 7. Juli (erneut in: 1943)
´´ : „Selbstbericht und Selbstkritik“, in: Hirts Literaturbericht, September, Breslau
´´ : „Kants Überwindung des französischen Rationalismus und des englischen Empirismus“,
in: Neue Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung

1926: „Die Hypothesen des Gewissens“ (Selbstanzeige von 1925a), in: Neue Jahrbücher, 4 (erneut in: 1943)

1929: „Nationale Erziehung“, in: Pädagogisches Lexikon, Velhagen und Klasing


´´ : „Die Rettung der deutsche Wirtschaft durch den volkhaften Staat“, in: Nationalwirtschaftliche
Blätter für organischen Wiederaufbau (erneut in: 1933 und 1940)
´´ : „Schenkende Berufe“, in: Deutsche Handelswacht, Weihnachtsnummer (erneut in: 1933 und 1940)
´´ : „Unterschiedliche Kulturauffassungen“, in: Philologisch-philosophische Studien, Berliner Studien zur
Romanischen Philologie 1 (Wechßler-Festschrift), Jena und Leipzig (erneut in: 1940)

1930: „Zur Metaphysik der Gemeinschaftsformen“, in: Festschrift für Prof. Liljequist, Lund (erneut in: 1940)
´´ : „Vervollkommnungs- und Verwesentlichungspädagogik“, in: Nationale Erziehung 3 (erneut in: 1940)

1932: „Der Mensch im Staat“ (Rezension von Knittermaier, Gogarten, Quervain, Ihlefeld, Michel, Sasse)
in: Der Tag (4. Oktober, erneut in: 1945)

1934: „Akademie und Deutschheit“, in: Forschungen und Fortschritte. Nachrichtenblatt der deutschen
Wissenschaft und Technik, 10.1 (erneut in: 1940)

1935: „Christliche und nichtchristliche Theologie“, in: Reichswart (27. Januar, erneut in: 1945)
´´ : „Zur Philosophie des völkischen Erlebens“, in: Monatsschrift für höhere Schulen 34, Berlin (erneut in: 1940)
´´ : „Gottesdienst oder Ewigkeitserleben?“ in: Der Frankfurter Student, Amtliches Organ der NSDAP,
15. November (erneut in: 1940)

1936: „Der Gottestraum des Pantheismus“, in: Durchbruch (27. August und 3. September)
´´ : „Gottes Wirklichkeit in den Seelen und in den Dingen“ (Schwarz 1945, 42 erwähnt dies ohne Angabe)

1937: „Die Aufgaben einer wissenschaftlichen völkischen Philosophie“, in: Almanach `Wissenschaft
und Wirklichkeit´, Berlin
´´ : „Alfred Rosenbergs Werk. Zur Verleihung des Nationalpreises an den Verfasser des Mythus“,
in: Die Westmark, Monatsschrift für deutsche Kultur
´´ : „Wille und Rassenseele“, in: Nationalsozialistische Monatshefte, Heft 88 (erneut in: 1940)
´´ : „Fichtes politische Entwicklung“, in: Monatsschrift für höhere Schulen 36, Berlin (erneut in: 1940)

1942: „Wir und das Schicksal“, in: Sigrune/Nordische Stimmen, Januar/Märzheft (erneut in: 1945)

1944: „Grundsätzliches zur Frage nach einem arteigenem deutschen Glauben“,


in: Sigrune/Nordische Stimmen, Juli/Augustheft (erneut in: 1945)

1950: „Schwarz, Hermann“ (Lexikonartikel in Ziegenfuß 1950), Berlin 1950


´´ : Artikel über Meister Eckhart in einem Greifswalder Lokalblatt, in der Greifswalder
Universitätsbibliothek einzusehen. Er ist völlig unpolitisch, sonst g e n a u wie zuvor.)
141
VI. 3 Hermann Schwarz im Spiegel der Literatur und Forschung

VI.3.a) Direkte Schülerschaft oder Auseinandersetzung

Benz, Ernst: „Die induktive Metaphysik und der Gottesbegriff“, in: BDPh 13.4 (1939)
Beske, Otto: Selbstbestimmung und Wesenswandel, Dissertation Greifswald 1924
Bonnerheim, Paul: „Plotin und der Aufbau der Personalwelt“, BDPh 16.4 (1942)
Bork, Margarethe: Über einige Haupttypen der neueren Assoziationstheorien, Diss. Greifsw. 1917
Braun-Ditzen, Th. (Hg): „Vorbemerkung und Nachwort“ zu Schwarz 1964
Brüssow, Lotte: Die Auffassung von Einbildungskraft und Verstand und ihres gegenseitigen Verhältnisses
bei Hume, Kant und Fichte, Diss. Gr. 1920

Doering, Hermann: „Die deutsche Revolution. Versuch einer Wesensbestimmung“, in: Neue Ausfahrt.
Kampfblatt für deutsche Geistesbefreiung, 1932
Dohme, Anna: „Gedanken über Berufsethik“, in: Festschrift für Schwarz 1924
dies.: Wesen der Ethik des persönlichen Lebens und der Gemeinschaft (nach Fichte, Schleiermacher und
Schwarz), Diss. Gr. 1924

Gerhardt, Ferdinand: „Das mystische Grunderlebnis bei Jacob Böhme“, in: Festschrift 1924
ders.: Untersuchungen über das Wesen des mystischen Grunderlebnisses. Ein Beitrag zur Mystik Meister
Ekkeharts, Luthers und Jacob Böhmes, Diss. Gr. 1922
Grove, Karl: „Neuere Forschungen über Meister Eckhart“, in: BDPh 13.4 (1939)

Haacke, Margarete: Der Gottesbegriff bei Ekkehart, Diss. Gr. 1919


Hampe, Susanne: Der Begriff der Tat bei Meister Eckhart, Weimar 1926
Haußleiter, Johannes: „Der Glücksgedanke bei Plato und Aristoteles“, in: Festschrift 1924
ders.: Der Glücksgedanke bei Plato, Aristoteles und Spinoza, Diss. Gr. 1922
Herpel, Martin: Hermann Schwarz und der nordische Gedanke, Berlin 1933 (Neuauflagen 1934 und 1937)
ders.: „Wertphilosophische Grundlagen der Gegenwart“, in: Festschrift 1935
ders.: Geistigkeit. Axiologische Untersuchungen im Lichte der Philosophie des Ungegebenen, Berlin o.J.

Jäger, Max: Herbert Spencers Prinzipien der Ethik in gedanklicher Zergliederung und Beurteilung,
Diss. Gr. 1922
ders.: Die Lebensgesetze Gottes im Volkstum, Berlin o.J.
Junghans, Hans-Martin: „Das Gottesbild der Philosophie des Ungegebenen“, in: Festschrift 1935
Junker, Paul: Der Begriff der Liebe bei Plato, Ekkehart, Fichte und in der Philosophie des Ungegebenen,
Diss. Greifswald 1922 (Paul Junker gehört zum Berliner Verlag Junker und Dünnhaupt)
ders.: „Liebe und Gott. Ein Ausschnitt aus der Philosophie des Ungegebenen“, in: BPhI Beiheft 12, 1924
ders.: „Wesen und Bedeutung der Minne in der Mystik Ekkeharts“, in: Festschrift 1924

Karge, W.: Volkschaffende Persönlichkeitspädagogik, Diss. Gr. 1931


Kühler, Otto: Wert, Person, Gott. Zur Ethik Max Schelers, Nicolai Hartmanns und der Philosophie
des Ungegebenen, 1932

Märkisch, Gustav: Pflicht, Liebe, Gewissen. Ihr axiologischer Gehalt und ihre Bedeutung für die Erziehung,
Diss. Gr. 1930
ders.: „Deutscher Freiheitsglaube“, in: Festschrift 1935

Netzeband, E.: Pädagogische Probleme in der Philosophie Max Schelers, Diss. Gr. 1933

Odebrecht, Rudolf: „Das Gefüge des religiösen Bewusstseins bei Fr. Schleiermacher“, in: Festschrift 1934

Pauly, Karl: Zur Theorie des Gewissens, Diss. Gr. 1913


Pesche, Robert: Das Problem der wirklichkeitserfüllten Geltung bei Bruno Bauch, Nicolai Hartmann und
Hermann Schwarz, Diss. Gr. 1930
Pichler, Hans: „Vernunft und Verstand“, in: Festschrift 1934

Roggatz, Elisabeth: Herders Geschichtsphilosophie im Vergleich mit Hauptgedanken Spenglers, Diss. Gr. 1921

Schjelderup-Ebbe, Thorleif: Beiträge zur Biologie und Sozial- und Individualpsychologie bei Galles Domesticus,
142
Diss. Gr. 1921
Schlechtweg, Wilhelm: Moderne Willenstheorien, Diss. Gr. 1914
Schmid, Friedrich: Über die Psyche des Infanteristen im Kampf, Diss. Gr. 1918
Scholz, Heinrich: „Der Gottesgedanke in der Mathematik“, in: Festschrift 1934
Schulze-Soelde: „Der Kampf um den deutschen Gott“, in: Festschrift 1934
Schwarz, Georg: Das Problem des schöpferischen Menschen bei Fichte, Nietzsche und in der Philosophie des
Ungegebenen, Diss. Gr. 1923
ders.: „Erlebnis und Deutung in der Geschichte der Philosophie. Ein Beitrag zur Geschichte der Axiologie“,
in: Festschrift 1924
Stechert, Else: „Zur Frage des religiösen Erlebens. In Auseinandersetzung mit der Abhandlung: `Erlebnis,
Erkenntnis und Glaube´ von Liz. Emil Brunner“, in: Festschrift 1924
dies.: Der aktive und der passive Menschentypus in neuerer Philosophie und Mystik, Dessau 1926
dies: Vom Wesen handelnder und schauender Mystik, Berlin 1927
Steingräber, Hans: Deutsche Gemeinschaftsphilosophie der Gegenwart. Eine Untersuchung ihrer Grundkategorien
und ihrer hauptsächlichen metaphysischen Gestaltungen, Berlin o.J.
Streich, Detlev: Der Begriff der Liebe bei Kant, Diss. Gr. 1924

Thieler, Hans: Erziehungswissenschaft im Lichte des axiologischen Ganzheitsbegriffs, Diss. Gr. 1932
ders: „Zur Wesenslehre des neuen deutschen Menschen“, in: Festschrift 1935
ders.: „Vorrede“, in: Schwarz 1940

Vanselow, Max: „Hermann Schwarz - Die Philosophie des Ungegebenen“, in: Philosophie und Schule, III
ders.: „Eine Philosophie der schöpferischen Tat“, in: Westermanns Monatshefte, 1919
ders.: Metaphysik der Erziehung, Berlin 1930

Wienicke, Gottlieb: Schleiermachers Gottesbegriff verglichen mit dem J.G. Fichtes, Diss. Gr. 1914
Wundt, Max: „Das Ungegebene bei Plotin“, in: Festschrift 1934
ders.: „Hermann Schwarz als politischer Denker“, in: BDPh 13.4 (1939)
Zeitschel, Fritz: Pestalozzi und die Verwesentlichungspädadogik, Greifswalder Dissertation 1932
ders.: Volkheitliche Pädagogik, Berlin 1935
ders.: „Das Erziehungsziel volkheitlicher Pädagogik“, in: Festschrift 1935

VI.3.b) Bezugnahmen auf Hermann Schwarz

in L e x i k a:
Religion in Geschichte und Gegenwart, 2.Auflage
Alfred Kröners Philosophisches Wörterbuch in den Auflagen von 1917, 1934 und 1942
Werner Ziegenfuß: Philosophenlexikon, Berlin 1951
Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender, Berlin 1931 ff.

in Ü b e r s i c h t s w e r k e n:
Johannes Hessen: Die geistigen Strömungen der Gegenwart, Freiburg 1937
Kurt Leese: Die Religion des protestantischen Menschen, Berlin 1938
Gerhard Lehmann: Die deutsche Philosophie der Gegenwart, Berlin 1942
Hans Leisegang: Religionsphilosophie der Gegenwart, Leipzig 1930 (Philosophische Forschungsberichte III)
August Messer: Die Philosophie der Gegenwart, Leipzig 1918
ders.: Wertphilosophie der Gegenwart (Philosophische Forschungsberichte IV)
Friedrich Ueberweg / Traugott Oesterreich: Geschichte der Philosophie, Berlin 1923
Wilhelm Windelband/ Heinz Heimsoeth: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie, Tübingen 1935

R e z e n s i o n e n über Schwarz (entnommen der Festschrift für Schwarz von 1924) von:
Schwarz 1894 und 1895 von Paul Natorp, in: Archiv für systematische Philosophie 3, 201 (1897) und 6, 213
(1900)
Schwarz 1895 von Wilhelm Wundt, in: Philosophische Studien 12, 20 (1896)
Schwarz 1896 von Hans Vaihinger, in: Kantstudien 1 (1897)
Schwarz 1900 und 1901 von Max Scheler, in: Jahrbücher der Philosophie 2, 113 (1914)
Schwarz 1912 von Richard Hönigswald, in: Jahrbücher für Philosophie 1, 91 (1913)
Schwarz 1913 von Ihmels, in: Theol. Lit. Blatt 40 (1919)
Schwarz 1925b, in: Grundwissenschaft. Zeitschrift der Johannes-Rehmke-Gesellschaft VI, Leipzig 1925
143

VII Allgemeines Literaturverzeichnis

Althaus, Paul: Staatsgedanke und Reich Gottes, Langensalza 1923 (erweiterte 4. Auflage 1931)
derselbe: Kirche und Volkstum. Der völkische Wille im Lichte des Evangeliums, Gütersloh 1928
ders.: Christus und die deutsche Seele, Gütersloh 1934
ders.: Die Theologie Martin Luthers, Gütersloh 1962
Apel, Karl-Otto: Die `Erklären-Verstehen´- Kontroverse in transzendentalpragmatischer Sicht, Frankfurt/M 1979
ders.: „Sinnkonstitution und Geltungsrechtfertigung. Heidegger und das Problem der Transzendentalphilosophie“,
in: Blasche 1989
Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft,
München 1986 (erstmals erschienen in New York 1951)
dieselbe: Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bösen, München 1964
dies.: Vita activa oder vom tätigen Leben, Stuttgart 1960
Aristoteles: Über die Seele, übersetzt von Adolf Busse (zuerst 1911), Leipzig 1937
ders.: Metaphysik, Stuttgart (Reclam) 1970
ders.: Nicomachische Ethik, Stuttgart (Reclam) 1969
Arntzen, Helmut (Hg.): Ursprung der Gegenwart. Zur Bewusstseinsgeschichte der Dreißiger Jahre in Deutschland,
Weinheim 1995
Augustinus: Vom Gottessstaat (Civitate Dei), übersetzt von Wilhelm Thimme, hrg. von Carl Andresen, München
1991

Baden, Hans Jürgen: Das religiöse Problem der Gegenwart bei Jakob Boehme, Leipzig 1939
Balthasar, Hans Urs von: Apokalypse der deutschen Seele. Studien zu einer Lehre von letzten Haltungen, Band I:
Der deutsche Idealismus, Salzburg und Leipzig 1937
Bauch, Bruno: Luther und Kant, 1905
ders.: Immanuel Kant, Leipzig 1917
ders.: Fichte und unsere Zeit, Erfurt 1921 (BPhI, Beiheft 2)
ders.: Wahrheit, Wert und Wirklichkeit, Leipzig 1923
ders.: Fichte und der deutsche Staatsgedanke, Langensalza 1925
ders.: Die Idee, Leipzig 1926
ders.: „Systematische Selbstdarstellung“, in: Schwarz 1931
Baumanns, Peter: J.G. Fichte. Kritische Darstellung seiner Philosophie, Freiburg/München 1990
Bäumler, Alfred: Männerbund und Wissenschaft, Berlin 1934
ders. (Hg.): Hegels Staatsschriften, hrg. und eingeleitet von Alfred Bäumler (Die Herdflamme), Jena 1926
ders.: „Meine politische Entwicklung“ (1948) und „Mein Weg als Schriftsteller“ (1957), in:
Bäumler, Marianne (et al., Hg.): Thomas Mann und Alfred Bäumler. Eine Dokumentation, Würzburg 1989
Barth, Karl: Der Römerbrief, Zürich 1954 (Nachdruck der zweiten Auflage von 1921)
ders.: Kirchliche Dogmatik, Zürich 1932 ff.
ders.: Theologische Existenz heute! München 1933
ders.: Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert. Ihre Vorgeschichte und ihre Geschichte (zuerst 1947),
Zürich 1994
Batscha, Zwi: `Despotismus von jeder Art reizt zur Widersetzlichkeit´. Die französische Revolution in der deutschen
Popularphilosophie, Frankfurt/M 1989
ders./Richard Saage (Hg.): Johann Gottlieb Fichte: Ausgewählte politische Schriften, Frankfurt/M 1977
Benjamin, Walter: Gesammelte Schriften, Werkausgabe Edition Suhrkamp, Fr/M 1980 (zitiert mit Band und Sei-
tenzahl)
Benn, Gottfried: „Dorische Welt. Eine Untersuchung über die Beziehung von Kunst und Macht“ (1934), in:
ders.: Sämtliche Werke Band IV, Prosa 2: 1933-1945, Stuttgart 1989.
Berding, Helmut (Hg.): Nationales Bewusstsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven
Bewusstseins in der Neuzeit 2, Frankfurt/M 1994
Bergmann, Ernst: Fichte, der Erzieher zum Deutschtum, Leipzig 1915
ders.: J.G. Fichte, der Erzieher, Leipzig 1928
ders.: Die Entsinkung ins Weiselose. Seelengeschichte eines modernen Mystikers, Breslau 1932
ders.: Fichte und der Nationalsozialismus, Breslau 1933
ders.: Die 25 Thesen der Deutschreligion. Ein Katechismus, Breslau 1934
ders.: Die natürliche Geistlehre. System einer deutsch-nordischen Weltsinndeutung, Stuttgart 1937
Bergson, Henri: Zeit und Freiheit. Eine Abhandlung über die unmittelbaren Bewusstseinstatsachen (1908), Jena
1920
Berlin, Isaiah: Freiheit. Vier Versuche, Frankfurt/M 1995 (erstmals Oxford 1969)
Beyreuther, Erich: Geschichte des Pietismus, Stuttgart 1978
144
ders.: „Die Vorgeschichte des Kirchenkampfes zwischen 1918 und 1933“, in:
ders.: Frömmigkeit und Theologie. Gesammelte Aufsätze, Hildesheim 1980
Bibo, Claudia: Naturalismus als Weltanschauung? Biologistische, theosophische und deutsch-völkische Bildlichkeit
in der von Fidus illustrierten Lyrik (1893-1902), Frankfurt/M 1995
Binde, Fritz: Gott redet im Kriegswetter, Gotha 1916
Binder, Julius: „Fichte und die Nation“, in: Logos X, 1922, S.275 ff.
Blasche, Siegfried (et al., Hg.): Martin Heidegger: Innen- und Außenansichten, Frankfurt/M 1989
Blitz, Hans-Martin: „`Gieb, Vater, mir ein Schwert!´ Identitätskonzepte und Feindbilder in der `patriotischen´ Lyrik
Klopstocks und des Göttinger `Hain´“, in:
ders. (et al., Hg.): Machtphantasie Deutschland. Nationalismus, Männlichkeit und Fremdenhass im Vaterlandsdis-
kurs deutscher Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, Frankfurt/M 1996
Bloch, Ernst: Der Geist der Utopie, 1. Ausgabe von 1918, Suhrkamp Werkausgabe Band 16
ders.: Der Geist der Utopie, 2. Auflage von 1923, Werkausgabe Band 3, Frankfurt/M 1964
Blumenberg, Hans: Die Legitimität der Neuzeit (1966), erneuerte Auflage, Frankfurt/M 1996
Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfas-
sungsgeschichte, Frankfurt/M 1991
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