Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Band 6
BRIEFE
Franz-Sales-Verlag
ranz-Sales-V
4
von P. Dr
Dr.. FFranz
ranz Reisinger OSFS.
ISBN 3-7721-0005-8
Alle Rechte vorbehalten.
© Franz Sales Verlag, Eichstätt
2. Auflage 2002
Herstellung Brönner und Daentler, Eichstätt
Vorwort 5
VO RRW
W O RRT
T
Von den Briefen des hl. Franz von Sales ist im deutschen Sprachgebiet
außer jenen an Frau von Chantal kaum etwas bekannt; auch diese waren in
der seit Jahren vergriffenen Ausgabe von Mager-Heine nur in einer Auswahl
übersetzt. Die in Band 5 unserer deutschen Ausgabe neu übersetzten Briefe
an Frau von Chantal stellen zwar ein einzigartiges Dokument einer einmali-
gen Seelenfreundschaft dar, bilden aber nur einen schmalen Ausschnitt aus
der großen Zahl der Briefe des Heiligen, die uns überliefert sind.
Die Thematik der Briefe des hl. Franz von Sales ist so vielfältig wie sein
Bekanntenkreis und so bunt wie der Ablauf seines Lebens und Wirkens.
Dennoch treten Fragen des religiösen Lebens stark in den Vordergrund,
denn Franz von Sales hat zahlreichen Menschen, die ihn um Rat fragten
oder sich unter seine geistliche Leitung stellten, seine Antworten und Rat-
schläge teilweise auch schriftlich gegeben. So lag es nahe, dem deutschen
Leser eine Auswahl von Seelenführungs-Briefen zu bieten, die diesen und
den nächsten Band füllen.
In den elf Bänden der „Oeuvres“, in denen die Briefe des hl. Franz von
Sales chronologisch gesammelt sind, stehen auch die Seelenführungs-Briefe
verstreut unter vielen anderen Briefen des Heiligen. In unserer deutschen
Ausgabe werden sie zusammengestellt, uzw. die Briefe an Laien getrennt
von denen an Ordensleute, obwohl auch diese vieles enthalten, was alle
Christen angeht. Diese Briefe geben nicht nur ein Bild des heiligen Bischofs
als Seelenführer, sondern lassen auch den Charakter und die religiöse Situa-
tion der Adressaten erkennen.
Von den überlieferten etwa 530 Briefen, die man als Seelenführungs-Brie-
fe für Laien ansprechen kann, sind u. a. 10 an Frau von Charmoisy gerich-
tet, 15 an Frau von Granieu, 106 an Madame de la Fléchère, 30 an die
Präsidentin Brulart, 14 an Frau von Peyzieu, an andere Adressaten nur einer
oder einige. Trotz eifrigen und gewissenhaften Forschens konnten allerdings
die Herausgeber der „Oeuvres“ in vielen Fällen die Namen der Empfänger
nicht feststellen; wegen ihres Inhalts wurden sie aber in die Sammlung auf-
genommen und werden als an „Unbekannte“ geschrieben geführt. Um ei-
nen Überblick zu ermöglichen, werden in dieser Ausgabe
1. alle Briefe an bestimmte Adressaten zusammengestellt, vor allem die
Briefe an die oben genannten Empfänger, aber auch Briefe an Adressaten,
die nur zwei oder drei Briefe erhalten haben.
6 Vorwort
2. Die Briefe werden zeitlich in drei Perioden eingereiht, die wichtigen Ab-
schnitten im Leben des hl. Franz von Sales entsprechen:
a) Von der Bischofsweihe bis zur Gründung des Ordens von der Heimsu-
chung: 1602 bis 1610 (in den Oeuvres Band XII-XVI).
b) Von 1610 bis 1616, d. h. bis zu den Advent- und Fastenpredigten in
Grenoble (Oeuvres Band XIV-XVI).
c) Von 1616 bis 1622, also aus den letzten Lebensjahren des Heiligen
(Oeuvres Band XVI-XX).
Die einzelnen Adressaten werden jeweils der Periode zugeteilt, in die der
Beginn des Briefwechsels (und die Mehrzahl der Briefe) fällt; dann werden
aber auch Briefe an den gleichen Empfänger aus späteren Zeitabschnitten
angefügt, um die geistliche Leitung durch den Heiligen besser hervortreten
zu lassen und die Einheit zu wahren.
Nach der ersten Periode werden zwei der größten Brief-Serien eingescho-
ben, die sich über mehrere Zeitabschnitte hinziehen: an die Präsidentin
Brulart und an Madame de la Fléchère. Am Schluß sind Briefe ohne Datum
angeführt. – So entstehen in unserem Band die folgenden sechs Abschnitte:
I. Briefe aus den Jahren 1602-1610.
II. Briefe an Frau Brulart (1604-1613).
III. Briefe an Madame de la Fléchère (1608-1622).
IV. Briefe aus den Jahren 1610-1616.
V. Briefe aus den Jahren 1616-1622.
VI. Briefe ohne Datum.
Jedem Abschnitt ist eine biographische Einführung mit einer Charakteri-
stik der Adressaten und ihrer Stellung zum hl. Franz von Sales vorangestellt.
– Die Unterschrift nach den einzelnen Briefen (in den meisten Fällen „Franz,
Bischof von Genf“) wurde weggelassen. – Eine Inhaltsübersicht am Anfang
und eine vergleichende Tafel am Schluß des Bandes gibt Auskunft über die
Auswahl der Briefe und ihre Fundstelle in der authentischen Ausgabe der
„Oeuvres“.
Bei der Übersetzung hat mir wieder Frau Susi Handler viel geholfen, der
ich eine wertvolle Vorübersetzung verdanke. Ihr und den anderen Mitarbei-
tern, die zu dieser Sammlung von Briefen des Heiligen und bei deren Bear-
beitung mitgeholfen haben, sei hiermit herzlicher Dank abgestattet.
Eichstätt, 29. Januar 1965.
INHALTSÜBERSICHT
INHALTSÜBERSICHT
Hier werden innerhalb der einzelnen Abschnitte und Empfänger von jedem Brief
angegeben: die Brief-Nummer, der Band und die Seitenzahl in der authentischen Aus-
gabe der Oeuvres, das Datum und die Seitenzahl dieses Bandes. Die Angabe 206. XII,
244 bedeutet demnach: Brief Nr. 206, Oeuvres Band XII, Seite 244. – Für die chrono-
logische Reihenfolge und die Frage der Echtheit verweisen wir auf die vergleichenden
Tafeln am Schluß des Bandes.
Vorwort 5
An Frau Rousselet
1605. XIX, 128f – Annecy, 4.2.1620 324
An Frau von Jomaron
1613. XIX, 144f – Annecy, 17.2.1620 324
An Herrn de Foras
1635. XIX, 177f – Annecy, 8.4.1620 325
1850. XX, 187f – Annecy, 11.11.1621 325
An Fräulein Lhuillier von Frouville
1655. XIX, 213-215 – Annecy, 31.5.1620 326
1695. XIX, 313-315 – Annecy, 9.8.1620 330
An eine Dame
1704. XIX, 340-342 – Annecy, 29.9.1620 332
1762. XX, 24-26 – Annecy, 27.2.1621 333
An Frau von Toulongeon
1768. XX, 32-34 – Lyon, 24.3.1621 335
1960. XX, 393f – Lyon, 17.12.1622 336
An die Gräfin von Dalet
1778. XX, 51-55 – Annecy, 25.4.1621 336
1790. XX, 77-80 – Annecy, 11.5.1621 340
1893. XX, 267-269 – Annecy, 8.2.1622 343
1928. XX, 333f – Turin, 6.7.1622 346
1938. XX, 356-358 – Annecy, August/September 1622 347
An Frau Le Loup de Montfan
1779. XX, 55-58 – Annecy, 25.4.1621 339
1818. XX, 125f – Annecy, 4.8.1621 342
1927. XX, 330-332 – Turin, 6.7.1622 344
An Frau Rivolat
1802. XX, 98 – 11.6.(1615-1621) 348
An Frau von Chamousset
1807. XX, 107f – Annecy, 24.7.1621 349
An eine unbekannte Person
1812. XX, 116f – Annecy, Juni-August 1621 349
An eine unbekannte Dame
1820. XX, 131-134 – Annecy, 21.8.1621 350
18 Inhaltsübersicht
An Frau Amaury
1827. XX, 143-145 – Annecy, August-September 1621 352
An eine unbekannte Dame in Paris
1830. XX, 148f – Annecy, 20.9.1621 353
An Madame Baudeau
1831. XX, 149f – 20.9.1621 354
An Frau von Pechpeirou
1836. XX, 160 – Annecy, 12.10.1621 355
An eine Dame in Grenoble
1861. XX, 207f – Annecy, 13.12.1621 355
An einen Freund
1865. XX, 213f – Annecy, 1621 356
An Fräulein Jousse
1868. XX, 217 – Annecy, 1620 oder 1621 356
An eine Dame
1870. XX, 221 – 1616-1622 357
An eine unbekannte Dame
1871. XX, 222f – 1618-1622 357
An Frau von Vaudan
1879. XX, 234f – 1622 359
An die Gräfin von Miolans
1881. XX, 241-243 – Annecy, 8.1.1622 359
An eine Kandidatin für die Heimsuchung
1902. XX, 280f – 6.3.1622 360
An eine Dame
1919. XX, 310f – Pignerol, 7.6.1622 361
1961. XX, 395 – Lyon, 19.12.1622 362
Anmerkungen 391
Alphabetisches Verzeichnis der Briefempfänger 411
Vergleichende Tafeln 413
20
Vorwort 21
Franz von Sales war nicht erst seit 1602 Seelenführer, obwohl die ersten
Briefe der Seelenführung aus diesem Jahr überliefert sind. Sie gehen nach
Paris. Dort hatte der Heilige durch seine zahlreichen Predigten und Ausspra-
chen Verbindungen angeknüpft, die sich im Briefwechsel fortsetzten: die Briefe
an das Kloster der „Filles-Dieu“ und an Fräulein von Soulfour sind davon
noch erhalten.
Als Bischof von Genf war Franz von Sales nicht nur der Leiter, sondern vor
allem der eifrigste Seelsorger seiner Diözese. Sein Beichtstuhl, seine Kanzel und
sein Sprechzimmer sind umlagert. Den meisten Anteil daran haben seine engsten
Mitbürger in Savoyen, angefangen von seinen Verwandten. So haben wir Briefe
an seine Mutter, an seine Schwägerin und seine Schwester, an die Frauen seiner
Cousins Charmoisy und de la Fléchère. Nach seinen Predigten in La Roche und
Chambéry kommen von dort Anfragen; er antwortet der Frau von Limojon in La
Roche, den Damen Clément und de Chastel in Chambéry, der Frau von Mieudry
in Rumilly (wo auch Madame de la Fléchère wohnt); auch der Wohnsitz vieler
unbekannter Briefempfänger ist in Savoyen zu suchen.
Sein Wirken bleibt nicht auf das Bistum beschränkt. 1604 hielt Franz von
Sales die Fastenpredigten in Dijon, und damit öffnet sich Burgund seinem
Eifer. Hier beginnt der Briefwechsel mit der Baronin Johanna Franziska von
Chantal; nach Burgund gehen auch viele Briefe an die Präsidentin Brulart und
deren Schwester, die Äbtissin Rose Bourgeois de Crepy von Puits d’Orbe, ferner
ein langer Brief an den Präsidenten Frémyot, ebenso an dessen Sohn, den
Erzbischof André Frémyot von Bourges, und an die mit Frau von Chantal
verwandten oder befreundeten Damen von Traves und Bréchard.
Hier folgen einige biographische Daten der Briefempfänger dieses ersten
Abschnitts in der Reihenfolge, wie die Briefe eingeordnet sind.
Franz von Sales verband eine innige Liebe mit seiner Mutter, Françoise de
Sionaz, die sehr jung den 27 Jahre älteren François de Sales geheiratet hatte,
der sich nach einem Gut seiner Gemahlin Herr von Boisy nannte. Franz war
das erste von 13 Kindern aus dieser Ehe. Die Mutter hatte ihrem kleinen Sohn
eine innige Liebe zu Gott eingepflanzt. Sie blieb ihr Leben lang seine Vertraute
und stellte sich später unter seine geistliche Leitung. Der Brief, den Franz von
Sales nach ihrem Tod an Frau von Chantal schrieb, zeugt von der zarten Liebe,
die ihn mit seiner Mutter verband. (Mehr über Frau von Boisy in dem schönen
22 I. Einführung
Buch von Francis Trochu, Die Mutter des hl. Franz von Sales, Eichstätt und
Wien, Franz-Sales-Verlag, 1962.)
Von den Briefen, die Franz von Sales an seine Mutter schrieb, sind nur zwei
erhalten, die anderen sind bei der von Richelieu befohlenen Zerstörung des
Schlosses Sales vernichtet worden. Auch diese Briefe zeugen von der zärtlichen
Liebe des Heiligen zu seiner Mutter wie von ihrem Vertrauen zu ihrem bischöf-
lichen Sohn.
MADAME DE LA THUILLE,
geborene Baronin de Cusy, wurde im Jahr 1603 durch Franz von Sales sei-
nem Bruder Louis angetraut, der nach einem seiner Güter den Titel Herr de la
Thuille annahm. Ihr einziger Sohn war Charles-Auguste de Sales, der spätere
Biograph und dritte Nachfolger seines Onkels als Bischof von Genf.
Die Hochschätzung des Heiligen für seine Schwägerin geht aus dem hier
veröffentlichten Brief hervor, ebenso aus dem Brief an seinen Bruder Louis
nach ihrem frühen Tod (sie war erst 23 Jahre, als sie 1609 starb): „Mein
Bruder, hören Sie auf, sich zu grämen. Ich versichere Ihnen mit Bestimmtheit,
daß Ihre teure Gattin zur Hochzeit des Lammes gelangt ist“ (nach Hauteville;
s. Oeuvres XII, 95, Anm. 2).
Der Vorname ist unbekannt. Franz von Sales hatte das Mädchen als Novizin
im Kloster der „Filles-Dieu“ in Fragen ihres geistlichen Lebens beraten, das
ziemlich verworren war, und ihr darüber einen langen Brief geschrieben. Kurz
darauf kehrte sie in ihr Elternhaus zurück; dort erhält sie noch zwei Briefe vom
Bischof.
Der erste Brief wird in diesem Band veröffentlicht, obwohl er an eine Novizin
gerichtet war; er berührt kaum Fragen des Ordenslebens, wohl ein Zeichen,
daß Fräulein Soulfour bereits damals in ihrem Ordensberuf schwankend war.
Die Briefe des Heiligen zeigen sie als einen Menschen guten Willens aber sehr
unklaren Geistes, voller Wünsche nach einem vollkommenen Leben aber ohne
Ordnung. Daher verweist sie Franz von Sales an die Priester ihres Ortes, da er
aus der Entfernung ihre Schwierigkeiten kaum lösen konnte.
Diese drei Briefe sind sicher echt; sie stehen in den „Epitres spirituelles“, die
1626 unter Aufsicht der hl. Johanna Franziska von Chantal herausgegeben
wurden.
MADAME DE LIMOJON.
Jeanne Louise de Geblos hatte im Jahr 1598 Herrn Jean de Limojon gehei-
ratet, einen Offizier im Dienst des Herzogs von Savoyen. Da er von La Roche
stammte, wird seine Gattin dort Predigten des Heiligen gehört und den Wunsch
geäußert haben, sich unter seine Führung zu stellen. – Von dem vielleicht
häufigeren Briefverkehr des Heiligen mit dieser Dame sind uns zwei Briefe
erhalten. – Vom ersten ist nur eine Kopie vorhanden, die sich im Heimsu-
I. Einführung 23
chungskloster von Turin befindet und zum erstenmal in den Oeuvres veröffent-
licht wurde. Form und Inhalt lassen ihn glaubhaft als authentischen Brief des
Heiligen erscheinen. – Der zweite hier übersetzte Brief, zuerst von Migne veröf-
fentlicht, dürfte auch Franz von Sales zum Verfasser haben.
AN UNBEKANNTE.
In den Bänden XII, XIII, XIV stehen einige Briefe, deren Adressaten von den
Herausgebern der Oeuvres nicht ermittelt werden konnten. – Davon sind sicher
echt, d. h. von Franz von Sales verfaßt, Nr. 179 „An eine Tante“, ferner Nr. 414
an eine Dame, Nr. 441 an ein Fräulein, Nr. 585 an eine Dame.
Wahrscheinlich unecht sind Nr. 346 (Oeuvres XIII, 173-174) und Nr. 365
(Oeuvres XIV, 237-238), der erste von Migne, der zweite von Blaise zuerst
veröffentlicht. – Stil wie Inhalt sprechen gegen die Echtheit. – Nr 585 wurde
wegen geringen Inhalts ausgelassen (Nachrichten).
Von den sicher echten Briefen ist Nr. 179 an eine Tante, in den Epitres
spirituelles (1626) enthalten, also echt. – Es ist allerdings unbekannt, an wel-
che Tante unter den vielen Verwandten des Heiligen er gerichtet war.
Nr. 414, von der Familie Blonay aufbewahrt und in den „Memoires“ der
salesianischen Akademie zuerst veröffentlicht, ist echt, wie sich aus dem Inhalt
wie aus der Form ergibt. Der Name der Dame ist unbekannt. Die Herausgeber
der Oeuvres meinen, daß sie in Chambéry gewohnt habe und wohl in den
Dienst der Donna Mathilde von Savoyen getreten sei, die seit dem 26. Februar
1607 mit dem Stadthalter D’Albigny verheiratet war. – (Oeuvres XIII, 321,
Anm.1). – Möglich sei auch Dijon.
Nr. 441, an ein Fräulein wurde auch in den Epitres spirituelles 1626 veröf-
fentlicht, ist also sicher echt. Die Herausgeber der Oeuvres meinen, der Brief
sei an Frl. von Soulfour gerichtet. Dagegen spricht Verschiedenes, wenngleich
es nicht ganz ausgeschlossen ist.
Der Magistrat von Dijon, der Hauptstadt von Burgund, lud Franz von Sales
ein, 1604 dort die Fastenpredigten zu halten. Dort lernte er Frau Brulart und
deren Schwester, die Äbtissin von Puits d’Orbe, kennen und verkehrte vor
allem im Haus Frémyot. Der Erzbischof von Bourges, André Frémyot, schloß
sich in herzlicher Freundschaft seinem älteren Mitbruder im Bischofsamt an
und erhielt von diesem später einen noch heute gültigen Brief über das Predi-
gen und wertvolle Anregungen für seine Aufgaben als Bischof. Seine Schwester
Johanna Franziska von Chantal führte Franz von Sales von diesen Tagen an zu
den Höhen christlicher Vollkommenheit. Große Verehrung verband ihn auch
mit dem Vater der beiden, dem Präsidenten Bénigne Frémyot.
Der Präsident, einer der großen Männer seiner Zeit, hatte in den französi-
schen Bürgerkriegen eine heroische Haltung als aufrechter Katholik bewiesen
(vgl. H. Waach, Johanna Franziska von Chantal. Eichstätt und Wien, Franz-
Sales-Verlag, 1957, bes. Seite 13-17). Er bat Franz von Sales um Ratschläge
für seinen Lebensabend, die ihm dieser in dem hier veröffentlichten Brief in
aller Ehrfurcht und Offenheit erteilt. Der Präsident starb 1611.
24 I. Einführung
MADEMOISELLE CLÉMENT.
Aus den zwei überlieferten Briefen geht hervor, daß diese Dame in Chambéry
lebte, Franz von Sales kennen lernte, als er dort 1606 die Fastenpredigten
hielt, ebenso, daß sie den Wunsch hatte, in einen Orden einzutreten. Franz von
Sales billigt diesen Wunsch, bereitet sie aber (besonders im zweiten Brief) auf
das Scheitern ihres Planes vor. In einem Brief an P. Pollien SJ. in Chambéry
schreibt er: „Gott weiß, daß ich Fräulein Clément lieb habe. Ich glaube aber
nicht, daß ihre Konstitution stark genug ist, die Lebensweise der Clarissen zu
ertragen. Wohin aber könnte man sie in Savoyen sonst empfehlen? ... Gott wird
sie trösten, da sie auf ihn vertraut ...“ – Mehr wissen wir von ihr nicht.
Die beiden hier übersetzten Briefe sind sicher echt; der erste ist in den gesam-
melten Werken des Heiligen (1656), der zweite in den „Epitres spirituelles“
(1626) veröffentlicht.
MADAME DE CHARMOISY.
Louise de Chatel, geboren in der Normandie, kam sehr jung als Edelfräulein
der Herzogin von Guise nach Paris. Dort lernte sie Herrn von Charmoisy ken-
nen, einen Verwandten des hl. Franz von Sales; im Jahr 1600 schlossen beide
eine Liebesehe. Die durch Schönheit und Charakterfestigkeit ausgezeichnete
junge Frau folgte ihrem Mann in dessen Bergheimat nach Savoyen, wo er
mehrere Schlösser besaß. Dort lernte sie den mit ihrem Mann eng befreundeten
Franz von Sales kennen, als er 1602 die Bischofsweihe empfangen hatte.
Frau von Charmoisy hatte gewiß kein leichtes Leben. Ihr Mann war oft
abwesend, so daß ihr die Verwaltung der alten, düsteren Schlösser oblag. Sie
selbst war oft krank, ebenso ihr Mann, der beim Herzog in Ungnade fiel und
längere Zeit in einem seiner Schlösser interniert wurde, später allerdings wie-
der zu Ehren und zu hohen militärischen Würden kam. Nach dem Tod ihres
Mannes im Jahr 1618 war ihr Sohn die Ursache schwersten Kummers. Er brach
in ihr Zimmer ein und untersuchte aus Mißtrauen gegen sie ihre Papiere; sie
forderte zwar Genugtuung, verzieh ihm aber so großherzig, daß sie ihm nach
und nach ihren ganzen Besitz überließ. Am 1. Juni 1645 starb sie, umgeben
von ihrer Familie.
Eine ganz große Frau, in vielem der hl. Johanna Franziska von Chantal
ähnlich: von großem Mut, klar im Denken, gewissenhaft in der Pflichterfül-
lung, und doch voll echt weiblicher Güte, verbunden mit Einfühlungsvermögen
und Opferwilligkeit. (Mehr über sie bei Angela Hämel-Stier, Frauen um Franz
von Sales, Eichstätt und Wien, Franz-Sales-Verlag, 1954, Seite 29-75; vgl.
Henry Bordeaux, St. François de Sales et notre coeur de chair, Paris 1924,
Seite 196-208.)
Es steht nicht fest, ob Frau von Charmoisy sich bereits 1604 oder erst 1607
unter die Leitung des hl. Franz von Sales gestellt hat. Seine Verbindung zur
Familie war sehr eng; er stand Frau von Charmoisy treu zur Seite, als ihr Mann
in Ungnade gefallen, als er krank und nachdem er gestorben war. Er brachte
Frau von Charmoisy auch in Verbindung mit Johanna Franziska von Chantal,
Madame de la Fléchère und anderen.
I. Einführung 25
In den „Oeuvres“ sind relativ wenige Briefe an Frau von Charmoisy überlie-
fert. Gewiß dürfte er ihr die meisten Ratschläge mündlich erteilt haben, außer-
dem fanden die grundsätzlichen Weisungen der ersten Zeit Eingang in die
„Anleitung zum frommen Leben“, die unsterbliche „Philothea“. Von den 11
überlieferten Briefen sind sechs sicher echt (Nr. 439, 440, 474, 863, 1485,
1967). Der hier als erster übersetzte Brief (Nr. 350) wurde von Datta und dann
von Migne veröffentlicht; er dürfte echt sein, obwohl einige Zweifel bleiben. Nr.
595 und 1521 sind nicht übersetzt, obwohl sie echt sein dürften; Nr. 1967 hat
Frau von Charmoisy in ihrer Aussage beim Heiligsprechungsprozeß aus seinen
Briefen an sie zitiert.
MADAME DE MIEUDRY.
Gasparde de Cerisier, seit 1602 mit Sébastian Porties, Herrn von Mieudry
verheiratet, wohnte in Rumilly unweit Annecy. Sie hatte drei Kinder, bei ihr
lebte auch ihr Vater (s. Brief vom 19.2.1616). Sie starb am 10. Oktober 1616.
Die beiden letzten Briefe des Heiligen an sie, die in den „Oeuvres“ enthalten
sind, stehen nicht in den Sammlungen vor 1800; der erste wurde von Blaise,
der zweite von Migne erstmals veröffentlicht; nach Inhalt und Form scheinen
sie echt zu sein.
JEANNE-CHARLOTTE DE BRÉCHARD
wurde 1580 geboren, verlor ihre Mutter bald nach ihrer Geburt und wurde von
ihrem Vater schmählich im Stich gelassen. Sie hatte eine traurige Jugend – bis
sie auf die Baronin von Chantal traf, die ihr eine warme mütterliche Liebe
schenkte. Durch sie wurde Franz von Sales ihr Seelenführer und nun begann
für das fromme Mädchen ein seelischer Frühling. Mit Hochherzigkeit folgte sie
den Weisungen der beiden Heiligen. Sie war eine der ersten Schwestern, die die
heroischen Anfänge der „Heimsuchung“ im kleinen Kloster der „Galerie“ mit-
erlebten, und wurde später eine der Säulen des Ordens der Heimsuchung.
Hier sind nur die Briefe, die ihr Franz von Sales vor Beginn ihres Ordensle-
bens schrieb. Die spätere Schwester und Oberin der „Heimsuchung Mariä“
wird noch viele Briefe des Heiligen empfangen, die wir im Band 7 der deut-
schen Ausgabe der Werke des Heiligen veröffentlicht sind.
Die drei folgenden Briefe sind sicher echt; sie wurden bald nach dem Tod des
hl. Franz von Sales in den Sammlungen seiner Briefe veröffentlicht.
eine der vier Töchter der Familie Chastel, machte noch in der Welt das Gelüb-
de der Keuschheit, nachdem sie Franz von Sales um Rat gefragt hatte. Der erste
Brief des Heiligen ist die Antwort auf ihre Frage. Ihre Schwester Peronne-
Marie trat vor ihr in den Orden der Heimsuchung ein und zwar in den ersten
Anfängen. Claudine folgte ihr im Jahr 1620. Sie starb im Kloster von Cham-
béry 1668.
26 I. Einführung
Die drei hier übersetzten Briefe sind sicher echt; die zwei ersten sind in der
nach dem Tod des Heiligen bald herausgegebenen Sammlung seiner Briefe
enthalten, der dritte wurde vom zuverlässigen Hérissant veröffentlicht.
rem Herrn gegenüber werden. Sie dürfen ihn nicht mit solch kleinlichen
Gefühlen oder Gedanken belasten, Sie sollen in Freiheit leben; überlas-
sen Sie es der Vorsehung Unseres Herrn, aus Ihnen zu machen, was ihm
gefällt.
Mit Ihrer Erlaubnis aber will ich klar zu Ihnen sprechen. Sie dürfen
sich, meine liebe Mutter, nicht bei gewissen Erwägungen aufhalten, die
zu nichts dienen und zu wenig Wert haben, um den Geist zu beschäfti-
gen; und Sie sollen, wenn Sie in aller Ruhe in Ihren Angelegenheiten
Ordnung gemacht haben, Gott dafür preisen, wenn sie gut gehen; wenn
sie aber nicht so gut gehen, wie Sie wünschen würden, von Ihrer Seite
aber nichts Besseres getan werden kann, dann sollen Sie alles in die
Hände Gottes legen, der am Ende alle Dinge so führt, wie er es für unser
Wohl geeignet erachtet.
Das ist mein bescheidener Rat, Madame, meine gute Mutter. Seien Sie
aus Liebe zu Gott ein wenig mutiger; sagen Sie hundertmal am Tag, aber
von Herzen: „Gott wird uns helfen“, und Sie werden sehen, daß er es tun
wird. Gebieten Sie nur über Ihre Kinder, denn Gott will es.
Ich sende Ihnen zwei Briefe aus Dijon und wünsche Ihnen alle Gna-
den, die Unser Herr seinen treuen Dienerinnen verleiht.
Ich bleibe, meine liebe Frau Mutter, Ihr recht ergebener Sohn ...
Erstens. Wenn wir uns nicht bei ihnen aufhalten, sondern uns nur ihrer
bedienen, um uns aufzufrischen und nachher die uns von Gott auferleg-
ten Aufgaben und Werke beharrlicher erfüllen zu können, dann ist es ein
gutes Zeichen. Denn Gott schenkt sie uns manchmal zu diesem Zweck;
er nimmt Rücksicht auf unsere Schwäche; er sieht, wie schal unser Ge-
schmack an geistigen Dingen geworden ist, und da schenkt er uns ein
wenig Würze, nicht, damit wir jetzt nur die Würze genießen, aber damit
sie uns zum Essen der gewohnten Speisen anrege. Es ist also ein gutes
Zeichen, wenn wir uns nicht bei diesen Gefühlen aufhalten. Wenn uns
dagegen der Böse die Gefühle eingibt, dann will er, daß wir an ihnen
hängen bleiben und unser geistiger Magen, der nur die Würze zu sich
nimmt, dadurch nach und nach geschwächt und verdorben werde.
Zweitens geben uns die guten Empfindungen keinerlei Gedanken des
Stolzes ein, sondern bestärken uns im Gegenteil darin, diese zurückzu-
weisen, falls der Böse die Gelegenheit wahrnimmt, uns solche Gedan-
ken einzugeben. Handeln wir so, dann ist es ein gutes Zeichen. Die Seele
bleibt in ihrem höheren Bereich ganz demütig und ergeben. Sie erkennt,
daß Kaleb und Josua niemals die Trauben vom Land der Verheißung
gebracht hätten, um die Israeliten zu dessen Eroberung anzueifern (Lev
13,21-28), hätten sie nicht gedacht, deren Mut sei schwach und bedürfe
des Antriebes. So wird die Seele in ihrem höheren Bereich ihre Schwä-
che anerkennen, und, statt sich für etwas Besonderes zu halten, sich lie-
bevoll vor ihrem Bräutigam demütigen, der seinen Balsam und Duft
ausgießt, damit die Mädchen und zarten Seelen gleich ihr ihn erkennen,
lieben und ihm folgen (Hld 1,2). Die schlechte Empfindung dagegen
wird uns festhalten und, anstatt uns an unsere Schwäche denken zu las-
sen, uns den Gedanken eingeben, sie sei uns als Entgelt und Belohnung
gegeben.
Das gute Empfinden läßt uns nicht geschwächt zurück, sondern ge-
stärkt, nicht betrübt, sondern getröstet; das schlechte hingegen schenkt
uns anfangs eine gewisse Freudigkeit, läßt uns aber am Ende voller
Ängste zurück. Das gute Empfinden legt uns bei seinem Scheiden nahe,
daß wir die Tugend lieben, wenn es geschwunden ist, ihr dienen und
folgen, denn zu deren Gunsten wurde es uns ja gegeben; das schlechte
aber läßt uns glauben, daß mit ihm auch die Tugend uns verläßt und daß
wir sie daher nicht mehr gut pflegen können. Kurz, das gute Empfinden
wünscht nicht geliebt zu werden, sondern will nur, daß man Ihn liebt,
der es uns schenkt. Es könnte uns wohl Anlaß sein, daß wir es lieben,
aber das sucht es nicht. Das schlechte dagegen will, daß man es vor
I. Soulfour 174 31
allem liebe. Wenn das gute Gefühl uns verläßt, drängt es uns nicht, es
wieder zu suchen oder zu hegen, sondern nur die Tugend, die es in uns
erweckt; das schlechte Gefühl aber bedrängt und beunruhigt uns, es
unablässig wieder zu suchen.
An diesen vier bis fünf Zeichen können Sie erkennen, woher Ihre Ge-
fühle kommen. Wenn sie von Gott kommen, dürfen Sie diese nicht zu-
rückweisen, sondern Sie sollen erkennen, daß Sie noch ein armes kleines
Kind sind und daher Milch von Ihrem Vater entgegennehmen sollen, der
aus Mitleid mit Ihnen auch noch die Stelle der Mutter an Ihnen vertritt.
„Deine Brüste“, sagt der Bräutigam zu seiner Braut (Hld 1,2), „sind
köstlicher als Wein, frisch und duftend nach vorzüglichem Öl und Bal-
sam“. Sie werden mit Wein verglichen, denn sie erfreuen den geistlichen
Magen, regen ihn an und verleihen ihm eine gute Verdauung, während er
ohne diese kleinen Tröstungen zuweilen nicht die Leiden ertragen könn-
te, die er auf sich nehmen muß. Nehmen Sie diese Empfindungen also im
Namen Gottes an, unter der einzigen Bedingung, daß Sie auch bereit
sind, sie nicht anzunehmen, sie nicht zu lieben und sie zurückzuweisen,
wenn Sie auf den Rat Ihrer Oberen gewahr werden, daß sie nicht gut sind
und nicht der Ehre Gottes dienen; ferner, daß Sie auch bereit sind, ohne
sie zu leben, wenn Gott Sie dessen für würdig und fähig erachtet. Ich sage
also: nehmen Sie diese ruhig an, meine sehr liebe Schwester, im Bewußt-
sein Ihres schwachen geistigen Magens, da der Arzt Ihnen Wein zu trin-
ken gibt trotz der Fieberschauer der Unvollkommenheiten, die in Ihnen
sind. Wenn der hl. Paulus seinem Jünger Wein anrät wegen dessen kör-
perlicher Schwäche (1 Tim 5,23), kann ich Ihnen wohl auch geistlichen
Wein gegen die geistliche Schwäche anraten.
Das ist, so scheint es mir, meine hinreichend klare Antwort, der ich
noch hinzufügen will, daß Sie niemals Schwierigkeiten machen sollen,
das anzunehmen, was Gott Ihnen von rechts oder links schickt, wenn Sie
sich so vorbereiten und so ergeben sind, wie ich es soeben gesagt habe.
Sollten Sie auch die Vollkommenste auf Erden sein, dürfen Sie nicht
zurückweisen, was Gott Ihnen gibt, vorausgesetzt, daß Sie bereit seien, es
zurückzuweisen, wenn dies seinem Wohlgefallen entspräche. Gleich-
wohl müssen Sie glauben, wenn Gott Ihnen diese Empfindungen schickt,
daß es Ihrer Unvollkommenheit wegen geschieht. Diese soll bekämpft
werden, nicht aber die Empfindungen, die ihr entgegenwirken.
Bei Ihnen habe ich bloß ein Bedenken deshalb, weil Sie mir sagen,
diese Empfindungen stammten vom Geschöpf. Ich denke aber, daß Sie
sagen wollten, sie kämen Ihnen durch das Geschöpf zu und gleichwohl
32 I. Soulfour 174
von Gott, denn mir scheint, daß Sie im übrigen Brief Beweise hierfür
erbringen. Aber selbst wenn sie vom Geschöpf kämen, wären sie nicht
zurückzuweisen, da sie doch zu Gott hinführen oder man sie zumindest
dorthin führt. Man muß sich nur davor hüten, sich täuschen zu lassen,
nach den allgemeinen Regeln vom Gebrauch der Geschöpfe.
Ich will Ihnen nun sagen, was ich Ihnen versprochen hatte. Mir scheint,
ich sehe Ihre Seele mit großer Unruhe übereifrig auf der Suche nach
Vollkommenheit; denn das eben läßt Sie diese kleinen Tröstungen und
Gefühle fürchten. In Wahrheit sage ich Ihnen aber, wie im Buch der
Könige geschrieben steht (1 Kön 19,11.12): „Gott ist nicht im Sturm,
nicht in der Aufregung, nicht im Feuerqualm, sondern in eben diesem
milden und ruhigen, beinahe unmerklichen Windhauch.“ Lassen Sie
sich von Gott lenken, denken Sie nicht so viel an sich selbst. Wenn Sie
wünschen, daß ich Ihnen etwas befehle, da Ihre Frau Meisterin es will,
werde ich es gern tun und befehle Ihnen als erstes, daß Sie bei Ihrem
allgemeinen und allumfassenden Entschluß, Gott auf die Ihnen best-
mögliche Art zu dienen, jetzt nicht Ihre Zeit damit vertun, genau über-
prüfen und herausklauben zu wollen, welches die beste Art sei. Denn
dies ist eine Ihrem spitzfindigen und scharfen Geist eigentümliche
Ungehörigkeit, die Ihren Willen tyrannisieren und benörgeln will mit
Hinterlist und Schläue.
Sie wissen, Gott will im allgemeinen, daß wir ihm dienen, indem wir
ihn über alles lieben und unseren Nächsten wie uns selbst (Mt 22,37-40);
im besonderen will er nur, daß Sie eine Regel einhalten. Das genügt; man
muß es schlicht tun ohne Tüftelei und Spitzfindigkeit, alles nach Art
dieser Welt, in der nicht die Vollkommenheit herrscht; auf menschliche
Art und der Zeit entsprechend, in der Erwartung, es eines Tages auf
göttliche und engelhafte Art der Ewigkeit entsprechend tun zu können.
Überhastung und aufgeregtes Hin und Her dienen zu nichts; die Sehn-
sucht danach ist wohl gut, aber sie soll ohne Unruhe gehegt werden.
Eben diese Überhastung verbiete ich Ihnen ausdrücklich, weil sie die
Mutter aller anderen Unvollkommenheiten ist.
Prüfen Sie also nicht so sorgsam, ob Sie in der Vollkommenheit ste-
hen oder nicht. Und dies aus zwei Gründen: 1. weil es sinnlos ist, uns
darüber zu prüfen. Selbst wenn wir die Vollkommensten auf der Welt
wären, dürften wir es niemals wissen und erkennen, sondern uns immer
für unvollkommen erachten. Unsere Gewissenserforschung soll nie-
mals darauf abzielen, erkennen zu wollen, ob wir unvollkommen sind,
denn daran dürfen wir niemals zweifeln. Daher dürfen wir nicht er-
I. Soulfour 174 33
tapfer darauf los, tollen herum und geraten über kleines Stolpern, das
von der Schwäche ihrer Füßchen herrührt, nicht außer sich. So gehen
auch Sie tapfer Ihren Weg; Sie wissen, daß Gott Sie hält durch den guten
Willen und Entschluß, den er Ihnen eingegeben hat, ihm zu dienen.
Wundern Sie sich nicht über diese kleinen Erschütterungen und Stolpe-
reien; Sie dürfen sich nicht darüber ärgern, vorausgesetzt, daß Sie sich
von Zeit zu Zeit in seine Arme werfen und ihn liebevoll umarmen (Hld
1,1). Gehen Sie Ihren Weg fröhlich und mit möglichst aufgeschlossenem
Herzen; und wenn Sie schon nicht immer fröhlich gehen, so tun Sie es
doch immer mutig und vertrauensvoll. Fliehen Sie nicht die Gesellschaft
der Schwestern, auch wenn sie nicht nach Ihrem Geschmack sind; flie-
hen Sie vielmehr Ihren Geschmack, wenn er dem Verhalten der Schwes-
tern nicht entspricht. Lieben Sie die heilige Tugend der Duldsamkeit und
heiligen Nachgiebigkeit, denn nur so, sagt der hl. Paulus (Gal 6,2), wer-
det ihr das Gesetz Jesu Christi erfüllen.
Schließlich hat Gott Ihnen einen zeitlichen Vater gegeben,6 von dem
Sie viel geistliche Freude empfangen können; nehmen Sie seine Rat-
schläge entgegen, als ob sie von Gott kämen, denn Gott wird Ihnen viel
Segen durch seine Vermittlung schenken. Er hat mir seine Übersetzung
der „Institutio“ von Blosius geschickt; ich habe sie bei Tisch vorlesen
lassen und über alle Maßen genossen; bitte, lesen und verkosten Sie die-
ses Buch, das sehr wertvoll ist.
Wenn Ihnen im übrigen Zweifel an dem Leben kommen, das Sie zu
führen auf sich genommen haben, möchte ich Ihnen raten, nicht deren
Lösung von mir zu erwarten, denn ich bin zu weit von Ihnen entfernt, um
Ihnen beistehen zu können. Es würde Sie auch verdrießen, warten zu
müssen. Sie haben genug Priester, die Ihnen helfen können; wenden Sie
sich voll Vertrauen an diese. Das soll nicht heißen, daß ich von Ihnen
keine Briefe zu erhalten wünsche, im Gegenteil, sie erfreuen mich und
ich wünsche sie mir, und sogar mit allen Einzelheiten über alle Regun-
gen Ihres Geistes. Die Länge dieses Briefes zeigt Ihnen deutlich, daß ich
nicht müde werde, Ihnen zu schreiben. Aber ich will nur nicht, daß Sie
Zeit verlieren und, während Sie Hilfe von so weither erwarten, inzwi-
schen vom bösen Feind geschlagen und geschädigt werden.
Und zweifeln Sie nicht, daß Sie an meinen Meßopfern ständig teilha-
ben. Alle Tage bringe ich Sie mit dem Gottessohn am Altar dar; ich
hoffe, daß Gott es gütig entgegennehmen wird. Versichern Sie das glei-
che der Schwester Anne Seguier, meiner sehr lieben Tochter in Jesus
Christus, und Ihrer Frau Novizenmeisterin; ich habe deren Grüße dem
I. Soulfour 181 35
guten Herrn Nouvelet ausgerichtet, er freute sich sehr darüber. Wenn Sie
die große Menge der Aufgaben kennten, die auf mir lasten, und den Wir-
bel, in dem ich mich in diesem Amt befinde, hätten Sie Mitleid mit mir
und würden manchmal zu Gott für mich beten, und Ihr Gebet würde
ihm sicher genehm sein.
Ich bitte Sie darum und die Schwester Anne Seguier; sagen Sie oft zu
Gott wie der Psalmist (Ps 119,94): „Ich bin dein, errette mich“, und wie
Magdalena zu seinen Füßen (Joh 20,16): „Rabbuni, o mein Meister!“,
und dann lassen Sie ihn handeln. Er wird aus Ihnen, in Ihnen, ohne Sie
und dennoch durch Sie und für Sie die Heiligung seines Namens bewir-
ken, dem alle Ehre und aller Ruhm gebühren.
Ihr Ihnen liebevoll zugetaner und demütiger Diener in Jesus Christus.
chung, die der vorher besprochenen gleichzusetzen ist; sie ist sogar die
alles umfassende, von der die andere nur ein Teil ist. Eine Vielfalt von
Speisen belastet immer den Magen, wenn es sich um große Mengen han-
delt; ist dieser aber schwach, richtet sie ihn zugrunde. Wenn eine Seele
die Begierlichkeit aufgegeben und sich freigemacht hat von schlechten
und weltlichen Zuneigungen und nun geistlichen und heiligen Dingen
begegnet, wird sie – weil völlig ausgehungert – von soviel Wünschen
erfüllt und zwar mit solcher Heftigkeit, daß sie davon überwältigt wird.
Bitten Sie Unseren Herrn und die geistlichen Väter Ihrer Umgebung um
Abhilfe; denn jene, die Ihr Übel gleichsam mit den Händen greifen kön-
nen, werden wohl wissen, welche Mittel man dagegen anwenden muß.
Dennoch will ich Ihnen ganz offen sagen, was mir in dieser Hinsicht das
Richtige zu sein scheint.
Wenn Sie nicht beginnen, einige dieser Wünsche auszuführen, werden
sie immer zahlreicher werden und sich mit Ihrem Geist derart verwickeln,
daß Sie nicht mehr wissen werden, wie Sie davon herausfinden können. Es
muß zu Taten kommen. Aber in welcher Reihenfolge? Man muß mit greif-
baren und äußerlichen Taten beginnen, die am meisten in unserer Macht
liegen; z. B. dürfen Sie den Wunsch nicht zurückstellen, den Kranken aus
Liebe zu unserem Heiland zu dienen oder aus Demut irgendwelche nied-
rige und verachtete Dienste im Haus zu leisten; das sind grundlegende
Wünsche und ohne diese sind alle anderen verdächtig und gering zu schät-
zen. Bemühen Sie sich also sehr, diese Wünsche in die Tat umzusetzen,
denn es wird Ihnen hierfür weder an Gelegenheit noch an entsprechenden
Gegenständen fehlen. Das liegt gänzlich in Ihrer Macht und daher müssen
Sie dies auch ausführen; denn Sie machen ganz vergeblich Pläne, Dinge
durchzuführen, die nicht in Ihrer Macht liegen oder weit entfernt sind,
wenn Sie jene nicht durchführen, die Ihnen zu Gebote stehen. Verwirkli-
chen Sie daher gewissenhaft die kleinen und größeren Wünsche nach Näch-
stenliebe, Demut und anderen Tugenden und Sie werden sehen, wie Ihnen
das gut tut. Magdalena mußte zuerst die Füße Unseres Herrn waschen,
küssen und abtrocknen (Lk 7,37.38), bevor sie dem Geheimnis seiner
Rede von Herz zu Herz lauschen konnte (Lk 10,39); und sie mußte erst
Salböl über seinen Leib gießen, bevor sie den Balsam ihrer Betrachtungen
über seine Gottheit verbreiten durfte.
Es ist gut, viel zu wünschen; aber man muß Ordnung in seine Wünsche
hineinbringen und sie in die Tat umsetzen, jeden zu seiner Zeit und nach
seinem Können. Man hindert Weinstöcke und Bäume daran, Blätter zu
treiben, damit deren Feuchtigkeit und Saft nachher ausreiche, um Frucht
I. Soulfour 181 37
in Jesus Christus von Herzen lieb habe. Gott möge ihr Beschützer sein
bei ihrem Austritt. Ich lege sie Ihnen ans Herz, wenn sie bei ihrem Vater
sein wird, denn sie wird nicht anderswo sein. Sie wird vielleicht bei ih-
rem Vater nicht ein anderes Kloster finden, wie Sie es bei dem Ihren
gefunden haben; dennoch hoffe ich, daß Gott sie seinen Weg führen und
vollkommen werden läßt (Gen 17,1), denn ich habe Vertrauen auf die
Barmherzigkeit Gottes, die auch daraus alles zum Besseren werden läßt.
Ich schließe den Brief und bitte Sie, fortzufahren in dem Entschluß,
den Sie in der Mitte Ihres Briefes gefaßt haben, als Sie sagten: „Ich be-
teuere vor Gott und vor Ihnen, daß ich nur ihm gehören und nur ihm
dienen will. Amen.“ Das ist würdig und gerecht, denn auch er will von
Ihnen nur Sie selbst. Ich bin unbeirrbar und von ganzem Herzen, gnädi-
ges Fräulein, meine sehr liebe Tochter in Jesus Christus, Ihr Ihnen sehr
zugetaner Diener in eben diesem Heiland.
diese Vorbereitung ist gewöhnlich größer als die Welt, als unsere Kräfte,
als unsere äußeren Handlungen.
Ein Geist, der die Größe Gottes, seine unermeßliche Güte und Würde
betrachtet, kann sich nicht an seinen eigenen großen und wunderbaren
Vorbereitungen berauschen. Er bereitet ihm ein ohne Auflehnung abge-
tötetes Fleisch vor, Aufmerksamkeit im Gebet ohne Zerstreuung, Lie-
benswürdigkeit im Umgang ohne Bitterkeit, Demut ohne Eitelkeitsre-
gungen. All das ist recht gut, es sind gute Vorbereitungen; dennoch be-
darf es mehr, um Gott entsprechend unserer Schuldigkeit zu dienen.
Aber darüber hinaus müssen wir sehen, wer es tut; denn wenn es ans
Handeln geht, bleiben wir stecken und sehen, daß diese Vollkommen-
heiten in uns nicht so groß und absolut sein können. Man kann sein
Fleisch abtöten, aber nie so vollständig, daß sich nicht irgendetwas in
uns dagegen auflehnen würde; unsere Andacht wird oft von Zerstreuun-
gen abgelenkt werden, und noch manches andere.
Sollen wir deshalb nun in Unruhe oder Verwirrung geraten, hastig wer-
den oder uns betrüben? Nein, gewiß nicht. Bedürfen wir als Ansporn, zu
diesem Anzeichen der Vollkommenheit zu gelangen, einer Menge von
Wünschen? Nein, wahrlich nicht. Wir können wohl einfache Wünsche
hegen, die unsere Dankbarkeit bezeugen; ich kann schon sagen: „Ach,
warum bin ich nicht so eiferglühend wie die Serafim, um meinem Gott
besser zu dienen und ihn besser zu preisen!“ Aber ich darf mich auf solche
Wünsche nicht versteifen, als ob ich in dieser Welt eine solch erlesene
Vollkommenheit erreichen sollte, indem ich sage: „Das wünsche ich, das
will ich versuchen, und wenn ich es nicht zustande bringe, werde ich mich
ärgern.“ Ich will damit nicht sagen, daß wir uns nicht auf den Weg nach
diesem Ziel machen sollen; aber wir dürfen nicht trachten, eines Tages,
d.h. an einem Tag unseres sterblichen Lebens dahin zu gelangen, denn ein
solcher Wunsch würde uns quälen und für nichts und wieder nichts. Um
gut weiterzukommen, müssen wir den Weg einschlagen, der uns am näch-
sten liegt, und die erste Tagesreise einmal in Angriff nehmen, nicht uns mit
Wünschen aufhalten, die letzte Tagesreise hinter uns zu bringen, während
wir die erste zurücklegen und erledigen müssen.
Ich will Ihnen etwas sagen, aber behalten Sie es gut: Wir bemühen uns
manchmal so sehr, gute Engel zu werden, daß wir es unterlassen, gute
Männer und Frauen zu sein. Unsere Unvollkommenheit muß uns bis
zum Grab begleiten. Wir können nicht gehen, ohne die Erde zu berüh-
ren; wir dürfen uns nicht auf die Erde hinlegen oder uns dort wälzen,
aber wir dürfen auch nicht ans Fliegen denken; denn wir sind erst kleine
I. Soulfour 190 41
Kücken, die noch keine Flügel haben. Wir sterben kleinweise ab; wir
müssen auch unsere Unvollkommenheiten Tag für Tag mit uns sterben
lassen. Teure Unvollkommenheiten, die uns unser Elend erkennen las-
sen, die uns in der Verachtung unser selbst, in der Demut, Geduld und im
Eifer üben, ungeachtet derer Gott die Bereitschaft unseres Herzens sieht,
die vollkommen ist.
Ich weiß nicht, ob es Ihnen gelegen scheint; es ist mir aber in den Sinn
gekommen, Ihnen das zu sagen, da ich der Meinung bin, daß Ihr über-
standenes Übel Ihnen zum Teil deshalb zugestoßen ist, weil Sie große
Vorbereitungen getroffen haben; und da Sie sahen, daß die Auswirkun-
gen recht klein und die Kräfte ungenügend waren, um diese Wünsche,
Pläne und Ideen in die Tat umzusetzen, empfanden Sie solch herzbe-
klemmende Gefühle, Ungeduld, Unruhe und Verwirrung; und diesen
folgten dann Mißtrauen, Erschlaffung, Erniedrigung oder Versagen des
Herzens. Wenn dies nun so ist, seien Sie nun im nachhinein recht vor-
sichtig.
Gehen wir hübsch auf dem Land, da die hohe See uns Schwindel im
Kopf und Übelkeit verursacht. Halten wir uns zu Füßen unseres Heilands
mit der hl. Magdalena (Lk 10,39), deren Fest wir heute feiern; üben wir
gewisse, unserer eigenen Kleinheit entsprechende kleine Tugenden. Las-
sen wir uns nicht in Dinge ein, die über unser Vermögen gehen. Diese
kleinen Tugenden werden mehr im Herabsteigen als im Emporsteigen
geübt und sind daher der Kraft unserer Beine angepaßt: Geduld haben,
den Nächsten ertragen, Hilfsbereitschaft, Demut, ein freundlicher Mut,
Liebenswürdigkeit, Duldsamkeit unserer eigenen Unvollkommenheit ge-
genüber, solche kleine Tugenden also. Ich sage damit nicht, daß man im
Gebet nicht emporsteigen soll, aber Schritt für Schritt.
Ich empfehle Ihnen die heilige Einfachheit. Schauen Sie auf den Weg
vor sich und nicht auf die in weiter Ferne drohenden Gefahren, wie Sie
mir geschrieben haben. Es scheinen Ihnen ganze Armeen zu sein; es sind
doch nur zugestutzte Weiden. Während Sie auf sie schauen, könnten Sie
leicht einen Fehltritt tun. Wir wollen nur die feste und allgemeine Ab-
sicht haben, Gott von ganzem Herzen und mit unserem ganzen Leben zu
dienen.
Haben Sie doch keine Sorge um das Morgen (Mt 6,34); denken wir nur
daran, das Heute gut zu machen; und wenn der morgige Tag kommt,
heißt auch er wieder heute und dann werden wir an ihn denken. Auch
darin müssen wir großes Vertrauen und große Hingabe an die Vorsehung
Gottes haben. Wir sollen Vorräte an Manna nur für einen Tag und nicht
42 I. Limojon 291
für länger anlegen (Ex 16,16-21); und zweifeln wir doch nicht daran,
Gott wird morgen und übermorgen und alle Tage unserer irdischen Wan-
derschaft neues Manna regnen lassen.
Ich billige durchaus den Rat des Pater N., daß Sie einen Seelenführer
haben sollen, in dessen Hände Sie in aller Ruhe Ihren Geist bergen kön-
nen. Das wird Ihr Glück sein, wenn Sie nichts anderes haben als den
gütigen Jesus, der nicht will, daß wir die Führung seiner Diener gering-
achten, wenn wir sie haben können, der uns aber auch alles ersetzen wird,
wenn sie uns fehlt. Aber nur in diesem äußersten Fall, wenn es für Sie
eintreten sollte, werden Sie dies in Erfahrung bringen.
Was ich Ihnen schrieb, soll Sie nicht abhalten, sich mir brieflich mit-
zuteilen und mir von Ihrer Seele zu schreiben, die mir teuer und lieb ist,
wohl aber soll es den Überschwang Ihres Vertrauens zu mir dämpfen, da
ich doch durch mein Unvermögen und Ihr Fernsein Ihnen nur recht
wenig von Nutzen sein kann, wenn ich Ihnen auch in Jesus Christus sehr
zugetan und zugeneigt bin. Schreiben Sie mir also voll Vertrauen und
zweifeln Sie nie daran, daß ich Ihnen treu antworten werde. Das Ge-
wünschte habe ich zuunterst in den Brief hineingelegt, damit es nur für
Sie allein bestimmt sei.
Beten Sie bitte recht für mich; Sie können nicht glauben, wie sehr
bedrängt und erdrückt ich bin unter diesem so großen und schwierigen
Amt. Sie schulden mir diesen Liebesdienst entsprechend den Regeln
unseres Bündnisses und weil ich meinerseits stets Ihrer vor dem Altar
und in meinen schwachen Gebeten gedenke. Gepriesen sei Unser Herr.
Ich flehe ihn an, daß er Ihr Herz, Ihre Seele, Ihr Leben sei, und bin Ihr
Diener.
daß man die Weinstöcke nicht mit Beilen ausästet, sondern sie behut-
sam, Rebe um Rebe, mit dem Gartenmesser zurückschneidet? Ich habe
einst ein Bildwerk gesehen, an dem der Meister zehn Jahre lang gearbei-
tet hat, bevor es vollendet war, und er hat nie aufgehört, mit Meißel und
Stichel kleinweise alles von ihm wegzunehmen, was die richtige Propor-
tion störte. Nein, es ist zweifellos nicht möglich, an einem Tag dahin zu
kommen, wonach Sie streben: Sie müssen erst einmal diesen Punkt er-
reichen, morgen einen anderen. Nur Schritt für Schritt können wir Herr
über uns selbst werden, was keine kleine Eroberung ist.
Ich bitte Sie, fahren Sie mutig und ehrlich in diesem heiligen Bestreben
fort, von dem aller Trost in Ihrer Sterbestunde, alle wahre Schönheit des
gegenwärtigen und alle Sicherheit des künftigen Lebens abhängt. Ich weiß,
das Unterfangen ist groß, größer aber der Lohn. Es gibt nichts, das eine
hochherzige, entschlossene Seele nicht mit Hilfe des Beistandes ihres
Schöpfers tun könnte (Phil 4,13). Und, mein Gott, wie glücklich werden
Sie sein, wenn Sie sich mitten in der Welt Jesus Christus in Ihrem Herzen
bewahren! Ich flehe ihn an, er möge darin auf ewig leben und herrschen.
Denken Sie an seine Hauptlehre, die er uns in drei Worten hinterlassen
hat, damit wir sie niemals vergessen und hundertmal am Tag wiederho-
len können: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von
Herzen“ (Mt 11,29). Das ist eigentlich alles, ein sanftmütiges Herz sei-
nem Nächsten gegenüber und ein demütiges Herz Gott gegenüber zu
haben. Schenken Sie jeden Augenblick dieses Herz unserem Heiland,
lassen Sie dies das Herz Ihres Herzens sein. Dann werden Sie sehen, in
dem Maße, als dieser heilige und zartfühlende Liebende in Ihrem Geist
Raum gewinnt, wird die Welt, ihre Eitelkeit und Überflüssigkeit daraus
verschwinden.
Ich habe es Ihnen schon gesagt, gnädige Frau, und ich schreibe es Ihnen
nun: ich will keine fantastische, mürrische, melancholische, verärgerte
und kopfhängerische Frömmigkeit; wohl aber eine sanftmütige, freundli-
che, angenehme, friedliche – mit einem Wort eine ganz aufrichtige Fröm-
migkeit, die von Gott zuerst und dann von den Menschen geliebt wird.
Das ist schon zuviel für dieses Mal und bei der geringen Zeit, die ich
habe. Ich muß Ihnen nur noch eine Frage beantworten, nämlich, wie Sie
mir in Hinkunft schreiben sollen. Wissen Sie wie, gnädige Frau? Schrei-
ben Sie mir ganz frei, aufrichtig und unbefangen. Ich brauche Ihnen
darüber nichts anderes sagen, als daß Sie am Briefanfang kein Monsei-
gneur setzen sollen, weder abgekürzt, noch anderswie; es genügt, Herr ...
voranzusetzen. Das hat seinen Grund. Ich bin kein Mensch des Zeremo-
44 I. Limojon 302
niells und ich liebe und achte Sie von ganzem Herzen aus vielerlei Grün-
den, vor allem aber, weil ich hoffe, daß der Herr Sie ganz für sich haben
will. Seien Sie die Seine, gnädige Frau, seien Sie es, bitte. Halten Sie fest
und erinnern Sie sich, was ich Ihnen gesagt habe: bringen Sie jeden Au-
genblick Ihr Herz Gott dar, schenken Sie es ihm, sehnen Sie sich nach
ihm, machen Sie Ihre Frömmigkeit den anderen, vor allem aber Ihrem
Herrn Gemahl anziehend und leben Sie freudig deshalb, weil Sie diese
Lebensweise eingeschlagen haben.
Ich bitte Gott immerdar, er möge Sie mit seiner heiligen Hand halten;
erweisen Sie mir den gleichen Liebesdienst und verrichten Sie einige
kurze Gebete zu Füßen des Kreuzes für meine Seele, die ganz dem Dienst
der Ihren und allem gewidmet ist, was ihnen am teuersten ist. Ich bin,
gnädige Frau ...
AN UNBEKANNTE.
stungen in Ihnen mehren und Sie mit den Gnaden überhäufen, die ich
Ihnen wünsche, verehrte Frau Tante, als Ihr demütiger Neffe und Ihnen
liebevoll ergebener Diener.
Sie können; können Sie dies nicht, dann bleiben Sie dort, lassen Sie sich
sehen und bekümmern Sie sich nicht um etwas anderes. Das ist mein
Rat; ich weiß nicht, ob er gut sein wird, aber das macht mir keine Sorge,
denn Sie befinden sich, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, an einem Ort,
wo Ihnen viel bessere Ratschläge nicht fehlen können.
Was Ihre Befürchtung betrifft, Ihr Vater könnte Sie dadurch vom
Wunsch abbringen, Karmelitin zu werden, daß er die Erfüllung Ihres
Wunsches zu weit hinausschiebt, so sagen Sie nur zu Gott: Herr, all mein
Sehnen liegt vor Dir! (Ps 38,10), und lassen Sie ihn handeln. Er wird das
Herz Ihres Vaters in seine Hände nehmen und zu seiner Ehre und Ihrem
Nutzen wenden. Hegen Sie indessen Ihren guten Wunsch weiter und
lassen Sie ihn unter der Asche der Demut und Ergebenheit in Gottes
Willen weiter leben.
Meine Gebete, um die Sie mich bitten, fehlen Ihnen nicht, denn ich
könnte Sie gar nicht vergessen, vor allem nicht bei der heiligen Messe.
Ich vertraue auf Ihre Liebe, daß auch Sie mich in Ihren Gebeten nicht
vergessen ...
Erlauben Sie mir, verehrter Herr, daß ich meiner Feder – meinen Ge-
danken folgend – freien Lauf lasse, um Ihren Brief zu beantworten. Ich
habe wahrhaftig in Herrn von Bourges8 eine so unbefangene Güte des
Geistes wie des Herzens erkannt, daß es mir leicht war, mit ihm die
Pflichten unseres gemeinsamen Berufes zu besprechen und zwar in aller
Offenheit. Da ich nun darauf zurückblickte, wußte ich nicht, wer mehr
Einfachheit gezeigt hatte, er im Zuhören oder ich im Sprechen.
Verehrter Herr, die auf Jesus Christus gegründeten Freundschaften sind
nicht weniger ehrfurchtsvoll, wenn sie recht einfach und schlicht sind.
Wir haben, der eine mit dem anderen, viele Sachen erledigt; unser
Wunsch, Gott und seiner Kirche zu dienen, – denn ich bekenne mich zu
diesem Wunsch und er könnte es nicht verheimlichen, daß er davon er-
füllt ist – hat sich, so scheint es mir, durch diese Begegnung vertieft und
belebt.
Sie wollen aber, verehrter Herr, daß ich diese Unterredung über die-
sen Gegenstand brieflich fortsetze. Ich versichere Ihnen, daß ich – selbst
wenn ich wollte – mich dessen nicht enthalten könnte. In der Tat schicke
ich ihm einen Brief von vier Blättern ausschließlich über diese Fragen.
Nein, verehrter Herr, ich will nicht mehr in Erwägung ziehen, was ich
geringer bin als er, noch was er mehr ist als ich, und in so vieler Weise.
„Amor aequat amantes“, die Liebe macht jene gleich, die einander lie-
ben. Ich spreche zu ihm in aller Treue und mit allem Vertrauen, das
meine Seele zu einer anderen Seele haben kann, die ich zu den offensten,
geradesten und stärksten in der Freundschaft zähle. Und was Frau von
Chantal betrifft, würde ich lieber nichts als zu wenig über meinen Wunsch
nach deren ewigem Wohl sagen. Hat Ihnen der Herr Präsident der Fi-
nanzkammer, Ihr guter Bruder, nicht auch gesagt, daß er mich recht lieb
hat? Zumindest sage ich Ihnen schon, daß ich mich dessen ganz sicher
weiß. Sogar der kleine Celse-Bénigne und Ihre Aimée9 kennen mich und
haben mir in Ihrem Haus kleine Liebesbezeugungen erwiesen. Sehen
Sie, mein Herr, wie sehr ich der Ihre bin und durch wieviele Bande! Ich
mißbrauche Ihre Güte, wenn ich auf so unfeine Art meine Zuneigung
offenbare; wer aber, verehrter Herr, meine Freundschaft herausfordert,
der muß wohl fest stehen, denn ich verschone ihn nicht.
Ich muß daher auch gehorchen, wenn Sie mir befehlen, Ihnen die wich-
tigsten Ihrer Pflichten zu schreiben. Ich gehorche lieber auf Kosten der
Zurückhaltung, als daß ich zurückhaltend bin auf Kosten des Gehor-
sams. Und dieser Gehorsam fällt mir wirklich ein wenig schwer; aber
Sie werden ganz richtig urteilen, daß er dafür um so mehr Wert hat. Sie
I. Bénigne Frémyot 230 51
überbieten sich an Demut, wenn Sie diese Bitte an mich richten. Warum
soll es mir da nicht erlaubt sein, mich an Einfachheit im Gehorsam zu
überbieten?
Verehrter Herr, ich weiß, daß Sie ein langes und höchst ehrbares Leben
geführt haben und immer treu zur heiligen katholischen Kirche gestanden
sind; aber schließlich war dies in der Welt und in der Handhabung weltli-
cher Geschäfte. Erfahrung und Schriftsteller bezeugen aber etwas Seltsa-
mes: ein Pferd, mag es noch so beherzt und stark sein, erstarrt, wenn es auf
die Fährte und Spur eines Wolfes trifft, und kommt aus dem Schritt. So
geht es auch uns: wenn wir in der Welt leben, – auch wenn wir sie nur mit
den Füßen berühren – ist es uns nicht möglich, von ihrem Staub nicht
beschmutzt zu werden. Unsere Vorväter, Abraham und die anderen boten
gewöhnlich ihren Gästen an, ihre Füße zu waschen (Gen 18,4); ich meine,
verehrter Herr, daß wir als erstes viele Anhänglichkeiten von unserer See-
le wegwaschen müssen, um den gastlichen Empfang unseres guten Gottes
in seinem Paradies erlangen zu können.
Es scheint mir immer, man müßte den Sterblichen bittere Vorwürfe
machen, wenn sie sterben, ohne daran gedacht zu haben; umso mehr
aber jenen, die unser Herr durch das „Geschenk des Alters“ begünstigt
hat. Jene, die sich rüsten, bevor Alarm gegeben wurde, sind immer bes-
ser daran als die anderen, die vor Entsetzen durcheinanderlaufen und
nach Panzer, Harnisch und Helm suchen. Wir müssen in aller Ruhe
Abschied von der Welt nehmen und nach und nach unsere Anhänglich-
keiten an Geschöpfe abgeben.
Vom Wind entwurzelte Bäume eignen sich nicht für das Versetztwer-
den, weil sie ihre Wurzeln in der Erde ließen; wer sie in eine andere Erde
umsetzen will, muß geschickt nach und nach alle Wurzeln, eine nach der
anderen, lösen. Und da wir von dieser armseligen Erde versetzt werden
sollen in jene der Lebenden (Ps 27,13), müssen wir alle Anhänglichkei-
ten, eine nach der anderen, von dieser Welt abziehen und lösen. Ich sage
damit nicht, daß wir alle Bindungen roh zerschlagen müssen, die wir
dort eingegangen sind. Es bedürfte wohl großer Anstrengungen dazu;
aber wir müssen sie lockern und lösen. Wer plötzlich abreisen muß, ist
entschuldbar, wenn er von seinen Freunden nicht Abschied genommen
hat und in einem schlechten Fahrzeug reisen muß, nicht aber jene, die
den ungefähren Zeitpunkt ihrer Abreise gewußt haben. Wir müssen uns
bereit halten (Mt 24,44), nicht, um vor der Zeit fortzugehen, sondern um
diese mit umso größerer Ruhe zu erwarten.
Zu diesem Zweck glaube ich, verehrter Herr, daß Sie außerordentli-
52 I. Bénigne Frémyot 230
chen Trost darin finden werden, jeden Tag eine Stunde zu wählen, um vor
Gott und Ihrem Schutzengel nachzudenken, was Sie für eine glückselige
Heimkehr notwendig haben. Was ist an Ihren Angelegenheiten zu ord-
nen, falls dies bald der Fall sein müßte? Ich weiß, daß diese Gedanken
Ihnen nicht neu sein werden; die Art aber, wie Sie diese fassen, soll neu
sein. Es soll in Gottes Gegenwart geschehen. Es soll eine ruhige Auf-
merksamkeit sein, die mehr das Gemüt ergreift, als den Verstand auf-
klärt.
Der hl. Hieronymus hat mehr als einmal die Geschichte von der Schu-
nemitin Abischag auf die Weisheit alter Menschen bezogen: da sie an der
Seite Davids schlief, nicht aus Wollust, sondern nur um ihn zu wärmen
(1 Kön 1-4). Philosophische Weisheit und Denkkraft sind oft bei jungen
Leuten zu finden, die damit ihren Geist beschäftigen, ohne in ihrem
Gemüt irgendeine gute Regung hervorzurufen. In den Händen der Alten
aber soll diese Weisheit nur dazu dienen, ihnen die wahre Wärme der
Frömmigkeit zu schenken. – Ich habe Ihre schöne Bibliothek gesehen
und genossen: für Ihre geistliche Lesung in dieser Hinsicht nenne ich
Ihnen den hl. Ambrosius, „De bono mortis“, den hl. Bernhard, „De in-
teriori domo“, und einige Homilien des hl. Chrysostomus.
Ihr hl. Bernhard sagt, daß die Seele, die zu Gott gehen will, zuerst die
Füße des Kruzifixes küssen, ihre Affekte läutern und entschlossen sein
soll, sich bewußt nach und nach von der Welt und ihren Eitelkeiten zu-
rückzuziehen; dann soll sie seine Hände küssen durch neue Taten als
Folge der Änderung ihrer Affekte und schließlich soll sie ihn auf den
Mund küssen, indem sie sich mit heißer Liebe mit dieser höchsten Güte
vereint. Das ist echtes, allmähliches sich ehrlich Zurückziehen.
Man sagt, daß Alexander der Große, auf hoher See segelnd, als Erster
und Einziger das glückliche Arabien am Duft der aromatischen Hölzer
entdeckte; daher sah auch er als Einziger damit sein Ziel. So haben auch
jene, die auf das ewige Land hinstreben, wenn sie auch auf der hohen See
weltlicher Geschäfte dahinkreuzen, eine gewisse Vorahnung des Him-
mels, die sie wunderbar belebt und ermutigt; aber man muß vorne stehen
und den Blick auf diese Richtung lenken.
Wir sind Gott, dem Vaterland, den Verwandten und Freunden ver-
pflichtet. Gott zuerst, dann dem Vaterland; dem himmlischen Vaterland
aber zuerst, dann dem irdischen; danach unseren nahen Verwandten;
aber „niemand ist dir so nahe wie du selbst“, sagt unser christlicher Sene-
ca, der hl. Bernhard. Und schließlich unseren Freunden; aber sind Sie
nicht der Erste der Ihrigen? Ich bemerke, daß der hl. Paulus seinem
I. Clément 376 53
Timotheus sagte (1 Tim 4,16; Apg. 20,28): „Achte nur auf dich und die
Herde.“ Er sagt zuerst „auf dich“ und dann „auf die Herde“.
Das ist nun wohl genug, verehrter Herr, wenn nicht zuviel für dieses
Jahr, das entflieht und vor uns entschwindet und uns in diesen nächsten
zwei Monaten die Eitelkeit seiner Dauer sehen lassen wird, wie es alle
vorangegangenen taten, die nicht mehr da sind. Sie haben von mir ver-
langt, daß ich Ihnen alle Jahre etwas Derartiges schreibe: für dieses Jahr
nun habe ich Ihren Wunsch erfüllt und bitte Sie hiermit, möglichst vie-
len Ihrer weltlichen Neigungen zu entsagen und sie in dem Maße, als sie
diese ausreißen, in den Himmel zu verpflanzen. Und verzeihen Sie mir,
– ich beschwöre Sie bei Ihrer eigenen Demut – wenn meine Offenheit so
zügellos war, um Ihnen zu gehorchen, daß ich so lang und freimütig auf
ein einfaches Gebot hin schrieb, wo ich mir doch Ihrer überaus großen
Tugendhaftigkeit voll bewußt bin, die mich entweder zum Schweigen
oder zu einer stark begrenzten Mäßigung zwingen sollte. Hier sind die
Wasser des Heils, verehrter Herr; mögen sie auch den Kinnbacken eines
Esels entspringen, wird Simson doch davon trinken (Ri 15,19).
Ich bitte Gott, er möge Ihre Jahre mit seinem Segen überhäufen. Ich
bin voll kindlicher Zuneigung, verehrter Herr, Ihr recht demütiger und
gehorsamer Diener.
AN FRÄULEIN CLÉMENT
Gott prüft manchmal unseren Mut und unsere Liebe, indem er uns der
Dinge beraubt, die uns für die Seele recht gut zu sein scheinen und es
auch sind. Wenn er uns im Streben nach diesen eifrig sieht und dennoch
demütig, ruhig und ergeben, falls wir das angestrebte Ziel nicht errei-
chen und darauf verzichten müssen, wird er uns dann seinen Segen reich-
licher schenken bei diesem Verzicht, als er ihn uns gäbe durch den Besitz
des angestrebten Standes. Gott liebt in allem und überall jene, die gern
und einfach bei allen Gelegenheiten und Gegebenheiten ihm sagen kön-
nen: „Dein Wille geschehe“ (Mt 6,10).
Kümmernisse ebenso wie Ihre Freuden keiner Seele mitteilen, die Ihnen
gegenüber aufrichtiger und mehr Ihnen zugeneigt wäre als die meine;
und zweifeln Sie nie daran, daß ich ganz treu das Geheimnis wahre, an
das mich, über das allgemeine Gesetz hinaus, unlösbar das Vertrauen
bindet, das Sie in mich setzen. Ich will die Sache Unserem Herrn emp-
fehlen und zwar sogleich, da ich mich zum Altar begebe.
Es hat mich gefreut, zu sehen, daß Sie sich der Vorsehung Gottes an-
heimgeben. So ist es recht, meine liebe Cousine, das müssen wir immer
und bei allen Gelegenheiten tun. Glauben Sie mir, wenn Sie sich daran
gewöhnen, diese Hingabe nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit
dem Herzen ganz tief und aufrichtig zu vollziehen, werden Sie wunder-
bare Auswirkungen daraus verspüren. Es ist eigenartig, daß ich nicht
umhin kann, zu Ihnen über diese Übungen des Herzens und der Seele zu
sprechen. Ich muß es tun, weil ich nicht nur Ihre Seele liebe, sondern sie
mit zärtlicher Liebe vor Gott umhege, der, so scheint es mir, von ihr
wünscht, daß Sie sehr fromm werden.
Gehen Sie indessen ganz ruhig den äußerlichen Übungen nach und
nehmen Sie es nicht auf sich, zu Fuß nach St. Claude zu gehen, ebensowe-
nig wie meine gute Tante, Frau du Foug, die nicht mehr in dem Alter ist,
als sie in meiner Begleitung dorthin ging. Bringen Sie nur ein eifriges
Herz mit, dann zweifeln Sie nicht daran, daß, ob Sie nun zu Fuß oder zu
Pferd kommen, Gott es ansehen und der hl. Claudius ihm seine Gunst
schenken wird.
Unser Heiland sei immerdar Ihr Beschützer und ich bin, meine Frau
Cousine, Ihr ergebener Cousin und Diener.
Ihrer ganzen kleinen Schar geht es gut und Bonaventura erholt sich
allmählich.
Es überrascht mich daher nicht, meine liebe Cousine, da Gott Sie sei-
ne Gegenwart genießen läßt, daß Sie allmählich der Welt überdrüssig
werden. Zweifellos, meine Tochter, läßt nichts Aloesaft so bitter empfin-
den, wie der Genuß von Honig. Wenn wir von den göttlichen Dingen
verkostet haben, werden die weltlichen Dinge uns kaum wieder Anreiz
geben können. Denn wie könnten wir auch, da wir die Güte, Beständig-
keit und Ewigkeit Gottes betrachtet haben, jemals wieder diese armseli-
ge Eitelkeit der Welt richtig lieben? Wir müssen wohl diese Eitelkeit der
Welt erdulden und ertragen; Liebe und Neigung empfinden aber sollen
wir nur zur Wahrheit. Gott sei immerdar dafür gepriesen, daß er Sie zu
dieser heiligen Mißachtung irdischer Torheiten geführt hat.
Ach, es ist wahr, meine liebe Frau Cousine, daß die arme Frau von
Moyron verschieden ist; wir hätten uns das wirklich in der vergangenen
Fastnacht nicht gedacht. So werden auch wir eines kommenden Tages,
den wir nicht wissen, dahingehen. Mein Gott, meine liebe Tochter, wer-
den wir nicht recht glücklich sein, wenn wir mit unserem gütigen Hei-
land inmitten unseres Herzens sterben? Wir müssen ihn also immer
darin festhalten, indem wir unsere Übungen, Wünsche, Entschlüsse und
Beteuerungen fortsetzen. Es ist tausendmal mehr wert, mit Unserem
Herrn zu sterben, als ohne ihn zu leben. Leben wir also froh und tapfer in
ihm und für ihn, und entsetzen wir uns nicht über den Tod. Ich sage nicht:
fürchten wir den Tod gar nicht, sondern ich meine: lassen wir uns nicht
dadurch beunruhigen. Wenn der Tod unseres Herrn uns gnädig ist, wird
unser Tod uns gut sein; darum wollen wir oft seines Todes gedenken, sein
Kreuz und sein Leiden innig lieben.
So ist es recht, meine geliebte Tochter: wenn wir unsere Freunde ster-
ben sehen, beweinen wir sie ein wenig, trauern wir ein wenig über sie aus
Mitleid und Mitgefühl, aber ruhig und ohne Ungeduld; und lassen wir
ihr Hinscheiden uns wertvoll sein, indem wir uns ganz gelassen und freu-
dig auf das unsere vorbereiten.
Ich habe Gott dafür gepriesen, daß diese arme Verstorbene sich in
diesem letzten Jahr ein wenig mehr der Frömmigkeit ergeben hat; denn
das ist ein großes Zeichen von Gottes Barmherzigkeit an ihr. Es ist gera-
de ein Jahr her, daß sie in unsere Bruderschaft eintrat, die ihr auch ihre
letzte Pflicht erfüllt hat.
Ihr Ihnen sehr zugeneigter und recht ergebener Cousin und Diener ...
58 I. Frau von Charmoisy 440
folgendes Gebet als seine letzten Worte sprach: „Ich werde Dein Haus
betreten, o mein Gott, in Deinem Tempel beten und Deinen Namen
bekennen“ (Ps 5,8; 138,2). Fügen Sie sich in den göttlichen Willen, der
die Internierung Ihres Gatten zu Ihrem Besten führen wird.
Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit gerne irgendeinen guten Trost
schenken, aber ich weiß keinen. Ich bitte also Unseren Herrn, er möge
Ihr Trost sein und Sie so recht begreifen lassen, daß man nur durch viele
Mühen und Heimsuchungen Eintritt ins Himmelreich findet (Apg 14,21)
und daß Kreuz und Leid liebenswerter sind als Befriedigungen und Freu-
den, da Unser Herr sie für sich (Hebr 12,2) und für alle seine wahrhaften
Diener erwählt hat.
Haben Sie guten Mut, meine liebe Tochter, setzen Sie Ihr Vertrauen
fest auf Ihn, dessen Dienst Sie sich geweiht und hingegeben haben, denn
er wird Sie nicht verlassen. Inzwischen werde ich mich von ganzem Her-
zen bei allen dafür verwenden, Ihrem Gatten zu helfen, von denen ich
meine, daß sie Einfluß haben und die etwas mir zu Gefallen tun wollen,
um ihn freizubekommen. Ich habe schon vorgestern begonnen, mich
darum zu bemühen, da ich Sie doch liebe als meine erste Tochter und
alles, was zu Ihnen gehört, aus Liebe zu Unserem Herrn, dem Sie gehö-
ren und dessen Wille geschehe von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Mein Geist kann nicht aufhören, an Sie zu denken, meine sehr liebe
Cousine, meine Tochter, und möchte nichts anderes tun, als mit Ihnen
auf die ihm mögliche Art und Weise zu sprechen, und weiß Ihnen den-
noch nichts zu sagen, ist er doch wie der Ihre noch recht entsetzt.13 Meine
sehr liebe Tochter, der göttliche Bräutigam unserer Seelen will, daß wir
alle unsere Geschehnisse im Schoß seiner himmlischen Vorsehung be-
trachten, und daß wir unsere Liebesgefühle in die Ewigkeit werfen, wo
wir alle uns vereinigen werden, ohne jemals mehr getrennt zu werden. O
meine Tochter, warum haben wir je unsere Sicherheit und unser Vertrau-
en auf das Nichts dieses vergänglichen Lebens gesetzt? Unser Ziel ist im
Jenseits, wohin wir also unsere Liebesgefühle richten müssen.
Da stehen Sie also, meine sehr liebe Tochter, in der echten Bewährung
der Treue, die Sie Gott schulden, dem Sie so oft alles, was Ihnen zustoßen
sollte, anheimgegeben haben. Meine sehr liebe Cousine, heben Sie Ihr
Herz empor und legen Sie das heilige Kruzifix auf Ihre Brust, damit es
I. Frau von Charmoisy 1846, 1898 61
Ihre Seufzer und Tränen beruhige. Seien Sie wahrhaft ganz die Seine und
er wird, glauben Sie mir, ganz der Ihre sein.
Ich meinerseits kann nicht mehr sagen als sonst, aber wenn ich es sagen
dürfte, würde ich sagen, daß ich unwandelbar mehr denn je, bedingungs-
und rückhaltlos, ganz der Ihre bin.
Cousine und meine sehr teure Tochter sind und ich Ihr Ihnen unwandel-
bar ergebener Cousin und Diener ...
Mein Gott, was wünschen Sie mir am Ende Ihres Briefes, meine liebe
Cousine? Größe14 und Wohlergehen, sagen Sie. O, man soll nicht davon
reden, sie zu besitzen, und durch die Gnade Gottes erwarte und wünsche
ich mir auf dieser armseligen Welt nichts anderes als die Größe, die der
Sohn Gottes in der Krippe von Betlehem verwirklichen wollte.
Herr, Du weißt, daß ich Dich ehren will; ich gehöre ganz Dir (Ps 119,
94). Gehen Sie darüber hinweg, ohne mit dieser Versuchung zu streiten.
Beunruhigen Sie sich auch nicht über Ihre mangelhafte Gewissenser-
forschung; es kann nicht so schlimm sein, weil Sie doch den Wunsch
haben, sich ordentlich zu läutern. Man braucht sich seiner Seele wegen
nicht zu quälen, wenn man sieht, daß sie voll Sehnsucht ist, Gott treu zu
sein. Wenn Sie Ihren gewöhnlichen Beichtvater nicht haben, dürfen Sie
nicht unterlassen, zu einem anderen zu gehen. Schauen Sie auf Gott und
nicht auf den Menschen, der Beichte hört oder losspricht, selbst wenn
Sie so oft beichten, wie Sie es tun.
Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens. Ich bin in ihm, gnädige
Frau, Ihr ...
Ihnen zur Seite stehe und Sie nicht täusche, sondern den rechten Weg der
Frömmigkeit führe mit Liebe und unveränderlichem Eifer.
Ich staune über die Launenhaftigkeit der Menschen hinsichtlich des
guten Herrn von Valence;18 wir hören ihn hier recht gern und ich, der ich
doch mehr Theologie studiert habe als alle von Rumilly zusammen, fin-
de, daß er wahrhaftig gut und nutzbringend predigt; man wäre in größe-
ren Städten froh, ihn zu haben. Wir müssen Geduld haben und Gott
bitten, er möge uns alle demütig machen, damit wir wie Schiffe mit recht
großem Tiefgang imstande sind, seine Gnaden in Fülle aufzunehmen.
Ich bin wahrlich ganz der Ihre, meine liebe Tochter, und Gott sei das
Leben Ihrer Seele!
immer mutig „von Tugend zu Tugend“ (Ps 84,8), bis Sie den höchsten
Grad der göttlichen Liebe erreicht haben. Diesen werden Sie aber nie-
mals erreichen, da diese heilige Liebe ebensowenig begrenzt ist wie ihr
Gegenstand, die allerhöchste Güte.
Gott befohlen, sehr liebe Nichte, lieben Sie mich immer beständig als
den Menschen dieser Welt, der Ihnen das meiste an wahrhaften und ech-
ten Tröstungen wünscht. Ja, meine Tochter, ich wünsche Ihnen die Fülle
der göttlichen Liebe, die das einzige Gut unserer Herzen ist und auf ewig
sein wird; sie sind uns ja nur gegeben worden für ihn, der uns sein ganzes
Herz gegeben hat.
Ich bin ganz aufrichtig der Ihre, meine liebe Nichte, meine Tochter.
Aber sprechen Sie darüber mit Ihrem Beichtvater; denn wenn er Ihnen
befiehlt, es nicht zu tun, müßten Sie ihm Glauben schenken; da er den
gegenwärtigen Zustand Ihrer Seele kennt, kann er besser als ich beurtei-
len, was ratsam ist.
Wenn Sie aber dieses Gelübde abgelegt haben, meine gute Tochter,
dürfen Sie niemals zulassen, daß irgendjemand Ihrem Herzen durch ir-
gendeinen Liebes- oder Heiratsantrag schmeichle; sondern Sie müssen
Ihrem Leib große Ehrfurcht entgegenbringen, nicht mehr als Ihrem Leib,
sondern wie einem geweihten Leib und wie einer sehr heiligen Reliquie.
Und so wie man einen Kelch, nachdem der Bischof ihn geweiht hat,
nicht mehr zu berühren oder zu profanieren wagt, so müssen Sie Ihrem
Herzen und Ihrem Leib eine tiefe Ehrfurcht entgegenbringen, nachdem
der Heilige Geist es durch dieses Gelübde geweiht hat.
Inzwischen will ich all dies Gott empfehlen, der wohl weiß, daß ich Sie
recht innig in ihm liebe; und an eben diesem Pfingstfest will ich ihm Ihr
Herz aufopfern und alles, was daraus zu seiner Ehre hervorgehen wird.
Möge Jesus immerdar Ihre Liebe und seine heilige Mutter Ihre Führerin
sein. Amen. Ihr Diener in Jesus Christus ...
XIV, 28-30 (459) Annecy, (Ende Mai oder Anfang Juni) 1608.
Gnädiges Fräulein!
Ich werde die Niederschrift Ihres Gelübdes sorgsam aufbewahren und
Gott wird seine Beständigkeit behüten; er war sein Urheber und er wird
auch sein Bewahrer sein. In diesem Sinn sage ich oft das Gebet des hl.
Augustinus (Confess. XII,24): „Ach Herr, da ist ein kleines Kücken ein-
geschlossen unter die Flügel Deiner Gnade; wenn es dem Schatten sei-
ner Mutter entläuft, wird der Falke es rauben; laß es also leben mit Hilfe
und im Schutz Deiner Gnade, die es hervorgebracht hat.“ Aber sehen
Sie, meine Schwester, man soll sich nicht einmal fragen, ob dieser Ent-
schluß auch von Dauer sein wird; sondern man muß es für so sicher und
entschieden halten, daß es darüber niemals Zweifel geben darf.
Sie verpflichten mich sehr durch die paar Worte, die Sie mir über ihre
Neigungen schreiben; darüber will ich Ihnen sagen, daß unsere Erregun-
gen, so klein sie sind, unsere Seele zerreißen, wenn sie in ungegelegener
Weise ausbrechen. Halten Sie diese in der Hand und halten Sie diese
nicht für unwichtig, denn am Maße des Heiligtums gemessen, gelten sie
viel.
Ihr Wunsch, sich von deren Ursachen zurückzuziehen, ist in der Lage,
I. Chastel 459 69
in der wir sind, nicht ratsam, denn dadurch gibt man das rechte Bemühen
zu kämpfen auf. Dies ist uns aber notwendig, während das andere un-
möglich ist. Und dann, wo keine Gefahr zur Todsünde besteht, dürfen
wir nicht fliehen, sondern müssen alle unsere Feinde besiegen und dabei
hartnäckig beharren, ohne den Mut zu verlieren, wenn wir auch manch-
mal besiegt werden.
Ja wirklich, meine liebe Tochter, erwarten Sie von mir alles, was Sie
von einem wahren Vater erwarten können, denn dieses Gefühl hege ich
gewiß für Sie; das werden Sie in der weiteren Entwicklung erfahren,
wenn Gott mir beisteht.
Sie sind also bekümmert, meine gute Tochter, wie man sein muß, um
Gott recht zu dienen. Betrübnisse ohne Selbsterniedrigung lassen manch-
mal das Herz anschwellen, anstatt es zu demütigen; wenn man aber Leid
ohne Ehre ertragen muß, ja sogar Schande, Entwürdigung und Erniedri-
gung unser Leid sind, wieviel Gelegenheiten, Geduld zu üben, Demut,
Bescheidenheit und Herzensgüte! Der glorreiche hl. Paulus freut sich,
und zwar mit einer heilig-glorreichen Demut darüber, daß er mit seinen
Gefährten für Abschaum und Auswurf der Welt angesehen wird (1 Kor
4,13).
Sie haben, sagen Sie mir, auch noch sehr heftige Empfindungen bei
Beleidigungen. Aber meine liebe Tochter, worauf bezieht sich dieses
„auch noch“? Haben Sie denn schon viele dieser Feinde vernichtet? Ich
will damit sagen, daß wir Mut und die gute Absicht haben müssen, es von
nun ab besser zu machen, da wir doch erst beginnen und doch den Wunsch
haben, es gut zu machen.
Um im Gebet eifriger zu werden, sollen Sie es inniger wünschen. Le-
sen Sie gern die Lobgebete, die in vielen Büchern verstreut sind: im
Granada, am Anfang des Bellintani und anderswo; denn wenn man Ap-
petit auf eine Speise hat, wird man sie auch gern essen.
Sie sind recht glücklich, meine Tochter, sich Gott geweiht zu haben.
Erinnern Sie sich, was der hl. Franziskus tat, als sein Vater ihn nackt vor
den Bischof von Assisi stellte: „Jetzt also“, sagt er, „kann ich wohl sagen:
Vater unser, der Du bist im Himmel.“ „Mein Vater und meine Mutter“,
sagt David, „haben mich verlassen“ (Ps 27,10), und der Herr hat mich zu
sich genommen.
Machen Sie keine Einleitungen, um mir zu schreiben, es ist wirklich
nicht notwendig; ich bin doch Ihrer Seele mit ganzem Willen hingege-
ben! Möge Gott Sie segnen mit seinem großen Segen und Sie ganz zu
seinem Eigen machen. Amen.
70 I. Chastel 656 – Traves 495
hören, daß Sie glücklich sind. Man fragt so häufig: Geht es Ihnen gut?,
auch wenn man die Befragten in recht guter Gesundheit sieht. Mögen Sie
es für gut befinden, wenn ich Sie, ohne an Ihrer Tugend und Beharrlich-
keit zu zweifeln, aus Liebe frage: Lieben Sie Gott sehr, gnädige Frau?
Wenn Sie ihn sehr lieben, wird es Ihnen eine Freude sein, ihn oft zu
betrachten, oft mit ihm und über ihn zu sprechen und sich oft mit ihm im
hochheiligen Sakrament zu vereinigen. Möge er immerdar unser eigent-
liches Herz sein, gnädige Frau!
Ich bin in ihm Ihr recht ergebener Diener.
Übungen Fortschritte zu machen bestrebt sind. Mehr als alles aber emp-
fehle ich Ihnen, immer die heilige Sanftmut und Liebenswürdigkeit bei
allen Anlässen zu üben, die dieses Leben Ihnen zweifellos oft bietet.
Bleiben Sie ruhig und ganz liebenswürdig mit Unserem Herrn auf Ihrem
Herzen. Wie glücklich werden Sie sein, sehr liebe Schwester, meine Toch-
ter, wenn Sie fortfahren, sich an der Hand seiner göttlichen Majestät zu
halten, während Sie sich um Ihre Aufgaben bemühen und die Dinge
ihren Lauf nehmen. Was Sie unternehmen, wird mehr nach Wunsch ge-
lingen, wenn Gott Ihnen hilft. Die geringste Freude, die Ihnen daraus
erwächst, wird wertvoller sein als die größten Freuden, die Sie auf dieser
Welt haben könnten.
Ja, meine liebe Tochter, meine Schwester, wie sehr liebe ich Sie doch,
und mehr als Sie glauben würden; hauptsächlich aber, seit ich in Ihrer
Seele diesen hohen und ehrenvollen Wunsch gesehen habe, Unseren
Herrn mit aller Treue und Aufrichtigkeit lieben zu wollen. Ich beschwö-
re Sie, beständig daran festzuhalten und mich immer ganz lieb zu haben,
da ich mit ganzem und treuem Herzen Ihr geringer Bruder und liebevoll
ergebener Diener bin.
Herrn, den Sie, ich bin dessen sicher, in Ihrem Leben und in sich selbst
von nun an viel besser hervorbringen wollen. Das ist aber ein Kind, das
im Gegensatz zu den anderen die Mutter erleichtert, nährt und aufrecht
hält. So müssen auch Sie, meine Tochter, all Ihre Hoffnung, Ihre Liebe
und Ihr Vertrauen in Ihn legen, denn so werden Sie immer froh und
zufrieden leben.
Marie Brulart, Tochter von Claude Bourgeois, Herrn von Crépy, und von
Françoise de Monthelon, hatte Nicolas Brulart, Baron de la Borde, geheiratet,
der bald (1602) Präsident des Parlamentes von Bourgogne wurde. Sie war eine
Schwester der Äbtissin von Puits d’Orbe, Rose Bourgeois de Crépy, mit der
Franz von Sales, wie mit der Präsidentin Brulart viel korrespondierte.
Mit Präsidentin Brulart führte Franz von Sales in den Jahren 1604-1613
einen regen Briefwechsel. Gestorben ist Präsidentin Brulart im Jahr 1622,
wohl nicht sehr alt, da sie 1613 noch gesegneten Leibes war. Franz von Sales
hat bei der Nachricht ihres Hinscheidens in einem Brief an die hl. Johanna-
Franziska von Chantal recht liebe Worte über sie geschrieben (Brief vom 30.
August 1622, DASal 5,368).
Warum sind von 1614-1622 keine Briefe des hl. Franz von Sales an Frau
Brulart vorhanden? Hatte sie keine Fragen mehr zu stellen? Es ist auch mög-
lich, daß die Briefe des Heiligen aus den letzten Jahren verlorengingen. Oder
ist zwischen ihrer Familie und Franz von Sales eine gewisse Entfremdung ent-
standen, vielleicht wegen der Widerstände dieser Familie gegen eine Reform
von Puits d’Orbe, wie auch gegen eine Klostergründung der Heimsuchung in
Dijon? Es ist nicht anzunehmen, daß zwischen ihm und Frau Brulart eine
Differenz bestand. Sie war wohl eine etwas willensschwache, aber doch dem
Heiligen sehr ergebene Frau, von der er nach ihrem Tod sehr lieb geschrieben
hat.
Die Briefe an Frau von Brulart zeigen ganz charakteristische Seiten der Seelen-
führung des hl. Franz von Sales:
1) sein ständiges Mahnen, sich mit den Mitteln zu heiligen, die Gott uns in
dem Stand bietet, in den sein heiliger Wille uns gestellt hat – und nicht nach
dem Klosterleben zu schielen, wenn man verheiratet ist.
2) Diese Mittel sind Gebet, Betrachtung und das ganze Leben zu durchträn-
ken vom Gebetsleben, – ferner all die Ärgerlichkeiten gut zu tragen, die das
Leben uns aufgibt.
3) Die Frömmigkeit anziehend zu machen durch Nachgiebigkeit, Herzlich-
keit, treue Erfüllung der Standespflichten, auch der ehelichen Verpflichtungen,
Freundlichkeit auch gegen Untergebene.
4) In Schwierigkeiten mit Beichtvätern vorsichtig, aber nicht überempfind-
lich zu sein, nicht zu schwierig in der Wahl von Beichtvätern zu sein, sie nicht
leicht aufzugeben, aber doch seine Freiheit wahren.
5) Durch Frömmigkeitsübungen nicht lästig zu werden, lieber auf nicht Not-
II. Brulart 217 79
wendiges verzichten, als üble Laune beim Mann oder Vater (der damals sehr
männlich geführten Familie) hervorzurufen.
In der Form sind diese Briefe, wie überhaupt alle seine Seelenführungsbriefe
überaus herzlich und zugleich sehr vornehm, mehr empfehlend als befehlend. –
Sie sind Anwendungen der Lehren der „Anleitung zum frommen Leben“ für
einen besonderen Fall, d. h. für das Leben einer bestimmten Dame in der Welt
unter bestimmten Voraussetzungen. Die Grundsätze werden für alle die glei-
chen sein, die Anwendung paßt sich den gegebenen Umständen an, wie Franz
von Sales in der Anleitung schreibt, daß die Frömmigkeit wohl in der eifrigen
Erfüllung des göttlichen Willens aus Liebe besteht, aber den Umständen ent-
sprechend anders beim Adeligen, beim Bauern, beim Handwerker usw. In die-
sen Briefen an Frau Brulart sehen wir konkret vor uns, wie das Leben einer
frommen, vornehmen Dame nach den Anweisungen des hl. Franz von Sales
sein sollte.
heit dafür. Darauf müssen wir auch unsere Gebete und Betrachtungen
beziehen, denn nachdem wir um die Liebe zu Gott gebetet haben, müs-
sen wir auch immer um die Liebe zum Nächsten beten und besonders zu
jenen, zu denen unser Wille keinerlei Neigung verspürt.
Ich rate Ihnen auch, sich manchmal der Mühe zu unterziehen, Spitäler
zu besuchen, Kranke zu trösten, ihre Leiden zu betrachten, in Ihrem
Herzen Mitgefühl mit ihnen zu erwecken und für sie zu beten, wenn Sie
ihnen kleine Hilfeleistungen erweisen. Bei all dem aber achten Sie sorg-
sam darauf, daß Ihr Herr Gemahl, Ihre Dienerschaft und Verwandten
nicht Anstoß daran nehmen, wenn Sie zu lange in der Kirche verweilen,
sich zu lange zurückziehen und es an Sorge um Ihren Haushalt fehlen
lassen, wie dies manchmal geschieht. Vermeiden Sie es auch, sich zum
Richter über die Handlungen anderer aufzuspielen, oder sich abfällig
über Gespräche zu äußern, bei denen die Regeln eines frommen Lebens
nicht so genau eingehalten werden. Überall soll doch die Nächstenliebe
vorherrschen und uns erleuchten, daß wir den Wünschen des Nächsten
willfahren in allem, was nicht den Geboten Gottes entgegen ist.
Sie sollen nicht nur fromm sein und die Frömmigkeit lieben, sondern
sie auch jedermann liebenswert machen. Das tun Sie aber, wenn sie ande-
ren nützlich und angenehm wird. Die Kranken werden Ihre Frömmig-
keit lieben, wenn sie dadurch liebevollen Trost empfangen; Ihre Familie,
wenn sie erkennt, daß Sie dadurch viel mehr auf ihr Wohl bedacht sind,
milder in geschäftlichen Dingen, gütiger im Tadel usw.; Ihr Herr Ge-
mahl, wenn er sieht, daß Sie mit wachsender Frömmigkeit umso herzli-
cher ihm gegenüber und zärtlicher in der Zuneigung zu ihm sind; Ihre
Verwandten und Freunde schließlich, wenn sie erkennen, daß Sie ihren
Wünschen, die jenen Gottes nicht zuwiderlaufen, mehr Offenheit, Un-
terstützung und Nachgiebigkeit entgegenbringen. Kurz, wir müssen un-
sere Frömmigkeit möglichst anziehend gestalten.
lch habe eine kurze Abhandlung über die Vollkommenheit des christ-
lichen Lebens verfaßt, von der ich Ihnen eine Abschrift schicke, die ich
auch Frau von Puits d’Orbe übermittelt haben möchte. Nehmen Sie sie
gut auf wie auch diesen Brief eines Menschen, der von Liebe erfüllt ist
für Ihr geistliches Wohl und nichts mehr wünscht, als das Werk Gottes in
Ihrem Geist vollendet zu sehen.
Ich bitte Sie, mich Anteil haben zu lassen an Ihren Gebeten und Kom-
munionen, wie auch ich Ihnen versichere, daß ich Sie mein ganzes Leben
lang teilhaben lasse an den meinen und immerdar sein werde,
Gnädige Frau, Ihr Ihnen in Jesus Christus zugeneigter Diener.
82 II. Brulart 233
Gnädige Frau!
Es war mir eine ganz große Freude, Ihren Brief zu erhalten und zu
lesen. Wie gern möchte ich, daß meine Briefe ein ebensolches Echo
hervorzubringen vermögen, besonders um den Beunruhigungen abzu-
helfen, die in Ihrem Geist entstanden sind, seitdem wir uns nicht mehr
gesehen haben. Möge Gott mir die rechten Worte eingeben.
Ich habe Ihnen einmal gesagt und ich erinnere mich gut daran, daß ich
in Ihrer Generalbeichte alle Merkmale einer wahrhaftigen, guten und
echten Beichte gefunden und keine andere gehört habe, die mich mehr
zufriedengestellt hätte. Das ist die reinste Wahrheit, meine liebe Frau
Schwester; und glauben Sie mir, daß ich bei solchen Gelegenheiten ganz
offen spreche. Wenn Sie etwas zu sagen unterlassen haben, erwägen Sie,
ob es wissentlich und freiwillig geschehen ist; denn in einem solchen Fall
müßten Sie zweifellos die Beichte wiederholen, wenn das, was Sie zu
sagen unterließen, eine Todsünde war oder wenn Sie es zu jener Zeit eben
für eine solche hielten. Wenn es sich aber um eine läßliche Sünde han-
delte oder wenn Sie es aus Vergeßlichkeit oder mangelndem Erinne-
rungsvermögen ausgelassen haben, dann hegen Sie keine Zweifel, meine
liebe Schwester; dann sind Sie keineswegs verpflichtet, die Beichte zu
wiederholen, sondern es genügt, wenn Sie Ihrem gewöhnlichen Beicht-
vater den ausgelassenen Punkt sagen. Dafür verbürge ich mich. Haben
Sie auch keine Sorge darüber, daß Sie Ihrer Generalbeichte vielleicht
nicht die nötige Sorgfalt angedeihen ließen; ich wiederhole ganz deut-
lich und bestimmt: wenn Sie keine freiwillige Unterlassung begangen
haben, brauchen Sie keineswegs die Beichte wiederholen, die wirklich
recht gut war. Bleiben Sie darüber in Frieden. Wenn Sie mit dem Pater
Rektor darüber sprechen, wird er Ihnen das gleiche sagen, denn es ist die
Ansicht unserer Mutter, der Kirche.
Alle Regeln des Rosenkranzes und des Dritten Ordens verpflichten in
keiner Weise, weder unter schwerer noch unter läßlicher Sünde, weder
direkt noch indirekt; und Sie sündigen bei Nichtbeobachtung derselben
nicht mehr, als wenn Sie irgendein anderes gutes Werk zu tun unterlas-
sen. Machen Sie sich also keine Sorgen darüber, sondern dienen Sie Gott
frohen und freien Herzens.
Sie fragen mich, woran Sie sich halten sollen, um Frömmigkeit und
Geistesfrieden zu erlangen. Meine liebe Schwester, Sie fragen mich da
nicht wenig; aber ich will versuchen, Ihnen einiges darüber zu sagen,
II. Brulart 233 83
denn das bin ich Ihnen schuldig. Beachten Sie aber wohl, was ich Ihnen
sagen werde. Die Tugend der Frömmigkeit ist nichts anderes als eine
allgemeine Neigung und Bereitschaft des Geistes, das zu tun, was er als
Gott wohlgefällig erkennt; über diese Herzensbereitschaft sagt David
(Ps 18,32): „Gelaufen bin ich die Wege Deiner Gebote, als Du mein
Herz weit aufgetan hast.“ Solche, die einfach gute Menschen sind, gehen
auf dem Weg Gottes; die Frommen aber laufen, und wenn sie sehr fromm
sind, dann fliegen sie.
Nun will ich Ihnen einige Regeln sagen, die beobachtet werden müs-
sen, wenn man wahrhaft fromm sein will.
Vor allen Dingen muß man die allgemeinen Gebote Gottes und der
Kirche befolgen, die für jeden echten Christen Geltung haben; ohne
diese kann es keine Frömmigkeit in der Welt geben, das weiß jeder.
Außer diesen allgemeinen Geboten aber muß man sorgsam die persön-
lichen Verpflichtungen beobachten, die jedem durch seinen Beruf auf-
erlegt sind; wer das nicht tut, der verbliebe – selbst wenn er Tote aufer-
wecken würde – trotzdem in der Sünde und verdammt, wenn er darin
stürbe. So ist z. B. den Bischöfen befohlen, ihre Schäflein zu besuchen,
sie zu lehren, aufzurichten und zu trösten. Sollte ich die ganze Woche
im Gebet verharren und mein ganzes Leben fasten – wenn ich dies aber
nicht tue, gehe ich verloren. Wenn ein verheirateter Mensch Wunder
wirkt, seine ehelichen Pflichten aber nicht erfüllt oder sich nicht um
seine Kinder kümmert, ist er schlechter als ein Heide, sagt der hl. Pau-
lus (1 Tim 5,8), und so fort.
Zweierlei Arten von Geboten also müssen als Grundlage jeder Fröm-
migkeit beobachtet werden; und dennoch besteht die Tugend der Fröm-
migkeit nicht darin, daß man diese Gebote beobachtet, sondern daß man
dies bereitwillig und gern tut. Um nun diese Bereitschaft zu erwerben,
muß man mehrere Erwägungen in Betracht ziehen.
Erstens, weil Gott es so will. Es ist nur recht und billig, daß wir seinen
Willen tun, denn dazu sind wir ja auf dieser Welt (1 Petr 4,2). Ach, wir
bitten ihn doch alle Tage, daß sein Wille geschehe (Mt 6,10), und wenn es
dann dazu kommt, macht es uns soviel Mühe! Wir opfern uns Gott so oft
auf, wir sagen ihm alle Augenblicke: Herr, ich bin Dein (Ps 19,94), da ist
mein Herz. Wenn er sich aber unser bedienen will, sind wir so feig! Wie
können wir sagen, daß wir ihm gehören, wenn wir unseren Willen nicht
dem seinen anpassen wollen?
Die zweite Erwägung ist, daß wir an die Beschaffenheit der Gebote
Gottes denken, von denen nicht nur die allgemeinen, sondern auch die
84 II. Brulart 233
besonderen des Berufes liebevoll, gnädig und gütig sind. Was läßt Sie
diese dann so ärgerlich empfinden? Nichts in Wahrheit als nur Ihr Ei-
genwille, der um jeden Preis in Ihnen herrschen will. Die Dinge, die er –
wenn sie ihm nicht anbefohlen wären – vielleicht anstreben würde, ver-
wirft er, weil sie ihm eben anbefohlen werden. Von hunderttausend köst-
lichen Früchten wählte Eva die einzige, die ihr verboten worden war
(Gen 3,1-6), und sie hätte zweifellos nicht davon gegessen, wenn sie ihr
erlaubt gewesen wäre. Mit einem Wort, wir wollen Gott dienen, aber
nach unserem Willen und nicht nach dem seinen. Saul war befohlen
worden, alles, was er in Amalek antreffen würde, zu vernichten und zu
zerstören: er zerstörte auch alles bis auf die Wertgegenstände, die er
zurückbehielt und aufopferte; aber Gott gab ihm kund, er wolle kein
Opfer wider den Gehorsam (1 Sam 15,3-23). – Gott befiehlt mir, den
Seelen zu dienen, und ich will in der Betrachtung verharren; das betrach-
tende Leben ist gut, aber nicht auf Kosten des Gehorsams. Wir haben
nicht nach unserem Willen zu wählen; wir müssen sehen, was Gott will,
– und wenn Gott will, daß ich ihm in etwas Bestimmten diene, darf ich
ihm nicht in etwas anderem dienen wollen. Gott wollte, daß Saul ihm
diene als König und Feldherr, Saul aber wollte ihm als Priester dienen (1
Sam 13,9-13); kein Zweifel, daß diese Eigenschaft jene an Wert über-
ragt; dennoch gab Gott sich nicht damit zufrieden. Er will, daß man ihm
gehorche.
Es ist doch merkwürdig! Gott hatte den Kindern Israels das Manna
geschenkt, diese köstliche Speise (Ex 16,14-31; Lev 11,7-9; Weish 16,20);
sie aber wollen nichts davon, sondern sehnen sich in ihren Wünschen
nach dem Knoblauch und den Zwiebeln Ägyptens (Lev 11,4-5). Unsere
armselige Natur will immer, daß ihr Wille geschehe und nicht der Wille
Gottes. In dem Maße aber, als wir weniger Eigenwillen haben, werden
wir leichter den Willen Gottes beobachten.
Drittens muß bedacht werden, daß es keinen Beruf gibt, der nicht Un-
angenehmes, Bitteres und Ekelhaftes mit sich bringt. Dazu kommt noch,
daß – bis auf jene, die völlig dem Willen Gottes hingegeben sind – jeder
seinen Stand gern gegen den anderer austauschen möchte. Jene, die Bi-
schöfe sind, möchten es nicht sein; die verheiratet sind, möchten unver-
heiratet sein und die Unverheirateten möchten verheiratet sein. Woher
stammt diese allgemeine Unruhe der Seelen, wenn nicht aus einem ge-
wissen Unbehagen, das wir gegen den Zwang hegen, und einer verkehr-
ten Geisteshaltung, die uns vorspiegelt, jedem anderen ginge es besser als
uns?
II. Brulart 233 85
Aber es ist immer dasselbe: Wer sich nicht ganz Gott hingibt, wird –
mag er sich auch da- und dorthin wenden – niemals Ruhe finden. Die
Fieber haben, liegen nirgends gut; kaum sind sie eine Viertelstunde in
einem Bett, möchten sie schon wieder in einem anderen sein: nicht das
Bett kann etwas dafür, sondern das Fieber treibt sie immer herum. Ein
Mensch, der kein Fieber des Eigenwillens kennt, gibt sich mit allem
zufrieden. Wenn nur Gott damit gedient ist, kümmert es ihn nicht, in
welcher Weise Gott sich seiner bedient. Wenn nur sein göttlicher Wille
geschieht, ist ihm alles eins.
Aber das ist nicht alles. Man muß nicht nur den Willen Gottes tun
wollen, sondern – um fromm zu sein – muß man ihn freudig erfüllen.
Wenn ich nicht Bischof wäre, würde ich vielleicht, wenn ich wüßte, was
ich jetzt weiß, es nicht sein wollen; da ich es aber bin, bin ich nicht nur
verpflichtet, das zu tun, was dieser mühevolle Beruf erfordert, sondern
ich muß es auch freudig tun, es gern tun und damit einverstanden sein.
Das sagt ja auch der hl. Paulus (1 Kor 7,24): „Jeder bleibe vor Gott in
seinem Beruf.“ Wir sollen nicht das Kreuz der anderen tragen, sondern
unser eigenes. Damit aber jeder sein Kreuz trage, will Unser Herr, daß
jeder sich selbst verleugne (Mt 16,24), d. h. seinen Eigenwillen verleug-
ne. „Ich möchte gern das und jenes“, oder „ich wäre gern hier und dort“,
das sind eben Versuchungen. Unser Herr weiß wohl, was er tut; tun wir,
was er will, bleiben wir doch, wohin er uns gestellt hat.
Sie möchten aber, meine gute Tochter (erlauben Sie, daß ich nach
meinem Herzen zu Ihnen spreche, denn ich habe Sie als solche lieb),
gern eine kleine Anleitung zu Ihrer Führung haben.
Außer dem, was ich Ihnen zu überlegen gegeben habe:
1. Halten Sie alle Tage die Betrachtung, entweder am Vormittag oder
eine bis zwei Stunden vor dem Nachtessen, und zwar über das Leben und
Sterben Unseres Herrn; und bedienen Sie sich hierzu des Kapuziners
Bellintani oder des Jesuiten Bruno. Ihre Betrachtung soll nur eine gute
halbe Stunde dauern und nicht länger, und an deren Schluß fügen Sie
immer eine Erwägung des Gehorsams Unseres Herrn Gott Vater gegen-
über hinzu; denn Sie werden finden, daß er alles, was er getan hat, nur tat,
um den Willen seines Vaters zu erfüllen (Joh 5,30; 6,38), und bemühen
Sie sich mit allen Kräften, eine tiefe Liebe zum Willen Gottes zu gewin-
nen.
2. Bevor Sie eine Ihnen unangenehme Aufgabe Ihres Berufes erfüllen
oder sich darauf vorbereiten, denken Sie daran, daß die Heiligen andere,
viel größere und schwierigere Dinge freudig getan haben. Die einen ha-
86 II. Brulart 233
ben das Martyrium, die anderen die Verachtung der Welt erlitten. Der hl.
Franziskus und so viele Ordensleute unseres Zeitalters haben tausende-
male Aussätzige und mit Geschwüren Behaftete geküßt; andere haben
sich in die Wüste zurückgezogen; andere wieder auf die Galeeren mit
den Soldaten; und dies alles, um etwas Gott Wohlgefälliges zu tun. Was
aber tun wir schon, was diesem an Schwierigkeit ähnlich wäre?
3. Denken Sie oft und oft, daß alles, was wir tun, seinen wahren Wert
gewinnt, wenn es aus unserer Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes
heraus geschieht. Wenn ich also esse und trinke, weil es der Wille Gottes
ist, daß ich dies tue, bin ich Gott wohlgefälliger, als wenn ich ohne diese
Absicht den Tod erleiden würde.
4. Ich möchte, daß Sie während des Tages oft Gott anrufen, er möge
Ihnen die Liebe zu Ihrem Beruf schenken, und daß Sie wie der hl. Paulus
bei seiner Bekehrung sagen (Apg 9,6): „Herr, was willst Du, daß ich
tue?“ Willst Du, daß ich Dir im niedrigsten Dienst Deines Hauses diene?
Ach, dann würde ich mich noch für mehr als glücklich ansehen. Wenn
ich Dir nur dienen kann, kümmert es mich nicht, worin dieser Dienst
besteht. Und wenn Sie dann im Besonderen zu dem kommen, was Ihnen
ärgerlich ist, sagen Sie: Willst Du, daß ich dies oder jenes tue? Ach Herr,
noch bin ich dafür nicht würdig; ich will es aber sehr gerne tun. So wer-
den Sie sich tief demütigen. O mein Gott, welchen Schatz werden Sie
dadurch erwerben, einen zweifellos viel größeren, als Sie vermeinen.
5. Ich möchte, daß Sie erwägen, wieviele männliche und weibliche
Heilige, sowohl des Neuen wie des Alten Testamentes, in Ihrem Beruf
und Stand waren und daß sie sich alle mit großer Liebe und Ergebung
hineingefunden haben: Sara, Rebekka, die hl. Anna, die hl. Elisabet, die
hl. Monika, die hl. Paula und hunderttausend andere; das wird Sie auf-
muntern, wenn Sie sich ihren Gebeten empfehlen.
Wir müssen lieben, was Gott liebt; nun liebt er unseren Beruf; lieben
wir ihn auch und halten wir uns nicht damit auf, an den Beruf der ande-
ren zu denken. Tun wir unsere Pflicht; für keinen ist sein Kreuz zu schwer.
Bringen Sie behutsam das Amt der Marta mit dem der Magdalena in
Verbindung (Lk 10,38-43); verrichten Sie eifrig Ihre Berufsarbeit, keh-
ren Sie aber oft zu sich selbst zurück, im Geist zu Füßen Unseres Herrn,
und sagen Sie: Mein Herr, ob ich nun laufe oder stillstehe, ich gehöre
ganz Dir und Du gehörst mir (Hld 2,16; 6,2); Du bist mein erster Bräu-
tigam und alles, was ich tun werde, geschieht aus Liebe zu Dir, ob es dies
oder das sei.
Sie werden die Anleitung zur Betrachtung sehen, die ich der Frau von
II. Brulart 242 87
Puits d’Orbe schicke. Ich wünsche, daß Sie sich davon eine Abschrift
machen und sich ihrer bedienen. Es scheint mir, daß Sie sich, wenn Sie
am Morgen eine halbe Stunde das innerliche Gebet pflegen, damit be-
gnügen sollen, alle Tage eine Messe zu hören und untertags eine halbe
Stunde ein geistliches Buch zu lesen wie Granada oder einen anderen
guten Schriftsteller. Machen Sie die Gewissenserforschung am Abend
und Stoßgebete während des Tages. Ich empfehle Ihnen sehr, den „Geist-
lichen Kampf“ zu lesen. An Sonn- und Feiertagen können Sie außer der
Messe auch die Vesper (aber dies ohne Verpflichtung) und die Predigt
hören.
Vergessen Sie nicht, alle acht Tage zu beichten und außerdem, wenn
Sie irgendwelche große Gewissensnöte haben. Hinsichtlich der Kom-
munion überschreiten Sie, wenn es nicht dem Wunsch Ihres Gemahls
entspricht, gegenwärtig nicht die Grenzen dessen, was wir in St. Claude1
sagten: bleiben Sie stark und kommunizieren Sie im Geist; Gott wird
dafür die Bereitschaft unseres Herzens annehmen.
Denken Sie daran, was ich Ihnen so oft gesagt habe: Machen Sie unse-
rer Frömmigkeit Ehre; lassen Sie sie allen Menschen Ihrer Umgebung,
vor allem aber Ihrer Familie sehr liebenswert erscheinen; bewirken Sie,
daß jeder gut von ihr spricht. Mein Gott, wie glücklich sind Sie, einen so
vernünftigen und willigen Gatten zu haben! Sie sollten Gott recht dafür
preisen. – Wenn Sie auf irgendwelchen Widerspruch stoßen, so ergeben
Sie sich ganz Unserem Herrn und trösten Sie sich in dem Bewußtsein,
daß seine Gunsterweise nur für die Guten sind oder für jene, die sich
anschicken, es zu werden (2 Tim 3,12).
Im übrigen wissen Sie, daß mein Geist ganz Ihnen gehört. Gott weiß,
daß ich weder Sie noch Ihre ganze Familie jemals in meinen schwachen
Gebeten vergesse; Sie stehen zutiefst eingegraben in meiner Seele. Gott
sei Ihr Herz und Ihr Leben!
abhängigen Frömmigkeit. Bleiben Sie fest dabei und lassen Sie sich in
diesem Entschluß durch nichts erschüttern.
Sie haben, sagen Sie, auf dem Land ein wenig in Ihren Übungen nach-
gelassen. Nun müssen Sie den Bogen wieder spannen und mit umso grö-
ßerer Sorgfalt wieder beginnen. Ein anderes Mal aber soll Ihnen der
Landaufenthalt nicht solche Ungelegenheiten bereiten. Nein, denn Gott
ist dort ebenso wie in der Stadt. Sie haben nun die kleine Schrift über die
Betrachtung; benützen Sie diese in Ruhe und Frieden.
Verzeihen Sie mir, liebe gnädige Frau, wenn ich meinen Brief kürzer
abfasse, als Sie es wünschen; aber der gute Rose drängt mich so sehr, ihn
abzufertigen, daß er mir nicht genug Zeit läßt, schreiben zu können. Ich
bitte Unseren Herrn, er möge Ihnen in seinem Heiligen Geist einen
besonderen Beistand verleihen, damit Sie ihm mit Herz und Geist nach
seinem Wohlgefallen dienen. Erbitten Sie dies auch für mich, denn ich
habe es nötig; ich selbst vergesse Sie niemals in meinen schwachen Ge-
beten.
Ihr Herr Gemahl hat unrecht, mich nicht für seinen Diener anzusehen,
denn ich bin es sicherlich, ebenso allem, was Ihnen angehört.
Gott sei immerdar mit Ihnen und in Ihrem Herzen. Amen.
Die Ärzte haben mir nun zu Ende dieser Krankheit streng verboten,
eigenhändig zu schreiben; darum habe ich die Hand eines anderen dazu
gebraucht, füge nun nur eigenhändig hinzu, daß Sie sich daran erinnern
sollen, was ich Ihnen so sehr empfohlen habe. Wenn Sie sich daran hal-
ten, werden Sie tun, was Gott wohlgefälliger ist, als wenn Sie, ohne es zu
tun, Ihr Leben im Martyrium hingeben würden. Gott will ja mehr den
Gehorsam als das Opfer (1 Sam 15,22). Unser gütiger Herr wird Ihnen,
wenn es ihm gefällt, die Erleuchtung geben, um diesen guten Weg fortzu-
setzen, auf dem Sie sich befinden: haben Sie nur guten Mut.
Es freut mich sehr zu sehen, wie hoch Sie das Gut schätzen, Gott die-
nen zu dürfen, denn es ist dies ein Zeichen, daß Sie es mit aller Kraft in
Angriff nehmen. Ebenso freue ich mich, daß Sie die Ihrigen zufrieden-
stellen und daß Sie freudig leben, denn Gott ist der Gott der Freude. Tun
Sie nur so weiter und zwar beharrlich, denn die Krone ist denen be-
stimmt, die ausharren (Mt 10,22; Offb 2,10).
O meine sehr liebe gnädige Frau, meine gute Schwester, dieses Leben
ist kurz, der Lohn aber für das, was darin geschieht, ist ewig (2 Kor 4,17).
Handeln wir gut, stimmen wir dem Willen Gottes bei; er sei der Stern,
auf den sich unsere Augen während dieser Seereise heften; dann können
wir nur gut ankommen. Ich bitte Gott, unseren Heiland, er möge in
Ihnen und Sie in ihm leben und herrschen.
Ich habe gerade Ihren letzten Brief erhalten, auf den ich nicht mehr
antworten kann. Ich will Ihnen nur sagen, daß der Verkehr mit Hugenot-
ten nicht absolut verboten ist für jene, die unter ihnen wohnen. Aber man
soll wirklich soviel als möglich davon Abstand nehmen; denn für ge-
wöhnlich verursacht er eine gewisse Abkühlung der Frömmigkeit. Es
besteht keine Gefahr darin, bei ihnen einzukaufen, wenn ihre Waren
besser sind als die der anderen.
Ich wünsche Ihnen tausend und abertausend Segnungen und bin, gnädi-
ge Frau, unabänderlich Ihr Ihnen in Unserem Herrn ergebener Diener.
ich Ihnen genug für den Augenblick sagen und auf eine andere Gelegen-
heit warten, Ihnen ausführlich zu schreiben.
Sie sagen mir also, daß Sie betrübt sind, weil Sie sich – wie es Ihnen
scheint – mir gegenüber nicht vollkommen genug aufschließen. Ich aber
sage Ihnen, obwohl ich keine Kenntnis habe über die Handlungen, die
Sie in meiner Abwesenheit begehen, denn ich bin kein Prophet: Ich den-
ke dennoch, daß trotz der kurzen Zeit, die ich Sie gesehen und gehört
habe, es nicht möglich ist, Ihre Neigungen und deren Triebfedern besser
zu kennen, als ich es tue. Ich meine, es gibt da wenig Falten in Ihrem
Wesen, in die ich nicht leicht eindringe; und wenn Sie mir auch nur ein
wenig die Pforte Ihres Geistes aufschließen, scheint es mir doch, daß ich
dahinter alles offen daliegen sehe. Das ist ein großer Vorteil für Sie, da
Sie mich doch zu Ihrem Heil gebrauchen wollen.
Sie beklagen sich, daß entgegen Ihrer Sehnsucht nach Vollkommen-
heit und Reinheit der Liebe zu unserem Gott vielerlei Unvollkommen-
heiten und Fehler mit Ihrem Leben vermengt sind. Ich antworte Ihnen,
daß es uns nicht möglich ist, uns gänzlich unser selbst zu begeben. Solan-
ge wir hienieden sind, müssen wir uns selbst ertragen, bis Gott uns in den
Himmel trägt, und während wir uns ertragen, tragen wir nichts von Wert.
Wir müssen also Geduld haben und dürfen nicht denken, wir könnten an
einem Tag soviel üble Gewohnheiten ablegen, die wir durch unsere ge-
ringe Sorge um unsere geistige Gesundheit angenommen haben. Gott
hat wohl einige plötzlich geheilt, ohne ihnen eine Spur ihrer vorherge-
gangenen Krankheit zurückgelassen zu haben, wie er es an Maria Magda-
lena tat, die in einem Augenblick von einer Kloake von Verworfenheit
verwandelt wurde in einen reinen Quell von Vollkommenheit, der von
diesem Augenblick an niemals mehr getrübt wurde. Der gleiche Gott hat
aber auch an vielen seiner ihm teuren Jünger vielerlei Spuren ihrer
schlechten Neigungen noch einige Zeit nach ihrer Bekehrung belassen,
und das alles zu ihrem größeren Gewinn. Beweis hierfür ist der hl. Pe-
trus, der seit der ersten Berufung mehrere Male in Unvollkommenhei-
ten fiel und durch seine Verleugnung einmal völlig zusammenbrach und
ganz elend handelte (Mt 26,69-74).
Salomo sagt (Spr 30,21,23), eine Magd, die plötzlich Herrin wird,
werde leicht ein überhebliches Wesen. Es bestünde daher auch für die
Seele, die lange Zeit ihren eigenen Leidenschaften und Neigungen ge-
dient hat, große Gefahr, stolz und eitel zu werden, wenn sie in einem
Augenblick völlig Herrin über sich würde. Wir müssen uns daher nach
und nach und Schritt für Schritt die Beherrschung derselben erwerben,
II. Brulart 277 91
auf deren Erreichung manche heilige Frauen und Männer Dutzende Jah-
re angewandt haben. Daher heißt es, ich bitte Sie, Geduld haben mit
allem, in erster Linie aber mit sich selbst.
Sie tun nichts im Gebet, sagen Sie mir. Aber was möchten Sie denn
dabei anderes tun, als Sie bereits tun, nämlich Ihre Nichtigkeit und Ihr
Elend Gott vorzustellen und darzustellen? Die schönste Ansprache hal-
ten uns die Bettler, wenn sie ihre Geschwüre und Nöte unserem Auge
enthüllen. Manchmal aber, sagen Sie, tun Sie nichts von alledem, son-
dern verharren nur da wie ein Luftgebilde und eine Statue. Nun, das ist
gar nicht wenig. In den Palästen der Fürsten und Könige stellt man Statu-
en auf, die nur dazu dienen, das Auge des Fürsten zu erfreuen. Begnügen
Sie sich also damit, als eine solche Statue in der Gegenwart Gottes zu
dienen, er wird sie beleben, wenn es ihm gefällt.
Die Bäume tragen nur unter der Einwirkung der Sonne Früchte, die
einen früher, die anderen später, die einen alle Jahre, die anderen alle
drei Jahre und nicht immer in der gleichen Weise. Wir sind doch recht
glücklich, in der Gegenwart Gottes bleiben zu dürfen, und sollen uns
damit begnügen, daß diese uns früher oder später, alle Tage oder manch-
mal Frucht tragen läßt, ganz nach seinem Wohlgefallen, in das wir uns
gänzlich fügen sollen.
Sie sagen mir da ein wunderbares Wort: es ist mir völlig eins, in welche
Sauce Gott mich nach seinem Willen legt, wenn ich ihm nur dienen
kann. Aber achten Sie darauf, dies so recht und gründlich in Ihrem Geist
zu überdenken; verkosten Sie langsam seine Bedeutung und schlucken
Sie es nicht als ganzes hinunter. Die Mutter Theresia, die Sie so sehr
lieben, worüber ich mich freue, sagt an irgendeiner Stelle, daß wir recht
oft solche Worte aus Gewohnheit und einer gewissen Gedankenlosigkeit
heraus sagen und meinen, es käme uns aus tiefstem Herzen, obwohl dem
nicht so ist, wie wir nachher in unserem Handeln sehen. Gut, Sie sagen
mir, es sei Ihnen völlig eins, in welche Sauce Gott Sie legt. Nun, Sie
wissen wohl, in welche Sauce, in welchen Stand und in welche Lebens-
weise er Sie gestellt hat; sagen Sie mir doch, ist Ihnen das völlig eins? Sie
wissen doch ebenso gut, daß er diese tägliche Schuld, von der Sie mir
schreiben, von Ihnen bezahlt sehen will, und doch ist Ihnen das nicht
völlig eins. Mein Gott, wie geschickt schleicht sich doch die Eigenliebe
in unsere Empfindungen ein, so fromm sie auch scheinen und aussehen
mögen!
Das ist die Hauptsache: Wir müssen schauen, was Gott will, und wenn
wir das erkennen, müssen wir versuchen, es froh oder zumindest mutig
92 II. Brulart 277
zu tun; und nicht nur das, wir müssen auch diesen Willen Gottes und die
Verpflichtung lieben, die sich uns daraus ergibt, und müßten wir unser
ganzes Leben lang Schweine hüten und die niedrigsten Arbeiten von der
Welt tun; denn es soll uns völlig eins sein, in welche Sauce Gott uns
versetzt. Das ist die Mitte der Vollkommenheit, auf die wir immer zielen
sollen, und wer ihr am nächsten kommt, trägt den Preis davon. Mut, ich
bitte Sie: gewöhnen Sie Ihren Willen nach und nach daran, dem Willen
Gottes zu folgen, wohin er uns auch führt. Bringen Sie ihn dazu, daß er
sich sehr betroffen fühlt, wenn Ihr Gewissen Ihnen sagt, Gott will es, und
allmählich werden diese Widerstände, die Sie jetzt so stark verspüren,
schwächer werden und bald darauf gänzlich aufhören. Im besonderen
aber sollen Sie kämpfen, daß das innere Widerstreben nicht nach außen
zutage trete, oder es zumindest abschwächen. Unter den Zornigen und
Unzufriedenen gibt es solche, die ihr Mißfallen nur mit den Worten
ausdrücken: Mein Gott, was soll dies? Die anderen aber sagen viel schär-
fere Worte und bezeugen nicht bloß eine einfache Unzufriedenheit, son-
dern auch einen gewissen Stolz und Ärger. Ich will sagen, daß wir nach
und nach diese Äußerungen abstellen sollen, indem wir sie alle Tage
abschwächen.
Ihren Wunsch, die Ihren im Dienst Gottes und im Wunsch nach christ-
licher Vollkommenheit Fortschritte machen zu sehen, lobe ich überaus
und will, wie Sie wünschen, meine schwachen Gebete Ihren Bitten zu
Gott dafür hinzufügen. Ich muß aber, gnädige Frau, die Wahrheit beken-
nen: Ich fürchte ständig, daß in diese Wünsche, die nicht das Wesentli-
che unseres Heiles und unserer Vollkommenheit ausmachen, sich Ge-
danken von Eigenliebe und Eigenwillen hineinmengen. Wir könnten
z.B. uns so sehr bei diesen Wünschen aufhalten, die uns nicht notwendig
sind, daß wir in unserem Geist nicht genug Raum lassen für die Wün-
sche, die uns notwendiger und nützlicher sind, die nach unserer eigenen
Demut, Ergebung, Herzensgüte und ähnlichem. Wir könnten auch so
heiße Wünsche hegen, daß sie uns in Unruhe und Geschäftigkeit stürzen
und wir sie schließlich dem Willen Gottes nicht so völlig unterwerfen,
wie es unerläßlich wäre.
Ähnliches befürchte ich bei solchen Wünschen; darum bitte ich Sie,
sich recht in acht zu nehmen, um nicht solchen Unannehmlichkeiten zu
verfallen. Ich bitte Sie, auch diesen Wunsch ganz gelassen und liebevoll
zu verfolgen, d. h. ohne deshalb jenen lästig zu fallen, die Sie zu dieser
Vollkommenheit überreden wollten, ja ihnen nicht einmal Ihren Wunsch
aufzudecken, denn das würde, glauben Sie mir, der Sache eher Hinder-
II. Brulart 282 93
nisse bereiten als sie fördern. Sie müssen also, durch Beispiel und Worte,
in aller Ruhe den Samen von Dingen in sie hineinlegen, die sie zu Ihrem
Vorhaben hinführen können, ohne daß Sie sich den Anschein geben, sie
belehren oder gewinnen zu wollen, und so nach und nach heilige Einge-
bungen und Erkenntnisse in ihren Geist senken. So werden Sie viel mehr
gewinnen als auf jede andere Weise, vor allem, wenn Ihr Gebet noch
dazukommt ...
von ihm erfahren, welche Almosen und andere Akte der Nächstenliebe,
die Sie tun wollen und sollen, angemessen sind. Sie werden auch gut
daran tun, ihm in allem übrigen Ihres inneren und geistlichen Verhaltens
zu gehorchen. Damit will ich mich aber nicht meiner Pflicht entziehen,
alles beizutragen, was Gott mir an Erleuchtung und Kraft schenken wird,
denn es wäre mir nicht möglich, das heilige Band zu lösen, mit dem Gott
uns verbunden hat.
Festigen Sie alle Tage immer mehr Ihren mit soviel Liebe gefaßten
Entschluß, Gott nach seinem Wohlgefallen zu dienen und ihm ganz zu
gehören, ohne irgendetwas für Sie oder für die Welt zurückzubehalten.
Nehmen Sie seinen heiligen Willen, wie immer er sein mag, in aller
Aufrichtigkeit auf sich und denken Sie nie, Sie hätten die Reinheit des
Herzens erreicht, die Sie ihm schenken sollen, bevor Ihr Wille nicht nur
zur Gänze, sondern in allem, und sogar in den Ihnen am meisten wider-
strebenden Dingen, freiwillig und freudig sich seinem hochheiligen Wil-
len unterworfen hat. Betrachten Sie zu diesem Zweck nicht das Ausse-
hen der Dinge, die Sie tun, sondern Ihn, der sie Ihnen befiehlt, der –
wenn es ihm gefällt – seinen Ruhm und unsere Vollkommenheit aus den
unvollkommensten und schwächsten Dingen zieht (1 Kor 1,27-29).
Nein, keine Höflichkeitsfloskeln zwischen uns; unsere Bande sind nicht
aus solchen Stricken gemacht. Sie sind unveränderlich, unzerstörbar und
ewig, da wir uns im Himmel um der gleichen Liebe zu Jesus Christus
willen lieben werden, die hier unten unsere Herzen und Seelen vereint
und mich zu Ihrem sehr ergebenen und wohlgeneigten Diener macht.
durch seine Weisheit angeordnet zu werden. Mit einem Wort, wem soll-
ten sie unangenehm sein, da sie doch Gott wohlgefällig und als solche
anerkannt sind? Achten Sie darauf, meine sehr liebe Tochter, daß Sie alle
Tage reineren Herzens werden. Diese Reinheit aber besteht darin, alle
Dinge nach dem Gewicht des Allerheiligsten abzuschätzen und abzuwä-
gen, das nichts anderes ist als der Wille Gottes.
Lieben Sie bitte nichts allzusehr, nicht einmal die Tugenden, die man
manchmal einbüßt, wenn man sie übertreibt. Ich weiß nicht, ob Sie mich
verstehen, aber ich denke schon; habe ich doch Ihre Wünsche und Ihren
Eifer vor Augen. Es scheint mir für die Rosen nicht charakteristisch zu
sein, daß sie weiß sind, denn die purpurfarbenen sind schöner und duften
mehr; weiß zu sein, zeichnet vielmehr die Lilie aus. Seien wir doch, was
wir sind, und seien wir es gut, um dem Meister Ehre zu machen, dessen
Werk wir sind (Eph 2,10). Man machte sich über den Maler lustig, der
ein Pferd malen wollte, statt dessen aber einen Stier ausgezeichnet dar-
stellte. Das Werk an sich war schön, machte aber dem Künstler wenig
Ehre, der doch etwas anderes darstellen wollte und nur durch Zufall
etwas Gutes zustandebrachte. Seien wir das, was Gott will, vorausge-
setzt, daß wir ihm gehören, und seien wir nicht das, was wir gegen seine
Absicht sein wollen; denn wozu würde es dienen, wenn wir die vortreff-
lichsten Geschöpfe des Himmels wären, aber nicht in Übereinstimmung
mit dem Willen Gottes? Ich spreche vielleicht zuviel davon, will es aber
nicht mehr so häufig sagen, da doch Unser Herr selbst Sie in dieser
Hinsicht bereits sehr gestärkt hat.
Tun Sie mir die Liebe, mich über den Gegenstand Ihrer Betrachtungen
für das gegenwärtige Jahr zu unterrichten; es wird mich freuen, ihn zu
kennen und die Früchte, die sie in Ihnen hervorbringen. Seien Sie fröh-
lich in Unserem Herrn, meine liebe Schwester, und bewahren Sie Ihr
Herz in Frieden. Ich grüße Ihren Herren Gemahl und bin ohne Ende,
gnädige Frau, Ihr Ihnen sehr zugeneigter und treuer Diener und Bruder.
Gnaden entsprechend sein, die Gott Ihnen erwiesen hat. Aber ich zweif-
le in keiner Weise, daß sie immer so sind und daß Sie mir Gewißheit
geben über einigen geistlichen Fortschritt in der Liebe zu Gott und zu
Ihrer Berufung. Verharren wir daher, meine Schwester, nirgendwo als
nur in Gott; außerhalb können wir ja auch keine Ruhe finden. Haben Sie
ein großes und nach oben gerichtetes Herz, das seine Ruhe und seinen
Frieden inmitten aller Ungewitter zu wahren weiß.
Seit langer Zeit habe ich keine Nachrichten von unserer guten Schwe-
ster, der Frau von Puits d’Orbe. Das bekümmert mich, denn sie ist mir so
teuer und ich kann mich einer gewissen leichten Unruhe nicht erwehren,
wenn ich nicht oft über den Zustand ihrer Seele und ihrer guten Absich-
ten unterrichtet bin, sogar im gegenwärtigen Zeitpunkt, da doch Ihr Herr
Vater selbst mir geschrieben hat, man verhandle ganz offen über die
Reform ihres Hauses. Erweisen Sie mir die Liebe, mir bei der Rückreise
dieses Boten etwas darüber zu berichten. Der Bote wird ja vielleicht
nicht so plötzlich abreisen, daß sie Ihnen nicht selbst Briefe schicken
kann, damit ich sie durch seine Vermittlung bekomme.
Ich schreibe nicht an Herrn Viardot; es genügt mir, wenn Sie sich die
Mühe nehmen, ihn in meinem Namen zu grüßen und mich ihm für die
Zeit, wann er seine Gebete verrichtet, in Erinnerung zu rufen, denen ich
mich empfehle, wie auch den Ihren.
Der Heiland der Welt lebe und herrsche in alle Ewigkeit in unseren
Herzen, meine liebe Frau Schwester, und ich bin Ihr sehr geringer Bru-
der und Diener. Ich bitte Sie, lhrem Gemahl meine besten Empfehlun-
gen auszurichten, dessen ergebener Diener ich bin, wie auch der von
Herrn und Frau von Jacot.5
in erster Linie mit uns selbst, da wir uns selbst lästiger fallen als irgend-
ein anderer, seitdem wir zu unterscheiden wissen zwischen dem alten
und dem neuen Adam, dem inneren und dem äußeren Menschen.
Sie haben also bei der Betrachtung immer das Buch in Händen, sonst
tun Sie nichts. Warum soll Sie das bekümmern? Ob mit dem Buch in
Händen und mehrmals wieder anfangend, oder ohne Buch – was liegt
daran? Als ich Ihnen sagte, Sie sollten nur eine halbe Stunde darauf
verwenden, geschah dies zu Beginn, da ich fürchtete, lhre Vorstellungs-
kraft zu überfordern; jetzt aber besteht keine Gefahr mehr, eine Stunde
darauf zu verwenden.
An dem Tag, an dem man kommuninziert hat, kann man ohne jede
Gefahr allen Arten von Geschäften nachgehen und Arbeiten leisten;
nichts zu tun, wäre gefährlicher. Denken Sie, daß die Christen in der
Urkirche, wo alle jeden Tag kommunizierten, deshalb die Arme ver-
schränkt hielten? Und der hl. Paulus, der alltäglich die heilige Messe
feierte, verdiente dennoch seinen Lebensunterhalt mit der Arbeit seiner
Hände (Apg 20,34; 1 Thess 2,9).
Von zwei Dingen allein soll man sich am Tag der Kommunion enthal-
ten: von Sünde und von Genüssen und Vergnügungen, die man selbst
aufsucht; denn jene, zu denen man verpflichtet oder genötigt ist, oder an
denen man aus ehrbarer Nachgiebigkeit teilnimmt, sind keineswegs an
diesem Tag verboten. Im Gegenteil, sie sind angeraten, sofern man dabei
eine freundliche und heilige Mäßigkeit bewahrt. Nein, ich würde nicht
davon Abstand nehmen, an diesem Tag zu einem ehrbaren Festmahl
oder zu einer anständigen Gesellschaft zu gehen, wenn ich dazu eingela-
den wäre, obwohl ich sie von mir aus nicht aufsuchen würde. Ein anderes
Beispiel: Verheiratete Leute können an diesem Tag wohl ihre ehelichen
Pflichten erfüllen, ja sie sollen es; sie zu fordern allerdings wäre eine
gewisse Ungebührlichkeit, jedoch keine schwere Sünde. Ich bringe ab-
sichtlich dieses Beispiel.6
Sie fragen mich, ob jene, die sich um Vollkommenheit bemühen, so-
viel von der Welt sehen können. Die Vollkommenheit, meine liebe Dame,
besteht nicht darin, die Welt nicht zu sehen, wohl aber darin, nicht Ge-
schmack an ihr zu finden und sie nicht zu genießen. Gefahr ist alles, was
unser Blick uns zeigt, denn wer die Welt sieht, ist irgendwie in Gefahr,
sie zu lieben; wer aber fest, bestimmt und entschlossen ist, dem schadet
ein solcher Blick nicht. Mit einem Wort, meine Schwester, die Vollkom-
menheit der Liebe ist die Vollkommenheit des Lebens, denn das Leben
unserer Seele ist die Liebe. Unsere ersten Christen waren dem Leib nach
98 II. Brulart 331
in der Welt, nicht aber mit dem Herzen, und das hinderte sie nicht, recht
vollkommen zu sein.
Meine liebe Schwester, ich möchte keine Verstellung in uns sehen;
keine richtige Verstellung nämlich. Geradheit und Einfachheit sind die
uns eigenen Tugenden. Mich ärgern aber, sagen Sie, falsche Beurteilun-
gen meiner Person, die doch nichts Wertvolles tut, man glaubt es aber;
und Sie fragen mich nach Abhilfe. Nun, meine liebe Tochter, die Heili-
gen haben mich dazu folgendes gelehrt: wenn die Welt uns verachtet,
dann freuen wir uns darüber, denn das geschieht mit Recht, denn wir
erkennen recht wohl, wie verachtenswert wir sind; wenn die Welt uns
aber hochschätzt, dann schätzen wir diese Hochschätzung und dieses
Urteil gering ein, denn die Welt ist blind. Fragen Sie wenig danach, was
die Welt denkt, machen Sie sich keinerlei Sorgen darüber, schätzen Sie
deren Achtung oder Verachtung nur gering ein und lassen Sie sie reden,
was sie will, ob Gutes oder Schlechtes.
Ich billige also nicht, daß man Fehler begehe, um eine schlechte Mei-
nung von sich zu verursachen, das heißt doch immerhin Fehler begehen
und Ursache sein, daß auch der Nächste Fehler begehe. Ich möchte im
Gegenteil, daß wir, die Augen auf Unseren Herrn geheftet, unsere Pflich-
ten erfüllen, ohne darauf zu achten, was die Welt davon denkt oder wel-
che Miene sie dazu macht. Man kann es wohl meiden, eine gute Meinung
über sich zu verursachen; man darf aber nicht trachten, eine schlechte zu
verursachen, vor allem nicht durch eigens zu diesem Zweck begangene
Fehler. Mit einem Wort, mißachten Sie fast in gleicher Weise die Mei-
nung der Welt über Sie und machen Sie sich darüber keine Sorgen. Es ist
gut zu sagen, daß man nicht das ist, was die Welt denkt, wenn sie Gutes
über Sie denkt; denn die Welt ist ein Scharlatan, sie sagt immer zuviel,
im Guten wie im Bösen.
Aber was sagen Sie mir da? Daß Sie die anderen beneiden, die ich
Ihnen vorziehe? Und das Schlimmste ist: Sie sagen, das wüßten Sie si-
cher. Wieso wissen Sie das wohl, meine liebe Schwester? Worin bevor-
zuge ich die anderen? Nein, glauben Sie mir, Sie sind mir lieb, sehr lieb;
und ich weiß, daß Sie die anderen nicht mir vorziehen, obwohl Sie es
müßten. Aber ich will zu Ihnen im Vertrauen sprechen. Unsere beiden
Schwestern auf dem Land7 bedürfen mehr des Beistandes als Sie, die Sie
in der Stadt sind, wo Sie überreichlich Übungen, Ratschläge und alles
Nötige finden, während jene niemand haben, der ihnen hilft.
Und was unsere Schwester von Puits d’Orbe betrifft, sehen Sie nicht,
daß sie allein ist, da sie nicht geneigt ist, zu jenen Vertrauen zu haben und
II. Brulart 338 99
sich ihnen unterzuordnen, die Ihr Herr Vater ihr vorschlägt, Ihr Herr
Vater aber wiederum jene nicht billigt, die wir ihm vorschlagen? Denn
nach dem, was sie mir schreibt, kann Ihr Herr Vater die Wahl des Herrn
Viardot nicht billigen.8 Muß ich da nicht mehr Mitgefühl haben mit
diesem armen geprüften Wesen als mit Ihnen, die Sie, Gott sei Dank,
soviele Möglichkeiten haben? ...
ist“ (Röm 8,20) und in Unordnung, wenn ihm nicht ein besonderer Bei-
stand der Wahrheit zuteil wird.
Auf alles übrige, was sie mir schrieb, habe ich in den vorhergehenden
Briefen geantwortet, die Sie ihr sicher übergeben haben. Es bleibt mir
nur noch zu sagen, meine sehr liebe Schwester, daß der sicherste Weg zur
Frömmigkeit der ist, der zu Füßen des Kreuzes verläuft: Demut, Ein-
fachheit und Herzensgüte.
Gott sei immerdar in ihrem Herzen; ich bin in ihm und durch ihn,
gnädige Frau, Ihr Ihnen ergebener Diener und Bruder.
schreiben, noch auch an unsere Frau Äbtissin. Ich will also kurz auf Ihre
Fragen Antwort geben.
Kommunizieren Sie ganz ruhig nach dem Rat der Herren de Bérulle14
und Gallemand, da Sie sich dazu hingezogen und darin getröstet fühlen,
und sorgen Sie sich keineswegs, daß Sie bei Ausübung Ihrer Standes-
pflichten etwas Ungebührliches begehren; denn es gibt da, meine liebe
Tochter, keine Ungebührlichkeit, sondern nur einen Schein davon. Die-
se Pflichtleistung ist vor den Augen Gottes keineswegs unanständig; sie
ist ihm im Gegenteil recht, heilig, verdienstvoll, zumindest für den Teil,15
der seine Pflichten erfüllt und nicht den Verkehr sucht, sondern nur
nachgibt, um dem zu gehorchen, dem Gott die Autorität verliehen hat, in
dieser Hinsicht Gehorsam zu verlangen.
Meine liebe Tochter, wir dürfen die Dinge nicht nach unserer Auffas-
sung, sondern nach der Gottes beurteilen. Das ist das große Wort: wenn
wir nach unserem Willen heilig sind, werden wir es niemals richtig sein,
sondern wir müssen es nach dem Willen Gottes sein. Der Wille Gottes
aber ist es, daß Sie aus Liebe zu ihm ganz frei so handeln: daß Sie aufrich-
tig die Erfüllung Ihrer Standespflichten lieben. Ich sage: Sie sollen sie
lieben und gern tun, nicht wegen des äußerlichen Aktes, der an sich
Wollust sein kann, sondern wegen seines inneren Wesens, weil Gott ihn
angeordnet hat, weil sich unter dieser niedrigen äußeren Schale der Wil-
le Gottes vollzieht. Mein Gott, wie oft täuschen wir uns doch!
Ich sage Ihnen nochmals, daß wir nicht auf die äußere Beschaffenheit
der Handlungen schauen sollen, sondern auf die innere, d. h. ob Gott es
will oder nicht.
Die weltlichen Anschauungen vermischen und vermengen sich immer
wieder mit unseren Gedanken. Im Haus eines Fürsten gilt es nicht so-
viel, ein Küchenjunge zu sein als ein Kammerherr; im Haus Gottes aber
sind die Küchenjungen und -mägde oft viel würdiger; wenn sie sich auch
schmutzig machen, tun sie dies doch aus Liebe zu Gott, d. h. seinem
Willen und seiner Liebe zuliebe. Und dieser Wille verleiht unseren Hand-
lungen ihren Wert, nicht das Äußere.
Ich bin oft genug beschämt, wenn ich dies erwäge, da ich doch einen so
hohen Rang im Dienst Gottes habe. O Gott, sollen also Handlungen, die
nach außenhin niedrig sind, doch reich an Verdienst sein – und meine
Predigten, Firmungen, nach außenhin so hoch erhaben, doch so niedrig
an Verdienst für mich, wegen des Mangels an Liebe und Hingabe?
Ich habe dies so gesagt, damit Sie wissen sollen, daß die Kommunion
104 II. Brulart 361
in keiner Weise unvereinbar ist mit dem Gehorsam, in welcher Art von
Handlung man ihn auch übt. In der Urkirche kommunizierte man alle
Tage16 und doch verlangte der hl. Paulus von den Verheirateten, daß sie
einander nicht der ehelichen Pflicht entziehen dürften (1 Kor 7,25). Das
sei ein für allemal gesagt und es mag Ihnen genügen, daß dies die reine
Wahrheit ist.
Aber sündigt nicht der begehrende Teil, wenn er weiß, daß der andere
kommuniziert hat? Wieder sage ich nein, keineswegs, vor allem, wenn
die Kommunionen häufig sind. Was ich von der Urkirche gesagt habe,
legt Zeugnis dafür ab und der Grund hierfür ist ganz klar. Ja mehr noch:
selbst wenn der kommunizierende Teil am Tag der Kommunion den
Verkehr suchte, wäre es nur eine sehr läßliche und leichte Sünde17 wegen
ein wenig Unehrerbietigkeit, die da hineinspielen könnte. Aber nicht zu
begehren, sondern nur nachzugeben, ist ein großes Verdienst und die
Gnade der Kommunion wird dadurch nur wachsen, anstatt sich zu ver-
mindern. Doch genug davon.
Was die Almosen betrifft, müssen Sie wissen, ob es in der Absicht
Ihres Gatten liegt, wenn Sie solche spenden im Verhältnis zu Ihrem Ver-
mögen und den Mitteln Ihres Hauses. Und da Sie das, scheint mir, bejaht
haben, gibt es keine Schwierigkeit, nicht nur, daß Sie es tun können,
sondern es sogar tun sollen. Die Größe der Almosen kann niemand bes-
ser beurteilen als Sie selbst. Sie müssen Ihre Mittel und Verpflichtungen
erwägen und daraufhin Ihre Almosen nach der Bedürftigkeit der Armen
abstimmen; denn in Zeiten von Hungersnot soll man bei knapper Ver-
sorgung des Hauses freizügiger schenken; in Zeiten des Überflusses ist
es weniger erforderlich und mehr erlaubt, Vorräte anzulegen.
Es ist gleichgültig, ob die Beichte schriftlich niedergelegt wird; was Sie
anlangt, so versichere ich Ihnen, daß Sie dies nicht tun brauchen, denn
ich erinnere mich, wie genau Sie die Generalbeichte abgelegt haben,
auch ohne sie niederzuschreiben. Ja, viele billigen es nicht, daß man sie
niederschreibt, das heißt, sie wollen lieber, daß man sich mit freien Wor-
ten anklagt. Jahresbeichten sind gut, denn sie bringen uns zur Erwägung
unserer Armseligkeit, lassen uns erkennen, ob wir Fortschritte machen
oder zurückfallen, lassen uns lebhafter unsere guten Vorsätze erneuern.
Man muß sie aber ohne Unruhe und Skrupel ablegen, nicht so sehr, um
losgesprochen, als um ermutigt zu werden, und die Gewissenserforschung
braucht dabei nicht so genau, sondern nur im großen gemacht werden.
Wenn Sie die Jahresbeichten so ablegen können, rate ich Ihnen dazu;
wenn nicht, dann wünsche ich nicht, daß Sie dies tun.
II. Brulart 367 105
Meine liebe Schwester, Sie baten mich noch um eine kleine Zusam-
menstellung der einer verheirateten Frau eigenen Tugenden; dazu habe
ich jedoch jetzt nicht die nötige Zeit. Eines Tages will ich Ihnen darüber
etwas schriftlich niederlegen, denn ich wünsche Ihnen von ganzem Her-
zen zu dienen; und obgleich ich weiß, daß es Ihnen bei Ihrer Verbindung
mit so vielen heiligen und gelehrten Seelen an guten Ratschlägen nicht
mangelt, will ich Ihnen doch auch meinen Ratschlag geben, da Sie ihn
wünschen.
Meine Schwester wird nicht so bald zu Ihnen zurückgebracht werden
können, da meine Mutter sie unserer Frau Äbtissin noch für dieses Jahr
überläßt.18 Sie erweisen diesem jungen und schlichten Geschöpf zuviel
Ehre, daß Sie es bei sich wünschen, aber meine Mutter hält das Leben auf
dem Land für die Mädchen dieses Landes für günstiger als das Leben in
der Stadt; das ließ sie auch den Entschluß fassen, eher Frau von Chantal
damit zu belästigen als Sie. Ich meinerseits halte Sie beide für so sehr
miteinander verbunden, daß ich – bei welcher sie auch sein mag – glau-
ben werde, sie sei auch bei der anderen.
Welcher Trost, zu wissen, daß Ihr Gemahl mehr und mehr aus dem
Zusammensein mit Ihnen Sanftmut und Güte gewinnt. Das ist gleich
eine der Tugenden einer verheirateten Frau und die einzige, auf die der
hl. Paulus hinweist (Tit 2,3-5).
Ich bitte Sie, meine liebe Tochter, behandeln Sie mich nicht so förm-
lich, denn ich bin aufrichtig der Ihre. Unser Herr sei immerdar Herz,
Seele und Leben unserer Herzen. Amen.
mir, welch weiten Weg sie noch für die ganze Reise zurückzulegen ha-
ben, sondern nur den Weg von einem Tag zum andern; und so sehr auch
unsere Schwester nach der Vollendung der Reform dürstet, darf man sie
darauf doch nicht drängen, denn das würde sie schwindelig machen. Man
muß ihr im Gegenteil Geduld und einen langen Atem anraten; andern-
falls wird sie wollen, daß alles auf einmal geschehe, und würde, wenn
irgendwelche Verzögerung dabei eintritt, ungeduldig werden und alles
aufgeben. Es besteht natürlich Grund genug, sich damit zufriedenzuge-
ben, was Unser Herr bis jetzt eingegeben hat; man muß ihm dafür Dank
sagen und um mehr bitten.
Meine kleine Schwester überlasse ich Ihnen und mache mir ihretwe-
gen keinerlei Sorge. Ich möchte aber nicht, daß unser Vater Angst hätte,
sie werde zu fromm, welche Angst er ja immer ihretwegen hegte, denn
ich bin sicher, daß sie in dieser Beziehung nicht durch Maßlosigkeit
sündigen wird.
Mein Gott, welch guten Vater19 haben wir doch und welch vorzügli-
chen Gatten haben Sie! Ach, sie wachen beide ein wenig eifersüchtig
über ihren Machtbereich und ihre Herrschaft, die ihnen irgendwie ver-
letzt dünkt,20 wenn man etwas ohne ihr Machtwort und ihren Befehl tut.
Was wollen Sie, man muß diese kleine Menschlichkeit verstehen. Sie
wollen die Herren sein, und haben sie nicht recht? Ja gewiß in dem, was
den Dienst betrifft, den Sie ihnen schulden; die guten Herren aber be-
denken nicht, daß man für das Wohl der Seele den geistlichen Leitern
und Ärzten Glauben schenken muß und daß Sie, ungeachtet der Rechte,
die sie auf Sie haben, Ihr inneres Wohl durch Mittel sichern sollen, die
von den zur Seelenführung eingesetzten Personen als geeignet angesehen
werden. Trotz alledem aber muß man ihren Wünschen oft nachgeben,
ihre kleinen Gemütsstimmungen ertragen und, so gut man kann, nachge-
ben, ohne unsere guten Vorsätze aufzugeben. Diese Willfährigkeit wird
Unserem Herrn wohlgefallen. Ich habe Ihnen schon anderswo einmal
gesagt: Je weniger wir nach unserem Geschmack leben und je weniger
eigene Wahl in unseren Handlungen steckt, desto besser und gefestigter
ist unsere Frömmigkeit. Es ist manchmal notwendig, Unseren Herrn zu
lassen aus Liebe zu ihm und um den anderen angenehm zu sein.
Nein, ich kann mich nicht zurückhalten, meine liebe Tochter, Ihnen
meine Gedanken zu sagen; ich weiß, daß Sie alles gut finden werden, was
meiner Aufrichtigkeit entspringt. Vielleicht haben Sie diesem guten Va-
ter und diesem guten Gatten Veranlassung gegeben, sich um Ihre Fröm-
migkeit zu sorgen und sich dagegen aufzulehnen? Was weiß ich, etwa
II. Brulart 367 107
dadurch, daß Sie ein wenig zu geschäftig und übereifrig waren und sie
selbst drängen und zu etwas zwingen wollten. Wenn dem so ist, so ist dies
zweifellos der Grund, warum sie sich jetzt dagegen auflehnen. Wenn
möglich, sollen wir vermeiden, daß unsere Frömmigkeit unangenehm
wird.
Ich will Ihnen also jetzt sagen, was Sie tun sollen. Wenn Sie können,
kommunizieren Sie, ohne Ihre beiden Vorgesetzten zu beunruhigen; tun
Sie das auf den Rat Ihrer Beichtväter hin. Wenn Sie aber fürchten, diese
dadurch aufzuregen, dann begnügen Sie sich mit der geistlichen Kom-
munion. Glauben Sie mir, diese geistliche Abtötung, dieses Entbehren
Gottes wird Gott überaus wohlgefällig sein und ihn in Ihr Herz weit
eindringen lassen. Man muß manchmal ein paar Schritte zurück ma-
chen, um dann besser vorwärts springen zu können. Ich habe oft die
äußerste Ergebenheit des hl. Johannes des Täufers bewundert, der so
lange in der Wüste, ganz nahe Unserem Herrn blieb, ohne sich zu beei-
len, ihn zu sehen, ihn anzuhören und ihm nachzufolgen. Und wie kann er
ihn dann, nachdem er ihn gesehen und getauft hatte, gehen lassen, ohne
sich an seine körperliche Gegenwart zu klammern, da er mit ihm doch
im Herzen so innig verbunden war? Aber er wußte, daß dem Herrn eben
durch diese Entbehrung der tatsächlichen Gegenwart von ihm gedient
war. Ich will sagen, daß Sie für ein Weilchen Gott dadurch dienen, daß
Sie, um das Herz dieser beiden ihnen von ihm gegebenen Vorgesetzten
zu gewinnen, Verzicht auf die wirkliche Kommunion leisten. Es wäre
mir ein großer Trost, zu wissen, daß dieser Rat Ihr Herz nicht in Unruhe
versetzte. Glauben Sie mir, dieser Verzicht, diese Selbstverleugnung wird
Ihnen überaus nützlich sein.
Doch werden Sie heimlich Gelegenheit zur Kommunion finden kön-
nen; denn vorausgesetzt, daß Sie dem Willen dieser beiden Personen
nachgeben und willfahren und daß Sie diese nicht ungeduldig machen,
gebe ich Ihnen keine andere Regel für Ihre Kommunion als die, welche
Ihre Beichtväter Ihnen geben. Diese sehen den augenblicklichen Zu-
stand Ihres Inneren und können erkennen, was für Ihr Wohl erforderlich
ist. Das gleiche antworte ich für Ihre Tochter: Lassen Sie diese die hoch-
heilige Kommunion bis Ostern ersehnen, da sie vor diesem Zeitpunkt
diese nicht empfangen kann, ohne ihren guten Vater aufzuregen; Gott
wird ihr dieses Warten lohnen.
Wie ich sehe, sind Sie jetzt richtig auf die Probe gestellt, Ergebung und
Gleichmut zu üben, da Sie Gott nicht nach Ihrem Willen dienen kön-
nen. Ich kannte eine Dame,21 eine der größten Seelen, die mir je begegnet
108 II. Brulart 367
sind, die lange Zeit in einer solchen Unterwerfung unter die Launen
ihres Gatten verharrte, daß sie auf der Höhe ihrer Hingabe an Gott und
ihrer Andachtsgluten dekolletierte Kleider tragen mußte, außenhin mit
Schmuck überladen wurde und außer zu Ostern stets nur heimlich und
verborgen kommunizieren konnte; andernfalls hätte sie tausendfachen
Sturm in ihrem Haus heraufbeschworen. Und auf diesem Weg ist sie
sehr hoch hinaufgestiegen, wie ich weiß, der ich recht oft ihr Beichtvater
gewesen bin. Töten Sie sich daher freudig ab und tun Sie in dem Maße,
als Sie verhindert sind, das Gute zu tun, das Sie wünschen, um so eifriger
das Gute, das Sie nicht wünschen (Röm 7,15.19). Sie wünschen nicht
diese Verzichte, sondern andere; aber leisten Sie die, die Sie nicht wün-
schen, denn diese sind umso wertvoller.
Die von des Portes übersetzten oder nachgedichteten Psalmen Davids
sind Ihnen in keiner Weise verboten oder schädlich, sondern im Gegen-
teil von Nutzen. Lesen Sie diese getrost und ohne Bedenken, denn es gibt
keine hierbei. Ich widerspreche nicht gern anderen, aber ich weiß gut,
daß diese Psalmen Ihnen keineswegs verboten sind und daß Sie sich nie
Skrupel deswegen machen sollen. Es kann geschehen, daß irgendein gu-
ter Pater nicht damit einverstanden ist, daß seine geistlichen Kinder sie
lesen, und vielleicht tut er das aus guten Erwägungen heraus. Aber das
hindert nicht, daß andere nicht auch gute, ja sogar bessere Gründe haben
können, sie ihren geistlichen Kindern anzuraten. Eines ist sicher, daß Sie
diese mit gutem Gewissen lesen können, wie Sie ja auch in das Kloster
von Puits d’Orbe ohne Skrupel eintreten können. Es liegt aber kein
Grund vor, Ihnen eine Strafe für diese Skrupel aufzugeben, denn die
Skrupel selbst sind schon Strafe genug für jene, die sie haben und darun-
ter leiden, so daß man keine weitere aufgeben muß. – Alcantara ist für
das äußerliche Gebet sehr gut.
Halten Sie Ihr Herz recht weit offen, um darin alle Arten von Kreuz,
Verzicht und Abtötung aus Liebe zu Ihm aufzunehmen, der so viele für
Sie auf sich genommen hat. Möge sein heiliger Name immerdar geprie-
sen sein und sein Reich feststehen in alle Ewigkeit.
Ich bin in ihm und durch ihn Ihr (und mehr noch als Ihr) Bruder und
Diener.
Ich denke, daß es mir möglich ist, so viele Steine aus dem Weg zu
räumen, daß ich mich nächstes Jahr freimachen kann, um unser Puits
d’Orbe zu sehen; deswegen aber braucht unsere Schwester nicht damit
zu warten, das ganz behutsam zu tun, was für das Wohl ihres Klosters
getan werden kann. Herr Viardot hat mir, und zwar ziemlich herzlich
II. Brulart 384 109
väter handeln, aber da diese nicht der gleichen Meinung sind, will ich
Ihnen sagen, was ich unserer Frau von Chantal sagte: Bei hohen Festta-
gen soll man ungeachtet der gewöhnlichen Kommunion nicht verabsäu-
men, diese durch eine außergewöhnliche Kommunion zu feiern; denn
wie könnten wir ein hohes Fest ohne dieses Festmahl recht feiern? Ich
verwies Sie deshalb an Ihre Beichtväter, weil ich die besonderen Um-
stände Ihres Wunsches nicht klar erkenne. Ich weiß wohl, daß Sie bei den
Karmelitern, bei den Jesuiten und in Ihrer Pfarre recht fähige Beichtvä-
ter haben.
In keiner Weise dürfen Sie diese vielen Gedanken bekämpfen, die Ih-
ren Geist plagen, denn wann wären Sie damit fertig, sich ihrer, eines nach
dem anderen, zu entledigen? Sie müssen sie nur von Zeit zu Zeit, ich will
sagen, mehrere Male am Tag, alle gemeinsam verleugnen und im großen
und ganzen zurückweisen; dann lassen Sie den bösen Feind nur an Ihrer
Herzenstür Lärm schlagen, soviel er will; das macht nichts aus, sofern er
nicht Einlaß findet. Bleiben Sie also inmitten der Kämpfe in Frieden
und beunruhigen Sie sich nicht, denn Gott ist für Sie. Ich flehe ihn an, er
möge Sie ganz ihm zugehörig machen und für ihn da sein lassen. Amen.
Ich bin unablässig und immerdar Ihr recht ergebener Bruder und Die-
ner.
Sie haben recht, sich des Luxus und des Prunkes anzuklagen, den Sie
bei allen Gesellschaften zur Schau tragen. Suchen Sie Maß zu halten und
bemühen Sie sich, folgende Regel zu beobachten: Sie sollen derart han-
deln, daß Sie im Hinblick auf Ihren Rang und den Ihrer Gesellschaft
weder wie die am wenigsten liberalen und großzügigen Personen Ihres
Standes handeln, noch auch wie die großzügigsten und liberalsten. Ich
selbst neige zu diesem Laster, aber ich hüte mich streng davor. Freilich
dienen mir dabei die kirchlichen Vorschriften als Gesetz und Sicherung.
Punkten vor, jedoch ohne eine andere Vorstellung, als erforderlich ist,
um Ihren Geist zu sammeln. Ich weiß wohl, daß man gut tut, wenn man
durch eine glückliche Fügung Gott findet, dabei zu bleiben, daß man auf
ihn schaut und bei ihm verweilt. Ich denke aber nicht, meine liebe Toch-
ter, daß es für uns Anfänger gut ist, zu denken, daß wir immer so uner-
wartet und unvorbereitet Gott begegnen. Ich denke, wir haben es mehr
nötig, die Tugenden des Kreuzes eine nach der anderen und im einzelnen
zu erwägen, als sie im großen und ganzen und gemeinsam zu bewundern.
Wenn Gott, nachdem wir unseren Geist dieser demütigen Vorbereitung
unterzogen haben, uns dennoch keine süßen und liebeerfüllten Gefühle
schenkt, dann müssen wir eben in Geduld weiterhin unser Brot ganz
trocken essen und unsere Pflicht erfüllen, ohne momentane Belohnung.
Ich bin erfreut, zu wissen, daß Sie sich wegen Ihrer Beichten an den
guten Pater Gentil wenden können. Ich kenne seinen guten Ruf und
weiß, welch guter und sorgsamer Diener Unseres Herrn er ist. Sie tun
also gut daran, Ihre Beichten bei ihm fortzusetzen und die guten Rat-
schläge anzunehmen, die er Ihnen geben wird, je nachdem Sie derer be-
dürfen.
Ich möchte nicht, daß Sie Ihr Fräulein Tochter zu einer so häufigen
Kommunion aufmuntern,23 da sie nicht recht abzuwägen weiß, was eine
solch häufige Kommunion bedeutet. Es ist ein Unterschied, ob man die
Kommunion von anderen Übungen, oder die häufige Kommunion von
der seltenen unterscheiden kann. Wenn diese junge Seele richtig zu beur-
teilen vermag, daß man viel Reinheit und Eifer haben muß, um häufig
die heilige Kommunion empfangen zu können, und wenn sie danach
verlangt und bestrebt ist, sich mit diesen Tugenden zu schmücken, dann
bin ich schon der Meinung, daß man sie oft, das heißt alle vierzehn Tage,
daran teilnehmen läßt. Aber wenn sie nur Eifer für die Kommunion,
nicht aber für die Abtötung der kleinen Unvollkommenheiten der Ju-
gend an den Tag legt, wird es, denke ich, genügen, sie alle acht Tage
beichten und einmal im Monat kommunizieren zu lassen. Meine liebe
Tochter, ich denke schon, daß die Kommunion das große Mittel ist, um
die Vollkommenheit zu erlangen; aber man muß sie mit dem Wunsch
und Bestreben empfangen, aus dem Herzen alles zu tilgen, was dem miß-
fällt, den wir beherbergen wollen.
Bleiben Sie beharrlich dabei, sich tapfer zu überwinden bei diesen
kleinen täglichen Ärgerlichkeiten, die Ihnen zustoßen; richten Sie Ihre
Bestrebungen hauptsächlich darauf. Sie müssen wissen, daß Gott für den
Augenblick nichts von uns will als das; bemühen Sie sich also gar nicht,
112 II. Brulart 404
anderes zu tun. Säen Sie Ihre Bestrebungen nicht in den Garten des Näch-
sten, sondern bepflanzen Sie nur recht Ihren eigenen. Wünschen Sie nicht,
das nicht zu sein, was Sie sind, sondern wünschen Sie, recht gut das zu
sein, was Sie sind; richten Sie Ihre Gedanken darauf, sich darin zu ver-
vollkommnen und die kleinen oder großen Kreuze zu tragen, auf die Sie
dabei stoßen. Glauben Sie mir, das ist das wichtigste und doch am wenig-
sten verstandene Wort der geistlichen Führung. Jeder lebt nach seinem
Geschmack; wenige Menschen aber leben ihrer Pflicht und dem Sinn
Unseres Herrn entsprechend. Wozu dient es, Schlösser in Spanien zu
bauen, da wir in Frankreich wohnen müssen? Das ist meine alte Lehre
wieder, und Sie verstehen sie wohl; sagen Sie mir, meine liebe Tochter,
ob Sie diese gut in die Tat umsetzen.
Ich bitte Sie, regeln Sie Ihre Übungen und beachten Sie dabei gut die
Wünsche Ihres Oberhauptes. Machen Sie sich über die leichtfertigen
Angriffe lustig, durch die Ihnen der böse Feind die Welt so vorstellt, als
ob Sie darin zurückkehren sollten; ja, machen Sie sich darüber wie über
eine Unverschämtheit lustig. Auf solche Versuchungen bedarf es keiner
anderen Antwort als die Unseres Herrn: „Weiche von mir, Satan; du
sollst den Herrn deinen Gott nicht versuchen“ (Mt 4,7.10). Meine liebe
Tochter, wir sind auf dem Weg der Heiligen; gehen wir ihn mutig, trotz
der Schwierigkeiten, die es da gibt.
Mir scheint, ich habe nun allem, was Sie von mir wissen wollten, ent-
sprochen. Ich habe ja keinen größeren Wunsch, als Ihnen in dieser Hin-
sicht treu zu dienen. Ich wünschte sehr, Sie zu sehen, aber es wäre nicht
recht, es zu wollen; Gott wird vielleicht ein geeigneteres Mittel dazu
finden. Ja, ich bitte ihn darum, wenn es seiner Ehre dient, für die ich alles
einsetzen will. Möge er immerdar in unseren Seelen leben und herr-
schen! Ich bin dafür, meine sehr liebe Frau Schwester, Ihr recht ergebe-
ner und Ihnen ganz zugeneigter Diener und Bruder.
Aufgabe müssen wir uns zuerst entledigen; nach ihr werden wir andere voll-
bringen. Umarmen Sie oft von Herzen die Kreuze, die Unser Herr selbst
Ihnen auferlegt hat. Schauen Sie nicht darauf, ob sie aus wertvollem oder
wohlriechendem Holz sind; sie sind mehr Kreuz, wenn sie aus gemeinem,
verachtetem, übelriechendem Holz sind. Es ist eigenartig, daß mir dies im-
mer wieder in den Sinn kommt und daß ich nur dieses Lied weiß. Meine
liebe Schwester, es ist zweifellos das Lied des Lammes (Offb 5); ein wenig
traurig, aber harmonisch und schön: Mein Vater, es soll geschehen, nicht wie
ich will, sondern wie Du willst.
Magdalena sucht ihren Herrn, während sie ihn festhält; sie bittet ihn
selbst um ihn. Sie sah ihn nicht in der Gestalt, die sie wollte; daher
begnügte sie sich nicht damit, ihn so zu sehen, und sucht ihn, um ihn auf
andere Weise zu sehen. Sie wollte ihn im Gewand seiner Herrlichkeit
sehen und nicht im gewöhnlichen Kleid eines Gärtners; schließlich er-
kennt sie aber doch, daß er es ist, als er zu ihr sagt: „Maria“.
Sehen Sie, meine liebe Schwester, meine Tochter, Unserem Herrn im
Gewand eines Gärtners begegnen Sie alle Tage da und dort bei Gelegen-
heiten zu gewöhnlichen Abtötungen, die sich Ihnen bieten. Sie möchten
gern, daß er Ihnen andere, schönere Abtötungen anbiete. O Gott, die
schönsten sind nicht die besten. Glauben Sie nicht, daß er auch zu Ihnen
sagt: Maria, Maria? Nein, bevor Sie ihn in seiner Herrlichkeit schauen,
will er in Ihrem Garten noch viele kleine und bescheidene Blumen pflan-
zen, aber nach seinem Belieben; darum ist er so gekleidet. Mögen im-
merdar unsere Herzen mit dem seinen und unser Wille mit seinem Wohl-
gefallen eins sein.
Ich bin ohne Ende und Einschränkung, meine Frau Schwester, Ihr
recht ergebener Bruder und Diener.
Haben Sie guten Mut und wundern Sie sich nicht; seien Sie nur Gottes
Eigentum, denn Gott ist unser. Amen.
durch den Verlust ihres Sohnes, ihres Vaters und ihres Gatten; ich habe
inniges Mitgefühl mit ihr und bitte Gott, er möge ihr all das sein. Ich
habe bereits unserer Frau Mutter25 geschrieben; nun will ich auch dieser
Schwester schreiben, aber ich weiß nicht, ob ihr das Trost bringen wird,
denn ich weiß keine schönen Worte zu machen, und da ich ihr noch nie
über Frömmigkeit geschrieben oder gesprochen habe, wird sie vielleicht
meine Ausdrucksweise sonderbar finden; bei diesem Anlaß aber wird
sie wohl alles recht auffassen. Ich werde nicht nach Salins26 reisen, doch
will ich es mir schon so einteilen, daß das folgende Jahr nicht vorüber-
geht, ohne daß wir uns alle wiedersehen; doch möchte ich nicht, daß
hierüber Gerüchte verbreitet werden.
Machen Sie sich keine Sorgen wegen Ihres innerlichen Betens, das
ohne Worte vor sich geht, wie Sie sagen, denn es ist gut so, sofern es eine
gute Wirkung in Ihrem Herzen zurückläßt. Zwingen Sie sich nicht zum
Sprechen, in dieser göttlichen Liebe spricht der genug, der anschaut und
sich anschauen läßt. Folgen Sie also dem Weg, auf den der Heilige Geist
Sie zieht, wobei ich jedoch nicht will, daß Sie von der Vorbereitung auf
die Betrachtung ablassen, wie Sie es zu Beginn taten; denn das müssen
Sie Ihrerseits tun und dürfen von sich aus keinen anderen Weg einschla-
gen. Wenn Sie aber damit beginnen wollen und Gott Sie auf einen ande-
ren Weg zieht, dann gehen Sie mit ihm darauf. Wir müssen uns unserer-
seits unserem Fassungsvermögen entsprechend vorbereiten; wenn Gott
uns höher trägt, sei ihm allein dafür die Ehre.
Mit Nutzen können Sie die Bücher der Mutter Theresia und der hl.
Katharina von Siena lesen, die „Methode Gott zu dienen“, den „Auszug
über die christliche Vollkommenheit“, die „Evangelische Perle“; aber
stürzen Sie sich nicht gleich darauf, all das in die Tat umzusetzen, was Sie
darin an Schönem finden, sondern nehmen Sie ganz behutsam diese gu-
ten Belehrungen auf und bewundern Sie sie in aller Ruhe. Denken Sie
daran, daß es nicht angängig wäre, wenn ein einziger ein für mehrere
vorbereitetes Festmahl verschlingt: „Hast du Honig gefunden, iß davon,
bis du genug hast“, sagt der Weise (Spr 25,16). Die „Methode“, die „Voll-
kommenheit“ und die „Perle“ sind reichlich dunkle Bücher, die auf dem
Gebirgsgrat dahingehen; man soll kaum bei ihnen verweilen. Lesen Sie
immer wieder den „Geistlichen Kampf“; das soll Ihr Lieblingsbuch sein,
es ist klar und ganz durchführbar.
Nein, meine liebe Tochter, haben Sie keine Zweifel, da Sie doch bei
guten Beichtvätem beichten; wenn diese nicht die Vollmacht hätten, Sie
anzuhören, würden sie Sie fortschicken. Es ist auch in keiner Weise er-
II. Brulart 462 115
aller Kraft an den Mitteln hängen, die Sie lieben, und daß Sie alles darauf
zurückführen möchten. Darum empfinden Sie Unruhe, wenn man Sie
daran hindert oder davon ablenkt.
Das Heilmittel dagegen wäre, daß Sie Ihren Geist zu überzeugen und
mit folgendem Bewußtsein ganz zu durchtränken suchen: Gott will, daß
Sie ihm so dienen, wie Sie sind, durch Übungen, die diesem Stand gemäß
sind und durch die daraus entspringenden Handlungen. Als Folge dieser
Überzeugung sollen Sie dann eine innige Liebe zu Ihrem Stand und sei-
nen Übungen aus Liebe zu Ihm fassen, der es so haben will. Aber sehen
Sie, meine liebe Schwester, Sie sollen nicht bloß flüchtig an das denken;
Sie müssen diese Erkenntnis in Ihr Herz tief eindringen lassen und durch
innerliche Einkehr und besondere Überlegungen dahin kommen, daß
diese Wahrheit Ihrem Geist schmackhaft und willkommen erscheint.
Glauben Sie mir, alles, was dieser Ansicht entgegenwirkt, ist nichts an-
deres als Eigenliebe.
Hinsichtlich der heiligen Kommunion billige ich, daß Sie diese wei-
terhin recht häufig wünschen, vorausgesetzt, es geschieht in Unterord-
nung unter Ihren Beichtvater, der den gegenwärtigen Zustand Ihrer See-
le sieht und eine so ausgezeichnete Persönlichkeit ist.
Die unterschiedliche Verfassung, in der sich Ihr Geist im Gebet und
außerhalb desselben befindet, manchmal stark, manchmal schwach,
manchmal die Welt mit Lust, manchmal mit Unlust betrachtend, ist nichts
anderes als ein Grund, den uns Gott läßt, recht demütig und sanftmütig
zu leben. Sie sehen dann, was Sie aus sich selbst und was Sie mit Gott
sind. Daher sollen Sie sich dadurch keinesfalls entmutigen lassen.
Es ist nicht notwendig, daß unsere teure Schwester, die Äbtissin, mir
einen Mann schickt, um mir Nachricht über sie zukommen zu lassen
oder um zu erfahren, wie sie mich sehen könnten; denn wenn ich meine
Reise unternehme, wie ich hoffe, will ich Sie früh genug vor meiner
Abreise von all dem verständigen.
Ich empfehle Sie ständig Unserem Herrn; meine Liebe zu Ihnen ist
recht tief in meinem Herzen. Ich werde die Mutter Priorin der Karmeli-
tinnen teilhaben lassen an meinen heiligen Meßopfern. Ich habe eine
große Hochachtung vor diesem ganzen Orden im allgemeinen und dan-
ke ihr für die Liebe, die sie mir dadurch erweist, daß sie für mich betet,
der zu den Ärmsten der heiligen Kirche gehört.
Möge immerdar die heilige Liebe zu Gott in unserem Geist leben und
herrschen. Amen. Ihr Ihnen sehr zugeneigter und ergebener Bruder und
Diener.
II. Brulart 516 117
Wenn jedoch Gott verfügt, sich ihrer noch einmal in der Plage eines voll-
ständigen Haushaltes zu bedienen, und sie in der Unterwerfung üben will,
dann müssen wir seine Majestät dafür preisen, die zweifellos alles zum
Heil der Ihren tut (Röm 8,28). Ach mein Gott, meine Tochter, wie sehr
sind doch die Tugenden einer verheirateten Frau Gott wohlgefällig! Denn
sie müssen stark und vortrefflich sein, um in diesem Stand auszuhalten.
Aber, o mein Gott, wie gut ist es doch auch für eine Witwe, nur ein Herz
befriedigen zu müssen! Nun, diese oberste Güte wird die Sonne sein, die
diese gute teure Schwester erleuchten wird, damit sie weiß, welchen Weg
sie einschlagen soll. Sie ist eine Seele, die ich zärtlich liebe. Wohin sie
auch gehen mag, hoffe ich doch, daß sie Gott gut dienen wird, und ich
werde ihr durch meine ständigen Gebete für sie überallhin folgen.
Ich empfehle mich den Gebeten unserer kleinen Tochter ... Madeleine
ist in Wahrheit ein wenig mehr meine Tochter als die anderen; und es
scheint mir, meine Tochter, als wäre alles mein in Ihm, der sich ganz zu
dem Unsrigen gemacht hat.
Ich bin in ihm, meine sehr liebe Tochter, Ihr recht ergebener Bruder
und Diener.
Verwenden Sie Ihre größtmögliche Sorge darauf, daß Sie inmitten der
Ihren, ich meine in Ihrem Haushalt, recht milde werden. Ich sage nicht,
daß man weich und nachsichtig sein soll, wohl aber sanft und gütig. Dar-
an sollen Sie denken, wenn Sie das Haus betreten, wenn Sie es verlassen,
am Morgen, zu Mittag, ja zu jeder Stunde; das soll für einige Zeit Ihre
Hauptsorge sein und das übrige sollen Sie gleichsam ein wenig verges-
sen.
aber häufigen Äußerungen der Ungeduld bei den Vorfällen Ihres Haus-
haltes zu schreiben wünschte. Ich sage Ihnen also, daß Sie Ihre besondere
Aufmerksamkeit darauf lenken sollen, sich recht sanftmütig zu verhalten,
nach dem Aufstehen am Morgen, wenn Sie vom Gebet, von der Messe
oder Kommunion kommen. Wann immer Sie wieder zu den häuslichen
Geschäften zurückkommen, müssen Sie aufmerksam bedacht sein, sanft-
mütig zu beginnen, und von Mal zu Mal Ihr Herz beobachten und schauen,
ob es sanftmütig ist. Wenn es dies nicht ist, sollen Sie es vor allen anderen
Dingen beruhigen; ist es aber sanftmütig, dann sollen Sie Gott dafür prei-
sen, in dieser Gesinnung alles tun, was sich an Geschäften ergibt, und
große Sorge darauf verwenden, daß sie sich nicht verflüchtige.
Sehen Sie, meine Tochter, wer oft Honig zu sich nimmt, empfindet die
sauren Dinge noch saurer, die bitteren noch bitterer und es ekeln ihn
scharfe Speisen leicht an. So findet Ihre Seele, die sich oft geistlichen
Übungen hingibt, die dem Geist süß und angenehm sind, körperliche,
äußerliche und materielle Tätigkeiten sehr hart und lästig, wenn sie zu
ihnen zurückkehrt, und wird darüber leicht ungeduldig. Darum sollen
Sie auch in diesen Handlungen den Willen Gottes sehen, meine liebe
Tochter, der darin liegt, und nicht die Sache selbst, die getan wird. Rufen
Sie oft diese einzige und schöne Taube (Hld 2,10; 6,9) des himmlischen
Bräutigams an, damit sie für Sie das wahre Herz einer Taube erflehe und
Sie nicht nur Taube seien, wenn Sie durch das Gebet fliegen, sondern
auch in Ihrem Nest und mit all jenen, die um Sie herum sind.
Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens, meine gute und liebe Toch-
ter, und mache uns eines Geistes mit ihm (1 Kor 6,17). Ich grüße durch
Ihre Vermittlung unsere gute Mutter und alle Karmelitinnen und bitte
um die Hilfe ihres Gebetes. Wenn ich wüßte, daß unsere liebe Schwester,
Frau Jacot, dort wäre, würde ich auch sie grüßen und ihre kleine Fran-
çon, wie ich dies mit Ihrer kleinen Magdalena mache, die auch mir zu
eigen ist. Es lebe Jesus!
XIV, 141-143 (520) Annecy, Ende März oder Anfang April 1609.
Erwarten Sie jetzt nicht von mir, daß ich Ihnen ausführlich schreibe,
denn wenn es auch durch meinen Bruder geschieht, habe ich doch nicht
viel Zeit und ich weiß nicht, ob er durch Dijon reisen wird; dennoch weiß
ich wohl, daß er meinen Brief sicher überbringen lassen wird.
Ja, meine Tochter, Sie dürfen diese Ostertage sicher nicht vorüberge-
hen lassen, ohne Ihren Sohn28 zur Kommunion zu führen. Mein Gott, das
120 II. Brulart 535
ist ja schon ein Gelehrter! Es scheint mir ein großer Irrtum zu sein, dieses
Gut in einer solchen Zeit so lang hinauszuschieben, in der die Kinder mit
zehn Jahren mehr Verstand haben als wir mit fünfzehn. Ich hätte es wahr-
lich sehr gewünscht, ihm die erste heilige Kommunion zu reichen; das
wäre für ihn ein Grund gewesen, sich sein Leben lang meiner zu erinnern
und mich lieb zu haben. Nun für ihn ist das nicht so wichtig.
Ich habe das Bild der seligen Mutter Theresia erhalten, das mir eine
große Freude ist, und ich danke Ihnen dafür.
Es freut mich zu hören, daß diese Tochter mit Herrn Chevrier in Frie-
den ist. Ich habe ihr durch Herrn de Moyron geschrieben, was sie nun
Punkt für Punkt durchgeführt hat. Ich schrieb es ihr auf einen Brief hin,
in dem sie mich um Rat bat.
Nun, meine liebe Tochter, Gott sei gepriesen. Wenn unsere Seele nur
die rote Farbe der Liebe zeigt, darf es uns nicht bekümmern, daß unsere
Gesichtsfarbe blaß ist. Das ist ein Übel, das Sinne und Gefühle zu schwä-
chen geeignet ist. Es gibt keine Regung, die es nicht erschlafft, ausge-
nommen die des Herzens, das es für gewöhnlich anregt und beschleu-
nigt. Machen Sie es Ihrem geistlichen Fortschritt zunutze durch wirkli-
chen Verzicht auf Lust und süße Empfindungen, die es Ihnen wegnimmt
nicht nur am Leib, sondern auch am Geist. Sie tun gut, meine Ratschläge
zu befolgen, denn sie sind nach dem Willen Gottes; und wenn diese
Krankheit Ihnen mehr Widerwillen dagegen einflößt, dann werden Sie
umso mehr in ihrer Befolgung gewinnen.
Ich wollte Ihnen mehrere Bücher29 schicken; aber der Drucker hat
sein Versprechen nicht gehalten, sie mir zu schicken; ich fürchte, daß Sie
dort früher welche haben werden als ich hier. Dennoch schicke ich Ihnen
dieses hier, das ich von einer Dame entlieh, die es hatte, damit Sie wo-
möglich das erste von mir bekommen. Man muß die anderen nach die-
sem hier korrigieren, denn ich habe es überall korrigiert, so sehr ich
konnte.
Gott sei immerdar unsere Liebe, meine liebe Tochter. Und glauben
Sie mir, daß ich in ihm ganz besonders der Ihre bin. Es lebe Jesus!
Erzählen Sie nicht, daß ich Ihnen dieses Buch geschickt habe, bevor
ich noch mehr davon schicken kann.
muß wohl dieser Armen ein wenig nachgeben; sie ist ja wirklich gut,
wenn auch schwach. Darum würde ich ihr gern sagen, sie möge kommen,
wenn ich nicht befürchtete, daß deshalb ihre Verwandten beunruhigt wür-
den und anderer Ansicht wären. Es ist aber auch möglich, daß es ihnen
recht ist. Wenn Sie nun sehen, daß sie ganz ehrlich und einfach damit
einverstanden sind, können Sie ihr in aller Freiheit Mut machen, zu kom-
men, und Sie können selbst auch kommen, unter den gleichen Bedingun-
gen. Ich verhalte mich diesem Plan gegenüber so zurückhaltend, weil ich
mich frage, ob diese Einwilligungen, die sie geben, gern erteilt werden,
und ich fürchte, daß dann tausenderlei Dinge gesagt werden.
Wenn sie sich aber entschließen könnte, zu kommen, soll dies ohne
Lärm und ganz einfach vor sich gehen, als ob sie nach St. Trivier und nach
St. Claude ginge; ebenso auch Sie und das gute Fräulein de Puligny, wenn
sie zu der Schar zählt; damit man so der Neugier jener aus dem Weg gehe,
die alles erfragen möchten. Es sollte auch nicht zu bald geschehen, da bei
uns einige Kriegsgerüchte umgehen, die wieder verstummen werden, und
außerdem der Herzog von Nemours hier für einige Tage vorbeikommen
soll, während derer ich die Stadt nicht verlassen könnte. Wenn Sie also
den Entschluß fassen, muß es in der Zeit ein wenig vor diesem Zeitpunkt
sein, Ende August oder Anfang September; denn im Monat Juli bin ich
von hier fort. Ich werde einen guten Bischof für Belley weihen; wenn
diese Handlung auch kurz ist, hält sie mich doch in Schwebe, weil ich
nicht den genauen Zeitpunkt weiß.
Im übrigen glauben Sie mir, daß es mir ein recht großer Trost sein
wird, Sie innerhalb unserer Berge sehen zu können, die alle in eine sehr
gute Luft getaucht sind. Wir werden auch mit Gottes Hilfe genügend
Zeit haben, um Sie alle gut zu versorgen. Mit einem Wort, achten Sie
darauf, daß Ihnen die Erlaubnisse gern erteilt werden, und wenn dies der
Fall ist, wird es mir eine große Befriedigung sein, Sie ein wenig unter uns
zu sehen, wenn Sie auch dabei keineswegs gut behandelt werden ... auch
wenn wir es wollten; Sie werden aber mit einer Herzlichkeit empfangen
werden, die nicht alltäglich ist.
Was die Betrachtung anbelangt, so haben die Ärzte recht; solange Sie
krank sind, müssen Sie davon Abstand nehmen. Um dieses Versäumnis
auszugleichen, müssen Sie Ihre Stoßgebete verdoppeln und alles auf Gott
beziehen durch völlige Hingabe an sein Wohlgefallen. Das wird Sie in
keiner Weise von ihm trennen. Wenn Gott Ihnen dieses Hindernis schickt,
so geschieht es, um Sie durch die Übung der heiligen und stillen Erge-
bung viel fester an ihn zu ketten. Was liegt schon daran, ob wir auf die
122 II. Brulart 588
eine oder andere Art mit Gott vereint sind? Da wir in Wahrheit nur ihn
suchen und ihn in der Abtötung nicht weniger als im Gebet finden, vor
allem, wenn er uns mit Krankheit schlägt, wird er uns ebenso gut sein in
dem einen wie in dem anderen. Darüber hinaus sind die Stoßgebete, die
Erhebungen unseres Geistes echte ständige Gebete und das Ertragen
von Leid ist die würdigste Opfergabe, die wir dem darbringen können,
der uns durch sein Leiden erlöst hat. Lassen Sie sich manchmal aus ei-
nem guten Buch vorlesen, denn auch das kann Ersatz bieten.
Mit der Kommunion halten Sie es weiter so wie bisher. Es ist wahr, daß
ich Ihnen gesagt habe, es wäre keineswegs nötig, die Messe zu hören, um
an Werktagen zu kommunizieren, nicht einmal an den Festtagen; wenn
man eine Messe vorher gehört hat oder eine nachher hören kann, ob-
gleich man zwischen beiden schon viele andere Dinge tun kann.
Was Ihr Testament in Befürchtung Ihres Todes betrifft, so können Sie
dies ruhig tun. Es soll aber in aller Ruhe geschehen und so, daß Sie den
Ihrigen nicht sehr zur Last fallen, Sie würden ihnen sonst Anlaß zu Ab-
lehnung, Murren oder Ärger geben. Ich sage Ihnen wie der hl. Paulus
(Gal 6,10): „Tun wir Gutes, solange wir Zeit dafür haben“, aber immer
maßvoll. Geraten Sie nicht in Unruhe, wenn Sie Gott nicht so dienen
können, wie Sie es gern möchten. Wenn Sie sich gut in Ihre Schwierigkei-
ten fügen, dienen Sie ihm nach seinem Willen, der viel besser ist als der
Ihre. Möge er immerdar gelobt und gepriesen werden.
Es lebe Jesus! Und ich bin in ihm sehr treuen Herzens und ganz völlig
der Ihre. Ich grüße recht ergeben den guten Pater Gentil.
der Oberen wieder austritt, soll sie denken, daß Gott sich mit ihrem
Versuch zufriedengibt und nun will, daß sie ihm anderswo diene. Sie
würde schlecht handeln, wenn sie nach den ersten schmerzlichen Emp-
findungen über ihre Entlassung ihren Geist nicht beruhigen würde und
nicht fest entschlossen wäre, auf andere Weise ganz in Gott zu leben.
Man gelangt ja auf vielerlei Wegen in den Himmel. Wenn man nur die
Gottesfurcht als Führerin hat, ist es gleich, welchen Weg man einschlägt;
obgleich an sich der eine Weg wünschenswerter erscheint als die ande-
ren, wenn man die Freiheit zu wählen hat.
Warum aber, meine liebe Tochter, machen Sie sich darüber Sorgen?
Sie haben ein Werk der Nächstenliebe getan, daß Sie diesem armen Mäd-
chen einen so heiligen Ort der Einkehr ermöglichten. Wenn es Gott
nicht gefällt, daß sie darin verbleibt, dafür können Sie nichts. Wir müs-
sen uns dieser höchsten Vorsehung fügen, die nicht verpflichtet ist, unse-
rer Wahl und Überzeugung zu folgen, sondern ihrer unendlichen Weis-
heit.
Wenn N. klug ist und demütig, wird für sie Gott wohl einen Platz
finden, an dem sie seiner göttlichen Majestät durch Freud oder Leid gut
dienen kann. Indessen tun die guten Karmelitinnen gut daran, ihre Sat-
zungen genau zu beobachten und jene zu entlassen, die für ihre Lebens-
weise nicht geeignet sind.
Meine liebe Tochter, diese kleine Erschütterung Ihres Herzens bei die-
ser Angelegenheit soll Ihnen zur Warnung dienen, daß die Eigenliebe in
Ihrem Herzen noch groß und mächtig ist und daß Sie genau aufpassen
müssen, daß sie nicht Herrin in Ihrem Herzen werde. Ach, möge Gott in
seiner Güte dies niemals zulassen, sondern in uns, über uns, gegen uns und
für uns seine hochheilige himmlische Liebe auf ewig herrschen lassen.
Was die Heirat dieser teuren Tochter betrifft, die ich sehr liebe, vermag
ich Ihnen nicht so ohne weiteres einen Rat zu geben, da ich nicht weiß,
wie ihr Bewerber beschaffen ist. Denn es ist richtig, was Ihr Herr Ge-
mahl sagt, er könnte vielleicht all seine üblen Angewohnheiten ändern,
die Sie mir aufzeigen. Aber das wohl nur dann, wenn er an sich ein gutes
Naturell besitzt und nur Jugend und eine schlechte Gesellschaft es sind,
die ihn verleiten. Wenn er aber von Natur aus schlecht geartet ist, wie
man es gewiß nur zu oft sieht, dann hieße es Gott versuchen, unter der
ungewissen und zweifelhaften Annahme einer Besserung ein Mädchen
in seinen Händen aufs Spiel zu setzen, vor allem, wenn das Mädchen jung
ist und selbst einer Führung bedarf. In diesem Fall, da sie zur Besserung
des jungen Mannes nichts beitragen kann, ist vielmehr zu befürchten,
124 II. Brulart 588
daß einer dem anderen Anlaß zum Fall gibt. Liegt darin nicht eine offen-
sichtliche Gefahr? Ihr Herr Gemahl ist ja überaus klug und versichert
mir, daß er alles mit guter Überlegung tue, wobei Sie ihm behilflich sein
werden; und ich bitte auf Ihren Wunsch hin Gott, er möge dieses liebe
Mädchen richtig führen, damit es in seiner Furcht lebe und alt werde.
Ob Sie diese Tochter nun recht oft oder selten auf Bälle führen, ist
nicht wichtig, da sie ja mit Ihnen gehen wird; Ihre Klugheit soll dies
genau und den Umständen gemäß beurteilen. Da Sie diese aber verheira-
ten wollen und sie Neigung dazu verspürt, ist nichts Böses daran, sie so
oft dorthin zu führen, daß es genügend oft, aber nicht zu oft ist. Wenn ich
mich nicht täusche, ist dieses Mädchen lebhaft, kräftig und tempera-
mentvoll. Da sich jetzt ihr Verstand zu entfalten beginnt, muß man be-
hutsam und sachte die Anfänge und ersten Keime echten Ehrgefühls und
Tugendstrebens in sie hineinlegen, nicht aber, indem man sie mit schar-
fen Worten ausschimpft, sondern indem man nicht aufhört, sie bei jeder
Gelegenheit mit klugen, freundlichen Worten dazu anzuspornen, dies
auch von anderen zulassen und ihr wertvolle Freundschaften mit gutge-
arteten und vernünftigen Mädchen verschaffen.
Frau von Chantal hat mir gesagt, daß Sie für Ihr Äußeres und für das
Wohlergehen Ihres Hauses recht klug sorgen; und sowohl sie als mein
Bruder von Thorens haben mir etwas erzählt, das mich sehr gefreut hat:
daß nämlich Ihr Herr Gemahl immer mehr einen ganz großen guten Ruf
erwirbt, ein guter Richter zu sein: fest, gerecht, eifrig in den Pflichten
seines Amtes, und daß er in allem sich als ausgezeichneter Mann und
guter Christ verhält. Ich versichere Ihnen, meine liebe Tochter, daß ich
bei diesem Bericht vor Freude ganz erregt war, weil das ein großer und
schöner Segen ist. Unter anderem haben sie mir gesagt, daß er seinen Tag
immer damit beginnt, der heiligen Messe beizuwohnen, und daß er bei
allen Gelegenheiten einen starken und seiner Stellung würdigen Eifer
für die heilige katholische Religion bezeugt. Gott sei immerdar zu sei-
ner Rechten, damit er sich niemals ändere (Ps 16,8), außer stets zum
Besseren. Sie sind also sehr glücklich, meine liebe Tochter, bei Ihnen
zuhause solche zeitliche und geistliche Segnungen zu haben.
Die Reise nach Loreto ist eine große Reise für Frauen; ich rate Ihnen,
sie oft im Geist zurückzulegen, wobei Sie Ihre Gebete mit Absicht mit
den Gebeten dieser großen Menge frommer Personen vereinigen, die
dahin kommen, die Mutter Gottes zu ehren an einem Ort, wo ihr erstma-
lig die unvergleichliche Ehre dieser Mutterschaft zuteil wurde. Aber da
kein Gelöbnis Sie zwingt, dorthin persönlich zu gehen, rate ich Ihnen
II. Brulart 665 125
nicht dazu, diese Reise zu unternehmen. Wohl aber rate ich Ihnen, im-
mer eifriger die Verehrung dieser heiligen Jungfrau zu pflegen, deren
Fürsprache so stark und den Seelen so wertvoll ist. Ich halte sie für unse-
re größte Stütze in unserem Streben nach Fortschritt in der wahren Fröm-
migkeit. Ich kann davon sprechen, da ich mehrere bemerkenswerte Ein-
zelheiten darüber weiß. Der Name dieser hochheiligen Jungfrau sei im-
merdar gepriesen und gelobt! Amen.
Meine liebe Tochter, schenken Sie Ihre Almosen immer etwas großzü-
gig und reichlich bemessen, wenn auch taktvoll, worüber ich Ihnen frü-
her gesprochen oder geschrieben habe. Was Sie in den Schoß der Erde
hineinwerfen, wird Ihnen mit Zinseszinsen durch deren Fruchtbarkeit
zurückerstattet. So wissen Sie auch, daß das, was Sie in Gottes Schoß
hineinwerfen, Ihnen unendlich fruchtbarer auf die eine oder andere Weise
sein wird; das heißt, Gott wird Sie in dieser Welt dafür belohnen, indem
er Ihnen mehr Reichtümer, mehr Gesundheit oder mehr Zufriedenheit
schenkt.
ist, wenn es sich machen läßt, und weil Ihr Beispiel bei Ihrem Ansehen
dem einfachen Volk von Nutzen ist. Was Sie aber in Oratorium tun, gibt
anderen kein Beispiel. Bleiben Sie also dabei, meine sehr liebe Tochter.
Ich werde in dieser Fastenzeit nur in den Klöstern dieser Stadt predigen
und fünf- bis sechsmal in der großen Kirche. Ich bin meiner Meinung
nach in voller Gesundheit; wäre ich nur erfüllt von Heiligkeit, wie mein
Rang und mein Amt es erfordern!
Die gute Frau von Chantal hat anläßlich des Hinscheidens Ihres Herrn
Vaters sich vorbildlich verhalten und tut es weiterhin. Sie erfuhr erst vor
drei Tagen davon; da ich sie so geschwächt durch ihre Krankheit sah, habe
ich ihr diese böse Nachricht verheimlicht, solange ich konnte, da ich wohl
wußte, daß dies die Genesung verzögern würde. „Eitelkeit der Eitelkeiten,
und alles ist eitel“ (Koh 1,2), meine sehr liebe Tochter, außer Gott zu
lieben und ihm zu dienen. Diese gute Schwester war ganz getröstet, als sie
erfuhr, daß ihr Vater in bußfertiger Gesinnung gestorben sei.
Bleiben Sie ganz in Gott, meine sehr liebe Tochter, leben Sie heilig,
froh, lieb und friedlich. Ich bin ganz uneingeschränkt, meine sehr liebe
Tochter, Ihr ganz ergebener Diener.
werben, in denen Sie sich am schwächsten finden. Lesen Sie wieder den
„Geistlichen Kampf“ und richten Sie Ihr besonderes Augenmerk auf die
darin enthaltenen Dokumente; er wird Ihnen sehr von Nutzen sein. Ge-
fühle beim Gebet sind gut, doch darf man sich darin nicht so viel gefal-
len, daß uns dies hindert, uns eifrig um die Tugenden und die Abtötung
der Leidenschaften zu bemühen.
Ich bete immer um einen guten Ausgang der Angelegenheiten Ihrer
lieben Töchter. Da Sie im innerlichen Gebet auf dem guten Weg sind
und die gute Karmelitin Ihnen beisteht, genügt dies. Ich empfehle mich
deren und Ihren Gebeten und bin unablässig und rückhaltlos völlig der
Ihre. Es lebe Jesus! Amen.
nicht treffen, so in der Erwartung, daß sie sich bessern und demütigen.
Bleiben Sie dabei, seien Sie eine demütige geistliche Tochter der Kirche
und des Papstes, Untertan und ergebene Dienerin des Königs. Beten Sie
für den einen wie für den anderen und glauben Sie fest, daß Sie bei sol-
chem Vorgehen Gott zum Vater und König haben werden.
gelassen. Diese Briefe sind ein Musterbeispiel für die konkrete, gütige und
konsequente geistliche Führung eines edlen, hochherzigen Menschen.
In dieser Sammlung wurden aus den oben genannten Gründen folgende Briefe
an Madame de la Fléchère aus den „Oeuvres“ nicht aufgenommen: Band XIV,
Nr. 485, 532; XV, 710, 794, 815, 827; XVI, 898, 929, 932, 933, 1013, 1034,
1035, 1067; XVII, 1116, 1120, 1127, 1128, 1144, 1151, 1160, 1215, 1218,
1228, 1241, 1252, 1259, 1304; XVIII, 1311, 1357, 1429, 1443, 1444, 1489;
XIX, 1574; XX, 1749, 1750, 1770, 1845, 1941.
Gnädige Frau!
Ich habe Ihren ersten Brief1 mit besonderer Freude empfangen, als
einen guten Beginn der geistlichen Verbindung, die wir eingehen, um in
unseren Herzen das Reich Gottes zu fördern. Möge mir derselbe Gott
eingeben, was für Ihre Führung am geeignetsten ist.
Es ist nicht möglich, daß Sie so bald Herrin über Ihre Seele werden
und daß Sie vom ersten Versuch an sie so absolut in der Hand haben.
Begnügen Sie sich damit, von Zeit zu Zeit irgendeinen kleinen Sieg über
Ihre feindliche Leidenschaft zu erringen. Man muß die anderen, in erster
Linie aber sich selbst ertragen, und es geduldig annehmen, daß man un-
vollkommen ist. Mein Gott, meine liebe Tochter, möchten wir denn in
die innerliche Ruhe eintreten, ohne durch die gewöhnlichen Widrigkei-
ten und Anfechtungen hindurchzugehen?
Beachten Sie genau die Punkte, die ich Ihnen gesagt habe.2 Bereiten
Sie Ihre Seele gleich am Morgen zur Stille vor; und tragen Sie während
des Tages Sorge, sie oft zu dieser Stille zu rufen und sie wieder in Ihre
Hand zu bekommen. Sollten Sie sich über etwas ärgern, entsetzen Sie
sich nicht und machen Sie sich deshalb keinerlei Sorge. – Wenn Sie
dessen bewußt werden, demütigen Sie sich liebevoll vor Gott und versu-
chen Sie, Ihren Geist wieder zu einer gelassenen Haltung zurückzufüh-
ren. Sagen Sie Ihrer Seele: Wir haben also etwas Verkehrtes getan; gehen
wir nun ganz sachte weiter und geben wir auf uns acht! – Und alle Male,
sooft Sie zurückfallen, tun Sie das Gleiche.
Wenn Ihre Seele in Ruhe ist, machen Sie lebendigen Gebrauch davon,
indem Sie möglichst viele Akte der Sanftmut verrichten, so häufig Sie
Gelegenheit dazu haben, mögen diese auch noch so gering sein. Unser
Herr sagt doch: „Wer treu ist im Kleinen, dem wird man Großes anver-
trauen“ (Lk 16,10; Mt 25,21,23). Vor allem, meine Tochter, verlieren
136 III. Fléchère 448
Sie nicht den Mut, haben Sie Geduld, lernen Sie warten! Bemühen Sie
sich um diesen Geist des Mitfühlens.
Ich zweifle nicht daran, daß Gott Sie in seiner Hand hält. Wenn er Sie
straucheln läßt, so geschieht das nur, damit er Sie erkennen lasse, daß Sie
gänzlich fallen würden, wenn er Sie nicht hielte, und damit Sie immer
stärker seine Hand festhalten.
Gott befohlen, gnädige Frau, gehören Sie Gott an, gänzlich, absolut
und unwiderruflich. Ich bin in ihm Ihr Ihnen ganz ergebener Diener.
XIV, 7-8 (448) Annecy, (Ende April oder Anfang Mai) 1608.
Gnädige Frau!3
Die Briefe, die Sie mir geschrieben haben, haben mich sehr erfreut, da
ich sehe, daß Unser Herr Ihnen die Anfänge der innerlichen Stille verko-
sten läßt. Mit dieser müssen wir von nun ab mit Hilfe seiner Gnade ihm
weiterhin dienen inmitten all der Hetzjagd und Vielfalt der Angelegen-
heiten, zu denen unser Stand uns verpflichtet. Ich setze eine überaus
große Hoffnung auf Sie, weil ich – so scheint es mir – in Ihrem Herzen
diesen festen Entschluß gesehen habe, seiner göttlichen Majestät dienen
zu wollen. Daraus entnehme ich die Sicherheit, daß Sie in den Übungen
der heiligen Frömmigkeit treu sein werden. – Wenn es dabei auch zu
vielen Fehlern aus Schwäche kommt, darf uns dies in keiner Weise wun-
dern; sondern wir müssen einerseits wohl die Gott zugefügte Beleidi-
gung verabscheuen, andererseits aber in einer gewissen freudigen Demut
leben, die uns unsere Armseligkeit gern sehen und erkennen läßt.
Ich will Ihnen nun kurz die Übungen nennen, zu denen ich Ihnen rate;
Sie werden sie klarer noch in dieser Schrift lesen, die ich soeben abfasse:
die Vorbereitung auf den ganzen Tag, die am Morgen kurz erfolgen soll;
vormittags das innerliche Gebet ungefähr eine Stunde lang, je nachdem
Sie Zeit haben; am Abend vor dem Nachtmahl eine kleine Einkehr, in
der Sie – in einer Art Wiederholung – eine Anzahl kräftiger Stoßgebete
zu Gott verrichten entsprechend der Betrachtung am Morgen oder über
irgendeinen anderen Gegenstand.
Prüfen Sie sich tagsüber und während Ihrer Arbeiten, sooft Sie kön-
nen, ob Ihre Liebe sich nicht zu weit vorgewagt hat, ob sie nicht aus den
Fugen geraten ist und ob Sie sich immer mit einer Hand an Unseren
Herrn halten. Wenn Sie sich übermäßig verwirrt finden, besänftigen Sie
Ihre Seele und bringen Sie sie wieder zur Ruhe. Stellen Sie sich vor, wie
III. Fléchère 455 137
Sie ist, vorausgesetzt, daß Sie sich Ihrerseits eines ruhigen Eifers bedie-
nen. Ich sage, ruhigen Eifers, denn ein gewalttätiger Eifer verdirbt das
Herz und die Dinge und ist kein Eifer mehr, sondern Ungestüm und
Verwirrung.
Mein Gott, gnädige Frau, so bald werden wir in der Ewigkeit sein und
dann erkennen, wie wenig alle Dinge dieser Welt bedeuten und wie we-
nig daran liegt, ob sie erledigt werden oder nicht; aber jetzt hetzen wir
uns ab, als ob es sich um ganz große Dinge handelte.
Mit welchem Eifer sammelten wir doch, als wir kleine Kinder waren,
Steinchen, Hölzchen und Erdklümpchen, um daraus Häuser und kleine
Burgen zu bauen! Und wenn jemand sie uns zerstörte, waren wir recht
unglücklich darüber und weinten; heute aber erkennen wir wohl, wie
wenig an all dem lag. So wird es uns auch eines Tages im Himmel erge-
hen, wenn wir sehen werden, daß all das, an dem wir in der Welt hingen,
doch nur rechte Kindereien waren.
Ich will uns damit nicht die Sorge abnehmen, die wir für solche Klei-
nigkeiten und Nichtigkeiten hegen sollen, denn Gott hat sie uns in dieser
Welt zur Aufgabe gestellt; wohl aber möchte ich dieser Sorge den Über-
eifer und die Hitze nehmen. Tun wir unsere Kindereien, da wir eben
Kinder sind; aber zerreißen wir uns nicht, sie zu tun. Und wenn irgend
jemand unsere Häuschen und kleinen Pläne zerstört, dann soll es uns
nicht viel quälen; denn wenn der Abend kommt, an dem man ein Ob-
dach suchen muß, ich meine der Tod, dann sind alle diese Häuschen
nichts mehr wert; wir müssen uns dann in das Haus unseres Vaters zu-
rückziehen (Ps 122,1). Sorgen Sie sich gewissenhaft um Ihre Angelegen-
heiten, aber Sie sollen wissen, daß es für Sie keine wichtigeren Geschäfte
gibt als das Ihres Heiles und das heilbringende Vorwärtsschreiten Ihrer
Seele zur echten Frömmigkeit.
Haben Sie Geduld mit allen, in erster Linie aber mit sich selbst; damit
will ich sagen, daß Sie nicht verstört werden sollen ob Ihrer Unvollkom-
menheiten und daß Sie immer den Mut haben sollen, sich wieder zu
erheben. Ich freue mich, daß Sie alle Tage wieder neu beginnen; es gibt
kein besseres Mittel, das geistliche Leben gut zu vollenden, als immer
wieder zu beginnen und niemals zu denken, genug getan zu haben. Emp-
fehlen Sie mich der Barmherzigkeit Gottes, die ich bitte, Sie überströ-
men zu lassen in seiner heiligen Liebe. Amen.
Ich bin Ihr recht ergebener Diener.
III. Fléchère 458, 468 139
habe ich Ihnen schreiben wollen, um Ihnen einfach zu bezeugen, daß ich
zu Unserem Herrn alle Tage für Sie bete; dies aber mit besonderer Liebe,
indem ich ihn anflehe, er möge Ihnen in all Ihren Nöten, die Ihnen die
Schwangerschaft bereitet, mit seinen heiligen Tröstungen beistehen.
Sehen Sie, gnädige Frau, ich stelle mir vor, daß Ihr melancholisches
Wesen sich Ihrer Schwangerschaft bemächtigt, um Sie sehr traurig zu
machen, und daß Sie wiederum, da Sie sich traurig finden, darüber in
Unruhe geraten. Tun Sie das aber nicht, ich bitte Sie. Wenn Sie sich
schwerfällig, traurig und düster finden, unterlassen Sie es trotzdem nicht,
in Frieden zu bleiben. Und wenn Sie auch alles ohne Lust, ohne Gefühl
und ohne Kraft zu tun scheinen, lassen Sie doch nicht davon ab, Unseren
gekreuzigten Herrn zu umfassen, ihm Ihr Herz zu schenken und Ihren
Geist zu weihen mit all Ihren Affekten, so wie sie sind, und mögen sie
auch noch so schwächlich sein. Die selige Angela de Foligno sagt, Unser
Herr habe ihr enthüllt, keine Art von Gutem sei ihm so wohlgefällig, wie
das, was man mit Anstrengung machen müsse; das heißt also, wie das,
was ein fest entschlossener Wille ihm leistet, entgegen den Erschöpfun-
gen des Fleisches, entgegen den Widerständen des unteren Bereiches
und inmitten innerlicher Trockenheit, Traurigkeit und Verlassenheit.
Mein Gott, meine liebe Tochter, wie glücklich werden Sie bei jedem
Kreuz sein, das sich Ihnen darbietet, wenn Sie in Ihren Entschlüssen Ihm
treu bleiben, der Sie so treu liebte bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz
(Phil 2,8) ...
Bleiben Sie mit Jesus, leben Sie in ihm und durch ihn, der mich zu
Ihrem Ihnen ganz ergebenen Diener gemacht hat.
Sie sich zu keiner Übung und wenn, dann ganz sachte. Wenn das Knie Sie
ermüdet, setzen Sie sich nieder; wenn Sie nicht genug aufmerksam sein
können, eine halbe Stunde zu beten, dann beten Sie eine Viertelstunde
oder eine halbe Viertelstunde.
Ich bitte Sie, sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen und Ihre
Schmerzen vor ihm zu erleiden. Unterdrücken Sie Ihre Klagen nicht,
aber ich möchte, daß Sie es ihm gegenüber mit einem kindlichen Geist
tun, wie ein kleines Kind sich bei seiner Mutter ausweinen würde. Ge-
schieht dies mit Liebe, dann macht es nichts aus, wenn Sie sich auswei-
nen, wenn Sie um Heilung bitten, wenn Sie Ihren Platz wechseln oder
sich Erleichterung verschaffen. Tun Sie das nur mit Liebe und Ergebung
in die Hände des gütigen Willens Gottes.
Sorgen Sie sich auch nicht, ob Sie die Tugendübungen recht verrich-
ten; denn, wie ich Ihnen gesagt habe, sind sie trotzdem gut, auch wenn sie
ermattet, schwerfällig und gleichsam erzwungen geleistet werden. Sie
können Gott nur das geben, was Sie haben, und in dieser Zeit des Leidens
können Sie sonst nichts zustandebringen. Ihr Geliebter ist Ihnen jetzt,
meine liebe Tochter, wie ein Myrrhenbüschel; drücken Sie ihn dennoch
weiterhin an Ihre Brust (Hld 1,12). „Mein Geliebter ist mein und ich bin
sein“ (Hld 2,16); immer wird er in meinem Herzen sein. Jesaja nennt
ihn den Schmerzensmann (Kap. 53,3); er liebt die Leiden und die Lei-
denden. Quälen Sie sich nicht ab, viel zu tun, sondern seien Sie bereit,
das, was Sie zu leiden haben, mit Liebe zu leiden.
Gott wird Ihnen hilfreich sein, gnädige Frau, und Ihnen die Gnade
erweisen, daß Sie dieses mehr zurückgezogene Leben, von dem Sie mir
sprechen, in Erwägung ziehen können. Darniederliegend, lebend oder
sterbend, gehören wir Gott an (Röm 14,8) und nichts soll uns, dank
seiner Gnade, von seiner heiligen Liebe trennen (Röm 8,31). Niemals
wird unser Herz Leben haben als in ihm und für ihn, er wird auf immer
der Gott unseres Herzens sein (Ps 73,26).
Ich werde niemals aufhören, ihn darum zu bitten, noch gänzlich in ihm
zu sein Ihr Diener, der Sie sehr lieb hat.
Gnädige Frau, meine sehr liebe Tochter (denn ich glaube, Sie wollen,
daß ich Sie so nenne), nähren Sie Ihre Seele, indem Sie ihr den Geist
herzlichen Vertrauens auf Gott einflößen. In dem Maße, als Sie sich von
Unvollkommenheiten und Armseligkeiten umgeben finden, frischen Sie
Ihren Mut wieder auf, um fest zu hoffen. Haben Sie viel Demut, die
Tugend der Tugenden, aber eine hochherzige und von Frieden erfüllte
Demut.
Seien Sie treu, unserem Meister gut zu dienen, aber bewahren Sie in
seinem Dienst kindliche und liebevolle Freiheit; ohne in Ihrem Herzen
entmutigende Bitterkeit aufkommen zu lassen. Bewahren Sie einen Geist
heiliger Freude, die maßvoll Ihre Handlungen und Worte durchdringe
und den guten Menschen, die Sie sehen, Trost schenke, damit sie dafür
Gott verherrlichen (Mt 5,16; 1 Petr 2,12), was unser einziges Bestreben
ist. Sie dürfen jetzt Ihrem Leib keine Abtötung und Kasteiung zumuten,
und es ist auch keineswegs zuträglich, daß Sie auch nur daran denken,
worin wir ja übereingekommen sind. Halten Sie ihr Herz gut in Ordnung
vor seinem Heiland. Was Sie tun, tun Sie es so viel als möglich, um Gott
wohlzugefallen. Und was Sie entsprechend der Beschaffenheit dieses
Lebens zu leiden haben, das leiden Sie in der gleichen Absicht. So wird
Gott Sie ganz in Besitz nehmen und Ihnen die Gnade erweisen, daß Sie
ihn eines Tages auf ewig besitzen werden, wofür ich ihn mein ganzes
Leben lang anflehen werde, meine sehr liebe Tochter, und von ganzem
Herzen sein werde Ihr recht ergebener und Ihnen zugeneigter Diener.
mein Gott – sollen dafür seiner göttlichen Majestät danken, denn das ist
wohl ein großes Geschenk. Ich würde Ihnen das mündlich besser sagen;
aber Sie werden es, denke ich, auch so, wie ich es sage, genügend verste-
hen.
Das ist wirklich eine Versuchung, im Gebet sich mit dem Gedanken
abzugeben, was Sie mir von Ihrer Seele aufzudecken haben; denn das ist
nicht die Zeit dafür. Kämpfen Sie jedoch nicht gegen diese Gedanken an,
sondern lenken Sie ganz sachte Ihren Geist davon ab durch ein einfaches
Zurückkehren zum Gegenstand Ihres Gebetes.14
Ich werde Ihnen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit schreiben,
wenn ich mehr Zeit habe, denn jetzt muß ich abreisen, um in einer Pfarre
die Visitation vorzunehmen, und ich habe viele Leute um mich.
Gott sei inmitten Ihres Herzens, meine liebe Tochter, und möge es mit
seiner heiligen Liebe entflammen. Er hat mich für immer gemacht zu
Ihrem Ihnen sehr zugeneigten und treuen Diener.
3,4), und niemals an den einen Tod zu denken, ohne den Gedanken an
den anderen beizufügen.
Mein Gott, meine liebe Tochter, prüfen Sie nicht, ob Sie viel oder
wenig tun und ob es gut oder schlecht ist, wenn es nur nicht Sünde ist und
wenn Sie ganz schlicht den Willen haben, es für Gott zu tun. Soweit Sie
es können, tun Sie vollkommen, was Sie tun, aber wenn es getan ist,
denken Sie nicht mehr daran, sondern an das, was noch zu tun ist. Gehen
Sie recht einfach auf dem Weg Unseres Herrn und quälen Sie sich nicht!
Wir müssen unsere Fehler hassen, aber mit einem ruhigen und gelasse-
nen Haß, nicht aber mit einem verärgerten und verwirrten; ja, wir müs-
sen es ertragen, sie zu sehen und daraus eine heilige Selbsterniedrigung
gewinnen. Wenn das fehlt, meine Tochter, werden die Unvollkommen-
heiten, die Sie bis ins Kleinste hinein sehen, Sie noch mehr bis ins Klein-
ste hinein verwirren und sie werden dauernd haften bleiben; denn nichts
läßt unsere Schandflecken mehr anhalten als die Unruhe und der Über-
eifer, sie auszulöschen ...
Es ist eine schwere Versuchung, wenn man an der Welt Mißfallen fin-
det und traurig ist, in ihr zu leben, aber doch notwendigerweise in ihr
sein muß. Die Vorsehung Gottes ist weiser als wir. Wir sind der Mei-
nung, daß unser Befinden besser werde, wenn wir ein anderes Schiff be-
steigen. Ja, aber es wird nur dann sein, wenn wir selbst anders werden.
Mein Gott, ich bin ein geschworener Feind dieser unnützen, gefährli-
chen und schlechten Wünsche; denn wenn auch das, was wir wünschen,
gut ist, ist dennoch der Wunsch schlecht, denn Gott will eben diese Art
des Guten nicht für uns, sondern eine andere, in der wir uns nach seinem
Willen üben sollen. Gott will zu uns in den Dornen und im Busch spre-
chen, wie er es zu Mose tat (Ex 3,2), wir aber wollen, daß er zu uns im
sanften und frischen Lüftlein spreche, wie er es zu Elija tat (1 Kön 19,12).
Seine Güte bewahre Sie, meine Tochter; aber seien Sie beständig, mu-
tig und freuen Sie sich, daß diese Güte Ihnen den Willen schenkt, ganz
ihm gehören zu wollen. In ihm bin ich zur Gänze der Ihre.
daß Sie sich in Ihrem Eifer nicht Versuchungen oder Gelegenheiten zur
Abtötung wünschen. Da es Ihnen durch die Gnade Gottes daran nicht
fehlen wird, brauchen Sie Ihr Herz nicht damit beschäftigen, sie herbei-
zuwünschen. Beschäftigen Sie es vielmehr damit, daß es sich vorbereite
und die erforderliche Haltung einnehme, um sie entgegenzunehmen, nicht
wann Sie wollen, sondern wann Gott sie zuläßt.
Daß wir uns über die göttliche Gnade ein wenig freuen, falls wir Erfol-
ge haben, ist nichts Böses, wenn wir daraus demütig hervorgehen. Ereig-
nissen, die nicht Sie im Besonderen, sondern Ihr Haus betreffen, sollen
Sie abhelfen, jedoch dabei ergeben gleichmütigen Herzens das abwarten,
was Gott zum Besten für uns verfügen wird. Solche Klagen, Sie seien
armselig und unglücklich, müssen Sie, meine liebe Tochter, ganz bleiben
lassen; denn abgesehen davon, daß solche Worte sich nicht für eine Die-
nerin Gottes schicken, entspringen sie einem zu niedergeschlagenen
Herzen und sind weniger Äußerungen der Ungeduld als des Ärgers.
Sehen Sie, meine liebe Tochter, üben Sie Sanftmut und Ergebung in
den Willen Gottes, nicht bloß bei außergewöhnlichen Dingen, sondern
besonders bei diesen täglichen kleinen Unannehmlichkeiten. Bereiten
Sie sich darauf am Morgen vor, nach dem Mittagessen, bei der Danksa-
gung, vor und nach dem Abendessen und am Abend setzen Sie sich dies
für eine Zeit zum Ziel. Aber tun Sie das, das heißt diese Übungen, ruhi-
gen und freudvollen Geistes; und wenn Ihnen dabei Fehler unterlaufen,
demütigen Sie sich und beginnen Sie wieder von neuem.
Es ist sicher gut, eine große allgemeine Sehnsucht nach der äußersten
Vollkommenheit christlichen Lebens zu haben. Man sollte aber nicht im
Besonderen darüber philosophieren, sondern nur über unsere Besse-
rung und unseren Fortschritt von Tag zu Tag bei den täglichen Gescheh-
nissen. Das Gelingen unseres Hauptanliegens aber sollen wir der Vorse-
hung Gottes überlassen und uns dafür in seine Arme werfen wie ein
kleines Kind, das – um größer zu werden – Tag für Tag ißt, was sein Vater
ihm vorsetzt, und hofft, er werde ihm das für seinen Appetit und Bedarf
Erforderliche verschaffen.
Gegen die Versuchungen zum Neid wenden Sie das an, was ich im
Buch von den gleichen Versuchungen sage.17 Da die Kommunion Ihnen
soviel gibt, machen Sie oft von ihr Gebrauch mit großem Eifer und rei-
nem Gewissen. Leben Sie immer frohgemut trotz all Ihrer Versuchun-
gen. Tun Sie jetzt kein anderes Bußwerk und überwinden Sie sich, indem
Sie im Geist der Sanftmut liebevoll den Nächsten ertragen und Kranke
besuchen, und haben Sie guten Mut.
146 III. Fléchère 517
Ich habe unserer guten Schwester18 seither wenig geschrieben; ich habe
sie sehr lieb. Die Arme war wegen einer Kleinigkeit ganz verwirrt; das ist
aber ein gutes Zeichen, denn dies hat in ihr die Gottesfurcht vertieft. Sie
war ganz entmutigt, weil sie glaubte, Gott beleidigt zu haben. O Gott, wir
sollen viel lieber sterben, als wissentlich und freiwillig Gott zu beleidi-
gen. Wenn wir aber fallen, sollen wir alles eher verlieren als Mut, Hoff-
nung und unser Vorhaben. Nun, Gott wird dies alles zu seiner Ehre wen-
den.
Ihre Nachbarin wird recht gut handeln, wenn sie lieber bezahlt, was sie
nicht schuldig ist, um das Übel eines Prozesses oder einer Uneinigkeit
mit ihrem Mann zu vermeiden, wenn die Summe nicht recht bedeutend
ist. Denn wenn sie, um ihn vor einem körperlichen Fieber zu bewahren,
auch ohne sein Wissen Geld verwenden kann, warum nicht, um ein geist-
liches Fieber zu verhüten?
Gute Nacht, gnädige Frau, meine sehr liebe Gevatterin, meine Toch-
ter; Ihr Herz gehört Gott, leben Sie glücklich, so gut untergebracht zu
sein. Ich bin von ganzem Herzen Ihr recht treuer Diener und Gevatter.
Ich werde für mein Patenkind beten.
sehen, das Schlimmste, das Sie getan haben, lag darin, daß Sie über Ihre
Schwäche in Verwirrung geraten sind. Denn wenn Sie sich nach dem
ersten Stolpern nicht beunruhigt, sondern ganz sachte Ihr Herz wieder in
Ihre Hände genommen hätten (Ps 119,109), wären Sie nicht das zweite-
mal gestolpert. Nun aber, nach all dem, müssen Sie wieder Mut fassen
und sich immer mehr in unseren heiligen Entschlüssen bestärken, vor
allem in diesem, uns nicht zu beunruhigen oder jedenfalls wieder ruhig
zu werden, so oft wir diese Unruhe sehen und uns ihrer bewußt werden.
Dieses Wort: „Ich bin wirklich ganz zerrissen“, paßt nicht gut zum
Gegenstand, weswegen es gesagt wurde. Meine liebe Tochter, wir müssen
uns wohl um Mitgefühl mit dem Nächsten und Demut für uns selbst
bemühen. Wir dürfen nicht leichtfertig denken, daß es dem Nächsten zu
gut geht und uns zu schlecht. Ach, wir werden immer etwas zu tun, im-
mer einen Feind zu bekämpfen haben. Seien Sie darüber nicht erstaunt,
sondern werfen Sie, wenn diese schlechten Neigungen Sie beunruhigen
möchten, Ihr inneres Auge auf den gekreuzigten Heiland. Ach, Herr, wie
gut bist du zu mir; mache dies mein Herz gütig durch die Güte des
deinen! Lenken Sie sich ein wenig ab und dann bereiten Sie sich für den
Kampf vor; stellen Sie sich Ihre früheren Kämpfe vor Augen und wenn
Sie die zweite Erregung fühlen, tun Sie das gleiche. Gott wird Ihnen
beistehen.
Ich bin recht froh über die Ankunft der guten Schwester,21 der ich eine
lange Antwort schulde; mit Gottes Hilfe und etwas Zeit werde ich die-
selbe abfassen. Die gute Frau Baronin von Chantal grüßte Sie neulich in
einem Brief. Es lebe Jesus, in dem ich ganz der Ihre bin.
Was kann ich Ihnen mehr sagen, meine liebe Tochter, als was ich Ihnen
schon sooft gesagt habe, daß Sie, soviel Sie nur können, Ihr gewöhnliches
Leben aus Liebe zu Gott weiterführen, indem Sie mehr innere Akte die-
ser Liebe hervorbringen und auch äußere, vor allem aber, indem Sie – so
viel Sie es vermögen – Ihr Herz der heiligen Milde und Stille zuwenden;
der Milde dem Nächsten gegenüber, auch wenn er ärgerlich und ver-
drießlich ist; der Stille Ihnen selbst gegenüber, wenngleich Sie Versu-
chungen ausgesetzt, betrübt und armselig sind. Ich hoffe auf Unseren
Herrn, daß Sie sich immer an seiner Hand festhalten und folglich nie-
mals straucheln. Wenn Sie aber doch auf einen Stein stoßen und stol-
pern, so soll das nur dazu dienen, daß Sie besser auf sich achtgeben und
immer mehr um die Hilfe und den Beistand des gütigen himmlischen
Vaters bitten, den ich anflehe, er möge Sie immerdar in seiner heiligen
Hut halten. Amen.
Ich bin in ihm recht fest ganz der Ihre.
unnütz sind (Lk 17,10), aber doch auf die Größe des göttlichen Erbar-
mens hoffen, daß es Ihnen mehr und mehr gnädig sein wird. Gewiß darf
man sich nicht vordrängen. Aber die Gnaden empfangen, die Gott uns
schenkt, heißt nicht, sich vordrängen, vorausgesetzt, man verbleibt in der
Demut und in den Aufgaben, zu denen unser Beruf uns verpflichtet.
Ihre Handlungsweise beim Gebet, bei den Zerstreuungen und den klei-
nen Regungen geistlichen Neides ist richtig. Halten Sie sich nicht dabei
auf, sondern arbeiten Sie hochherzig vor Gott mit Ihrem höheren Wil-
len, und muntern Sie sich zur heiligen Liebe auf. Die Übung, die Sie mir
geschickt haben, ist gut, aber geben Sie acht, daß Sie in deren Durchfüh-
rung nicht den Entschluß aufgeben, sich in allem zu überwinden, was
Ihnen durch Ihren Beruf begegnet.
Ich schicke das beiliegende Buch25 an unsere Schwester und behalte
mir vor, Ihnen eines bei meiner Rückkehr zu schicken, da ich für den
Augenblick nur das habe, das ich mitnehmen muß, wohin ich gehe. Ich
empfehle Ihnen Frau von Charmoisy, die recht krank ist, nach dem, was
mir Herr von Charmoisy sagte, und ein gutes Werk, das wir für das Wohl
vieler Seelen unternehmen werden.
Ich bin völlig ganz der Ihre in Unserem Herrn, der leben und herr-
schen möge von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Annecy, am 2. Oktober, in Eile.
Es ist wahr, meine sehr liebe Tochter, daß nichts auf dieser Welt uns
eine tiefere Ruhe geben kann, als wenn wir oft Unseren Herrn in all den
Leiden betrachten, die ihm von seiner Geburt an bis zu seinem Tod zu-
stießen. Wir sehen da soviel Verachtung, Verleumdung, Armut und Dürf-
tigkeit, Erniedrigungen, Mühen, Qualen, Entblößungen, Beleidigungen
und jede Art von Bitterkeit, daß damit verglichen die kleinen Unbilden,
die uns zustoßen, zu Unrecht von uns Heimsuchungen, Plagen und Wi-
derwärtigkeiten genannt werden. Wir werden erkennen, wie unrecht wir
haben, uns Geduld zu wünschen für etwas so Geringes, da doch ein ein-
ziger kleiner Tropfen Bescheidenheit genügt, um all das gut zu ertragen,
was uns zustößt.
Ich kenne den Zustand Ihrer Seele recht gut und ich meine, daß ich sie
immer vor mir sehe mit all diesen kleinen Erregungen von Traurigkeit,
Entsetzen und Unruhe, die sie verwirren, da sie die Fundamente der
III. Fléchère 562 151
Liebe zum Kreuz und zur Selbsterniedrigung noch nicht tief genug in
ihren Willen hineingelegt hat. Meine sehr liebe Tochter, ein Herz, das
den gekreuzigten Jesus Christus ganz stark hochschätzt und liebt, das
liebt seinen Tod, seine Leiden, seine Qualen, sein Angespienwerden,
sein Beschimpftwerden, seine Entbehrungen, seinen Hunger, seinen Durst,
seine Schande; und wenn es irgendwie ein wenig daran teilhaben kann,
dann jubelt es darüber voll Freude und nimmt es liebevoll auf sich.
Sie sollen daher alle Tage, nicht während des Gebetes, sondern sonst,
wenn Sie auf- und abgehen, auf Unseren Herrn in den Mühen schauen,
die er für unsere Erlösung erlitt, und erwägen, welches Glück es für Sie
ist, daran teilhaben zu können. Überlegen Sie, bei welcher Gelegenheit
Ihnen dieses hohe Gut widerfahren kann, das heißt, bei den Widerstän-
den, auf die Sie mit all Ihren Wünschen stoßen und vor allem bei den
Wünschen, die Ihnen die gerechtfertigtsten und berechtigtsten scheinen.
– Dann sollen Sie mit einer großen Liebe zum Kreuz und Leiden Unse-
res Herrn mit dem hl. Andreas ausrufen: „O gutes Kreuz, das mein Erlö-
ser so sehr geliebt, wann wirst du mich in deine Arme aufnehmen?“
Sehen Sie, meine sehr liebe Tochter, wir sind zu verweichlicht, wenn
wir einen Zustand Armut nennen, bei dem wir weder Hunger noch Käl-
te, noch Schande, sondern bloß einige kleine Unannehmlichkeiten bei
dem haben, was wir uns vornehmen. Erinnern Sie mich, wenn wir uns
wiedersehen, daß ich ein wenig über diese Verzärtelung und Verweichli-
chung Ihres mir lieben Herzens zu Ihnen spreche, denn Sie benötigen
besonders um Ihres Friedens und Ihrer Ruhe willen vor allen Dingen,
davon geheilt zu werden und in sich die richtige Auffassung von der
Ewigkeit zu formen. Wer oft daran denkt, sorgt sich sehr wenig um das,
was ihm in diesen zwei, drei Augenblicken des sterblichen Lebens zu-
stößt.
Da Sie nun den halben Advent gefastet haben, können Sie bis zum
Ende weitermachen. Ich will schon, daß Sie auch an zwei aufeinander-
folgenden Tagen kommunizieren, wenn es Feiertage gibt. Gehen Sie nur
recht andächtig zur Messe nach dem Essen: handeln Sie so nach altem
Brauch der Christen. Unser Herr achtet nicht so kleiner Dinge; die Ehr-
erbietung liegt im Herzen, Sie sollen Ihren Geist nicht mit solch kleinli-
chen Erwägungen beschäftigen.
Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter, sehen Sie mich immer ganz
als den Ihren an, denn das bin ich in Wahrheit. Gott segne Sie. Amen.
152 III. Fléchère 564
Wenn ich Ihnen nicht schreibe, meine liebe Tochter, so ist es gewiß
nicht deshalb, weil ich kein ganz liebendes Herz für Sie habe, sondern
weil ich andauernd so viel gestört werde, daß ich nicht schreiben kann,
wann ich will. Außerdem kann Ihr Übel, das nichts anderes ist als Trok-
kenheit und Dürre, nicht durch Briefe geheilt werden. Ihre kleinen Schwie-
rigkeiten müßte man persönlich anhören können, aber schließlich sind
doch Geduld und Ergebenheit die einzigen Heilmittel dafür. Nach dem
Winter dieser Kälte wird der heilige Sommer kommen und wir werden
getröstet werden.
Ach, meine Tochter, wir lieben immer so sehr alles Liebliche, Ange-
nehme und lieb Tröstliche; aber doch ist die Härte der Trockenheit frucht-
bringender. Obgleich der hl. Petrus den Berg Tabor liebte (Mt 17,4) und
den Kalvarienberg floh, ist dieser doch viel mehr von Nutzen als jener,
und das auf Kalvaria vergossene Blut wünschenswerter als der auf Tabor
ausgebreitete Glanz. Unser Herr behandelt Sie schon als tapfere Toch-
ter; leben Sie auch ein wenig als solche. Es ist besser, Brot ohne Zucker
zu essen, als Zucker ohne Brot.
Unruhe und Ärger, die aus der Erkenntnis Ihrer Nichtigkeit aufstei-
gen, sind nicht liebenswert. Ist auch die Unruhe gut, so doch nicht ihre
Auswirkung. Nein, meine Tochter, denn die Erkenntnis unserer Nichtig-
keit soll uns nicht verwirren, sondern uns milder machen, uns demütigen
und erniedrigen; die Eigenliebe ist es, die bewirkt, daß wir verärgert
sind, uns armselig und niedrig zu sehen. Ich beschwöre Sie bei unserer
gemeinsamen Liebe, die Jesus Christus ist, möchten Sie doch ganz getrö-
stet und ganz ruhig bei all Ihren Schwächen leben. „Ich rühme mich
inmitten meiner Schwachheiten“ (2 Kor 12,9), sagt unser großer hl. Pau-
lus, „damit die Kraft meines Heilands in mir fruchtbar werde.“ Ja, denn
unser Elend dient als Thron, um die allerhöchste Güte Unseres Herrn
zur Anerkennung zu bringen.
Ich wünsche Ihnen tausend Segnungen. O Herr, segne das Herz meiner
sehr lieben Tochter, laß es brennen wie ein liebenswertes Brandopfer zur
Ehre deiner göttlichen Liebe; möge sie keine andere Befriedigung su-
chen als die deine, keine andere Freude anstreben als die, gänzlich dei-
ner Verherrlichung geweiht zu sein. Jesus sei immerdar inmitten dieses
Herzens und dieses Herz sei immerdar inmitten Jesu; Jesus lebe in die-
sem Herzen und dieses Herz in Jesus. In ihm bin ich mehr der Ihre,
meine liebe Tochter, als Sie glauben könnten ...
III. Fléchère 584, 590 153
(Weish 4,14). Ich bitte den Heiligen Geist, er möge dem Vater seinen
heiligen Trost schenken. Ich grüße die teure Schwester; der Verkehr mit
ihr wird Ihnen gut tun.
Halten Sie Ihre Seele fest in Ihren Händen (Ps 19,109); Sie begeben
sich in eine gute Gelegenheit, Unserem Herrn Ihre Treue zu bezeugen
durch Übung der Sanftmut, Güte, Demut, Ergebung und Liebe.
Ich bin mehr der Ihre, als Sie nur glauben können. Es lebe Jesus! Amen.
starb in Frieden und rächte sich nur dadurch, daß er für sie betete (Lk
23,34). Wir aber, meine sehr liebe Tochter, wir richten unsere Richter
und unsere Prozeßgegner, wir bewaffnen uns mit Klagen und Vorwürfen.
Glauben Sie mir, meine sehr liebe Tochter, wir müssen stark und bestän-
dig sein in der Liebe zum Nächsten; und ich sage dies von ganzem Her-
zen und ohne Bedachtnahme auf Ihre Prozeßgegner oder auf das, was
diese mir sind, und ich meine, daß in diesen Angelegenheiten nichts
mich berührt als der Eifer und Ihre Vollkommenheit.
Aber ich muß schließen; ich dachte nicht daran, so viel zu schreiben.
Sie werden Gott immer haben, wann Sie es wollen; und heißt das nicht,
reich genug sein? Ich flehe ihn an, daß sein Wille Ihre Ruhe und sein
Kreuz Ihre Ehre sei (Gal 6,14). Ich bin ohne Aufhören Ihr recht ergebe-
ner und unveränderlicher Diener in ihm.
Ich schreibe Ihnen in Eile. Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter,
mögen wir immerdar Gott gehören. Amen.
Ich bin in ihm gänzlich stets der Ihre und Ihr recht ergebener Gevatter
und Diener.
kommenheiten gesehen, über die weder Sie noch ich erstaunt sein sollen,
denn das sind nur kleine Mahnungen, sich vor unseren eigenen Augen
gering und niedrig zu halten und wach zu sein auf dem Wachtposten, auf
dem wir stehen. Sie müssen also mutig leben, meine sehr liebe Tochter,
denn schließlich gehören wir Gott vorbehaltlos und ausnahmslos an.
Bleiben Sie also im Frieden, mit der Gnade und dem Trost des Heiligen
Geistes.
Ich schreibe Ihnen in aller Eile, nicht aber ohne den ständigen innigen
Wunsch nach Ihrem geistlichen Wachstum; gehöre ich doch Ihnen so
wie ich bin, gänzlich und vollkommen.
Sie seine Abreise und seine Rückkehr Unserem Herrn demütig ans Herz
legen, voll Vertrauen auf seine Barmherzigkeit, daß er alles zu seiner
größeren Ehre gereichen lassen wird.
Leben Sie sanftmütig, demütig und ruhig, meine sehr liebe Tochter,
und gehören Sie immer ganz Unserem Herrn an, dessen hochheiligen
Segen ich Ihnen und Ihren Kleinen von ganzem Herzen wünsche, beson-
ders aber meinem lieben, guten, kleinen Patenkind, das ganz süß sein
soll. Die liebe Cousine befindet sich bei der Weinlese und berichtet mir,
daß sie sich wohlbefindet, wie auch Frau von Chantal, die, so scheint es
mir, mit allen ihren Schwestern große Fortschritte in der Liebe zu Gott
macht.
Ihr sehr ergebener Gevatter und Diener.
Was soll ich denn, meine sehr liebe Tochter, Ihnen über die Wieder-
kehr Ihrer Armseligkeiten sagen, als daß Sie bei der Wiederkehr des
bösen Feindes eben auch wieder die Waffen ergreifen und den Mut er-
neuern müssen, kräftiger denn je zu kämpfen. Ich sehe nichts Wichtiges
in Ihrem Schreiben. Aber mein Gott, hüten Sie sich recht davor, in ir-
gendeine Art von Mißtrauen zu geraten, denn diese himmlische Güte
läßt Sie nicht fallen, um Sie liegen zu lassen, sondern um Sie zu demüti-
gen und um zu erreichen, daß Sie fester und inniger die Hand seiner
Barmherzigkeit ergreifen.
Sie handeln ganz in meinem Sinn, wenn Sie inmitten der Trockenhei-
ten und inneren Schwächezustände, die Sie wieder befallen haben, Ihre
Übungen fortsetzen. Wir wollen doch Gott nur aus Liebe zu ihm die-
nen; der Dienst aber, den wir ihm leisten, wenn wir unter Trockenhei-
ten leiden, ist ihm wohlgefälliger als jener, den wir ihm inmitten ange-
nehmer Gefühle darbieten. Daher müssen wir auch, zumindest mit
unserem höheren Willen, ihn dann lieber auf uns nehmen. Und obwohl
unserem Empfinden und unserer Eigenliebe nach die tröstlichen und
zärtlichen Gefühle uns lieber sind, gereichen doch die Trockenheiten
nach dem Empfinden Gottes und seiner Liebe uns mehr zum Nutzen;
wie trockene Speisen für Wassersüchtige besser sind als solche, die viel
Flüssigkeit enthalten, wenngleich die Wassersüchtigen letztere immer
mehr lieben.
In die zeitlichen Dinge haben Sie versucht, Ordnung zu bringen, was
III. Fléchère 734 159
Ihnen aber nicht gelungen ist. Sie müssen sich daher jetzt in Geduld und
Ergebung fassen. Nehmen Sie gern das Kreuz auf sich, das Ihnen zuteil
wurde, und machen Sie entsprechend den sich ergebenden Gelegenhei-
ten von dem Rat Gebrauch, den ich Ihnen dafür gegeben habe.
Bleiben Sie in Frieden, meine liebe Tochter; sagen Sie Unserem Herrn
oft, daß Sie das sein wollen, was Sie nach seinem Willen sein sollen und
daß Sie das leiden wollen, was Sie nach seinem Willen leiden sollen.
Bekämpfen Sie Ihre Ungeduld, indem Sie nicht nur bei jedem Anlaß,
sondern auch ohne Anlaß heilige Güte und Sanftmut jenen gegenüber
üben, die Ihnen am lästigsten fallen. Und Gott wird Ihr Vorhaben seg-
nen.
Guten Abend, meine sehr liebe Tochter; Gott sei einzig und allein Ihre
Liebe. Ich bin in ihm von ganzem Herzen der Ihre.
Es geht also recht gut; da diese kleinen Blitze nicht mehr so plötzlich
aus Ihrem Geist hervorbrechen und Ihr Herz ein wenig sanftmütiger ist.
Seien Sie immer Gott und Ihrer Seele treu. Bessern Sie sich immer in
irgendetwas, leisten Sie sich aber diese guten Dienste nicht gewalttätig,
sondern trachten Sie, das mit Vergnügen zu tun, so wie Gärtner handeln,
die es aus Liebhaberei sind, wenn sie die Bäume ihrer Obstgärten aus-
schneiden.
Unser Herr wird zweifellos alles das ergänzen, was Ihnen sonst fehlt,
damit Sie sich vollkommener zu ihm zurückziehen können, wenn nur er
es ist, den Sie lieben, den Sie suchen und dem Sie folgen. Das tun Sie,
meine Tochter, ich weiß es; aber tun Sie es immer und empfehlen Sie
mich seiner Barmherzigkeit, denn ich bin von ganzem Herzen Ihr Die-
ner, der Sie sehr lieb hat.
ter, mit welch liebevollem Herzen sollen wir doch diese kleinen Ge-
schehnisse aufnehmen! Sollen doch unsere Herzen mehr am Himmel
hängen als an der Erde. Ich werde zu Gott beten für diese Seele und um
Trost für die Ihren.
Machen Sie sich doch keine Sorgen um Ihre Gebetsweise, noch um die
Vielfalt der Wünsche, die Sie überfallen, denn weder die vielfältigen
Empfindungen sind schlecht, noch der Wunsch nach mehreren bestimm-
ten Tugenden. Ihre Entschlüsse können Sie wohl auf folgende Weise ge-
nauer darlegen: ich will also die Tugenden treuer üben, die mir notwen-
dig sind; wie z. B. bei dieser bestimmten Gelegenheit bereite ich mich
darauf vor, diese bestimmte Tugend zu üben; und so auch die anderen.
Sie brauchen gar nicht einmal innerliche Worte formen; es genügt, wenn
Sie Ihr Herz erheben oder es in Unserem Herrn ruhen lassen. Es genügt,
diesen göttlichen Liebenden unserer Seelen liebevoll zu betrachten, denn
unter Liebenden sprechen die Augen mehr als die Zunge.
Ich schreibe Ihnen in Eile und in Gegenwart des Dieners. Guten Abend
denn, meine sehr liebe Tochter; vertiefen und versenken Sie den Tod
Ihrer Schwester nur im Sterben des Erlösers. Sein Wille werde immer-
dar verherrlicht. Amen.
Es lebe Jesus! Ihr ergebener Diener und Cousin.
ihm hervorrufen kann. Dennoch bleibe ich fest und halte für sicher, was
man mir versprochen hat, und ich hoffe, daß bei Eintreffen des Befehls
diese ärgerliche Wartezeit beendigt sein wir.
Gott sei auf immerdar der größte und erhabenste Gegenstand unserer
Liebe. Ich bin ihm, auf immer und rückhaltlos Ihr ganz ergebener und
unveränderlicher Diener und Cousin.
Fortschritt ist. Ich habe Ihnen so oft gesagt, daß man in der Frömmigkeit
ganz einfach und, wie man sagt, grosso modo vorangehen soll. Wenn Sie
gut handeln, dann preisen Sie Gott dafür; handeln Sie aber schlecht,
dann demütigen Sie sich. Ich weiß wohl, daß Sie nicht vorsätzlich schlecht
handeln wollen; die anderen Übel dienen nur dazu, Sie zu demütigen.
Fürchten Sie sich also nicht mehr und tüfteln Sie nicht mehr in Ihrem
lieben Gewissen herum; denn Sie wissen nur zu gut, daß nach all Ihrem
Eifer Ihnen bei Gott nichts zu tun bleibt, als um seine Liebe zu bitten,
die von Ihnen nichts verlangt als Ihre Liebe.
Tun Sie das, meine sehr liebe Tochter, und hegen Sie sorgsam die Sanft-
mut und innere Demut. Ich wünsche unaufhörlich tausendfachen Segen
über Sie; vor allem, daß Sie demütig, sanftmütig und ganz milde seien
und Nutzen ziehen aus Ihren Mühen, indem Sie alles liebevoll aus Liebe
zu ihm auf sich nehmen, der aus Liebe zu Ihnen soviele Mühen gelitten
hat. Ich bin, meine sehr liebe Tochter, in ihm Ihnen herzlich zugeneigt,
ganz der Ihre.
Aber, um aufrichtig unter vier Augen zu sprechen, haftet sein Geist all-
zusehr an seinen Einbildungen; diese aber sind zu groß und stehen in
keinem Verhältnis zu seinen Kräften und seiner Fähigkeit, die nicht im
Leiten, sondern im Geleitetwerden besteht. Seine schwache Seite ist sein
an Einfällen und Plänen so fruchtbarer Geist, daß er sich nicht zufrie-
dengeben kann. Dennoch halte ich es nicht für schlecht, sondern für gut,
wenn Sie mit ihm sprechen, wie es Gott Ihnen eingeben wird.
Die gute Frau von Chantal weiß nicht, daß ich Ihnen schreibe, denn
sonst würde sie Ihnen zweifellos auch schreiben, da sie Ihnen doch be-
sonders zugetan ist. Ich habe sie heute früh gesehen, als ich die heilige
Messe bei ihnen zelebrierte; aber wegen der vielfältigen Geschäfte konn-
te ich sie acht Tage lang nicht sprechen. Alles geht sehr gut in dieser
kleinen Kongregation. Man hat die Satzungen in Lyon haben wollen, wo
eine Gründung in Aussicht ist, und auch in Paris, um zu sehen, ob man
dort eine Niederlassung planen könnte. Ich muß Ihnen darüber Bescheid
geben, ebenso daß ich zweimal in Bons gewesen bin, wo sich einiges
Gute tut, aber ich weiß nicht, was seither zustandegekommen ist. Die
liebe Schwester war recht zufrieden, unsere kleine Antonie auch und
alle.
Halten Sie Ihr Herz recht rein, gütig und arm, denn „selig sind die
Armen, die Guten und die reinen Herzens sind“ (Mt 5,3.4.8).
Ich bin immer mehr ganz treu der Ihre.
ganz wunderbar in den Willen Gottes, wie die kleine Cousine59 mir
schreibt.
Meine sehr liebe Tochter, am Ende werden wir, nach welcher Seite wir
uns auch immer drehen, nichts der Hochschätzung würdig finden als die
Gnade Unseres Herrn, der ich Sie unaufhörlich empfehle, da ich ganz
vollkommen der Ihre bin und Ihr recht ergebener Diener und Cousin ...
Ach, ich habe nicht einmal gedacht an das, was Sie mir von Tarentaise
schreiben;62 ich schätze zu sehr die Witwenschaft, als daß ich mich je-
mals wieder verehelichen würde. Nein gewiß, wenn ich jemals meine
Freiheit hätte, würde ich sie niemals aufgeben. Und wenn, dann würde
ich sie von ganzem Herzen in die Hände Unseres Herrn aufgeben, damit
er mit mir nach seinem Wohlgefallen verfahre.
Möge er immerdar in unseren Herzen leben und herrschen. Amen.
ist, immer treu zu sein. Gott, dem wir gehören, wird uns bewahren und
mehr und mehr vorwärtshelfen in seiner heiligen Liebe und in der echten
Verachtung unser selbst.
Auch mich verlangt es sehr, Sie zu sehen, aber erst, wenn Sie wieder-
hergestellt sind. Indessen bin ich, meine liebe Tochter, recht vollkom-
men ganz der Ihre, wie Sie wissen.
Sie wissen jedoch, welch ein Geschäftsmann ich bin; von weltlichen
Angelegenheiten verstehe ich sicherlich gar nichts. Darum rate ich Ih-
nen, dem Neffen69 zu glauben, der von Beruf aus und bei seiner für Sie
gehegten Zuneigung Sie dabei nur gut führen wird. Dennoch sollen Sie
schon die Welt Ihre guten Vorhaben für Ihre Kinder wissen lassen, an-
dernfalls wird die Welt auf die Philothea losschimpfen und froh sein,
dies zum Anlaß nehmen zu können; dem wird Ihre Erklärung genügend
vorbauen.
Wenn die Welt sich aber damit nicht zufriedengibt, dann lassen Sie sie
schreien und Lärm schlagen, soviel sie will, denn der neue Bräutigam
kümmert sich nicht um das Zeugnis der Welt.
Wir müssen sicher Herrn Guydeboys70 helfen, so sehr wir können,
damit er seine Pension bekommt, denn der arme Mann wäre ohne diese
schlecht daran und hätte allen Grund, sich zu beklagen. Ich werde ihm
beistehen, soviel ich nur kann, damit er nicht seines berechtigten An-
spruches beraubt wird.
Ihre Gefühle, den Verewigten nicht mehr im Leben zu haben,71 kön-
nen nicht so schnell vergehen; es genügt, wenn wir auf der obersten Spit-
ze des Geistes uns ganz in das Wohlgefallen Gottes ergeben und versu-
chen, immer vollkommener eins zu werden mit dem zweiten Bräutigam.
Bleiben Sie nur ganz in ihm und leben Sie ganz für ihn.
Ich bin vollkommen der Ihre ...
Gott sei immerdar inmitten unserer Herzen. Ich grüße die teure Ge-
fährtin und die liebe Nichte, wenn Sie ihr schreiben.
Heute morgen ist Herr Roch aus dieser Stadt abgereist, meine liebe
Tochter, und ich habe durch ihn Herrn Bonfils, der in Lagnieu ist, über
Ihre Angelegenheit geschrieben, da es nicht den Anschein hat, als ob wir
ihn bald wiedersehen, und besagter Herr Roch mir doch gesagt hat, daß
er seinen Einfluß geltend machen würde.
Sie müssen denen gegenüber, die Forderungen stellen, mit Güte und
herzlicher Höflichkeit fest bleiben; Gott wird Ihnen beistehen und Ihre
Angelegenheiten werden sich gerecht abwickeln und früher, als Sie er-
hoffen könnten. Wenn Herr Guydeboys seine Bullen haben wird, wer-
den Sie das Restliche ordnen, nicht leicht zwar, aber doch in aller Ruhe,
176 III. Fléchère 1200, 1210
Ihrem Versprechen gemäß, und man wird es möglich machen. Ich den-
ke, daß Sie recht daran getan haben, das Pferd zu verkaufen, denn es ist
gefährlich, es zu behalten.
Leben Sie immer ganz Unserem Herrn, meine Tochter, und erachten
Sie mich ganz als den Ihren in ihm, denn das bin ich mehr, als Sie es
sagen könnten. Es lebe Jesus! Amen.
Die liebe Nichte82 ist so voll Freude, daß ihre Seele wie ein kleines
Kind an der Brust der himmlischen Güte geborgen ist. Ich habe nur
einmal vor drei Wochen mit ihr gesprochen, aber ich erkenne unabläs-
sig, mit welcher Güte Gott in sie einwirkt. Ja, Gott ist gut, und selig das
Herz, das ihn liebt.
Herr Bonfils ist vergangenen Abend, ungefähr um 11 Uhr, verhaftet
und als Gefangener nach Chambéry oder Miolans gebracht worden über
Auftrag des Prinzen. Man hat alle seine Kästen und seine Wohnung ver-
siegelt. Das wird Ihre Bezahlung schwieriger machen. Ich werde mit den
Herren vom Gericht sprechen, um zu sehen, was sich für Ihre Bezahlung
machen läßt. Dieser gute Mann sah mich schon seit einiger Zeit nicht
und hatte in Seyssel behauptet, mich niemals lieben zu wollen, ohne daß
er irgendwelchen Grund oder Anlaß gehabt hätte, eine solche Erklärung
abzugeben; darum hatte ich, obgleich er verschiedene Mal hierher ge-
kommen war, keine Möglichkeit gehabt, mit ihm über Ihre Angelegen-
heit zu sprechen. Nur gestern grüßte er mich im Vorübergehen und ich
ihn. Ach, meine liebe Tochter, Gott weiß, wie sehr ich ihm die unendli-
chen Güter des Friedens, der Tröstung und Gnade des Heiligen Geistes
wünsche (Apg 9,31; Gal 5,2). Ihnen aber, meine sehr liebe Tochter, ver-
mag ich nicht zu sagen, wieviel davon meine Seele Ihnen und unserer
lieben Schwester von Mieudry wünscht ...
XIX, 121-122 (1603) Annecy, (Januar oder Februar 1616 oder 1620).
Meine sehr liebe Tochter!
Ich wünsche, daß Sie mein Patenkind auf die Erstkommunion vorbe-
reiten, die ich ihm eigenhändig in den kommenden Ostertagen spenden
möchte. Ich bitte Sie, ihr kleines Herz vorzubereiten als Wohnung für
Ihn, der sie ganz besitzen will. Lehren Sie sie frühzeitig, daß man – um
einen solchen Gast aufzunehmen – seine Seele gründlich reinigen muß
von allen Arten von Fehlern und Unvollkommenheiten und es aus-
schmücken mit allen Tugenden, besonders mit Frömmigkeit, Liebe und
Demut.
180 III. Fléchère 1651, 1894, 1897
ung als die, ihre Rolle gespielt und ihre Streitsucht befriedigt zu haben.
Bleiben wir indessen immer in Gott und leben wir nur für ihn allein,
meine liebe Tochter.
Der gute Pater von Saunaz, der wie ein Schäflein aus Gehorsam ge-
kommen ist, geht wie ein Lamm aus Gehorsam fort, bereit, wiederzu-
kommen, um der Ehre Gottes sein Leben, sein Prioramt zu opfern und
auch seine Pfarre zum Wohl von Rumilly und dieses ganzen Landes. Ich
glaube, daß Leute von Ehre ihm dafür Dank wissen werden. Und ich
gehe mit neuem Mut daran, die für diese Angelegenheit erforderlichen
Schritte zu unternehmen, wozu mich die Sanftmut und die Güte der
Patres vom Oratorium aufmuntern,88 sehe ich doch voraus, daß ihr Kom-
men sich diesem Volk sehr heilsam erweisen wird.
Ich bin, meine liebe Tochter, ganz der Ihre in Unserem Herrn.
IV
V.. Briefe aus den Jahren 1610 – 1616
Diese sieben Jahre bilden einen neuen, bedeutsamen Abschnitt in der Kor-
respondenz des Heiligen. Vor diesem Zeitpunkt stammen die meisten Korre-
spondenten aus Savoyen, einige aus benachbarten Provinzen Frankreichs. Nun
schiebt sich die Gründung der Heimsuchung 1610 in den Vordergrund. Diese
ist Gegenstand zahlreicher Briefe. Weitaus die meisten sind Seelenführungs-
briefe im vollen Sinn des Wortes.
Die Korrespondenz mit den Briefempfängern aus früheren Jahren geht natür-
lich weiter: soweit sie in diesem Zeitabschnitt Briefe erhielten, sind diese den
vorausgehenden Abschnitten zugeordnet. Es treten aber viele neue Korrespon-
denten auf. Eine Anzahl von ihnen wird in der folgenden Einführung (E) vor-
gestellt, andere in den Anmerkungen (A) am Schluß des Bandes.
Nach verschiedenen Orten in Savoyen gehen Briefe an die Baronin von Cusy
(E) und ihre Nichte, Fräulein von Chapot (A 4), Frau von Travernay (E), an
eine Frau von Fléchère (geb. d’Avully, A 15), an Fräulein von Blonay (A 18),
die Präsidentin Favre (E), Frau d’Aiguebelette (E), die Konvertitin Saint-
Cergues (A 30), Frau de la Valbonne (E), Frau de la Croix d’Autherin (E),
Frau de Murat de la Croix (E), an den Baron de Rochefort (A 58), Herrn von
Chabod (A 59), an Frau von Ruans (A 1), Frau von Monthoux (A 65).
Aus den benachbarten französischen Provinzen stammt der junge Mann, der
an den Hof gehen will (A 17), Frau Grandmaison (E), und der Herzog von
Bellegarde (E). Auch von den unbekannten Empfängern der Seelenführungs-
briefe dürften die meisten aus Savoyen stammen. Im nächsten Abschnitt wird
sich das Bild ändern, wenn die vielen Korrespondenten aus Grenoble und aus
Paris aufscheinen.
gregation in die größte Verlegenheit. Der Erwerb des Hauses „der Galerie“
gelang schließlich doch unter großen Schwierigkeiten und die ersten Novizin-
nen konnten ihr großes Werk beginnen (s. Oeuvres XIV, 286, Anm. 1; 287,
Anm. 2; 312, Anm. 2).
MADAME DE TRAVERNAY,
geborene Péronne de Montfalcon, heiratete 1598 Balthazar de Mouxy, Herr
von Travernay, der 1617 starb. Ihr eigener Todestag ist unbekannt, jedenfalls
nach 1628. – Wie Frau von Fléchère, hatte sie eine Menge von Obliegenheiten,
war dabei auch oft von Krankheiten heimgesucht. Franz von Sales lehrt sie
inmitten all dieser Schwierigkeiten den schlichten Weg der Hingabe an Gott zu
gehen. Seine Ratschläge, besonders im ersten Brief und im Brief vom 29. Sep-
tember 1612 bezeugen wieder seine Großzügigkeit und sein Bestreben, auf das
Wesentliche zu gehen. Von den Briefen an diese geistliche Tochter, die zu seinen
treuesten zählt, sind nur sieben erhalten, die sich auf den Zeitraum von 1610-
1622 erstrecken. Der Brief in Oeuvres XVII, S. 29, Nr. 1102 ist zweifelhafter
Echtheit und enthält nur Nachrichten. Er wurde hier ausgelassen.
MADAME D’AIGUEBELETTE.
Françoise du Foret, in zweiter Ehe mit Herrn von Aiguebelette verheiratet,
lernte Franz von Sales wahrscheinlich bei dessen Fastenpredigten 1606 ken-
nen. Dem ersten Brief des Heiligen sind sicher eine Anzahl von Besprechungen
und Briefen vorausgegangen. Die damals wohl schon 50jährige Frau (ihre erste
Ehe datiert vor 1581) würde er sonst erst nach einigen Briefen als seine „Toch-
ter“ angesprochen haben.
Von Franz von Sales sind fünf Briefe an sie erhalten. Wahrscheinlich sind
solche auch in den anonym angeführten Briefen. – Frau Aiguebelette war viel
krank. Franz von Sales tröstet sie und hilft ihr, diese recht beschwerliche Krank-
heit für ihr religiöses Leben gut zu verwenden.
MADAME DE LA VALBONNE.
Andrée de Nicole de Crescheret hatte in zweiter Ehe 1611 Herrn René Favre
de la Valbonne geheiratet und war so die Schwägerin der Mutter Favre gewor-
den. In einem Brief an diese (XV, 180) nennt Franz von Sales Frau de la
Valbonne eine „Perle“. Er war ihr ein liebevoller Seelenführer. Sieben Briefe
an sie sind erhalten. – Franz von Sales nennt sie seine Nichte. Er gab gern
Verwandtschaftsbezeichnungen.
184 IV. Einführung
MADAME DE PEYZIEU.
Françoise de Dizimieu heiratete Françon Philibert de Longecombe, Herrn
von Thoys und Peyzieu. Sie hatte sechs Kinder, davon vier Söhne (s. Oeuvres
XIII, 130, Anm. 1). Schon 1605 schrieb Franz von Sales an einen dieser vier
Söhne in sehr herzlicher Weise.
Mit Frau von Peyzieu entwickelte sich von 1612-1617 (ihr Todesjahr) ein
Briefwechsel, der zu den reizvollsten des Heiligen gehörte. Franz von Sales hatte
von Frau von Peyzieu Briefe empfangen, in denen die alte Dame ihn sozusagen in
ihre Familie aufnahm und ihn – wohl auf sein Ersuchen – ihren Sohn nannte.
Franz von Sales antwortete mit einem Dankbrief vom 12. März 1612 (Oeuvres
XV, 181-182; Nr. 759). Die schon alte Verbindung mit der Familie Peyzieu-
Longecombe wird nun enger geknüpft und wird nicht mehr abbrechen. Franz
von Sales nennt die alte Dame Mutter und verlangt von ihr, daß sie ihn Sohn
nenne und nicht sparsam, wie er liebevoll scherzend schreibt. Er tröstet sie über
die Beschwerden des Alters und lehrt sie, diese mutig zu tragen und für den
Fortschritt ihrer Seele zu verwerten, gibt ihr auch liebe Mahnungen, nachdem sie
ihre Fehler bekannt hatte. Beim gewaltsamen Tod eines ihrer Söhne im fernen
Amerika schreibt er ihr einen ergreifenden Trostbrief.
MADAME D’ESCRILLES.
Als Tochter des Herrn von Mouxy-Travernay und der Frau von Saint-Jeoire
(Schwester des Barons d’Hermence) wurde Marie de Mouxy um 1582 geboren,
heiratete 1591 Herrn d’Escrilles und war mit 18 Jahren Witwe. – Im Jahr 1614
trat sie in die Heimsuchung ein, wurde in verschiedenen Klöstern Oberin und
starb 1645. – Ihr Name im Kloster war Marie Madeleine de Mouxy.
MADAME DE GRANDMAISON.
Helene Longecombe, Tochter der Frau von Peyzieu, heiratete am 25. Juli
1598 François de Bessac, Herrn von Grandmaison, Statthalter zu Mâcon (Bur-
IV. Einführung 185
gund). Sie lebte 1662 noch (Oeuvres XV, 283, Anm. und 284, Anm.).Sie kam
nach Annecy für die „grands Pardons Unserer Lieben Frau von der Freude“
September 1612. Dabei mag sie Franz von Sales kennen gelernt und sich später
unter seine Leitung gestellt haben, wenn das nicht schon früher gechah, da ja
die Familie Longecombe mit der Familie des Heiligen enge Beziehungen hat-
ten.
Die Oeuvres enthalten einen angeblichen Brief des Heiligen an Frau von
Grandmaison, datiert vom 25. Oktober 1612. Er scheint kaum echt zu sein. An
echten Briefen des Heiligen an diese Dame sind uns drei erhalten, die wir hier
bringen.
Gnädige Frau!
Bei diesem Besuch Ihres Gatten, des Herrn Barons, habe ich erfahren,
mit wieviel Ränken die Welt versucht hatte, Ihren Entschluß zu erschüt-
tern;3 und ich habe Unseren Herrn gepriesen, daß Sie bis jetzt Ihre Stand-
IV. Cusy 594 187
haftigkeit bewahrt haben. Dennoch muß ich jetzt, da wir – wie mir scheint
– am Vorabend der Durchführung eines so heiligen Vorhabens stehen,
ein wenig offen mit Ihnen sprechen und Sie beschwören, Ihr Herz recht
zu prüfen, um zu erkennen, ob Sie genügend Liebe, Kraft und Mut haben,
so bedingungslos den gekreuzigten Jesus Christus zu umfangen und von
dieser armseligen Welt Abschied zu nehmen. Denn sehen Sie, gnädige
Frau, Sie müssen eine tapfere und hochherzige Seele sein, um dieses
Vorhaben durchführen und den Vorstellungen der närrischen Weisheit
dieser Welt (1 Kor 1,20) widerstehen zu können.
Sie werden zwar, wenn Sie dieses Werk einfach Gottes und Ihres Hei-
les wegen unternehmen, sicherlich soviel Freude daraus gewinnen, daß
nichts Sie davon wird abhalten können, und die gute Gemeinschaft, in
der Sie sich befinden werden, wird Ihnen nicht wenig dabei helfen, sich
dort gut einzugewöhnen. Doch dürfen Sie deshalb nicht unterlassen, Ih-
ren Mut gut zu prüfen, bevor Sie kommen. Wenn Sie ihn aber recht und
fest finden, dann kommen Sie nur kühn im Namen Gottes, der – als
Urheber und Beschützer dieses Planes – ihn immer mehr durch seinen
Segen fördern und Ihnen darin tausend Freuden schenken wird, von de-
nen die Welt nichts wissen kann.
Wenn Sie aber im Gegenteil – was Gott verhüte – sich nicht stark
genug fühlen, diesen Weg zu beschreiten, dann wäre es gut, uns zu be-
nachrichtigen, damit die anderen ihrem unerschütterlichen Wunsch ent-
sprechend beginnen und Sie, gnädige Frau, daran denken können, ir-
gendeine andere, Ihnen mehr entsprechende Lebensweise zu ergreifen.
Mir persönlich liegt diese heilige Aufgabe so sehr am Herzen, daß ich
mich glücklich fühlen würde, mich für ihre Erfüllung verwenden zu dür-
fen, und ich werde ihr beständig, froh und mit Gottes Hilfe in nützlicher
Weise dienen; mit solcher Liebe aber, daß nur der Wille Gottes allein
mich davon abhalten könnte, der mich vielleicht meiner Sünden wegen
nicht würdig genug finden wird, diesen Dienst zu seiner Ehre zu leisten.
Ich hoffe auf ihn, daß Ihre Seele immer mehr wachse, vom Guten zum
Besseren, und flehe ihn an, er möge Sie trösten und bereiten.
Indessen verbleibe ich, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener Diener ...
188 IV. Chapot 609
gelingt nur jenen, die durch lange Gewohnheit ihren Geist ganz dem
Himmel zugewandt haben. Unsere Seelen aber, die noch ganz schwach
sind, lassen sich beim Empfinden körperlicher Plagen und Leiden leicht
ablenken. Darum ist es kein Wunder, wenn Sie während Ihrer Krankhei-
ten keine Betrachtung halten konnten. Zu solchen Zeiten genügt es, Stoß-
gebete und heilige Herzenserhebungen zu verrichten. Da wir doch oft im
Schmerz seufzen, kostet es uns nicht mehr, in Gott, zu Gott und Gottes
wegen zu seufzen, als zu seufzen, um unnützerweise zu klagen.
Nun aber, da Gott Ihnen die Gesundheit wieder verliehen hat, müssen
Sie, meine liebe Tochter, wieder ihre Betrachtung7 aufnehmen, zumin-
dest für eine halbe Stunde am Morgen und eine Viertelstunde am Abend
vor dem Abendessen; denn da Sie nun einmal Unser Herr von diesem
himmlischen Honig verkosten ließ, würde es Ihnen einen schweren Vor-
wurf eintragen, wenn Sie dessen überdrüssig würden, zumal er Sie dabei
soviel Leichtigkeit und Freude verkosten ließ, wie Sie mir – ich erinnere
mich gut daran – gestanden haben. Sie müssen also Mut fassen und dür-
fen nicht zulassen, daß Geschwätz und sinnlose Unterwürfigkeit unter
unsere Umgebung Sie eines so seltenen Gutes berauben, von Herz zu
Herz mit seinem Gott sprechen zu können.
Ich bin Ihnen gewiß sehr verbunden, wenn Sie mir ein wenig über Ihre
Seele berichten, denn die meine liebt sie innig und kann nicht umhin,
erfahren zu wollen, in welchem Zustand sie sich befindet. Die verschie-
denen Pläne Ihres Herrn Gemahls aber, Sie hierher zu bringen und auf
dem Land bleiben zu lassen, haben mich zurückgehalten, Sie darüber zu
befragen. Erweisen Sie mir also, ich bitte Sie, die Güte, mir manchmal
zu schreiben, und seien Sie gewiß, daß ich Ihnen immer Antwort geben
werde, wie ich auch der Ehre, die Sie mir durch Ihr Wohlwollen erwei-
sen, durch die aufrichtige Neigung treu entsprechen werde, Ihnen zu
dienen.
Gott sei immerdar inmitten ihres Herzens, um es zu erfüllen und in
seiner heiligen Liebe überreich werden zu lassen; das sind die täglichen
Wünsche, meine liebe Frau Tochter, Ihres sehr ergebenen Cousins und
Dieners ...
nig lieben. Darum wünsche ich ihr immer größeren Fortschritt in der
heiligen Liebe Gottes, die der Segen aller Segnungen ist.
Sie wissen, meine sehr liebe Tochter, daß das Feuer, das Mose auf dem
Berg sah (Ex 3,1f), diese heilige Liebe darstellte, und, wie diese Flam-
men an den Dornen Nahrung fanden, auch die Übung der heiligen Liebe
noch glücklicher bewahrt bleibt in den Heimsuchungen als in der Be-
friedigung. Sie haben also Gelegenheit, zu erkennen, daß Unser Herr
wünscht, Sie sollten in der Liebe zu ihm daraus Nutzen ziehen, da er
Ihnen fast immer eine unbeständige Gesundheit und viele andere Prü-
fungen auferlegt.
Mein Gott, meine sehr liebe Tochter, wie tröstlich ist es doch, Unseren
Herrn am Kreuz mit Dornen, im Himmel aber mit Glorie gekrönt zu
sehen! Denn das ermutigt uns, Widrigkeiten liebevoll aufzunehmen, da
wir wohl wissen, daß wir durch die Dornenkrone die Krone der Seligkeit
erreichen werden. Halten Sie sich nur immer recht innig an Unseren
Herrn geschmiegt und mit ihm vereint, dann wird Ihnen kein Leid wi-
derfahren, das sich nicht zum Guten wandelt.
Gnädige Frau, Ihr ergebener und sehr zugeneigter Diener und Cousin ...
Segen gebe. Das könnten Sie in der kurzen Zeit eines Ave Maria tun. Vor
allem aber wünsche ich, daß Sie bei jeder Gelegenheit untertags Ihr Herz
zu Gott zurückziehen und ihn mit wenigen Worten Ihrer Treue und Lie-
be versichern.
Was die Kümmernisse Ihres Herzens betrifft, meine liebe Tochter,
werden Sie leicht solche unterscheiden, gegen die es Abhilfe gibt, und
andere, gegen die es keine gibt. Gibt es Hilfe dagegen, dann muß man
trachten, diese sachte und friedvoll herbeizuführen; gibt es aber solche
nicht, dann müssen Sie diese als eine Abtötung ertragen, die Unser Herr
Ihnen schickt, um Sie zu prüfen und ganz zu der Seinen zu machen.
Hüten Sie sich davor, etwa in Klagen Erleichterung zu suchen, son-
dern zwingen Sie Ihr Herz, ruhig zu leiden. Befällt es irgendeine An-
wandlung von Ungeduld, dann bringen Sie – sobald Sie ihrer gewahr
werden – Ihr Herz wieder zum Frieden und zur Liebe zurück. Glauben
Sie mir, meine liebe Tochter, Gott liebt die von den Wogen und Stürmen
dieser Welt hin- und hergeschüttelten Seelen, sofern sie das Leid nur aus
seiner Hand entgegennehmen und sich wie tapfere Krieger bemühen,
inmitten der Angriffe und Kämpfe die Treue zu wahren. Wenn ich kann,
werde ich etwas über dieses Thema Ihrer lieben und liebenswürdigen
Schwester8 sagen, damit sie es Ihnen weitersage. Ich gehe jetzt fort, um
einen heißen Streit beizulegen, der verhindert werden muß.
Ich bin aber ganz starken Herzens, gnädige Frau, Ihr ergebener Cousin
und Diener, der Sie sehr lieb hat ...
entzogen, läßt ihn den Sieg ohne Kampf gewinnen und die Früchte des
Ruhmes ohne Mühsal ernten. Meinen Sie nicht, meine liebe Tochter, daß
Ihre Gelübde und Andachten doch reichlich vergolten wurden? Sie ver-
richteten diese seinetwegen, aber damit er mit Ihnen in diesem Jammertal
verbleibe; Unser Herr, der besser als wir versteht, was für uns gut ist, hat
Ihre Bitten erhört zugunsten des Kindes, für das Sie sie verrichteten, auf
Kosten aber der zeitlichen Befriedigung, die Sie von ihm erwarteten.
Ich billige wahrhaft Ihr Bekenntnis, daß dieses Kind Ihrer Sünden
willen von hinnen gegangen ist, denn es entspricht der Demut; dennoch
glaube ich nicht, daß es auf Wahrheit beruht. Nein, meine liebe Tochter,
nicht um Sie zu strafen, hat Gott dieses Kind frühzeitig gerettet, sondern
um ihm eine Gnade zu erweisen. Sie haben Schmerz über seinen Tod,
das Kind aber hat großen Gewinn davon; Ihnen brachte es zeitlichen
Kummer, dem Kind aber ewige Freude. Am Ende unserer Tage, wenn
unsere Augen geöffnet sein werden, werden wir erst erkennen, wie wenig
dieses Leben ist und daß wir jene nicht zu bedauern brauchen, die es so
bald verloren; das kürzeste Leben ist das beste, sofern es zum ewigen
hinführt.
Ihr kleines Kind ist also nun im Himmel mit den Engeln und den
heiligen unschuldigen Kindern; es weiß Ihnen Dank für die Sorge, die
Sie in der kurzen Zeit, da es Ihnen anvertraut war, für dieses Kind getra-
gen haben, und vor allem für die um seinetwillen verrichteten Gebete.
Als Gegengeschenk bittet es Gott für Sie und hegt tausend Wünsche für
Ihr Leben, damit dieses immer mehr dem göttlichen Willen entspreche
und Sie dadurch jenes Leben gewinnen können, dessen es sich erfreut.
Bleiben Sie in Frieden, meine liebe Tochter, und erheben Sie Ihr Herz
zum Himmel, wo Sie diesen guten kleinen Heiligen haben; und wün-
schen Sie auch weiterhin, immer treuer die höchste Güte des Erlösers zu
lieben, den ich bitte, er möge immerdar Ihr Trost sein.
Ich grüße von meinem ganzen Herzen mein teures, geliebtes kleines
Patentöchterchen;10 meine Seele wünscht ihm tausend Segnungen. Frau
von Chantal geht es besser. Ich zweifle nicht, daß sie Ihnen geschrieben
hätte, wenn sie davon erfahren hätte. Ich bin ohne Aufhören Ihr recht
ergebener und treuer Cousin und Diener, der Sie sehr lieb hat.
Briefe so freundlich aufnehmen. Die Liebe zu Ihrer Seele, der ich wahr-
haft jede heilige Freude und Vollkommenheit wünsche, treibt mich eben-
falls dazu an.
Der guten Frau d’Escrilles11 schreibe ich einige Antwortzeilen, da Sie
ihr diese freundlicher Weise zukommen lassen.
Das kleine liebe Patenkind12 fühlt wohl, denke ich, heimlich meine
Liebe zu ihm, da es mich so sehr lieb hat. Gott möge sie so brav und gut
machen, daß Ihnen die Genugtuung über sie zuteil wird, die sie von ihr
erhoffen dürfen.
Ich bin von ganzem Herzen und immerdar, meine sehr liebe Tochter,
Ihr sehr ergebener und herzlich zugeneigter Diener und Cousin ...
begehrt und sich mit falschem, nichtigem Lob zufriedengibt, so ist der
Ehrgeiz eine Ausschreitung des Mutes, die dazu antreibt, ohne und gegen
die Regeln der Vernunft Ruhm und Ehren anzustreben. Die Eitelkeit be-
wirkt, daß man sich mit solch lächerlichen Tändeleien abgibt, die bei
manchen weibischen und kleinen Geistern Gefallen finden, aber kraftvol-
le, mutige und große Seelen abstoßen. Der Ehrgeiz wieder strebt nach
Ehrungen, bevor man sie verdient hat. Er läßt uns – und um allzu hohen
Preis – das Gute unserer Vorfahren auf unsere Rechnung setzen und wir
möchten gern aus deren Wertschätzung unsere eigene ziehen.
Geehrter Herr, möchten Sie entgegen diesen Auswüchsen – da Sie wün-
schen, daß ich so zu Ihnen spreche – weiterhin Ihren Geist mit geistlicher
und göttlicher Speise nähren, denn diese wird ihn stark machen gegen die
Eitelkeit und gerecht gegen den Ehrgeiz. Halten Sie an der häufigen Kom-
munion fest und glauben Sie mir, nichts anderes könnte Sie so sehr in der
Tugend bestärken. Und damit Sie in dieser Übung sichergehen, ordnen Sie
sich dem Rat eines guten Beichtvaters unter und bitten Sie ihn, daß er mit
Autorität von Ihnen in der Beichte Rechenschaft verlange über Ihre Ver-
säumnisse in dieser Übung, falls Sie sich solcher anklagen müßten. Beich-
ten Sie immer demütig und in der ausdrücklichen Absicht, sich zu bes-
sern. Vergessen Sie niemals, ich beschwöre Sie, kniefällig um den Bei-
stand Unseres Herrn zu bitten, bevor Sie aus dem Haus gehen, und um
Verzeihung für Ihre Fehler, bevor Sie schlafengehen.
Hüten Sie sich vor allem vor schlechten Büchern und lassen Sie Ihren
Geist um nichts in der Welt nach Schriften greifen, die manche schwache
Köpfe bewundern wegen gewisser kitzliger Dinge, die sie gierig in sich auf-
nehmen, wie etwa bei diesem unverschämten Rabelais und gewissen ande-
ren unserer Zeit, die darauf ausgehen, alles zu bezweifeln, alles zu verachten
und sich über alle Grundsätze der Alten lustig zu machen. Greifen Sie im
Gegenteil zu Büchern solider Lehre, vor allem zu christlichen und geistli-
chen Büchern, um sich daran von Zeit zu Zeit wieder zu erneuern.
Ich empfehle Ihnen freundliche und aufrichtige Höflichkeit, die keinen
beleidigt und alle verpflichtet, die mehr Liebe als Ehre sucht, die niemals
auf Kosten anderer Spott treibt oder verletzend wirkt, die niemanden zu-
rückstößt und auch niemals zurückgestoßen wird, und wenn schon, dann
ganz selten; wogegen sie sehr oft in ehrenvoller Weise gefördert wird.
Hüten Sie sich davor, sich in Liebschaften zu verstricken, ich bitte Sie,
und gestatten Sie sich nicht, daß Liebesgefühle Ihr Urteil und Ihre Ver-
nunft bei der Bewerbung um liebenswürdige Wesen überrumpeln; denn
wenn einmal das Gefühl seinen Lauf genommen hat, schleift es die Ur-
198 IV. Junger Mann 637
dies sei der kürzeste Weg, sich bekannt zu machen, und zeigen damit,
daß sie keinerlei eigene Verdienste aufweisen können, sondern zu glei-
chen Mitteln greifen müssen wie jene, die Geld haben und es aufs Spiel
setzen wollen. Nun ist es aber kein großer Ruhm für sie, als Spieler
bekannt zu sein; verlieren sie aber viel Geld beim Spiel, dann nennt man
sie Narren. Dabei will ich gar nicht von den Folgen reden: Verzweiflung
und Wut, vor denen kein Spieler verschont bleibt.
Ich wünsche Ihnen auch ein kraftvolles Herz, damit Sie Ihren Leib
nicht zu sehr verwöhnen durch Üppigkeit im Essen, durch Langschläfe-
rei und ähnliche Verweichlichungen. Schließlich empfindet ein hochge-
sinntes Herz immer ein wenig Verachtung für solche Verzärtelungen
und leibliche Genüsse. Unser Herr sagt (Mt 11,8), daß jene, die weichli-
che Kleider tragen, in den Häusern der Könige sind; darum spreche ich
davon. Der Herr will damit nicht sagen, daß alle bei Hof sich weichlich
kleiden; er sagt nur, daß jene, die weichliche Kleider tragen, sich ge-
wöhnlich dort befinden. Ich spreche da nicht vom Äußeren sondern vom
Inneren; denn für das Äußere wissen Sie nur allzu gut Bescheid, was die
Schicklichkeit erfordert, und es steht mir nicht an, davon zu sprechen.
Ich will also sagen, Sie möchten Ihren Leib zügeln dadurch, daß Sie
ihn einige Strengheiten und Härten spüren lassen durch die Verachtung
von Verzärtelung und häufigen Verzicht auf Dinge, die den Sinnen ange-
nehm sind; denn manchmal muß doch die Vernunft ihre Überlegenheit
und Macht erkennen lassen, sich die sinnlichen Genüsse unterzuordnen.
Mein Gott, ich bin zu ausführlich, ja ich weiß gar nicht, was ich schrei-
be, denn ich habe wenig Zeit und muß wiederholt unterbrechen. Aber
Sie kennen mein Herz und werden alles recht aufnehmen.
Dennoch muß ich Ihnen folgendes sagen: Stellen Sie sich vor, Sie wä-
ren Höfling des hl. Ludwig; dieser heilige König liebte es, wenn man
tapfer, mutig hochherzig, fröhlich, höflich, gesittet, aufrichtig und zu-
vorkommend war; aber er liebte es vor allem, daß man ein guter Christ
war. Wenn Sie bei ihm gewesen wären, hätten Sie gesehen, daß er bei
rechter Gelegenheit herzhaft lachte, zur rechten Zeit mutig redete und
Sorge trug, daß alles um ihn herum glanzvoll sei, um wie ein zweiter
Salomo die königliche Würde zu wahren. Einen Augenblick später wie-
der hätten Sie gesehen, wie er Armen in den Krankenhäusern diente und
so die staatsmännische Tüchtigkeit mit der christlichen Tugend verband,
die Majestät mit der Demut. Das heißt mit einem Wort, daß man anstre-
ben muß, weder weniger tapfer zu sein, um Christ zu sein, noch weniger
Christ, um tapfer zu sein. Und um das tun zu können, muß man ein sehr
200 IV. Frl. von Blonay 652
guter Christ sein, d. h. Gott echt hingegeben, fromm und ein Geistes-
mann; denn wie der hl. Paulus sagt (1 Kor 2,15), vermag der Geistes-
mensch alles richtig zu unterscheiden; er weiß, zu welcher Zeit, in wel-
cher Rangordnung und auf welche Weise man jede Tugend einsetzen
muß.
Erwägen Sie oft diesen guten Gedanken, daß wir auf dieser Welt unse-
ren Weg gehen zwischen Paradies und Hölle, daß unser letzter Schritt
uns in die ewigen Wohnstätten bringen wird, daß wir nicht wissen, wel-
ches unser letzter Schritt ist und – um diesen letzten recht zu tun –
versuchen müssen, alle anderen gut zu tun. O heilige Ewigkeit ohne Ende,
glückselig, der an dich denkt! Ja, denn was bedeutet schon dieses Schau-
spiel kleiner Kinder, das wir auf dieser Welt für, ich weiß nicht wie viele
Tage, darbieten? Nicht das Geringste, wenn es nicht der Übergang zur
Ewigkeit wäre. Darum also müssen wir Sorge tragen für die Zeit, die wir
hier unten weilen müssen, und für alle unsere Handlungen, damit wir sie
zur Gewinnung des ewigen Gutes gebrauchen.
Lieben Sie mich immer als einen, der zu Ihnen gehört, denn das bin ich
in Unserem Herrn und wünsche Ihnen für diese Welt und vor allem für
die andere alles Glück. Gott segne Sie und halte Sie an seiner heiligen
Hand. Um dort zu enden, wo ich begonnen habe: Sie erreichen nun die
hohe See der Welt; wechseln Sie deshalb weder den Herrn, noch Mast,
Segel, Anker oder den Wind. Jesus Christus sei immer Ihr Herr, sein
Kreuz Ihr Mastbaum, auf dem Sie Ihre Entschlüsse statt eines Segels
aufziehen; Ihr Anker sei ein tiefes Vertrauen auf ihn; und stechen Sie
froh in die See. Möge der günstige Wind himmlischer Eingebungen im-
merdar mehr und mehr die Segel Ihres Schiffleins blähen und Sie glück-
lich landen lassen im Hafen der heiligen Ewigkeit.
Dies wünscht Ihnen, geehrter Herr, aufrichtig unablässig Ihr recht er-
gebener Diener ...
dern schöpfen wir – sobald wir können – wieder Atem und muntern wir
uns auf, besser zu handeln.
Leben Sie wohl, meine sehr liebe Schwester, meine Tochter. Fürchten
wir Gott, und wir werden nichts anderes fürchten; lieben wir Gott, und
wir werden alles andere lieben. Ich bin in ihm ganz der Ihre und Ihr
ergebener Bruder und Diener ...
AN MADAME D’AIGUEBELETTE
sie mit großem Glauben und tiefer Andacht empfing. Doch hat sie sich
nach dieser Nacht wieder recht gut erholt ...25 Wenn das schon kein Wun-
der ist, so zumindest eine besondere Gnade, die Gott den Gebeten ihrer
lieben Mitschwestern gewährt hat, welche bereits alle in Tränen ausgebro-
chen waren. Nach meinem Dafürhalten ist für den Augenblick nichts mehr
zu befürchten. Glauben Sie mir, sie ist eine gute Schwester und Gott hat
sie uns erhalten, um sich ihrer mit Vorbedacht zu bedienen. Bitte, meine
liebe Tochter, geben Sie diese Nachricht unserer kleinen Schwester Clau-
dine weiter, damit sie Gott dafür preise und sich keinerlei Sorgen mache,
denn die Kranke wird liebevoll, eifrig und gewissenhaft betreut nach den
Bestimmungen der Gemeinschaft, der sie angehört ...
Leben Sie wohl, meine sehr liebe Tochter. Lieben Sie Gott weiterhin
und mich aus Liebe zu Gott, denn in der gleichen Liebe bin ich völlig
ganz der Ihre. Es lebe Jesus!
gang mit den Schmerzen hat Sie nur noch weiser gemacht in der Kunst,
gut zu leiden. Wer die Schicksalsschläge dieses sterblichen Lebens recht
ertragen will, muß seinen Geist in den hochheiligen Willen Gottes und
seine Hoffnungen auf die glückselige Ewigkeit setzen. All dieses Gewirr
an Mühen und Ärgerlichkeiten wird bald vorüber sein, das sind nur Au-
genblicke (2 Kor 4,17); und dann haben wir doch noch nicht unser Blut
vergossen (Hebr 12,4) für Ihn, der all sein Blut für uns am Kreuz vergoß.
Ich bin erfreut über den Trost, den Sie beim Empfang des göttlichen
Sakramentes erhalten, aber ich habe noch nicht Zeit gehabt, mit dem
guten Pater Rektor über Ihren Wunsch zu sprechen, öfter zu kommuni-
zieren; außerdem hätte ich es nicht gewagt, da doch kein Grund vorliegt,
diesen tüchtigen Lehrern eine Lektion zu erteilen. Wenn nur er die Zahl
der Kommunionen einschränkte, hätte ich schon dazu Mut genug ge-
habt; wenn es aber auf Grund der Ansicht in der ganzen Gesellschaft ist,
genügt es mir, wenn ich von meiner entgegengesetzten Meinung Gebrauch
mache, ohne daß ich gegen die ihre auftrete. Ich glaube wohl, daß die von
der Gesellschaft darüber gefaßte Entschließung zum Teil begründet ist
durch die äußerste Unannehmlichkeit, so oft im Beichtstuhl verbleiben
zu müssen, wo sie doch so viele andere heilige Aufgaben haben; aber
man muß sich darein fügen und umso mehr die Sonntagskommunion die
ganze folgende Woche hindurch immer wieder geistig empfangen. Mei-
ne liebe Tochter, Gott wird Ihren Gehorsam segnen und den Trost, der
Ihnen durch die häufige Kommunion zuteil würde, durch jenen Trost
ersetzen, Ihrem Beichtvater gehorcht zu haben. – Ich bin immer mehr
ganz der Ihre.
bar ist doch diese Welt in ihren Anschauungen und welchen Preis zahlt
sie dafür! Wenn der Schöpfer so schwierige Dinge befehlen würde wie
die Welt, fände er wohl wenige Diener.
Bleiben Sie nur im Frieden beim hochheiligen Kreuz, das in diesen
Tagen aufgerichtet wird zum Heilszeichen für unsere Seelen.
nehmen möchten, die er am Kreuz erlitt; viertens, daß Sie dieses Übel
nicht nur erleiden, sondern auch lieben und hegen wollen, da es eine so
gute und liebreiche Hand Ihnen sandte; fünftens, rufen Sie die Märtyrer
und die vielen Diener und Dienerinnen Gottes an, die sich des Himmels
erfreuen, weil sie in dieser Welt viel gelitten haben.
Es ist nicht schlimm, wenn Sie wünschen, geheilt zu werden; ja Sie
müssen sorgsam darauf bedacht sein, denn Gott, der Ihnen die Krank-
heit geschickt hat, ist auch der Urheber der Heilmittel gegen diese Krank-
heit. Sie sollen sie also anwenden, doch bereit sein, sich ergeben darein
zu fügen, wenn seine göttliche Majestät das Obsiegen der Krankheit will.
Wenn aber nach seinem Willen das Heilmittel den Sieg davonträgt, dann
preisen Sie ihn dafür. Ebenso macht es nichts aus, die geistlichen Übun-
gen sitzend zu verrichten, meine Tochter; ja sogar schon bei viel geringe-
ren Beschwernissen als denen, die Sie erleiden.
Mein Gott, meine Tochter, wie glücklich sind Sie doch, wenn Sie sich
weiterhin so demütig, ergeben und folgsam in Gottes Hände geben! Ach,
ich hoffe, daß diese Kopfschmerzen Ihrem Herzen mehr zum Nutzen
gereichen werden, Ihrem Herzen, das mein Herz mit ganz besonderer
Liebe liebt. Denn jetzt, meine Tochter, können Sie mehr denn je und mit
Recht unserem gütigen Heiland bezeugen, daß Sie aus tiefer Liebe her-
aus gesagt haben und sagen werden: Es lebe Jesus!
Es lebe Jesus, meine Tochter, und er herrsche inmitten Ihrer Schmer-
zen, da wir doch nur durch seinen Todesschmerz herrschen und leben
können. In ihm bin ich ganz völlig der Ihre ...
und Pfründen von Gex zurückgeben wird, die von den Häretikern be-
setzt sind. Daraus ersehe ich, daß ich in diesem Sommer überaus be-
schäftigt sein werde, dieser Aufgabe zu dienen, aber das ist eine angeneh-
me und wertvolle Beschäftigung. Und wer weiß, ob Gottes heilige Barm-
herzigkeit, wenn wir uns vor ihm demütigen, uns nicht eines Tages die
Pforte zu unserem Genf aufmacht, damit wir das Licht wieder dahin brin-
gen, das soviele Dunkelheiten daraus verbannt hatten? Ich hoffe gewiß auf
die allerhöchste Güte Unseres Herrn, daß er uns am Ende diese Gnade
schenken wird; beten und wachen wir dafür! (Mt 26,41; 1 Petr 4,7).
Meine sehr liebe Schwester, bleiben Sie mir weiterhin herzlich gewo-
gen, denn ich bin immerdar und rückhaltlos Ihr recht ergebener treuer
Bruder und Diener ...
AN FRAU DE LA VALBONNE
zeit hat sie sich recht gut aufgeführt und ich begann mich an ihrem Glück
zu freuen. Seither habe ich sie nicht gesehen, außer bei ihrer Abreise
nach Belley. Sie kam herein, aber bei einer Gelegenheit, die mich ver-
hinderte, ausführlich mit ihr sprechen zu können, weil soviele Leute bei
mir waren.
Die Welt hat Unrecht, das Werk der Nächstenliebe, das die Damen der
Heimsuchung ihr erweisen wollten, übel aufzunehmen. Gott hat das
Geheimnis der kommenden Dinge den Menschen verborgen, und wenn
wir nur den Seelen dienen sollten, die ausharren, wären wir bald in Not,
wie wir sie von den anderen unterscheiden sollten. Wir müssen – und
wäre es nur für eine Stunde – das Schlechte beim Nächsten verhindern.
Bei Gott, wäre doch diese arme Frau bei den in der Heimsuchung gefaß-
ten Beschlüssen geblieben! Sie wäre glücklich gewesen und allen Guten
ein Wohlgefallen. Ich sage dies, damit Sie Murrenden gegenüber ruhig
zu antworten wissen ... Leben Sie ganz für Gott, meine Tochter, dem Sie
so zu Dank verpflichtet sind durch die Gnaden und Unterweisungen, die
er Ihnen zukommen ließ; und ich bin aufrichtigen Herzens Ihr recht
ergebener Onkel und Diener ...
Es hilft nichts, meine liebe Tochter, wir haben auf weltliche Freuden
verzichtet, und nicht genug damit, müssen wir auch noch auf die geistli-
chen verzichten, denn das ist der Wille dessen, für den wir leben und
sterben sollen.
Sie können sich denken, daß es für unsere Mutter ein großes Fest gewe-
sen wäre, Sie bei einem Besuch in der Heimsuchung zu sehen, und daß
ihre Freude mich ebenfalls sehr erfreut hätte. Da aber weder Ihr Gatte
noch der Beichtvater es für gut befunden haben, müssen Sie in Frieden
bleiben, wie auch wegen der Einschränkungen im Kommunionempfang.
Ich kenne deren Beweggründe nicht, und da ich sie nicht kenne, kann ich
auch nichts dazu sagen. Sie kennen vielleicht auch meine Beweggründe
nicht und erachten sie deshalb nicht für wert, befolgt zu werden. Darin
hat jeder seine eigene Auffassung. Was aber Sie betrifft, so versichere ich
Ihnen, daß Sie dabei nichts verlieren, denn was Sie nicht im Gnadenge-
schenk der Kommunion gewinnen, werden Sie in der Demut Ihrer Un-
terwerfung finden, wenn Sie sich einfach deren Willen fügen.
Ich denke aber nicht, daß diese Furcht, die man Ihnen einflößt, Ihre
häufigen Kommunionen könnten Ihnen zum Übel gereichen, Ihnen Sor-
ge machen sollte. Man wird das nicht gesagt haben in Beurteilung des
Zustandes Ihrer Seele, sondern um Sie abzutöten, oder vielleicht einfach
aus einem Kurzschluß heraus, wie es manchmal recht klugen Leuten
geschieht, daß sie nicht alles richtig abzuwägen verstehen.
Wenn die Frau Präsidentin kommt, werden wir uns sicher wiederse-
hen; indessen leben Sie ganz demütig, ganz sanftmütig, ganz leidenschaft-
lich erfüllt von der heiligen Liebe zum himmlischen Bräutigam. Ich bin
in ihm, meine sehr liebe Tochter, ganz vollkommen der Ihre.
Gott segne Sie, meine sehr liebe Nichte, meine Tochter, dafür, daß Sie
immer beharrlich bleiben in der Sorge, ihm die kostbarsten Liebesaffek-
te Ihres Herzens zu bewahren. Wie glücklich werden Sie sein, wenn die-
se Beharrlichkeit bis zum Ende dieses armseligen Lebens anhält! Denn
so wird dieses Ende der heilige Anfang einer schönen und hochheiligen
Ewigkeit sein.
Wir müssen immer recht festhalten an unseren zwei teuren Tugenden,
IV. De la Valbonne 1382 213
der Sanftmut dem Nächsten gegenüber und der sehr liebenswerten De-
mut vor Gott; ich hoffe, daß es so sein wird, denn dieser große Gott, der
Sie bei der Hand genommen hat (Jes 41,13; Ps 73,24), um Sie an sich zu
ziehen, wird Sie nicht verlassen, bis er Sie in seinem ewigen Zelt gebor-
gen hat (Ps 27,5; 43,3). Wir müssen also die Sorge um unseren Vorrang
vollkommen ausschalten, besitzt man doch selbst niemals mehr Ehre,
als wenn man sie verachtet, und das verwirrt das Herz und bringt uns zu
Fehlern gegen die Sanftmut und Demut.
Seien Sie nie erstaunt über Ihre Zerstreuungen, Herzenskälte und Trok-
kenheit, denn das alles geht in Ihnen im Bereich der Sinne und in dem
Bereich des Herzens vor, der nicht ganz in Ihrer Macht steht; aber nach
dem, was ich sehe, ist Ihr Mut unerschütterlich und unwandelbar in den
Entschlüssen, die Gott uns gegeben hat. Meine liebe Tochter, wegen die-
ser Art von Übel darf man wirklich nicht von der hochheiligen Kommu-
nion lassen; denn nichts wird Ihren Geist besser sammeln als sein König,
nichts ihn so sehr erwärmen als seine Sonne, und nichts ihn so köstlich
durchtränken wie sein Balsam.
Seien Sie nicht beunruhigt darüber, daß Sie nicht all Ihrer kleinen
Fehler gewahr werden, um diese zu beichten; nein, meine Tochter, denn
wie Sie manchmal niederfallen, ohne es gewahr zu werden, so erheben
Sie sich auch wieder, ohne es zu bemerken. Es steht auch nicht in der
Stelle, die Sie mir angeführt haben (Spr 24,16), daß der Gerechte sich
siebenmal am Tag fehlen sieht oder fällt, sondern daß er siebenmal fällt
und wieder aufsteht, ohne auf sein Wiederaufstehen zu achten. Beunru-
higen Sie sich also deswegen nicht, sondern sagen Sie demütig und auf-
richtig, was Ihnen aufgefallen ist. Was Ihrer Aufmerksamkeit entgangen
ist, das stellen Sie der milden Barmherzigkeit dessen anheim, der die
Hände unter diejenigen hält, die ohne Bosheit fehlen, damit sie sich
nicht wund scheuern (Ps 37,24), und sie wieder so schnell und sachte
erhebt, daß sie es gar nicht gewahr werden, weder, daß sie gefallen sind,
weil die Hand Gottes sie aufgefangen hat in ihrem Fall, noch, daß sie
wieder aufgerichtet wurden, weil seine Hand sie so plötzlich wieder auf-
gehoben hat, daß es ihnen gar nicht zum Bewußtsein kam.
Gott befohlen, meine sehr liebe Tochter, meine Nichte; bewahren Sie
immer recht Ihre geliebte Seele und überschätzen Sie diese vergängli-
chen Jahre nicht, sondern beachten Sie diese nur, um die hochheilige
Ewigkeit zu gewinnen.
214 IV. Eine Dame 836 – Peyzieu 817
AN EINE DAME
haben. Da es aber nicht anders sein kann, komme ich oft im Geiste zu
Ihnen, um mit Ihnen zusammen Unseren Herrn zu bitten, er möge Ihrer
Seele den Trost seiner Segnungen schenken, Sie von seiner heiligen Lie-
be überströmen zu lassen und von der heiligen Sanftmut und Demut des
Herzens, die niemals ohne diese Liebe da sind, wie auch die heilige
Liebe niemals ohne sie ist.
Um ganz aufrichtig mit Ihnen zu sprechen, meine sehr liebe Mutter,
seien Sie weder verärgert noch erstaunt darüber, wenn Sie in Ihrer Seele
noch all die Unvollkommenheiten38 vorhanden sehen, die Sie mir anver-
traut haben. Nein, ich bitte Sie, meine liebe Mutter, tun Sie das nicht;
denn wenn man sie auch ablegen und verabscheuen muß, um sich darin
zu bessern, so darf unser Kummer darüber nicht verärgert, sondern er
soll mutig und ruhig sein und so einen überlegten und festen Entschluß
zur Besserung hervorbringen. Dieser in Ruhe und mit reiflicher Überle-
gung gefaßte Entschluß wird uns dann die rechten Mittel zu seiner Durch-
führung ergreifen lassen. Ferner wäre es sehr nützlich, wenn Sie sich in
Ihrer Neigung zu häuslicher Beschäftigung mäßigen würden. Ich sage
nicht, daß Sie diese ganz aufgeben, wohl aber, daß Sie darin Maß halten
sollen. Dadurch werden Sie freie Stunden für das Gebet finden, für ein
wenig fromme Lesung und für Erhebungen Ihres Herzens zu Gott bei
den verschiedensten Anlässen. Sie werden dadurch auch von Zeit zu Zeit
wieder die innerliche Festigung und die friedliche, sanftmütige und de-
mütige Herzenshaltung erneuern.
Das große Geheimnis dabei aber ist, sich dafür aller Dinge zu bedie-
nen. Lassen Sie Ihrer Seele sieben bis acht Tage Zeit, um sich recht zu
sammeln und diese Entschlüsse gründlichst zu fassen. Vor allem, meine
sehr liebe Mutter, müssen Sie den Haß gegen den Nächsten und Ihre
Unzufriedenheit über den Nächsten kräftig bekämpfen und sich einer
unmerklichen, aber überaus schädlichen Unvollkommenheit enthalten,
von der sich wenige Menschen frei machen können. Wenn es uns näm-
lich zustößt, daß wir den Nächsten kritisieren oder uns über ihn bekla-
gen (was nur selten vorkommen sollte), dann finden wir niemals ein
Ende, sondern beginnen immer wieder von neuem und ohne Aufhören
unsere Klagen und Beschwerden; Zeichen eines gereizten Herzens, das
noch nicht richtig gesund ist. Die starken und kraftvollen Herzen klagen
nur bei großen Dingen, und selbst bei so großen Anlässen bleibt kein
Nachtragen in ihnen, jedenfalls kein unruhiges und aufgeregtes.
Der gute Pfarrer,39 der mir recht gefällt, hat mir von Ihrem Wunsch
gesprochen und ich habe ihm meine Meinung gesagt. Fassen Sie Mut,
216 IV. Peyzieu 833, 877
meine sehr liebe Mutter, damit diese kurzen Jahre, die wir hier unten zu
verbringen haben, für uns mit Gottes Hilfe die besten und für die Ewig-
keit nützlichsten sein werden.
Indessen bleibe ich unveränderlich, meine sehr liebe Frau Mutter, Ihr
recht ergebener Sohn und recht treuer Diener ...
Ich habe Angst, diesen Überbringer hier zu lange zurückzuhalten; dar-
um schrieb ich Ihnen ohne viel Überlegung außer der, die mir die auf-
richtige kindliche Liebe eingegeben hat.
über den Trost freuen, der Ihnen nun zuteil geworden, sich von einer
neuen guten Schwiegertochter40 unterstützt und begleitet zu sehen; ich
bitte Sie herzlich, ihr aufzutragen, sie möge mich gnädig aufnehmen als
eines Ihrer ergebensten Kinder, der ich außerdem bin Ihr getreuer Die-
ner, der Sie sehr lieb hat.
sen wir alle unsere Neigungen in uns kreuzigen, besonders die leiden-
schaftlichsten und bewegendsten, durch ständiges Verlangsamen und
Zügeln der ihnen entspringenden Handlungen, damit sie nicht aus Un-
getüm, ja selbst nicht aus unserem Willen heraus getan werden, sondern
aus dem Willen des Heiligen Geistes heraus.
Vor allem müssen wir, meine liebe Mutter, ein gutes, sanftmütiges und
dem Nächsten gegenüber liebevolles Herz haben, besonders wenn er uns
zur Last und zum Ekel geworden ist; denn dann haben wir nichts an ihm,
um ihn zu lieben, sondern nur Ehrfurcht für den Heiland, welche die
Liebe zweifellos umso wertvoller und würdiger macht, je reiner und frei-
er sie von hinfälligen Beweggründen ist.
Ich bitte Unseren Herrn, er möge seine heilige Liebe in Ihnen wachsen
lassen. Ich bin in ihm Ihr recht ergebener Diener ...
Gott befohlen, meine sehr liebe Mutter und auch meine ganz liebe
Tochter; Gott mögen wir für ewig angehören, wir, unsere Empfindun-
gen, unsere kleinen und großen Nöte und alles, was die göttliche Güte
uns zugedacht hat. Und in diesem Sinn bin ich in ihm, meine sehr liebe
Mutter, ganz und gar Ihr echter Sohn und herzlich zugeneigter Diener ...
O wie sehr ist doch meine Seele in Sorge um Ihr Herz, meine sehr liebe
Mutter; sehe ich es doch, scheint es mir, dieses arme mütterliche Herz,
von übergroßem Leid erfüllt;45 ein Leid jedoch, das man weder tadeln
noch seltsam finden kann, wenn man erwägt, wie liebenswert dieser Ihr
Sohn war, dessen zweiter Abschied von uns Ursache unseres Leides ist.
Meine sehr liebe Mutter, dieser teure Sohn war wirklich einer der lie-
benswertesten, die es je gab. Alle, die ihn kannten, anerkennen ihn als
solchen und kennen ihn so. Aber liegt darin nicht zum großen Teil der
Trost, den wir jetzt fassen sollen, meine sehr liebe Mutter? Denn es scheint
wirklich, daß diejenigen, deren Leben so würdig der Erinnerung und der
Achtung wert ist, auch nach ihrem Hinscheiden weiterleben, da die Zu-
rückbleibenden ihrer so gern gedenken und sie im Geiste vor sich sehen.
Dieser Sohn, meine sehr liebe Mutter, hatte bereits seinen großen Ab-
schied von uns genommen, als er sich freiwillig der Atmosphäre seiner
Umwelt entzog, in die er hineingeboren war, um seinem Gott, seinem
König und seinem Vaterland in einer neuen Welt zu dienen. Seine Hoch-
herzigkeit hatte ihn dazu bewogen und Ihre eigene hat Sie einem so ver-
ehrungswürdigen Entschluß zustimmen lassen, um dessentwillen Sie auf
die Genugtuung verzichtet hatten, ihn jemals in diesem Leben wiederzu-
sehen, so daß Ihnen nur die Hoffnung verblieb, von Zeit zu Zeit Briefe
von ihm zu erhalten. Und nun ist er, meine sehr liebe Mutter, nach dem
Wohlgefallen der göttlichen Vorsehung aus dieser anderen Welt gegan-
gen in die älteste und wünschenswerteste aller Welten, in die wir alle
gehen müssen, jeder zu seiner Zeit, und wo Sie ihn früher wiedersehen
werden, als wenn er in dieser neuen Welt geblieben wäre inmitten der
mühevollen Eroberungen, die er willens war, für seinen König und die
Kirche zu vollbringen. Jedenfalls hat er seine sterblichen Tage in Pflicht-
erfüllung und Einlösung seines Eides beendet. Ein solches Ende ist doch
sehr schön, und wir dürfen nicht daran zweifeln, daß der große Gott es
ihm glückselig gestaltet hat, da er ihn doch von der Wiege an ständig mit
seiner Gnade ausgezeichnet hat, um ihn recht christlich leben zu lassen.
Trösten Sie sich also, meine sehr liebe Mutter, und beruhigen Sie Ihren
Geist, indem Sie die göttliche Vorsehung verehren, die alles liebevoll
macht (Weish 8,1); und wenn uns auch die Beweggründe ihrer Beschlüs-
se verborgen sind, so ist uns doch ihre wahrhafte Milde kund und ver-
pflichtet uns zu glauben, daß sie alles mit vollkommener Güte tut.
Sie stehen gleichsam im Begriff, dahin zu gehen, wo dieses liebenswer-
222 IV. Peyzieu 1089
te Kind nun ist; wenn Sie dort sein werden, werden Sie nicht wünschen,
daß er noch in Indien wäre, denn dann werden Sie sehen, daß er es bei
den Engeln und Heiligen schöner hat als bei Tigern und Wilden. Aber
bis zur Stunde Ihres eigenen Heimgangs beruhigen Sie Ihr mütterliches
Herz durch die Betrachtung der hochheiligen Ewigkeit, in der er ist und
der Sie nahe sind. Statt ihm wie früher zu schreiben, beten Sie zu Gott für
ihn, und er wird sogleich alles erfahren, was Sie ihm sagen möchten, und
jedes Beistandes teilhaftig werden, den Sie ihm durch Ihre Wünsche und
Gebete zuteil werden lassen, sobald Sie diese nur ausgesprochen und in
die Hände seiner göttlichen Majestät gelegt haben.
Die Christen tun sehr unrecht daran, so wenig christlich zu sein, wie sie
sind, und so grausam gegen die Gesetze der Nächstenliebe zu verstoßen,
um denen der Furcht zu gehorchen; wir müssen aber, meine sehr liebe
Mutter, Gott für jene bitten, die dieses große Unrecht begehen, und die-
ses Gebet der Seele Ihres Verstorbenen zuwenden. Das ist das wohlgefäl-
ligste Gebet, das wir zu Ihm verrichten können, der ein ähnliches auf
dem Kreuz verrichtete (Lk 23,34), auf das seine hochheilige Mutter aus
ganzem Herzen antwortete, liebte sie ihn doch mit einer glühenden Lie-
be.
Sie können nicht glauben, wie sehr dieser Schlag mein Herz getroffen
hat; denn schließlich war er mein lieber Bruder, der mich überaus ge-
liebt hat. Ich habe für ihn gebetet und werde es immer tun, und auch für
Sie, meine sehr liebe Mutter, der ich mein ganzes Leben lang besondere
Ehre und Liebe erweisen will, auch für diesen verstorbenen Bruder, des-
sen unsterbliche Freundschaft mich immer mehr dazu antreibt, meine
sehr liebe Frau Mutter, Ihr ganz ergebener, ganz getreuer und ganz ge-
horsamer Sohn und Diener zu sein.
AN MADAME D’ESCRILLES
Gottes übereinstimmt. Man muß nur einen etwas kräftigen und entschlos-
senen Mut haben. Ich billige es, daß Sie vor der Fastenzeit zurückkom-
men, damit Sie sich schnellstens von jedem Hemmnis freimachen und
den gesegneten Tag erleben können, an dem Sie ihm bezeugen werden,
daß Sie nur ihn suchen.
Ich habe mit dem Pater Rektor von Chambéry hinsichtlich der Unter-
bringung Ihres lieben Kindes48 gesprochen und zweifle nicht daran, daß
Sie jede mögliche Unterstützung finden werden. Und was mich betrifft,
meine liebe Tochter, könnte ich niemals beim Opfer oder im Gebet
noch bei irgendetwas, was Anlaß zum Fortschritt Ihrer Seele wäre, auf
Sie vergessen, da ihr Schöpfer eine vollkommene Liebe zu Ihnen so tief
in meine Seele gesenkt hat. Ich flehe unseren Erlöser und seine Mutter
an, sie mögen immerdar inmitten ihres Herzens leben und herrschen.
Amen.
Ich bin, meine sehr liebe Tochter, unwandelbar Ihr recht ergebener
Verwandter und ständiger Diener ...
Hier sind Briefe, die einen aus Chambéry und die anderen aus Bur-
gund, die mir heute ausgehändigt wurden. Sie werden es mir bitte verzei-
hen, meine sehr liebe Tochter, daß der Brief von Herrn de Genesia geöff-
net ist; ich habe es ohne irgendwelche böse Absicht getan.
Inzwischen sprach ich mit Herrn von Travernay ziemlich lange und in
aller Ruhe über Ihre Angelegenheiten; er sagte mir, daß Sie sich in der
Einschätzung des Besitzes Ihres verstorbenen Herrn Vaters stark täu-
schen. Es werde sich herausstellen, daß Sie hinreichend bedacht worden
sind. Dennoch kamen wir überein, daß er sich dem Rat von Schätzmei-
stern und Freunden unterwerfen werde, die für geeignet angesehen wer-
den, seine und Ihre Ansprüche freundschaftlich zu erledigen, was eigent-
lich das Richtige ist. Überdies zeigte er, daß er Ihr Bestreben wirklich
nicht mißbilligt. Bei Ihrem Kommen, das vielleicht recht bald sein wird,
werden wir ausführlicher darüber sprechen.
Denken Sie indessen immer an die heilige Ruhe und Sanftmut des
Herzens und an die vollkommene Hingabe alles dessen, was wir lieben,
an die heilige Vorsehung Gottes, der Sie mich als Ihren ergebenen Cou-
sin und Diener empfehlen wollen ...
IV. d’Escrilles 949 227
daß ich Sie sehen kann und es irgendwelche Schwierigkeiten gibt, werde
ich Ihnen antworten. Sie brauchen mir Ihre Beichte nicht niederschrei-
ben; wenn Sie aber irgendeinen besonderen Punkt haben, über den Sie
mein Herz, das ganz Ihnen gehört, befragen möchten, dann können Sie
es tun.
Seien Sie recht sanftmütig; leben Sie nicht nach Ihren Stimmungen
und Neigungen, sondern entsprechend der Vernunft und Frömmigkeit.
Lieben Sie Ihren Mann zärtlich, hat ihn doch Unser Herr Ihnen eigen-
händig geschenkt. Seien Sie recht demütig gegen alle.
Besondere Sorge sollen Sie dafür tragen, Ihren Geist in Frieden und
Ruhe zu halten und Ihre schlechten Neigungen durch aufmerksame
Übung der entgegengesetzten Tugenden zu entkräften, indem Sie sich
entschließen, eifriger, aufmerksamer und tätiger in der Übung der Tu-
genden zu sein. Halten Sie folgendes fest: Ihr Übel kommt daher, daß
Sie mehr die Laster fürchten als die Tugenden lieben. Meine liebe Toch-
ter, wenn Sie Ihre Seele ein wenig gründlicher dahinbringen könnten, die
Übung der Sanftmut und der wahren Demut zu lieben, wären Sie tüchtig;
aber Sie müssen oft daran denken. Machen Sie die Vorbereitung am
Morgen und nehmen Sie diese Aufgabe als gegeben hin, wofür Gott Sie
tausendfach trösten wird; vergessen Sie daher nicht, oft Ihr Herz zu Gott
und Ihre Gedanken zur Ewigkeit zu erheben. Lesen Sie, ich bitte Sie, im
Namen Gottes alle Tage ein wenig.
Tun Sie das für mich, der ich Sie alle Tage Gott empfehle und seine
unendliche Güte bitte, Sie immerdar zu segnen.
des Ertragens von Beleidigungen bestärkt. Die Leidenschaft läßt uns zu-
nächst immer wünschen, uns zu rächen; aber wenn wir ein wenig gottes-
fürchtig sind, wagen wir nicht, es Rache zu nennen, sondern nennen es
Wiedergutmachung.
Diese gute Dame möge mir glauben und dieser Spottlieder wegen kei-
nen Prozeß anfangen, denn das hieße das Übel nur vermehren, statt es zu
ersticken. Niemals kann eine Frau, die eine wirklich begründete Ehre
besitzt, diese verlieren; keiner glaubt diesen unverschämten Verleum-
dungen, noch diesen Spöttern; man hält sie für Bösewichte. Das beste
Mittel, die von ihnen bewirkten Schäden gutzumachen, ist, ihre Zungen,
die deren Werkzeuge sind, zu mißachten und ihnen durch Bescheiden-
heit und Mitleid zu antworten.
Vor allem aber hat es gewiß nicht den Anschein, da der armselige
Verleumder sich dem Urteil der Verwandten unterwirft, die Beleidigung
wieder gutzumachen, soviel an ihm liegt, daß man dann diesen anderen
Weg der Klageführung beschreiten soll, d. h. sich Labyrinthen und Ab-
gründen für Gewissen und Mittel aussetzt. Ich mißbillige nicht, daß er
seinen Fehler bekennen, seine Feindseligkeit bedauern und Vergessen
erbitten soll. Denn wenn er auch von geringem Ansehen ist, so bedeutet
es doch, da er diese Handlung begangen hat, immer ein Licht für die
Unschuld, zu sehen, daß ihre Feinde ihr Ehre erweisen. Viel eher, als
durch einen Prozeß vorzugehen, sollte sie etwas ganz anderes tun. Erst
kürzlich machte ich eine Erfahrung mit der Sinnlosigkeit oder vielmehr
mit dem Schaden von Prozessen bei solchen Gelegenheiten, und zwar
bei einer der tugendhaftesten Damen der Gegend von Macon, der es
überaus schlecht bekam,51 daß sie meinen Rat nicht befolgt hatte, son-
dern dem leidenschaftlichen Drängen ihrer Verwandten nachgab. Glau-
ben Sie mir, meine liebe Tochter, die Ehre der Guten steht unter dem
Schutz Gottes, der wohl manchmal zuläßt, daß sie erschüttert wird, um
uns Geduld üben zu lassen, aber sie nie zugrunderichten läßt und sie
bald wieder aufrichtet.
Gnädige Frau, leben Sie ganz für Gott, um dessentwillen ich Ihr erge-
bener Diener bin.
nung tun dessen, was Sie mir letztes Mal schrieben, als Sie sich die Mühe
machten, mir Nachricht von sich zu geben; aber es geht leider nicht.
Gott, der in Ihnen das gute Werk Ihres Heiles begonnen hat, wird es
nach seinem gütigen und liebenswerten Willen zu Ende führen und ver-
vollkommnen (Phil 1,6; 2,13). Halten Sie Ihre Seele zu seiner höchsten
Güte erhoben; das ist der unwandelbare Wunsch Ihres sehr ergebenen
Vaters und Dieners ... Bei der ersten sicheren Gelegenheit werde ich
Ihnen neuerlich schreiben.
an bei der Sanftmut, mit der er die Schmähungen getragen hat, er möge
Ihnen die Kraft verleihen, diese kleinen Nadelstiche zu ertragen, die
Ihnen als seiner verschworenen Dienerin zuteil wurden. Selig die Ar-
men, denn sie werden reich im Himmel sein und ihnen wird das Reich
gehören (Mt 5,3); und selig die Beschimpften und Verleumdeten, denn
sie werden von Gott geehrt werden. Im übrigen geschieht die jährliche
Überprüfung unserer Seelen wegen der mangelhaften Beichten, die man
dadurch ergänzt, dann, um sich zu einer tieferen Demut anzuregen und
sie zu üben, vor allem aber, um zwar nicht die guten Vorsätze, wohl aber
die guten Entschlüsse zu erneuern, die uns dazu dienen sollen, die Nei-
gungen, Gewohnheiten und anderen Ursachen unserer Verfehlungen zu
heilen, denen wir mehr unterworfen sind. Es ist wohl wahr, daß es zutref-
fender wäre, diese Überprüfung mit jemand zu machen, der bereits die
Generalbeichte abgenommen hat, damit man durch Beobachtung und
Vergleich des vorhergehenden Lebens mit dem darauffolgenden besser
die erforderlichen Entschlüsse fassen kann; das wäre in jeder Weise wün-
schenswerter. Die Seelen aber, die wie Sie nicht diese Gelegenheit ha-
ben, können zu einem anderen Beichtvater gehen, zum taktvollsten und
klügsten, den sie finden können.
Zu Ihrer zweiten Schwierigkeit sage ich Ihnen, meine sehr liebe Toch-
ter, daß Sie in Ihrer Gewissenserforschung weder die Zahl noch die ge-
naueren Umstände Ihrer Fehler besonders anzuführen brauchen. Es ge-
nügt, im großen zu sagen, welches Ihre Hauptverfehlungen und welches
Ihre besonderen seelischen Fehlanlagen sind; nicht, wie oft Sie gefallen,
wohl aber, ob Sie dem Übel stark unterworfen und hingegeben sind.
Zum Beispiel: Sie sollen nicht nachforschen, wie oft Sie in Zorn geraten
sind, denn da hätten Sie vielleicht zuviel zu tun; sondern Sie sollen ein-
fach sagen, ob Sie leicht in diesen Fehler fallen, und wenn Ihnen dies
zustößt, ob Sie lange darin bleiben, ob mit viel Bitterkeit und Heftigkeit,
und schließlich, welche Anlässe Sie am meisten dazu verleiten; ob Spiel,
Hochmut oder Stolz, Melancholie oder Halsstarrigkeit. Dies soll nur ein
Beispiel sein. So werden Sie in kurzer Zeit Ihren kleinen Überblick
abgeschlossen haben, ohne weder Ihr Gedächtnis, noch Ihre Zeit allzu-
sehr zu beanspruchen.
Was Ihre dritte Schwierigkeit betrifft, so wären einige schwere Sünden,
sofern sie nicht in der Absicht geschahen, darin zu verharren, und auch
nicht zu einem Einschlafen im Übel führten, kein Hindernis für einen
Fortschritt in der Hingabe an Gott. – Wenn man diese auch bei schwerer
Sünde verliert, so gewinnt man sie doch wieder beim ersten wahrhaften
234 IV. Grandmaison 1289, 1365
Bereuen seiner Sünde, vorausgesetzt, daß man nicht lange in diesem Übel
verharrte.
Deshalb sind diese jährlichen Überblicke überaus heilsam für Seelen,
die noch ein wenig schwach sind. Denn wenn auch die ersten Entschlüsse
sie noch nicht völlig gefestigt haben, werden die zweiten und dritten es
mehr tun, und zuletzt bleibt man – wenn man seine Entschlüsse oft er-
neuert – dann ganz entschlossen. Sie dürfen keineswegs den Mut verlie-
ren, sondern müssen Ihre Schwäche mit heiliger Demut betrachten, sich
ihrer anklagen, um Verzeihung bitten und die Hilfe des Himmels anfle-
hen ...
als Heilige, nachdem sie das Ordenskleid der Heimsuchung erbeten und
erhalten und auf dem Totenbett ihre Gelübde abgelegt hatte. Alles in
allem, meine sehr liebe Schwester, meine Tochter, war dies eben der
Wille Gottes, dem sich unser Wille ganz unterwerfen soll.
Und da sehe ich nun, daß binnen weniger Tage Ihr gutes Gemüt einen
ähnlichen Schlag erleiden wird; denn ich sah gestern unsere gute Mut-
ter55 und fand sie an der Grenze dieses sterblichen Lebens, wohin ihre
Krankheit und hauptsächlich ihr Alter sie gebracht haben. Meiner Mei-
nung nach kann sie – so langsam sie auch dahinsiechen mag – nicht mehr
lange brauchen, es zu beendigen. Sie müssen also, meine sehr liebe Schwe-
ster, Ihr Herz recht fest halten, damit es unter diesem Schlag nicht schwan-
ke, sondern, mit der göttlichen Vorsehung verhaftet, nach den ersten
unvermeidlichen Schmerzensausbrüchen ergeben in Frieden bleibe und
mit heiliger Hoffnung die Zeit erwarte, in der wir, in gleicher Weise
dahingehend, jene wiedersehen werden, die uns vorausgehen. Meine sehr
liebe Schwester, wir müssen Gott danken, der uns diese Mutter so lange
belassen hat, und es wäre unvernünftig, wenn wir schlecht fänden, daß er
sie uns nimmt, geschieht es doch, um ihr ein besseres Leben zu schenken.
Ich weiß, daß Sie diesen Kummer zu Füßen des Kreuzes Unseres Herrn
ausweinen werden, wo alle unsere Bitterkeiten sich mildern. Darum habe
ich Ihnen nichts mehr zu sagen, als daß ich niemals aufhören werde,
tausend und abertausend Segnungen zu wünschen Ihrer lieben Seele, die
ich von ganzem Herzen liebe, bin ich doch immerdar, meine sehr liebe
Frau Schwester, Ihr recht ergebener Bruder und Diener ...
AN EINE DAME
empfinden, was uns hier zuwider ist. Das Licht unseres Glaubens soll
uns aber helfen, dieses Fehlerhafte immer wieder zu meistern. Es wird
uns dann jene sehr glücklich schätzen lassen, die in Kürze ihre Reise
vollendet haben. Bei solch großen Gelegenheiten müssen wir, meine
sehr liebe Tochter, die Größe unserer Treue sehen lassen. Selig jene, die
niemals etwas von dem verloren zu haben meinen, was Gott in seiner
Gnade aufgenommen hat.
Ich werde tun, was Sie mir sagen. Leben Sie ganz für Gott, meine sehr
liebe Tochter, und glauben Sie, daß ich Ihr sehr ergebener und sehr zuge-
neigter Diener bin.
AN EINE DAME
Unserem Herrn – gut ist und daß ich hoffe, sie werde mir an diesen
schönen Festtagen helfen, predigen zu können, wie es ja im ganzen Ad-
vent geschehen ist, und daß wir das Jahr in dieser Weise beenden, um ein
neues zu beginnen.
O Gott, meine liebe Tochter, die Jahre gehen dahin, sie reihen sich so
unmerklich eines nach dem anderen zu einer Kette, und indem sie ihre
Dauer ablaufen, wickeln sie auch unser sterbliches Leben ab und been-
den unsere Tage, da sie selbst zu Ende gehen. O wie unvergleichlich
liebenswerter ist doch die Ewigkeit, da ihre Dauer kein Ende nimmt und
ihre Tage ohne Nacht sind (Offb 21,25; 22,5)! Meine sehr liebe Tochter,
möchten Sie doch dieses wunderbare Gut der heiligen Ewigkeit einst in
einem so hohen Grad besitzen, wie ich es Ihnen wünsche. Welche Selig-
keit wäre das für meine Seele, wenn Gott ihr diese Barmherzigkeit er-
wiese und sie dieses Glück schauen ließe! Aber in der Erwartung, Unse-
ren Herrn verherrlicht zu sehen, sehen wir ihn doch jetzt ganz erniedrigt
in seiner kleinen Wiege mit den Augen des Glaubens.
Gott sei immerdar inmitten Ihres Herzens, meine sehr liebe Tochter.
Amen. Es lebe Jesus!
welche ihr entrinnen, viel beklagt werden sollen; darum scheint es mir,
daß dieser Sohn an sich so viel gewonnen hat, da er daraus schied, beina-
he bevor er so recht darin angekommen war.
Das Wort „Tod“ ist erschreckend, wie man es vorbringt, man sagt: Ihr
teurer Vater ist gestorben, und: Ihr Sohn ist tot. Das ist aber keine richti-
ge Rede unter uns Christen, denn man müßte doch sagen: Ihr Sohn oder
Ihr Vater ist heimgegangen in seine und Ihre Heimat; und weil es so sein
mußte, ist er durch den Tod durchgegangen, in ihm aber nicht verblie-
ben. Ich weiß wirklich nicht, wie wir diese Welt guten Gewissens als
unsere Heimat ansehen können, in der wir doch nur so kurz weilen im
Vergleich zum Himmel, in dem wir ewig sein sollen. Auch wir gehen
dahin und sind der Gegenwart unserer treuen Freunde dort oben mehr
sicher als unserer Freunde hier unten; denn jene erwarten uns und wir
gehen zu ihnen; diese hier aber lassen uns gehen und verzögern ihr Blei-
ben nach uns möglichst lange, und wenn sie wie wir gehen, geschieht es
gegen ihren Willen.
Wenn wegen des Fortgehens dieser lieben Seele noch irgendein Rest
von Traurigkeit Ihren Geist bedrängt, dann werfen Sie Ihr Herz Unse-
rem gekreuzigten Herrn zu Füßen und bitten ihn um seinen Beistand. Er
wird Ihnen diesen zuteil werden lassen und Ihnen den Gedanken und
den festen Entschluß eingeben, sich selbst gut vorzubereiten, damit Sie
selbst zur festgesetzten Stunde diesen erschreckenden Durchgang so voll-
ziehen, daß Sie glücklich an dem Ort anlangen, wo, wie wir hoffen sollen,
unser armer, aber glückselig Verstorbener bereits weilt.
Wenn meine ständigen Wünsche erhört werden, wird Ihnen alles hei-
lige Wohlergehen zuteil werden; denn ich liebe und schätze Ihr Herz
von meinem ganzen Herzen und nenne und weihe mich Ihnen bei die-
ser, wie bei jeder anderen Gelegenheit als Ihr ergebener, sehr gehorsa-
mer Diener ...
und daß im Gegenteil das Böse ohne Pflege durch die diesem Zeitalter
eigene Bosheit Fortschritte macht.
Wie glücklich werden Sie sein, mein Herr, wenn Sie für den Rest Ihrer
Tage, deren Zahl ich Ihnen groß und gut wünsche, Ihre Seele näher auf
ihren Ursprung ausrichten in der Ruhe eines hier im Vergleich zu Paris
und zum Hof beinahe einsamen Lebens. Ich hoffe, daß der Sommer nicht
vorbeigehen wird, ohne daß ich die Freude haben werde, einige Zeit bei
Ihnen zu sein, wo wir uns ausführlicher über dieses ernste Thema unter-
halten können. Wenn die vielfachen Aufgaben meines Amtes und meine
besonderen, wenn auch nicht häuslichen Angelegenheiten mir erlaub-
ten, nach meinem Belieben dort zu sein, wo ich sein möchte, würde ich
mich oft von Zeit zu Zeit bei Ihnen einfinden. Wo ich aber auch sein
mag, haben Sie, geehrter Herr, an mir Ihren ergebenen, Ihnen sehr von
Herzen zugetanen Diener ...
AN EINE DAME
das ich sehr liebe, so tröstet er mich doch auch wieder, weil er ein Herz
vollkommen macht, dem ich jede heilige Vollkommenheit wünsche und
dem ich wahrhaftig bin, meine liebe Tochter, Ihr sehr ergebener und
wohlgeneigter Diener ...
AN EINE DAME
Seele gesehen habe, Gott recht treu dienen zu wollen, in meiner Seele
den übermächtigen Wunsch geweckt, Ihnen nach all meinem Vermögen
beistehen und helfen zu wollen, ganz abgesehen von meiner Verpflich-
tung Ihnen gegenüber und der Neigung, die ich immer für Ihr Herz ge-
hegt habe, auf Grund der guten Meinung, die ich seit Ihrer zartesten
Jugend von ihm habe.
Doch muß man dieses geliebte Herz sorgsamst pflegen, meine liebe
Nichte, und nichts unterlassen, was seinem Glück nützlich sein könnte;
und wenn sich dies auch jederzeit machen läßt, so ist doch die Zeit, in der
Sie jetzt stehen, die geeignetste dafür. Welch seltene Gnade ist es doch,
meine liebe Tochter, damit anzufangen, diesem großen Gott zu dienen,
solange das jugendliche Alter uns aufnahmefähig für alle Arten von Ein-
drücken macht, und wie wohlgefällig ist die Opfergabe, bei der man die
Blüten mit den ersten Früchten des Baumes schenkt.
Halten Sie immer die Entschlüsse inmitten Ihres Herzens fest auf-
recht, die Gott Ihnen schenkte, als Sie mit mir vor ihm standen;64 denn
wenn Sie diese im ganzen sterblichen Leben bewahren, werden diese Sie
wiederum im ewigen bewahren. Um sie aber nicht bloß zu bewahren,
sondern auch noch glücklich zunehmen zu lassen, bedürfen Sie keiner
anderen Ratschläge als derer, die ich der „Philothea“ im Buch der „An-
leitung“ gegeben habe, das Sie besitzen; trotzdem will ich aber, um Ih-
nen diesen Gefallen zu tun, mit wenigen Worten klarlegen, was ich haupt-
sächlich von Ihnen wünsche.
1. Beichten Sie alle vierzehn Tage, um das göttliche Sakrament der
Kommunion zu empfangen, und gehen Sie niemals weder zu dem einen
noch dem anderen dieser himmlischen Geheimnisse ohne den neuen
und festen Entschluß, sich immer mehr von Ihren Unvollkommenheiten
bessern zu wollen und mit einer immer größeren Reinheit und Vollkom-
menheit des Herzens zu leben. Ich sage damit nicht, daß Sie nicht alle
acht Tage kommunizieren könnten, wenn Sie dies aus heiligem Eifer tun
wollen, vor allem, wenn Sie bemerken, daß durch dieses heilige Geheim-
nis bedauerliche Neigungen und Unvollkommenheiten Ihres Lebens
abnehmen; ich habe Ihnen aber diese vierzehntägige Frist angegeben,
damit Sie es nicht länger hinausschieben.
2. Verrichten Sie Ihre geistlichen Übungen kurz und innig, damit Ihr
Naturell Ihnen nicht aus Angst vor ihrer Länge Schwierigkeiten bereite
und damit es sich nach und nach mit diesen Akten der Frömmigkeit
vertraut mache. So sollen Sie z. B. ausnahmslos jeden Morgen die Mor-
genübung verrichten, die in der „Anleitung“ angegeben ist. Damit Sie
244 IV. Eine Dame 1176
dies kurz machen können, dürfen Sie, während Sie sich ankleiden, Gott
durch Stoßgebete danken, daß er Sie diese Nacht bewahrt hat, und auch
den zweiten und dritten Punkt durchnehmen, nicht nur während des
Ankleidens, sondern auch im Bett oder sonstwo, ohne Unterschied des
Ortes oder irgendwelcher Handlungen. Dann, sobald Sie es können, knien
Sie nieder und nehmen Sie den vierten Punkt auf, wobei Sie mit folgen-
dem Herzensruf beginnen: „O Herr, sieh dieses arme und elende Herz.“
Dasselbe sage ich von der Gewissenserforschung, die Sie am Abend ver-
richten können, wenn Sie sich zurückziehen, wo immer Sie sich befin-
den mögen, sofern Sie nur den dritten und vierten Punkt kniend verrich-
ten, wenn nicht eine Krankheit Sie daran hindert.
In der Kirche hören Sie die Messe in der Haltung einer wahren Tochter
Gottes und gehen Sie lieber aus der Kirche und ziehen Sie sich zurück,
als daß Sie in dieser Ehrfurcht nachlassen.
3. Lernen Sie oft Stoßgebete und Herzenserhebungen verrichten.
4. Bemühen Sie sich, zu jedermann gütig und freundlich zu sein, vor
allem aber im eigenen Haus.
5. Die bei Ihnen verteilten Almosen sollen auch – wenn möglich – stets
von Ihnen selbst ausgegeben werden; denn es ist tugendhafter, Almosen
eigenhändig zu spenden, wenn es sich leicht machen läßt.
6. Besuchen Sie gern die Kranken Ihres Ortes; ist dies doch eines der
Werke, auf die Unser Herr am Tag des Gerichtes besonders schauen
wird (Mt 25,36).
7. Lesen Sie alle Tage ein bis zwei Seiten eines geistlichen Buches, um
sich in der Freude daran und für die Frömmigkeit wachzuhalten; an
Festtagen etwas mehr, was Ihnen die Predigt ersetzen wird.
8. Ehren Sie weiterhin sehr Ihren Schwiegervater, weil Gott es so will,
hat er Ihnen diesen doch als zweiten Vater gegeben; und lieben Sie Ihren
Gatten herzlich, schenken Sie ihm mit liebevoller und einfacher Hinga-
be jede Freude, die Sie ihm bereiten können. Ertragen Sie ruhig die
Unvollkommenheiten von wem immer, vor allem von den in Ihrem
Haushalt lebenden Personen.
Ich sehe nichts, was ich Ihnen für den Augenblick noch sagen könnte,
außer daß Sie mir, wenn wir uns wiedersehen, berichten werden, wie Sie
sich auf diesem Weg der Frömmigkeit verhalten haben. Wenn dann et-
was zusätzlich gesagt werden muß, werde ich es tun. Leben Sie also,
meine liebe Tochter, meine Nichte, ganz freudig in Gott und für Gott
und glauben Sie mir, daß ich Sie recht innig liebe und immerdar bin,
gnädige Frau, Ihr recht ergebener Onkel und Diener ...
IV. Guillet de Monthoux 1254 245
soviel Sie können, und überlassen Sie das übrige Gott, der es früher oder
später je nach der Bestimmung seiner Vorsehung tun wird.
Ich möchte gern wissen, wer diese Pfarrer sind, deretwegen man über
mich und meinen Bruder70 klagt; denn soweit es uns möglich ist, werden
wir aller Unordnung abzuhelfen suchen, wenn eine solche vorliegt. Ich
bin aber recht froh, daß Ihr Pfarrherr ein ehrenhafter und kluger Mann
ist.
Gehören Sie immer ganz Gott an, meine liebe Tochter, und ich bin in
ihm ganz Ihr sehr ergebener Cousin und sehr zugeneigter Diener ...
stärkt, vom Bösen befreit, sie tröstet und sie mit einem Wort in dieser
Welt vergöttlicht, sofern es mit entsprechendem Glauben, mit Reinheit
und Hingabe empfangen wird.
Doch damit ist nun genug gesagt. Der göttliche Heiland, Ihr Schutzen-
gel und Ihre Hochherzigkeit werden vollenden, was mein Unvermögen
mir nicht erlaubt, Ihnen vorzuschlagen. So bitte ich Unseren Herrn, er
möge Sie mehr und mehr überströmen lassen von seiner Güte. Ich bin
auf immer, mein Herr, Ihr sehr ergebener und treuer Diener.
ser große Herr Ägyptens, als er noch Kind war, nicht eine Lüge, sondern
die Wahrheit gesehen, daß sein Vater unter dem Zeichen der Sonne ihm
eine solch tiefe Ehrerbietung erwies, welches die Heilige Schrift als
Huldigung bezeichnet.
In dieser Weise also beteuere ich, Sie meinen Sohn nennen zu wollen:
als meinen Benjamin der Liebe und als meinen Josef der Ehrerbietung.
So wird der Name „Sohn“ von mehr Ehrerbietung, Achtung und Hoch-
schätzung erfüllt sein als die Anrede „mein Herr“, einer Ehrerbietung
aber, die ganz von Liebe durchtränkt ist; eine Mischung, die in meiner
Seele eine angenehme Empfindung verbreitet, die ihresgleichen nicht
hat. Darum werde ich dem Namen „Sohn“ nicht „Herr“ voransetzen,
außer manchmal, weil es dessen nicht bedarf, ist doch der eine Name
vollkommener in dem anderen inbegriffen, als wenn es ausdrücklich
gesagt würde.
Welche Freude ist es mir doch, mein lieber Sohn, wenn ich höre, daß
Sie der Herr mit dem großen Herzen sind, der inmitten dieser nichtigen
Eitelkeiten des Hofes fest im Entschluß seines Herzens verharrt, das
Herz Gottes zufriedenstellen zu wollen! Ach, tun Sie das, mein lieber
Sohn: fahren Sie damit fort, oft zu kommunizieren und die anderen
Übungen zu verrichten, zu denen Gott Sie so oft angeregt hat. Die Welt
glaubt Sie bereits verloren zu haben und zählt Sie nicht mehr zu den
Ihrigen. Sie müssen sich recht davor hüten, daß diese Sie nicht zurückge-
winnt, denn das hieße, daß Sie sich völlig verlieren, wenn Sie sich von
dieser unseligen Welt gewinnen ließen, die Gott verurteilt hat und auf
ewig verurteilen wird. Die Welt wird Sie bewundern und trotz ihres Är-
gers darüber Sie mit Achtung anschauen, wenn Sie inmitten ihrer Palä-
ste, Galerien und Kabinette sorgsam die Regeln der Frömmigkeit be-
wahren, aber einer Frömmigkeit, die ganz weise, ernst, stark, beständig,
edel und ganz liebevoll ist. Mein lieber Sohn, Gott sei immerdar Ihre
Größe und die Welt Ihre Verachtung und ich bin eben der Vater, der Sie
wie seinen Benjamin liebt und wie seinen Josef ehrt.
gen nicht aus, ohne daß Sie im Herzen den Gedanken an Ihre in der
Gegenwart Gottes erneuerten Entschlüsse tragen. Und am Abend sollen
Sie nach Verrichtung Ihres kleinen Gebetes zwölf Zeilen in irgendeinem
Andachtsbüchlein lesen, denn das würde die Ansteckungsgefahr min-
dern, welche die Begegnungen des Tages an Ihr Herz herangebracht ha-
ben könnten. Und wenn Sie sich oft im milden und gnadenvollen Arz-
neimittel der Beichte reinigen, könnte ich hoffen, daß Sie wie der be-
rühmte Feuervogel in den Flammen verbleiben, ohne Ihre Flügel zu
versengen. Glückselig die Mühe, so groß sie auch sei, die uns von der
ewigen Pein freimacht! Wie liebenswert ist doch die Plage, deren Beloh-
nung unendlich ist.
Ich bin mit einem mehr als väterlichen Herzen ...
trauen zu sprechen, das der Name Vater und Sohn mir verliehen hatte.
Da Gott es aber nicht wollte, da er zuließ, daß ich hier festgehalten bin,
dürfen weder Sie noch ich es wollen. Sie werden also mein Josua sein,
der selbst für die Sache Gottes streiten wird; und ich werde hier wie
Mose meine Hände zum Himmel ausstrecken (Ex 17,10-12) und über
Sie die göttliche Barmherzigkeit herabflehen, damit Sie die Schwierig-
keiten überwinden können, auf die Ihre gute Absicht stoßen wird.
Ich will Sie nicht mehr bitten, mich zu lieben, da ich Ihnen kürzer und
ausdrücklicher sagen kann: seien Sie also mein echter Sohn von ganzem
Herzen, denn ich bin auch von meinem ganzen Herzen nicht nur Ihr sehr
ergebener und gehorsamer Diener, sondern auch Ihr Ihnen unendlich
liebevoll zugetaner Vater ...
Jahre hinschreiten. Die Jahre gehen dahin; es ist wie eine Ablöse von
Post zu Post, bis wir zu diesem Ziel gelangen.
In diesen Augenblicken jedoch ist wie in einem kleinen Kern der Same
einer ganzen Ewigkeit eingeschlossen und in diesen kleinen Werken der
Frömmigkeit, die wir ausüben sollen, liegt der Preis der unendlichen
Fülle der Herrlichkeit (2 Kor 4,1); diese kleine Mühe, Gott zu dienen,
schafft die Ruhe einer dauerhaften Freude. Gesegnet sei immerdar das
Blut des Heilands, das uns das Heil so leicht gemacht hat!
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, mein Sohn, wie sehr es mich freut, zu
erfahren, daß Ihr Bruder, dieser würdige und tapfere Edelmann, den Sie
an Kindesstatt halten, sich nun verheiratet hat.76 Ich zweifle nicht, daß
ihm das eine große Möglichkeit geben wird, Gott gut zu dienen. Sein
hochherziger Mut wird ihn gewiß dazu genügend antreiben. Ich denke
mir auch, mein Herr, daß Ihre Befriedigung darüber groß ist. Und wenn
Gott meine Wünsche erhört, wird dieser Ehe jede Art von Segen erblü-
hen und sie wird zur gegebenen Zeit die Frucht (Ps 1,3) einer wünschens-
werten und schönen Nachkommenschaft tragen.
Ich verfüge nicht über die Kunst, mich redselig über dieses Gefühl
auszulassen, um dessen Größe zu bezeugen; ich schreibe hauptsächlich
ganz aufrichtigen Herzens an Eure Hoheit, die sich mit der Tatsache
meiner Zuneigung zufriedengibt. Aber mein Brief wird nun zu lange.
Leben Sie immerdar in Gott und für Gott, mein Herr, und seien Sie
beständig zugetan ihrem sehr ergebenen und gehorsamen Diener ...
ohne daß es Ihnen schwer fällt. Denn wenn Ihre Briefe mir auch teurer
sind, als ich sagen kann, würden sie mich schmerzen, wären sie Ihnen
beschwerlich. Liebe ich doch nach der Art der Väter mehr Ihre Befriedi-
gung als die meine.
Da ich aber Ihnen, mein lieber Sohn, nicht oft schreiben kann, weil ich
wenig Möglichkeiten dafür habe, will ich diese Unterlassungen gutma-
chen, indem ich Ihnen das Buch über die „Gottesliebe“ schicke, das ich
der Welt noch kaum vor Augen geführt habe, und bitte Sie, wenn Ihre
Zuneigung zu mir in Ihnen manchmal den Wunsch wachruft, Briefe von
mir zu bekommen, dann diese Abhandlung zu nehmen und ein Kapitel
daraus zu lesen; Sie sollen sich vorstellen, wenn es je einen Theotimus
auf dieser Welt gibt, an den sich meine Worte richten, daß Sie unter allen
Menschen mein teuerster Theotimus sind.
Der Verleger hat mehrere Fehler in dieses Werk einschleichen lassen,
aber auch ich viele Unvollkommenheiten; aber wenn es vollkommene
Arbeiten auf dieser Welt gibt, dürfen sie nicht in meinem Laden gesucht
werden. Wenn Sie dieses Werk fortlaufend lesen, wird es Ihnen schließ-
lich mehr gefallen.
Seit drei Tagen haben wir hier den Prinzen von Piemont, der mir die
Ehre erwies, ganz unerwartet bei mir abzusteigen ... seither wohnt er im
Schloß. Er ist der freundlichste, liebenswürdigste und frömmste Prinz,77
den man finden könnte; ein Herz voll Mut und Gerechtigkeit, ein ur-
teilsfähiger und geistvoller Kopf und eine Seele, die nur nach dem Guten
und der Wahrheit trachtet, nach der Liebe seines Volkes und vor allem
nach der Gottesfurcht. Ich bin sicher, daß Sie noch vor Erhalt vorliegen-
den Schreibens die Ursache seines Kommens wissen.
Schließlich will ich Ihnen noch, mein lieber, hochgeachteter Sohn,
alle himmlischen Segnungen wünschen; doch das tue ich mit jedem Atem-
zug, da ich doch die Gunst und das Glück habe, als Ihr Vater zu gelten
und immerdar sein soll und auch bin Ihr sehr ergebener und gehorsamer
Diener ...
Ich schreibe Ihnen in aller Eile und bin sicher, daß Sie auf Grund
meines Auftrages ein zweites Buch noch aus Lyon erhalten werden. O
mein Gott, wie freue ich mich, daß Ihre Frau Schwester ein Kind erwar-
tet, wie man mir versichert.78
IV. Bellegarde 1446 255
Zwei Städte sind es vor allem, die in diesem Abschnitt aus den letzten Le-
bensjahren des hl. Franz von Sales sehr stark hervortreten: Grenoble und Pa-
ris. Daneben nimmt seine Korrespondenz mit den Oberinnen und Schwestern
der Heimsuchung immer mehr zu; diese und die Briefe an die damals so eifrige
Angelique Arnauld sind aber dem nächsten Band vorbehalten.
Die Fastentpredigten 1617 in Grenoble haben Franz von Sales eine Anzahl
von geistlichen Töchtern zugeführt: die Damen Blanieu (A 1), Le Blanc von
Mions (E), Veyssilieu (E), Granieu (E), Sautereau (A 13), Bouquéron (A 50),
de la Baume (A 52), du Faure (A 53) und andere.
Sein Aufenthalt in Paris 1618/1619 bringt ihn in Beziehung zur religiösen
Elite unter den Laien von Paris: mit den Schwestern Villeneuve und Lhuillier
de Frouville (E), mit den Damen Villesavin (E), Le Maitre (E), Frau Le Loup
de Montfan und ihrer Tochter, der Gräfin Dalet (E), mit der Familie Arnauld,
mit den Damen Rossillon (A 54), Lamoignon (A 61), Anne Le Beau (A 62), Le
Naint de Cravant (A 63), Amelot (A 68), Jomaron (A 73), Amaury (A 87),
Baudeau (A 90), Pechpeirou (A 93).
Wenn Franz von Sales von Savoyen fern ist, gehen viele seiner Briefe in die
geliebte Heimat. Auch in diesem Abschnitt seines Lebens sind neue Korrespon-
denten in Savoyen hinzugekommen, Verwandte, Freunde, geistliche Töchter,
die in den Anmerkungen jeweils genannt werden. Die Briefe werden allerdings
seltener und kürzer, denn die Verpflichtungen häufen sich immer mehr. Zu den
seelsorglichen und bischöflichen Aufgaben kommen noch Aufträge von Rom
und offizielle Reisen im Auftrag des Herzogs von Savoyen. Auf einer dieser
Reisen bricht Franz von Sales zusammen; der Strom seiner Briefe bricht jäh ab.
Der letzte überlieferte Brief stammt vom 25. Dezember 1622; am 28. Dezember
1622 starb Franz von Sales in Lyon.
Bei der Nachricht von ihrem Tod (1616) sagte Franz von Sales von ihr, daß sie
eine seltene Frau war, ein großes Lob aus solchem Mund (Oeuvres XVII, S. 22,
Anm. 3; S. 349, Anm. 4; S. 366, Anm. 1). Jedenfalls war sie eine der hervorra-
gendsten geistlichen Töchter des hl. Franz von Sales.
Wir bringen hier zwei Briefe an die Präsidentin, die sicher echt sind. Zwei
andere Briefe in den Oeuvres, die angeblich an sie gerichtet sind (Nr. 1516 vom
22. April 1618 und vom 23. Mai 1618) sind von zweifelhafter Echtheit und
enthalten nichts Neues.
MADAME DE VEYSSILIEU.
Marguerite de la Croix de Chevrière hatte 1608 Laurent Rabat, Herrn von
Veyssilieu geheiratet. – Die Familie, aus der sie stammt, war eine der angese-
hensten Familien des Dauphiné. Schon vor ihrem Zusammentreffen mit Franz
von Sales galt sie als Vorbild der Bescheidenheit, Frömmigkeit und Demut;
nachdem Franz von Sales ihr Seelenführer geworden, entfaltete sich ihr Tugend-
leben umso kraftvoller, je mehr Franz von Sales und die hl. Johanna-Franziska
von Chantal auf sie Einfluß gewannen. Sie half das Kloster der Heimsuchung
in Grenoble zu begründen. Eine ihrer Töchter trat in den Orden ein und grün-
dete das zweite Kloster der Heimsuchung in Grenoble, dessen große Wohltäte-
rin auch Frau von Veyssilieu war (1648). Im ersten Kloster zu Grenoble konnte
Frau von Veyssilieu oft auch mit der hl. Johanna-Franziska von Chantal reden
und sprach noch 50 Jahre später über dieses schöne Zusammenwirken mit der
Gründerin der Heimsuchung und mit den ersten Schwestern von Grenoble (s.
Oeuvres XVII, 371-372, Anm.).
MADAME DE GRANIEU.
Als Franz von Sales 1617 die Fastenpredigten in Grenoble hielt, wohnte er
bei Frau von Granieu, um welche sich ein Kreis frommer Damen sammelte, die
von Franz von Sales außer den Fastenpredigten noch besondere Konferenzen
über die Frömmigkeit hörten.
Laurence de Ferru, geboren 1579, verlor früh ihre Eltern, wurde 16 Jahre alt
(1595) Herrn von Granieu angetraut, war schon, bevor sie Franz von Sales
kennenlernte, das Muster einer echten Christin. Sie stellte sich sofort unter die
Leitung des hl. Franz von Sales, der nun ihren glühenden Eifer zu mäßigen und
zu regeln hatte. Sie gehörte zu den Eliteseelen, die sich unter der gütigen und
festen Führung des Heiligen zu hoher Frömmigkeit entfalten konnten. Mit der
hl. Johanna-Franziska von Chantal war sie eng befreundet, den beiden Klö-
stern der Heimsuchung in Grenoble war sie eine edle Wohltäterin. Sie starb
1652 und wurde im zweiten Kloster der Heimsuchung in Grenoble bestattet.
MADAME DE VILLENEUVE.
Marie Lhuillier, Tochter des Franz Lhuillier, Herrn von Trouville, und Anne
Brachet von Henneques, wurde 1595 geboren und 15 Jahre alt mit Herrn von
258 V. Einführung
Villeneuve, Ratsherrn des Königs, verheiratet. Die Bücher des hl. Franz von
Sales bewirkten in der jungen Frau eine solche Ehrfurcht vor deren Verfasser,
daß sie beschloß, ihn über die schwierige Frage der Nichtigkeitserklärung der
Ehe ihrer Schwester zu befragen. Als Franz von Sales nach Paris kam, stellte
sich Frau von Villeneuve hochherzig unter seine Leitung. Franz von Sales er-
kannte, daß diese Frau von der Vorsehung ausersehen war, die Kirche mit einer
religiösen Familie zu beschenken, „die sich der Erziehung und religiösen Ver-
tiefung der Mitmenschen“ widmen sollte. Wird Gott ihm noch die Lebenszeit
dafür schenken, wird er selbst an der Errichtung einer solchen Kongregation
arbeiten? Frau von Villeneuve entschloß sich zu diesem Werk und erhielt von
Franz von Sales eine Abschrift der Satzungen der Heimsuchungsschwestern,
wie sie zuerst geplant waren. Auf diesen Satzungen beruhen die der „Kreuzes-
töchter“, mit denen Frau von Villeneuve aber erst 1636 beginnen konnte und
deren Gründung vom hl. Vinzenz von Paul und von der hl. Johanna-Franziska
von Chantal lebhaft als Verwirklichung eines Wunsches des hl. Franz von Sales
begrüßt wurde. Frau von Villeneuve legte selber 1641 die Gelübde in dieser
Kongregation ab und verschied 1650, nachdem sie diese Gemeinde neun Jahre
durch ein heilig-mäßiges Leben erbaut hatte.
Mit ihrer Schwester Helene Lhuillier de Frouville verband sie innige Liebe.
Diese trat nach einer schweren Jugend nach Nichtigkeitserklärung ihrer Ehe in
den Orden der Heimsuchung ein. Über sie wird in einer eigenen Notiz vom
Beginn der ersten an sie gerichteten Briefe des hl. Franz von Sales berichtet.
MADAME DE VILLESAVIN.
Sie lernte Franz von Sales 1604 in Dijon kennen und sah ihn oft im Haus
ihres Vaters, des Grafen Blondeau, und ihres Mannes und anderswo. Sie kor-
respondierten oft miteinander. Von den Briefen des hl. Franz von Sales sind uns
nur wenige geblieben. Durch ihren Reichtum konnte sie in Paris viele gute
Werke unterstützen. Sie starb in hohem Greisenalter im Jahr 1687. – In diesem
Brief schreibt Franz von Sales, daß sie sich kaum noch sehen werden. Da aber
ihr Mann im Gefolge des Königs bei dessen Zusammentreffen zur Versöhnung
mit der Königin-Mutter Marie de Medici war und seine Frau ihn begleitete,
trafen Franz von Sales und Frau de Villesavin sich wieder in Tours.
V. Einführung 259
MADAME LE MAITRE.
Catherine Arnauld, die Älteste der Töchter des Herrn Antoine Arnauld und
dessen Frau Catherine Marion, war nach damaligem Brauch für die Ehe be-
stimmt. Als Issac Le Maitre, ein hoher königlicher Beamter, um ihre Hand
anhielt, war sie erst 11 oder 12 Jahre alt. Dieser Mann flößte ihr aber solchen
Widerwillen ein, daß man sie nicht dazu zwingen wollte. – Er heiratete darauf
Frl. Melyos, die nach zwei Jahren starb. Als nun Herr Le Maitre zum zweiten
Mal um sie anhielt, willigte Catherine zu ihrem Unglück ein. Nach einigen
Jahren stillen Martyriums eröffnete Catherine ihrem Vater, was sie durchmach-
te. Ihr Mann war Protestant, ohne daß dies bekannt war. Sein unmoralisches
Leben und seine Brutalität machten seine beiden Frauen unglücklich. Herr
Arnauld war empört, als Catherine ihm erzählte, was sie gelitten hatte. Er
erreichte, daß die Ehe getrennt wurde (1616). Frau Le Maitre lebte jetzt nur
noch für Gott und für ihre Kinder. Sie trat später in Port-Royal ein und starb
1651. – Franz von Sales nahm sich ihrer liebevoll an, er dürfte von ihr viele
Briefe erhalten haben; von ihm selbst hat man noch drei Briefe an Frau Le
Maitre.
tung“ steht; und wenn auch die schnelle Auffassungsgabe Ihres Geistes
auf einen Blick alle Punkte dieser Übung erfassen wird, so verwenden
Sie doch dafür so viel Zeit, wie es bedarf, um zweimal das Vaterunser zu
beten; nachher sprechen Sie dann fünf oder sechs Worte der Anbetung
und schließlich beten Sie das Vaterunser mit dem Glaubensbekenntnis.
3. Nachher bereiten Sie sich auf das innerliche Gebet vor. Nehmen Sie
sich vor, ein Geheimnis des Lebens oder Leidens Unseres Herrn zu be-
trachten, wenn dies der Wille Gottes ist. Wenn aber Ihr Herz während des
betrachtenden Gebetes sich an der einfachen Gegenwart des Geliebten
haften fühlt, dann gehen Sie nicht darüber hinweg, sondern verbleiben Sie
in dieser Gegenwart; wenn Sie sich aber im Gegenteil nicht an dieser
Gegenwart Gottes haften fühlen, obgleich Sie doch immer darin stehen,
dann betrachten Sie liebevoll die Stelle, die Sie sich vorgenommen haben.
4. Verrichten Sie alle Tage das betrachtende Gebet, wenn nicht irgend-
eine notwendige Beschäftigung Sie daran hindert; denn, wie Sie mir ge-
sagt haben, fühlen Sie einen großen Fortschritt in der Sammlung, wenn
Sie in dieser heiligen Übung fortfahren, dessen Sie ermangeln, wenn Sie
diese Übung aufgeben.
5. Um aber diese so nützliche Übung Ihrem raschen und unvergleich-
lich wendigen Geist anzupassen, wird es genügen, wenn Sie jeden Tag
eine kleine halbe oder Viertelstunde darauf verwenden; denn das wird
mit Ihren Geisteserhebungen, dem Leben in der Gegenwart Gottes und
den während der Tagesstunden verrichteten Stoßgebeten reichlich genü-
gen, um Ihr Herz mit seinem göttlichen Gut zu verbinden und zu verei-
nigen; dieses betrachtende Gebet kann sogar während der Messe ver-
richtet werden, um Zeit zu gewinnen.
6. Wenn während des betrachtenden Gebetes oder während des Fest-
haltens an der heiligen Gegenwart Gottes das Empfinden davon sich im
Kopf festsetzt und Mühe und Schmerzen im Kopf verursachen würde,
müßten Sie in der Übung etwas nachlassen und nicht den Verstand dar-
auf verwenden, sondern nur das Herz und den Willen durch innerliche
und liebevolle Worte. Dies als Antwort auf das, was Sie mir sagen, daß
sich am Anfang das Empfinden von der Gegenwart Gottes in Ihrem
Kopf bildete, was Ihnen manchmal sehr zusetzte.
7. Sollten Ihnen Tränen kommen, dann vergießen Sie sie ruhig; wenn
sie aber zu häufig und mit zuviel Empfindsamkeit kommen, dann rich-
ten Sie, wenn Sie können, Ihren Geist wieder auf, um die Geheimnisse
friedvoller und ruhiger im höheren Bereich Ihrer Seele verkosten zu
können; nicht indem Sie das Seufzen, Schluchzen oder Weinen bezwin-
264 V. Le Blanc 1294
gen und unterdrücken, sondern indem Sie Ihr Herz mit einer friedlichen
Ablenkung davon wegführen, es nach und nach zur reinen Liebe des
Geliebten erheben durch liebevolle Ausrufe: „O, wie liebenswert bist
Du, mein Geliebter! Wie erhaben bist Du in Deiner Güte und wie sehr
liebt Dich mein Herz!“ oder anders, je nachdem Gott Sie lenken wird.
8. Und weil Sie mir sagen, daß Sie zuhause nur recht wenig das be-
trachtende Gebet gepflegt haben, da Ihr Geist so rege und beweglich ist,
daß er nicht ruhig bleiben kann, sage ich Ihnen, daß Sie ihn dennoch
festhalten und nach und nach seine Beweglichkeit einschränken sollen,
damit er je nach den Umständen seine Aufgaben sanft und ruhig verrich-
te. Und glauben Sie ja nicht, daß eine solche sanfte und ruhige Art die
Beweglichkeit und sein Wirken behindert; im Gegenteil, es führt dazu,
daß alles besser gelingt.
Das kann nun folgendermaßen geschehen: Sie müssen z. B. essen, weil
unser armseliges Leben es verlangt; setzen Sie sich dann ruhig hin und
bleiben Sie sitzen, bis Sie Ihren Körper wieder richtig gekräftigt haben. –
Sie wollen sich niederlegen: entkleiden Sie sich ruhig. – Sie sollen auf-
stehen: tun Sie es friedvoll, ohne ungeregelte Hast und ohne jene, die Sie
bedienen, anzuschreien und zu drängen. Auf diese Weise werden Sie
Ihre Natur überlisten und nach und nach zur heiligen Mäßigung und
zum Maßhalten bringen. Zu Menschen weichen und trägen Naturells
würden wir sagen: Beeilen Sie sich, die Zeit ist doch so kostbar; zu Ihnen
aber sagen wir: Hetzen Sie sich nicht so sehr, der Friede, die Ruhe und
die Sanftmut des Geistes sind doch so wertvoll und die Zeit wird nutz-
bringender verwendet, wenn man sie friedvoll gebraucht.
9. Ich sage Ihnen zum Gegenstand Ihrer alten Versuchung, meine liebe
Tochter, aber das sage ich Ihnen ganz entschieden, daß Sie treu dem
Willen Gottes und seiner Vorsehung dienen sollen; schicken Sie sich in
aller Demut und Aufrichtigkeit in das himmlische Wohlgefallen, durch
das Sie sich in dem Stand befinden, in dem Sie sind. Man muß in dem
Nachen bleiben, in dem man sich befindet, um die Überfahrt von diesem
Leben in das andere zu vollbringen, und man soll gern und mit Liebe
darin bleiben. Wenn wir auch manchmal nicht durch die Hand Gottes
sondern durch die Hand von Menschen hineinversetzt werden, so will
doch Gott, nachdem wir nun dort sind, daß wir eben dort sein sollen, und
so müssen wir ergeben und gern dort sein. Wie viele Geistliche sind
aufgrund falscher Erwägungen oder durch die elterliche Gewalt in die-
sen Stand getreten; sie machen nun aus der Notwendigkeit eine Tugend
und bleiben aus Liebe dort, wohin sie durch Gewalt gedrängt wurden.
V. Le Blanc 1294 265
Ich antworte hier auf Ihren Brief vom 14., meine liebe Tochter.
1. Sagen Sie der lieben Barbe-Marie,4 die mich so sehr liebt und die ich
noch mehr liebe, sie möge überall frei von Gott sprechen, wo sie denkt,
daß es nützlich sei. Sie soll sich nicht um das kümmern, was die Zuhörer
von ihr denken oder sagen könnten. Mit einem Wort: Ich habe ihr bereits
gesagt, daß man nichts tun oder sagen darf, um dafür gelobt zu werden,
aber auch nichts zu tun oder zu sagen unterlassen aus Furcht, dafür ge-
lobt zu werden. Man ist deswegen noch kein Heuchler, wenn man nicht
so gut handelt, wie man redet, denn o Gott, wozu wären wir dann da?
Dann müßte auch ich schweigen aus Furcht, ein Heuchler zu sein, denn
daraus würde folgen, ich dächte vollkommen zu sein, wenn ich über die
Vollkommenheit spreche. Nein gewiß, liebe Tochter, ich denke nicht,
vollkommen zu sein, wenn ich über die Vollkommenheit spreche, ich
denke auch nicht, Italiener zu sein, wenn ich italienisch spreche; aber
ich glaube die Sprache der Vollkommenheit zu kennen, habe ich sie
doch von jenen gelernt, die sie sprachen und mit denen ich mich bespro-
chen habe.
2. Sagen Sie ihr, daß sie ruhig ihr Haar pudern kann, da es in lauterer
Absicht geschieht; denn die Gedanken, die ihr darüber kommen, bedeu-
ten gar nichts. Man soll seinen Geist nicht in solche Spinnennetze ver-
wickeln. Die Haare des Geistes dieser Tochter sind noch mehr gelöst als
die ihres Hauptes, und darum ist sie darin verwickelt. Man darf nicht so
spitzfindig sein, noch Wert legen auf so viele Bemerkungen, auf die Un-
ser Herr in keiner Weise achtet. Sagen Sie ihr also, sie möge getrost ihren
Weg gehen inmitten der schönen Tugenden der Einfachheit und Demut
und nicht außenherum durch so viele Spitzfindigkeiten in Überlegungen
und Erwägungen. Soll sie nur ruhig ihren Kopf pudern, pudern doch
auch die anmutigen Fasane ihre Federn, damit darin keine Flöhe auf-
kommen.
3. Sie braucht keine Predigt oder irgendein gutes Werk auslassen, weil
sie ein „Beeilt euch!“ unterließ, aber sie soll es sanftmütig und ruhig
sagen. Wenn sie bei Tisch ist und das Allerheiligste vorübergetragen
wird, möge sie es – wenn andere Leute bei ihr zu Tisch sind – in Gedan-
ken begleiten. Ist niemand da, kann sie es begleiten, wenn sie, ohne sich
zu hetzen, dort zeitig genug sein kann; und dann soll sie ruhig zurück-
kehren und ihre Mahlzeit wieder aufnehmen, denn Unser Herr wollte
nicht einmal, daß Marta ihn geschäftig bediente (Lk 10, 40,41).
V. Le Blanc 1301 267
4. Ich habe ihr gesagt, daß sie da, wo es notwendig ist, fest und ent-
schlossen reden könnte, um die bewußte Person zur Pflicht anzuhalten;5
die Festigkeit aber wäre wirkungsvoller, wenn sie ruhig bliebe und man
sie der Vernunft entspringen ließe, ohne Beimischung von Leidenschaft.
5. Die „Gesellschaft der Zwölf“6 dürfte nicht schlecht sein, denn die
Übung, deren sie sich bedient, ist gut; aber diese Barbe-Marie, die kein
„Vielleicht“ haben will, leidet darunter, daß vielleicht diese Gesellschaft
nicht in Ordnung sei, da sie von keinem Prälaten oder irgendeiner ande-
ren glaubwürdigen Person bezeugt wird, wir also nicht sicher sein kön-
nen, daß sie kirchlich errichtet ist; führt doch das Büchlein, das davon
spricht, weder Verfasser noch Zeugen an, die dies zusichern. Nun, was
nicht schaden, sondern nützen kann, ist dennoch gut.
6. Ob sie nun im betrachtenden Gebet nach Punkten vorgeht, wie wir
gesagt hatten, oder wie sie es gewohnt ist, ist nicht wichtig. Wir erinnern
uns aber gut, daß wir ihr sagten, sie brauche nur die Punkte vorzuberei-
ten und zu Beginn des Gebetes versuchen, diese Gedanken zu verkosten.
Wenn sie diese wirklich verkostet, so ist es ein Zeichen, daß Gott will, sie
möge dieser Methode folgen, zumindest dann. Wenn dennoch nachher
die gewohnte liebe Gegenwart sie in Besitz nimmt, soll sie sich nur dahin
gehen lassen und auch zu den Gesprächen, die sie doch durch Gott selbst
anstellt und die gut sind, so wie sie diese mir in ihrem Brief darstellt. Wir
müssen aber auch manchmal zu diesem großen „Alles“ sprechen, als
wollten wir, daß unser „Nichts“ etwas tue. Da Sie unsere Bücher lesen,
brauche ich nichts mehr hinzufügen, als daß Sie einfach, aufrichtig, offen
und mit der Unbefangenheit von Kindern zuweilen in den Armen des
himmlischen Vaters, zuweilen von seiner Hand gehalten, Ihren Weg ge-
hen sollen ...7
Ich bin recht froh, daß meine Bücher8 Zugang zu Ihrem Geist gefun-
den haben, der so tapfer war, zu glauben, er könnte sich selbst genügen,
das sind aber Bücher des Vaters, in dessen Herzen Sie die teure Tochter
sind, hat es doch Gott so gefallen, dem immerdar Ehre und Verherrli-
chung sei ...9
268 V. Veyssilieu 1295
lieben, werden Sie weniger Angst davor haben, das sterbliche und ver-
gängliche Leben zu verlassen.
5. Lesen Sie nicht Bücher oder Stellen aus Büchern, in denen vom Tod,
vom Gericht und von der Hölle die Rede ist; denn, Gott sei Dank, haben
Sie sich doch fest entschlossen, christlich zu leben, und brauchen nicht
durch Beweggründe dazu angetrieben werden, die Schrecken und Ent-
setzen verursachen.
6. Verrichten Sie oft Akte der Liebe zur Mutter Gottes, zu den Heili-
gen und Engeln; machen Sie sich mit ihnen vertraut und richten Sie oft
Worte des Lobpreises und der Liebe an sie; denn je mehr Sie zu den
Bürgern des göttlich-himmlischen Jerusalems Zugang finden, desto we-
niger wird es Ihnen ausmachen, jene des irdischen Jerusalems oder der
niedrigen Stätte dieser Welt zu verlassen.
7. Beten Sie oft den hochheiligen Tod unseres gekreuzigten Herrn an,
preisen Sie ihn, setzen Sie Ihr ganzes Vertrauen auf seine Verdienste,
wodurch er Ihren Tod glückselig gemacht hat; sagen Sie oft: O göttlicher
Tod meines gütigen Jesus, du wirst meinen Tod segnen und er wird geseg-
net sein; ich segne dich und du segnest mich dann, o Tod, der du liebens-
werter bist als das Leben! So ließ der hl. Karl in seiner Todeskrankheit
vor seinen Augen das Bild von der Grablegung Unseres Herrn und sei-
nes Gebetes am Ölberg aufstellen, um in seiner Todesstunde beim Tod
und Leiden seines Erlösers Trost zu finden.
8. Erwägen Sie manchmal, daß Sie eine Tochter der katholischen Kir-
che sind, und freuen Sie sich darüber; denn die Kinder dieser Mutter, die
nach ihren Geboten leben wollen, sterben immer eines glückseligen To-
des und es ist, wie die selige Mutter Theresia sagt, ein großer Trost, in der
Todesstunde „Tochter der heiligen Kirche“ sein zu dürfen.
9. Beenden Sie alle Ihre Gebete im Vertrauen, sagen Sie etwa: Herr, Du
bist meine Hoffnung (Ps 142,6); auf Dich habe ich mein Vertrauen gesetzt
(Ps 53,2); o Gott, wer auf Dich hoffte, ist der je zuschanden geworden? (Sir
2,11). Ich hoffe auf Dich, o Herr, und werde in Ewigkeit nicht zuschanden
werden (Ps 31,1; 71,1). Gebrauchen Sie in Ihren Stoßgebeten während des
Tages und beim Empfang des hochheiligen Sakramentes immer Worte der
Liebe und der Hoffnung auf Unseren Herrn, wie etwa: Du bist mein Vater,
o Herr! O Gott, Du bist der Bräutigam meiner Seele; Du bist der König
meiner Liebe und der Geliebte meiner Seele! O gütiger Jesus, Du bist
mein teurer Meister, meine Hilfe, meine Zuflucht!
10. Denken Sie oft an die Personen, die Sie am meisten lieben und von
denen getrennt zu werden Sie betrüben würde. Überlegen Sie, daß Sie
270 V. Veyssilieu 1502
mit ihnen auf ewig im Himmel vereint sein werden; z. B. mit Ihrem
Gatten, Ihrem kleinen Jean,11 Ihrem Vater.12 O, wie wird dieser kleine
Knabe mit Gottes Hilfe eines Tages glückselig sein in diesem ewigen
Leben, in dem er an meiner Glückseligkeit teilhaben und sich darüber
freuen wird; und ich werde an der seinen teilhaben und mich darüber
freuen und wir werden uns niemals mehr trennen müssen. Das gleiche
gilt für Ihren Gatten, Ihren Vater und die anderen. Dabei wird es Ihnen
umso leichter gemacht, als alle Ihre Lieben Gott dienen und ihn fürch-
ten. – Und weil Sie ein wenig melancholisch sind, lesen Sie im Buch von
der Anleitung zum frommen Leben nach, was ich über die Traurigkeit
und die Heilmittel dagegen sage.
Das ist es, meine liebe gnädige Frau, was ich Ihnen im Augenblick
darüber sagen kann, und ich sage es mit meinem Herzen, überaus zuge-
tan dem Ihren, das ich beschwöre, mich zu lieben und mich oft der gött-
lichen Barmherzigkeit zu empfehlen, wie ich meinerseits niemals aufhö-
ren werde, diese anzuflehen, sie möge Sie segnen.
Leben Sie glücklich und freudig in der himmlischen Liebe. Ich bin Ihr
sehr ergebener und sehr zugetaner Diener ...
werden, und indessen fest glauben (denn das ist wahr), daß Gott, der uns
zu sich ruft, darauf schaut, wie wir zu ihm hingehen, und nie erlauben
wird, daß uns nicht zum größeren Wohl gereiche, was uns zustößt. Er
weiß, wer wir sind, und wird uns seine väterliche Hand bei einem Fehl-
tritt entgegenstrecken, damit nichts uns aufhalte. Um uns aber dieser
Gnade recht erfreuen zu können, müssen wir vollkommenes Vertrauen
zu ihm haben.
Kommen Sie den Geschehnissen dieses Lebens nicht durch Befürch-
tungen zuvor, sondern durch die vollkommene Hoffnung, daß Gott, dem
Sie gehören, in dem Maße Sie daraus befreien wird, als sie Ihnen zusto-
ßen. Er hat Sie bis jetzt bewahrt; halten Sie sich nur recht an der Hand
seiner Vorsehung fest, und er wird Ihnen in allen Vorkommnissen bei-
stehen und wird Sie tragen, wo Sie nicht gehen können (Dtn 1,31). Was
brauchen Sie zu fürchten, meine sehr liebe Tochter, da Sie Gott gehören,
der uns so fest zugesichert hat, daß denen, die ihn lieben, alles zum Wohl
gereiche? (Röm 8,28). Denken Sie nicht, was morgen geschehen wird
(Mt 6,34), denn der gleiche ewige Vater, der heute für Sie sorgt, wird
auch morgen und immer Sorge für Sie tragen: Entweder läßt er kein
Übel für Sie zu, oder wenn er es tut, dann wird er Ihnen auch den unbe-
siegbaren Mut schenken, es zu ertragen.
Bleiben Sie in Frieden, meine sehr liebe Tochter; entfernen Sie aus
Ihrer Vorstellung, was Sie verwirren kann, und sagen Sie oft zu Unserem
Herrn: „O Gott, Du bist mein Gott!“ (Ps 31,15), und „ich vertraue auf
Dich“ (Ps 25,2); „Du wirst mir beistehen und meine Zuflucht sein“ (Ps
91,2); ich habe nichts zu fürchten, denn „Du bist nicht nur mit mir“ (Ps
23,4), sondern „in mir und ich in Dir“ (Joh 15,4). Was kann ein Kind in
den Armen eines solchen Vaters fürchten? Seien Sie so recht ein Kind,
meine sehr liebe Tochter. Wie Sie wissen, denken die Kinder nicht an
soviele Dinge, haben sie doch jemand, der für sie denkt; sie sind nur dann
recht stark, wenn sie bei ihrem Vater sind. Tun Sie das also, meine sehr
liebe Tochter, und Sie werden in Frieden sein. Amen.
Dieses Mädchen14 wird mir teuer sein, kommt sie doch aus der Hand
der Vorsehung Gottes und auf Ihre Empfehlung, meine sehr liebe Toch-
ter, die ich in jeder Beziehung hochschätze. Möge es eben dieser himm-
lischen Güte gefallen, seine Gnaden über uns zu ergießen, damit wir
allen heiligen Lockungen seiner heiligen Berufung folgen.
Ich habe noch nicht mit Herrn N. gesprochen; aber ich kann nicht
umhin, meine sehr liebe Tochter, Ihnen zu sagen, daß Sie den Kopf hoch
zu Gott erhoben halten sollen und Ihre Augen auf die glückselige Ewig-
keit, die Sie erwartet. Was kann den Kindern des ewigen Vaters schaden,
die Vertrauen zu seiner Güte haben? Auf Dich, Herr, setze ich mein
Vertrauen (Ps 31,1); sagen wir das recht, meine sehr liebe Tochter, aber
sagen wir es oft, sagen wir es brennenden Herzens, sagen wir es kühn, und
dann wird uns zuteil werden, was folgt: „Niemals werde ich zuschanden
werden“ (Ps 31,1). Nein, meine Tochter, niemals, weder in diesem noch
im künftigen Leben werden wir zuschanden. Hoffen Sie auf Gott, tun Sie
Gutes (Ps 38,3) und fahren Sie mit Ihren Übungen fort; lieben Sie die
Armen und bleiben Sie in Frieden.
Ich liebe Ihr Herz immer mehr, segne es immer mehr und bin in Wahr-
heit immer mehr Ihr sehr ergebener Diener.
V. Veyssilieu 1860 – Granieu 1305 273
bis sie dort angelangt sind, so streben Sie immer diesen dauerhaften
Frieden an, zu dem Sie auf dem Weg sind, auf den Ihr Sehnen, Ihre Mühe
und Ihre Schritte gerichtet sind.
Es freut mich, daß Sie nach und nach Ihren Weg erleichtern, Gott sei
immerdar inmitten unseres Geistes. Das ist, gnädige Frau, der ständige
Wunsch Ihres sehr ergebenen und gehorsamsten Dieners.
Ihre Gebetsweise ist gut, ja viel besser, als wenn Sie dabei Erwägungen
und Schlußfolgerungen machen, denn diese dienen nur dazu, um Empfin-
dungen hervorzurufen. – Es ist für uns eine große Gnade, wenn Gott uns
die Empfindungen schenkt ohne Erwägungen und Schlußfolgerungen. Das
Geheimnis der Geheimnisse im Gebet heißt, den Lockungen Gottes in
aller Einfachheit des Herzens zu folgen. Nehmen Sie sich die Mühe, das 7.
Buch der „Gottesliebe“ zu lesen oder sich vorlesen zu lassen, wenn Ihre
Augen es nicht leisten können; Sie werden darin alles finden, was Ihnen
notwendig sein wird, um das innerliche Gebet kennenzulernen.
Ich erinnere mich recht gut, daß Sie mir eines Tages in der Beichte
sagten, wie Sie es halten, und ich sagte Ihnen, daß das so recht sei. Wenn
Sie sich auch einen Punkt zur Betrachtung nehmen sollen, so brauchen
Sie sich doch nicht daran festzuhalten, wenn Gott Sie zu einem Liebes-
empfinden führt, sobald Sie in seiner Gegenwart sind. Folgen Sie dann
einfach Ihrem Empfinden; und je einfacher und ruhiger es wird, desto
besser wird es sein; denn es bindet dann den Geist stärker an seinen
Gegenstand. Wenn Sie sich aber nun einmal dazu entschlossen haben,
meine sehr liebe Tochter, halten Sie sich nicht zur Zeit des Gebetes
damit auf, wissen zu wollen, was Sie tun und wie Sie beten; denn das
beste Gebet ist jenes, das uns so sehr mit Gott beschäftigt hält, daß wir
nicht mehr an uns selbst denken, noch an das, was wir tun. Kurz, Sie
müssen ganz einfach, schlicht und ungekünstelt Ihren Weg gehen, um bei
Gott zu sein, um ihn zu lieben, um sich mit ihm zu vereinigen. Die wahre
Liebe hat kaum eine Methode.
Bleiben Sie in Frieden, meine sehr liebe Tochter, gehen Sie treu den
Weg, auf den Gott Sie gestellt hat; bemühen Sie sich, den heilig zu be-
glücken, den er mit Ihnen verbunden hat; wie eine kleine Biene bereiten
Sie sorgsam den Honig heiliger Frömmigkeit, aber erzeugen Sie auch
noch das Wachs Ihrer häuslichen Angelegenheiten. Denn wie das eine
dem Geschmack Unseres Herrn angenehm war, der Butter und Honig
aß (Jes 7,15), als er noch auf Erden war, so ist auch das andere zu seiner
Ehre getan, denn es dient ja dazu, die brennenden Kerzen für die Erbau-
ung des Nächsten zu bilden.
Gott, der Ihre Hand ergriffen hat, um Sie auf den Weg seiner Ehre zu
bringen, möge Sie führen (Ps 73,24; 139,10), meine sehr liebe Tochter.
Ich werde niemals aufhören, ihn darum zu bitten, denn glauben Sie mir,
meine sehr liebe Tochter, daß ich Ihre Seele und Ihr Herz, das Gott
immer mehr zu dem seinen machen möge, zärtlich und mehr als väter-
lich liebe. Amen. Es lebe Jesus!
V. Granieu 1449 277
Ich bitte Sie, meine liebe Tochter, die gute Mutter und unsere Heimsu-
chungsschwestern zu grüßen, da ich keinerlei Möglichkeiten habe, mehr
zu schreiben; das werde ich mit Gottes Hilfe bei erster Gelegenheit tun.
Sie wissen wohl, wie ich denke, auf welche Weise ich Ihnen gehöre. Diese
Mutter19 liegt mir überaus am Herzen; Gott möge ihr beistehen und ihre
guten Wünsche segnen.
Ich habe einen Stoß Briefe zu schreiben, aber ich kann gegenwärtig
nicht. Ich grüße sehr ergeben Ihren lieben Gatten, ich bin ganz zuver-
sichtlich sein Diener. Ich sollte Herrn von Aosta20 antworten, Ihrem
geliebten und recht liebenswerten Cousin, aber ich werde mit Gottes
Hilfe diese Schuld später begleichen, sagen Sie ihm das bitte, meine sehr
liebe Tochter.
antworten; ein anderes Mal, wenn ich mehr Muße habe, werde ich auf
Ihre beiden vorhergehenden Briefe antworten, und wer weiß, ob ich nicht
im nächsten Monat nach Grenoble komme. Ich habe etwas Hoffnung
darauf. Es geschehe nach dem Willen Gottes. Ich bin der Ihre.
Ich weiß wohl, meine sehr liebe Tochter, daß Ihr geliebtes Herz liebe-
voll ergeben in den Armen der göttlichen Vorsehung bleibt. Ob wir jetzt
fortgehen oder zurückkommen, an einem Ort oder an verschiedenen
Orten sind: Wenn wir nur mit Gott sind, dann können wir niemals ge-
trennt werden; auch dann nicht, wenn wir des Wortes Unseres Herrn
gedenken, als er zu seiner lieben Mutter sagte: „Wußtet ihr nicht, daß ich
in dem sein muß, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49), denn er will damit
sagen, daß es wenig bedeutet, wo wir sind, wenn wir nur leben, um dem
himmlischen Vater zu dienen. Darum werden wir, meine sehr liebe Toch-
ter, immer zusammen sein und mein Herz wird immer untrennbar von
dem Ihren sein, da wir, Gott sei gedankt, nur einen Willen haben, näm-
lich den seinen zu erfüllen, soweit wir es können bei unserer Kleinheit,
Niedrigkeit und Armseligkeit.
Ihr Brief nun, meine sehr liebe Tochter, hat mir die Geschichte der
Schwierigkeiten dargelegt, die Sie hatten ... als Sie wünschten, meine
Tochter zu sein; es ist nichts Schlimmes daran, wenn Sie Ihre Gedanken
persönlich nicht so gut auszudrücken wissen, als wenn Sie fern sind.
Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf, woher das kommt, denn das ist
unwichtig.
Ich nehme mitfühlend Anteil an der Krankheit,25 an der Ihr Gatte
leidet, und an der Mühe, die Sie damit haben; unsere heilige Herrin und
Äbtissin kann Ihnen rechten Trost geben; sie führt Sie auf den Kalvarien-
berg, wo sie das Noviziat ihres Klosters hält und nicht nur alles zu erdul-
den lehrt, was uns und unseren Lieben zustößt, sondern es mit Liebe zu
erdulden. Ich denke, daß der gute Cousin, Herr de la Gran26, wohl bei
Ihnen war, um den Kummer zu ertragen, den das Hinscheiden seines
Vaters ihm verursacht hat. Ich habe Gott für diese Seele gebeten, die ich
sehr schätzte, aber ich habe dem Sohn nicht geschrieben, da ich erst spät
von diesem Leid erfahren habe, als nicht mehr Zeit dafür war.
Unserer Mutter geht es in Bourges gut und ich glaube, daß sie vor
Ostern hierherkommen wird, da es den Anschein hat, daß man hier ein
V. Granieu 1611 281
Kloster errichten wird, wenn es auch bis jetzt große Widerstände von der
weltlichen Gesinnung her gegeben hat, die nicht ohne Einfluß ist, selbst
bei Guten, sodaß man recht auf der Hut sein muß.
Ich befinde mich wohl, meine sehr liebe Tochter, wenngleich über-
häuft mit Arbeit an Predigten, die ich bei jedem Anlaß halten muß, vor
dem Volk und vor dem Hof;27 aber das wird nur bis Ostern dauern, da ich
mich mit Gottes Hilfe wieder in meinen kleinen Schafstall zurückzie-
hen werde. Gott sei immer das Leben unserer Herzen, meine sehr liebe
Tochter, und möge dort auf ewig herrschen. Durch ihn und in ihm bin ich
und werde ich, meine sehr liebe, ganz gewiß und immerdar geliebte Toch-
ter, ganz vollkommen unwandelbar der Ihre sein.
Sie sehen, meine liebe Tochter, welches Vertrauen ich auf Sie setze. Ich
habe Ihnen seit Ihrer Abreise29 nicht geschrieben, weil ich es nicht leicht
tun konnte, und ich bringe keine Entschuldigung dafür vor, weil Sie
wahrhaft und immer mehr meine mehr als liebe Tochter sind.
Gott sei gelobt, daß Ihre Rückkehr recht angenehm war und Sie Ihren
lieben Gatten bei besserem Befinden angetroffen haben. Gewiß, die
Vorsehung des himmlischen Vaters behandelt gütig die Kinder seines
Herzens und mischt von Zeit zu Zeit Liebes und Angenehmes unter die
fruchtbringenden Bitterkeiten, mit denen sie Verdienste erlangen läßt.
Es tut mir leid, daß ich dem Sohn des Herrn von Argenson30 nicht
genug Freundlichkeit erweisen konnte, aber die knappe Zeit bei der Prie-
sterweihe gestattete es nicht. Überdies hatten mein Offizial und er uner-
wartet einen kleinen Streit, weil er sich zur Priesterweihe gestellt hatte,
ohne den hier üblichen Haar- und Bartschnitt und ohne Tonsur. Daher
ist er ein wenig verärgert fortgegangen. Nicht, daß er es mir gegenüber
zum Ausdruck gebracht hätte, aber er sagte es nachher anderen. Es ist
eigentlich nicht leicht, eine Zurechtweisung rasch zu geben und sie lie-
benswürdig entgegenzunehmen.
Anfang des kommenden Monats werden wir sieben oder acht Schwes-
tern nach Frankreich schicken, die – wie ich denke – durch Grenoble
reisen werden; es wird eine Prüfung für sie sein, wenn sie dort Sie nicht
antreffen, besonders für die Schwester Claude-Agnès, die sich schon so
sehr darauf freute.
Sie müssen wissen, meine sehr liebe Tochter, daß es mir eine große
Freude ist, oft Briefe von Ihnen zu empfangen, und daß meine Seele
diese Äußerungen der Liebe überaus gern hat, welche Ihre Seele für sie
hegt.
Herr Michel fragte mich, was ich Herrn Le Grand31 über die Jagd
gesagt habe; das war aber, meine sehr liebe Tochter, nur ein Artikel, von
dem ich sprach, und zwar, es gäbe drei Gesetze, nach denen man sich
beherrschen müsse, um Gott nicht auf der Jagd zu beleidigen: 1. dem
Nächsten keinen Schaden zuzufügen. Es ist doch nicht vernünftig, daß
jemand, wer immer es sei, sich auf Kosten anderer vergnügt, vor allem,
wenn er den armen Bauern schädigt, der schon von anderer Seite bereits
genug gemartert wird und dessen Arbeit und Stand wir nicht verachten
dürfen; 2. nicht die Zeit der großen Feste auf die Jagd zu verwenden, an
denen man Gott dienen soll; vor allem ist darauf zu achten, daß man
V. Granieu 1678 283
dieser Erholung wegen nicht die heilige Messe an den gebotenen Feierta-
gen versäume; 3. nicht zu große Mittel darauf zu verwenden, denn jede
Vergnügung ist zu tadeln, wenn sie mit Verschwendung verbunden ist.
An das übrige erinnere ich mich nicht. Kurz, es soll überall mit Takt
vorgegangen werden.
Ach, meine sehr liebe Tochter, Gott sei immer inmitten Ihres Her-
zens, um alle Ihre Affekte mit seiner heiligen Liebe zu vereinen. Amen.
So hat er, das versichere ich Ihnen, in meinen Geist eine so liebenswerte
und vollkommene Zuneigung zu Ihrem Geist gelegt, den ich unablässig
liebe und Gott bitte, er möge ihn mit Segnungen überhäufen. So sei es,
meine sehr liebe und immer mehr teure Tochter. Amen.
Heute abend ist Frau de la Fléchère angekommen, die erzählte, welche
Freude sie hatte, Sie zu sehen. O meine Tochter, die Kinder Gottes lie-
ben einander immer sehr; seien wir also recht Kinder Gottes, meine sehr
liebe Tochter, und lieben wir einander sehr, wie er es will. Ich empfinde
gewiß in meinem Herzen eine unvergleichliche Freude, diese ganz auf-
richtige und unvergleichliche Liebe zu Ihrem Herzen zu fühlen, meine
sehr liebe Tochter. Das ist wirklich so.
die Gott Unser Herr geschaffen hat und die er immer andauern lassen
wird für dieses Leben und für die Ewigkeit, wie ich von seiner Barmher-
zigkeit erhoffe. So grüße ich diese liebe Seele meiner sehr lieben Tochter
und bin Ihr sehr ergebener Diener ...
ganz große Freude, daran zu denken, meine sehr liebe Tochter, und ich
flehe seine göttliche Majestät an, sie möge mir die Gnade erweisen, ihren
Wohltaten gut zu entsprechen und auch der Sorge, die sie hat, meinen
armen schwachen Mut zu stützen, indem sie ihm viele Seelen zugesellt,
besonders die Ihre, der ich mit unlöslichen Banden verbunden bin. Seien
wir recht treu, sehr demütig, voll milden und liebenswürdigen Eifers, auf
dem Weg weiterzugehen, auf den uns diese göttliche Vorsehung gestellt
hat, meine sehr liebe Tochter.
Ich grüße Sie von ganzem Herzen, meine sehr liebe Tochter in Jesus
Christus, durch den, für den und in dem ich ganz völlig der Ihre bin und
es auf ewig sein werde.
dem der Engel sind die Bauwerke anderer Art, aber auch nicht so erle-
sen. Und wenn im Königreich der ewigen Liebe Neid herrschen könnte,
würden die Engel den Menschen zwei Vorzüge neiden, die in zweierlei
Leiden bestehen: Das eine ist das Leiden, das Unser Herr am Kreuz für
uns, nicht aber für sie, zumindest nicht ganz für sie, erduldet hat; das
andere ist das, was die Menschen für unseren Herrn erdulden; das Lei-
den Gottes für den Menschen und das Leiden des Menschen für Gott.
Meine liebe Tochter, wenn Sie inmitten Ihrer Krankheiten und der
Ihres Gatten keine langen Gebete verrichten, dann lassen Sie Ihre Krank-
heit selbst zum Gebet werden, indem Sie ihm dies aufopfern, der unsere
Schwachheiten so sehr geliebt hat, daß er sich am Tag seiner Hochzeit
und der Freude seines Herzens damit gekrönt und verherrlicht hat, wie
die heilige Liebende sagt (Hld 3,11). Tun Sie es also auch.
Zwingen Sie sich nicht, zu ein- und demselben Beichtvater zu gehen,
wenn es erforderlich ist, zum Nächstbesten zu gehen, um Zeit zu gewin-
nen. Ich bin betrübt, daß Frau N. derart unpäßlich ist; aber da sie Gott
liebt, wird ihr alles zum Guten gereichen (Röm 8,28). Wir müssen unse-
rem Herrn die immer liebenswerte Verfügung überlassen, durch die er
uns oft mehr Gutes durch die Mühsale und Leiden zuteil werden läßt als
durch Glück und Trost.
Meine sehr liebe Tochter, sprechen Sie mir nicht so schlecht von Ih-
rem Herzen, denn ich liebe es so sehr, daß ich nicht will, daß man so von
ihm spricht. Es ist nicht untreu, meine sehr liebe Tochter, aber manch-
mal ein wenig schwach und ein wenig ermüdet. Sonst will es doch ganz
Gott gehören, das weiß ich gut, und strebt nach der Vollkommenheit der
himmlischen Liebe. Gott segne es denn immer, dieses Herz meiner sehr
lieben Tochter, und erweise ihm die Gnade, immer mehr demütig zu
sein. Gott sei gepriesen!
gehöre, schenkt mir Kenntnis dessen, was in Ihrem Herzen vorgeht, weil
ich es im eigenen Herzen spüre. Es ist wahr, meine liebe Tochter, Grenoble
ist immer in meinem Herzen und Sie, meine liebe Tochter, sind inmitten
eben dieses Grenoble. Ich bin also recht getröstet, Nachricht von dieser
Stadt zu haben in einer Zeit, in der so viel und so Verschiedenes von ihr
gesprochen wird ...
Ich bin recht froh, daß unsere Schwestern von ihrem Kloster Besitz
ergriffen haben und auch Sie mit ihnen, denn da sie durch Ihren Beistand
und den dieser guten Damen dort zusammengeführt wurden, sind Sie
auch in ihren Personen dort und sie sind dort für Sie, die in ihrem from-
men Beruf dem gleichen Herrn dienen und gleichen Geistes mit ihnen
sind.
Sie sind auch ein wenig Krankenpflegerin gewesen, da Sie in den ver-
gangenen Monaten so viele Kranke hatten; Sie sind mit deren Schwä-
chen auch schwach gewesen, waren es doch so teure Personen wie Ihr
Gatte und Ihr geliebter Sohn,34 so daß Sie sagen konnten: „Wer ist
schwach, ohne daß ich mit ihm schwach werde?“ (2 Kor 11,29). Gott sei
gepriesen, der uns durch solche Wechselfälle zur beständigen und un-
wandelbaren Ruhe der ewigen Bleibe führt.
Leben Sie ganz in Gott, meine liebe Tochter, und lieben Sie in ihm
Ihren sehr ergebenen Diener ...
meinen Mund nicht auf, denn Du hast es getan“ (Ps 38,10). Ich preise die
Anordnung seiner Vorsehung und nehme das Kreuz an, das aufzuerlegen
ihm gefallen hat. Ja, ewiger Vater, denn so war es Dir wohlgefällig (Mt
11,26).
Ich empfehle ihn Ihren Gebeten und denen aller unserer Freunde im
allgemeinen. Ihr sehr ergebener Mitbruder ...
Ich grüße sehr ergeben den Herrn Marquis und bin sein getreuer Diener.
die Stunde unseres Hinscheidens schlägt, damit wir dorthin gehen kön-
nen, wohin diese Freunde bereits gelangt sind. Da wir sie herzlich geliebt
haben, fahren wir fort, sie zu lieben, tun wir aus Liebe zu ihnen, was sie
gewünscht haben, und das, was sie jetzt für uns wünschen.
Es war zweifellos der größte Wunsch Ihres verstorbenen Gatten bei
seinem Ableben, meine liebe Dame, daß Sie nicht lange in dem Kummer
versenkt bleiben, den sein Fortgehen Ihnen verursachte, sondern daß Sie
aus Liebe zu ihm versuchen, die Leidenschaft, die seine Liebe in Ihnen
entfachte, zu mäßigen. In dem Glück, dessen er jetzt teilhaftig ist oder
das er mit Gewißheit erwartet, wünscht er Ihnen heiligen Trost und daß
Sie, Ihr Leid mildernd, Ihre Augen für Besseres bewahren als für Tränen
und Ihren Geist für bessere Beschäftigungen als die Traurigkeit.
Er hat Ihnen wertvolle Pfänder Ihrer Ehe hinterlassen;42 bewahren Sie
Ihre Augen, um auf deren Ernährung zu achten, und bewahren Sie Ihren
Geist, um den ihren zu bilden. Tun Sie das, gnädige Frau, aus Liebe zu
diesem teuren Gatten. Stellen Sie sich vor, daß er Sie darum bei seinem
Hinscheiden gebeten habe und Sie um diesen Dienst weiterhin bittet;
denn das hätte er in Wahrheit getan, wenn er gekonnt hätte, und das
wünscht er von Ihnen gegenwärtig; alles andere an Ihren Leidenschaften
mag nach Ihrem Herzen sein, das noch in dieser Welt ist, nicht aber nach
dem seinen, das in der anderen ist.
Da wahre Freundschaft sich darin gefällt, den berechtigten Wünschen
des Freundes zu entsprechen, sollen Sie sich selbst trösten, um Ihrem
Herrn Gemahl zu gefallen, Ihren Geist aufrichten und neuen Mut fassen.
Wenn dieser Rat Ihnen zusagt, den ich Ihnen mit einer Aufrichtigkeit
ohnegleichen gebe, dann befolgen Sie ihn, werfen Sie sich vor Unserem
Herrn nieder, schicken Sie sich in seine Anordnungen; halten Sie sich
die Seele des teuren Verschiedenen vor Augen, die der Ihren einen ech-
ten christlichen Entschluß wünscht. Übergeben Sie sich ganz der himm-
lischen Vorsehung des Erlösers Ihrer Seele, Ihres Beschützers, der Ihnen
helfen und beistehen wird und Sie schließlich wieder mit Ihrem Dahin-
gegangenen vereinen wird, nicht als Ehefrau mit ihrem Mann, sondern
als Erbin des Himmels mit ihrem Miterben und als treue Liebende mit
ihrem treuen Liebenden.
Ich schreibe Ihnen das in Eile und beinahe atemlos, gnädige Frau, und
stelle Ihnen meine liebevollen Dienste zur Verfügung, die Sie schon lan-
ge gewonnen haben und die die Verdienste und das Wohlwollen Ihres
Gatten mir gegenüber von meiner Seele fordern konnten. Gott sei inmit-
ten Ihres Herzens. Amen.
V. Sautereau 1823 – Thorens 1324 291
Ich werde Ihnen oft schreiben, denn Sie wissen, welchen Platz Sie in
meinem Geist einnehmen, ganz an unsere Mutter heranreichend, der Sie
mich bitte empfehlen wollen; denn wenn ich ihr auch schreibe, so muß
ich doch ein wenig von Ihrer Vermittlung Gebrauch machen, um sie zu
beglücken und zu erfreuen, umso mehr, als es sie freut, zu wissen, daß Sie
ganz völlig meine sehr liebe Tochter sind und daß Sie mich auch in dieser
Eigenschaft lieben.
Gott sei inmitten Ihres Herzens und des Herzens unserer lieben Schwe-
ster,44 die gewiß auch die Tochter meines ganzen Herzens ist, zumindest
glaube ich es und will es immer glauben zu meiner Befriedigung.
AN EINE DAME
spricht Ihrer Hauptpflicht; er soll ihn daher auch mehr denn alles andere
spüren lassen. Wenn Sie die Frömmigkeit lieben, dann handeln Sie so, daß
alle ihr Achtung und Ehrerbietung entgegenbringen; das werden sie auch
tun, wenn sie deren gute und angenehme Auswirkungen in Ihnen sehen.
Mein Gott, welch große Möglichkeiten haben Sie doch, sich um Ihr
ganzes Haus verdient zu machen! Sie können es ohne Zweifel zu einem
wahren Paradies der Frömmigkeit machen, zumal sich Ihr Herr Gemahl
Ihren guten Bestrebungen so wohlgeneigt zeigt. Ach, wie glücklich wer-
den Sie sein, wenn Sie richtig Maß halten, wie ich es Ihnen für Ihre
Übungen gesagt habe, indem Sie diese, soviel Sie können, Ihren häusli-
chen Obliegenheiten und dem Willen Ihres Gatten anpassen, der doch
weder ungeregelt noch hart ist. Ich habe kaum verheiratete Frauen gese-
hen, die leichter fromm sein können als Sie, gnädige Frau, sodaß Sie
daher auch sehr verpflichtet sind, darin vorwärts zu schreiten.
Ich möchte gern, daß Sie die Übung der heiligen Betrachtung machen,
denn Sie scheinen mir dazu recht befähigt zu sein. Ich habe Ihnen im
Laufe dieser Fastenzeit schon einiges darüber gesagt, weiß aber nicht, ob
Sie schon damit angefangen haben; ich würde aber wünschen, daß Sie
nur eine halbe Stunde und nicht mehr jeden Tag darauf verwenden, zu-
mindest für einige Jahre; ich denke, das würde sehr zum Sieg über Ihre
Gegner beitragen.
Ich schreibe Ihnen in aller Eile und kann doch nicht aufhören, so sehr
freut es mich, mit Ihnen schriftlich reden zu können. Und glauben Sie
mir bitte, gnädige Frau, daß der einmal in mir wachgerufene Wunsch,
Ihnen zu dienen und Sie in Unserem Herrn hochzuschätzen, wächst und
alle Tage in meiner Seele größer wird, wenn ich auch betrübt bin, so
wenig Beweise dafür liefern zu können. Zumindest unterlasse ich es nicht,
Sie in meinen schwachen und kraftlosen Gebeten, vor allem beim heili-
gen Meßopfer, der Barmherzigkeit Gottes darzubringen und anheimzu-
stellen; ich schließe dabei immer Ihr ganzes Haus mit ein, das ich einzig-
artig in Ihnen liebe und Sie in Gott.
Ich habe erfahren, daß Sie guter Hoffnung sind; ich habe Gott dafür
gepriesen, der die Zahl der Seinen vermehren will durch die größere
Anzahl der Ihren. Die Bäume tragen Früchte für die Menschen, die Frauen
aber tragen ihre Kinder für Gott. Darum ist die Fruchtbarkeit eine seiner
Segensgaben. Lassen Sie diese Schwangerschaft Ihnen zweifach zum
Gewinn werden: bringen Sie Ihre Leibesfrucht Gott hundertmal am Tag
dar, wie der hl. Augustinus bezeugt, daß seine Mutter dies zu tun ge-
wohnt war, als sie ihn unter dem Herzen trug; und in den Nöten und
V. Eine Dame 1340, 1370 295
Beschwerden, die Ihnen daraus entstehen und die gewöhnlich mit einer
Schwangerschaft verbunden sind, preisen Sie den Herrn dafür, daß Sie
leiden, um ihm einen Diener oder eine Dienerin zu schenken, die durch
seine Gnade ihn ewiglich mit Ihnen preisen wird.
Gott sei schließlich in allem und durch alles verherrlicht in unseren
Leiden und Freuden.
AN EINE DAME
Gnädige Frau!
Wenn mein Mund sich jemals geweigert hat, Sie meine Tochter zu
nennen, so geschah es ohne Zustimmung meines Herzens, das gleich bei
der ersten Begegnung mit Ihrem Herzen fühlte, daß Gott ihm eine starke
und unwandelbare, wahrhaft ganz väterliche Zuneigung zu Ihnen gab.
Aber man wagt nicht immer zu sprechen, wie man möchte, vor allem,
wenn man jenen Achtung schuldet, die das gleiche besitzen, was wir ha-
ben möchten. Da Sie es wollen, könnte ich mich gewiß nicht mehr dieser
Freude berauben.
Also sage ich Ihnen, meine sehr liebe Tochter, daß es mir sehr recht ist,
wenn diese Mädchen hierhergekommen, um das heilige Handwerk zu
lernen, das sie nachher, wie ich hoffe, im Land ihrer Geburt und meiner
Liebe ausüben werden. Ich meinerseits kann nicht mehr daran zweifeln,
sehe ich doch, daß soviele gute Leute es gemeinsam wünschen. Indessen
ist es wohl sicher, wie Sie sagen, daß ein solch gutes Werk nicht ohne
Widerspruch entstehen wird; denn wie sollte es sonst gut sein?51 Von
dieser Dame aber glaube ich nicht, daß sie noch lange dagegen sein wird,
da sie tugendhaft ist und guten Gemütes; und dann zerstäubt Gott die
menschlichen Gedanken durch seine himmlische Weisheit.
Fahren Sie also fort, meine sehr liebe Tochter, immer diesem göttli-
chen Meister und Erlöser Ihrer Seele in Reinheit und Sanftmut des Geis-
tes zu dienen. Das ist das einzige Glück, das wir anstreben können; und
die untrügliche Gewißheit, ihn auf ewig zu besitzen, besteht darin, ihn
auf dieser Welt treu und vertrauensvoll zu lieben.
Ich habe noch nicht die Hoffnung aufgegeben, Sie in dieser Fastenzeit
wiederzusehen und Ihnen persönlich zu sagen, wie ich es von ganzem
Herzen tue, meine sehr liebe Tochter, daß ich Ihr sehr ergebener und
sehr liebevoll zugeneigter Diener bin.
V. De la Baume 1420 297
AN FRAU DE LA BAUME
Es lebe Jesus!
Möge der Heilige Geist mir eingeben, was ich Ihnen, gnädige Frau,
und – wenn es Ihnen so recht ist – auch meine liebe Tochter, zu schreiben
habe. Um ständig in der Frömmigkeit zu leben, ist nur nötig, starke und
vortreffliche Grundsätze in seinem Geist zu verankern.
Der erste Grundsatz, den ich Ihrem Geist wünsche, ist der des hl. Pau-
lus (Röm 8,28): „Alles gereicht denen zum Besten, die Gott lieben.“ In
Wahrheit: da Gott Gutes aus Schlechtem herausholen kann, für wen
wird er das tun, wenn nicht für jene, die sich ihm rückhaltlos hingegeben
haben? Ja, selbst die Sünden, vor denen Gott uns in seiner Güte bewahre,
werden denen, die ihm angehören, durch die göttliche Vorsehung zum
Guten gewendet. Niemals wäre David so demutsvoll gewesen, hätte er
nicht gesündigt, noch Magdalena so von Liebe zu ihrem Erlöser erfüllt,
wenn er ihr nicht soviele Sünden nachgelassen hätte, und er hätte sie ihr
nicht nachgelassen, wenn sie diese nicht begangen hätte.
Sehen Sie doch, meine liebe Tochter, diesen großen Werkmeister der
Barmherzigkeit: er verwandelt unsere Armseligkeiten in Gnaden und
schafft aus dem Gift unserer Schwachheiten das Heilmittel für unsere
Seelen. Sagen Sie mir doch bitte, was macht er nicht aus unseren Heimsu-
chungen und Mühen und aus den Verfolgungen, die man uns bereitet?
Wenn also jemals ein Ungemach Sie trifft, von welcher Seite immer, kön-
nen Sie Ihrer Seele versichern, es werde sich alles zum Guten wenden,
wenn sie Gott recht liebt. Und wenn Sie auch die Mittel nicht erkennen,
durch die Ihnen dieses Gute zuteil werden soll, so sollen Sie doch umso
zuversichtlicher bleiben, daß es Ihnen zuteil wird. Wenn Gott den Schmutz
der Schande auf Ihre Augen wirft, so will er, daß Sie dadurch sehend wer-
den (Joh 9,6.11), und er will aus Ihnen ein Schauspiel seiner Ehre machen.
Wenn Gott Sie einen Fall tun läßt wie den hl. Paulus, den er zu Boden warf
(Apg 9,4), so geschieht es, um Sie wieder glorreich zu erheben.
Der zweite Grundsatz ist, daß er Ihr Vater ist; denn andernfalls würde
er uns nicht befehlen, zu sagen: „Vater unser, der Du bist im Himmel“
(Mt 8,9). Und was haben Sie als Tochter eines solchen Vaters zu fürch-
ten, ohne dessen Vorsehung „kein einziges Haar von Ihrem Haupt fällt“
(Lk 21,18; 12,7)? Ist es nicht zu verwundern, daß wir als Kinder eines
solchen Vaters andere Sorgen haben und haben können, als ihn recht zu
298 V. De la Baume 1420
lieben und ihm zu dienen? Tragen Sie die Sorge, die Sie nach seinem
Willen für Ihre Person und Ihre Familie tragen sollen, und nicht mehr,
denn dann werden Sie sehen, daß er für Sie Sorge tragen wird. „Denke an
mich“, sagte er zu der hl. Katharina von Siena, deren Fest wir heute
feiern, „und ich werde an dich denken.“ „O ewiger Vater“, sagt der Weise
(Weish 14,3), „deine Vorsehung regiert alles.“
Der dritte Grundsatz, den Sie haben sollen, ist der, den Unser Herr
seine Apostel lehrte: „Was hat euch gefehlt?“ (Lk 22,35). Sehen Sie,
meine liebe Tochter, Unser Herr hatte die Apostel da- und dorthin ge-
sandt, ohne Geld, ohne Stock, ohne Schuhe, ohne Sack, mit einem einzi-
gen Gewand bekleidet (Mt 10,9f), und nachher sagte er: „Als ich euch so
ausgesandt hatte, hat euch etwas gefehlt?“ Und sie antworteten: „Nein!“
(Lk 22,35f). Und wenn Sie Leid gehabt haben, meine Tochter, selbst in
Zeiten, da Sie nicht soviel Vertrauen zu Gott hatten, sind Sie da in die-
sem Leid umgekommen? Sie werden mir sagen: Nein. Warum haben Sie
also nicht den Mut, auch über alle anderen Widrigkeiten siegreich zu
bleiben? Gott hat Sie bis jetzt nicht verlassen, wie soll er Sie von nun ab
verlassen, da Sie mehr denn früher die Seine sein wollen?
Fürchten Sie also nicht ein künftiges Übel dieser Welt, denn vielleicht
wird es Ihnen niemals zustoßen, und bei jedem Ereignis wird Gott Sie
stärken, wenn es eintrifft. Er befahl dem hl. Petrus, auf dem Wasser zu
wandeln; der hl. Petrus, der Wind und Sturm sah, geriet in Furcht und
die Furcht ließ ihn untergehen. Er bat seinen Meister um Hilfe und die-
ser sagte ihm: „Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Und er streck-
te ihm die Hand hin und beruhigte ihn (Mt 14,29-31). Wenn Gott Sie auf
den Wellen der Widrigkeiten wandeln läßt, dann zweifeln Sie nicht, meine
Tochter, und sorgen Sie sich nicht, denn Gott ist mit Ihnen; haben Sie
guten Mut, und Sie werden davon befreit werden.
Der vierte Grundsatz ist der von der Ewigkeit. Es liegt wenig daran,
wer ich in diesen flüchtigen Augenblicken bin, wenn ich nur auf ewig in
der Herrlichkeit meines Gottes bin. Meine Tochter, wir gehen auf die
Ewigkeit zu, wir stehen bereits mit einem Fuß in ihr; wenn sie nur glück-
selig wird für uns, was liegt daran, daß wir in diesen vorübergehenden
Augenblicken voll Kummer sind? Ist es denn möglich, zu wissen, daß
unsere Heimsuchungen von drei oder vier Tagen solch ewigen Trost be-
wirken, und sie doch nicht ertragen zu wollen? Schließlich heißt es doch,
meine liebe Tochter:
Was nicht ist für die Ewigkeit,
kann Eitelkeit nur sein.
V. Eine Tante 1435 299
Der fünfte Grundsatz ist der des Apostels (Gal 6,14): „Mir aber sei es
fern, in etwas anderem meinen Ruhm zu suchen als im Kreuz meines
Jesus.“ Pflanzen Sie in Ihr Herz den gekreuzigten Jesus Christus, und
alle Kreuze dieser Welt werden Ihnen wie Rosen erscheinen. Wen die
Stacheln der Dornenkrone Unseres Herrn, der unser Haupt ist, gesto-
chen haben, der spürt kaum mehr andere Stiche.
Alles, was ich Ihnen gesagt habe, finden Sie im 3., 4. oder 5. und letzten
Buch der „Gottesliebe“. Vieles, was sich darauf bezieht, werden Sie in
dem großen „Führer der Sünder“ von Granada finden.
Ich muß Schluß machen, man drängt mich. Schreiben Sie mir vertrau-
ensvoll und zeigen Sie mir, was Sie denken, daß ich für Ihr Herz tun
könnte; das meine wird es mit herzlicher Liebe ausführen. Denn ich bin
in aller Wahrheit, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener und treuer Diener.
AN EINE TANTE
Gnädige Frau!
Mit tiefem Mitgefühl habe ich mich gefragt, wie es Ihrem Herzen wohl
ergeht, als ich vom Leid erfuhr, das ihm in diesen vergangenen Tagen
widerfahren ist. Ich weiß wohl, daß, Gott sei Dank, die Erfahrung und
Gewöhnung der letzten Jahre, Leid zu tragen, Ihre Seele gestärkt und
Ihren Mut belebt haben. Dadurch sind Sie solchen Schlägen nicht mehr
so außerordentlich empfindlich ausgeliefert, die bei unserer sterblichen
Verfassung unvermeidbar sind. Aber ich fürchte doch andererseits, daß
so häufige neue Belastungen Ihren Entschluß erschüttern.
Doch höre ich nicht zu hoffen auf, gnädige Frau, daß Sie nach so häu-
figer Ergebung Ihres Willens in den Willen Gottes, nach so häufigen
Erwägungen über die Eitelkeit dieses Lebens und die Wahrheit des künf-
tigen, und nach so vielen Beteuerungen, unwiderruflich der himmlischen
Vorsehung ergeben sein zu wollen, einen starken Trost zu Füßen des
Kreuzes Unseres Herrn finden werden, wo der Tod für uns besser gewor-
den ist als das Leben. Und ich bin sicher, daß die Illusion des Lebens in
dieser Welt nicht vermocht hat, Sie von den Entschlüssen abweichen zu
lassen, die Gott Sie auf die damaligen Ereignisse hin fassen ließ.
Gnädige Frau, wir müssen uns der Notwendigkeit anpassen und sie
300 V. Eine Dame 1436
uns für unsere künftige Seligkeit zunutze machen, nach der wir nur durch
diesen Kreuzweg von Dornen und Heimsuchungen trachten sollen und
können. Es macht in Wahrheit wenig aus (aber es bedeutet viel) für jene,
die wir lieben, daß ihr Aufenthalt der Mühen und Nöte dieses Lebens
kurz ist; und uns würde das auch nicht berühren, wenn wir zu überlegen
verstünden, daß wir auf die Ewigkeit allein all unsere Wünsche richten
sollen.
Um Gottes willen, meine sehr liebe Tante, und um nach meinem Her-
zen zu sprechen, sicher auch meine sehr liebe Tochter, lassen Sie sich
vom Strom der Widrigkeiten nicht mitreißen, sondern halten Sie sich an
die Füße Unseres Herrn und sagen Sie ihm, daß Sie ihm gehören; er
möge über Sie und das, was nach seinem Willen Ihnen zugehört, nach
seinem Belieben verfügen und Ihnen und den Ihren die hochheilige
Ewigkeit seiner Liebe sichern. Diese Augenblicke verdienen nicht, daß
man daran denkt, außer um zu diesem höchsten Gut zu gelangen. Ich
bin, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener Neffe und Diener.
AN EINE DAME
mir oft über Ihre Seele schreiben, so tun Sie es vertrauensvoll, denn ich
versichere Ihnen, daß es ein gegenseitiger Trost sein wird. Und das sei für
allemal gesagt.
Ich sage in Wahrheit, daß ich Sie ganz besonders liebte, seit ich in
Ihrem Herzen die Vorhaben der heiligen Liebe Gottes mit Ihnen sah,
bezeugt durch seine Lockungen zu seinem Dienst. Selig werden Sie sein,
wenn Sie diese demütig aufnehmen, wie Sie sich zu tun entschlossen
haben, und ihnen treu folgen. Das wünsche ich Ihnen aus meiner ganzen
Zuneigung für Sie und bleibe immerdar, meine sehr liebe Tochter, und
mit einem wahrhaft väterlichen Herzen Ihr sehr ergebener und unwan-
delbarer Diener.
Ich grüße innig Fräulein von Thonon, meine Cousine, und wünsche
sehr, sie möge mehr die Schönheit ihrer Seele lieben und mehr zu deren
Wachsen beitragen als zur Schönheit des Leibes, denn sie weiß schon seit
langem, daß ich ihr Herz liebe.
reuen, denn daß wir alle den Namen „Sterbliche“ tragen, macht uns un-
entschuldbar.
Kränken wir uns nicht, meine Tochter; wir werden recht bald alle wie-
der vereint sein. Wir gehen ständig voran und nähern uns immer mehr
dem Ort, wo unsere Toten sind; in einem oder zwei Augenblicken wer-
den wir dorthin gelangen. Denken wir nur daran, diesen Weg gut zu ge-
hen und ihnen in all dem Guten nachzufolgen, das wir in ihnen erkannt
haben. Gesegnet sei Gott, der jenem, dessen Fehlen wir spüren, Gnade
erwiesen hat und der ihm Zeit und Gelegenheit gegeben hat, sich gut für
diese selige Reise vorzubereiten. Legen Sie bitte Ihr Herz zu Füßen des
Kreuzes, meine liebe Tochter, und nehmen Sie Tod und Leben all dessen,
was Sie lieben, aus Liebe zu ihm entgegen, der für Sie sein Leben hinge-
geben und den Tod auf sich genommen hat.
Im übrigen könnte mich nichts daran hindern, die Dienste zu leisten,
die Sie von mir wünschen, außer die Pflicht, die mir im Dienst Unseres
Herrn und der Kirche obliegt. Da sich diese Ihrem Wunsch günstig er-
wiesen, war ich sehr erfreut, Ihren Wunsch erfüllen zu können, wie ich es
in allem tun werde, was mir möglich ist. Bei der Besetzung der Pfarräm-
ter aber bin ich an Bestimmungen gebunden, die ich nicht übergehen
darf. Wenn ich bei Einhaltung dieser Bestimmungen Ihren Wunsch er-
füllen kann, wird dies mir selbst eine große Freude sein. Wenn ich es
aber in vorliegendem Fall nicht tun kann, so soll der Überbringer doch
nicht den Mut verlieren und weitere Fortschritte in der Wissenschaft
und in der Tugend machen, worin er – wie ich denke – bereits gut begon-
nen hat; dann wird es nicht an anderen Möglichkeiten fehlen, wo ihm
Ihre Empfehlung nützlich sein wird.
Ansonsten brauche ich Sie bei dieser Gelegenheit nicht meiner treuen
Dienste zu versichern. Sie sind Ihnen ein für alle Male ganz gewidmet
und ich bitte Sie, niemals daran zu zweifeln, noch an der Sorge, mit der
ich bei allen Opfern, die ich Gott darbringe, der Seele dieses würdigen
Edelmannes gedenke, dessen Verdienste ich immerdar ehren will mit
allem, was er an Lieben hier zurückgelassen hat.
Gott sei inmitten Ihres Herzens, meine liebe Cousine, meine Tochter,
und ich bin von ganzem Herzen Ihr sehr ergebener und sehr zugeneigter
Cousin und Diener.
V. Villeneuve 1507, 1551 305
Ich glaube es wohl, meine liebe Tochter, daß Schwester Helene An-
gélique, unsere liebe Gründerin, ihre Mutter entweder zurückhalten oder
mit ihr hierher kommen möchte. O, wenn das ginge, wie sehr wünschte
ich sie ein wenig in dieser Einöde zu sehen! Aber daran kann nicht ein-
mal gedacht werden. Eines kann ich Ihnen sagen: daß die so sehr liebe
Mutter ihr Kommen bis zum äußersten Zeitpunkt hinausschieben wird,
obgleich sie doch hier so überaus herbeigewünscht und verlangt wird;
aber wir versprechen uns auch, daß Sie zur gegebenen Zeit sanftmütig
die Trennung von dieser Seele ertragen werden, die kein Tod sein wird,
wie es die Trennung von Seele und Leib ist, denn der Heilige Geist, das
Leben unserer Herzen, wird Sie immer mit seiner heiligen Liebe bele-
ben und Sie immer mehr mit uns vereint halten wie uns mit Ihnen.
Grüßen Sie bitte innig das Herz der geliebten Schwester Helene-An-
gélique, die glücklich ist, sich selbst aufgegeben zu haben, um ganz Gott
zu gehören, der sie segnet, wie auch Sie, meine sehr liebe Tochter.
weil ich nicht daran zweifelte, daß Sie es tun würden, und ich Ihnen
dadurch ein wenig ausführlicher schreiben könnte. Wenn Sie aber länger
gezögert hätten, meine sehr liebe Tochter, hätte ich nicht mehr warten
können; noch weniger könnte ich Ihre teure Person und Ihr ganzes lie-
benswertes Haus in dem Opfer, das ich täglich Gott Vater am Altar dar-
bringe, auslassen, wo Sie in meinem Gedenken an die Lebenden einen
ganz besonderen Platz einnehmen: sind Sie mir doch auch ganz beson-
ders teuer.
In Ihrem Brief, meine sehr liebe Tochter, finde ich großen Anlaß, Gott
zu preisen für eine Seele, in der er den heiligen Gleichmut in der Tat
aufrecht hält, wenn auch nicht gefühlsmäßig. Alles, was sie mir, meine
sehr liebe Tochter, von Ihren kleinen Aufregungen sagen, bedeutet nichts.
Solch kleine überraschende Leidenschaftsausbrüche sind unvermeidbar
in diesem sterblichen Leben, schreit doch deshalb der große Apostel
zum Himmel: „Ach, weh mir Armen, der ich bin, fühle ich doch zwei
Menschen in mir, den alten und den neuen; zwei Gesetze, das Gesetz der
Sinne und das Gesetz des Geistes; zweifaches Wirken, das der Natur und
das der Gnade. Ach, wer wird mich befreien von diesem Leib des To-
des?“ (Röm 6,21-24).
Meine liebe Tochter, die Eigenliebe stirbt erst mit unserem Leib; so-
lange wir in dieser Verbannung leben, müssen wir immer ihre fühlbaren
Angriffe oder geheimen Machenschaften spüren. Es genügt, daß wir nicht
mit einer willentlichen, überlegten, festen und erneuerten Einwilligung
zustimmen. Diese Tugend des Gleichmutes ist so erhaben, daß unser
alter Mensch in seinem fühlbaren Bereich und die menschliche Natur in
ihren natürlichen Fähigkeiten nicht dazu imstande wäre, nicht einmal
bei Unserem Herrn. Als Kind Adams war er wohl frei von jeder Sünde
und allem, was dazu gehört, aber in seinen Gefühlen und in seinen
menschlichen Fähigkeiten keineswegs immer gleichmütig, sondern er
wünschte, nicht am Kreuz sterben zu müssen (Mt 26,39). Der Gleich-
mut und die Ausübung desselben ist ganz dem Geist vorbehalten, dem
obersten Bereich, den von der Gnade entflammten Fähigkeiten, kurz,
ihm selbst als neuen Menschen.
Bleiben Sie also in Frieden. Wenn es uns widerfährt, daß wir die Geset-
ze des Gleichmutes in gleichgültigen Dingen verletzen oder wegen plötz-
lichen Aufbrausens unserer Eigenliebe und unserer Leidenschaften, dann
werfen wir gleich, sobald wir können, unser Herz Gott zu Füßen und
sagen wir im Geist des Vertrauens und der Demut: „Barmherzigkeit,
Herr, denn ich bin schwach!“ (Ps 6,3). Erheben wir uns dann wieder in
310 V. Von Herse 1675
Frieden und Ruhe und flicken wir wieder das Netz unseres Gleichmu-
tes; und dann fahren wir mit unserer Arbeit fort. Wir dürfen nicht die
Saiten zerreißen, noch die Laute weglegen, wenn wir einen Mißklang
entdecken; wir müssen vielmehr lauschen, woher der gestörte Klang
kommt, und dann behutsam die Saite spannen oder nachlassen, wie die
Kunst es erfordert.
Bleiben Sie in Frieden, meine sehr liebe Tochter, und schreiben Sie
mir vertrauensvoll, wenn Sie meinen, daß dies zu Ihrem Trost sei. Ich
werde immer treu und mit besonderer Freude antworten, ist mir Ihre
Seele doch teuer wie meine eigene.
In den vergangenen acht Tagen hatten wir unseren guten Msgr. von
Belley bei uns gehabt, der mich mit seinem Besuch beehrt und uns ganz
ausgezeichnete Predigten gehalten hat. Sie können sich denken, daß wir
oft von Ihnen und Ihrem Haus gesprochen haben. Aber welche Freude,
als Herr Janet mir sagte, mein ganz liebes kleines Patenkind wäre so
gescheit, so sanft, so hübsch und fast schon so fromm. Ich versichere
Ihnen in Wahrheit, meine sehr liebe Tochter, daß ich das mit unver-
gleichlicher Liebe höre, und ich erinnere mich, mit welcher Anmut, welch
süßem Mienenspiel und mit welch kindlicher Ehrerbietung er die Kind-
schaft Gottes aus meinen Händen empfing. Wenn meine Tage zu Ende
gehen, wird er heilig sein, dieser liebe kleine François; er wird der Trost
von Vater und Mutter sein und soviel heilige Gnaden bei Gott haben, daß
er mir die Verzeihung meiner Sünden erwirken wird, wenn ich so lange
lebe, bis er mich persönlich lieben kann.
Schließlich bin ich, meine sehr liebe Tochter, ganz vollkommen und
ohne irgendwelche Bedingung oder Ausnahme Ihr sehr ergebener und
treuer Bruder, Gevatter und Diener ...
Wenn Sie fürchten, daß Ihre Briefe unterwegs verloren gehen, obgleich
fast nie einer verschwindet, brauchen Sie sie nicht unterzeichnen, denn
ich kenne Ihre Handschrift immer gut.
Darf ich Sie bitten, meine ergebensten Empfehlungen und Dienste der
Frau Marquise von Menelay darzubringen? Sie ist demütig genug, um
das gut zu finden, und der kleine François ist klug genug, es ihr einzure-
den, wie auch Frau von Chenoyse. Ich muß auch sagen, daß ich Frau de la
Haye grüße.
V. Von Herse 1887 – Villesavin 1522 311
sie sich für kein anständiges Gespräch interessieren, sondern nur ki-
chern und witzeln über Dinge, die Achtung und Ehrfurcht erfordern.
Ich sehe, daß Sie reichlich die Bequemlichkeiten des gegenwärtigen
Lebens haben; hüten Sie sich, daß Ihr Herz darin verstrickt werde. Salo-
mos, des Weisesten der Sterblichen, unnennbares Unglück begann da-
mit, daß er Gefallen fand an der Größe, dem Schmuck und dem prächti-
gen Aufwand, die er besaß, obgleich all das nur seinem Stand entsprach.
Erwägen wir doch, daß alles, was wir haben, uns tatsächlich um nichts
größer macht als die übrige Welt und daß all das nichts ist vor Gott und
den Engeln.
Denken Sie daran, meine sehr liebe Tochter, nur recht den Willen
Gottes zu tun in den Ereignissen, in denen Sie die größten Schwierigkei-
ten haben. Es zählt wenig, Gott zu gefallen in dem, was uns gefällt; die
kindliche Treue erfordert, daß wir ihm gefallen wollen in dem, was uns
nicht paßt, indem wir uns vor Augen halten, was der große vielgeliebte
Sohn von sich selbst sagte: „Ich bin nicht gekommen, um meinen Willen
zu tun, sondern um den Willen dessen zu vollbringen, der mich gesandt
hat“ (Joh 6,38). Sie sind auch nicht Christin, um Ihren Willen zu tun,
sondern um den Willen dessen zu erfüllen, der Sie an Kindesstatt aufge-
nommen hat, damit Sie seine Tochter und auf ewig seine Erbin seien
(Röm 8,15.17).
Nun gehen Sie fort, wie ich, ohne irgendeine Hoffnung, Sie auf dieser
Welt wiederzusehen. Bitten wir Gott, er möge uns die Gnade erweisen,
so nach seinem Wohlgefallen in dieser Pilgerschaft zu leben, daß wir uns,
wenn wir im himmlischen Vaterland angekommen sind, freuen können,
uns hier unten gesehen und über die Geheimnisse der Ewigkeit gespro-
chen zu haben. Daraus allein sollen wir Freude schöpfen, daß wir uns in
diesem Leben lieb hatten: daß alles zur Ehre seiner göttlichen Majestät
und zu unserem ewigen Heil diente. Bewahren Sie die heilige, herzliche
Fröhlichkeit, die die Kräfte des Geistes nährt und den Nächsten erbaut.
Gehen Sie denn in Frieden, meine sehr liebe Tochter. Gott sei immer-
dar Ihr Beschützer. Er möge Sie immer an seiner Hand halten und Sie
auf dem Weg seines heiligen Willens führen (Ps 73,24). So sei es, meine
liebe Tochter, und ich verspreche Ihnen, daß ich diese heiligen Wünsche
für Ihre Seele, die die meine immerdar unverletzlich lieben wird, täglich
erneuern werde. Und Gott sei immer Lob, Preis und Danksagung. Amen.
(Apg 7,12).
V. Villesavin 1539 313
Glauben Sie niemals, meine liebe Tochter, daß die örtliche Entfer-
nung die Seelen trennen kann, die Gott durch die Bande seiner Liebe
vereint hat. Die Kinder dieser Zeit sind alle voneinander getrennt, haben
sie doch ihre Herzen an verschiedenen Orten; die Kinder Gottes aber
haben ihr Herz, wo ihr Schatz ist (Lk 12,14), und da sie nur einen glei-
chen Schatz, nämlich den gleichen Gott haben, sind sie folglich immer
miteinander verbunden und eins. Das soll es unserem Geist leicht ma-
chen, da die Notwendigkeit Sie außerhalb dieser Stadt hält und ich auch
recht bald abreisen muß, um in mein Amt zurückzukehren. Wir werden
uns sehr oft bei unserem heiligen Kruzifix wiedersehen, wenn wir das
Wort halten, das wir uns dafür gegeben haben; da sind solche Begegnun-
gen einzigartig von Gewinn.
Indessen will ich damit beginnen, meine sehr liebe Tochter, Ihnen zu
sagen, daß Sie Ihren Geist durch alle möglichen Mittel stärken sollen
gegen diese eitlen Befürchtungen, die ihn gewöhnlich erregen und quä-
len. Ordnen Sie dazu erstens Ihre Übungen auf eine Weise, daß deren
Länge nicht Ihre Seele ermüdet und nicht die Seelen jener verärgert, mit
denen Gott Sie zusammenleben läßt. Eine halbe Viertelstunde und we-
niger noch genügt für die morgendliche Vorbereitung; drei Viertelstun-
den oder eine Stunde für die Messe und untertags einige Erhebungen des
Geistes zu Gott, die keine Zeit erfordern, sondern in einem Augenblick
verrichtet werden können; und die Gewissenserforschung am Abend vor
dem Schlafengehen, abgesehen von Tischsegen und Danksagung, die
üblich sind und die eine Herzensvereinigung mit Gott darstellen. Mit
einem Wort, ich möchte, daß Sie ganz „Philothea“ und nichts anderes
mehr seien als dies: d. h. Sie sollen so sein, wie ich es im Buch von der
Anleitung aufzeige, das ja für Sie und Ihresgleichen geschrieben wurde.
Meine sehr liebe Tochter, seien Sie in den Gesprächen im Frieden über
allem, was da gesagt und getan wird; denn ist es gut, haben Sie Grund, Gott
dafür zu preisen; und ist es schlecht, dann können Sie Gott dadurch die-
nen, daß Sie Ihr Herz davon abwenden, ohne weder die Entsetzte noch die
Verärgerte zu spielen; denn Sie können nichts dafür und haben nicht ge-
nug Einfluß, um die schlechten Worte jener abzulenken, die sie sagen
wollen, ja die noch schlimmere sagen würden, wenn man sich merken
ließe, sie davon abhalten zu wollen. Wenn Sie so handeln, werden Sie ganz
unschuldig bleiben mitten im Zischeln der Schlangen und wie eine Erd-
beere kein Gift aufnehmen durch den Umgang mit giftigen Zungen.
314 V. Villesavin 1636
Ich kann mir nicht denken, wie Sie diese maßlosen Traurigkeiten in
Ihrem Herzen zulassen können, da Sie doch eine Tochter Gottes sind,
die sich schon seit langem in den Schoß seiner Barmherzigkeit geworfen
und sich seiner Liebe geweiht hat. Sie müssen es sich selbst erleichtern,
indem Sie alle diese traurigen und melancholischen Eingebungen ver-
achten, die der böse Feind in uns weckt mit der einzigen Absicht, uns
müde zu machen und zu plagen.
Achten Sie sehr darauf, recht die demütige Sanftmut zu üben, die Sie
Ihrem lieben Gatten und jedermann schulden, denn das ist die Tugend
der Tugenden, die Unser Herr uns so sehr empfohlen hat (Mt 11,29).
Wenn es Ihnen geschieht, daß Sie dem zuwiderhandeln, dann geraten Sie
nicht in Verwirrung, sondern stehen mit allem Vertrauen wieder auf, um
neuerlich in Frieden und Sanftmut wie vorher vorwärts zu schreiten. Ich
schicke Ihnen eine kleine Methode, wie Sie sich am Morgen und den
ganzen Tag über mit Unserem Herrn vereinigen können.
Das war es, meine liebe Tochter, was ich Ihnen im Augenblick zu Ih-
rem Trost sagen zu müssen glaube. Ich muß Sie noch bitten, keinerlei
Förmlichkeiten mir gegenüber anzuwenden, da ich weder Zeit noch den
Willen habe, solches mit Ihnen zu tun. Schreiben Sie mir, wann es Ihnen
gefällt, in aller Freiheit, ich werde immer froh sein, Nachrichten über
Ihre Seele zu erhalten, welche die meine vollkommen liebt, meine sehr
liebe Tochter, wie ich auch wahrhaftig Ihr recht ergebener Diener in
Unserem Herrn bin.
Willens dessen wegen, dem wir unseren Willen geweiht haben und der
uns so sehr geliebt hat, daß er für uns sterben wollte (Gal 2,20; Eph 5,2).
Ich bitte Sie um Erlaubnis, in diesem Brieflein meine sehr liebe kleine
Tochter Anna60 zu grüßen, die – dessen bin ich sicher – noch mehr fromm
als schön ist.
Gott sei immer inmitten Ihres Herzens, meine sehr liebe Tochter, und
ich bin zur Gänze in ihm Ihr sehr ergebener und sehr zugeneigter Diener.
AN FRAU DE LAMOIGNON
meine liebe Tochter, in die der guten Mutter Magdalena vom hl. Josef64
überging. Ich hoffe, daß dieser Akt von der Hand dessen gesegnet werde,
der die Schnelligkeit guter Entschlüsse und deren gute Ausführung liebt
und die allzu große Bedächtigkeit jenes Sohnes mißbilligte, der seinen
Vater begraben wollte, bevor er sich gänzlich zur Nachfolge entschloß
(Mt 8,21f). Der Entschluß Ihrer Tochter und vielleicht auch ihre Auf-
nahme sind zwar ungewöhnlich,65 aber es ist kein Wunder, wenn eine
Magnetnadel sich so jäh und so mächtig dem Magnet zuwendet ... So ist
Ihr Opfer beinahe verzehrt, bevor es recht auf dem Altar ist.
Die göttliche Majestät segne Sie immer mehr mit ihrer heiligen Liebe,
ebenso das Herz Ihres Gemahls, das so liebevoll mit Ihnen wirkt, um
gänzlich nach Gott zu streben und nur in ihm zu leben. Ich bin unwan-
delbar Ihr sehr ergebener und sehr wohlgeneigter Diener ...
So sind Sie nun, meine sehr liebe Tochter, entblößt und beraubt des
kostbarsten Besitzes, den Sie hatten. Preisen Sie den Namen Gottes, der
ihn gegeben und wieder genommen hat (Ijob 1,21), und seine göttliche
Majestät wird Ihnen an Kindesstatt gehören. Ich habe bereits zu Gott für
diesen Verstorbenen gebetet und werde es weiterhin tun entsprechend
meiner großen Verpflichtung Ihrer Seele gegenüber; möge die ewige Güte
Unseres Herrn diese mit seinem Segen erfüllen. Ich bin, meine sehr liebe
Tochter, vorbehaltlos ganz der Ihre und Ihr recht ergebener Diener ...
AN FRAU LE MAITRE
Ich muß Ihre Seele lieben, von der ich weiß, daß sie gut ist, und ich
kann nicht anders, als ihr die so erstrebenswerte Liebe zur hochheiligen
Vollkommenheit zu wünschen, erinnere ich mich doch der Tränen, die
Ihre Augen vergossen, als ich Ihnen beim Abschied wünschte, Sie möch-
ten Gott ganz gehören und, damit Sie ihm mehr gehören, allem Lebe-
wohl sagen, was nicht für Gott da ist.
Ich versichere Ihnen indessen, meine sehr liebe Tochter, daß ich so
recht Ihr Diener in Gott bin.
AN EINE DAME
geistliche Reichtümer und wir werden sie eines Tages erkennen, wenn
wir dieser flüchtigen Mühen wegen ewige Belohnung schauen werden (2
Kor 4,17).
Nun aber, meine sehr liebe Tochter, sollen Sie – die Sie Ihre Krankheit
gern angenommen haben, da es Gott gewollt hat – auch wieder gern
gesund werden, da er es will. Darum flehe ich ihn ständig an, meine sehr
liebe Tochter, daß wir ihm rückhaltlos und ausnahmslos gehören, in
Gesundheit und Krankheit, in Heimsuchung und Wohlergehen, im Le-
ben und im Tod, in Zeit und Ewigkeit. Ich grüße Ihr töchterliches Herz
und bin der Ihre.
AN EINEN ONKEL
AN FRAU ROUSSELET
AN HERRN DE FORAS
Und obgleich die Schwangerschaft Sie alle beide ein wenig fühlbar
belastet, meine Tochter, die unter ihr leidet, und meinen lieben Bruder,
der sie mit ihr erleidet, meine ich Sie beide doch mit so zufriedenem und
tapferem Herzen zu sehen, Gott gut dienen zu wollen, daß selbst dieses
empfundene und mitempfundene Leiden Sie tröstet als Zeichen dafür,
daß Ihnen auf dieser Welt zwar nicht gänzlich jedes Leiden erspart bleibt,
die vollkommene Glückseligkeit Ihnen aber im Himmel vorbehalten
ist, worauf Sie, dessen bin ich sicher, Ihr Hauptbestreben richten.
O mein lieber Bruder, erleichtern Sie weiterhin meiner lieben Tochter
ihr Los durch Ihre liebenswürdige Anteilnahme. O meine liebe Schwe-
ster, halten Sie auch fernerhin meinen lieben Bruder fest an ihr Herz
gebunden, denn da Gott Sie einander geschenkt hat, verbleiben Sie auch
immer so und glauben Sie beide, daß ich des einen wie der anderen,
meines lieben Bruders und meiner lieben Tochter, meiner Schwester
sehr ergebener und unwandelbarer Diener bin.
gesehen habe, spreche ganz offen zu Ihnen und sage: „Sicherlich, meine
Tochter, da es so ist, ist es nicht wünschenswert, daß Sie heiraten; und
wenn es auch nicht alle verstehen, d. h. dieses Wort nicht annehmen,
nicht begreifen, das Glück darin nicht erkennen und sich nicht zunutze
machen, so können doch Sie, meine liebe Tochter, es leicht sich zu Ge-
winn werden lassen, Sie können leicht zu solchem Glück gelangen und
diesen Rat verstehen und verkosten.“ Tun Sie es also! Das sage ich Ihnen
noch viel entschiedener, als ich die Ehe für Sie noch für gefährlicher
halte als für eine andere, uzw. wegen Ihres anspruchsvollen Herzens, auf
das Sie mich aufmerksam machen, das Sie unaufhörlich nach Besserem
seufzen und ständig in der Eitelkeit schwimmen lassen würde.
Da aber dieser Entschluß gefaßt wurde, ohne daß Sie irgendeinen Grund
für Skrupel darüber hätten, ist es doch viel schwieriger, Ihnen daraufhin
zu sagen: Treten Sie also in den Ordensstand. Und doch muß es Ihnen
gesagt werden, da weder die Sitten noch die Stimmung in Frankreich,
weder die Neigungen Ihrer Eltern, Ihr Alter noch Ihr Äußeres Ihnen
erlauben könnten, so zu bleiben, wie Sie sind. So bin ich gezwungen,
Ihnen zu sagen: Meine Tochter, treten Sie in den Ordensstand. Indem ich
Ihnen aber dies sage, fühle ich eine heimliche Süße in diesem Gezwun-
gensein, die bewirkt, daß dieser Zwang nicht hart, sondern milde und
angenehm ist. Die Engel zwangen den guten Lot und seine Frau und
seine Töchter, faßten sie an der Hand und zogen sie mit Gewalt aus der
Stadt heraus; aber Lot hielt diese Nötigung nicht für gewaltsam, sondern
sagte, er erkenne wohl, daß er bei ihnen in Gunst stehe (Gen 19,15-19).
Und Unser Herr befahl in seinem Gleichnis dem Diener (Lk 14,23):
„Nötige sie einzutreten“; und nicht einer, der genötigt wurde, sagte: „Laß
mich, du verletzt mich!“
Ich bin nun genötigt und gezwungen, meiner Tochter zu sagen: Treten
Sie in den Ordensstand; aber dieser Zwang betrübt nicht mein Herz.
O meine Tochter, sprechen wir ein wenig von Herz zu Herz. Denken
Sie, daß Gott immer die Berufung zum Ordensleben oder aber zur voll-
kommenen Frömmigkeit entsprechend den natürlichen Bedingungen und
nach der Neigung der Personen schenkt, die er beruft? Nein, meine Toch-
ter, glauben Sie das nicht. Das religiöse Leben ist kein natürliches Leben,
es steht über der Natur, die Gnade muß es schenken und die Seele dieses
Lebens sein. Es ist wohl wahr, daß sich die höchste Vorsehung öfter der
Natur bedient zum Dienst an der Gnade, aber es fehlt weit, daß dies
immer oder beinahe immer so sei.
Einer rief klagend aus: „Das Gute, das ich will, tue ich nicht, aber das
V. De Frouville 1655 329
Böse, das ich nicht will, wohnt in mir“, d. h. in meinem Fleisch wohnt das
Gute nicht; denn das Wollen des Guten liegt mir wohl nah, aber ich finde
keine Möglichkeit, es zu vollbringen. „Ach, ich armer, elender Mensch,
wer wird mich von diesem Leib des Todes befreien? Ich sage Gott dank
durch Jesus Christus ... So diene ich selbst also in meinem Geist und dem
Geist nach dem Gesetz Gottes und in meinem Fleisch und dem Fleisch
nach dem Gesetz der Sünde“ (Röm 7,17-20; 24f). Dieser Mann zeigte
wohl, daß seine Natur kaum der Gnade diente und daß seine Neigungen
kaum den Eingebungen unterworfen waren. Und doch handelte es sich
um einen der vollkommensten Diener, die Gott jemals auf dieser Welt
hatte und der am Ende so glücklich war, in Wahrheit sagen zu können:
„Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Jesus Christus lebt in mir“ (Gal
2,20), nachdem die Gnade die Natur unterworfen und die Eingebungen
die Neigungen überwunden hatten.
Meine Tochter, diese Befürchtungen, taktlose Oberinnen zu finden, und
all die anderen Befürchtungen, die Sie mir so treu berichteten, all das wird
vor dem Antlitz Unseres gekreuzigten Herrn vergehen, der Sie liebevoll
aufnehmen wird. Ihr entsprechend der Hochherzigkeit der Welt hochher-
ziger Geist wird seine Kräfte wandeln und hochherzig werden mit dem
Mut der Heiligen und Engel. Sie werden die Nichtigkeit des Verstandes in
seinen Überlegungen sehen und sich darüber lustig machen. Sie werden
das Wort des Kreuzes lieben, das die Heiden für Wahnsinn hielten und die
Juden für ein Ärgernis; uns aber, d. h. jenen, die gerettet sind, ist es höchste
Weisheit, Kraft und Tugend Gottes (1 Kor 1,18; 23f).
Nun aber, meine Tochter, möchte ich Ihnen eine sehr große Erleichte-
rung dieses so absoluten und scheinbar so strengen Rates vorschlagen:
Sie sind reich; der zwanzigste oder vielleicht hundertste Teil Ihres Ver-
mögens würde genügen, um Sie zur Gründerin eines Klosters zu ma-
chen, und in dieser Eigenschaft hätten Sie eine anziehende Möglichkeit,
religiös zu leben außerhalb des Gedränges der Welt, bis Gewohnheit,
Erwägung und Eingebung Ihrem Herzen den letzten Anstoß und Ihrer
Entscheidung die letzte Vollendung verleihen werden, eine ganze Or-
densfrau zu sein. So können Sie geschickt Ihre Natur täuschen und Ihr
Herz klug überlisten. O, es lebe der Heiland, dem ich geweiht bin! Die-
ser Ratschlag schaut nur auf Ihren Frieden und Ihre Ruhe.
Beten Sie indessen zu Gott, meine sehr liebe Tochter, demütigen Sie
sich, widmen Sie Ihr Leben der Ewigkeit, erheben Sie Ihre Gesinnung,
läutern Sie Ihre Bestrebungen, denken Sie oft daran, daß ein einziger
kleiner Gewinn an Gottesliebe großer Beachtung würdig ist, da er unse-
330 V. De Frouville 1695
gung allein uns mit tiefster Genugtuung erfüllt, daß wir Gott von gan-
zem Herzen lieben wollten und einen einzigen kleinen Grad ewiger
Liebe dazu gewonnen haben.
Wahrlich, meine sehr liebe Tochter, ich hätte nicht gewagt, Ihnen zu
sagen, treten Sie Ihre Gefühle, Ihr mangelndes Vertrauen, Ihre Abnei-
gungen mit Füßen, wenn ich nicht mein Vertrauen auf die Güte des himm-
lischen Bräutigams gesetzt hätte, daß er Ihnen die Kraft und den Mut
geben würde, die Partei der göttlichen Hingebung und der Vernunft ge-
gen die Partei der Natur und des Widerwillens zu ergreifen.
Ich muß Ihnen aber sagen, meine sehr liebe Tochter, daß Sie jetzt auf
eine liebevolle Weise tot sind für die Welt und die Welt ganz tot in Ihnen
(Kol 3,3; Gal 6,14); das ist ein Teil des Opfers. Zwei andere bleiben
noch zu leisten: das Opfer, die Haut abzuziehen, indem Sie Ihr Herz
seiner selbst entblößen, alle diese wertlosen Eindrücke, die Natur und
Welt Ihnen geben, wegschneiden und abtrennen; und zweitens Ihre Ei-
genliebe zu verbrennen, sie in Asche zu verwandeln (Lev 1,6-9), um Ihre
teure Seele ganz in Flammen himmlischer Liebe zu setzen. Das geschieht
nun nicht an einem Tag, meine gewiß ganz liebe Tochter, und Er, der
Ihnen die Gnade erwiesen hat, den ersten Schlag zu tun, wird selbst mit
Ihnen die beiden anderen tun; und weil seine Hand ganz väterlich ist,
wird er es entweder unmerklich tun, oder wenn er es Sie fühlen läßt, wird
er Ihnen die Beständigkeit, ja die Freude schenken, die er dem Heiligen
auf dem Rost gab, dessen Fest wir heute feiern. Darum sollen Sie nicht
besorgt sein: Er, der Ihnen den Willen gegeben hat, wird Ihnen auch die
Erfüllung schenken (Phil 2,13). Seien Sie nur treu in Wenigem und er
wird Sie über vieles setzen (Mt 25,21.23). Sie versprechen mir, meine
sehr liebe Tochter, daß Sie mir – wenn es Ihnen erlaubt ist – alle Ereig-
nisse Ihrer glücklichen Geborgenheit schreiben werden; und ich ver-
spreche Ihnen, daß man es Ihnen erlauben wird und daß ich diesen Be-
richt mit übergroßer Liebe aufnehmen werde.
Gott sei immer gepriesen, gelobt und verherrlicht, meine sehr liebe
Tochter, und ich bin in ihm und um seinetwillen ganz besonders Ihr sehr
ergebener und Ihnen zugeneigter Diener ...
332 V. Eine Dame 1704
AN EINE DAME
AN EINE DAME
Ihrem Trost beizutragen. Drei Dinge aber, meine Tochter, halten mich
davon ab, Ihnen so oft zu schreiben, wie ich es zu Beginn unserer Bezie-
hungen getan habe. Es scheint mir, daß Sie dessen jetzt nicht mehr so viel
bedürfen, da Sie bereits so sehr an Ihr Kreuz gewöhnt sind; andererseits
bin ich vom Alter und – um es ihnen zu sagen – von Unannehmlichkei-
ten belastet, die mich hindern, das zu vermögen, was ich möchte, schließ-
lich verursacht die seit jener Zeit sehr angeschwollene Korrespondenz,
daß ich den einen wie den anderen eben weniger schreibe.
Meine liebe Tochter, Sie sind aber immer in meinen Messen gegenwär-
tig, wo ich dem himmlischen Vater seinen geliebten Sohn darbringe und
in Vereinigung mit ihm Ihre teure Seele, damit er sie in seine heilige Hut
nehmen möge und ihr seine hochheilige Liebe zuteilwerden lasse, be-
sonders anläßlich der Prozesse und Verhandlungen, die Sie mit dem
Nächsten haben. Denn darin ist es wohl schwerer, in der äußeren wie in
der inneren Sanftmut und Demut fest zu bleiben, und ich sehe, wie da die
Sicherstehendsten schwer gehemmt sind. Daher verursachen mir diese
Ärgerlichkeiten mehr Angst um die Seelen, die ich am meisten liebe.
Aber gerade darin, meine liebe Tochter, müssen wir Unserem Herrn
unsere Treue beweisen, damit man von uns sagen kann, wie von Ijob nach
den vielen Vorwürfen und Gegenreden seiner Freunde geschrieben steht,
daß er nicht mit seinen Lippen sündigte (Ijob 1,22) und dabei nichts
Schlechtes tat.
Was könnte ich Ihnen Schöneres wünschen, als Unserem Herrn treu
zu bleiben inmitten der verschiedenartigsten Widerwärtigkeiten, die Sie
aufregen? Denn wenn ich Ihrer Seele gedenke, dann stets mit tausendfa-
chen Wünschen für ihren Fortschritt in der Liebe zum gütigen Gott.
Lieben Sie ihn recht, meine liebe Schwester, in jedem Aufblick zu ihm,
durch den Sie ihn anbeten und verehren; lieben Sie ihn, wenn Sie ihn in
der heiligen Kommunion empfangen; lieben Sie ihn, wenn Ihr Herz von
seinem heiligen Trost durchströmt ist; aber lieben Sie ihn vor allem,
wenn Ihnen Unannehmlichkeiten, Widerstände, Trockenheiten und
Heimsuchungen widerfahren; hat er Sie doch auch im Paradies geliebt,
aber seine Liebe noch mehr bezeugt unter den Geißeln, Nägeln, Dornen
und der Finsternis des Kalvarienberges.
Bitten Sie ihn, daß er mich in seiner Barmherzigkeit ertrage und daß er
mich würdig mache des Dienstes, zu dem er mich berufen hat. Ich bin in
ihm in gänzlicher Zuneigung Ihr Diener, der Sie in Unserem Herrn lieb
hat.
V. Toulongeon 1768 335
Ihnen von Ihrem Gewissen zu reden, der ich doch weiß, daß Sie die
einzig würdige Tochter einer so würdigen Mutter sind, voll Geist, Klug-
heit und Frömmigkeit?
Da es aber unter so günstigen Umständen sein soll, will ich Ihnen denn
sagen, gnädige Frau, daß mir Ihre Frau Mutter alles schrieb, was sie
Ihnen gesagt hat und durch viele ausgezeichnete Persönlichkeiten hat
sagen lassen, im Vergleich zu denen ich nichts bin.
Sie sollten sich ihrem Wunsch fügen, daß Sie mit Ihrem töchterlichen
Beistand sie nicht im Stich lassen in dieser großen Bedrängnis zeitlicher
Angelegenheiten, in welche die Ihnen bekannten Umstände ihr Haus
hineingetrieben haben. Sie könnte es nicht ertragen, ihr Haus unter der
Last zusammenbrechen zu sehen, vor allem, wenn sie Ihrer Mithilfe er-
mangelt, die ihr dabei allein und einzig notwendig erscheint.
Sie schlägt dazu drei Wege vor: daß Sie sich entweder ganz in den
Ordensstand zurückziehen, damit die Gläubiger Sie nicht länger als
Bürgschaft wünschen und die Verfügung über die Güter Ihrer Kinder ihr
freistünde; oder daß Sie sich mit den Ihnen gebotenen Vorteilen wieder
vermählen; oder daß Sie bei ihr bleiben und das ganze Geld zusammen-
gelegt würde. Sie erwähnt im Brief Ihre Entschuldigung hinsichtlich der
beiden ersten Möglichkeiten, denn sie sagt, daß Sie Keuschheit gelobt
und vier recht kleine Kinder, darunter zwei Töchter, haben. Über den
dritten Punkt aber ersehe ich nichts aus ihrem Brief.
Zum ersten Punkt will ich nicht urteilen, ob das von Ihnen abgelegte
Gelübde verpflichtet, keine Befreiung davon zu wünschen, obgleich sie
eine große Übereilung anführt, die einer gerechten Erwägung zuvor-
kommen kann; denn die Reinheit der Keuschheit ist wahrlich von so
hohem Wert, daß sehr glücklich ist, sie bewahren zu können, wer sie
gelobt hat, und nichts ihr vorzuziehen ist als die Notwendigkeit der Lie-
be für die Allgemeinheit.
Bezüglich des zweiten Punktes weiß ich nicht, ob Sie sich rechtmäßig
freimachen können von der Verpflichtung, die Gott Ihnen mit Ihren
Kindern auferlegt hat, indem er Sie zu ihrer Mutter machte, da jene doch
noch so klein sind.
Bezüglich des dritten Punktes aber, gnädige Frau, sage ich Ihnen: In
Fällen so großer Notwendigkeit soll Ihr Vermögen mit der Ihrer Frau
Mutter gemeinsam sein. O Gott, das ist wohl die geringste Gemeinsam-
keit, die man Vater und Mutter schuldet. Ich glaube wohl zu ahnen, aus
welchem Grund scheinbar eine solche Tochter, die Kinder hat, ihre eige-
ne Vermögensverwaltung behalten kann, aber ich weiß ja nicht, ob Sie
338 V. Dalet 1778
diese haben. Wenn ja, denke ich, daß der Grund dafür groß und gewichtig
sein muß, um ihn ganz erkennen und erwägen zu können. Unter Feinden
macht nur äußerster Notfall alles gemeinsam; unter Freunden aber und
noch dazu unter solchen Freunden, wie es Tochter und Mutter sind,
braucht man doch nicht den äußersten Notfall abzuwarten, zu sehr drängt
uns das Gebot Gottes (Ex 20,12; Num 5,16; Eph 6,2). In einem solchen
Fall müssen wir Herz und Augen auf die Vorsehung Gottes richten, der
alles in überreichem Maß zurückstellt, was man auf sein heiliges Geheiß
gibt. Ich sagte schon zuviel, gnädige Frau, denn ich habe Ihnen diesbe-
züglich nichts zu sagen, sondern Ihr mir teures Gewissen in dieser Hin-
sicht auf jene zu verweisen, denen Sie sich anvertrauen.
Im übrigen gibt sich bezüglich Ihrer geistlichen Übungen Ihre Frau
Mutter damit zufrieden, daß Sie diese verrichten, wie Sie es gewohnt
sind. Nur wünscht sie, daß Sie sich nach St. Marien, d. h. in das Kloster
der Heimsuchung, nur zu den großen Festen des Jahres zurückziehen
und außerdem drei Tage in jedem Vierteljahr. Sie können sich auch da-
mit zufriedengeben und durch häufige geistliche Einkehr in Ihrem Haus
die Länge jener Einkehr ergänzen, die Sie im Haus der hl. Maria halten.
O mein Gott, meine liebe Dame, wie sehr müssen wir doch etwas für
Vater und Mutter tun und liebevoll das Übermaß, den Eifer und die
Heftigkeit, beinahe möchte ich sagen, die Aufrichtigkeit ihrer Liebe er-
tragen! Solche Mütter sind doch bewunderswert: sie möchten, denke ich,
immer ihre Kinder, vor allem das einzige, immer unter dem Herzen
tragen. Sie sind oft eifersüchtig; wenn man sich ein wenig außerhalb
ihrer Gegenwart in etwas einläßt, meinen sie gleich, daß man sie nicht
genug lieb hat und daß die Liebe, die man ihnen schuldet, nur durch
Übermaß gemessen werden kann. Wie soll man dem abhelfen? Man
muß Geduld haben und möglichst alles Erforderliche tun, um dem zu
entsprechen. Gott fordert nur gewisse Tage, gewisse Stunden, und seine
Gegenwart läßt gern zu, daß wir auch unserem Vater und unserer Mutter
gegenwärtig seien. Jene aber sind viel leidenschaftlicher; sie fordern viel
mehr Tage, viel mehr Stunden und eine ungeteilte Anwesenheit. Ach,
Gott ist so gut; er läßt sich herab, die Nachgiebigkeit unseres Willens
gegen den unserer Mutter als Unterwerfung unter seinen Willen anzuse-
hen, wenn wir nur sein Wohlgefallen zum Hauptziel unseres Handelns
gesetzt haben.
Sie haben doch Mose und die Propheten, d. h. so viele ausgezeichnete
Diener Gottes; hören Sie auf diese (Lk 16,29). Es ist unrecht von mir, so
lange mit Ihnen zu plaudern, aber ich fand Gefallen daran, ein wenig mit
V. Le Loup 1779 339
einer reinen und keuschen Seele zu sprechen, über die es keinerlei Kla-
gen gibt, außer die, über ein Übermaß an Frömmigkeit; und das ist ein so
seltener und liebenswerter Makel, daß ich die damit Beschuldigte nur
lieben kann. So bin ich immerdar, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener und
gehorsamer Diener ...
3. Wenn es im Gegenteil wahr ist, daß Sie Ihre Kinder, und was ihnen
gehört, und sich selbst ruinieren würden, wenn Sie sich mit den Angele-
genheiten Ihres väterlichen Hauses belasten, ohne deshalb dessen Ruin
verhindern zu können, dann sind Sie – zumindest aus Nächstenliebe –
verpflichtet, es nicht zu tun. Denn wozu ein Haus dem Ruin ausliefern,
um damit noch ein anderes ebenfalls dem Ruin auszusetzen, und wozu
Heilmittel gegen ein unheilbares Leiden einsetzen auf Kosten Ihrer Kin-
der? Wenn Sie also wissen, daß Ihr Beistand unnötig sein wird zur Er-
leichterung der Lage Ihres Vaters, sind Sie verpflichtet, nichts darauf zu
verwenden zum Nachteil der Lage Ihrer Kinder.
4. Wenn Sie ihm aber helfen können, gnädige Frau, ohne Ihre Kinder
spürbar zu schädigen, meine ich, daß Sie es tun sollen. Offenbar könnten
Sie es tun, da Sie das einzige Kind sind und schließlich alles Ihren Kin-
dern bleiben wird, dessen Verkauf Sie verhindern können, da Ihr Vater
und Ihre Frau Mutter keine anderen Erben haben können. Das bedeutet
doch nur, Ihre Mittel mit einer Hand auszugeben und sie mit der ande-
ren wieder zu ergreifen.
5. Und selbst wenn Sie Ihre Frau Mutter mit einem geschäftlichen
Nachteil für Sie zufriedenstellen, scheint mir, daß Sie es tun sollten,
sofern das nicht zu viel zum Schaden Ihrer Kinder geschieht, der Ach-
tung und Liebe wegen, die Sie Ihrer Mutter entgegenzubringen verpflich-
tet sind.
6. Im übrigen denke ich, daß es für Ihre Ruhe und für die Ausführung
Ihres Entschlusses, ständige Keuschheit zu üben, geeigneter wäre, wenn
Sie allein für sich bleiben, vorausgesetzt, daß Sie Ihre Frau Mutter oft
sehen, die – wenn ich ihren Brief recht verstehe – nicht einmal betrübt
wäre, wenn Sie Ordensfrau würden, sofern Sie ihr nur Ihr Vermögen
zukommen ließen, um sie im Besitz der Güter des Hauses zu halten. Sie
wollen keine zweite Ehe eingehen; Sie können auch nicht den entschie-
denen Willen dieser Dame teilen, einen großen Haushalt zu führen und
jeder schicklichen Unterhaltung Tür und Tor zu öffnen; daher sehe ich
nicht ein, warum es nicht angemessener wäre, wenn Sie für sich leben.
Denn nichts ist geeigneter, die Einheit der Herzen von Menschen zu
erhalten, die gegensätzlicher Natur sind, wenn auch voll guter Gemüts-
art und guter Absichten, als wenn sie ein getrenntes Leben führen.
Das ist meine Meinung, gnädige Frau, auf Grund der Kenntnis, die ich
vom Stand Ihrer Angelegenheit habe. Wenn es Gott gefallen hätte, daß
ich Sie in Lyon treffe, welcher Trost wäre das für mich gewesen und wie
viel bestimmter und klarer hätte ich Ihnen meine Einstellung erklären
342 V. Le Loup 1818
können! Da dies aber nicht der Fall war, will ich Ihre Einwände erwar-
ten, wenn es Ihnen scheint, daß ich die Sachlage, wie Sie mir diese darge-
legt haben, nicht richtig verstanden habe, und ich werde mich bemühen,
meinen Fehler gutzumachen. Ich bitte Sie, gnädige Frau, sich von keiner
Erwägung leiten zu lassen, die Ihnen die Freiheit rauben könnte, mir zu
schreiben, bin ich doch und werde es von nun ab ganz und vorbehaltlos
sein, Ihr sehr ergebener und zugeneigter Diener, der Ihnen die Fülle der
Gnaden Unseres Herrn wünscht, vor allem ein ständiges Fortschreiten
in der hochheiligen Anmut der Nächstenliebe und heiligen Demut, der
so liebenswerten christlichen Einfachheit. Ich muß Ihnen sagen, ich fin-
de das Wort in Ihrem Brief sehr lieb, daß Ihr Haus ein ganz gewöhnliches
sei und nichts sonst; denn das ist sehr schön zu hören in einer Zeit, wo
die Kinder der Welt soviel Geschrei machen mit ihren Häusern, ihren
Namen und ihrer Herkunft.
Leben Sie ganz so, meine sehr liebe Tochter, und preisen Sie sich nur
im Kreuz Unseres Herrn glücklich, durch den Ihnen die Welt gekreuzigt
ist und Sie der Welt (Gal 6,14). Amen. Ich nenne mich nochmals von
ganzem Herzen Ihren sehr ergebenen Diener ...
wir sprechen voll Achtung und Liebe von Ihnen. Aber wollen Sie mir
bitte verzeihen: wenn er mir erzählt, wie aufgeregt und beklommen Ihr
Herz war bei der Krankheit der Frau von Dalet; ich kann mich nicht
enthalten, zu sagen, daß mir das übertrieben zu sein scheint. Wenn Sie
aber denken, daß ich meine Meinung zu offen heraussage und unrecht
habe, wie kann ich mich dann entschuldigen? Und doch möchte ich in
keiner Weise etwas von Ihrem Wohlwollen verlieren, denn ich schätze es
hoch ein und achte überaus das Herz, dem es entspringt, und den Geist,
dem es entstammt. Ich will mit einem Wort sagen, Sie haben soviel Macht,
die Herzen zu bewegen, daß mein Herz von den Zügen Ihres Geistes
ganz eingenommen war, sodaß Sie keiner Hilfe bedürfen, um das Herz
der Frau von Dalet zu allem zu bewegen, was Ihnen gefallen wird. Ich bin
sicher, daß nach der Kraft des Geistes Gottes, dem alles folgen muß, Ihre
Kräfte jederzeit die stärkeren sein werden.
Leben Sie für Gott, gnädige Frau, und für die hochheilige Dreifaltig-
keit, in der ich Ihr sehr ergebener Diener bin.
Hochmut und Vermessenheit können einer Seele nicht schaden, die sie
nicht liebt, die alle Tage oftmals zu ihrem Gott mit dem König David
sagt (Ps 73,22.23): „Herr, ich bin ein Nichts vor Dir und ich bin immer
bei Dir.“ Das ist, als ob er sagen wollte: Ich schaue auf Dich, o höchste
Güte, als auf das unendliche Wesen und sehe mich als nichts vor Dir, und
obgleich Du so bist und ich so beschaffen bin, bleibe ich doch immer voll
Vertrauen bei Dir. Mein Nichts hofft auf Deine gütige Unendlichkeit mit
umso größerer Gewißheit, als Du unendlich bist; ich hoffe auf Dich, im
Vergleich zu dem ich wahrhaft ein Nichts bin.
Meine liebe Tochter, bleiben Sie in Frieden bei Ihrer Bitterkeit (Jes
38,17). In der Spitze Ihres Geistes wissen Sie wohl, daß Gott zu gut ist,
um eine Seele zu verwerfen, die nicht heuchlerisch sein will, welche
Versuchungen und Vorstellungen ihr auch widerfahren. Ich will Ihre
Not diesem großen Gott der Fülle und des Überflusses empfehlen, Sie
aber verrichten indessen oft vor ihm sanftmütig Ihre Stoßgebete: Ich bin
Dein, o Herr, rette mich! (Ps 119,94). Er wird es tun, meine sehr liebe
Tochter. Sein heiliger Name sei immerdar gepriesen! Ich bin vorbehalt-
los, gnädige Frau, Ihr sehr ergebener und getreuer Diener.
das genügt einer hochherzigen Seele, um sie jede Art von Entschlüssen
fassen zu lassen.
Ich weiß wohl, daß es viele Einwände gegen das gibt, was ich Ihnen
sage; aber ich glaube schon auch, daß es sich unter solchen Umständen
nicht darum handelt, zu streiten und zu debattieren, sondern darum, die
Grundsätze des Evangeliums zu betrachten. Diese führen uns zweifellos
zur völligen Selbstentäußerung und zur Verachtung irdischer Klugheit,
die sich nicht an die Weisheit der Tugend hält, wie es die Erhabenheit
und Überlegenheit der himmlischen Liebe erfordert.
Wenn sich aber diese teure Tochter Ihres Herzens an die Schranken
hält, gnädige Frau, die ihr Ihre Autorität setzt, nur als Gründerin im
Kloster zu leben, ohne das Kleid und die äußeren Lebensbedingungen zu
ändern, dann glaube ich nicht, daß die klügste menschliche Klugheit
vernünftigerweise sich dagegen aufhalten noch, dessen bin ich sicher,
dagegen murren kann. Denn unter der Voraussetzung der gütigen Für-
sorge Ihres Gatten und Ihrer selbst für Ihre Enkelkinder, für sie und ihre
kleinen Angelegenheiten Sorge zu tragen, und Ihrer Frau Tochter zu
versichern, daß Sie ihr die Möglichkeit geben, vollkommen im Schatten
des Kreuzes zu leben, was kann man da anderes sagen, als daß Gott Ihrer
Tochter die Eingebung geschenkt hat, sich zurückzuziehen, und ihren
Eltern die Eingebung, ihr die Möglichkeit dazu zu geben? Ich weiß, daß
es Anstrengungen kostet, um so große und heroische Tugenden zu üben;
aber daraus ziehen diese Tugenden auch ihren größten Ruhm.
Gnädige Frau, Sie zeigen mir einen Fehler dieser Tochter auf, daß sie
unter Vorbehalt schwört, worauf Sie sich nach Ihren Worten nicht ver-
stehen. Das ist eine der liebenswertesten Eigenschaften, die Sie haben
können, muß ich bekennen, aber ich muß eine andere, überaus wertvolle
anführen, nämlich die, daß Sie diesem Geist gegenüber nicht von Ihrer
mütterlichen Autorität Gebrauch machen, der eher zurückweicht als
pariert, um dem Schlag auszuweichen.
Was aber mich betrifft, gnädige Frau, beteure ich Ihnen, daß ich nicht
zweideutig handle, wenn ich Ihnen wahrhaft verspreche, ich werde mei-
nerseits nur dann zustimmen, daß Frau von Dalet das Ordenskleid der
Heimsuchung trägt, wenn ich durch eine klare Aussage von Ihnen Ihrer
Zustimmung gewiß bin; das bitte ich Sie, mir ehrlich zu glauben. Ich
gebe Ihnen darüber noch klarer mein Wort: Ich habe keine Autorität
über die Heimsuchungsklöster außerhalb meiner Diözese, sodaß ich mich
nur verpflichten kann, nicht zuzustimmen, wohl aber alles zu tun, was
ich vermag, nicht durch Autorität, sondern durch meinen Einfluß, den
346 V. Dalet 1928
ich auf die Oberinnen dieser Klöster zu haben hoffe, besonders auf Frau
Favre, von der ich ganz sicher bin, daß sie darin meiner Anweisung fol-
gen wird. In diesem Sinn gebe ich Ihnen, gnädige Frau, nochmals Sicher-
heit für das vorher Gesagte und zeichne ausdrücklich mit dem damit
gemachten Versprechen ...
Bleiben Sie also in Ihrem weltlichen Gewand, nehmen Sie aber die
Ordensgewohnheiten an, so können Sie Ihrer Frömmigkeit im Kloster
Genüge tun und auch Ihre Frau Mutter zufriedenstellen. Sie leben dabei
nicht weniger nach dem Willen des himmlischen Bräutigams, der nicht
auf das Äußere achtet und von dem Sie wahrhaftig nicht weniger gut
angesehen werden, auch wenn das Aussehen geringer ist. Es bedeutet
nicht wenig, in den Vorhallen des Hauses des Herrn zu weilen.
Ihre Frau Mutter führt mir gegenüber Klagen genug über Ihren Geist,
aber ich kenne gut die mütterliche Eifersucht und kann darin gut die
Aufwallungen der Natur von denen der Gnade unterscheiden. Meine
sehr liebe Tochter, halten Sie sich ganz an das Kreuz Jesu Christi, der für
Sie eine so große Feindschaft gegen sich erduldet hat (Hebr 12,3); er
allein sei Ihr Vorbild und sein Wohlgefallen Ihre einzige Freude.
Ich habe nicht auf all die mütterlichen Klagen antworten wollen, um
mich nicht darin zu verwickeln. Nur hinsichtlich Ihrer Tochter stimme
ich bei, daß sie dieser guten Mutter zurückgegeben werde, solange, bis
sie selbst über ihren Beruf die Wahl treffen kann. Ansonsten gebe ich
bezüglich Ihrer Person alle mir möglichen Versicherungen. Ich glaube,
daß Ihre Frau Mutter sich damit zufriedengeben wird, zumindest ver-
pflichtet sie ihr Ruf dazu, über eine so gute Urteilskraft zu verfügen.
Ich bin im Begriff, diesen Hof zu verlassen, aber ich werde Ihnen schrei-
ben, sobald ich in Annecy bin, wo ich Briefe von Ihnen bei jeder Gele-
genheit erwarte, um zu erfahren, in welchem Zustand sich Ihre heiligen
Angelegenheiten befinden, kann ich doch nicht umhin, zutiefst berührt
zu sein von dem Wunsch nach Ihrem Trost und vor allem nach Ihrer
Vollkommenheit ...
V. Dalet 1938 347
Gnädige Frau!
Ich glaube nun klar zu sehen: Gott, der Sie aus Barmherzigkeit in das
Kloster der Heimsuchung zu seiner reinen Liebe ruft, öffnet Ihnen den
Weg und erleichtert freizügig Ihren Eintritt; darum sage ich Ihnen gera-
deheraus: Verlassen Sie nun tatsächlich die Welt, da Sie bereits der Nei-
gung nach außerhalb von ihr stehen.
Wie könnten Sie sich rechtmäßiger der Sorge um die Person und die
Güter Ihrer Kinder begeben als dadurch, daß Sie diese in die Hände
Ihres Herrn Vaters und Ihrer Frau Mutter legen? Und ist das nicht ein
sichtbarer und fühlbarer Zug der göttlichen Vorsehung, daß dies gesche-
hen kann mit Zustimmung, ja sogar nach dem Wunsch dieser Mutter, die
vor kurzem erst so eifersüchtig auf Ihrem Verbleiben in der Welt be-
stand? Ich bin sicherlich der Meinung, meine sehr liebe Tochter, daß
Gott selbst mit Blumen und Wohlgerüchen die Wege Ihrer Einkehr seg-
net, damit sie sich milde vollziehen und die Schwierigsten sie billigen
und segnen. Denn, was kann man schon sagen? Daß Sie Ihre Kinder
zurücklassen? Ja, aber wo lassen Sie diese? In den Armen ihres Großva-
ters und ihrer Großmutter. Belasten Sie aber Ihren Vater und Ihre Mut-
ter damit? Nein. Sie belasten sie nicht, vielmehr Sie entlasten sie, da es
doch ihrem Willen und Wunsch gemäß geschieht.
So wie Sie mir die ganze Angelegenheit schildern, sehe ich keinerlei
Schwierigkeit, außer für die liebe kleine Tochter, die die Großmutter
aus dem Kloster in das weltliche Treiben herausholt. Denn den Knaben
werden Sie in zwei bis drei Jahren ohnedies nicht länger bei sich behal-
ten, nicht für ihn sorgen können, sondern ihn der Schule oder dem Hof
anvertrauen müssen. Und was die liebe Kleine betrifft, so wird sie,
wenn Gott sie in den Ordensstand beruft, früher oder später dahin
kommen, ungeachtet der Neigungen ihrer Großmutter. Gott wird sich
selbst der Welt bedienen, um sie das Gut des Ordenslebens erkennen
zu lassen. Ich versichere Ihnen, daß dies wahr ist, meine liebe Tochter:
Es geschieht manchmal, daß die im Kloster aufgezogenen Kinder nach-
her die Unterwürfigkeit abschütteln wie Pferde, die man zu sehr unter
den Sattel zwingt.
Die Berufung zum Ordensleben ist eine zu besondere Gnade, als daß
sie durch menschliche Bemühungen und menschliche Klugheit gegeben
werden könnte. Gott gebraucht recht oft die Erziehung für die Berufung;
wenn aber die Erziehung nicht vorsorgt, so schenkt er seine Wohltat
348 V. Rivolat 1802
doch mit Macht und Güte. Daß Sie Gott diese Tochter aufopfern, wird
ihr mehr von Nutzen sein als ihre Erziehung.
Aber mein Geist verliert sich in der Freude über Sie. Ich sage also
einfach, daß ich nichts sehe, was Sie in der Welt zurückhalten könnte,
nicht einmal die Frage des künftigen Berufes Ihrer Tochter, der – noch
ungewiß – nicht der Gewißheit Ihrer Berufung vorgezogen werden soll.
Dieser Ihrer Berufung sollen Sie sorgsam, tatkräftig, eifrig, aber ohne
Überhastung und Unruhe folgen.
Gott, der in Ihnen dieses heilige Werk begonnen hat, möge es recht
vollenden, damit er, nachdem er Sie in das Heimsuchungskloster in die-
sem Leben gezogen und dort bewahrt und erhalten hat, Sie im künftigen
Leben in das ewige Kloster der ständigen Heimsuchung ruft.
Mit diesem aus ganzem Herzen ausgesprochenen Wunsch bin ich ohne
Aufhören und Ausnahme, meine liebe Tochter, Ihr geneigter Diener in
Unserem Herrn.
AN FRAU RIVOLAT
Sie war eine große Dienerin Gottes, die mehrere Male und sechs Mo-
nate hindurch beinahe ständig bei mir gebeichtet hat, besonders wäh-
rend sie damals krank war. Welch großen Fehler beging ich doch, aus
ihrem heiligen Gespräch nicht mehr Gewinn zu ziehen! Denn sie hätte
mir sehr gern ihre ganze Seele aufgeschlossen; aber die überaus große
Ehrfurcht, die ich ihr entgegenbrachte, hielt mich zurück, dies zu verlan-
gen. Man hat ihre Lebensbeschreibung gedruckt, die ich erst gestern er-
hielt. Möge doch Gott wollen, daß ihr Leben genau so geschildert wurde,
wie es verlaufen ist. Ich weiß, daß es so sein wird, da der Verfasser ihres
Lebens ein großer Diener Gottes ist ...
Übrigens soll diese große Angst, von der Sie früher so grausam gequält
wurden, meine liebe Tochter, nun wohl zu Ende sein; haben Sie doch alle
Gewißheit, die man auf dieser Welt haben kann, daß Ihre Sünden durch
das heilige Bußsakrament vollkommen getilgt worden sind. Nein, lassen
Sie ja keine Zweifel aufkommen, ob Sie all die näheren Umstände Ihrer
Fehler genügend erklärt haben; denn alle Theologen stimmen darin über-
ein, daß es keineswegs notwendig ist, alle näheren Umstände, noch das
Zustandekommen der Sünde zu sagen. Wer sagt, ich habe einen Men-
schen getötet, braucht nicht zu sagen, daß er seinen Degen gezogen hat,
noch, daß er damit seinen Eltern Anlaß zu vielem Kummer gegeben hat,
oder daß er jenen Ärgernis gegeben hat, die ihn gesehen haben, und Un-
ruhe in die Straße gebracht, in der er ihn getötet hat; denn all dies ver-
steht sich von selbst, ohne daß man es sagt. Es genügt schon zu sagen, daß
er einen Menschen getötet hat, aus Zorn oder mit Vorbedacht aus Rache,
ob es ein gewöhnlicher Mensch oder einer vom geistlichen Stand war.
Und dann soll er die Beurteilung jenem überlassen, der ihm zuhört. Wer
sagt, daß er ein Haus angezündet hat, braucht nicht im einzelnen anzu-
führen, was sich darin befand; sondern es genügt zu sagen, ob sich Leute
darin befanden oder nicht.
O meine liebe Tochter, bleiben Sie ganz in Frieden; Ihre Beichten sind
überaus gut gewesen. Denken Sie von jetzt an an Ihren Fortschritt im
Tugendleben und nicht mehr an die vergangenen Sünden, außer um sich
in aller Ruhe vor Gott zu demütigen und seine Barmherzigkeit zu prei-
sen, der Ihnen durch die Vermittlung der göttlichen Sakramente verzie-
hen hat.
Die „Anleitung zum frommen Leben“ ist ganz wertvoll und gut für Sie,
meine liebe Tochter. Was Sie entsetzt, ist, daß Sie sogleich so sein möch-
ten, wie sie es vorschreibt. Dabei schärft Ihnen diese Abhandlung doch
ein, meine liebe Tochter, daß es nicht Aufgabe eines Tages, sondern unse-
res ganzen Lebens ist, unser Leben nach ihren Ratschlägen aufzubauen,
und daß wir uns keineswegs wundern sollen über die Unvollkommen-
heiten, die uns inmitten der Mühen dieses Unterfangens zustoßen. Mei-
ne Tochter, die Frömmigkeit ist nicht etwas, das man mit Gewalt in
Besitz nehmen kann; man muß zwar daran arbeiten, aber die große Auf-
gabe hängt vom Vertrauen auf Gott ab, wir müssen sachte, wenn auch
sorgsam darangehen.
Es ist gewiß wahr, daß der Gehorsam Ihnen sehr nützlich sein wird;
und da nach Ihrem Wunsch ich es sein soll, der Ihnen Gesetze auferlegt,
so lesen Sie hier einige davon:
352 V. Amaury 1827
1. Werfen Sie sich einmal am Tag vor Gott auf die Knie und machen
Sie, die Augen zum Himmel erhebend, Gott anbetend, das Kreuzzei-
chen über sich; und erheben Sie sich dann wieder.
2. Verrichten Sie jeden Tag einen Akt der Demut, indem Sie irgendei-
nem Ihrer Diener oder Dienerinnen Guten Tag oder Guten Abend wün-
schen, im Innern zugleich aber diese Person als Ihre Gefährtin betrach-
ten in der Erlösung, die Unser Herr für sie vollbracht hat.
3. Sooft Sie können, sollen Sie Ihre Dienerin Freundin nennen.
4. Sie sollen alle Tage mindestens eine Seite irgendeines geistlichen
Buches lesen.
5. Sie sollen niemals beichten, diese kleinen Gehorsamsübungen ver-
letzt zu haben, selbst wenn Sie diese nicht beobachtet haben, denn sie
verpflichten Sie weder unter schwerer, noch unter läßlicher Sünde; Sie
sollen mich nur von Zeit zu Zeit wissen lassen, ob Sie diese beobachten.
Es wird Ihnen dienlich sein, wenn Sie sich daran gewöhnen, einmal am
Tag meine Seele mit der Ihren der Barmherzigkeit Gottes zu empfehlen
durch irgendein Stoßgebet, wie etwa beim Verlassen der Tafel: O Gott, hab
Mitleid mit uns und nimm uns auf in die Arme Deiner Barmherzigkeit.
Meine Tochter, all das ist von geringer Bedeutung, aber nützlich; und
mit der Zeit werden wir etwas daran ändern oder hinzufügen können.
Werden Sie nicht müde, meine liebe Tochter; Sie müssen Ihren lebhaf-
ten und feinfühligen Geist in die Schule des Kindseins schicken. Gehen
Sie ganz sachte vor, und Gott wird Sie groß werden lassen. Schreiben Sie
mir, wann es Ihnen gefallen wird.
Ich muß Schluß machen, meine liebe Tochter. Gott sei immerdar in-
mitten Ihrer teuren Seele und ich bin ganz und gar, von ganzem Herzen
und mit einer ganz aufrichtigen väterlichen Zuneigung Ihr sehr ergebe-
ner Diener.
AN FRAU AMAURY
und hegen wird, da Sie doch ihm angehören und nicht mehr sich selbst;
denn dabei erinnere ich mich mit unvergleichlicher Freude des Tages, an
dem Sie, hingeworfen zu Füßen seiner Barmherzigkeit, nach Ihrer Beich-
te ihm Ihre Person und Ihr Leben weihten, um in allem und überall
demütig und kindlich seinem hochheiligen Willen unterworfen zu blei-
ben.
So sei es, meine liebe Tochter, und ich bin unwiderruflich Ihr sehr
ergebener und gehorsamer Diener ...
O mein Gott, meine liebe Tochter, über welch verschiedenartige Mit-
tel verfügt doch diese ewige Vorsehung, um die Ihren zu beschenken!
AN MADAME BAUDEAU
gab, die doch nicht an ihn denken und ihm keine Loblieder singen, die zu
seinem Preis versammelten Dienerinnen ohne Kloster lassen?
Meine Tochter, ich bin immer mehr vollständig Ihr stets sehr ergebe-
ner Diener ...
AN EINEN FREUND
AN FRÄULEIN JOUSSE
AN EINE DAME
fern, weil sie Dir gehört, so wie sie ist. Aber obgleich meine menschliche
Klugheit mich dazu treibt und geneigt macht, so würde ich es doch nicht
tun, Herr, wenn ich wüßte, daß es nicht nach Deinem Wohlgefallen wäre,
trotz menschlicher Klugheit des niedrigen Bereiches meiner Seele. Ich
würde diese menschliche Klugheit, die ich wohl fühle, der ich aber nicht
zuzustimmen wünsche, zurückweisen und Deinen Willen annehmen, den
mein Herz gefühlsmäßig nicht erkennt, dem es aber gemäß seinem Ent-
schluß zustimmt.
O meine liebe Tochter, bei jedem Anlaß plagt uns der menschliche
Geist mit seinen Bestrebungen und mischt sich auf lästige Weise in unse-
re Angelegenheiten ein! Wir sind nicht heiliger als der heilige Apostel
Paulus, der zwei Willensrichtungen in seiner Seele fühlte: das eine Wol-
len gemäß dem alten Menschen und der weltlichen Klugheit, und dieses
war mehr fühlbar; und das andere Wollen nach dem Geist Gottes, das er
zwar weniger fühlte, das aber dennoch vorherrschte und dem er im Le-
ben folgte (Röm 7,21-23). So rief er einerseits aus: „O ich unglückseli-
ger Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Todesleib?“ (Röm 7,24),
und vermochte andererseits doch zu sagen: „Nicht mehr ich lebe, son-
dern Jesus Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).
Bei jedem Schritt beinahe müssen wir uns zu der Ergebung durchrin-
gen, die Unser Herr uns gelehrt hat: Nicht mein Wille geschehe, sondern
der Deine, o ewiger Vater! (Lk 22,42).
Haben Sie das getan, dann lassen Sie die menschliche Klugheit kläffen,
soviel sie will, das Werk wird nicht mehr das ihre sein; und Sie können
ihr sagen, was die Samariter zu der Samariterin gesagt haben, nachdem
sie Unseren Herrn gehört hatten: „Nicht deines Wortes wegen glauben
wir, sondern weil wir selbst ihn gesehen und gehört haben“ (Joh 4,42).
Nicht der weltlichen Klugheit zufolge treffen Sie diesen Entschluß, wenn
sie auch Ihren Willen angetrieben hat, sondern weil Sie erkannt haben,
daß er Gott wohlgefällig ist. So können Sie den göttlichen Willen anneh-
men und dadurch den menschlichen Willen korrigieren.
Bleiben Sie in Frieden, meine liebe Tochter, und dienen Sie Gott in
der Plage und Beschwerlichkeit Ihrer Schwangerschaft und Niederkunft,
die Sie ebenfalls nach seinem Wohlgefallen auf sich nehmen. Ich bitte
seine höchste Güte, er möge Sie mit seinen Segnungen überhäufen. Sie
aber bitte ich, mich immer in ihm und um seinetwillen zu lieben, der
mich in voller Wahrheit zu Ihrem sehr ergebenen Diener gemacht hat.
V. Vaudan 1879 – Miolans 1881 359
mag. Das Herz, das sich mit dem Herzen Gottes vereinigt, kann nicht
umhin, schließlich und endlich sogar die Pfeile zu lieben und ruhig zu
empfangen, die die Hand Gottes auf dieses Herz abschießt.
Ihre heilige Blandine empfand keine größere Erleichterung inmitten
der Leiden ihres Martyriums als den heiligen Gedanken, den sie unter
Seufzen mit den drei innigen Worten ausdrückte: „Ich bin Christin.“
Glückselig ein Herz, das diesen Seufzer richtig anzuwenden weiß!
Gnädige Frau, ich möchte Ihnen gern zur Linderung Ihres Schmerzes
sagen, wer sein Herz freimachen will von den Übeln der Erde, muß es im
Himmel bergen. David sagt (Ps 31,21), daß wir unseren Geist im Ge-
heimnis des Antlitzes Gottes und auf dem Grund seines heiligen Taber-
nakels bergen müssen. Schauen Sie viel auf die Ewigkeit, auf die Sie
hinstreben; Sie werden finden, daß alles, was nicht dieser unendlichen
Dauer zugehört, unseren Mut nicht erschüttern darf. Ihr teurer Sohn ist
unter guten Vorzeichen von dieser Welt in die andere gegangen, indem er
seine Pflicht gegen Gott und den König tat. Betrachten Sie diesen Heim-
gang nur mehr im Hinblick auf die Ewigkeit.
Gnädige Frau, man drängt mich, diesen Brief zu beenden, der ohne-
dies zu lange dafür ist, daß er so wenig überdacht wurde. Ich preise Gott
dafür, daß die Schwestern der hl. Maria Ihnen bei Ihrer Zurückgezogen-
heit behilflich sein konnten und daß er Sie für Ihre Einkehr eben diese
Wahl treffen ließ. Ich weiß, daß Sie sich durch Ihren Aufenthalt inmitten
Ihrer Armseligkeit sehr geehrt und erbaut fühlen und ausgezeichnet da-
durch, daß der Herr Erzbischof die Güte hatte, Ihnen diesen Auftrag zu
geben. Dieser wird Ihnen immer sehr teuer sein, besonders wenn es Ih-
nen zum Trost gereicht. Ich bin immerdar von ganzem Herzen, gnädige
Frau, Ihr sehr ergebener und gehorsamer Diener in Unserem Herrn ...
Aber sehen Sie, die Bewohner dieses Hügels müssen von allen weltli-
chen Gewohnheiten und Neigungen entblößt sein, wie ihr König am
Kreuz seiner Kleider beraubt war, die, obwohl heilig, doch entheiligt
wurden, als die Henker sie ihm im Haus des Pilatus vom Leib rissen. –
Hüten Sie sich wohl, meine liebe Tochter, zum Festmahl des Kreuzes,
das tausend- und abertausendmal köstlicher ist als jene weltlichen Trau-
ungen, ohne das weiße Kleid zu kommen, das ganz leuchtend und rein
von allen Absichten ist, außer dem Lamm zu gefallen.
O meine liebe Tochter, wie liebenswert ist die Ewigkeit des Himmels
und wie armselig sind die Augenblicke der Erde! Schauen Sie immerfort
nach dieser Ewigkeit und verachten Sie kühn die Hinfälligkeit der Au-
genblicke dieser Sterblichkeit.
Lassen Sie sich nicht fortreißen zu Ängsten wegen der vergangenen
Irrungen, noch zu Befürchtungen künftiger Schwierigkeiten in diesem
gekreuzigten Leben des Ordens. Sagen Sie nicht: Wie werde ich die Welt
und die weltlichen Dinge vergessen? Ihr himmlischer Vater weiß, daß
Sie dieses Vergessen nötig haben, und er wird es Ihnen schenken, voraus-
gesetzt, daß Sie wie eine Tochter des Vertrauens sich ganz und treu in
seine Hände werfen.
Unsere Mutter, Ihre Oberin, schreibt mir, daß Sie sehr gute natürliche
Anlagen haben. Meine liebe Tochter, das sind Güter, über deren Ge-
brauch Sie einst Rechenschaft ablegen müssen. Bemühen Sie sich, diese
gut zu verwenden im Dienst dessen, der sie Ihnen gegeben hat. Pfropfen
Sie auf dieses wilde Holz die Satzungen der göttlichen Liebe, die Gott
Ihnen zu schenken bereit ist, wenn Sie sich durch eine vollkommene
Verleugnung Ihrer selbst bereit machen, sie zu empfangen.
Alles übrige habe ich der Mutter gesagt. Ihnen habe ich sonst nichts
mehr zu sagen, als daß ich, da Gott es will, von ganzem Herzen Ihr sehr
ergebener Bruder und Diener bin ...
AN EINE DAME
sehr sind Sie doch dieser ewigen Liebe verpflichtet, die so gut und mild
zu Ihnen ist und wie ein guter Vater so sehr Sorge dafür trägt, Ihnen
ständig den Wunsch einzugeben, ganz ihm gehören zu wollen. Wie könn-
ten Sie jemals seine väterlichen Mahnungen ablehnen, wie den heiligen
und wertvollen Pakt brechen, den er mit Ihnen abgeschlossen hat, durch
den er sich völlig Ihnen schenkt, wenn Sie nur ganz die Seine sein wol-
len? Seien Sie es jetzt rückhaltlos, meine liebe Tochter, und ohne irgend-
welche Bedingung. Das ist der große und unabänderliche Wunsch, den
ich für Sie und für mich hege, weil er allein uns beim Verlassen dieser
Welt trösten kann, wenn er beobachtet und durchgeführt wird.
Da Sie den Wunsch danach haben, meine liebe Tochter, bin ich ganz
einverstanden, daß Sie alle acht Tage die heilige Kommunion empfan-
gen; bin ich doch sicher, daß Sie in dem Maße, als Sie sich öfter diesem
göttlichen Heiland nähern, ebenso versuchen werden, in seinem Dienst
ihm mehr Liebe und Treue zu erweisen, und daß Sie sich am Tag Ihrer
Kommunion hüten werden, den Menschen Ihrer Umgebung Anlaß zu
dem Gedanken zu geben, Sie achteten nicht hoch genug die Ehre, Jesus,
Ihr Heil, zu empfangen ...
Die hier aufgenommenen Briefe aus Band XXI der „Oeuvres“ sind sicher
echt. ausgenommen Nr. 1989-1994, die erstmals von Datta ohne Angabe der
Quellen veröffentlicht wurden: ihre Echtheit ist nicht ganz gesichert.
... Mein Bruder, wer hindert Sie daran, heilig zu sein? Und was wollen
Sie denn, was Sie dafür nicht tun könnten? Ein armer Mann kann in
Wahrheit schon heilig sein; ein mächtiger Herr aber, wie Sie es sind,
kann es nicht allein, sondern er soll noch ebensoviele Heilige machen,
als es Zeugen seiner Handlungen gibt ...
Gehen Sie und danken Sie Unserem Herrn für die glückliche Einge-
bung, die er Ihnen geschenkt hat, Sie aus dieser großzügigen und aus-
schweifenden Lebensweise herauszulösen, der Menschen Ihres Alters
und Ihrer Lebenslage zu folgen gewohnt sind, durch die sie gewöhnlich
in tausenderlei Arten von Lasterhaftem und Unschicklichem und von da
oft genug in die ewige Verdammnis geraten.
Um aber diese göttliche Berufung reifen und Sie klarer den Stand er-
kennen zu lassen, den Sie zur größeren Genugtuung dieser unendlichen
Barmherzigkeit wählen sollen, die Sie zu ihrer vollkommenen Liebe
einlädt, rate ich Ihnen, für die drei folgenden Monate diese Übungen zu
befolgen:
Verzichten Sie erstens auf einige Befriedigungen der Sinne, die Sie
sich sonst erlauben könnten, ohne Gott zu beleidigen; stehen Sie deshalb
immer um sechs Uhr morgens auf, gleichgültig, ob Sie nun gut oder
schlecht geschlafen haben, außer wenn Sie krank sind, denn dann müßte
man der Krankheit Zugeständnisse machen. Damit Sie an den Freitagen
364 VI. Ein Edelmann 1971
noch etwas mehr tun, stehen Sie da um fünf Uhr auf. Diese Übung wird
Ihnen mehr Zeit schenken, das betrachtende Gebet und die Lesung zu
pflegen.
Ebenso gewöhnen Sie sich daran, alle Tage vor oder nach dem betrach-
tenden Gebet fünfzehn Vaterunser und fünfzehn Ave mit ausgebreiteten
Armen zu beten.
Verzichten Sie außerdem auf die Gaumenfreuden, indem Sie von den
am wenigsten schmackhaften Speisen der Tafel essen, vorausgesetzt, daß
sie nicht unbekömmlich sind, und jene Speisen stehen lassen, für die Ihr
Geschmack am meisten Neigung verspürt. Auch möchte ich, daß Sie
sich einige Male in der Woche angekleidet niederlegen.
Diese kleinen und bescheidenen Härten werden Ihnen in doppeltem
Sinn dienen: einmal um leichter die Ihrem Geist erforderliche Erleuch-
tung für seine Wahl zu erlangen, denn die Schwächung des Leibes erhebt
den Geist in wunderbarer Weise bei jenen, die ihre Kräfte und Gesundheit
besitzen; zum anderen aber, um körperliche Strenge zu versuchen und zu
erproben, damit Sie sehen, ob Sie solche ertragen können und welches
Widerstreben Sie dabei empfinden. Denn ein solcher Versuch ist Ihnen
notwendig zur Erprobung Ihrer schwachen Neigung, sich von der Welt
zurückzuziehen. Und wenn Sie getreu sind in der Übung des Geringen,
das ich Ihnen vorschlage, wird man beurteilen können, ob Sie es im Gro-
ßen sein werden (Mt 25,23), das im Ordensleben verlangt wird.
Bitten Sie inständig Unseren Herrn, er möge Sie erleuchten, und sagen
Sie ihm oft das Wort des hl. Paulus (Apg 9,6): „Herr, was willst Du, daß ich
tun soll?“; und das Wort Davids (Ps 143,10): „Lehre mich Deinen Willen
zu tun, denn Du bist mein Gott.“ Vor allem aber, wenn Sie nachts erwa-
chen, verwenden Sie diese Zeit gut, um ganz allein mit Unserem Herrn
über Ihre Wahl zu sprechen; beteuern Sie oft seiner Majestät, daß Sie die
Verfügung über alle Augenblicke Ihres Lebens ihm überlassen und in sei-
ne Hände legen, er möge sie nach seinem Gutdünken gebrauchen.
Unterlassen Sie nie das betrachtende Gebet am Morgen, und – wenn
Sie es können – am Abend vor dem Essen eine kurze Einkehr, um Ihr
Herz zu Unserem Herrn zu erheben.
Suchen Sie Erholungen, die Kraft erfordern, wie Reiten, Springen und
dergleichen, nicht aber weichliche wie Kartenspielen und Tanzen. Wenn
Sie es aber in diesen zu irgendwelchen Ehren gebracht haben, dann sagen
Sie: Wozu dient mir all das für die Ewigkeit?
Kommunizieren Sie jeden Sonntag und bitten Sie dabei immer um die
notwendige Erleuchtung. An diesen Festtagen könnten Sie gleichsam als
VI. Student 1973 – Adeliger 1974 365
Übung die heiligen Stätten der Kapuziner, des hl. Bernhard und der
Kartäuser3 besuchen. Wenn Sie spüren, daß die Eingebung zum Ordens-
leben an Kraft gewinnt und Ihr Herz dazu gedrängt wird, dann bespre-
chen Sie dies mit Ihrem Beichtvater. Falls Sie eine Entscheidung treffen,
bereiten Sie Ihren Großvater darauf vor, damit so wenig als möglich der
Ärger und das Mißfallen über Ihren Eintritt ins Kloster auf das Ordens-
leben falle und Sie allein dafür verantwortlich gemacht werden.
Gott möge Ihnen seinen Frieden, seine Gnade, seine Erleuchtung und
seinen hochheiligen Trost schenken.
Werter Herr!
Es ist mir gewiß ein großer Kummer zu wissen, wieviel Schmerzen Sie
in dieser schweren und unangenehmen Krankheit zu ertragen hatten,
von der Sie sich jetzt erholen, wie ich hoffe. Ich wäre über sie noch viel
mehr beunruhigt gewesen, wenn man mir nicht von allen Seiten versi-
366 VI. Ein Adeliger 1974
chert hätte, daß Sie, Gott sei Dank, in keiner Weise in Gefahr waren und
nun wieder anfangen, Kräfte zu gewinnen, und sich auf dem Weg der
Genesung befinden.
Mehr Sorge macht mir aber jetzt, daß man sich erzählt, Sie seien außer
dem Übel durch körperliche Leiden auch noch von einer heftigen Me-
lancholie befallen. Ich stelle mir vor, wie sehr das die vollständige Wie-
derkehr Ihrer Gesundheit verzögern und eine entgegengesetzte Wirkung
hervorbringen muß. Darüber bin ich nun sehr bedrückt und bei der Grö-
ße lebendiger und inniger Zuneigung, mit der ich Sie mehr liebe, als sich
sagen läßt, empfinde ich auch ein überaus großes Mitgefühl mit Ihnen.
Wenn es Ihnen recht ist, dann sagen Sie mir bitte, welchen Anlaß Sie
haben, eine solch traurige Gemütsverfassung zu hegen, die Ihnen so zum
Nachteil gereicht. Ich frage mich, ob Ihr Geist noch von irgendwelcher
Furcht vor einem plötzlichen Tod und dem Gericht Gottes verwirrt ist.
Ach, welche eigenartige Qual ist dies doch! Meine Seele, die eine solche
einmal sechs Wochen hindurch erlitten hatte,4 ist wohl geeignet, mit
jenen Mitleid zu empfinden, die davon bedrückt werden. Ich muß aber,
von Herz zu Herz, ein wenig mit Ihnen sprechen und Ihnen sagen, wer
immer den aufrichtigen Wunsch hat, Unserem Herrn zu dienen und die
Sünde zu meiden, darf sich in keiner Weise vom Gedanken an den Tod
oder das göttliche Gericht quälen lassen; denn wenn auch das eine wie
das andere zu fürchten ist, so darf es doch keine Furcht jener schreckli-
chen und furchtbaren Art sein, die die Kraft und Stärke des Geistes
lähmt und bedrückt, sondern eine Furcht, die vom Vertrauen auf die
Güte Gottes so sehr durchdrungen ist, daß sie dadurch milde wird.
Wir sollen nicht zweifeln, ob wir auf Gott vertrauen dürfen, wenn wir
Schwierigkeiten verspüren, uns vor der Sünde zu bewahren, oder wenn
wir Mißtrauen oder Angst verspüren, daß wir bei Gelegenheiten und
Versuchungen nicht widerstehen könnten. O nein, denn das Mißtrauen
gegen unsere Kräfte ist nicht ein Mangel an Entschlossenheit, sondern
eine echte Erkenntnis unserer Armseligkeit. Besser ein Gefühl des Miß-
trauens, ob wir den Versuchungen werden widerstehen können, als daß
wir uns für sicher und stark genug halten, sofern wir von der Gnade
Gottes erwarten, was wir nicht von unseren Kräften erhoffen. Viele ha-
ben freudig versprochen, Wunderbares für Gott zu vollbringen; wenn es
aber so weit war, haben sie versagt. Viele, die ihren Kräften schwer miß-
trauten und in großer Furcht schwebten, im Ernstfall zu versagen, haben
andererseits im Kampf Wunderbares vollbracht, weil dieses starke Be-
wußtsein ihrer Schwäche sie dazu getrieben hat, die Hilfe und den Bei-
VI. Ein Adeliger 1974 367
Gnädige Frau!
Möge es Gott gefallen, daß ich ebensoviel Freiheit hätte wie dieser
Briefüberbringer, dorthin zu gehen, wohin ich möchte! Sie würden mich
dann zumindest jedes Jahr eine Zeitlang bei Ihnen sehen mit der Befrie-
digung, die Kinder in der Gegenwart ihrer guten Mutter empfinden; denn
Ihr Wohlwollen und meine Zuneigung verursachen dies Ihnen gegen-
über. Da Gott mich aber einspannen wollte wie ein störrisches Pferd,
damit ich auf diesem Feld bleibe, so muß ich mich schon darein fügen.
Sein heiliger Wille geschehe. Doch ich möchte meinen Willen noch füg-
samer unter diese allerhöchste Vorsehung beugen, daß nicht nur meine
Neigungen auf das Wollen Gottes ausgerichtet seien, sondern daß ich
auch sein heiliges Wollen zärtlich und innig liebe.
Darum, gnädige Frau, meine liebe und gute Mutter, dienen Sie weiter-
hin dieser höchsten Güte in Aufrichtigkeit und Milde des Geistes, da
diese Sie doch mit soviel Liebe und Güte und so früh dazu eingeladen
hat. Ordnen Sie Ihre Affekte ganz der Liebe des großen Heilands unter
und hüten Sie sich, unter welchem Vorwand immer, irgendeinen zu he-
gen, dem nicht das Siegel des himmlischen Königs aufgeprägt ist. Lieben
Sie womöglich den Willen Gottes nicht deshalb, weil er dem Ihren ent-
spricht; sondern lieben Sie Ihren Willen, wenn und weil er dem Willen
Gottes entspricht.
Ich bin weit entfernt von solcher Lauterkeit; helfen Sie mir bitte durch
VI. Eine Dame 1977 369
langt, die ihm dienen. Sie sollten darum den Entschluß fassen, sich gut in
dieser Tugend zu üben, besonders bei den beiden Menschen, gegen die
Sie am meisten Verpflichtung haben. Sie müssen in Angriff nehmen, sich
selbst darin tapfer zu befehlen und sich hundertemale des Tages daran zu
erinnern, indem Sie Gott dieses gute Vorhaben empfehlen. Denn ich
finde nicht, daß Sie viel tun müssen, um Ihre Seele dem Willen Gottes
gut unterzuordnen, außer diese von Tag zu Tag zu besänftigen, indem Sie
Ihr Vertrauen auf seine Güte setzen.
Sie werden glücklich sein, meine liebe Tochter, wenn Sie so handeln,
denn Gott wird inmitten Ihres Herzens wohnen und hier in aller Stille
herrschen. Wenn Ihnen aber irgendeine Verfehlung unterläuft, dann ver-
lieren Sie nicht den Mut, sondern erheben Sie sich sogleich wieder, nicht
mehr und nicht weniger, als ob Sie nicht gefallen wären. Dieses Leben ist
kurz und ist uns nur gegeben, um das andere Leben zu gewinnen; und Sie
werden es gut verwenden, wenn Sie diesen zwei Menschen gegenüber
sanft sind, mit denen Gott Sie zusammengeführt hat.
Beten Sie für meine Seele, daß Gott sie an sich ziehen möge. Ich bin
ganz der Ihre.
nichts kommt aus dieser göttlichen Hand, das Seelen, die ihn fürchten,
nicht von Nutzen wäre, sei es nun, um sie zu läutern oder um sie in seiner
heiligen Liebe zu veredeln. Meine liebe Tochter, Sie werden glücklich
sein, wenn Sie mit kindlich-liebevollem Herzen annehmen, was Unser
Herr Ihnen mit einem um Ihre Vollkommenheit so väterlich besorgten
Herzen schickt. Halten Sie sich nur oft die Dauer der Ewigkeit vor Au-
gen, und Sie werden nicht in Verwirrung geraten über die Wechselfälle
dieses sterblichen Lebens. So sei es.
Meine liebe Tochter, Sie haben immer Anteil an meinen schwachen
Gebeten und gerade jetzt bin ich im Begriff, Ihr geliebtes Herz dem
himmlischen Vater in Vereinigung mit dem Herzen seines vielgeliebten
Sohnes in der heiligen Messe darzubringen. Meine liebe Tochter, ich bin
unwandelbar Ihr in Unserem Herrn Ihnen sehr zugeneigter Diener.
Herrlichkeit zu formen, die Sie erwartet, wenn Sie bis zu deren Besitz
liebevoll die Dornenkrone tragen mit Ihrem König, der soviel leiden
wollte, um in seine Glückseligkeit einzugehen.
Sie sehen, daß mein Herz sich weitet, da ich mit Ihnen spreche. Es ist
eine Aufwallung der Liebe, die es für Ihr Herz hegt. Ich bitte Sie auch um
das gleiche vor Gott, um seine Barmherzigkeit auf mich herabzuflehen,
der ich in Wahrheit Ihr sehr ergebener Diener bin.
... O Gott, wie viel beständiger und inniger sind doch die auf dem
festen Grund der göttlichen Liebe begründeten Freundschaften als jene,
die auf Fleisch und Blut und weltlicher Achtung aufbauen!
Seien Sie nicht verwirrt ob Ihrer Trockenheiten und Dürre, sondern
trösten Sie sich im obersten Bereich Ihres Geistes und denken Sie daran,
was unser Herr uns gesagt hat (Mt 5,3.6): „Selig die Armen im Geiste;
selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit.“ Welches Glück,
Gott in der Wüste ohne Manna, ohne Wasser und ohne anderen Trost zu
dienen, als dem, unter seiner Führung zu stehen und für ihn zu leiden!
Die hochheilige Jungfrau möge in unseren Herzen geboren werden,
um uns ihren Segen zu bringen. Ich bin in ihr und in ihrem Sohn voll und
ganz der Ihre.
VI. Ein Fräulein 1987, 1988 375
Auf den ersten Teil Ihres Briefes an Frau N., von dem Sie gewünscht
haben, daß er mir zur Kenntnis gelange, meine liebe Tochter, will ich
Ihnen sagen, wenn Herr N. nichts anderes vorzubringen weiß als das, was
Sie aufzeigen, würden wir ihn, falls er mit uns zu tun hätte, bei hoher
Strafe verurteilen, Sie zu heiraten; denn es gibt keinen Grund dafür, daß
er aus Erwägungen heraus nun sein Wort brechen will, die er vor seinem
Versprechen anstellen konnte und mußte. Ich weiß allerdings nicht, wie
solche Sachen drüben in Frankreich gehandhabt werden, wo man oft
nicht den Regeln folgt, die wir in unseren kirchlichen Belangen haben.
Im übrigen hatte mein Wunsch, meine liebe Tochter, Sie von der Ver-
folgung dieses üblen Prozesses abzuhalten, seinen Ursprung nicht im
376 VI. Eine Unbekannte 1989
bereitet. Ich will wohl, daß Sie diesen Verlust beweinen, das ist vernünf-
tig; ich will aber auch, daß Sie sich nicht zügellos den Tränen hingeben,
sondern bei dieser Gelegenheit zeigen, bereits so viel an Tugend gewonnen
zu haben, daß Sie viel mehr auf der Ewigkeit begründet sind als auf dem
Bild dieser Welt (1 Kor 7,31). Betrachten Sie diesen plötzlichen Tod, der
der Verschiedenen keine Zeit mehr gelassen hat, richtig Abschied zu neh-
men von den Menschen, die sie liebte. In der Hoffnung, daß sie in der
Gnade Unseres Herrn hingegangen ist, wollen wir rechtzeitig Abschied
nehmen, gern auf die Welt und all ihre Eitelkeit verzichten und unsere
Herzen in die glückselige Ewigkeit hineinstellen, die unser harrt.
Ach, meine arme Tochter, mein Herz leidet mit dem Ihren und be-
schwört dieses, ganz Ihm zu gehören, der uns vom Tod zum Leben wie-
der erwecken wird und der uns seine ewigen Segnungen vorbereitet hat.
Möge immerdar sein heiliger Name gepriesen sein!
sein. Diese gute Schwester hatte gut zu Gott gebetet; daraufhin ist sie vor
ihm entrückt worden. Wir müssen hoffen, daß Unser Herr es so zu ihrem
Besten verfügt hat. Bleiben wir in Frieden, in der Erwartung, daß er über
uns verfügt.
Meine Tochter, kümmern wir uns wenig um diese Welt, nur soweit, als
sie uns als Planke dient, um besser zur anderen Welt gelangen zu können.
Ich bin ganz der Ihre in Ihm, der sich ganz uns zu eigen gab, da er auf dem
Kreuzesstamm starb.
Ich will Ihnen keinen anderen Trost vor Augen führen, meine liebe
Tochter, als den gekreuzigten Jesus Christus, bei dessen Anblick Ihr
Glaube Sie trösten wird; denn nach diesem Tod des Heilands ist aller
Tod glückselig für jene, die wie der Verstorbene, von dem ich spreche, im
Schoß der heiligen Kirche und mit ihrem Beistand sterben; und wer sich
rühmt im Tod Unseres Herrn, der kann niemals verzweifeln am Tod
jener, die er zurückgekauft und als die Seinen aufgenommen hat.
Meine Tochter, wer nach der Ewigkeit trachtet, tröstet sich leicht über
die Widrigkeiten dieses Lebens, das doch nur unbedeutende, schwache
und kurze Augenblicke dauert (2 Kor 4,17). In dieser Ewigkeit werden
wir uns neuerlich der Gesellschaft der Unsrigen erfreuen, ohne jemals
mehr die Trennung von ihnen fürchten zu müssen.
Ich bin es gewohnt, allen Seelen zu sagen, die sich an mich wenden, daß
wir das Herz nach oben erheben müssen, wie die Kirche im heiligen
Opfer sagt; besonders aber sage ich es Ihnen, die Sie so ganz besonders
meine Tochter sind. Leben Sie mit großmütigen und hochherzigen Ge-
danken, die Sie dieser Ewigkeit und dieser heiligen Vorsehung verbun-
den halten; sie hat ja diese sterblichen Augenblicke nur für dieses ewige
Leben bereitet. Ein solcherart hochherzig erhobenes Herz ist immer
demütig, steht es doch in der Wahrheit und nicht in der Eitelkeit; es ist
milde und friedvoll, denn es gibt sich nicht mit dem ab, was es stören
kann. Wenn ich aber sage, daß es milde und friedvoll ist, will ich nicht
sagen, daß es nicht Schmerz oder Betrübnis fühlt. Nein, gewiß, meine
liebe Tochter, das sage ich nicht; aber ich sage, daß die Leiden, die Sor-
gen, die Heimsuchungen begleitet sind von einem so festen Entschluß,
sie für Gott zu leiden, daß diese ganze Bitterkeit, so bitter sie auch sei, in
Frieden (Jes 38,17) und in der Stille ist.
Ich schreibe Ihnen sehr gedrängt und bevor ich noch einen Ihrer Ver-
wandten gesehen habe; ich werde Ihnen gewöhnlich auf gleiche Art schrei-
ben, da ich die Gelegenheit nicht verlieren will. Ich bin mit einer Zunei-
gung ohnegleichen Ihr ...
Ich kannte diese gute verstorbene Schwester nicht nur vom Sehen her,
sondern auch durch eine Mitteilung ihrer Seele, die sie mir bei meinem
Besuch machte. Es ist ungefähr ein Jahr her, seit ich ihr den Habit des
Dritten Ordens der Karmelitinnen sandte, den sie mich aus Frömmig-
keit für sie anzufordern bat. Bei dessen Empfang legte sie eine General-
beichte bei einem sehr fähigen Priester ab, der es mir schrieb oder sagte,
wie ich gut weiß. Nun, meine liebe Tochter, war das nicht eine Fügung
der Güte Gottes für sie, um sie ein Jahr später an sich zu ziehen? Darum
sei Ehre dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.
Ja, liebe Tochter, weinen Sie ein wenig um diese Hingeschiedene, denn
auch Unser Herr weinte ein wenig über seinen teuren Lazarus (Joh 11,35);
es sollen aber nicht Tränen des Bedauerns, sondern eines heiligen christli-
chen Mitgefühls und eines Herzens sein, das wie das Herz Josefs aus Zärt-
lichkeit weint (Gen 43,30; 45,2; 46,29) und nicht aus Stolz, wie das Herz
Esaus (Gen 27,38). Bei solchen Anlässen müssen wir mit einer heiligen
Liebe uns ergeben dem Wohlgefallen des gütigen Jesus fügen.
Aber sagen Sie mir, meine Tochter, wann werden wir denn in dieses
Vaterland eingehen, das uns erwartet? Ach, da stehen wir nun am Vor-
abend unseres Heimgangs, und doch beweinen wir jene, die dahin gegan-
gen sind! Es ist doch ein gutes Vorzeichen für diese Seele, daß sie so viel
Leid durchgemacht hat. Da sie so mit Dornen gekrönt wurde, müssen wir
glauben, daß sie nun eine Krone von Rosen haben wird. Möge also diese
gute Schwester nun ihre ewige Ruhe empfangen im Schoß der Barmher-
zigkeit Gottes. Wenn meine Gebete ihr dieses Gut schneller zuteil wer-
den lassen können, verspreche ich es ihr gern, und wenn ich ihren Platz
in Ihrer Freundschaft einnehmen könnte, würde ich Sie auch gern darum
bitten. Zumindest erlauben Sie mir, daß ich den Platz behalte, den ich
darin einnehme. Möge in dem Maße, als Ihre zeitlichen Verwandten von
Ihnen gehen, die mehr als väterliche Liebe, die ich für Sie hege und die
ich Ihnen in aller Treue geschenkt habe, an Innigkeit und heiligem Eifer
wachsen.
Meine Tochter, ergreifen Sie die Linnenstreifen Unseres Herrn oder
das Leichentuch, in das er im Grab gehüllt war, und trocknen Sie Ihre
Tränen damit. Wahrlich, auch ich weine sehr bei solchen Anlässen und
mein in himmlischen Belangen so steinernes Herz vergießt Tränen bei
solchen Anlässen; immer aber – Gott sei gelobt – ergeben und, um zu
Ihnen wie zu meiner teuren Tochter zu sprechen, immer mit einem tie-
fen Gefühl hingebender Liebe zur Vorsehung Gottes; denn seitdem Un-
ser Herr den Tod geliebt hat und uns seinen Tod zum Gegenstand seiner
VI. Ein Fräulein 1997 383
Liebe gegeben hat, kann ich weder den Tod meiner Schwestern, noch
irgendeiner anderen Person übel aufnehmen, wenn er in der Liebe zu
diesem heiligen Tod meines Heilands eintritt. Möge er immerdar in un-
seren Herzen leben und herrschen. Amen.
Ich bin in ihm wahrhaftig ganz der Ihre.
Möge immerdar der gute Jesus Ihre Süßigkeit und Ihr Honig sein, der
Ihre Berufung wohlschmeckend mache; er möge immerdar in unseren
Herzen leben und herrschen. Ich bin in ihm Ihr sehr wohlmeinender
Diener ...
Mein Gott, meine liebe Tochter, wie sehr liebe ich doch Ihr Herz, da es
nichts mehr lieben will als seinen Jesus und um seines Jesus willen! Ach,
kann es denn geschehen, daß eine Seele, die diesen für sie gekreuzigten
Jesus betrachtet, irgendetwas anderes lieben kann als ihn? Können wir
nach so viel wahrhaften Treueschwüren, die uns oftmals „Es lebe Jesus!“
sagen, schreiben, singen, ersehnen und seufzen ließen, wie die Juden in
unseren Herzen schreien (Mt 27,23): „Ans Kreuz mit ihm, schlagt ihn
tot!“?
O Gott, meine Tochter, ja wahrhaft meine Tochter, wie stark werden
wir sein, wenn wir weiterhin einander so verbunden bleiben durch das
im Blut des Heilands purpur gefärbte Band! Denn niemand wird Ihr
Herz angreifen, der nicht auf Ihren und meinen Widerstand stoßen wird;
bin ich doch Ihrem Herzen ganz hingegeben.
VI. Eine Unbekannte 2001 387
ANMERKUNGEN
ANMERKUNGEN
I. Briefe aus den Jahren 1602-1610
1. Dieser Brief an seine Mutter stammt Priester. Sehr an den Oratorianern in-
aus den ersten Monaten nach der Bi- teressiert, erreichte er von Rom die
schofsweihe des Heiligen, also Ende Errichtungsbulle (1613), wurde 1613
1602 oder Anfang 1603. Darauf deu- im Alter von 64 Jahren selbst Orato-
tet die Anspielung auf die nicht lange rianer und starb 1624 (s. XIII, 284,
zurückliegende Korrespondenz des Anm. 1 und XVI, 136, Anm. 3).
Heiligen mit seiner Mutter während 7. Anne Seguier, Mitnovizin von Frl.
seines Apostolates im Chablais hin.
Soulfour, gedachte damals wohl auch,
Diesen Brief hat Hauteville im Jahr aus dem Kloster der „Filles Dieu“ aus-
1669 zitiert. Er ist sicher echt. (XII, zutreten. Da sie aber im Totenregister
244, Anm. 2)
des Klosters aufscheint, ist sie entwe-
2. Ein Hinweis auf die Verbindung der der nicht ausgetreten oder bald wieder
Mutter mit ihrem Sohn, die seinem zurückgekehrt. – Aus diesem Grund
Vater verborgen bleiben mußte, weil wurde wohl auf Ansuchen des Klosters
dieser unerbittlich die ihm unverständ- ihr Name in den späteren Auflagen der
liche und für seinen Sohn so gefährli- Briefe des Heiligen gestrichen (s. XII,
che Missionsarbeit im Chablais verur- 183, Anm. 1).
teilte und ihm dafür jede Hilfe ver-
8. André Frémyot, der Sohn des Prä-
weigerte. (XII, 244, Anm. 2) sidenten und Bruder der hl. Johanna
3. Die Mutter des Heiligen neigte in Franziska von Chantal.
ihren späteren Jahren zur Schwermut. 9. Kinder der hl. Johanna Franziska
Daher die Aufmunterung zur Freude.
von Chantal, Celse-Bénigne, damals 8
4. Dieser Brief, im Besitz des Fürsten Jahre, Marie-Aimée 5 Jahre alt.
Trivulzio zu Mailand, wurde zuerst von
10. Die Baronin von Chantal, mit der
Datta, dann auch von Vives und Mig- sie innige Freundschaft verband.
ne veröffentlicht. Alles spricht für sei-
ne Echtheit. Eine Fotokopie dieses 11. Die frühere Äbtissin des Klosters
Briefes ist am Anfang des vierzehnten zur heiligen Katharina in Annecy.
Bandes der Oeuvres abgedruckt. (s. 12. Ihr Mann war beim Herzog von
auch XIV, 212, Anm. 104) Nemours in Ungnade gefallen und in-
5. s. Anm. 3. terniert.
6. Herr Nicolas von Soulfour war ein 13. Der Mann der Frau von Charmoi-
Freund des hl. Franz von Sales von sy war am 28. Oktober 1618, fern von
seinem Pariser Aufenthalt her. Er ge- seiner ebenfalls kranken Frau, in
hörte zum Kreis Acarie, war ein tief Chambéry gestorben.
frommer Mann, beschäftigte sich mit 14. Der Wunsch der Frau von Char-
Übersetzungen frommer Bücher (XII, moisy betraf eine der verschiedenen
117, s. dort Brief an Herrn von Soul- Bestrebungen, Franz von Sales entwe-
four S. 116-119). Geboren 1549, wur- der den Kardinalstitel zu verschaffen
de er nach dem Tod seiner Frau (1603) oder ihn als Koadjutor mit Nachfolge-
recht nach Paris zu bringen.
392 Anmerkungen zu I.
15. Franz von Sales war am 10. Febru- 23. Franz von Sales ist sehr besorgt
ar in Rumilly gewesen. Dieser Brief ist um das Mädchen, das gerade im Jahr
wie eine Fortsetzung des Gespräches, 1609 vielen Gefahren ausgesetzt war.
das er etwa eine Woche vorher mit Sie hatte im Jahr 1608 während der
Frau von Mieudry geführt hatte. heiligen Messe, die Franz von Sales
zelebrierte, das Gelübde der Keusch-
16. Jacques de Cerisier.
heit abgelegt, und es scheint, daß die-
17. Die Seelsorge in Rumilly war für ses im sehr weltlichen Haus ihres Va-
Franz von Sales eine Quelle vieler ters besonders gefährdet war. Man
Schwierigkeiten, vor allem scheinbar fühlt die Sorge des Heiligen aus sei-
wegen des schwachen Pfarrers und der nen liebevollen Zeilen heraus.
Kapläne und Altaristen, die nicht be-
friedigten. Frau de la Fléchère, die 24. Ihre Schwester Peronne-Marie.
dort einen ihrer Wohnsitze hatte, muß 25. Mutter von Chantal war im De-
ihm auch öfter über Unzulänglichkei- zember 1610 schwer krank.
ten in Rumilly berichten. Franz von
26. Baronin von Chantal.
Sales hatte es schwer, dort Ordnung
zu schaffen. 27. Die Schwägerin des Heiligen, die
seinen Bruder Louis geheiratet hatte
18. P. Louis de la Rivière, Oberer der und Ende März gestorben war.
Minimi von Valence, einer der ersten
Biographen des hl. Franz von Sales 28. Verdrießlichkeiten mit deren
(Über P. de la Rivière s. Oeuvres XVII, Schwiegervater und dessen Familie.
S. 145, Anm. 4). – Seine Lebensbe- 29. Zwei Exemplare der „Anleitung
schreibung des hl. Franz von Sales er- zum frommen Leben“.
schien 1624 bei Rigaud in Lyon.
30. Die Mutter des Heiligen, Frau von
19. Die drei Töchter der Baronin von Boisy, war am 1. März 1610 gestor-
Chantal. ben.
20. Franz von Sales nennt Frl. von 31. Der Mann seiner Schwester.
Bréchard „Nichte“ wegen deren inni-
ger Beziehungen zur Baronin von 32. Der unangenehme Schwiegervater
Chantal. seiner Schwester.
21. Franz von Sales glaubte wohl, Frl. 33. Die Predigten des Adventpredi-
von Bréchard zur übernatürlichen Lie- gers anzuhören.
be und Ehrfurcht ihrem Vater gegen- 34. Die Brüder des Heiligen, die sich
über aufmuntern zu müssen, da dieser nach Rumilly begaben, um der Trau-
sich ihr gegenüber so schlecht benom- ung von Marie d’Avise, Nichte der
men hatte und Ursache ihrer schwe- Frau de la Fléchère, mit Herrn Jac-
ren, traurigen Jugend war. Charlotte ques de Blonay beizuwohnen.
betete im Kloster viel für ihren Vater
und hatte das Glück, zu wissen, daß er 35. Gallois de Sales, Herr von Villaro-
(1617) versöhnt mit der Kirche ster- get.
ben konnte. 36. Der Mann von Frau von Cornillon.
22. Ihre natürliche Mutter war schon 37. Bernard de Sales, verheiratet mit
sehr früh gestorben; sie fand aber in Marie-Aimée de Chantal, beide sehr
der Baronin von Chantal eine zweite geliebt von Franz von Sales.
Mutter. Von ihr spricht hier Franz von
Sales. 38. Janus de Sales, Malteserritter.
Anmerkungen zu II. 393
39. Kardinal Maurice von Savoyen, 40. Margarita von Savoyen, Fürstin von
Sohn des Herzogs Karl Emmanuel von Mantua.
Savoyen.
41. Marie-Aimée.
1. Ende September 1604 war Franz 4. Wohl eine Anspielung auf die At-
von Sales, begleitet von seiner Mut- mosphäre ihrer Familie, in der die
ter, zum Heiligtum des hl. Claudius Männer, Vater, Bruder und ihr Mann
gepilgert. Dort kam er mit Frau von in allem den Ausschlag gaben.
Chantal und mit den beiden Schwes-
tern, Frau Brulart und der Äbtissin 5. Herr von Jacot war Ratsherr am
Rose Bourgeois zusammen. Parlament der Provinz Bourgogne.
2. Der frühere Beichtvater von Frau 6. Nach den Kommuniondekreten des
Brulart war P. Jean de Villars SJ., ein hl. Pius X. fallen auch diese Vorbehal-
hervorragendes Mitglied der Gesell- te weg.
schaft Jesu, ausgezeichneter Prediger,
Rektor und Seelenführer. Geboren 7. Diese zwei Schwestern sind die Ba-
1560, war er Rektor zu Dijon im Jahr ronin von Chantal (die er wegen der
1604, war dort auch Beichtvater der innigen Freundschaft so nennt, die sie
Baronin von Chantal und ihrer Freun- mit Frau von Brulart verband) und
dinnen. Auf seinen Rat hin stellte sich ihre leibliche Schwester, die Äbtissin
Frau von Chantal endgültig unter die Rose Bourgeois. Beide waren ja auf
Führung des hl. Franz von Sales. – Was dem „Land“, wo es wenig geistliche
Frau Brulart bewogen hat, einen an- Hilfe gab, während es in Dijon, dem
deren Beichtvater zu wählen, geht aus Wohnsitz der Frau Brulart, daran nicht
ihren Briefen nicht hervor. Wahr- fehlte. – Also auch bei dieser guten
scheinlich ihr wankelmütiger, unruhi- Seele ein Anflug von Eifersucht.
ger Charakter. Die Billigung dieser
Entscheidung durch Franz von Sales 8. Das mutet uns heute eigentümlich
ist eher kühl. – Der neue Beichtvater an, daß der Vater der Äbtissin in so
von Frau Brulart, Herr Viardot, wur- internen Sachen, wie die Wahl des Spi-
de zunächst von Franz von Sales ge- rituals eines Klosters, in dem seine
schätzt. Er wird in der Korrespondenz Tochter ist, entscheidend mitredet. –
mit Frau Brulart noch öfter erwähnt Aber das lag in der Mentalität dieser
werden (s. Anm. 12, 22, 32). feudalistischen Zeit.
3. Dieser ganze Abschnitt ist nicht in
den Epitres spirituelles enthalten, son- 9. Der Äbtissin Rose Bourgeois.
dern von Blaise abgedruckt, nach
Handschriften des Heiligen veröffent- 10. Die Echtheit dieses Briefes, der
licht und enthält Lücken (von der Her- zuerst in den Oeuvres erschienen ist,
ausgebern der Oeuvres ergänzt). Die ist nicht sicher. Die Herausgeber sa-
Echtheit dieses Abschnittes ist etwas gen, daß er nach einer alten Kopie von
zweifelhaft. Soweit es nicht angege- Turin veröffentlicht wurde. Der Inhalt
ben ist, sind die Briefe an Frau von spricht eher für seine Echtheit.
Brulart alle in den Ausgaben vor 1800
enthalten, also sicher echt. 11. Wieder ein Beweis für den unge-
394 Anmerkungen zu II.
bührlichen Einfluß des Vaters auf die hl. Pius X. gehört dies nicht zu den
innerklösterlichen Entschlüsse der Gründen, die die tägliche heilige Kom-
Äbtissin, seiner Tochter. munion verhindern.
12. Diese Person, von der hier in der 18. Jeanne de Sales, das 13. und letzte
dritten Person gesprochen wird, ist Kind der Mutter des Heiligen, war da-
Frau Brulart selbst. Der Grund dieser mals etwa 12 Jahre alt. Franz von Sa-
Mahnung war sicher kein großes Ver- les vertraute sie im Jahr 1605 der Äb-
gehen; sonst hätte Franz von Sales ganz tissin Rose Bourgeois an. Da sie aber
anders geschrieben, wohl aber wahr- nicht Ordensfrau werden wollte, über-
scheinlich ein leichtes Sich-gehen-las- nahm auf Wunsch des Heiligen die
sen von ihr oder von ihrem Beichtva- Baronin von Chantal ihre Erziehung.
ter, Herrn Viardot, das Franz von Sa- Sie starb am 8. Oktober 1607. Franz
les nicht tragisch, aber doch ernst von Sales schrieb nach ihrem Tod ei-
nimmt (s. auch Brief 367 von Ende nen ergreifenden Brief an die Baronin
Oktober 1606 am Schluß des Briefes. von Chantal (s. Werke des hl. Franz
Darüber auch ein Brief des Heiligen von Sales, Bd. 5, Seite 157ff).
an die Baronin von Chantal vom 30. 19. Der Vater von Frau Brulart, Herr
Januar 1606 und der Brief an Frau von Crépy (s. Anm. 11).
Brulart vom 20. April 1610, Oeuvres 20. S. Anm. 4 und 11 und Einführung
XIV, Nr. 588). zu den Briefen an Frau von Brulart.
13. In der 1641 erschienenen Ausgabe 21. Barbe Acarie, die spätere selige
der Werke des Heiligen lautet die Marie de l’Incarnation.
Adresse: „An eine Ordensfrau“. Die 22. S. Anm. 12.
Herausgeber der Oeuvres meinen aber,
daß der Brief an Frau Brulart gerichtet 23. Für die öftere, ja tägliche heilige
sei. Die Frage bleibt jedenfalls offen. Kommunion werden seit Pius X. keine
Entscheidende Gründe gibt es weder so strengen Bedingungen verlangt; aber
für die eine oder andere Annahme. sicher soll sie Eifer und ehrliches Stre-
ben begleiten.
14. Bérulle und Gallemand hatte
24. Frau Brulart hatte 1607 ihrenVa-
Franz von Sales im Kreis Acarie zu
ter, Herrn von Crépy, verloren; ihre
Paris getroffen und sich mit ihnen an-
Schwester, Frau Jacot, im gleichen Jahr
gefreundet. Da beide dem Orden der
den Gatten und Sohn.
Karmelitinnen nahe standen, wird Frau
Brulart sie in Dijon getroffen haben. 25. Frau von Crépy.
15. Es handelt sich hier um die eheli- 26. Zu Salins waren Adventpredigten
che Pflichtleistung. Der hl. Pius X. vorgesehen. Bestimmter Umstände
geht in seinen Kommuniondekreten wegen konnten sie nicht stattfinden.
noch weiter. 27. Jeanne de Sales, s. Anm. 18.
16. In der Urkirche kommunizierten 28. Denis Brulart, 12 Jahre alt.
die Christen wohl in jeder heiligen 29. Exemplare der „Anleitung zum
Messe, diese dürfte aber nur am Tag frommen Leben“.
des Herrn, d. h. am Sonntag gefeiert 30. Die Äbtissin Rose Bourgeois.
worden sein. Erst im 3. Jahrhundert
hören wir von der täglichen heiligen 31. Nach den Oeuvres (XV, 163, Anm.
Messe und Kommunion. 2) soll dieser Brief nicht um den 20.
April 1610 (wie es XIV, 277 heißt),
17. Nach den Kommuniondekreten des sondern Ende Dezember 1611 oder
Anmerkungen zu III. 395
Januar 1612 entstanden sein und ist 33. Nach den Oeuvres XV, 191 dürfte
wohl die Antwort auf einen Brief der dieser sonst unpersönliche Brief an
Frau Brulart, die ihr Mutter von Chan- Frau Brulart gesandt worden sein. Die
tal gebracht hat. darin behandelten Fragen erregten da-
32. Nach den Herausgebern der Oeu- mals leidenschaftlich die Gemüter.
vres wäre es Herr Viardot.
1. Dieses Antwortschreiben des Heili- 7. Dieser sicher echte Brief zeigt bes-
gen ist der Beginn einer Korrespon- ser als der vorausgehende die gütige,
denz, die bis zu seinem Todesjahr 1622 verstehende, maßvolle Art des Heili-
anhält. gen in den Ratschlägen für die Zeit
der Schwangerschaft.
2. Franz von Sales erinnert an die
mündlichen Ratschläge, die er der 8. Die Tochter der Frau von Fléchère,
Dame gegeben hat. Dieser und der am 22. Juli 1608 geboren, wurde tat-
nächste Brief des Heiligen schreiben sächlich im Jahr 1634 Heimsuchungs-
ihr nicht nur ein gewisses Programm schwester und später Oberin im Klo-
von Tagesübungen vor, sondern sie le- ster der Heimsuchung zu Rumilly, im
gen das größte Gewicht auf die inner- Haus, in dem sie geboren war und das
liche Haltung der Ruhe, Demut, Ge- ihre Mutter dem Orden der Heimsu-
duld mit sich selbst, was ihrem energi- chung geschenkt hatte.
schen, eher explosiven Wesen beson- 9. Für die Wochen nach der Geburt
ders nottut. ihres Kindes gibt Franz von Sales sei-
3. Dieser Brief, dessen Adressatin in ner geistlichen Tochter ebenso kluge
den Epitres spirituelles nicht angege- wie maßvolle Ratschläge.
ben ist, der aber sicher an Frau von 10. Der Generalabt der Zisterzienser,
Fléchère geschrieben wurde, wieder- Nicolas Boucherat, eifrig für die Re-
holt und ergänzt die Mahnungen des form seiner Klöster besorgt.
ersten Briefes zu einer echten salesia- 11. Die Schwester der Frau von Fléchère,
nischen Haltung. die Ordensfrau Jeanne-Bonaventure de
4. Auch dieser Brief läßt Frau von la Forest, Zisterzienserin.
Fléchère als Adressatin erkennen, eine 12. Im Kloster zu Bons herrschten
energische, durch eine Vielfalt von damals traurige Zustände, zu denen
Obliegenheiten leicht gereizte und die Äbtissin Jeanne de Vignod nicht
dann mit sich selbst unzufriedene Frau, wenig beitrug. – Die beiden Briefe des
die aber das höchste Ziel anstrebt, und Heiligen an den Generalabt und an die
da sie dies nicht im Sturm erreichen Schwester der Frau von Fléchère be-
kann, leicht mit sich selbst ungedul- fürworten Reformversuche in diesem
dig wird. heruntergekommenen Kloster.
5. Der Brief ermuntert zu großer Lie- 13. Franz von Sales wünscht keinen
be und Pflichttreue, aber auch zur Gleichmut aus Mangel an Herz und
Geduld bei eigenen Fehlern. Kraft, sondern den Gleichmut aus Lie-
6. Die Echtheit dieses Briefes steht be zum göttlichen Willen.
nicht sicher fest; er wurde erstmals von 14. Ein wichtiger Grundsatz des hl.
Datta veröffentlicht. Franz von Sales.
396 Anmerkungen zu III.
15. Dieser Brief ist sehr wahrschein- 29. Wohl eine der vielen Töchter ihrer
lich an Frau von Fléchère gerichtet, Schwester, die einen Herrn von Breys-
könnte aber auch eine andere Adres- sieu geheiratet hatte.
satin haben. 30. Daß dieser Brief an Frau von
16. Die erste Auflage der „Anleitung Fléchère gerichtet war, geht wohl aus
zum frommen Leben“, die Ende 1608 dem Inhalt hervor. Sie war gerade da-
oder Anfang 1609 erschien. mals in unangenehme Prozesse verwik-
17. Anl. IV, 8.9.12 (DASal 1,222f. 227- kelt.
229). 31. Der Brief wurde zum erstenmal
18. Wahrscheinlich Schw. Jeanne-Bon- von den Oeuvres nach einer Kopie von
vanture, Ordensfrau zu Bons, Schwe- Turin veröffentlicht. Er scheint echt
ster der Frau von Fléchère. zu sein.
19. Eine Mahnung dieses Briefes rich- 32. Frau von Fléchère mußte ihrer
tet sich gegen die Neigung der Frau Prozesse wegen oft nach Chambéry
von Fléchère, andere streng zurecht- reisen.
zuweisen. 33. Auch dieser Brief wurde zuerst in
20. Nach der Ausgabe von 1626 ist den Oeuvres veröffentlicht. Auch er
dieser Brief an den gleichen Adressa- scheint echt zu sein.
ten gerichtet wie Nr. 517, der sicher 34. Zum ersten Mal 1871 veröffent-
für Frau von Fléchère bestimmt war. licht, scheint echt zu sein.
21. Die Zisterzienserin Jeanne-Bona- 35. Herr de la Fléchère reiste öfters
venture (vgl. Anm. 11). nach Turin, um dort am Hofleben teil-
22. Dieser Brief ist wahrscheinlich an zunehmen.
Frau von Fléchère gerichtet. 36. In den Epitres spirituelles ohne
23. Von Datta veröffentlicht, wahr- Namen der Adressatin erschienen, die
scheinlich echt. aber nach den Anspielungen Frau von
24. Die Schwester der Frau von Fléchère zu sein scheint.
Fléchère, Zisterzienserin von Bons, 37. Die arme Dame, über deren gerin-
meldete dem Heiligen Intrigen, die gen Nachlaß ein Streit zwischen den
wohl ihre Äbtissin, Jeanne de Vignod, beiden „lieben Cousins“ (wohl die Her-
zur Urheberin hatten. ren Charmoisy und de la Fléchère)
25. Wohl die 2. Auflage der „Anlei- entstand, dürfte Françoise de Belle-
tung zum frommen Leben“. garde gewesen sein, die Mitte Dezem-
ber 1611 verstorben war.
26. Nach den Herausgebern der Oeu-
vres ist dieser Brief wahrscheinlich an 38. Möglicherweise Herr von Villon,
Frau von Fléchère gerichtet, ebenso der ein Cousin sowohl des hl. Franz
der nächste (Nr. 564). Beide stammen von Sales wie der Frau von Fléchère
sicher von Franz von Sales; ob die war, und der sich damals zugleich mit
Adressatin Frau von Fléchère ist, Herrn von Fléchère in Turin befand.
scheint nicht ganz sicher zu sein. 39. Nach den Oeuvres an Frau von
27. wahrscheinlich P. Franz von Cham- Fléchère gerichtet, was möglich, aber
béry (vgl. Oeuvres XI, 179, Anm. 1). nicht sicher ist.
28. Dieser Brief wird zuerst von Mig- 40. Der Brief ist wohl an Frau von
ne nach einer im Staatsarchiv von Tu- Fléchère gerichtet, was sowohl der In-
rin aufbewahrten Kopie herausgege- halt wie die Selbstbezeichnung des
ben. Er scheint echt zu sein. Heiligen als Cousin zeigt.
Anmerkungen zu III. 397
41. Wohl Antoinette de la Forest, ver- lich waren, Prozesse zwischen ihren
heiratet mit dem Senator Nicolas engsten Angehörigen und zwischen ih-
d’Avise. rem Mann und ihrem Bruder (s. Oeu-
42. Der Brief wurde wohl erst im 19. vres XVI, 179, Anm. 1).
Jahrhundert bekannt und von Migne 52. Madeleine de Bressieu, Nichte von
und Vives veröffentlicht, dürfte aber Frau Fléchère, Frau des Louis de Sa-
echt sein. les, des Bruders von Franz von Sales.
43. Frau von Fléchère befürchtete 53. Sohn der Nichte von Frau von
Krieg und Besetzung durch feindliche Fléchère und des Bruders des Heili-
Truppen und hatte deshalb Franz von gen.
Sales gebeten, wertvolle Gegenstände
bei ihm deponieren zu dürfen. – Franz 54. s. Anm. 51. – Vor und nach diesen
von Sales teilte zwar nicht ihre Be- Zeilen wurden Abschnitte aus diesem
fürchtungen, war aber gern bereit, das Brief ausgelassen, weil sie nur Nach-
aufzubewahren, was sie bei ihm in Si- richten enthalten.
cherheit bringen wollte. 55. Es handelt sich um eine Aufforde-
44. Der Bruder des Heiligen, Louis de rung zum Duell, das aber nicht statt-
Sales, heiratete in zweiter Ehe eine fand. Franz von Sales ist empört und
Schwester der Frau von Fléchère. unsagbar traurig darüber. Man kann
Franz von Sales hielt selbst die Trau- sich vorstellen, wie es Frau von
ung. Fléchère zumute war.
45. Frau von Bressieu. 56. Ein Armband, das an die Gegen-
46. Herr von Charmoisy war beim wart Gottes erinnern sollte.
Herzog von Nemours in Ungnade ge- 57. Franz von Sales bedauerte dies
fallen und war immer noch in seinem besonders, weil er vermutete, daß ihn
Schloß interniert. Franz von Sales hat- Herr von Fléchère wegen des Duells
te sich für ihn eingesetzt. befragen wollte.
47. Diese arme junge Witwe war Frau 58. Antoine Favre, erster Präsident des
de Murat de la Croix, verwitwet im Senats von Savoyen.
Alter von 18 Jahren, nachdem sie ein
halbes Jahr verheiratet war. 59. Frau von Charmoisy.
48. Franz von Sales selbst hatte sie 60. Dieser Brief nach einer Kopie in
ihrem Mann angetraut. Turin, zuerst von den Oeuvres abge-
druckt, dürfte echt sein.
49. Anspielung auf die bevorstehende
Heirat von Marie d’Avise, Nichte der 61. Frau von Charmoisy.
Frau von Fléchère. 62. Franz von Sales hatte für kurze
50. Jean-François de Blonay, Bruder Zeit den Erzbischof von Tarentaise
einer der Säulen der beginnenden vertreten. Hatte Frau von Fléchère
„Heimsuchung“, wurde von Franz von vermutet, daß er dessen Nachfolger
Sales sehr begünstigt und begleitete ihn werden sollte?
auf manchen Reisen. Franz von Sales
schätzte seinen Eifer sehr hoch, aber 63. Es waren die Kinder der Familie
nicht so sehr sein Urteil. Charmoisy, Fléchère und Vallor:
Charles de la Fléchère (12 Jahre alt),
51. Es spielten sich um diese Zeit am Henri de Charmoisy (14 Jahre), Clau-
Senat von Chambéry Prozesse ab, die de de Vallor (10 Jahre). Die Väter
Frau von Fléchère besonders schmerz- Charmoisy und Vallor waren damals
398 Anmerkungen zu III.
durch die ungerechte Härte des Her- 74. Ein großer Teil dieses Briefes be-
zogs von Nemours schwer gedrückt. steht aus Ratschlägen, die das Zeitli-
che betreffen (für ihren Sohn, für
64. Gasparde d’Avise, Nichte der Frau Herrn Guydeboys usw.), ebenso der
von Fléchère. nachfolgende Brief vom 7. März.
65. Herrn Rosset (s. vorhergehenden 75. Es folgen Nachrichten.
Brief).
76. Es folgen finanzielle Ratschläge.
66. Im ersten Teil dieses Briefes be-
müht sich Franz von Sales um die 77. Horace Bonfils war Schatzmeister
Schlichtung eines Streites. Der zweite und Vertrauter des Herzogs von Ne-
Teil, der hier übersetzt wird, handelt mours; mit ihm mußte über den Nach-
von zwei Kandidatinnen der Heimsu- laß und die Verpflichtungen der Fami-
chung. lie Fléchère verhandelt werden.
67. Frau von Chatelard, Witwe, und 78. Die Abwicklung der verworrenen
Fräulein d’Avise. Die erste verheira- finanziellen Verhältnisse forderte von
tete sich zum zweitenmal. Fräulein der Witwe viel Geduld, Takt und Mut.
d’Avise trat ins Noviziat im Juli 1616 Franz von Sales kommt auch in den
ein, nach vielen Kämpfen, bei denen folgenden Briefen darauf zurück.
Franz von Sales und Frau von Fléchère 79. Über den Beruf des Frl. d’Avise;
ihr taktvoll halfen, ohne sie im gering- der Brief zeigt wieder die großzügige,
sten zu drängen. In den folgenden taktvolle Art des Heiligen wie auch der
Briefen kommt Franz von Sales oft folgende Brief vom 11. Juni 1616.
darauf zurück.
80. vgl. Anm. 79.
68. Herr de la Fléchère war um den
10. Februar verschieden. Seine Frau 81. Der Prinz Victor Amédée, von sei-
hatte schon lange daran gedacht, sich nem Vater gesandt, um über dessen
eines Tages ganz dem Heiland zu schen- offene Revolte gegen seinen Fürsten
ken. Also kam eine zweite Ehe für sie Heinrich von Nemours zu verhandeln,
nicht in Frage. Ihr neuer Bräutigam residierte beim Bischof.
war Christus.
82. Frl. d’Avise ist nun glücklich im
69. Prosper d’Avise. Kloster der Heimsuchung.
70. Herr Guydeboys war zuerst Notar, 83. Präsident Favre und seine Familie.
ab 1610 Priester und hatte religiöse
Aufgaben im Dienst des Herrn von 84. Johanna Franziska von Chantal.
Fléchère. 85. Die kleine Françoise, Tochter der
71. Trotz all dem, was Frau von Frau von Fléchère.
Fléchère von ihrem verstorbenen Mann 86. Frau von Charmoisy.
zu leiden hatte, hing sie doch an ihm
und dachte noch viel an ihn. 87. P. Billet war Oratorianer.
72. Wohl erst in den Oeuvres veröf- 88. Franz von Sales konnte seine Ab-
fentlicht, doch sicher echt. sichten nicht verwirklichen.
73. Es folgen Nachrichten.
Anmerkungen zu IV. 399
1. Dadurch, daß die Baronin von Cusy 10. Anne Françoise de Mouxy, die
wieder absagte, konnten die ersten No- jüngste Tochter der Adressatin, Fran-
vizinnen noch nicht am Pfingstsonn- çon, wie sie Franz von Sales in einem
tag, sondern erst am Fest der heiligen Brief benennt, liebte zärtlich ihren
Dreifaltigkeit in das Haus der „Gale- bischöflichen Taufpaten.
rie“ einziehen und ihr Noviziat begin-
11. s. Anm. 6.
nen.
2. Der kleine „Isaak“ war ihr Sohn 12. s. Anm. 10.
Amé, der aber ebensowenig wie seine 13. Die ältere Tochter der Adressatin,
Mutter in seinem Entschluß fest blieb, 1600 geboren, heiratete 1619 Claude
wohl bei den Kapuzinern eintrat, aber Jerome de Chabod, Grafen von Saint
dort nicht verblieb, sondern 1615 hei- Mauriac.
ratete.
14. Nichte der Adressatin, die 1625
3. Franz von Sales spricht der Baronin im Kloster der Heimsuchung zu An-
Mut zu; er sieht aber, daß sie in ihrem necy eintrat und 1636 starb.
Entschluß sehr erschüttert ist, und
rechnet mit der Möglichkeit, daß sie 15. Der Brief ist an Frau de la
sich nicht der kleinen Gemeinschaft Fléchère, geborene Madeleine de Saint
anschließen wird, die ihm so am Her- Michel d’Avully gerichtet, die Schwä-
zen liegt. gerin der Frau de la Fléchère, die eine
4. Frl. von Chapot dürfte jene Nichte der eifrigsten Töchter des hl. Franz
der Frau von Cusy sein, die zunächst von Sales war. – Der vorliegende Brief
mit ihr in das geplante Kloster der ist der einzige uns erhaltene Brief an
Karmelitinnen eintreten wollte. Mit diese Dame, die Herrn François de la
ihrem Vermögen sollte dieses Haus Fléchère, den Bruder des Claude de la
gekauft werden. Sie machte aber ihren Fléchère geheiratet hatte. Calvinistin
Entschluß rückgängig und heiratete wie ihr Vater, der berühmte Herr
später, wahrscheinlich auf Drängen d’Avully, hatte sie wie dieser sich zum
ihrer Verwandten. Franz von Sales er- katholischen Glauben bekehrt.
klärt ihr in diesem Brief, welcher Au- 16. Herr d’Avully starb in Genf, konn-
torität sie in der Frage ihres Berufes te aber geheim die heiligen Sakramen-
gehorchen sollte. te empfangen. Er war der erste Cal-
5. Das Haus der „Galerie“. vinist aus dem Chablais, der durch
Franz von Sales bekehrt wurde.
6. Frau d’Escrilles, Witwe, geborene
Mouxy, war die Schwester des Herrn 17. Die Herausgeber der Oeuvres mei-
von Mouxy-Travernay, des Gemahls der nen, daß Franz von Sales diesen Brief
Adressatin. an Celse-Bénigne de Chantal geschrie-
7. Einen Ersatz der Betrachtung durch ben habe, er sei noch der wahrschein-
Herzenserhebungen läßt Franz von lichste Adressat (XIV, 376, Anm.).
Sales nur als Ausnahme, z. B. während Celse-Bénigne war damals 15 Jahre alt;
einer Krankheit, gelten. man habe wohl Ende November oder
anfangs Dezember beschlossen, ihn an
8. Wahrscheinlich Frau d’Escrilles. den Hof zu schicken, aber diesen Be-
9. Der Tod ihres 10 Monate alten Soh- schluß wegen Krankheit und Tod sei-
nes Gaspard. nes Großvaters, des Präsidenten Fré-
400 Anmerkungen zu IV.
myot, bis 1613 hinausgeschoben. – Herr von Blonay die heiligen Weihen.
Nun steht fest, daß Celse-Bénigne erst Er war früher Hauptmann gewesen und
1613 an den Hof kam. – Für einen setzte jetzt in den Predigten seinen
Beschluß, der schon 1610 gefaßt wor- Zuhörern so zu, wie früher seinen Sol-
den wäre, gibt es keine Beweise. Au- daten. Darüber führte Fräulein von
ßerdem ist der Brief so unpersönlich, Blonay ernste Klage beim hl. Franz
daß bei den engen, herzlichen Bezie- von Sales, der mit diesem Brief ant-
hungen, die Franz von Sales zu den wortete. Er wartete nur auf eine gün-
Kindern der hl. Johanna-Franziska stige Gelegenheit, um dem forschen
hatte, ein solcher Brief kaum denkbar Prediger zu sagen: „Mein lieber Bru-
ist (s. deutsche Übersetzung der Brie- der, Sie haben noch ein wenig von Ih-
fe an die hl. Johanna Franziska DASal ren früheren Hauptmannsmanieren.
5,256). Und was soll bei dem 15jähri- Wenn Sie Ihre Pfarrkinder zurechtwei-
gen, der unter der Leitung seines On- sen, glauben Sie, Ihre Soldaten vor sich
kels, des Erzbischofs Frémyot stand, zu haben. Aber es ist doch ein großer
bis er an den Hof kam, die Mahnung, Unterschied zwischen einem Haupt-
nicht zum Glücksspiel zurückzukeh- mann und einem Seelenhirten, zwischen
ren? – Franz von Sales kannte so viele Soldaten und Pfarrkindern. Diese müs-
Edelleute, zu deren Söhnen er nicht sen sanftmütig und geduldig geführt
so herzliche Beziehungen hatte. Einer werden.“ – Der alte Soldat ließ es sich
von diesen mag ihn um Ratschläge für gesagt sein (s. Oeuvres XIV, 401, Anm.
seinen Sohn gebeten haben. – Der In- 2, 402, Anm. 1, XII, 124, Anm. 1).
halt des Briefes ist deswegen nicht 19. Die 3. Auflage der „Anleitung“.
minder wertvoll.
20. Claudine de Chastel.
18. Frl. von Blonay, die am 25. Januar 21. Schwester Peronne Marie de Cha-
1612 in Annecy eintreten und eine der stel.
hervorragendsten Schwestern und 22. Schwester Marie-Jacqueline Fav-
Oberinnen der Heimsuchung werden re.
sollte, war noch bei ihrem Vater. Clau-
de de Blonay hatte neun Kinder von 23. Zuerst in den Oeuvres veröffent-
seiner Frau Louise. Während seines licht, scheint echt zu sein.
Apostolates im Chablais war Franz von 24. Franz von Sales war als Fastenpre-
Sales öfter zu dieser Familie gekom- diger für 1612 sowohl nach Paris als
men und hatte sich in der feinen At- nach Chambéry eingeladen. Der Her-
mosphäre dieser echt katholischen zog von Savoyen verweigerte dem Hei-
Menschen immer wieder von seinen ligen die Erlaubnis für Paris. So hielt
Strapazen erholt. Deren Sohn Gabriel er die Fastenpredigten 1612 in Cham-
wurde 1610 auf dem Friedhof von St. béry (s. XV, 36 und 55).
Paul bei Evian meuchlings ermordet, 25. Und lebte noch bis 1637.
was den Eintritt der jungen Marie-Ai-
mée ins Kloster verzögerte. Ein ande- 26. Frau von Charmoisy war damals in
rer Bruder, Jean François, wurde Paris und fand dort ein großes Entge-
Priester. Franz von Sales war sehr gut genkommen.
zu ihm, mußte aber sein fanatisches, 27. Ihr Mann war auf Befehl des Her-
übertriebenes Wesen zügeln (Brief 927 zogs von Nemours noch immer inter-
an Frau von Fléchère, Oeuvres XVI, niert.
91-92). 28. Der Brief spricht für sich von der
Nach dem Tod seiner Frau empfing Art des Gemahls dieser Dame, die zu
Anmerkungen zu IV. 401
den von Franz von Sales mit Liebe ge- lichkeiten gehalten und dauerten eine
führten Seelen gehörte. Am ehesten Woche. Es war ein Jubiläum, vom
wäre es ein Konterfei des Herrn von Papst genehmigt.
Fléchère. Da aber dessen Frau am sel- 37. Madame de Grandmaison, Toch-
ben Tag einen Brief des Heiligen er- ter der Frau von Peyzieu, geb. Helene
hielt, kommt ihr Mann nicht in Frage. de Longuecombe; 1598 mit Herrn
29. Auch für diesen schönen Brief läßt Bessac de Grandmaison verheiratet.
sich keine sichere Adressatin feststel- 38. Franz von Sales mahnt die alte
len. Es war jedenfalls eine der von Dame recht lieb zur Überwindung der
Franz von Sales geführten Seelen, die Fehler, die sie ihm gestanden hat.
an heftigen Kopfschmerzen litt. Die
39. Peyzieu (heute ein Dorf von 300
Herausgeber der Oeuvres tippen auf
Seelen) war mit Arpignon eine Pfarre,
Frau von Fléchère, auf Frau von Ai-
zu der auch Schloß Thusy gehörte, in
guebelette oder Frau von Travernay.
dem Frau von Peyzieu wohnte. Claude
30. Jeanne de Cartal hatte Herrn von Buttard, der dem Heiligen gut gefiel,
Saint-Cergues geheiratet, ihn aber war dort Pfarrer von 1603 bis 1640.
1588 verlassen, um in Genf zum 40. Anscheinend die junge Frau ihres
Calvinismus überzutreten, dessen fa- Sohnes.
natische Anhängerin und „Erzministe-
rin“ sie nun wurde. Durch einen Be- 41. Louis, Herr von Sillignieu, der wie
such bei Franz von Sales wurde sie sein jüngster Bruder François die El-
bekehrt und blieb nun ihrem katholi- tern des hl. Franz von Sales sehr gut
schen Glauben bis zum Tod treu. Ihre kannte (Aussage im Heiligsprechungs-
Rückkehr zum katholischen Glauben prozeß von Franz von Sales; Oeuvres
verursachte in Genf ein ungeheures XVI, 65, Anm.).
Aufsehen und trug ihr viele Schmäh- 42. Auf der Insel Maraquen in Brasili-
briefe ein (s. Oeuvres XV, 15, Anm. 3 en hatten schon unter Heinrich IV.
und Briefe an Frau von Chantal 219 sowohl französische Soldaten wie Ka-
und 417, Anm. 15). puziner Fuß gefaßt. Die Königin Ma-
31. Frl. Bellot, deren Verhalten über- ria de Medici schickte im Jahr 1613
all Ärgernis verursachte. Die hl. Jo- weitere militärische und geistliche Ver-
hanna-Franziska von Chantal hatte stärkung dorthin, unter anderem
versucht, sie zu einer besseren Gesin- schiffte sich auch Louis de Sillignieu
nung zu bringen, ebenso der hl. Franz als Offizier ein. Das vielversprechen-
von Sales, aber sie fiel immer wieder de Unternehmen endete in einer Ka-
in ihre Laster zurück. tastrophe, in der auch Louis den Tod
fand.
32. Frau von Valbonne hoffte schein-
bar, der armen Bellot helfen zu kön- 43. Anrede und Inhalt weisen auf Frau
nen. von Peyzieu hin, wenn auch ein ge-
naues Datum nicht angegeben werden
33. Franz de Paula. kann.
34. Wer diese Dame war, bleibt unbe- 44. Ihrer Tochter.
kannt.
45. Das große Leid war der Tod ihres
35. Es fehlen hier zwei Worte. Sohnes Louis auf der Insel Maraquen,
36. Die „grands Pardons“ wurden alle die die Portugiesen den Franzosen
sieben Jahre zu Ehren der „Lieben entreißen wollten. Louis war mit sei-
Frau der Freude“ mit großen Feier- nen Leuten in einen Hinterhalt gelockt
402 Anmerkungen zu IV.
und dort vom Anführer der Portugie- Fragen, die ihm gestellt wurden „mit
sen mit Schwerthieben getötet worden. engelhafter Sanftmut“ (Gründungsge-
Mit ihm fielen 60 seiner Leute. Franz schichte der Heimsuchung von
von Sales schrieb der leiderfüllten Grenoble, Oeuvres XVII, S. 356, Anm.
Greisin diesen tiefempfundenen Trost- 1 und 35, Anm. 1).
brief.
54. Dieser Brief ist zum erstenmal von
46. Des Herrn von Travernay und des den Oeuvres veröffentlicht, erfüllt
Barons von Saint-Jeoir. aber alle Ansprüche eines echten Brie-
47. Antoinette de Saint-Jeoir, seit fes des Heiligen.
1573 mit Herrn Pierre-Marc de Mou- 55. Frau von Peyzieu.
xy, Herrn von Travernay verheiratet.
56. Eine Dame, der erst vor kurzem
48. Antoine Balthazar de la Touvière ihr kleines Kind gestorben ist, viel-
d’Escrilles, der nach dem Tod seines leicht Frau von Travernay (s. Oeuvres
Vaters geboren war, trat 1618 bei den XV, 346, Anm.).
Kapuzinern ein und legte 1620 als P.
Georges seine Gelübde ab. 57. Schwester Claude-Françoise Ro-
get aus Annecy. 1594 geboren, trat sie
49. Frau d’Escrilles war, als sie ent- im Kloster von Annecy 1610 ein, hat-
schlossen war, in der Heimsuchung ein- te ihre Profeß 1611 und starb am 14.
zutreten, noch jung und schön, also Juni 1613. Trotz ihrer Jugend äußerst
sehr umworben. Man legte ihr viele eifrig, lieb und von allen geliebt, be-
Hindernisse in den Weg und ließ es sonders von Franz von Sales und Jo-
auch nicht an Verleumdungen fehlen. hanna Franziska von Chantal, starb sie
Daher die Aufmunterung des hl. Franz als erste der Heimsuchungsschwestern
von Sales. (Oeuvres XV, 106). Wir sehen im Brief
50. Ihre Heirat mit Herrn d’Autherin, des hl. Franz von Sales, wie er die klei-
Seigneur de la Croix. ne Tote betrauert.
51. Diese Dame war Frau von Grand- 58. Prosper, Baron von Rochefort,
maison, deren Mann Statthalter die- hatte aus der ersten Ehe einen Sohn
ser Provinz war und die Franz von Sa- Prosper, der am Hof von Turin als Page
les wegen solcher Spottlieder tröstete des Herzogs starb. Daher die Unsi-
(s. XVI, 95, XV, 284, Anm. 1). cherheit des hl. Franz von Sales, ob
sein Vater bereits die traurige Nach-
52. Herr von Rogemont, einer der be-
richt erhalten hatte (Oeuvres XXI,
rüchtigtsten Duellisten seiner Zeit, der
111, Anm.).
aber dann, vom hl. Vinzenz von Paul
bekehrt, bis zu seinem Tod ein Leben 59. Herr von Chabod hatte durch 50
der Hingabe an Gott und an die Not- Jahre seinem Herrn, dem Herzog von
leidenden führte (s. Oeuvres XVI, 95, Savoyen, in wichtigen Aufgaben als
Anm.). Statthalter und Gesandter gedient. In
53. Wohl die frommen Damen, die sich seinem Alter fiel er Intrigen des Hofes
bei den Fastenpredigten zu Grenoble zum Opfer und mußte sich zurückzie-
unter seine Leitung gestellt hatten. hen. Dies erklärt den liebevollen Trost-
Außer den Predigten hielt er noch im brief des hl. Franz von Sales.
Haus der Frau von Granieu Konferen- 60. Der Name der Dame konnte nicht
zen für solche, die es wünschten, er- festgestellt werden. Nach dem Inhalt
klärte die Übungen der Frömmigkeit, des Briefes dürfte es sich um jemand
löste Zweifel und beantwortete die handeln, der erst kurze Zeit den Ent-
Anmerkungen zu IV. 403
schluß gefaßt hatte, ein tieferes Le- 68. Jeanne Aimée de la Fléchère.
ben zu führen.
69. Ihr Mann zog wieder in den Krieg.
61. Françoise, Tochter von Pierre de
Simian und Marie von Baronnet, hei- 70. Jean-François, Generalvikar des
ratete 1603 den Herrn von Ruans und hl. Franz von Sales.
starb 1628. Eine ihrer Töchter trat in 71. Es ist ein ausführlicher Beicht-
den Orden der Heimsuchung ein. spiegel (Oeuvres XXVI, Opuscules V,
62. Die Abhandlung über die Gottes- S. 244-266; DASal 12,228-246).
liebe, die erst 1616 erschien. 72. Eine milde Anspielung auf die
63. Nach Oeuvres XVII, 166, Anm. 1, Exzesse des Pairs und „Ecuyer de Fran-
wahrscheinlich Marie d’Avise de Blo- ce“ am Hof Ludwigs XIII.
nay, Nichte der Frau von Fléchère, 73. Ein klares Beispiel, wie die von
deren Schwester Gasparde von Franz Franz von Sales gelehrte Frömmigkeit
von Sales auch Nichte genannt wurde. in der Welt, auch am Hof geübt wer-
Marie d’Avise, Tochter des Nicole den kann, eine innerliche Frömmig-
d’Avise und der Antoinette de la Fo- keit, ein Gebetsleben, das so gut wie
rest (Schwester der Frau von Fléchère) keine Zeit braucht, also überall mög-
heiratete 1613 Herrn Jacques de Blo- lich ist und doch den Menschen um-
nay. wandelt. Wir sehen hier auch, worauf
64. Im September 1615 war Franz von Franz von Sales vor allem den Akzent
Sales im Schloß Blonay gewesen. Bei legt.
diesem Anlaß wird sich Marie d’Avise
74. Franz von Sales meint wohl den
unter seine Leitung gestellt haben.
Stand der Bischöfe.
65. Claire-Marie de Maillard-Tournon
hatte 1609 Gabriel de Monthoux ge- 75. Wahrscheinlich handelt es sich um
heiratet. Sie wußten nicht, daß sie im die Versammlung der Stände von Bur-
3. Grad verwandt waren. Gabriel bat gund unter dem Vorsitz des Herzogs
um Dispens in Rom, die 1615 erteilt von Bellegarde, die für den 18. Sep-
wurde. Die Dame stellte sich damals tember einberufen wurde.
unter seine Leitung und Franz von 76. Caesar Auguste, Herr von Terme,
Sales stellte ihr höchstes Lob aus heiratete auf Drängen seines Bruders
(Brief an Frau von Fléchère vom 29. Roger im Jahr 1615. Ein tapferer Sol-
September 1615). Wegen andauern- dat, starb er an einer schweren Ver-
den Militärdienstes ihres Mannes leb- wundung im Jahr 1621, von Franz von
te Frau von Monthoux bei ihrer Mut- Sales lebhaft betrauert (s. Oeuvres
ter, ab 1616 aber bei ihren Schwie- XVII, 110, Anm. 1).
gereltern (s. XVII, 64 Anm. 3; S. 305,
Anm. 1). 77. Der Prinz sollte einer Versöhnung
des Herzogs von Nemours mit seinem
66. Anleitung III, Kap. 38 (DASal angestammten Herrn, dem Herzog von
1,196-201). Savoyen, die Wege bereiten.
67. Janus Guillet, Herr von Month- 78. Das Kind des Bruders des Herzogs
oux, hatte sein Haus tapfer gegen die Roger starb bald.
Calvinisten verteidigt und hatte nach
der Zerstörung seines Schlosses sich 79. Es folgt die Empfehlung für einen
und die Seinen in den Wäldern ver- Konvertiten.
borgen (XVII, 306, Anm. 1).
404 Anmerkungen zu V.
heit, manchmal zwei- bis viermal am Herrn von Sautereau geheiratet, der
Tag, nach Charles-Auguste in Paris so 1607 Präsident des Parlaments zu
oft, als es Tage im Jahr gibt (XVIII, Grenoble wurde und 1617 starb
342, Anm. 1). (XVII, 308, Anm. 2). Frau von Sau-
28. Jean François de Sales. terau hatte sich 1617 während der Fa-
stenpredigten des Heiligen unter seine
29. Frau von Granieu war von Annecy Leitung gestellt. Einige Monate spä-
am 5. Juni abgereist. ter starb ihr Mann, der selbst ein
30. Herr von Argenson wurde später Freund des Präsidenten Favre und mit
Kanonikus von Grenoble. Franz von Sales freundschaftlich ver-
bunden war.
31. Franz von Sales hatte Herrn Ro- Frau von Sautereau führt fortan ein
ger de Bellegarde einen ausführlichen Leben, das ganz Gott und den notlei-
Beichtspiegel gesandt, in dem auch die denden Menschen gewidmet war. In
Sünden aufgezählt sind, die bei der diesem Brief spricht Franz von Sales
Jagd geschehen können. Frau von Sautereau nach dem Tod ih-
32. Franz von Sales besuchte Ende res Mannes Trost zu.
September Bischof Camus. Während 42. Die Kinder Guillaume, Marie und
er dort in Belley war, stattete ihm Frau Anne-Catherine.
von Granieu einen kurzen Besuch ab. 43. Der Brief ist zweifellos an Marie-
33. Dieser Brief ist sehr wahrschein- Aimée, die Tochter der hl. Johanna-
lich an Frau von Granieu gerichtet Franziska von Chantal gerichtet. Da
(XX, 170, Anm. 1). aber darin nicht die geringste Anspie-
lung auf das kurz vorher erfolgte Hin-
34. Wenn der Brief Frau von Granieu
scheiden ihres Gatten Bernard de Sa-
als Adressatin hat, dann ist ihr hier
les vorliegt, ist der Brief, wie er nun
erwähnter Mann François de Gralet,
vorliegt, wahrscheinlich verstümmelt
Herr von Granieu und ihr Sohn Pierre.
worden. In den Epitres spirituelles
35. s. Anm. 18 zum IV. Teil (1610- trägt er den Titel: „An eine Ordens-
1616). frau der Heimsuchung“.
36. Gaspard de Genève, Marquis de 44. Françoise Rabutin Chantal.
Lullin, wünschte die Verschiebung der 45. Michelle de Cerisier hatte 1609
Reise des Heiligen, vielleicht weil die Herrn von Montfort geheiratet. Franz
Kapelle, die Franz von Sales einwei- von Sales nennt sie seine Cousine
hen sollte, noch nicht fertig war. (Oeuvres XV, S. 14, Anm.).
37. Bernard de Sales. 46. Vom heiligmäßigen Sterben der
38. Amédée von Chevron, Herr von zweitjüngsten Tochter der hl. Johan-
Villette, hoher Beamter und Offizier na-Franziska von Chantal, Marie-Ai-
des Herzogs von Savoyen, war Ge- mée de Chantal, berichten alle Lebens-
schwisterkind der Mutter des hl. Franz beschreibungen des hl. Franz von Sa-
von Sales (Oeuvres XI, 341, Anm.). les und der hl. Johanna-Franziska von
Chantal.
39. Bernard de Sales.
47. Die Herausgeber der Oeuvres hal-
40. Die Witwe Bernards, Marie-Aimée ten für gleich wahrscheinlich Frau von
von Chantal. Veyssillieu und Frau Brulart als Adres-
41. Marie Gibert, Tochter eines hohen satin dieses Briefes. Wenn Frau von
Beamten in Grenoble, hatte 1583 Veyssilieu die Adressatin ist, wurde der
406 Anmerkungen zu V.
Brief 1617 geschrieben, wenn Frau früher unter seine Leitung gestellt ha-
Brulart, dann 1604 (s. XVIII, 38, ben.
Anm.). 55. Marc François de Malarmay,
48. Wahrscheinlich eine der Damen Schwager der Adressatin, wünschte
von Grenoble, vielleicht Frau von Franz von Sales auf seiner Reise nach
Veyssilieu (s. XVIII, 59, Anm. 1). Rom im Gefolge des Kardinals von
Savoyen zu begleiten.
49. Zitiert in der „Geschichte der
Heimsuchung“ von Annecy. Der im 56. Die Gräfin Philiberte de Tournon.
Brief erwähnte Arzt war Jean Gran- 57. Ihr Gatte, Graf von Rossillon, war
dis, der in den Briefen oft erwähnte vor kurzem gestorben.
Hausarzt der Heimsuchung in Anne-
cy. 58. Aus dem Brief geht nicht hervor,
wer unter dieser schweren Versuchung
50. Antoinette Camus, Frau des Prä- litt. Bei den Zeugenaussagen zum Se-
sidenten Bouquéron seit 1588. Sie ligsprechungsprozeß des hl. Franz von
stellte sich als eine der Ersten von Sales haben sowohl Frau von Villeneu-
Grenoble unter die Leitung des hl. ve wie die mit ihr in inniger schwester-
Franz von Sales. Sie starb im Jahr licher Liebe verbundene Helene Lhuil-
1630, nachdem sie dem Kloster von lier von Frouville (später Schw. Hele-
Grenoble viele Wohltaten erwiesen ne-Angelique in der Heimsuchung)
hatte (s. XVIII, S. 151, Anm. 1). erklärt, daß sie heftige Versuchungen
51. Tatsächlich fanden sich Gegner ei- gegen den Glauben hatten, aber durch
ner Gründung der Heimsuchung zu die Zusprüche des Heiligen davon be-
Grenoble (XVIII, 153, Anm. 2). freit oder erleichtert wurden.
52. Catherine de la Croix de Che- 59. Franz von Sales schrieb diesen
vrières war vor 1603 mit Pierre de la Brief an die beiden Schwestern de Vil-
Baume, Ratsherr im Parlament von leneuve und de Frouville auf der Reise
Grenoble, verheiratet (XVIII, 209, nach Tours, zum königlichen Hof, den
Anm. 1). Die Anrede des Briefes zeigt, Franz von Sales nun im Auftrag des
daß wenigstens mündliche Besprechun- Herzogs von Savoyen begleitete. –
gen mit der Dame vorangegangen sind. Helene weilte bei ihrer jüngeren
Schwester Marie, seitdem ihre Ehe mit
53. Justine Dalphas hatte François du Gobelai zerbrochen war.
Faure geheiratet, der 1610 Präsident
des Parlamentes der Dauphiné wurde. 60. Anna, geboren 1612.
Er starb 1637. Diese Dame arbeitete 61. Marie de Lamoignon, geboren
mit Frau von Granieu viel für die 1576, gestorben 1651. Ihr Mann, Prä-
Gründung der Heimsuchung von sident de Lamoignon, und ihr Sohn
Grenoble. Der Brief ist vom 7. April, waren Vorbilder an Ehrlichkeit, Wis-
also bald nach den Fastenpredigten zu sen und Beredsamkeit, sie selbst und
Grenoble. ihre Tochter Madeleine waren Beispiele
54. Hélène-Ferdinande de Maillard de echt christlicher Nächstenliebe. Herr
Tournon war in ihrer Jugend Hofdame und Frau Lamoignon waren große
bei der Infantin von Savoyen und wur- Wohltäter der zwei Klöster der Heim-
de 1609 mit dem Grafen de Rossillon suchung von Paris, eine ihrer Töchter
verheiratet. Franz von Sales nennt sie wurde Heimsuchungsschwester.
seine Cousine. Da er sie auch seine 62. Anne le Beau, mit 18 Jahren Wit-
Tochter nennt, wird sie sich wohl schon we nach Herrn de Vaulgrenant, bald
Anmerkungen zu V. 407
verheiratet mit Herrn Foras, was bei- den Beruf zu verlieren, den sie ange-
den und Franz von Sales große Schwie- strebt hatte.
rigkeiten bereiten wird.
70. Der Name der Adressatin ist eben-
63. Anne de Bragelongne hatte Herrn falls unbekannt. Die Herausgeber der
Jean Le Naint de Crevant, Rat und Oeuvres tippen auf Frau von Veyssi-
Anwalt des Parlaments, geheiratet. Sie lieu.
hatte zwei berühmte Enkel: Le Naint 71. Der Adressat ist nach Oeuvres
de Tillemont und Pierre, den Biogra- (Anm. 1) vielleicht der Baron Amédée
phen von Rancé, dem Gründer der de Chevron-Villette. Über den Tod
Trappisten. Pierre wurde von seiner dieser Cousine des hl. Franz von Sales
Großmutter erzogen, die unter der wissen wir nichts Genaues.
Führung des hl. Franz von Sales ge-
standen war. Sie starb 1633. 72. Marguerite Le Fève, Gattin von
Guillaume Rousselet, Sekretär des
64. Eine der hervorragendsten Karme- Herzogs von Nemours und später im
litinnen von Frankreich (s. Oeuvres Rat des Königs. Herr Rousselet hat
XX, 167, Anm. 3). 1628 im Alter von 59 Jahren im Selig-
65. Catherine Le Naint trat im Alter sprechungsprozeß des hl. Franz von
von 14 Jahren in den Karmel ein und Sales ausgesagt, daß er ihn seit dem
wurde 1621 eingekleidet, mußte aber Jahr 1592 gekannt und oft in Savoyen
bis 1624 warten, um die Gelübde ab- und in Paris gesehen habe. Herr und
legen zu können, da sie noch nicht das Frau Rousselet erfreuten sich der herz-
kanonische Alter dafür hatte. Sie starb lichen Zuneigung und der väterlichen
1676 nach einem heiligmäßigen Leben Führung des Heiligen (XIX, 128, Anm.
(Oeuvres XX, 168, Anm. 1). und 247, Anm.) Franz von Sales dürf-
te ihnen auch oft geschrieben haben.
66. Robert Arnauld d’Antilly, dem äl- Er unterrichtete Frau Rousselet in
testen Sohn von Antoine Arnauld, war Fragen des geistlichen Lebens, besuch-
sein drittes Kind gestorben. te und tröstete sie in ihren Krankhei-
ten; nach seinem Tod wurde sie auf
67. Frau Le Maitre hatte fünf Söhne. seine Fürbitte von einer schweren
68. Jeanne Catherine de Creil wurde Krankheit wunderbar geheilt.
1589 geboren, heiratete 1610 Jean 73. Gaspard Jomaron war ein hoher
Amelot, als dieser schon Präsident des königlicher Beamter. Es steht nicht
Großen Rates war. Sie war immer eine fest, ob dieser Brief an seine Witwe,
große Gönnerin des Klosters der Heim- Anne Thomée, oder an die Frau seines
suchung von Paris. Als alles während Sohnes Anne de Rue gerichtet war, die
der großen Pest (1619) floh, blieb die 1641 noch lebte (XIX, 144, Anm.).
Präsidentin Amelot in Paris und be- Das Manuskript des Briefes wird im
suchte oft das Kloster. Sie war ergrif- Haus der Oblaten des hl. Franz von
fen von der Not der Schwestern und Sales zu Albano aufbewahrt.
schrieb es dem hl. Franz von Sales,
der in einem Brief antwortete, von dem 74. Über Herrn de Foras, seine Ehe
nur diese wenigen Zeilen in der Ge- mit der 18jährigen Witwe Anne Le
schichte des Klosters der Heimsuchung Beau und die heftigen Stürme von Sei-
von Paris erhalten sind. ten ihrer Verwandten, s. Brief an Jo-
hanna-Franziska von Chantal, Deut-
69. Der Name der Adressatin ist un- sche Ausgabe, Anm. 139, (Bd. 5, S.
bekannt. Sie war jedenfalls in Gefahr,
408 Anmerkungen zu V.
424, vgl. Oeuvres XIX, S. 32, Anm. 1). bekleidete bedeutende Ämter in sei-
75. Die Dame scheint schon länger nem Orden.
unter der Führung des Heiligen gestan- 81. Schwester der Frau von Monthoux;
den zu haben und also von Savoyen zu sie stellte sich unter die Leitung des
stammen. Die Herausgeber der Oeu- hl. Franz von Sales. Ihre Tochter wur-
vres schlagen Frau von Aiguebellette de Heimsuchungsschwester.
als wahrscheinliche Adressatin vor.
76. Françoise de Rabutin Chantal, geb. 82. Gilbert, ihr einziger Sohn, 1645
1599, aufgewachsen unter der lieben- in der Schlacht von Nördlingen gefal-
den Fürsorge ihrer Mutter, der hl. Jo- len.
hanna-Franziska von Chantal, und der
väterlichen Güte des hl. Franz von 83. An die Mutter M. Jacqueline Fav-
Sales, hatte, nachdem sie andere Be- re und an Frau von Dalet.
werber um ihre Hand abgewiesen hat-
te, im Jahr 1620 Antoine de Toulon- 84. Gaspard Le Loup de Montfan ge-
geon, der wohl 36 Jahre älter als sie, hörte einem reichen und mächtigen
aber ein vollendeter Edelmann war, Adelsgeschlecht an und zeichnete sich
geheiratet. Sie lebten in glücklicher in den Kriegen dieser Zeit durch seine
Ehe. – In „Frauen um Franz von Sa- Tapferkeit aus. Er stand bei Heinrich
les“ hat Frau Angela Hämel-Stier eine IV. hoch in Gunst (XX, 77, Anm.).
interessante Skizze ihres Lebens gege-
ben (Franz-Sales-Verlag 1954, S. 77- 85. Der Name Rivolat war damals in
173), sehr ausführlich die Gräfin von Savoyen weit verbreitet. Die Dame
Monthoux in einem Werk über die zwei stand jedenfalls unter der Führung
Töchter der hl. Johanna-Franziska von des hl. Franz von Sales wie viele an-
Chantal (Paris 1876). dere Frauen in Savoyen und Frank-
reich.
77. P. Coton, geb. 1564, Novize SJ.
1583. Vor und nach seiner Profeß 86. Tochter von Amédée de Chevron-
(1599) Streitreden mit protestanti- Villette, die mit dem Herrn von Cha-
schen Ministern. 1608 Beichtvater mousset verheiratet war und 1635
Heinrichs IV. und Erzieher des Dau- Witwe wurde. Franz von Sales schreibt
phin (Kronprinzen). Nach dem Tod ihr anläßlich des Todes ihres Vaters
Heinrichs IV. auch Beichtvater von (1621), der mit Franz von Sales ver-
Louis XIII. Später Provinzial, gestor- wandt war (Oeuvres XI, 341, Anm.).
ben 1626, stand in höchster Achtung
bei Franz von Sales und Johanna-
87. Frau Françoise Amaury, um 1588
Franziska von Chantal und aller gro-
in Paris geboren, Witwe des Herrn
ßen religiösen Persönlichkeiten dieser
Zeit (Oeuvres XVI, 21, Anm.). Amaury, eines höheren königlichen
Beamten, konnte oft mit Franz von
78. P. Duchesne, Superior der Orato- Sales zusammenkommen, als er in Pa-
rianer von Riom, von Berulle sehr ge- ris war. Sie gehörte zu denen, die nur
schätzt, gestorben 1650. „kraftvoll lieben und wollen“, vervoll-
79. Die Synode war jährlich nach dem kommnete sich „im Geist der Sanft-
2. Sonntag nach Ostern, an welchem mut und Mäßigung“, wie die Annalen
Franz von Sales diesen Brief schrieb. der Heimsuchung von Meaux berich-
ten, deren Gründerin sie war. Eine ih-
80. Der Kapuziner P. Bonaventura rer Töchter war dort 1626 eingetreten
Anmerkungen zu V. 409
zurückziehen und wenigstens am To- 99. Der Name dieser Kandidatin ist
tenbett ihre Gelübde ablegen. unbekannt. Es kann wahrscheinlich
nicht einmal jene sein, von der Franz
98. Frau von Chantal lobt sie sehr als von Sales an die hl. Chantal schreibt
so „tugendhaft gut“ und sie meinte, (wie die Verfasser der Oeuvres Anm. 1
daß ihr zeitweiliger Aufenthalt im Klo- meinen). Die Unterschiede sind zu
ster „von geistlichem Nutzen“ für bei- groß (s. XX, 276, Anm.).
de Teile wäre. – Franz von Sales findet
100. Die Dame ist unbekannt; mögli-
es gut, daß sie sich nach dem Tod ihres
cherweise eine der geistlichen Töchter
einzigen Sohnes (Oktober 1621), für
des Heiligen von Chambéry (s. XX,
einige Zeit in die Stille des Klosters
510, Anm.).
zurückzog.
1. P. Talon hat in seinem „Leben des 6. Dieser und die zwei folgenden Brie-
Heiligen“ (1640) diese Worte zitiert fe dürften (nach Oeuvres XX, 15,
als an „einen höheren Herrn von Sa- Anm.) an eine Dame von Dijon ge-
voyen“ gerichtet. Albert von Genf, richtet worden sein, wo ja Franz von
Zeuge beim Seligsprechungsprozeß, Sales verschiedene geistliche Töchter
sagt auch aus, daß der Heilige dies ei- hatte. Diese Dame dürfte höheren Al-
nem Herrn von Savoyen gesagt habe. ters gewesen sein, da Franz von Sales
Dieser Herr, meinen die Herausgeber sie als „gute Mutter“ bezeichnet. Die
der Oeuvres, könnte wohl der Vater Oeuvres schlagen Frau de Villers und
dieses Zeugen sein, mit dessen Familie die Präsidentin Le Grand vor (s. XIII,
Franz von Sales enge Beziehungen hat- 23, Anm. 1 und XX, 380, Anm. 2).
te (s. XX, Anm. 1 zu diesem Brief). 7. Franz von Sales gibt einigen älteren
2. Dieser in den gesammelten Werken Damen den Ehrennamen „Mutter“.
des hl. Franz von Sales (1641) aufge- Die Oeuvres schlagen Frau von Pey-
nommene Brief des Heiligen ohne zieu als Adressatin dieses Briefes vor
Datum und Anschrift ist nach Mei- (s. XXI, 18, Anm. 1).
nung der Herausgeber der Oeuvres viel-
8. Nach den Oeuvres (XXI, 43, Anm.)
leicht an Celse-Bénigne de Chantal ge- paßt dieser Brief eigentlich ganz auf
richtet, weil er um 1612 an einen Or- Marie de Mouxy, dame d’Escrilles, die
densberuf gedacht hätte (s. XV, 317).
sich eines zudringlichen Adeligen er-
Auf Celse-Bénigne, der damals in ei- wehren mußte vor und sogar nach ih-
nem Kolleg war, dürften aber die Rat- rem Eintritt in das Kloster.
schläge des Heiligen kaum passen.
9. Wahrscheinlich Christine Audrin,
3. Wohl die Kirchen dieser Orden.
Tochter eines Wohltäters von Lyon, die
4. Bei der berühmten „Versuchung“ man schließlich nach unangenehmen
des Heiligen, als er Student in Paris Szenen entlassen mußte (XXI, 43-44,
war. Anm.).
5. Zitat aus dem Leben des hl. Franz 10. Nach Oeuvres XXI, 47 wahrschein-
von Sales von Bischof Maupas de Tours lich Marie de Mouxy, dame d’Escrilles.
(1657).
Verzeichnis der Adressaten 411
Vergleichende TTafeln
afeln
der Oeuvres de Saint François de Sales und dieser Ausgabe
In den ersten drei Spalten sind in der Reihenfolge der Bände angegeben: Brief-Num-
mer, Seitenzahl und Datum in den „Oeuvres“. Daneben steht die Seitenzahl dieses
Bandes und unter „Bemerkungen“ eventuell Angaben über die Echtheit und die Adres-
saten.
Bekanntlich haben im 19. Jahrhundert mehrere Gruppen von Fälschern angebliche
Briefe des hl. Franz von Sales verbreitet, von denen vermutlich einige auch in die
„Oeuvres“ aufgenommen wurden. – Als Kriterien für die Echtheit können nach dem
gegenwärtigen Stand der Untersuchung gelten:
1. Was vor 1800 veröffentlicht wurde, darf als echt angesehen werden, vor allem die
unter Aufsicht der hl. Johanna Franziska von Chantal herausgegebenen „Epitres spiri-
tuelles“ (Ep. spir. ), ebenso von Hérissant (1758) veröffentlichte Briefe.
2. Soweit Briefe erstmals in den „Oeuvres“ veröffentlicht wurden, ist deren Echtheit
nach der Quelle sowie nach Inhalt und Stil zu prüfen.
3. Die Ausgaben des 19. Jahrhunderts müssen nach den gleichen Gesichtspunkten
untersucht werden, besonders Blaise (1821), Datta (1831), Vives (1856) und Migne
(1861).
Band XII
174 163 16. 1. 1603 Soulfour 29 Ep. spir.
179 177 13. 3. 1603 eine Tante 45 Ep. spir.
181 180 IV/V. 1603 Soulfour 35 Ep. spir.
190 202 22. 7. 1603 Soulfour 38 Ep. spir.
206 244 1602/1603 Boisy 27 zit. Hauteville (1669).
217 267 3. 5. 1604 Brulart 79 vgl. Anm. II/3.
230 326 7. 10. 1604 Frémyot 49
233 345 13. 10. 1604 Brulart 82
242 395 22. 11. 1604 Brulart 87
Band XIII
271 1 I/III. 1605 Thuille 28
275 14 18. 2. 1605 Brulart 88 teilw. nach Blaise.
277 18 III. 1605 Brulart 89
282 37 20. 4. 1605 Brulart 93
289 53 10. 6. 1605 Brulart 94
291 58 28. 6. 1605 Limojon 42 Oeuv. (KopieTurin), echt
305 86 28. 8. 1605 Brulart 95
307 90 7. 9. 1605 Limojon 44 Migne; echt.
331 148 II/III. 1606 Brulart 96
338 160 3. 4. 1606 Brulart 99
414
Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen
Band XIV
444 1 8. 4. 1608 Fléchère 135
448 7 IV/V. 1608 Fléchère 136 Ep. spir. (ohne Adr.)
454 18 18. 5. 1608 Chastel 66 Ep. spir.
455 21 19. 5. 1608 Fléchère 137
458 26 28. 5. 1608 Fléchère 139
459 28 V/VI. 1608 Chastel 68 Ep. spir.
462 39 25. 6. 1608 Brulart 115
468 51 13. 7. 1608 Fléchère 139 Datta; nicht sicher.
469 53 16. 7. 1608 Fléchère 140 sicher echt.
470 55 21. 7. 1608 Fléchère 141
472 57 VIII. 1608 Fléchère 142
474 58 21. 8. 1608 Charmoisy 59 sicher echt.
483 75 X. 1608 Clément 54 Ep. spir.
488 81 28. 10. 1608 Fléchère 142
490 85 6. 11. 1608 Mieudry 62 Blaise; wohl echt.
491 86 16. 11. 1608 Bréchard 64 Ep. spir.
495 91 18. 12. 1608 Traves 70 1688.
512 119 20. 1. 1609 Fléchère 143 Adr. nicht ganz sicher.
513 121 II. 1609 Fléchère 144
516 132 II. 1609 Brulart 117
517 135 III. 1609 Fléchère 146
518 137 III. 1609 Brulart 118
520 141 III/IV. 1609 Brulart 119
524 150 18. 4. 1609 Traves 71 1688.
528 156 V. 1609 Fléchère 147 1626.
530 158 15. 5. 1609 Cornillon 72 Ep. spir.
531 160 V. 1609 Bréchard 64 Ep. spir.
534 164 V. 1609 Bréchard 65 Ep. spir.
Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen 415
Band XVI
877 11 21. 5. 1613 Peyzieu 216
884 21 7/8. 6. 1613 Valbonne 209
887 27 11. 6. 1613 Fléchère 162 Migne/Vives; wohl echt.
891 33 15. 6. 1613 Travernay 194
892 34 18/20. 6. 1613 unbekannt 236
894 36 24. 6. 1613 Aiguebellette 205
906 55 24. 8. 1613 Bellegarde 246
910 62 IX. 1613 Brulart 132
911 65 6. 9. 1613 Peyzieu 217
912 67 12. 9. 1613 Fléchère 163
919 78 28. 9. 1613 le Murat 236
920 80 29. 9. 1613 Fléchère 164
927 91 8. 11. 1613 Fléchère 164
928 92 12. 11. 1613 Cornillon 7 6 Migne; wahrsch. echt.
930 95 XI. 1613 Grandmaison 232
939 119 24/25. 12. 1613 eine Dame 237
949 133 7. 1. 1614 d’Escrilles 227
958 155 5. 2. 1614 Valbonne 210
964 170 2. 4. 1614 Valbonne 211
969 175 30. 4. 1614 d’Escrilles 228
972 179 5. 5. 1614 Fléchère 165
975 184 13. 6. 1614 Fléchère 166
976 185 22. 6. 1614 Fléchère 166
980 191 11. 7. 1614 Fléchère 167
982 193 31. 7. 1614 Bellegarde 248
990 209 19. 8. 1614 Valbonne 211
991 211 19. 8. 1614 Fléchère 167
992 212 VIII. 1614 Bellegarde 250
Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen 417
Band XIX
1541 1 7. 8. 1619 Lamoignon 315
1543 4 20. 8. 1619 Le Naint 315
1545 6 23. 8. 1619 unbek. Dame 316
1547 9 4. 9. 1619 Pariser Dame 317
1548 11 7. 9. 1619 Pariser Dame 317
1551 18 18. 9. 1619 Villeneuve 305
1556 27 22. 9. 1619 Le Maitre 318
1570 59 X/XII. 1619 Amelot 321 Gesch. d. Heims. v. Paris.
1571 60 X/XII. 1619 ein Fräulein 321
Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen 419
Band XX
1751 11 24. 1. 1621 La Maitre 320
1753 14 I. 1621 Ruans 241
1761 23 8. 2. 1621 Ruans 242
1762 24 27. 2. 1621 eine Dame 333 (vgl. Anm. V/75).
1768 32 24. 3. 1621 Toulongeon 335
1778 51 25. 4. 1621 Dalet 336
1779 55 25. 4. 1621 Montfan 339
1790 77 11. 5. 1621 Dalet 340
1802 98 (1616/1621) Rivolat 348
1807 107 24. 7. 1621 Chamousset 349
1812 116 VI/VIII. 1621 unbekannt 349
1815 121 2. 8. 1621 Villeneuve 307
1818 125 4. 8. 1621 Montfan 342
1820 131 21. 8. 1621 unbek. Dame 350
1823 138 30. 8. 1621 Sautereau 291
1827 143 VIII/X. 1621 Amaury 352
1830 148 20. 9. 1621 unbek. Dame 353
1831 149 20. 9. 1621 Baudeau 354
1834 157 25. 9. 1621 Aiguebellette 205
420
Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen
Band XXI
1967 3 – Charmoisy 62 Prozeßakten.
1968 3 – Genève-Lullin 363
1971 6 – ein Edelmann 363 1641; vgl. Anm. VI/1.
1973 10 – ein Student 365
1974 11 – ein Adeliger 365
1975 14 – ein Unbekannter 368 Maupas (1657).
1976 15 – eine Dame 368 (vgl. Anm. VI/6).
1977 16 – die gleiche Dame 369
1978 17 – dieselbe Dame 370
1979 18 – eine Dame 370 (vgl. Anm. VI/7).
1980 19 – eine Dame 370
1981 20 – eine Dame 371
1982 20 – eine Dame 371
1983 21 – eine Dame 372
Nr. Oeuv/Seite Datum Empfänger Übers. /Seite Bemerkungen 421