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Suchtprävention für Cannabis in der

Jugendhilfe
Welcher Umgang hilft den Betroffenen?

Hausarbeit
im Seminar
„Einführung in wissenschaftliches Denken und Arbeiten“
Leitung: Dipl.-Soz.-Wiss. Karsten Steinmacher

Vorgelegt von

Tobias Gärtner
Matrikelnummer: 1308112
Rheydter Straße 82 – 41065 Mönchengladbach
E-Mail: tobias.gaertner@stud.hn.de
Tel. 0178/1695885

Wintersemester 2019/20

Abgabedatum: 04.12.2019
Einleitung

Diese Hausarbeit widmet sich, wie aus dem Titel zu entnehmend, dem Thema der
Suchtprävention für die psychoaktive Substanz „Cannabis“ in der Jugendhilfe. Dabei
behandele ich die Abhängigkeit von psychoaktive Substanzen zunächst ganz allgemein und
gehe in 1.2 explizit auf Cannabis als Einstiegsdroge ein. Seitdem Alkoholismus als
behandlungsbedürftige Krankheit im Jahre 1968 durch das Bundessozialgericht anerkannt
wurde steht das Arbeitsfeld der Suchhilfe und Suchtprävention im stetigen Wandel. (Laging,
2018: S.105) Als Beispiel nenne ich den Umgang mit dem Konsumverhalten der „Süchtigen.
So galt es früher als zwingend erforderlich jeglichen Konsum zu verbieten. Seit späten 1980er
Jahren gibt es jedoch auch sogenannte „akzeptierende Drogenarbeit“, welche den Konsum
akzeptiert und damit im Widerspruch zu älteren Paradigmen steht. Auf diesen Wandel und auf
andere Faktoren wie das Umfeld des Betroffenen oder die bedeutsame Vernetzung der
behandelnden Institutionen gehe ich ausführlich in dieser Hausarbeit ein um mich im Fazit
mit der Frage zu befassen, welcher Umgang mit den Betroffenen hilfreich ist. Persönlich
interessiert mich das Thema sehr, da die Suchtprävention essenzieller Bestandteil der
Jugendhilfe ist und sich durch alle Arbeitsfelder der sozialen Arbeit zieht. Aber auch im
Privatem begegnet man dem Thema „Sucht“ oft. Als Beispiel nehme ich das Rauchen von
Tabak-Zigaretten. Jeder kennt vermutlich zumindest einen Raucher aus seinem
Bekanntenkreis welcher sich den gesundheitlichen Folgen des Rauchens bewusst ist und das
Rauchen aufgeben wollte, jedoch aufgrund von sogenannten Entzugserscheinungen wieder
zur Zigarette griff. Dies verdeutlicht die Macht der Sucht bei etwa 12 Millionen Rauchern in
Deutschland laut dem Epidemiologischem Suchtsurvey 2018. Abschließend gehe ich nochmal
auf die Gliederung dieser Hausarbeit ein. So findet man am Anfang der zwei Kapitel jeweils
einen Einleitungstext gefolgt von den jeweiligen Unterthemen.

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Inhaltsverzeichnis
Einleitung ................................................................................................................................... 2
1. Sucht – Eine Erkrankung wie jede andere auch? ................................................................ 4
1.1. Die entwicklungspsychologische Entstehungstheorie .................................................... 4
1.2. Die Einstiegsdroge „Cannabis“ ....................................................................................... 5
2. Suchtprävention in der Jugendhilfe .................................................................................... 6
2.1. Notwendigkeit vernetzen Handelns ................................................................................ 6
2.2. Akzeptierende Drogenarbeit kontra abstinenzorientierter Drogenarbeit ........................ 7
2.3. Präventive Maßnahmen in der Jugendhilfe ..................................................................... 8
1. Fazit..................................................................................................................................... 9
Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 10
Eidesstattliche Versicherung..................................................................................................... 11

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1. Sucht – Eine Erkrankung wie jede andere auch?
Zunächst gehe ich auf die Herkunft des Wortes „Sucht“ ein und stelle verschiedene Modelle der
Sucht vor. Etymologisch geht das Wort „Sucht“ auf „siechen“ zurück und bezeichnet das Leiden
an einer Krankheit. (vgl. Laging, 2018: S. 14) Neben der „Sucht“ existiert der Begriff der
„Abhängigkeit“. Die Weltgesundheitsorganisation führte diesen Begriff im Jahre 1963 in ihr
ICD-10 System ein und begründete dies damit, der Begriff „Sucht“ sei äußerst negativ besetzt
und verhindere daher einen unvoreingenommenen Umgang mit der Thematik. (ebenda) Jedoch
erfährt auch dieser Begriff Kritik. Er sei zu harmlos und verallgemeinere die Problematik. In
Deutschland sind beide Begriffe geläufig. So gibt es beispielsweise die „deutsche Hauptstelle
für Suchtfragen“ oder einen jährlich erscheinenden „Drogen und Suchtbericht“ der
Bundesregierung aber eben auch vereinzelte „Abhängigenhilfe“.
Die Frage, inwieweit „Sucht“ als eine Erkrankung im bio-medizinischen Sinn gesehen werden
kann, wird häufig von Fachkreisen und Betroffenen diskutiert. Dem steht ein Modell gegenüber,
welches Sucht als eine Art moralischem Fehlverhaltens sieht und voraussetzt, der Erkrankte sei
dazu in der Lage, im geringen Maße seinen Konsum selbst zu kontrollieren. Dieses Modell
bietet der Therapie die Möglichkeit, diese verbliebene Fähigkeit der Selbststeuerung positiv
hervorzuheben, um den Erkrankten zu ermutigen. Jedoch resultiert aus diesem Modell auch
eine starke Diskriminierung der Suchtkranken, da man Ihnen eine aus der Selbststeuerung
resultierende Schuld zuweisen kann. (vgl. Laging, 2018: S. 16ff)
Einen Perspektivwechsel leitete der Psychiater Engel im Jahr 1977 mit dem bio-psycho-
sozialem Krankheitsbild ein. Es beschreibt den Menschen als ein körperlich-seelisches Wesen
in seiner ökosozialen Lebenswelt. Hierbei spielen physische, psychische sowie soziale Faktoren
der Erkrankung gleichwertig eine Rolle und beeinflussen sich im Krankheitsverlauf
kontinuierlich gegenseitig. (Pauls, 2013: S. 98f, zit. n. Laging 2018: S.19f) Verglichen mit den
zuvor vorgestellten Modellen zur Sucht wird hierbei die soziale Komponente eingeführt und
ändert sowohl das Krankheitsbild als auch die darauf ausgelegten therapeutischen Maßnahmen
grundsätzlich. Auf Letzteren gehe ich in Kapitel 2 ausführlicher ein.

1.1. Die entwicklungspsychologische Entstehungstheorie


Theorien und Modelle zur Entstehung von Sucht gibt es reichlich und eine ausführliche
Behandlung dieses Themas findet nicht ausreichend Platz in dieser Hausarbeit. Daher befasse
ich mich lediglich mit der entwicklungspsychologischen Entstehungstheorie, da diese Ihren
Fokus auf Jugendliche legt und daher besonders relevant für das Thema „Suchtprävention für
Cannabis in der Jugendhilfe“ ist.
Aus Sicht der Entwicklungspsychologie setzten sich Individuen im Jugendalter sogenannte
„Entwicklungsziele“ und verfolgen diese ständig. Diese ergeben sich aus einem Wechselspiel
von biologischen Entwicklungsprozessen wie hormonellen Veränderungen, sozialen
Anforderungen wie das Erreichen eines gewissen Schulabschlusses und individuellen Zielen
wie das Entwickeln eines Hobbys zusammen. (vgl. Pinquart und Silbereisen, 2002: S. 873-878,
zit. n. Laging, 2018: S. 28) Um diese Entwicklungsziele zu erreichen kann
Substanzmittelkonsum verschiedene Funktionen übernehmen. Mithilfe eines Beispiels
verdeutliche ich dieses Prinzip:
Ein Jugendlicher möchte unabhängiger von seinen Eltern leben. Um dieses Entwicklungsziel
zu erreichen muss er seinen Eltern seine Unabhängigkeit demonstrieren indem er beispielsweise
Regeln bricht und entgegen der elterlichen Autorität handelt. Der Konsum von verbotenen
psychoaktiven Substanzen kann hierbei ebenso den gewünschten Konflikt auslösen wie es
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beispielsweise das Schwänzen der Schule tun könnte.
Neben diesem Beispiel kann der Konsum von psychoaktiven Substanzen auch dazu dienen,
einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen zu erlernen oder sich selbst zu finden. Bis zu
einem gewissen Grad des Konsums kann man diesen als rein funktional zur Bewältigung der
Entwicklungsziele sehen und legitimieren. Schwierig ist es hierbei die Grenze zwischen reiner
Funktionalität und dem zu intervenierenden Missbrauch zu ziehen. (vgl. Laging, 2018: S. 30)
Probleme beim Erreichen der Entwicklungsziele können den Substanzkonsum festigen und eine
Abhängigkeitsbeziehung zwischen der Substanz und dem Erreichen der Ziele hervorrufen. Für
das Individuum bedeutet dies also, dass es ohne den Konsum seine Ziele nicht mehr erreichen
könne, eine Abhängigkeit des Individuums von der Substanz entsteht.
Um diesem Risiko präventiv entgegenzuwirken muss also den Jugendlichen dabei geholfen
werden, ihre Entwicklungsziele zu erreichen. Dabei muss eine Alternative zum
Substanzkonsum angeboten werden, da sonst das Risiko einer Abhängigkeit besteht. (Eckert
und Bathen (Hrsg.), 1995: S.28)

1.2. Die Einstiegsdroge „Cannabis“


Neben Nikotin und Alkohol ist Cannabis die in der Bevölkerung am weitesten verbreitete
psychoaktive Substanz. (Seitz, John, Atzendorf, Rauschert & Kraus, 2019: S.4) Dabei
unterscheidet sie sich von Alkohol und Nikotin dadurch, dass sie in Deutschland unter das
„Betäubungsmittelschutzgesetz“ fällt und daher als Genussmittel nicht frei zu erwerben ist.
Konsumenten begehen beim Erwerb und Besitz dieser Droge eine Straftat und kommen in den
Kontakt mit einem kriminellen Milieu. Für Jugendliche ist dieser Einstieg in eine unbekannte
Welt sowohl Anreiz als auch Gefahr zugleich. Umgangssprachlich wird Cannabis daher auch
als „Einstiegsdroge“ bezeichnet und ist damit besonders relevant für das Thema der
Suchtprävention in der Jugendhilfe. Zunächst gehe ich auf den Ursprung und die
Wirkungsweise der Droge ein und befasse mich dem folgend mit den Risiken des Konsums und
der Verbreitung unter Jugendlichen.
Dem Menschen ist Cannabis bereits aus prähistorischen Zeiten bekannt und wird seitdem für
verschiedenste Anwendungen genutzt. Dazu gehört die Herstellung von Kleidung, Seilen und
Papier. Erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird Cannabis als Rauschdroge in Europa genutzt
und gewann im Zuge der Studentenbewegungen der 1967/68er Jahre an Bedeutung. Der
Konsum wurde zum Symbol eines gesellschaftskritischen Protestes gegen die Anforderungen
der Leistungsgesellschaft und für mehr Spiritualität. (vgl. Scherbaum 2017: S. 37-40)
Der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) ist dabei hauptsächlich für den Rausch
verantwortlich und variiert stark zwischen 2 und 20 Prozent, durch spezielles Züchten der
Pflanze können auch Werte von 30 Prozent erreicht werden. Dabei wird Cannabis meistens in
Pfeifen oder in Form von Zigaretten, sogenannten „Joints“, geraucht. (vgl. Scherbaum, 2017:
S. 37-45) Der Rausch kann hierbei sowohl euphorisch als auch beruhigend wirken. In hoher
Dosierung kann es jedoch auch zu Angstzuständen, Wahnerlebnissen oder Halluzinationen
kommen. (vgl. Laging, 2018: S. 39)
Verglichen mit Alkohol ist der Konsum von Cannabis relativ ungiftig. Bereits eine kleine
Dosis erzielt den gewünschten Rausch und das Risiko einer Überdosierung ist damit gering.
Das Risiko liegt in den Auswirkungen auf den Alltag und hängt von der Lebenslage, dem
Konsummuster und der psychischen Verfassung des Konsumentens ab. (vgl. Laging, 2018: S.
39)
Bei langzeitlichem Konsum lässt sich das „amotivationale Syndrom“ beobachten. Dieses
beschreibt einen Zustand der Antriebslosigkeit, umgangssprachlich sagt man dazu auch: „kiffen
macht träge“. Für Jugendliche besteht hierbei die Gefahr alltägliche Entwicklungsziele nicht
mehr erreichen zu können und das Interesse an Hobbys und schulischer/beruflicher
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Entwicklung sinkt (Scherbaum 2017: S.48). Bei einer Abhängigkeit nach Cannabis zeigen sich
Symptome wie ein starkes Suchtmittelverlangen, dem Vernachlässigen von privaten sowie
schulischen/beruflichen Aufgaben und dem Auftreten von Entzugserscheinungen. Diese
können in Form von Unruhe, Schlafstörungen, Reizbarkeit und einem verminderten oder
gesteigerten Appetit auftreten. (Geschwinde, 2013: S.76) Besonders problematisch hierbei ist,
dass dieser Zustand der Abhängigkeit von den Betroffenen selbst oftmals nicht als Leiden,
sondern als Ausdruck ihres Lebensstils betrachtet wird und damit aus Sicht des Betroffenen
keine Problematik existiert. (vgl. Geschwinde, 2013: S.77)
Laut der im Jahr 2018 durchgeführtem Drogenaffinitätsstudie (Orth, B. und Merkel, C., 2019)
hat jeder Zehnte im Alter von 12 bis 17 Jahren und fast jeder Zweite (42,5%) im Alter von 18
bis 25 bereits einmal Cannabis in seinem Leben konsumiert. Dies verdeutlicht die Popularität
der Droge in der Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Regelmäßig
konsumiert, das heißt mehr als 10 mal in den letzten 12 Monaten, haben 8,3 Prozent der 18 und
19-Jährigen und haben damit den höchsten Wert unter den Altersgruppen. Unter den 24 und 25-
Jährigen tuen dies etwa 5 Prozent. Das erhöhte Risiko einer Cannabisabhängigkeit für 18 und
19- Jährige spiegelt sich in diesen Zahlen wider und zeigt, dass die Gefahr einer Abhängigkeit
mit zunehmenden Alter sinkt. Daher müssen Präventionsmaßnahmen bereits vor Erreichen der
Volljährigkeit durchgeführt werden.

2. Suchtprävention in der Jugendhilfe


Der Lebensabschnitt der Jugend ist davon geprägt sich selbst kennenzulernen, die Welt
auszuprobieren und Grenzen auszutesten. Aber auch die Angst zu versagen, Perspektivlosigkeit
und der Leistungsdruck, den man in schulischen oder beruflichen Ausbildungen bewältigen
muss, gehören zur Jugend. Damit bilden aus Sicht der Entwicklungspsychologie Jugendliche
eine besondere Risikogruppe und es bedarf einer ausgeprägten, flexiblen Suchtprävention
innerhalb der Jugendhilfe. Auch aus medizinischer Sicht sind Jugendliche besonders gefährdet,
da sich ihr Gehirn noch in der Entwicklungsphase befindet und damit besonders anfällig für
Langzeitschädigungen ist. Dabei zieht sich die Suchtprävention durch alle Abteilungen der
Jugendhilfe und stellt die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen vor eine schwierige Aufgabe.
Welche Methoden und Konzepte der Suchtprävention hierbei angewendet werden können
bearbeite ich in 2.2 „Akzeptanz kontra Ausschluss konsumierender Jugendlichen.

2.1. Notwendigkeit vernetzen Handelns


Zunächst gehe ich auf den wichtigen Faktor des vernetzten Handels für erfolgreiche
Suchtprävention ein. Hierbei geht es ganz allgemein um die Bedeutung der Zusammenarbeit
der verschiedenen intervenierenden Institutionen. Passt beispielsweise ein mit Drogen
experimentierender Jugendlicher nur schwer in das pädagogische Konzept einer
Jugendwohngemeinschaft, kann dies die Ausgrenzung aus der Gruppe zur Folge haben. Die
Pädagogen handeln in diesem Fall aus der Verunsicherung heraus, überfordert zu sein und keine
angemessene Reaktion zeigen zu können. Dieses Beispiel zeigt, dass ein Bindeglied zwischen
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der Jugendhilfe und der Suchthilfe nötig ist, um gemeinsam souverän mit dem Jugendlichen
arbeiten zu können. (Eckert und Bathen (Hrsg.), 1995: S.39)
Ob in der Schule, in der sozialpädagogischen Familienhilfe, in der Heimerziehung oder in der
Berufs- und Arbeitswelt. Das Thema Drogen umfasst alle sozialen Bereiche und ist damit auch
nicht nur von einer Hilfe leistenden Institution zu bearbeiten. Es erfordert einen umfassenden
Informationsaustausch und das Herausarbeiten gemeinsamer Strategien mit der Beteiligung
aller sozialen Bereiche. Auch diese Herausforderung lässt sich durch vernetztes Handeln lösen.
Dabei ist zu beachten, dass eine Vernetzung auch die Kontrolle über den Jugendlichen erhöht.
Je vernetzter die jeweiligen Institutionen untereinander arbeiten, desto größer ist die
Möglichkeit der Kontrolle. Hierbei darf die Vernetzung jedoch nicht zu einem
Kontrollinstrument werden, da sonst die direkte Beziehung zwischen dem Jugendlichem und
seinem Bezugspädagogen gefährdet ist. (Eckert und Bathen (Hrsg.), 1995: S.42f)
Die Drogenhilfe ist ähnlich wie die Pädagogik ein lebendiges Themengebiet und erfährt ständig
neue Erkenntnisse und Ideen. Eine dieser Ideen ist beispielsweise die „akzeptierende
Drogenhilfe“ welche ich in 2.2 ausführlicher bearbeite. Es ist wichtig neue Erkenntnisse den
Sozialpädagogen zu vermitteln. Dies erfordert eine Vernetzung der Einrichtungen mit den
Schulen und Ausbildungsstätten sozialer Berufe, sowie einen Austausch unter den Kollegen,
um neue Erkenntnisse zu berücksichtigen und kompetentes Handeln gewährleisten zu können.
(vgl. Eckert und Bathen (Hrsg.), 1995: S.43)
Dem vernetzen Handeln stehen dabei auch Probleme gegenüber. So können Einrichtungen
beispielsweise um begrenzte öffentliche Gelder konkurrieren oder nehmen ihre
Kooperationsverpflichtungen nur unzureichend wahr. Insbesondere die Kooperation zwischen
Schulen und den Trägern der Jugendhilfe ist verbesserungswürdig. Zwar werden nach § 78
KJHG Arbeitsgemeinschaften gebildet um Fachkonzepte auszuarbeiten und um geplante
Maßnahmen abzustimmen, jedoch erfolgt dies ohne die Beteiligung der Schulen, die einen
maßgeblichen Anteil am Alltag der Jugendlichen haben. Somit hat man wieder Probleme in der
Kommunikation und vernetztes Handeln wird erschwert. Erst wenn Schulen, Sozial- und
Wohnungsämter sowie andere am Leben der Jugendlichen teilhabenden Institutionen wie
Sportvereine mit am Tisch sitzen, kann von vernetztem Handeln die Rede sein. (vgl. Eckert und
Bathen (Hrsg.), 1995: S.45ff)

2.2. Akzeptierende Drogenarbeit kontra abstinenzorientierter


Drogenarbeit
Um die zentrale Frage dieser Hausarbeit zu bearbeiten ist es notwendig das Konzept der
akzeptierenden Drogenarbeit einmal vorzustellen. Das Konzept entstand in den späten 1980er
Jahren und bezieht sich allgemein auf das Bild des abhängigen Konsumentens und den Umgang
mit seinem Konsum.
So zielte vorher die sogenannte abstinenzorientierte Drogenarbeit ihr pädagogisches und
therapeutisches Handeln rein auf die Abstinenz des Konsumenten. Die durch die Abhängigkeit
auftretenden gesundheitlichen und sozialen Schädigungen verschwinden durch die Abstinenz
einfach. Hilfen zur Vermeidung oder Begrenzung suchtbedingter Schädigung führen zu einer
Abnahme des Leidens beim Abhängigen und damit zu einer verminderten Motivation bei ihm,
abstinent zu leben. Nach dieser Theorie wirken sich also Hilfen negativ auf die Entwicklung
einer Abstinenz aus. (Laging, 2018: S. 117)
Akzeptierende Drogenarbeit hingegen zielt auf eine allgemeine Verbesserung der
Lebenssituation indem Hilfestellung zur allgemeinen Lebensbewältigung und zum
kontrollierten Umgang mit Drogen gegeben wird. Der Klient soll hierbei lernen mit der Droge
zu leben und eine Abstinenz wird erst auf Wunsch des Klienten angestrebt. (Eckert und Bathen
7
(Hrsg.), 1995: S.29)
Pilotprojekte zur akzeptierenden Drogenarbeit existieren seit den Anfängen der 1970er Jahren.
Eine Wohngemeinschaft nach dem „release-Modell“ wurde in Bremen in dieser Zeit eröffnet
und ist Beispiel eines solchen Pilotprojektes. Diese richtete sich nach einer pädagogischen
Strategie, welche den Konsum von Alkohol und Cannabis innerhalb der Wohngruppe erlaubte,
da dieser besser sei als der Konsum härterer Drogen wie Heroin. Nachdem Klienten öfters zur
Suchtmittelbeschaffung in Apotheken einbrachen und infolge eines gemeinsamen
Alkoholkonsums von Betreuern und Klienten die Einrichtung brannte wurde das Projekt
eingestellt und ein neuer, abstinenzorientierter Träger übernahm diese. Auch wenn das Projekt
gescheitert ist kann man positive Schlüsse daraus ziehen. So stellte das „release-Modell“ eine
Alternative zur damals üblichen Unterbringung in der Psychiatrie dar und es wurde eine Wohn-
und Therapieform gefunden, welche zumindest von einem Teil der Klienten angenommen
wurde. (Eckert und Bathen (Hrsg.), 1995: S.50)
Ein weiteres Beispiel eines Projektes der akzeptierenden Drogenarbeit ist die Einrichtung von
sogenannten Methadon-Vergabestellen. Diese sind mit sozialarbeiterischer Beratung und
Betreuung ausgestattete kleine medizinische Praxen für Heroinkonsumenten. Neben der
Beratung werden dort legale Drogen (Methadon) verabreicht, Spritzen zur AIDS-Prävention
ausgetauscht und es wird medizinische Hilfe für die Konsumenten geleistet. (Eckert und Bathen
(Hrsg.), 1995: S.51)
„Drogenarbeit ist primär Beziehungsarbeit.“ (Eckert und Bathen (Hrsg.), 1995: S. 83) Beide
Beispiele folgen diesem Grundsatz und es wird deutlich, dass abstinenzorientierte Drogenarbeit
hierfür nicht ausgelegt ist.
Außerdem existieren Menschen, die aus verschiedensten Gründen kein abstinentes Leben
anstreben und trotzdem Hilfe in Anspruch nehmen möchten beziehungsweise Hilfe brauchen.
Diese Menschen werden von einem ausschließlich abstinenzorientierten System de facto von
Hilfe ausgeschlossen. (Körkel 2012, zit.n. Laging, 2018: S.109)

2.3. Präventive Maßnahmen in der Jugendhilfe


Die professionelle Suchtprävention in Deutschland hat ihren Ursprung in den späten 1960er
Jahren und war eine Reaktion auf den zunehmenden Konsum von Haschisch, LSD und Heroin,
welches in der Folge die ersten „Drogentote“ forderte. (Laging, 2018: S. 116)
Zunächst setzten man in der Drogenprävention auf Konzepte der Abschreckung und
Aufklärung. Diese „verteufelten“ den Konsum und verbreiteten sich durch alle Massenmedien.
Diese Haltung wurde schließlich in den 1980er Jahren aufgegeben als die Idee aufkam,
Drogenkonsum kann Jugendlichen als Mittel zur Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgabe
dienen und es daher wichtiger ist, eine Alternative zum Konsum anzubieten als diesen zu
verteufeln. (ebenda)
Das Konzept der Risikoalternativen entspringt dieser Idee und zielt dabei auf eine Stärkung des
Selbstbewusstseins, der sozialen Kompetenzen und der Handlungsfähigkeit des Klienten durch
das Anbieten von Freizeitangeboten als Risikoalternative. (Sting und Blume 2003: S.75, zit. n.
Laging, 2018: S.116) Kritisiert wurde hierbei eine in der Praxis ausbleibende Thematisierung
der Sucht- und Drogenproblematik, da oftmals Drogenpräventionsmaßnahmen für Jugendliche
als solche nicht erkennbar waren und diese mit ihrem Interesse an der Drogenthematik allein
gelassen wurden. (ebenda)
Dem stand das Konzept der Lebenskompetenzförderung gegenüber und entspringt ebenfalls der
entwicklungspsychologischen Idee. Eine Kombination aus Rollenspielen, Übungen und
Programmen zur Wissensvermittlung zielen auf eine Stärkung der allgemeinen
Bewältigungsfähigkeiten, der sozialen Kompetenzen und dem Wiederstehen des sozialen
Drucks zum Konsumieren von Drogen. Dabei thematisierte dieses Konzept den
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Substanzkonsum und unterscheidet sich darin vom Konzept der Risikoalternativen. Die
abstinenzorientierte Haltung wurde jedoch darin kritisiert, dass vor allem abstinenzorientierte
Jugendliche hierbei erreicht werden und die Risikogruppe der drogenkonsumierenden
Jugendlichen kaum profitieren kann. (Künzel-Böhmer et al., 1993)
Anfang der 1990er Jahre tritt das Konzept der Schadenminimierung in Erscheinung und richtet
sich erstmalig explizit gegen eine Abstinenzorientierung. Dieses Konzept folgt dem Konzept
der akzeptierenden Drogenarbeit und hat das Ziel konsumierende Jugendliche über Substanzen
aufzuklären. (Laging, 2018: S. 120)
Für Jugendliche, die gelegentlich Substanzen konsumieren und keiner drogennahen Szene
zugehören wurde das Konzept der Risikokompetenz entwickelt. Dieses Konzept akzeptiert das
Experimentierverhalten als Bestandteil der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und zielt
auf die Bildung eines verantwortungsvollen Konsums. Dieser beinhaltet unter anderem die
Bereitschaft und Fähigkeit zum konsequenten Konsumverzicht, die Fähigkeit Substanzkonsum
selbstkritisch zu sehen und den Verzicht auf bestimmten Substanzen. (ebenda)

3. Fazit
Unter Einbeziehung der zuvor ausgearbeiteten Themen bearbeite ich nun die zentrale Frage
dieser Hausarbeit: „Welcher Umgang hilft den Betroffenen?“ im Kontext der Suchtprävention
für Cannabis in der Jugendhilfe.
Zunächst muss hierfür in den Einrichtungen der Jugendhilfe eine gemeinsame Haltung zum
Thema Substanzkonsum ausgehandelt werden. Es ist wichtig hierbei, dass sich alle Betreuer an
dieser Haltung orientieren und es keine Aussagen verschiedener Meinungen seitens der
Betreuer an die Jugendlichen gibt, da diese den Jugendlichen verwirren und ihm Stabilität im
Leben nehmen können. Abstinenz sollte ein Teilziel pädagogischen Handelns sein, da der
Konsum von Cannabis neben einem hohen Abhängigkeitspotenzial auch die Ausübung
täglicher Aufgaben wie dem Besuch der Schule oder dem Ausleben sozialer Beziehungen
gefährden kann. Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie hingegen zeigen, dass
vereinzelter Konsum von psychoaktiven Substanzen wie Cannabis in gewissermaßen zur
Jugend dazugehört und daher präventiv nicht zu verhindern ist. Daher ist es besser, sich offen
mit dem konsumierenden Jugendlichen auszutauschen und Gewissheit über das
Konsumverhalten zu bekommen als diesen mit seinem Konsum zu konfrontieren und als
Süchtigen zu stigmatisieren.
Damit ergibt sich eine Haltung, welche Abstinenz als Normalzustand betrachtet und mit
Cannabis experimentierenden Jugendlichen Stabilität bietet.
Liegt beim Jugendlichen bereits ein riskantes Konsumverhalten vor, so kann eine
Destabilisierung des sozialen Umfeldes nach dem bio-psycho-sozialen Bild eine Abhängigkeit
hervorrufen und bestärken. Daher ist es wichtig behutsam und offen mit dem Betroffenen
umzugehen. Hierbei muss auf die Beziehung zwischen Betreuer und Bewohner eingegangen
werden, da diese oftmals eine stärkere Wirkung auf den Bewohner hat als stigmatisierende
Drogenberatungsstellen.
Außerdem ist es wichtig das Konsumverhalten des Bewohners zu beobachten und zu
dokumentieren, da sich somit gewisse Konsummuster erkennen lassen und im Falle einer sich
abzeichnenden Abhängigkeit frühzeitig interveniert werden kann. Durch Vernetzung mit
anderen am Leben des Bewohners teilhabenden Institutionen wie der Schule, dem Sportverein
oder den Eltern kann ein erweitertes Bild vom Konsum erstellt werden.
Abschließend stelle ich dar, dass die Schaffung von Freizeitangeboten als Alternative zum
Substanzkonsum auch sehr wichtig ist. Diese können spielerisch das Selbstbewusstsein stärken
und dabei als Ablenkung vom Konsum und den damit einhergehenden Entzugserscheinungen
dienen. Hierbei sind die Kreativität und der Enthusiasmus der Betreuer gefragt.

9
Literaturverzeichnis

Atzendorf, J.; John, L.;


Kraus, L.; Rauschert, C.;
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https://www.esasurvey.de/fileadmin/user_upload/Literatur/Beric
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Bathen, R. (Hrsg.);
Eckert, D. (1995): Jugendhilfe und akzeptierende Drogenarbeit, 1. Auflage,
Freiburg im Breisgau (Lambertus)

Geschwinde, Th. (2013): Rauschdrogen: Marktformen und Wirkungsweisen, 1.


Auflage, Berlin Heidelberg New York (Springer)

Körkel, J. (2012): Wege aus der Sucht – Suchtarbeit, Abstinenz und


selbstkontrollierter Konsum, In: S. B. Gahleitner und G. Hahn
(Hg.), Übergänge gestalten, Lebenskrisen begleiten, 2. Auflage,
261-276, Bonn (Psychatrie-Verlag)

Laging, M. (2018): Soziale Arbeit in der Suchthilfe: Grundlagen - Konzepte


– Methoden, 1. Auflage, Stuttgart (Kohlhammer)

Merkel, C.; Orth, B. (2019): Der Cannabiskonsum Jugendlicher und junger


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2018 und Trends, BZgA-Forschungsbericht, Köln
(Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung), verfügbar
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https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/Alkoh
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Pauls, H. (2013): Klinische Sozialarbeit: Grundlagen und Methoden


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Juventa)

Pinquart, M.;
Silbereisen, R. K. (2002) Gesundheitsverhalten im Kindes- und Jugendalter.
Entwicklungspsychologische Erklärungsansätze,
Bundesgesundheitsblatt 45 (11), 873-878

Scherbaum, N. (2017): Das Drogentaschenbuch, 5. Auflage, Stuttgart (Georg


Thieme-Verlag)

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Eidesstattliche Versicherung

Ich versichere hiermit, dass ich die hier vorgelegte Hausarbeit selbständig und ohne
fremde Hilfe angefertigt und bisher keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt habe.
Alle wörtlich oder sinngemäß aus anderen Quellen übernommenen Stellen habe ich
kenntlich gemacht. Andere als die angegebenen und kenntlich gemachten Quellen und
Hilfsmittel habe ich nicht genutzt.
Ich bin mir bewusst, dass ein Verstoß gegen diese Versicherung nicht nur
prüfungsrechtliche Folgen haben wird, sondern auch zu weitergehenden rechtlichen
Konsequenzen führen kann.

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Ort, Datum, Unterschrift

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