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Medien- und Kommunikationstheorie

Universität Wien / Publizistik- und Kommunikationswissenschaft


Wintersemester 2010
S.A.B.

[Published: 08.04.2011]

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1. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 11.10.2010
Viele stehen skeptisch gegenüber Theorie – sie sehen es als etwas Verstaubtes, Trockenes. Theorien
dienen die Praxis zu verstehen und sie gegeben falls zu verbessern. Denken als
Kommunikationswissenschaftler stark von der Faszination mit Praxis stark geprägt. Es geht um das
Erwerb von praktischen Fähigkeiten. Die Vorlesung soll aufzeigen die Theorien durchaus helfen die
Praxis besser zu verstehen und verbessert auch diese Fähigkeiten. Alles handeln beruht auf
theoretische Annahmen bzw. Vorannahmen z.B. Besuch des Studiums soll (theoretisch) die
Berufschancen verbessern. Wir versuchen ständig Phänomene zu begründen z.B. das hinter der
Phänomen ‚Symptom‘ steckt möglicherweise eine Krankheit.

Alltagstheorien werden ständig konzipiert und gebaut. Diese verstehen sich als Grundannahmen:
Wie kann man diese eine Problem lösen? Wie geht man damit um? Z.B. Wie sollten Kinder erzogen
werden? Bei Theorien geht es um nichts anderes als das tentative/versuchsweisen Umgehen mit
einer komplexen Wirklichkeit. In der PuKW geht es um die komplexe Wirklichkeit von sozialen
Kommunikationsbeziehungen – all dem was man als Kommunikation bezeichnen kann.
Kommunikation versteht sich als Totalphänomen – es gibt nichts was nicht als Kommunikation
verstanden werden kann. Hegel: Alles sein ist Beziehung. Luhmann: Ein System besteht aus nichts
anderes als Beziehungen, und Beziehungen sind alle Kommunikationsbeziehungen. Journalismus
System, Politisches-System – man rekurriert auch unbewusst auf Systemtheorie. Der
Gegenstandsbereich der Kommunikationswissenschaft, das Objekt der Theoriebildung ist die
menschliche oder soziale Kommunikation.

Die PuKW steht vor das Problem Theorien zu entwickeln die für diese Kommunikationsphänomene
geeignet sind. Was heißt geeignet? Welche die helfen diese Kommunikationsphänomene erkennbar
zu machen und ihren Zusammenhang/gelingen/funktionieren/Ablauf/Prozesshaftigkeit zu
erklären um sie vorhersehbar zu machen. Was kann man von einem bestimmten Input erwarten? Will
man eine Wahl beeinflussen muss man rechtzeitig die Themenführerschaft erlangen. Man muss
einem neuen Thema einbringen. Praktische Handlungsweisen haben eine theoretische Entsprechung;
es dauert z.B. 5 – 6 Tage bis ein neues Thema in dem Köpfen der Menschen ankommt und
möglicherweise ihr Handeln beeinflusst. PuKW hat sich damit abgefunden dass es für soziale
Kommunikation keine übergeordnete Supratheorie gibt. Das theoretische Bemühen der PuKW bleibt
letztendlich Stückhaft – die Realität der Kommunikation in der Gesellschaft eilt die wissenschaftliche
Kommunikationsbildung immer voraus. Das theoretische Rüstzeug der PuKW gemessen an was von
der Praxis benötigt wird bleibt immer zurück. Einen ständigen Wettlauf zwischen theoretische
Reflexion und praktische Entwicklung. Die Theorie wird ständig von der Praxis überholt.

Nicht nur gibt es keine Supratheorie, sondern die PuKW hat es auch zu tun mit zwei gänzliche
Unterschiedliche Modi der Kommunikation. Das sind die zwischenmenschliche Kommunikation
auf der eine Seite, und die Massenkommunikation auf der anderen Seite. Die anthropologische
Grundkonstante von Kommunikation: wo Kommunikation fehlt, besteht keine Möglichkeit der
Mensch-werden. Es geht nicht nur um die verbale Kommunikation, sondern auch um viel
grundlegendere Formen wie der Berührung.

Massenkommunikation ist für unsere Existenz als gesellschaftliche Subjekte bzw.


Gesellschaftswesen auch unabdingbar. Wir leben nicht vereinzelt und nur für uns selbst. Medien
sind daher für die soziale Orientierung unverzichtbar. Diese beiden Modi haben nur bedingt etwas
miteinander zu tun – sie haben möglicherweise auch andere Voraussetzungen. Zum Beispiel in der
Massenkommunikation hat man nicht die Möglichkeit des spontanen Feedbacks. Die
Massenkommunikation kann aber Themen für die ganze Gesellschaft bereitstellen. Sind kann die

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Gesellschaft vergewissern über die sie betreffenden Themen. Zwischenmenschliche Kommunikation
versteht sich auch als Erfahrungsaustausch; wir teilen mit jemand eine Erfahrung. In der
Massenkommunikation sind es mindestens Sekundär- wenn nicht tertiärvermittelten
Kommunikationsinhalte. Diese entziehen sich unsere direkte Erfahrung. Wir sind auf die Medien
angewiesen, können aber auch dieses Prozess optimieren. Zum Beispiel in dem wir viele Quellen
benutzen oder nicht alles sofort glauben sondern auch Hinterfragen. Was ist Propaganda, was ist
Information? (Mischt sich heute sehr stark) Die moderne Kriege sind Kriege der medialen
Wahrnehmung: wer besetzt das Thema als erster?

Manchmal wird es über beide Kommunikationsmodi von Dialog gesprochen: Das Dialog der
Gesellschaft. Massenmedien führen nicht zum Dialog der Gesellschaft, sie stellen Themen zur
Kommunikation bereit. Sie transportieren Informationen und vermitteln Daten – der
Bedeutungskontext muss vom Individuum erst eingeholt werden. Ein Dialog unterliegt bestimmte
moralische Maßstäbe; ein Dialog kann nicht gelingen in einen Über- / Unterordungsverhältnis
beispielsweise. In diese Situation gibt es aber dennoch Kommunikation. Man nimmt wahr was eine
Person fragt, aber auch Wer es ist der spricht. Man deutet die Person in Bezug auf seine Worte. „Ich
deute sie und sie deuten mich.“ Hat man glück, dann Treffen sich die Deutungsebenen.

Kommunikationstheorien beziehen sich auf mannigfaltige Fülle von Kommunikative Momente und
Beziehungen.

Theoriechaos: Bei einem sozialen Totalphänomen wie Medienkommunikation, das in alle


erdenklichen Schichten des Kollektiven und Individuellen seins reicht, ist ja die Fülle mögliche
Problemstellungen und Hypothesen buchstäblich unbeschränkt. Und so ja auch diejenige möglicher
Holzwege. (Saxer, U.)

Der Kernbereich was Forschung und Theoriebildung ausmacht ist der Problembegriff. Am
Problem/Problemrelevanz liegt die Art und Weise der Theoriebildung. Theorien versuchen immer
Antworten auf konkrete Probleme zu geben. Aber das Problem ist auch ‚dein‘ Problem. Das Problem
wird definiert. Das Problem existiert nicht an sich und unabhängig von ihnen.

Beeinflussen Medien das Wahlverhalten? Wenn ja, wie? Gibt es Gruppen in der Gesellschaft auf den die
Medien einen größeren Einfluss ausüben? Was wirkt, das Schlagwort oder das Argument?

Kommunikationswissenschaft ist keine Geisteswissenschaft sondern eine Sozialwissenschaft, und sie


denk deshalb Problemorientiert. Deshalb greift sie auf eine Basistheorie/Metatheorie zurück; zum
Beispiel auf den kritischen Rationalismus von Karl Popper. Im Sinne des kritischen Rationalismus ist
die Wissenschaft dazu da konkrete Probleme zu lösen. Was ist aber eine Problem, wissenschaftliche
gesehen? Ein Problem ist die erkannte Diskrepanz zwischen einen erkannten Ist-Zustand und eine
erwünschten Sollens-Zustand. Man erkennt also wie etwas ist, meint aber das es besser wäre wenn
es anders wäre. Wenn man möchte dass etwas besser gelingt als bisher, bezeichnet man das als
normativen Anspruch. Normativer Anspruch kommt aus dem Erwartungsverständiß; das
Verständnis über die Wirklichkeit und wie sie sein soll. Alleine die Beobachtung des Ist-Zustandes
reicht aber nicht aus; wenn man möchte dass es besser wird, dann wird es zum Problem.
Sozialwissenschaft hat tatsächlich die Aufgabe gesellschaftliche Realität zu verändern, zu verbessern.

Bei den Vertretern der kritischen Theorie wird explizit davon gesprochen dass das Verhältnis von
Theorie und Wirklichkeit ein revolutionäres sein muss. Die Theorie ist nur wertvoll wenn sie
tatsächlich gesellschaftliches Unrecht behebt oder aufzeigt oder bekämpft.

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Popper aber, besagt das die Theorie wird immer gefährlich wenn sie die Gesellschaft verändern will;
dann wird plötzlich aus der Theorie eine Ideologie. Die Theorie existiert aber nicht im Luftleeren
Raum. Sie entspringt den Köpfen der Menschen, weil Probleme von Menschen identifiziert werden.
Anderseits, die identifizierte Probleme und Forschungen in die Gesellschaft zurückspiegeln und
gesellschaftliche Prozesse verändert. Wenn man ein lösungsbedürftiges Problem identifiziert
impliziert man das die Lösung die Gesellschaft verändert. Werte haben aber natürlich einen Einfluss
auf die Forschungsergebnisse; es hängt von meine Werte ab, was ich als Problem erkenne. Es hängt
auch von meinen Wertorientierungen ab, wie man versucht das Problem zu lösen. Deshalb sollte die
Wertorientierung immer Transparent gemacht werden. Ein Problem, im wissenschaftlichen Sinn, hat
nichts mit gelingen zu tun. Forschung ist nicht neutral, genauso wie Technik nie neutral ist. Technik
hat ein Wesen; es ist Teil des Wesens der Messer das man damit Bort schneiden kann, aber auch
jemanden Stechen.

„Man wird nicht Journalist; man scheitert in den Beruf hinein.“ Das Fach der PuKW besteht aus
Holzwege. Die Wissenschaft ist immer der aktuellste Stand des Irrtums; nichts ist Sakrosankt. Der
Zwang der Selektion verläuft immer der Gefahr der Sicht des Ganzen zu verlieren. Zentralste
Forschungsbereich in der PuKW ist: die Medienwirkung. Wie wirken die Medien? Was muss man tun
um die Größtmögliche Wirkung zu erlangen? Wirkungen interessieren alle die von eine positive
Medienwirkung abhängig sind, wie z.B. P.R. Leute. Früher dachte Man die Medien seien der einzige
und Wirksamste Faktor; Theorie der Omnipotenz der Medien; Starke Botschaft = Starke Wirkung.
Das Stimulus-Response denken hat sich aber nicht bewährt. Deshalb wurden die intervenierenden
Variablen angeschaut; Opinion Leader usw. Das waren alles Irrtümer; aber nicht die Antworten
waren falsch sondern die Fragen waren Falsch.

Dan hat sich das Paradigma geändert: Nicht was machen Medien mit Menschen, sondern was
machen Menschen mit Medien.(?) Und so entstanden neue Fragestellungen, die Rezipienten-
Orientierten Forschung. Forschung hat einen Mainstream und verändert sich deshalb nicht von heute
auf morgen. Karl Popper fordert in seine kritische Rationalismus: Man muss gegen sich forschen:
nicht das Ergebnis ist Falsch sondern die Theorie ist falsch. Die Sachverhalte entwickeln sich auch
über die Theorien hinaus. Es ist sehr wohl möglich dass die Theorie der Medienwirkung durchaus
stimmte, als das Fernsehen und Zeitung herausgekommen sind. Aber durch die jahrelange
Habitualisierung hat sich die Realität verändert. Es kann sein das es sehr wohl etwas gibt wie mediale
Massenphänomene und das Medien durchaus eine Wirkung haben auf das Kollektive Fühlen und
Denken der Menschen. Die Phänomene verändern sich, die Variablen ändern sich; sie sind Flüchtig.

Es zwar unverzichtbar die Wirklichkeit zu verstehen, aber wir wissen auch das die Wirklichkeit über
unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten hinaus geht. Wichtige Phänomene können manchmal nicht
gemessen werden…wie misst man Sympathie? Das Phänomen ist schwer fassbar; man kann es nicht
immer messbar machen. Die empirischen Theorien sind vorgeprägt durch die Methodenstandards
die man anwendet. Das was man messen kann ist auch Wirklichkeit und was nicht Messbar ist, ist
nicht Wirklich. Das weist die Forschungsmethode die man verwendet Priorität zu. Die
Theoriebildung in der sozialen Wissenschaft ist auch endgeknüpft an dem Methodenrepertoire. Die
Methode bestimmt was man denkt, nicht man bestimmt durch sein Denken die Methode. Neue
Fragen machen deshalb neue Methoden notwendig; neue Methoden sind aber nicht validiert, nicht
geeicht. Man muss deshalb seine Frage manchmal so Formulieren das es Messbar gemacht wird, mit
herkömmlichen Methoden. Das sind alles restriktive Momente die es schwierig Machen eine Theorie
zu entwickeln.

Die die in der Wissenschaft Karriere machen, machen es deswegen weil sie das Fach vertreten wie es
gelehrt wird. Ein wirklicher Querdenker kommt gar nicht zur Habilitation. „Bleibt nicht wie du bist;

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werde wie du sein könntest.“ Theorien sind gedankliche Konstrukte, Ansammlungen von Sätze und
Behauptungen meistens deduktiver Art. Sie sind deduktive Aussagen die einen Teilbereich der
Wirklichkeit beschreiben und Erklären. Theorien sind immer etwas Vorläufiges. Die Aufgabe der
Vorlesung besteht darin sich nicht klein machen zu lassen von Problemen wie das Totalphänomen
der Kommunikation oder der Theorienchaos. Für Erkenntnis ist es gleichermaßen schlecht ob man ein
System hat, oder kein System hat.

Hegel: „Es ist gleich tödlich für den Geist ein System zu haben und keines zu haben, er wird sich also
wohl schließen müssen, beides zu verbinden.“

Rotes Skriptum soll im Rhythmus der Vorlesung gelesen werden. „Vielleicht sollte man sich das
Merken“ heißt der entsprechende Stoff Prüfungsrelevant ist, möglicherweise.

2. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 11.10.2010


Ernst Steiner untersucht das Spannungsfeld Chaos und Ordnung. Es gibt so was wie einem
Theorienchaos innerhalb der PuKW. Aber das ist nur ein vermeintliches Chaos. In der Chaostheorie
versteht man Chaos als eine höhere Form der Ordnung. Es kommt früher oder später zu Theorie-
Kreisen, also zu einer gewissen Ordnung. Paradigmen sind kognitive Muster nach denen
Wissenschaft funktioniert. Zum Beispiel die Paradigma über das ‚Omnipotenz der Medien‘. Die
daraus entstandenen Theorien wurden alle von einer bestimmte Sicht der Dinge gesteuert.

Die Kommunikationswissenschaft wir erst spannend wenn man das gelernte mit dem persönlich
erlebten verknüpft. Paul Feyeraben, ehemalige Mitarbeiter von K. Popper, sagt: Respektiere dein
Vorgänger aber sei nicht seine Sklave. Man ist dann nicht ein Sklave wenn man das persönlich
erfahrene mit dem eigen erlebten verknüpft. Das was in der Vorlesung geschieht ist ein Mehr oder
Weniger systematisches Nachdenken über menschliche Kommunikation. Alles Existenz ist
kommunikative Existenz. Existieren und Kommunizieren gehören zusammen; zwei Seiten einer
Medaille. Existenz ist nicht etwas was auf sich selbst bezogen bleibt; insofern man existiert, existiert
man im Zusammenhang mit anderen. Man existiert in Bezug auf einen anderen. Die Beziehung des
einen zum anderen.

Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich nur sporadisch mit der zwischenmenschliche


Kommunikation. Zumeist wird nur die Massenkommunikation betrachtet. Das ist nicht vorteilhaft
weil es ja ein Verhältnis zwischen den Beiden besteht. Wir sprechen mit anderen über Massenmediale
Inhalte. Diese Kommunikationsprozesse folgen aber jeweils eine andere Logik. Es gibt wenige
Theorien die die zwischenmenschliche Kommunikation betreffen, und diese kommen meist aus
anderem Fächer.

Was sind Theorien und wie kommen Theorien zustande? Wenn wir von Theorien sprechen, dann ist
es meisten über empirische Kommunikationstheorien. Theoreme sind abgeleitete Gesetzesaussagen
die sich aus Theorien ableiten lassen. In Bezug auf die theoretische Erörterung kann man einzelne
gesetzmäßige Aussagen ableiten. In dem Fach der PuKW hat man oft nicht mit geschlossenen
Theorien zu tun sondern eher mit Theoreme.

Wir haben zu tun mit drei große Arten von Theorien: (1) empirische Kommunikationstheorien –>
deckt den Bereich ab wenn man von der Kommunikationswissenschaft als empirisch-analytisch
Sozialwissenschaft spricht. Auf Basis von empirischen Beobachtungen werden Theorien entwickelt.
Beispiele sind Theorien über die berufliche Sozialisation von Journalisten, Theorie der Wirkung der
Massenkommunikation; das ist ein großer Teil dessen mit dem sich das Fach beschäftigt. 98 Prozent
der theoretischen Auseinandersetzung bezieht sich auf empirische Kommunikationstheorien. (2)

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sozialphilosophische Kommunikationstheorien der Gesellschaft -> einerseits der Systemtheorie
von Luhmann; hier geht es nicht mehr um einzelne empirische Befunde und ihre Zusammenhang mit
einer Begründung oder theoretische Rechtfertigung. Es geht auf übergeordneter Ebene um das
Verständnis der Gesellschaft als Kommunikationssystem. Gesellschaft wird verstanden als
kommunikativer Handlungszusammenhang. Diese Theorien beschäftigen sich mit dem
Gesamtzusammenhang von Gesellschaft und Kommunikation. Ideologisch auf der anderen steht die
Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas. Diese versuchen auf der Makroebene große
Theorieentwürfe anzubieten. Diese Theorien speisen sich aus der Philosophie; sie haben ihr Fuß in
der Philosophie.

Im Luhmannischen Sinn besteht ein System aus nichts anders als Kommunikation; Systeme sind
Beziehungen die sich durch eine System-Umwelt Differenz auszeichnen. Das Hauptproblem alle
Systeme sind der Bestandserhaltung; betrifft alle Systeme gleichermaßen. Bestandserhaltung heißt:
Sich gegenüber eine sehr variablen Umwelt abzugrenzen. Systeme bezeichnen sich also auch
dadurch aus das sie relativ invariant sind und bleiben. Eine relative Invarianz gegenüber eine sehr
variablen System-Umwelt. Ein System definiert sich also immer durch seine Differenz mit der
Umwelt wie in etwa das Universitätssystem zur Bildungssystem, oder Bildungssystem zur übrigen
Gesellschaftssystem.

Theorie des Kommunikativen Handels von Jürgen Habermas auch eine solche übergeordnete mit
deren Hilfe man die Kommunikationsvorgänge der Gesellschaft bewerten kann. Der Grundgedanke
ist der: Welche Möglichkeiten hat man, wenn man nicht mit Gewalt seine Interessen durchsetzen
will? Die Antwort ist die Kommunikation; die einzige Möglichkeit nicht unsere Köpfe einzuschlagen.
Für Habermas begründet sich die Vernünftigkeit des Menschen in der Kommunikation. Will man
sich vernünftig mit jemand oder etwas auseinander setzen, dann geht es nicht mit Gewalt sondern
mit Kommunikation. Die Theorie erläutert die Möglichkeit, auch dann wenn Kommunikation
scheitert, dieses Scheitern wiederum mit Kommunikation zu beheben. Die geschieht durch die
Metaebene des Diskurses. Diskurs versteht sich als der Gerichtshof über das Scheitern von
Kommunikation.

(3) philosophische Kommunikationstheorien (als Theorien der Intersubjektivität) -> beziehen sich
auf die Frage: in welcher Zusammenhang steht das Ich und das Du in Bezug auf Kommunikation. Ein
Beispiel ist der symbolische Interaktionismus von G. H. Mead. Solche Theorien bieten
gewissermaßen eine Schnittstelle zwischen alle drei Ebenen an. Hier geht es schon um die Frage: Wie
sehr konstituiert sich das ‚Ich‘ durch einen ‚Du‘? Oder wie sehr sich das ‚Ich‘ durch einen ‚Wir‘
konstituiert. Diese spielen auch bei Axel Honneth in der Anerkennungstheorie eine Rolle. Die
Anerkennungstheorie besagt: „Man muss jemand als ‚den anderen‘ Anerkennen bevor man ihn
Erkennen kann.“ Erst die Anerkennung stiftet die Intersubjektivität. Anerkennung beschreibt ein
Wechselseitiger Prozess: Man erkennt jemand als der/den Andere der dich Gegenüber steht. In
diesem Prozess des Anerkennens hebt sich die Differenz auf. Anerkennung in der Arzt-Patienten
Beziehung: Der Arzt darf nicht ‚von Oben‘ mit dem Patient Kommunizieren sondern muss in ihn
erkennen (anerkennen) dass er auch irgendwann mal ein Leidender ist: Solidarität in der Arzt-
Patienten Beziehung. Man ist in diesem Prozess der Solidarität aufeinander verwiesen und nicht
mehr in einer subjekt-objekt Beziehung verwickelt. Das Problem liegt schon in der Terminologie:
Behandlung, der Arzt Behandelt jemanden als Objekt. Diese sind philosophische Überlegungen zur
Intersubjektivität. Hier geht es nicht um die Erklärung von empirischen Phänomenen, sondern um
die Begründung. Der empirische Kommunikationswissenschaftler fragt: Was sind denn die
Phänomene? Der Philosoph fragt: Wir kommen deine Erkenntnisse zustande um dieses als
Phänomen zu erkennen? Der Philosoph fragt also nach den Erkenntnisbedingungen. Der

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Sozialwissenschaftler versucht Erkenntnisse an bestimmte beobachtete Phänomene festzumachen.
Philosoph wiederum fragt nach den nicht-empirischen Voraussetzungen für das Erkennen vom
Empirischen.

Diese ist ein Schema um gewissermaßen Ordnung herzustellen in das behauptete Theorienchaos von
Ulrich Saxer. Die Wissenschaft und die Theoriebildung stehen beide in eine gewissen Verhältnis zur
Wirklichkeit, sind aber nicht ‚die Wirklichkeit.‘ Die ‚Wirklichkeit‘ im Sinne der PuKW ist die
‚Wirklichkeit sozialer Kommunikation‘; ‚sozialer Kommunikationsphänomene‘. Popper besagt, man
kann nie seine Theorien/Hypothesen ‚Verifizieren‘; eine Theorie kann man nie bewahrheiten. Der
Satz ‚Alle Schwäne sind Weiß gilt nur vorläufig bis man ein schwarzer Schwann findet.“ Die
Prognosen reichen nicht für alle Ewigkeit. Die Wissenschaft bildet die Wirklichkeit nicht 1:1 ab, und
Journalismus auch nicht. Die Wissenschaft greift Selektiv auf die Wissenschaft zu z.B. durch
Paradigmen, Werte, Vorurteile. Darüber hinaus, ist die Wissenschaft selbst Teil der Wirklichkeit
über die sie diese Aussagen trifft. In dem Prozess der Auseinandersetzung mit Wirklichkeit wird die
Wissenschaft selbst zu Wirklichkeit. Es gibt keine Beobachtung die nicht Beobachtung von jemand ist
– man kann nicht außerhalb der Welt stehen und beschreiben. Die Wissenschaft ist also mit der
Wirklichkeit auf doppelter Weise involviert. Die Methoden die die Wissenschaft anwendet sind auch
nicht vom Untersuchungsobjekt unabhängig – die Methoden bestimmen also zum Teil die
Untersuchte Wirklichkeit. Die Dritte Verborgenheit: Die Ergebnisse die die Wissenschaft produziert
werden in der Gesellschaft zurückgespielt, und dadurch wird die Gesellschaft wiederum verändert.

Jede Beobachtung von Wirklichkeit ist eine Beobachtung von jemand. Es gibt keine unabhängige
wissenschaftliche Beobachtung. Alles was in die Wissenschaft drinnen Steckt (Erfahrungen,
Vorurteilen, Interessen, Paradigmen, Geld) bestimmt dem Prozess der Beobachtung von Wirklichkeit
und damit auch das Denkergebnis. Ein Guter Wissenschaftler macht dieser Zustand Transparent in
dem er Sagt aus welchem Standpunkt aus dem er Betrachtet. Die Ergebnisse der Wissenschaft hängen
sehr stark mit dem Inputs zusammen; es kommt darauf an was man oben eingibt. Eine Entscheidung
für etwas ist immer eine Entscheidung gegen etwas anderes (gegen Millionen andere Möglichkeiten).
Aussagen der Wissenschaft über die Wirklichkeit sind immer nur Interpretationen der Wirklichkeit.
Es sind aber keine beliebige Interpretationen, sondern sie sind systematisch Erarbeitet, sind
Wahrheitsfähig; es sind Interpretationen aber keine ad hoc Interpretationen. Positiv/Positivistisch
heißt durch die Sinne wahrnehmbar. Man ist Positivist wenn man seine Welterkenntnis nur darauf
baut, was er sehen kann. Positiv heißt: Was existiert; was positiv durch die Sinne wahrnehmbar ist.
Z.b. Was man wissenschaftliche Beobachten kann existiert, und was man nicht Beobachten kann
existiert nicht. Kritischer Rationalismus von Popper als gewissermaßen die meisten nicht
ausgesprochene Hülle unter der sich alle Arten empirische Forschung versammeln. Und die
Grundthese des Kritischen Rationalismus besteht darin die Hypothesen zu Falsifizieren; man muss
danach Streben gegen sich zu arbeiten. Kritische Rationalisten müssen alles tun um sich zu
wiederlegen – das ist ihr wissenschaftstheoretisches Selbstverständnis. Zu erkennen das der Welt
nicht flach ist war ein ‚revolutionärer Akt‘ – wissenschaftstheoretische Dach/Gebäude ist Karl
Popper’s kritischen Rationalismus.

Große philosophische Diskussion: Wie sind Geist und Gehirn zu verstehen? Bedingen sie sich
gegenseitig? Ist das Gehirn vielleicht die Voraussetzung aber nicht die hinreichende Erklärung? z
.B. die Gehirnforschung kann beweisen es gibt eine neurophysiologische Basis für das Mitgefühl.
Zuwendung gegen Leistung ist der Weg jemanden Kaputt zu machen.

Wo hört der Sozialwissenschaftler auf zwangsweise zu denken? Ein Beispiel aus der PuKW: Wie oft
spricht man davon dass Medien das gesellschaftliche Bewusstsein beeinflussen? Kein Mensch frägt
danach, was ist denn ‚eine gesellschaftliche Bewusstsein?‘ Jahrelang vollzieht man bewusst

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Setzungen: z.B. Man geht davon aus den Medien die Menschen beeinflussen. In dieser Hinsicht fragt
der Philosoph: Wie kommt den eine Setzung zustande? Wir machen viele begriffliche
Voraussetzungen auf dem wir dann aufbauen z.B. ‚gesellschaftlichen Bewusstsein‘. Wir kommen nur
an Beschreibungen der Wirklichkeiten heran: Interpretationen die eingebunden sind in unsere
Sprachlichkeit. Der letzte Bezugspunkt Wirklichkeitsbeschreibungen sind die Beschreibungssysteme.
Man muss die Differenz zwischen Landschaft und Landkarte berücksichtigen. Die Wissenschaft stellt
die Landkarte die alles in einem kohärenten Beschreibungssystem aufzeigt in einem Verhältnis von
1:10,000. Je genauer die Landkarte desto näher kommt das Modell an ‚die Wirklichkeit‘ heran; aber
die Landkarte bleibt trotzdem eine Landkarte: sie ist nur eine Entsprechung. Sie steht nur in einem
Verhältnis zu dem was sie abbildet. Der Weg durch die Landkarte in der Wirklichkeit hat eigentlich
nichts mit die Landkarte zu tun. Wie gut die Landkarte ist kann sich erst in der Realität beweisen.
Daher die Forderung von Paul Feyerabend: die Landkarte (das was man hört, die Wissenschaft) muss
mit der Realität verglichen werden und nicht einfach so als gegeben angenommen werden.

3. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 25.10.2010


Was man als Phänomen identifiziert hängt auf die Fähigkeit ab einen Gegenstand überhaupt als
relevanten Gegenstand erkennen zu können. Der Gegenstand hängt von der Art und Weise ab was
man sucht; man kann nur finden was man sucht. Wie findet die Kommunikationswissenschaft als
Sozialwissenschaft ihre Gegenstände? Theorien verstehen sich im diesem Kontext als systematische
Versuche diese Gegenstände erkennbar zu machen. Sie versuchen aus dem Spektrum möglicher
Untersuchungsobjekte jede heraus zu finden die relevant sind; nämlich in Bezug auf Theoretische
vorannahmen.

Fischernetzparabel (Sir Arthur Eddington, 1939): Die Wirklichkeit ‚an sich‘, also ohne unsere
Beschreibung kann es nicht geben. Alles was wir über Wirklichkeit aussagen (in der Natur- sowohl
wie auch in der Sozialwissenschaft) ist von jemanden Ausgesagt. Zwei Grundgesetze:

(1) Alle Fische sind größer als 5 Zentimeter


(2) Alle Fische haben Kiemen

Beide diese Aussagen haben sie ohne Ausnahme bei jedem Fang bestätigt. Er nimmt auch an das
diese Aussagen sich auch bei jeden künftigen Fang sich bewähren werden. Der Metaphysiker kommt
und wendet ein: Das zweite Gesetz das alle Fische Kiemen haben, lass ich gelten. Aber bezüglich den
ersten: Es gibt sehr wohl Fische im Meer die größer sind als fünf Zentimeter, nur die Maschenweite
ihres Netzes ist fünf Zentimeter. Der Ichthyologe antwortet: Was ich nicht mit meinen Netz fangen
kann, existiert nicht.

Diese Fische können wir als Stellvertretend nehmen für soziale Phänomene. Dies verdeutlich das
Problem der ‚Konstruktion von Wirklichkeit‘: Man kann nur Erkennen mit Hilfe der
Erkenntnismöglichkeiten die uns zur Verfügung stehen. Die Erkenntnismöglichkeiten sind wiederum
durch unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten begrenzt. Uns stehen nur bestimmte Methoden zu
Verfügung, wie Interview, Inhaltsanalyse usw. Diese Methoden definieren die Maschengröße des
Netzes. Im Interview Z.b. Schlüpft alles durch, was nicht verbalisierbar ist wie alle dem nicht
abfragbare emotionalen Momente einer Beziehung. Oder zum Beispiel im Intimbereich der Menschen
zu befragen; was er Glaubt, was er nicht glaubt usw. Nur weil man dieses nicht messen kann, heißt es
nicht dass es nicht da ist, sondern dass es nicht messbar ist. Es ist ein positivistisches Fehlurteil zu
glauben, alles was nicht wahrnehmbar ist existiert nicht. Man kann aber Sachen auch intuitiv fühlen;
man spürt diese Sachen und kann nicht sagen warum. Um zu behaupten diese Sachen sind nicht da
wäre Reduktionismus: man reduziert die Wirklichkeit auf die sinnlich erfahrene Momente. Die
Komplexität der Wirklichkeit reicht weit über unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten hinaus.

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„Theorien sind solche Netz die ausgeworfen werden, um die Welt einzufangen, sie zu rationalisieren,
zu erklären und zu beherrschen.“ – Popper, Logik der Forschung. Augenmerk auf die
Begrifflichkeiten der ‚Rationalisieren‘ und ‚Beherrschen‘ zu lenken. Beherrschbarkeit ist ein
Grundlegender Aspekt. Wissenschaft im Dienste der beherrschbar machen der Natur, oder der
sozialen Beziehungen. Technische Erkenntnisinteresses: Wissenschaft im Dienste der Beherrschung;
des Verfügbarmachens – wenn man etwas weißt über den Zusammenhang, kann man es sich
Verfügbar machen. Das Erkenntnisinteresse … von fast alle Sozialwissenschaften und alle
Naturwissenschaften liegt außerhalb des Gegenstandsbereichs. Man möchte verstehen wie eine
Kommunikation funktioniert, um zu … um sie Dienstbar zu machen, um sie zu optimieren, um sie
manipulieren zu können, um größere Wahlergebnisse zu erzielen, um mehr zu verkaufen. Der
Zweck der Wissenschaft liegt außerhalb ihres Selbst, in alle Wissenschaften mit Ausnahme der
Philosophie. Man beschäftigt sich mit Hegel nicht um eine Wahl zu gewinnen. Technische
Erkenntnisinteresse besteht in der ‚Verfügbarmachung von Welt‘ oder ‚Verfügbarmachung von
Natur.‘ Wenn man etwas Verfügbar machen will, dann ist es um etwas im außerhalb zu bewirken.
Der Zweck der Forschung liegt außerhalb ihre selbst; immer eine ‚Um-Zu‘ Beziehung, eine
Instrumentalisierung von Wissenschaft. Die damalige wesentliche Frage war: Im wessen Interesse
betreiben wir die Forschung? Wer profitiert davon?

Verknüpft mit der Diskussion zur Wertefreiheit der Wissenschaft von Max Weber. Kann
Wissenschaft Wertefrei sein? Trägt der Wissenschaft Verantwortung für seine Ergebnisse oder nicht?
Viele Wissenschaftler glauben sie machen nur ihre Forschung; was die Politik macht können die nicht
kontrollieren. Stichwort: Atomwaffenproblematik. Das schlimmste was passieren kann ist wenn
Verantwortung geteilt wird; genau das ist im Dritten Reich passiert. Wissenschaft kann die Folgen
ihres Handelns nicht abkoppeln von den Forschungsprozessen oder selbst von den Fragestellungen.
Jede Fragstellung zieht ein bestimmtes Ergebnis nach sich und das Ergebnis hat folgen. Es gehört zur
Ethik der Wissenschaft: Verantwortliche Forschung hat den Gesamtprozess im Auge zu behalten. Es
hat ein Grund warum man bestimmte Krankheiten in Afrika nicht erforscht: weil es kein Geld bringt
nämlich. Man sollte mit der großangelegte Folgen eigentlich näher befassen, aber die
Kommunikationswissenschaft ist eigentlich ein unwichtiges Fach im Konzert der Wissenschaften.

Fischernetzparabel zeigt uns zweierlei: Es hat eine methodologische Implikation, nämlich durch
und wegen der Maschennetzgröße und eine Erkenntnistheoretische. Die Maschengröße des Netzes
gleicht den wissenschaftlichen Methoden der Erkenntnisgewinnung, über einen Gegenstand. Jede
wissenschaftliche Methode bestimmt auch den Verlauf und Ergebnis der Erkenntnis. Die Methode
der Untersuchung hängt wiederum von der Fragestellung ab. Wissenschaftliche Ergebnisse hängen
immer von ihrer zugrundeliegende Fragestellungen ab. Die Erkenntnisbedingungen liegen auch in
der Struktur unseres Geistes – die Netzgrößen in uns Selbst; der Wahrnehmende Mensch ist auch ein
‚Netz‘. Der Mensch selbst kommt auch nicht über seine Maschengröße hinaus. Erkenntnistheoretische
Bedeutung: Alle empirische Anschauung, alle Erfahrung liegen Verstandesleistungen zugrunde.
Diese Verstandesleistungen nennt Kant Kategorien, diese Kategorien sind a priori gegeben.
Apriorische formen mögliche Erkenntnis. (A priori forms (conditions) of human sensibility) Es geht nicht
um was ‚Empirisch‘ ist, sondern was sind die Voraussetzungen um etwas überhaupt als empirisch zu
erkennen. Raum und Zeit sind solche apriorische Kategorien bzw. Anschauungsformen. (Space and
time as forms of human intuition) Räumliche Ausdehnung ist Grundlage jeglicher Anschauung. Ohne
Zeit als apriorische Kategorie des Verstandes ist die Folge/die Gleichzeitigkeit nicht vorstellbar.
Insgesamt hat Kant 12 solche Kategorien aufgestellt, die man als ‚Elemente des Verstandes‘ verstehen
kann und die alle empirische Erfahrung zugrundeliegend. Diese 12 Kategorien sind in 4 Gruppen
geordnet: Quantität, Qualität, Relation und Modalität. Die Erkenntnis richtet sich nicht nach den

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Gegenständen sondern den Gegenständen richten sich nach dem Erkenntnis. (Potentielle
Prüfungsfrage: Erklären sie diesen Satz.)

Man könnte als Philosoph sagen zu den Ichthyologe: du fängst aber zweifelslos was lebendiges, bis
du es an Land ziehst. Man könnte deshalb Fragen: Was ist das Lebendige? Das ist nicht eine Frage
Biologie sondern es geht an die Philosophie. Was ist das Lebendige an sich? Der
Einzelwissenschaftler setzt diese Antwort voraus in dem er Forscht. „Gäbe es keinem lebenden
Fische, würde ich sie nicht fangen können.“ Jede Wissenschaft operiert mit Voraussetzungen die sie
selbst nicht einholen kann. Hinter diese Voraussetzungen geht der Einzelwissenschaftler nicht mehr
zurück, aber sehr wohl der Philosoph. Für den Einzelwissenschaftler gilt: Empirisches wird durch
Empirisches erklärt. Die Einzelwissenschaft ist mittel im Dienste der Naturbeherrschung. Die
Kommunikationswissenschaft ist mittel im Dienste der Zwecke der Beherrschung, der Steuerung
von Kommunikationsprozessen. „Die Naturwissenschaft beschreibt die Natur nicht einfach so wie
sie an sich ist. Sie ist vielmehr ein Teil des Wechselspieles zwischen der Natur und uns Selbst.“ -
Werner Heisenberg Was wir beobachten, ist nicht die Natur selbst sondern die Natur die unsere Art
der Fragestellung ausgesetzt ist. Durch unsere Erkenntnisbedingungen sind wir in der Erkenntnis
selbst enthalten. Wir sind immer teil der Erkenntnis von Welt. In dem Wissenschaft etwas über die
Wirklichkeit aussagt, sagt sie auch was über sich selbst aus z.B. durch ihr Gesellschafts oder
Menschenbilds. Wie wird die Gesellschaft verstanden in den Sozialwissenschaften? Automatismus,
geschlossenes System, offene System? Wie wird der Mensch verstanden? Wird der Mensch nur als
Rolle verstanden, wie in der Systemtheorie? Oder kann es sein das es doch welche
Identifikationsmomente gibt die über eine Rolle hinausgehen. Z.b. bei der Mutter-Kind Beziehung:
Spielt die Mutter nur eine bestimme Rolle weil die Gesellschaft erwartet sie soll ihr Kind lieben? Gibt
es keines Identitätsstiftendes Intimität. Was ist mit der Verweigerung oder mit den Abweichlern? Auf
welche Voraussetzungen beruht die Negation? Die Wissenschaft ist stets ein relatives und ein
relationales Unternehmen. Es geht immer um das Verhältnis von Wissenschaft und den Gegenstand
der sich behauptet bzw. Konstituiert. Die Art der Fragestellung wird dann zu unserem Netz, mit dem
wir dann unsere Fragen zu beantworten versuchen. Wissenschaft ist gezwungen Selektiv, weil jede
Art von Erkenntnis auch selektiv ist. Der Erkenntnis des einen geht immer zu Lasten der Erkenntnisse
des anderen.

Theorien sind eine systematisch geordnete, oft reich strukturierte deduktiv zusammenhängende
Sammlung von zumeist gesetzesartigen Aussagen über ein bestimmtes Gegenstandsbereich.

Habermas sagt: „Theorien sind Ordnungsschemata, die wir in einem syntaktisch Verbindlichen
rahmen beliebig Konstruieren. Sie erweisen sich für ein speziellen Gegenstandsbereich dann als
Brauchbar wenn sich ihnen die reale Mannigfaltigkeit fügt.“

Die Theorien sind die Landkarte und es gibt keine direkte ontologische Entsprechung zwischen
Landschaft und Landkarte. Theoretische aussagen sind keine ontologischen Aussagen; sie sagen
nicht über das Wesen des Gegenstands; sie sind bloß sprachliche Repräsentationen einer komplexen
Wirklichkeit. Die Landkarte ist eine symbolische Repräsentation von eine dahinterstehenden
komplexe Wirklichkeit. Es ist unmöglich aufgrund der Komplexität der Phänomene so was wie eine
Universaltheorie der Kommunikation zu entwerfen. Das Universum der Kommunikation im Sinne
von Saxer als ‚soziales Totalphänomen‘ ist unendlich weiter als sich mit dem Teleskopen der
Wissenschaft einfangen lässt. Theoriebildung ist selbst ein kommunikativer Prozess der auf dem Weg
des wissenschaftlichen Diskurses zur Expansion dieses Universums beiträgt, also etwas was
Komplexität unter der Bedingung wissenschaftliche Wissensproduktion und Wissensdistribution
erhöht. Die Theoriebildung/Wissenschaft bringt zwar Ordnung, aber sie erhöht auch die
Komplexität. „Wir schaffen durch unsere Theorien genau jene Welt, zu deren systematischen

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Beobachtung wir diese Theorien gebrauchen. In dieser Zirkularität, sind die Grenzen des
Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Realität beschrieben. Wissenschaft erzeugt immer neue
Realität, die sie beobachtet nach ihren Möglichkeiten. Man kann nur hoffen das sich dieses Prozess
Spiralförmig (nach oben schraubt) vollzieht bzw. entwickelt.

„Die Struktur der Welt ist nicht von der Natur aus als solcher vorgegeben, sondern durch die
Struktur unseres Geistes.“ - Emmanuel Kant

„Nicht die Wirklichkeit als solche ist Bezugspunkt unsere Erkenntnis, sondern die verschiedenen
Interpretationen und Deutungen von Kohärenten Beschreibungssystemen.“ – Karl Popper (Mögliche
Prüfungsfrage)

Kohärente Beschreibungssysteme sind Theorien, und sie steuern unseren denken. Dieser Satz macht
den Popper nicht zu reinen Positivist. Ein reiner Positivist würde nicht sagen dass die Wirklichkeit
immer relational zu unserer Interpretation von Wirklichkeit steht. Eine reiner Positivist wurde seine
Erkenntnis zurückführen auf die Beobachtung die er macht – er sieht sich nicht selbst als Teil dieser
Beobachtung.

Was sind die verschiedenen Wissensmöglichkeiten? Drei Stufen:

(1) Anschauende(n) Denken: Diese Art von Denken setzt sich unmittelbar mit der Phänomene
auseinander. Z.b. Wie war das Wahlverhalten bei den unter 30 Jährigen bei dem vergangen
Wien Wahlen? Oder, Welcher Wählerströme hat es gegeben? Von Woher kamen die Wähler
der gewinnenden Partei? Was waren die Wahlkampf bestimmende Themen? Man nimmt die
Phänomene und stellt sie in Relation zu den anderen Phänomenen. Empirisches wird mit
empirische verglichen. Das Denken folgt der Muster der Wahrnehmung empirische
Wirklichkeit. Es geht aus von der empirischen Evidenz. Diese Art von Denken darf man nicht
verachten weil sie Grundlage ist von alle anderen Arten des Denkens. Kant sagt: „Ohne
Anschauung gibt es kein erkennen.“ Anschauung ist immer empirisch, ist immer sinnlich,
das was man erfährt, aber man bleibt auf dieser Erfahrungsebene stehen.
(2) Problemlösendes Denken: Das Problemlösende denken baut auf die Anschauliche Denken
auf. Diese ist dasjenige Denken das im Zentrum der Wissenschaftstheorie von Karl Popper
steht. Popper sagt „alles Leben ist Problemlösen.“ Wir sind uns hinsichtlich der
Problemlösung alle sehr ähnlich. Wissenschaft steht im Dienst der Problemlösung. Man
versucht die dahinterstehenden Ursachen zu finden und zu erklären. Z.b. Man könnte fragen,
wie kam es zu dem bestimmten Verlust? Welche Maßnahmen könnte man setzen um dieses
zukünftig zu vermeiden? Welcher Einfluss hatte die mediale Präsenz in der
Meinungsbildung gehabt? Diese Fragen gehen über eine Beobachtung hinaus und fragen
‚Wie können wir es verbessern, bzw. das Problem beheben oder optimieren?‘
Sozialwissenschaft wird von diese grundlegende erkenntnisinteresse der Problemlösung
gesteuert. Man beobachtet die Zahlreichen gesellschaftlichen Probleme und fragt: Welche
Lösung gibt es für dieses Problem? Wie kann man es besser machen? Das ist auch der gesamt
Anspruch der die kritische Rationalismus als wissenschaftstheoretische Überbau über alle
mögliche Formen von Forschung mit sich bringt. Es geht immer um die Optimierung aber
letztlich auch mit dem Ziel der Steuerung. Adorno erhebt den Vorwurf des ‚Social
Engineering‘ deswegen. (Bezogen auf dem sog. Positivismus-Streit, Adorno vertritt die
kritische Theorie) Social Engineering im Sinne von ‚etwas Funktioniert nicht, also beheben
wir dieses eine Problem.‘ Es werden nur kleine Justierungen gemacht. Die Kritische Theorie
hingegen will die Grundprobleme erkennbar machen, vor deren Hintergrund erst so was
verständlich wird, wie die einzelnen Phänomene. Mit diesem verstehenden Prozess hat das

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begreifende Denken zu tun. Sie frägt nämlich, was steht den dahinter, was ist die eigentliche
Ursache? Auf dieser Ebene steht die ‚Um-Zu‘ ganz im Vordergrund. Dies ist die
instrumentelle Ebene; das sogenannte technische Erkenntnisinteresse.
(3) Begreifende Denken: Nicht das nicht-gelingen ist ein Problem, sondern es geht auch darum,
auf welcher Voraussetzungen beruht das Reibungslose Funktionieren. Zu welchem Preis
gelingt das Reibungslose Funktionieren? Z.b. Das Reibungslose Funktionieren zwischen
Ärzte und Pharma-Industrie. Die Wissenschaft attestiert dass diese Produkte wirken und
diese werden anschließend besser verkauft. „Was macht die Menschen psychisch krank?“
Dies ist eine begreifende Frage, mit der Antwort des es bestimmte Grundlegende
Entfremdungsprozesse stattfinden. Auf problemlösende Ebene kann es einem egal sein
‚Was‘ die Menschen krank macht. Die Erklärung der Stufe 1 & 2 bietet sich erst auf der
begreifende ebene an. Die antworte die auf der zweiten Ebene angeboten werden sind nicht
fundamental genug. Erst auf die begreifende Ebene wird einem Gesamtzusammenhang
hergestellt. Diese nehmen dem gesamten Apparat in Wahrnehmung und nicht nur bestimmte
Phänomene.

In der Kommunikationswissenschaft hat man große Mühe über die erste Stufe hinaus zu kommen.

4. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 08.11.2010


Morgen 9./10. November ist das gedenken an der Reichskristallnacht. Vor 72 Jahren sind im
gesamten deutschen Reichsgebiet (Deutschland & Österreich) die Synagogen in Flammen gestanden.
Die systematische Judenvernichtung hat in diesem Tage vor 72. Jahren begonnen. In Wien wurden
insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser durch Brandstiftung zerstört. 27 Juden wurden getötet, 88
schwer verletzt und über 6,000 wurden verhaftet. Von dem 6,000 wurden 4,000 ins
Konzentrationslager deportiert (nach Dachau). 4,000 jüdische Geschäfte insgesamt liquidiert und über
2,000 jüdische Wohnungen wurden geräumt. In Österreich waren die Geschehnisse zu dieser Zeit
besonders Grausam. Die Problematik des Vernichtens des europäischen Judentums kann man nicht
vergegenwärtigen; es übersteigt alle dessen was für Menschen vorstellbar ist. „Ich schäme mich ein
Mensch zu sein.“ – Primo Levi, italienische Architekt der selbst in Ausschwitz war.

Wie gehen wir als Nachgeborene mit diese Katastrophe des NS Gewaltregimes um. Was bedeutet das
für die Studierenden im Zusammenhang mit Kommunikationswissenschaft? Diese ist nicht nur eine
zeitgeschichtliche Problematik, es geht uns sehr wohl was an. Es geht hier um was Adorno als die
‚autoritäre Persönlichkeit‘ genannt hat. Das Thema der autoritären Kommunikation ist nach wie vor
virulent. Diese trifft uns im Jahr 2010 genauso sehr wie im Jahr 1938. Die autoritäre Person und das
autoritäre Persönlichkeit kann nicht all das erklären was an unrecht, an Gewalt und an
Vernichtungsmaschinerie geschehen ist erklären oder gar rechtfertigen. In allen reflektierten
Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus sind diese Konzepte eine zentrale
Schlüsselvariable. Adorno hat sich, unter Eindruck des Faschismus in Deutschland mit seine
Mitarbeiter in Amerika die Frage gestellt ob es so was wie eine autoritäre Charakterstruktur gibt. Ob
es Merkmale gibt wo man daran erkennen kann das Menschen zu Faschismus neigen. Sie wollten
diese Frage nach dem autoritären Persönlichkeitssyndrom empirisch überprüfen. Adorno war aber
eher der Theoretiker in dieses Forschungsteam; sein persönlicher Anteil war bei dem Experiment
nicht sehr groß. Die Studie die sie in dem 1950er herausgebracht haben bezog sich hauptsächlich auf
Bürger die in U.S. Großstädte im Westen lebten und die Mittelschicht angehörten. Diese wurden alle
anhand einer Faschismus-Skala bewertet (F-Skala) die unter anderem Eigenschaften wie autoritäre
Unterwürfigkeit, autoritäre Aggression, und Destruktiver Zynismus gemessen hat. Diese
Studiengruppe hat Merkmale festmachen konnten die dazu führt das menschliche Persönlichkeit zu
autoritären Unterwerfung neigen bzw. dafür offen sind. Adorno war eine der Chefideologen des

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Frankfurter Instituts und eine Art Leitfigur bzw. Vaterfigur für die damaligen Studentenproteste in
1986. Wegen der Gewaltbereitschaft der Studenten hat er sich zurückgezogen und hat seine
Überlegungen relativiert. Er sagte aber in einem Interview dass das Begriff der Autorität differenziert
zu betrachten ist. Es gibt auch eine Art argumentativ Begründete Autorität. „Aber ich möchte dazu
noch etwas spezifischeres sagen, da sie den Punkt Autorität gerade aufgeworfen haben, etwas was
mit der Sozialisierungsprozess in der frühen Kindheit und damit also mit dem Schnittpunkt
gesellschaftliche, pädagogischer und psychologischer Kategorien zu tun hat. Die Art in der man
psychologisch Gesprochen zu einem autonomen also mündigen Menschen wird, ist nicht einfach das
aufmucken gegen jede Art von Autorität. Empirische Untersuchungen in Amerika haben gerade das
Gegenteil gezeigt, nämlich das sogenannte brave Kinder als erwachsene eher zu autonome und
opponierende Menschen geworden sind als refraktäre Kinder, die dann als Erwachsene sofort mit
ihren Lehren am Biertisch sich versammelt und die gleiche Reden geschwungen haben.“ – Adorno.

Es gibt also keine lineare Verknüpfung zwischen der Art und Weise wie sich ein Kind momentan
verhält und wie er sich als erwachsene verhalten wird. Aber innerhalb des Erwachsenen kann man
vorhersagen Treffen die mit der destruktiven Autorität zu tun haben, also mit der Bereitschaft sich
autoritären Strukturen zu unterwerfen, bis hin zur Ausführung von Mord. Diese Untersuchungen
sind gleichsam gelaufen mit dem Eichmann Prozess (1960 – 1962) der in Israel durchgeführt wurde.
Im Zusammenhang mit dem psychiatrischen Gutachten die über ihn erstellt wurden, kam die Frage:
Wie muss jemand geartet sein um Fahrdienstleiter des Todes von Millionen Menschen zu sein? Um
Millionen Menschen in den Tod zu schicken? Welche Charakterstruktur, welche Merkmale hat
dieser? Diese Fragen wurden gestellt um präventiv zu agieren, um künftig ein solcher Mensch
identifizieren zu können. Wie war die Erziehung von einem solchen Menschen bzw. wie waren die
anderen Bedingungen der Sozialisation? Das hat den berühmten Professor an der Yale Universität
Stanley Milgram dazu gebracht den ‚Milgram Experiment‘ durchzuführen.

Adolf Eichmann war Österreicher, zwar in Solingen geboren aber in Linz aufgewachsen. Er war
Leiter der GESTAPO Abteilung 4 im Reichsicherheitshauptamt der NSDAP die mit der berüchtigten
Endlösung der Judenfrage befasst war. Adolf Eichmann hat seine Aufgabe mit vollen Pflichteinsatz
und exzellenten Organisationstalent bis zum bitteren Ende erfüllt. Die Philosophin Hannah Arendt
schrieb über dieses Prozess ein bucht mit dem Titel ‚Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der
Banalität des Bösen‘ Eichmann war von seine Charakterstruktur, von seine Auffassung vollkommen
unspektakulär deshalb der Titel. Erkannt wurde das Eichmann ein typischer Schreibtischtäter war. Er
mordete am Schreibtisch, ohne Judenhass, ohne Zorn und ohne Verachtung quasi als treue Untertan
seines Führers der stets die Anordnungen ausführt die angeschafft werden. Ähnlich befehlsgehorsam
wiesen Rudolf Höss (Kommandant von Ausschwitz, 1947 in Polen hingerichtet) der in seine
Erinnerungen geschrieben hat dass er sich kein Urteil erlaubt, ob die Massenvernichtung der Juden
wirklich notwendig war. Die Parole, ‚Führer befiehl. Wir folgen dir.‘ wurde von ihn bitter ernst
genommen. Die Milgram Experiment erschütterte damals die Welt und wurde weltweit und auch in
Österreich durchgeführt von der Grete Schurz in Graz durchgeführt. Die zentrale Fragestellung von
Stanley Milgram war: Unter welche Bedingungen wird ein Mensch, dem ein Versuchsleiter aufträgt,
mit zunehmender Härte gegen einen anderen Menschen vorzugehen, diesen Befehl nachkommen,
und wie sollten Situationen gestaltet werden damit er die Gehorsam verweigert. (?) Unter dem
Vorhang zu untersuchen nämlich wie sich Strafe auf das Lernen auswirkt, wurden Versuchspersonen
über Zeitungsinserate geworben. Zwischen 1960 und 1963 haben mehr als tausend Leute an den
verschiedenen Variationen des Grundexperiments teilgenommen. Zwei Personen haben im
Experiment eine Rolle gespielt; Einmal eine Person in der Lehrerrolle und eine andere Person in der
Schülerrolle. Der ‚Lehrer‘ hatte die Aufgabe der Schüler bei Lernversagen mittels Schockgenerator zu
bestrafen. Vorgesehen war eine Stufenweise Erhöhung der Stromspannung von 15 – 450 Volt, die

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mittels 30 Kippschaltern ausgelöst werden könnten. Die einzigen Stufen signalisierten mäßigen bis
gefährlichen Schock. Die letzten beiden Schalter waren ohne näheren Angaben nur mit dreimal ‚X‘
markiert. Bei jedem Fehler des Schülers war die Stromspannung 15 Volt zu erhöhen. Jede Person
wurde mit 45 Volt elektrisiert, um eine Vorstellung zu bekommen was diese Elektroshocks für den
Schüler bedeuten können. Danach wurde vom Versuchsleiter betont dass die elektrische Schläge,
obwohl sie in dem oberen Bereiche extrem Schmerzhaft werden können, niemals bleibende Schäden
unterlassen würden. Natürlich sind während des Experiments die Elektroschocks eben nur so
simuliert geworden wie den Schmerzensschreien des Schülers. (Der Schüler hat ein Schauspieler
gespielt) Der ‚Lehrer‘ war die Versuchsperson die davon nichts wusste. Der Schüler wurde unter
Augen des Lehrers an einen Stuhl gefesselt.

Der Grundversuch hat ergeben, weltweit, unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung, 62,5 Prozent
sind dazu bereit dieser Befehl bis zum bitteren Ende durchzuführen, bis zum Tod oder Verletzung.
Diese Zahlt stammt von 1980. Zwei Drittel aller Menschen gehorchen Jemand, wenn es eine Autorität
befiehlt der die entsprechende Insignie der Autorität hat (in dem Experiment gekennzeichnet durch
eine weißen Arbeitsmantel) jemanden zu schädigen, Gewalt auszuüben ohne das irgendwelche
Aggressionen/Ressentiments gegenüber diese Personen vorhanden wären. Dieses für das
Menschsein erschütternde Experiment, wo man doch sagen könnte, es sind mittlerweile Jahrzehnte
vergangen, Jahrzehnte der Aufklärung, Jahrzehnte der anti-autoritäre Erziehung. Man musste sich in
der Pädagogischen Ausbildung mit der anti-autoritäre Erziehung auseinandersetzen in den
70er/80er. Man diese These übernommen und versuchte selbst in Familien so zu agieren. Fünfzig,
sechzig Jahre danach hat sich an die prinzipielle Situation nicht geändert – Trotz die ganz
Aufarbeitung des Themas im Jahr 1988 von den Medien. Man muss fast davon ausgehen diese
Gehorsamsbereitschaft zu eine negative ‚conditio humana‘ gehört. Diese Unfähigkeit sich gegenüber
Autorität zu wiedersetzen ist offenkundig so stark eingepflanzt das es fast Teils des genetischen
Programms ist. Das Milgram Experiment versteht sich als eine der erschütterndste Beispiele wie
wenig Aufklärung im Sinne des kommunikativen Anspruches bewirken kann. Hier sieht man wenig
an Lernprozesse eigentlich ausgelöst werden, wie wenig eigentlich bewirkt werden kann. Der
gleichzeitige Einsicht das wir nichts anderes haben Außer das Wort (der Vernunft, die Vernünftigkeit
der Sprache, Vernünftigkeit als Telos der Sprache sozusagen) zeigt wie ernst das genommen werden
muss. Die führt zu der Einsicht dass jenseits der Argumente Strukturen ansprechbar sind,
mobilisierbar sind, die dazu führe das tatsächlich der Mensch des anderen Menschen Wolf wird. Er
hat nicht gegen den anderen, kann ihn aber trotzdem nach Befehl schädigen.

Dieses Experiment wurde vielfach abgeändert, mit neuen Versuchsbedingungen. Man hat zum
Beispiel versucht, wenn der Lehrer nur sagen muss ‚Die Antwort ist falsch‘ und er selbst nicht den
Schalter tätigen muss, aber im vollen Wissen der Konsequenz die seine Aussage für den Schuler hat.
Dann ist die Gehorsamsbereitschaft auf fast 100 Prozent gestiegen. Man muss es nur plausibel
machen; man muss nur feststellen es ist falsch, und jemand anders druckt den Schalter. Damit muss
man nicht die Verantwortung nicht übernehmen. Man ist dadurch in doppelter Weise nicht
verantwortlich: Ersten für den Lernexperiment nicht, und zweitens für die Tätigung der
Stromschalter nicht. Delegation der Verantwortung. Nicht ich bin verantwortlich, sondern der
andere. Genau dort wo Verantwortung delegiert werden kann auf die nächst höherer Instanz, überall
dort entsteht Gewalt; entsteht die Bereitschaft zur Gewalt. Die zerstörerische Gehorsamsbereitschaft
ist da. Genau mit der Delegation der Verantwortung haben sich Höss und Eichmann gerechtfertigt;
die waren in alle ihre Schriften nicht bereit die Verantwortung zu übernehmen. Es geht hier um zwei
ganz zentrale Begriffe: Pflicht und Befehls. Elias Canetti schreibt in sein Buch ‚Masse und Macht‘ (für
den er die Literaturnobelpreis bekommen hat) im Kapitel ‚Befehl und Verantwortung‘: „Es ist
bekannt das Menschen die unter Befehlen handeln, der furchtbarsten Taten fähig sind. Wenn die

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Befehlsquelle verschüttet ist und man sie zwingt auf ihre Tat zurückzublicken, erkennen sie sich
selbst nicht. Sie sagen ‚Das habe ich nicht getan.’ Und sie sind sich keineswegs immer klar darüber
dass sie lügen. Wenn sie durch Zeugen überführt werden und ins Schwanken geraten sagen sie doch,
‚So bin ich nicht, das kann ich nicht getan haben.‘ Sie suchen nach den Spuren der Tat in sich, und
können sie nicht finden. Man staunt wie unberührt sie von ihr geblieben sind. Das Leben das sie
später führen ist wirklich ein anderes und von der Tat in keiner Weise gefärbt. Sie fühlen sich nicht
schuldig, sie bereuen nichts. Der Tat ist nicht in sie eingegangen. Was geschehen ist kann wieder
geschehen. Ein Schutz vor neue Situationen, die den Alten aufs Haar gleichen bildet sich in ihnen
nicht aus. Sie sind nicht resistent dagegen. Sie bleiben den Befehl wehrlos ausgeliefert. Seine
Gefährlichkeit nur sehr dunkel bewusst.“ Die Menschen die mit ihren Taten konfrontiert worden sind
waren von sich selber vollkommen entsetzt. Sie sind später aufgeklärt worden an welchem
Experiment sie wirklich teilgenommen haben, und sagen ‚Das kann ich nicht gewesen sein.‘ Es ist
gewissermaßen eine Flucht in die eigene Blindheit. Die Psychologie nennt dies den ‚blinden Fleck‘ –
man kann es einfach nicht sehen. Der Befehl in seiner kompakten, fertigen Form wie er sie nach einer
langen Geschichte heute hat, ist das gefährlichste einzelne Element im Zusammenleben von
Menschen geworden. Man muss den Mut haben sich ihn entgegenzustellen und seine Herrschaft zu
erschüttern. Es müssen Mittel und Wege gefunden den größeren Teil der Menschen von ihm frei zu
halten. Man darf ihm nicht erlauben mehr als die haut zu ritzen. Aus seinen Stacheln müssen Kletten
werden, die mit leichter Bewegung abzustreifen sind. Es geht darum, den Befehl als gesellschaftliches
Instrument soweit es geht überhaupt abzuschaffen. Das Risiko mit dem Befehl verbunden ist, ist auf
jeden Fall unkalkulierbar. Was an diesen Männern (Höss, Eichmann) neben ihre umfassende
Normalität auffällt ist ihr völligen Mangel an Fantasie, an Vorstellungskraft gegenüber fremdem
Leid, ihre Herzenskälte. „Diese herrliche Unzulänglichkeit des Vorstellens und Fühlens. Ihr stets
sprungbereiter Gehorsam und die Tatsache dass weder sie noch ihre Familie mit diese
Gehorsamsbedürfnis die allergeringste Probleme hatten.“ – Günther Anders. Höss sagte in einem
Interview: „Ich bin völlig normal, selbst als ich die Ausrottungsaufgabe durchführte, führte ich ein
normales Familienleben und so weiter. Der Gedanken einfach einen Befehl nicht auszuführen kam
einfach niemanden. Und jemand anderes hätte es sowieso getan wenn ich es nicht getan hätte.“
Eichmann sagt zur Hauptmann der israelischen Polizei: „Nicht ich habe dieses Befehl des Erschießens
von mir aus gegeben, sondern ich habe diese Sache auf dem Dienstweg behandelt und die Auskunft
meiner Vorgesetzten ist eben gewesen ‚Erschießen‘. Da ist kein Platz für moralische Reflektion.“
Eichmann beruht sich auf die Pflichtenethik von Kant, im Sinne von ‚Ich habe nur meine Pflicht
getan.“

Die Endlösung wurde bei der sogenannten Wannenseekonferenz beschlossen. Das waren alles
juristische gebildete Menschen; es war keine dabei der nicht das Doktorat hätte. Alle aufgewachsen in
der Traditionen von Kant, Fichte, Schelling, Hegel, alles Vertreter des deutschen Idealismus. Die
haben sich bei der Wannenseekonferenz getroffen um die Frage zu erörtern: Wie kann man 11 Mio.
europäischen Juden vernichten am besten. Sie haben gewusst sie treffen sich zu dieser Frage. Die
Vernichtung des europäischen Judentums dauerte bei der Wannenseekonferenz nicht länger als
eineinhalb Stunden. In eineinhalb Stunden waren so viele Vorschläge am Tisch, dass die Logistik von
Eichmann realisiert werden konnte. Im Zusammenhang mit der Fraglosigkeit des Ausführens von
Befehlen ist auch ein weiterer Aspekt interessant. Nämlich das Eichmann während seiner ganzen
Dienstzeit auf niemand getroffen ist der diese Endlösung der Juden als Problem gesehen hätte. Es gab
einfach niemanden der dagegen opponieren hätte. Man könnte das daher als selbstverständlich
erachten.

In seiner Erinnerungen erzählt Eichmann wie die Konferenz abgelaufen ist. Dieses Treffen war ein
wichtiges Ereignis für Eichmann weil er nie auf eine Gesellschaft war, wo solche höhen

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Persönlichkeiten daran Teilgenommen haben. „Ich weiß noch dass im Anschluss an diese
Wannenseekonferenz Heidrich, Müller und meine Wenigkeit an einem Kamin gemütlich saßen, nicht
um zu fachsimpeln sondern uns nach der langen anstrengenden Stunden der Ruhe hinzugeben.“ –
Adolf Eichmann. Im Gefängnis erinnert sich Eichmann noch an die allgemeine Zufriedenheit und
besonders auf Heidrichs gute Laune. „Ich weiß noch dass ich Heidrich dort zum ersten Mal habe
rauchen sehen … er trank Cognac, was ich jahrelang nicht gesehen habe das Heidrich irgendeinen
alkoholisches Getränk trank.“ – Adolf Eichmann. Und noch aus einem anderen Grund war diese
Konferenz für den Eichmann unvergesslich, sagt Hannah Arendt. Zwar hatte er ohnehin alles getan
um den Endlösung auf den Weg zu bringen, gewisse Zweifel an so eine Gewaltlösung hatten aber
immer noch an ihn genagt. Und nun je waren doch diese Zweifel zerstreut. „Hier auf der
Wannenseekonferenz sprachen nur die Prominenten des damaligen Reichs, die Päpste. Jetzt sah er
mit eigenen Augen und hörte mit eigenen Ohren das nicht nur Hitler, nicht nur Heidrich und Müller.
Nicht allein die S.S. und die Partei, sondern das die Elite des guten alten Staatsbeamtentums sich mit
allen anderen und untereinander um den Vorzug stritt, bei diese gewaltsame Angelegenheit in der
vordersten Linie zu stehen.“ „In dem Augenblick hatte ich eine Art … Zufriedenheit in mir verspürt
den ich fühlte mich bar jeder Schuld.“ – Adolf Eichmann. „Wer war er, um sich ein Urteil
anzumaßen. Von solcher Arroganz war er ganz frei. Was soll ich als kleiner Mann mir Gedanken
darüber machen. Nun, er war nicht der erste und doch nicht der letzte der aus Bescheidenheit zu Fall
kam.“ – Hannah Arendt.

Hinter der Milgram Experiment ist also schreckliche Realität gestanden. Und immer noch steckt diese
furchtbare Realität in den Menschen selbst.

[Kurze Film]

Die entscheidende Schlüsselpassage ist am Schluss gekommen. Der Staatsanwalt hat gefragt, ‚Warum
hören die nicht auf, wenn sie erkennen dass es unrecht ist?‘ Diese Satz ist der zentrale Satz der
Erklärung von all dessen ist was an verbrechen geschieht. In dem Moment wo man ganz anders
handeln wollte als man bisher gehandelt hat, wäre das eine Eingeständnis das alles was bisher
geschehen ist und alle Handlungen die man gesetzt hat falsch waren, unmenschlich waren. Diese
Fähigkeit der Distanzierung zu sich selbst, die haben nur ein ganz geringer Prozent. Diese
Bereitschaft gegen sich selbst zu argumentieren. In dem Moment wo man sagen will ‚Ich höre auf
damit‘ hieße das gleich alles was ich bisher getan habe war falsch. Das Weitermachen ist
psychologisch gesehen eine Rechtfertigung was man bisher gemacht hat. Und so pflanzt sich das
Elend und das Unglück fort. Das ist ein ganz zentraler psychologischer Mechanismus. Man macht
weiter um vor sich besser dar zu stehen. Um sich nicht selbst in Frage stellen zu müssen. Die Antwort
auf die destruktive Gehorsamsbereitschaft wäre die Bereitschaft zu trainieren sich selbst permanent
in Frage zu stellen. Dieser Versuch sich selber zu wiederlegen und nicht zu bestätigen ist das
Kernprogramm des kritischen Rationalismus von Karl Popper für die Wissenschaft. Betreibe deine
Wissenschaft nicht so dass du dich bestätigen möchtest, handele stets so dass das was du forschst
eigentlich gegen deine primären Annahmen steht. Versuch die ständig zu wiederlegen. Dies ist das
sogenannte Falsifikationsprinzip. Dieses Falsifikationsprinzip ist das einzige Garantie dass es so was
wie einen wissenschaftlichen Fortschritt geben kann. Sonst ‚zementiert‘ sich die Wissenschaft ein.
Dieses Prinzip kann man letztendlich auch auf Journalismus anwenden. Jeder der Schreibt hat die
Geschichte im Kopf schon und der Recherche dient meist die Bestätigung dieser Geschichte. Man
sucht dadurch nur die Informationen die seinen Erwartungen entsprechen. Das wesentlichste des
Konsonanz-Phänomens ist das es eine innere Konsonanz gibt, und nicht das die Journalisten sich
gegenseitig korrigieren. Die Konsonanz zwischen dem was ich als Wirklichkeit thematisiere und
meine Erwartungen über diese Wirklichkeit. Eine der wenige österreichische Journalisten der dieses

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Prinzip erkannt und angewendet hat war der Peter Michael Lingens. Um sich zu distanzieren brauch
es wahrscheinlich ein starkes Ego, das nicht dadurch erschüttert wird Fehler zuzugeben. Sie gibt es
ansatzweise in der Medizin, aber nicht in der Pädagogik oder Journalismus. Je mehr sich eine
Disziplin ausdifferenziert, je größer der Spezialistentum wird, desto größer die Bereitschaft die
Verantwortung fürs Ganze nicht mehr wahrzunehmen. Ein Teil des Leiden der Menschen ist das er
einen Apparat gegenübersteht, der Arbeitsteilig und Bürokratisiert funktioniert, und wo er nur eine
Nummer ist an dem gearbeitet wird. Milgram Experiment mit Blick auf die Studien von Adorno und
den Eichmann Prozess durchgeführt. Er versucht wissenschaftliche nachzuvollziehen warum das
Schreckensregime des Nationalsozialismus, warum diese Mordmaschinerie funktionieren konnte.
Weil eben in der Kommunikationsstruktur der Befehl und die Pflichterfüllung gegenüber dem Befehl
so eine zentrale Rolle gespielt hat. Die persönliche Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen war
nicht gegeben. Die Bildung reicht nicht aus dieses Moralfreie verhalten aufzuheben – es ist kein
Gegengewicht dazu. Man hat aber festgestellt, je näher der Peiniger dem Opfer steht, desto
schwieriger wird es ihn noch zu quälen. Die Nähe zum Opfer stärkt die Tendenz den Befehl in Frage
zu stellen. Je weiter weg der Täter von seinen Opfer (stellen sie sich eine Befehlskette vor) entfernt ist,
desto größer die Bereitschaft dies zum bitteren Ende durchzuführen. Es gehört deshalb sehr wohl
zum kritischen Journalismus sehr wohl die Gegenstimmen zu hören, sie vernehmbar zu machen. Die
Entsetzung nach dem zweiten Weltkrieg bezog sich auf die Konsequenz des Verbrechens, und bezog
sich nicht auf den Anfang. Es galt immer dem Ende, aber es hätte auch den Anfang gelten sollen.
Aufgabe von Aufklärung ist die Katastrophe in Anfang schon erkennbar zu machen.

5. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 15.11.2010


Das Gesamte Unheil und Unglück ist in dem Begriff des Befehls fokussiert. Der Befehl löst sich
praktisch los von seiner moralischen Reflexion. Der Gehorsam gegenüber einen Befehlt steht
übermächtig zu das was man als einen Gewissen bezeichnen könnte. Stanley Milgram stellte sich die
Frage: Welche Kraft hat eine Kommunikationsakt über den Menschen? Adolf Eichmann als der
Schreibtischtäter par excellence. „Dies ist vielleicht die fundamentalste Erkenntnis aus unsere
Untersuchung: Ganz gewöhnliche Menschen, die nur schlicht ihre Aufgabe erfüllen und keinerlei
persönliche Feindseligkeit empfinden, können zur Handlungen in einem grausigen
Vernichtungsprozess veranlasst werden. Schlimmer noch: Selbst wenn ihnen die zerstörerischen
Folgen ihres Handelns vor Augen geführt, und klar bewusst gemacht werden und wenn man ihnen
dann sagt, sie sollen Handlungen ausführen die im krassem Widerspruch stehen zu ihren
moralischen Grundüberzeugungen, so verfügen nur vereinzelte Menschen über genügende
Standfestigkeit um der Autorität wirksam wiederstand entgegenzusetzen.“ – Stanley Milgram, seine
Bilanz in Bezug auf das Experiment.

Diese Schlussfolgerung zeigt dass es keineswegs Ausreicht sich ausschließlich auf die Bildung von
einer moralischen Grundüberzeugung bei der Eltern-Kind Kommunikation zu orientieren. Man
könnte fragen: Welche ungeheure destruktive Kraft steckt in die Kommunikation? Hier werden
Worte zu wesentlich mehr als nur Worte. Wie manifestiert sich das Verhältnis von Über-
/Unterordnung in dem Kommunikationsprozess? Gibt es etwa ein kommunikatives Gegengift gegen
die Gehorsamsbereitschaft? Wie kann die Kommunikation entgegenwirken? Wie kann man ein
solches Gegengift erzeugen? Diese Überlegungen gehören zu dem Begreifenden-Denken. Dieses
Denken genügt sich nicht mit der Feststellung dass etwas ist wie es ist. Dieses Denken bleibt nicht bei
der empirischen Wahrnehmung, bei der Anschauung eines Problems stehen. Das Begreifende-
Denken versucht dem hinter den losungsbedürftigen Problemen stehenden Strukturzusammenhang
zu rekonstruieren um überhaupt zu verstehen wie diese Probleme entstanden sind. Begreifende-
Denken versucht die isolierten Phänomene in der Gesellschaft zu erfassen.

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Der kritische Rationalismus wurde ursprünglich im Hinblick auf die Naturwissenschaften entwickelt,
wurde aber dann von den Sozialwissenschaften übernommen und ist zur wissenschaftlichen
Leitparadigma geworden. Mit Hilfe von Forschung werden lösungsbedürftige Probleme gelöst. Die
Art und Weise wie man das macht nennt Karl Popper die ‚Logik der Forschung.‘ In dem man eine
bestimmte Forschungslogik anwendet kann man von einem erkannten Problem zu einer Lösung
kommen. Dieses Vorgehen passiert im Rahmen des Problemlösendes-Denken auf der zweite Ebene.
Das Anschauliche-Denken darf man aber auch nicht missachten; mit die Beginnt jede Art der
Erkenntnis – die Basisform des Staunens. Das Anschauende-Denken lässt die Wirklichkeit so wie sie
ist. Erst auf der nächsten Stufe erkennt man dass es möglicherweise ein Problem gibt. Die
Wissenschaft funktioniert nicht anders als das Problemlösendes-Denken. Probleme werden
identifiziert, ob in der Wirtschaft, Politik, Umwelt und mithilfe von Forschung werden diese dann
bekämpft. Der Vorwurf der marxistisch Denkenden Vertreter der kritischen Theorie gegen dem
kritischen Rationalismus ist dass sie durch dieses Problemlösendes-Denken nur eine Art von ‚social
engineering‘ betreiben. Es wird die Frage ausgeklammert: Wie kommt es denn überhaupt zu das
Entstehen von einzelne Probleme? Kann es sein das hinter diese einzelne Probleme eine
gesellschaftliche Strukturzusammenhang steht, der zusammenhängt mit den ökonomischen
Bedingungen mit denen Gesellschaft funktioniert? Zum Beispiel kann ist nicht vielleicht sein dass das
Auftauchen vielfältigen Symptome wie zunehmender depressiver Bestimmtheit und Depressionen
etwas zu tun hat mit Formen der gesellschaftlicher Entfremdung. Die WHO stellt fest das Angst in
der westlichen Gesellschaft zunimmt. Angst ist ein zentraler Krankheitsfaktor. Zwei Drittel alle
Menschen die eine ärztliche Praxis aufsuchen tun dies aus psychosomatischen
Befindlichkeitsstörungen, die keine spezifische Symptomatik haben. Diese versteht sich als eine Art
‚generelles Unwohlsein‘. Diese Patienten bekommen dann entweder Ratschläge oder
Psychopharmaka – beide sind eine Antwort auf das Symptom. Das Begreifende-Denken versucht
dem hinter den erkannten einzelne Phänomene stehenden prinzipiellen historisch und
gesellschaftlichen Zusammenhang. Bas Begreifende-Denken versucht das Bild hinter dem Mosaik zu
rekonstruieren. Was ist der Strukturzusammenhang das dazu führt dass sich die Menschen immer
schlechter fühlen obwohl es ihnen materiell immer besser geht? Was sind die
gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge? Das wirkliche Wissenschaftliche denken beginnt auf der
dritten Ebene – in diesem Fall werden die einzelnen Symptome als Teil eines kranken Systems
gesehen. Man kann zwar die empirische Theorien und ihre Ergebnisse heranziehen aber man bleibt
nicht stehen bei ihnen. Die Kommunikationswissenschaft funktioniert meistens auf Ebene der
Problemlösendes-Denken. Vielfach bleiben sie sogar auf der ersten Ebene des Anschaulichen-
Denkens stehen, und begnügen sich mit Beschreibungen der Status-Quo, wie z.B. die
Medienlandschaft in Österreich, die Art und Weise der politischen Kommunikation in
Wahlkampzeiten usw.

Auf der zweiten Ebene werden mit den empirischen Theorien Probleme festgestellt. Die Phänomene
werden nicht nur gesammelt, systematisiert und gegenübergestellt sondern es wird auch darin ein
Problem gesehen und als solche erkannt. Auf der Ebene des Begreifenden-Denkens, wird versucht
das Problem selbst auszuweisen als Symptom eines dahinterstehenden noch unbekannten
Zusammenhangs. Auf diese Ebene des Begreifenden-Denken kann man leicht Ideologie betreiben –
ein mögliches Vorwurf gegen den kritischen Rationalismus. Die Vertreter der kritischen Theorie
haben den kritischen Rationalismus aber auch vorgeworfen sie betreiben eine Ideologie, nämlich
durch ihr technokratisches Verständnisses von Gesellschaft das dazu führt anzunehmen das die
Gesellschaft sich entwickelt darin das man einzelne Phänomene verändert und löst. Und die
Marxistisch motivierten Vertreter der kritischen Theorie der Frankfurter Schule haben durch ihr
bemühen Begreifenden-Denken zu betreiben, dagegen argumentiert. Sie waren der Meinung das im
Effekt sich der Status Quo der Gesellschaft überhaupt nicht verändert. Im Gegenteil; er trägt sogar

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dazu bei das überhaupt kein Bewusstsein dessen entsteht das die Gesellschaft zu verändern wäre.
Karl Popper antwortet dass er überhaupt nicht will dass die Wissenschaft die Welt verändert, weil
das Ideologie sein kann. Man muss wiederum die Ideologie wiederum selbst kritische Reflektieren
können – die Ideologie hat in sich die Tendenz sich nicht Falsifizieren zu lassen. Ein etablierte
Ideologie die mit allen Möglichkeiten der Macht ausgestattet ist, mit der Gewalt über Menschenleben
zu urteilen, diese wird sich nicht dem Falsifikationsprinzip unterstellen. Das Falsifikationsprinzip in
der Politik ist die Möglichkeit der Kritik und Kontrolle der regierenden und Zweitens die Möglichkeit
nach vier Jahren die Regierung wieder abzuwählen. Das Begreifende denken im marxistischen Sinne
versucht die historischen Wiedersprüche, die Dynamik der Wiedersprüche der Gesellschaft
aufzuzeigen – weil durch diese historisch bedingten Widersprüche der Gesellschaft entstehen die
Probleme die auf der zweiten Ebene gelöst werden sollten. Als was nicht auf der Ebene 2 oder 3 ist
verdient nicht die Bezeichnung von Theorie. Das Begreifende-Denken erhebt also im marxistischen
Sinne den Anspruch die Gesellschaft zu verändern – also ein revolutionäres Bewusstsein zu schaffen.

In diesem Konflikt zwischen den Vertretern der beiden Ebene (Kritische Theorie auf dritte Ebene,
Kritischen Rationalismus auf zweite Ebene) ging es letztendlich um die Frage der Sinnhaftigkeit von
Sozialwissenschaft in der Gesellschaft. Die Aufgabe der Sozialwissenschaften besteht darin dieses
Gesellschaft verändernde Potenzial bereitzustellen.

Begreifende-Denken: Was sind die hinter den lösungsbedürftigen Gegenstände/Problemen


verborgene Voraussetzungen (nicht direkt beobachtbare) aus deren sich den problematischen
Gegenstand erst konstituiert? Es geht nicht um die Symptome und was man dagegen tun kann
sondern es geht um die krankheitsbedingende Ursachen gesellschaftlicher Natur, die für das
Entstehen von Krankheit Verantwortlich oder Mitverantwortlich sind. Welcher Anteil hat denn die
entfremdete Arbeit, welchen Anteil hat denn die soziale Isolation des modernen Menschen, am
Entstehen von Krankheit? Die Einbeziehung alle derjenigen Faktoren die zur Problemgenese
beitragen, unterscheiden Begreifendes-Denken (und die damit verbundene Theorien) vom isolierten
Problemlösendes denken. In der Regel, das Problemlösende-Denken die Bedingungen des
Zustandekommens von Problemen aus ihr Denkhorizont ausklammert. Begreifendes-Erkennen geht
jedenfalls von die Erfahrung der Wirklichkeit, versucht aber zu ergründen warum das was ist, und
wie es ist zustande gekommen ist. Das Begreifende-Denken versucht also die Wirklichkeit in ihrer
historischen Notwendigkeit zu begreifen und zu verstehen um sie aber auch zu verändern. Erst
wenn man versteht kann man auch verändern. Neo-Marxistische Aussage der kritischen Theorie. Das
Begreifende-Erkennen ist daher die Voraussetzung für Gesellschaftskritik. Gesellschaftskritik
versucht die empirisch vorfindbaren Bedingungen, wie z.B. gesellschaftliche Verhältnisse, mit Blick
auf bestimmte Ideale Konzeptionen von Menschsein und Gesellschaft zu verändern. Zum Beipsiel
Emanzipation, ist eine gesellschaftskritische Konzeption.

Im Positivismus-Streit der deutschen Soziologie (Karl Popper [Kritischen Rationalismus] vs.


Theodore W. Adorno [Vertreter der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule]) geht es letztlich um
die Sinnbestimmung moderne Sozialwissenschaft. In einer ersten groben Zuordnung können wir
die meisten Theorien und Forschungsergebnisse der Kommunikationswissenschaft im Typus des
orientierenden Problemlösendes-Denken zuordnen (zweite Stufe). Besonders hinsichtlich der
aktuellen Entwicklung der Dominanz von Auftragsforschung – Forschung im Sozialwissenschaft in
zunehmender Maße Auftragsforschung. Auftragsforschung ist Forschung die einen bestimmten
Problemzusammenhang vorgibt, der zu lösen wäre aber ohne die Frage wie kommt es zu der
Problem überhaupt. Dominanz der Auftragsforschung zu Ungunsten der Grundlagenforschung. Das
Begreifende-Denken sieht das jeweilige Problem als Ergebnisse einer widersprüchlichen Realität.
Das Begreifende-Denken erkennt in den jeweiligen Problemen die sich stellen das Symptom einer sich

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widersprüchlichen Realität. Diese Art von Denken findet man selten in der
Kommunikationswissenschaft.

Das Problemlösendes-Denken ist von einem technischen Erkenntnisinteresse geleitet. Das


technische Erkenntnisinteresse ist abgestellt auf die Bewältigung konkreter Lebensprobleme. Das
Begreifende-Denken hat hingegen ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse. Das Begreifende-
Denken will sich nicht auf das ‚Hier und Jetzt‘ dieses Problems beschränken. Auf der
Problemlösende-Ebene geht es um die Faktizität. Die Gesellschaft spiegelt sich in ihrer Problematik in
den ‚Hier und Jetzt‘ aber die Problemgenese steht dahinter. Das Faktum von heute hat
Voraussetzungen die im Gestern oder Vorgestern liegen. Jedes Faktum vermittelt in sich die
historischen Bedingungen seines Zustandekommens. Die Fakten von Heute sind das Ergebnis von
langen Entwicklungsketten die meistens ausgeblendet werden. Das Faktum von heute ist die
Bedingung der Fakten von Morgen und Übermorgen. Das Faktum steht in einem
Problemzusammenhang der sich aus seiner Genese und seiner Zukunftsentwicklung ergibt. Genau
dieses Denken in größeren Zusammenhängen ist Begreifendes-Denken. Die journalistische Kunst
bestünde darin die Fakten in einem größeren Problemzusammenhang zu stellen. Das politische
Faktum ist das kurzfristige Ergebnis von unendlich komplexen Voraussetzungen. Es spricht nicht
gegen die Objektivität die Fakten von heute in einem spekulativen Zusammenhang zu Integrieren. Es
ist immer Spekulation in die Zukunft zu projizieren. Auch in die Naturwissenschaft. Es hat eine
gewisse Wahrscheinlichkeit dass der Apfel morgen mit derselben Geschwindigkeit fällt wie heute, aber
es ist nie mit Sicherheit vorhersagbar. Man weiße eigentlich nur dann was ein Faktum wirklich
bedeutet wenn man es Einordnen kann. Das Begreifende-Denken findet in der
Kommunikationswissenschaft fast keine Anwendung. Wenn ein Faktum nicht für sich spricht, muss
man es in einen größeren Bedeutungskontext einbeziehen um es verstehbar zu machen. Eine
Nachricht muss Verständlich und Verstehbar sein. Von der Syntaktik und der Semantik sind die
meisten Nachrichten durchaus verständlich – aber man muss zusätzlich wissen was es für sich und
die Gesellschaft bedeutet. Dieses kann nur gemacht werden wenn man auch dem Umfeld des
Faktums übermittelt bekommt.

Beispiele von Begreifendes-Erkennen in der Kommunikationswissenschaft:

(1) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Ökonomisierung des Journalismus wonach
journalistische Produkte als Wirtschaftsgüter begriffen werden, deren Produktion nur
ökonomische Rationalität folgen? Zusatzfrage: Was folgert daraus und für wer? Was folgert
daraus für die demokratische Gesellschaft? Es folgert daraus dass der Journalismus zur
Content-Produktion wird. Diese Tendenz gibt es durchaus schon. Was passiert wenn
Journalismus immer mehr in Abhängigkeit von Public Relations gerät? Kolonialisierung der
Journalismus durch die Wirtschaft. Mit den journalistischen Produkten verändert sich auch
etwas mit unserer Wirklichkeit und Weltverständnisses. Das wirkliche Potenzial der Medien
besteht darin dass sie die Tagesordnung bestimmen. Sie bestimmt über welche Themen die
Gesellschaft gerade verhandeln soll. Medien beschreiben nicht die Wirklichkeit, sondern sie
konstruieren es - die berichteten Themen wiederspiegeln sich auch in die Wirklichkeit.
Probleme sind aber nicht von allen als solche anerkannt. Was ist das lösungsbedürftige
Problem überhaupt: Wie man die Medikamente bereitstellt oder wie man verhindert das die
Menschen überhaupt depressiv werden? Oder wie man sich gegen die Depression
immunisieren kann.
(2) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Globalisierung der Gesellschaft die sich
gegenwärtig vor allem als ökonomischen Prozess vollziehen? Kommt es zu einer
wachsenden kulturellen Synchronisation im Sinne einer Homogenisierung. Kommt es zu

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einer Verwestlichung von journalistischen Produkten? Was passiert mit der Kulturleistung
des Journalismus im Rahmen der Globalisierung? Die Kulturleistung des Journalismus
definiert sich unter anderem darin dass sie die kulturelle Erbe eine Gesellschaft
wiederspiegelt. Wie wichtig ist es dieses aufrechtzuerhalten? Wie kann man
Journalismus/Journalistenausbildung so gestalten dass wir diese dysfunktionalen Folgen
vermeiden?
(3) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Mediatisierung der Gesellschaft? (Also der
wachsende Relevanz von Medien für gesellschaftliche Prozesse) Was nicht von den Medien
als relevantes Thema behandelt wird, existiert auch nicht gesellschaftlich.
(4) Führt die in diesem Kontext beobachtbare Professionalisierung der Public Relations zu
einer Entgrenzung des Journalismus im Sinne einer privilegierten Beziehung zur
Öffentlichkeitsarbeit? Was verändert sich im Journalismus selbst wenn Journalisten aus
ökonomischen Gründen zur Public Relations wechseln? Public Relations kann man definieren
als die Durchsetzung legitimer Kommunikationsinteressen.
(5) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der weitergehenden Technisierung
journalistische Arbeit? Was bedeutet in diesem Kontext die weit fortgeschrittene
Konvergenz von Massenmedien, Telekommunikation und Computertechnologie sowie die
technologische und ökonomische Herausforderungen von Onlinekommunikation. Wie
verändert also Technik den Journalismus? Wie verändert das Internet die Voraussetzungen
unseres Erkennens überhaupt? Haben wir möglicherweise unsere Konzentrationsfähigkeit
verloren, unsere Interesse an Reflektion? Können wird überhaupt Begreifend-Erkennen oder
können wir nur Googeln? „In der Geschichte der Menschheit haben wir uns immer neue
Hilfsmittel zum Denken geschaffen, das Alphabet, die Landkarte, die Uhr, das Buch. Ich
nenne diese Dinge die intellektuellen Technologien des Menschen. Setzen wir sie und nutzen
unserem Gehirn. Aber nicht immer dieselben Bereiche. Das Internet ist die neueste
Errungenschaft unter den intellektuellen Technologien, es verlangt von uns neue
Denkgewohnheiten. Es hat unserem Gehirn beigebracht Texte zu überfliegen, an der
Oberfläche zu kratzen, ständig mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Leider beginnen wir uns
diese Fähigkeit selbst dann wenn Computer und Smartphone ausgeschaltet sind.“ Die
Veränderung der Denkprozesse wirkt sich auf die Zellstruktur. Das Problem ist: Während
bestimmte neuronale Systeme trainiert werden, werden andere vernachlässigt. Die Technik
verändert unsere Denkweise und ist somit nicht neutral. Die Folgen der Technik liegen
immer in ihr Potenzial. (Wer bin ich, wenn ich Online bin? Nicholas Carr Englisch: The Shallows:
What the Internet is doing to Our Brains) Die Frage um wie die Technik unsere Denkfähigkeit
verändert ist eine Frage jenseits des Problemlösendes-Denken. Es geht bei diesen Sachen
nämlich um gesamtgesellschaftliche Phänomene.

6. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 22.11.2010


Bei den Überlegungen befinden wir uns immer in den ersten Teil: wissenschaftstheoretische
Grundüberlegungen. Es geht grundsätzlich um die Frage: Wie funktioniert Wissenschaft? Die
Wissenschaftstheorie, das Nachdenken über die Wissenschaft, zwangsweise etwas zu tun hat mit
Philosophie. Wir beschäftigen uns theoretisch mit der Art und Weise wie Theorie zustande kommt.
Das ist die Meta-Ebene; die übergeordnete Ebene. Im Zuge eines schnellen Studiums bekommt man
maximal angeboten fertige Denkprozesse und Denkmuster. Diese Denkprozesse mögen zu einer Zeit
gültig gewesen sein, aber bleiben nicht so. Deshalb ist es wichtig sich mit den Denkprozessen zu
befassen.

Positivismus-Streit der deutschen Soziologie hat in 1961 stattgefunden. Auch beim Positivismus-
Streit geht es um eine Frage: Welche Aufgabe hat die Wissenschaft, näher hin die Sozialwissenschaft,

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in Hinblick auf die Gesellschaft? Soll die Wissenschaft Gesellschaft beschreiben, objektiv wiedergeben
oder im Hinblick auf ein bestimmten Ideal zu verändern? Versucht man letzteres dann besteht die
Möglichkeit das alle Ideologien Tür und Tor geöffnet werden und die Wissenschaft könnte
möglicherweise in dienst der Politik stehen. Die Grundfrage ‚Wie funktioniert Wissenschaft?‘ hängt
eng mit der Frage zusammen ‚Welchen Sinn hat die Wissenschaft?‘ Es ist vernünftig wenn man sich
die Frage stellt: ‚Welche Aufgabe hat denn das Fach das ich 3,4,5 Jahre studiert habe?‘

Theorien und Forschung hängen zusammen: Forschung füllt die Theorien und Theorien versuchen
wiederum den Bereich der empirischen Forschung zusammenzufassen. Aufgabe der Forschung ist es
das wissenschaftliche Begriffsgefüge zu verbessern, zu schärfen und zwar jenes Begriffsgefüge. Die
Begriffsgefüge versucht die Welt in objektiverweise Wiederzugeben. Jede Forschung muss die bisher
gewonnene Theorie, das bisher systematisch verarbeitete Wissen zur Kenntnis nehmen, bevor eine
Untersuchung beginnen kann. Das Forschungsziel steht also niemals Isoliert sondern fügt sich in
vorhandenes Wissen ein. Im Forschungsziel werden die Erfahrungsbereiche angegeben über die
weiteres zuverlässiges wissen gewonnen werden soll. Wobei möglichst Verbindungslinien zu dem
bereits bekannten Wissen gezogen werden. Jedes Forschungsziel ist eingebettet in einem größeren
Wissenszusammenhang. Deshalb befindet sich am Anfang der Meisten wissenschaftlichen Arbeiten
eine intensive Auseinandersetzung mit der bisherigen Literatur. Jede wissenschaftliche Aktivität
legitimiert sich durch den Rekurs auf bereits vorhandene Arbeiten. Genau dieses Vorgehen bereits
vorhandenes Denken weiterzudenken führt zum Kapitel des Paradigmas.

Das Paradigma bestimmt die Sichtweise, die zulässigen Fragen und die Methoden mit den diese
Fragen beantwortet werden. Das Paradigma hat (nur) einen einzigen Nachteil; es ist Unsichtbar. Das
Paradigma ist der Geist eines Faches der sich in die Forschungsfragen manifestiert, das kann man
nicht fassen. Es ist eine Grundorientierung, eine geistige Matrix die die Forschungsaktivitäten durch
Generationen hindurch bestimmt. Das was man Fragt hängt Großteils davon ab von dem Paradigma
in den man Forscht. Die Fragen wiederum bestimmen die Methoden, und die Methoden bestimmen
das Universum der möglichen Ergebnisse. „Jede Wissenschaft hat zu jeder Zeit eine bestimmte, nicht
weiter problematisierbare Grundansicht. Das Paradigma ist eine in die Wissenschaft hineinwirkende
aber nicht weiter problematisierbare Grundansicht.“ Erst wenn es zu einem Paradigmenbruch
kommt, wenn die beobachteten Ergebnissen mit den theoretischen Vorhersagen nicht
übereinstimmen, und wenn man diese Ergebnisse nicht hineinpressen kann in diese vorgefertigten
Denkschemata, Denkmuster wird die Wissenschaft vorangetrieben. Wissenschaft ist wie einen
Puzzle: Man sieht nicht das Ganze und überall befinden sich Leerstellen. Solange man die
vorhandenen Ergebnisse irgendwie an den Denkschemata anpassen kann, kommt es zu keinen
Paradigmenwechsel. Nicht mögen Wissenschaftler weniger als das bisherige Paradigma in Frage zu
stellen. Machen sie das, dann müssen sie quasi zugeben das alles was sie bisher getan haben war
Falsch – denken sie an die autoritäre Kommunikation. Popper besagt daher, Wissenschaft wird nicht
durch die Verifikation sondern durch die Falsifikation vorangetrieben. Man soll sich selber immer
versuchen zu wiederlegen, und seine Argumente so zu formulieren dass sie gegen den persönlichen
Paradigma agieren.

Die Suche nach Bestätigung ist allerdings ein starkes Wissenschaftsmotiv das die Wissenschaft
bestimmt, und das heißt in die Wissenschaftssprache ‚das eingebettet sein in eine Paradigma.‘
Paradigmenwechsel passiert nur dann wenn entweder die Proponenten des Paradigma aussterben
oder aber wenn die Widersprüche zwischen den beobachteten Phänomene und die theoretisch
Begründeten Prognosen zu groß werden. In der Kommunikationswissenschaft ist der
Paradigmenbruch passiert wo das Fach am Fruchtbarsten war, nämlich in der
Medienwirkungsforschung. Man von dem Stimulus-Response denkt in den Massenmedien

22
weggegangen weil die prognostizierten Ergebnisse nicht vorhanden waren. Es ist irgendwann mal
nicht mehr stimmig geworden zu sagen dass die Massenmedien wie Stimuli reagieren. Man hat sich
dann erdacht es gibt vielleicht intervenierende Variablen die dieses Response auch beeinflussen.
Dadurch ist man von der monokausalen Wirkungserklärung zu eine multikausale Gekommen. Es
wurde festgestellt dass der Stimulus verändert wird durch Psychologische und Soziologischen
variablen. Dann hat jemanden einen Aufsatz geschrieben die die bis dahin relevanten Fragstellungen
reflektiert hat. ‚Vielleicht sollten wir nicht fragen was die Medien mit den Menschen machen…‘ im
Sinne eines reinen Stimulus-Response Format. Die dahinterstehende Forschungsparadigma, die
sogenannte Steuerungsparadigma gilt aber immer noch, nur ist sie heutzutage viel raffinierter. Die
Frage wurde eventuell umgedreht und neu formuliert: ‚Was machen die Menschen mit den Medien?‘
Wie sind Medien in ihrem Lifestyle eingebettet und wie werden diese von ihnen genutzt? Welchen
Sinn weisen die Menschen den Medien zu? In den 1970er haben die Wiener
Kommunikationswissenschaftler eine Studie durchgeführt die genau in diese Richtung gegangen ist.
Nämlich, welche Nutzen haben die Medien für bestimmte Rezipientengruppen? Es haben sich Fragen
herausgestellt wie ‚Was ist ein Bedürfnis? Wie misst man Bedürfnisse?‘ Bedürfnisse sind nicht
empirisch Beobachtbar. Wie operationalisiert man Bedürfnisse? Seit 40 Jahre jetzt denkt die
Kommunikationswissenschaft immer noch in diese Richtung. Wenn wir Aussagen treffen wollen
nach der Medienwirkung, müssen zunächst mal nach dem Rezipienten fragen, weile diese weisen
den Medien einen Sinn überhaupt zu. Man geht hier sogar in Richtung einer Interpretativen-
Paradigma. Diese Paradigma geht davon aus das Menschen nicht geprägt werden sondern das sie
den Medien aktiv sinn zuweisen. Menschen sind somit nicht das Ergebnis von
Determinationsprozessen, sie werden nicht durch die Welt determiniert sondern sie weisen diese
aktiv einen Sinn zu. Die wissenschaftliche Fragen bestehen nun darin zu Fragen: Nach welchen
Kriterien wird interpretiert? Was sind die Bausteine diese Interpretation? „Jede Erklärung und auch
jede Forschung ist jeweils Forschung im Lichte dieses nicht weiter hinterfragten Paradigmas. Ohne
Paradigma wäre Wissenschaft gar nicht möglich, weil sie Orientierungsideale darstellt auf deren Folie
ein Phänomenbereich geordnet wird. Darin erkennt man die Wissenschaft nicht ein Abbildprozess ist
sondern einen Konstruktionsprozess. Wir beschreiben nicht die Welt wie sie ist, sondern die Welt ist
wie wir sie beschreiben. Kübeltheorie der Erkenntnis: Je mehr man Erfahrungen sammelt, desto
näher kommt man an die Wissenschaft. Scheinwerfertheorie der Erkenntnis: Wir befinden uns in
einem dunklen Raum und unsere Erkenntnisbemühen ist der Scheinwerfer. Eventuell kommt jemand
und sagt: Sie richten den Scheinwerfer falsch.

Thomas Kuhn besagt das eine einmal gewählt Paradigma generell die Tendenz hat sich weiter
fortzupflanzen. Eine anderes Wort für Paradigma ist ‚Framing‘ – man kann aus dem Frame nicht
heraustreten sonst steht die Frame in Frage. Das Framing ist der Gesichtspunkt unter den man alle
Informationen hineinordnet. Die Schwierigkeit diese Framing zu verändern ist das eine neue Framing
das alte ersetzen muss. Normalwissenschaft: „Normal ist die Wissenschaft insofern als die
Wissenschaftler unter dem Dach eines Paradigmas der Frage (scheinbar, musste man sagen) enthoben
sind warum sie die Welt gerade so sehen, wie sie sie sehen. Alle Fachkollegen haben die betreffende
Sicht akzeptiert.“ Die Tätigkeit der Wissenschaftler in diese Phase wird deshalb als Rätsellösung
(Puzzle Solving) charakterisiert. Das ganze wissenschaftliche Bemühen geht in diesem Fall darum das
abweichende Phänomen irgendwie kompatibel zu machen mit dem gesamten was man bisher schon
gemacht hat. Die Wissenschaftler bemühen sich also keinesfalls im Sinne von Popper ihre Theorien zu
wiederlegen bzw. zu falsifizieren. Diejenige die an eine Paradigma festhalten handeln eigentlich
gegen das Diktum von Karl Popper. Karl Popper sagt eben dass der Erkenntnisfortschritt in der
Wissenschaft ausschließlich über Falsifikation geht. Der Kritikbegriff des kritischen Rationalismus ist
ausschließlich begründet im Falsifikationsprinzip. Der Kritikbegriff in der Kritischen Theorie meint
Wissenschaft hat die Aufgabe die Gesellschaft zu verändern. Es geht um die wissenschaftliche

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Überwindung historisch bedingte Wiedersprüche. In diesem zweiten Kritikbegriff steck das bekannte
Revolutionäres Potenzial. Bei Popper besteht dieses Revolutionäres Potenzial darin zu sagen ‚Nehme
Abstand von dem Wünsch dich bestätigen zu wollen. Nehme Abstand von dir selbst.‘ Das ist genau
das was man beim Milgram Experiment hätte wünschen müssen. Man darf sich durchaus von sein
verhalten distanzieren – man darf gescheiter werden. Die Deutung der Welt wird in einem
Begriffsgefüge gebracht (das was man mit Theorien beschreibt, ein relativ plausibles Begriffsgefüge).
Die Phänomene die diese Paradigma oder Theorie nicht entsprechen werden zur Seite gelegt oder
kompatibel gemacht. Das Paradigma bestimmt nicht nur die Theorien, sondern das Paradigma
bestimmt auch die Regeln wie man mit Hilfe der Theorien die Wirklichkeit erkennen kann. Man kann
zwei Arten von Regeln unterscheiden: Die Methodologischen Regeln und die Methodischen
Regeln. Beide Begriffe leiten sich aus dem kritischen Methodos und Methodos heißt der ‚Weg‘.
Methode versteht sich als nichts anderes als der Weg zu Erkenntnisfindung. Methodologie ist die
Lehre von der richtigen Vorgangsweise. Darunter versteht man Handlungsanweisungen wie das
wissenschaftliche Erkenntnisstreben zu ordnen ist, welche Verfahrensweisen praktiziert werden
sollen um wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Methodologie ist der lehre der Methoden –
welche Wege sind zu beschreiten um zu welchen Erkenntnisziel zu kommen. Die Paradigma
bestimmt auch welchen Stellenwert bestimmte Methoden, wie etwa Interview oder Inhaltsanalyse
haben um bestimmte Erkenntnisziele zu beschreiben. Zum Beispiel wie eignet sich Interview um
menschliche Einstellungen zu erfassen? Das Paradigma bestimmt was man von dieser
Verfahrensweise erwarten darf. Welcher Stellenwert hat eine bestimmte Methode um ein bestimmtes
Erkenntnisziel zu erreichen? Es konnte der Einwand erfolgen, man kann nur etwas Abfragen was
einem bewusst ist. Einstellungen und Attituden haben an sich drei Dimensionen – wir behaupten es
sind in der Regel drei: Kognitive, Emotionale und Motivationale Dimensionen. Wenn man eine
Frage stellt wird man höchstwahrscheinlich die Wissens-Dimension/Kognitive-Dimension abfragen.
Einige Fragenbeispiele:

(I) Kognitive Ebene: Welche Partei glauben sie kann diesem Land am besten aus der Krise
helfen?
(II) Emotionale Ebene: Wie sympathisch ist ihnen diese Partei?
(III) Motivationale Ebene: Würden sie diese Partei selbst wählen?

Das Methodologische Problem besteht nun darin zu fragen, inwieweit kann man überhaupt
Einstellungen abfragen? Und in welchem Verhältnis stehen die Ebenen zueinander? Man geht
üblicherweise davon aus das es eine einheitliche Beziehung bestünde zwischen die verschiedenen
Ebenen. Was passiert wenn die Beziehung doch brüchig wird? Die Methode ist einfach eine Sache der
Technik: Wie setzt man genau die gewählte Methode eine? Man wählt aufgrund des Paradigmas
bestimmte Regeln auf um den Zusammenhang zwischen Theorie und Empirie herzustellen. Mit
Auswahl der Methode schränkt man bereits das Universum mögliche Phänomene ein. Man kann nur
dass erfassen was sich aufgrund der methodischen Vorüberlegungen erfassen lässt. Das was man
nicht fassen kann existiert nicht: Stichwort Netzparabel. Das Netz kann oder könnte man gleich als
Paradigma verstehen.

Man könnte durchaus sagen dass eine Paradigma für die Wissenschaft durchaus wertvoll ist. Es gab
auch nach Kuhn und Poser eine vor-paradigmatische Phase, wo man Dinge nur Beobachtet hat. So
hat Wissenschaft begonnen; man hat die Merkwürdige Phänomene gesammelt und systematisiert.
Eventuelle entsteht dadurch eine Normalwissenschaft. Krise: Wenn zwischen den beobachteten
Phänomene und den theoretische fundierten Prognosen zu einem Widerspruch kommt. Anomalien
in Bezug auf die nicht in Frage gestellte Grundannahme. Durch Paradigmenwechsel verlegt sie den
Fokus der Wissenschaft. Das Paradigma könnte man auch als Kognitive Muster bzw. Kognitive

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Matrix nennen. Zwischen Paradigma und Theorien steht die Erkenntnisinteresse. Das sind
diejenigen Faktoren die eine Wissenschaft steuern. Begriff des Erkenntnisinteresses kommt aus der
Phylogenese, aus der Entwicklung der Menschheitsgeschichte. Der Mensch stand vor der
Notwendigkeit sich die Welt untertan zu machen. Die Welt zur Hand haben, die Phänomene zu
beherrschen. Mit der Entwicklung der Menschheit haben sich drei großen Formen des
Erkenntnisinteresses herausgebildet.

(I) Technische Erkenntnisinteresse: Stellt sich auf die Beherrschung der Umwelt ab. Ist
immer noch in den Naturwissenschaften zu finden. Auch in der Sozialwissenschaft zu
finden. Da geht es nämlich darum was Menschen denken und fühlen sollten durch
Kommunikationsstimuli. Wie kann ich Wissenschaft einsetzen um etwas bestimmtes zu
erreichen?
(II) Praktisches Erkenntnisinteresse: Hier geht es nicht um die Frage der Beherrschung
sondern um das Zusammenlebens.
(III) Emanzipatorisches Erkenntnisinteresse: Versucht die Lebensmöglichkeiten der
einzelnen gegenüber seinen Umwelt zu verteidigen. Wie hinsichtlich die zunehmende
Anonymisierung und Bürokratisierung das Menschsein gerettet werden? Wie kann man
mithilfe von Kommunikation Entwicklungsprozesse im Gang setzen?

Zwischen Paradigma und Theorien ein Erkenntnisinteresse eingebaut wird als ergänzender Begriff.

7. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 29.11.2010


Kritischer Rationalismus als wissenschaftstheoretisches Dach das über alle Arten von empirischer
Forschung steht. Eine verborgene Grundannahme der hinter alle Arten von empirischer Wissenschaft
steht. Der Schlüssel um Wissenschaft zu verstehen liegt in der historischen Eibettung, also in dem
Paradigmen begriff. Thomas Kuhn hat gezeigt dass die Annahme dass die Wissenschaft sich linear
weiterentwickelt falsch war. Kuhn zeigt in ‚The History of Scientific Revolution‘ das die Wissenschaft
diskontinuierlich/revolutionär voran geht. Wenn die Anomalien sich häufen, dann bricht eine
Paradigma zusammen und es wird nach eine neue gesucht. Zunächst versuchen die Vertreter des
alten Paradigmas die Anomalien auszugleichen, sie versuchen sie in dem herrschenden Paradigma
einzuordnen. Paradigma ist eine Art gemeinsame denken wie man an bestimmte Phänomene
herangeht. Es beschreibt auch die Art und Weise wie man Fragen stellt und welche Fragen man stellt.
Eine Paradigma lässt sich weiter definieren als intersubjektiv geteilte Grundüberzeugungen oder
als Leitgesichtspunkte des denken und Handelns. In dem man eine Paradigma hat, erspart man sich
die ewigen Grundsatz-Diskussionen – die Grundlage der Wissenschaft steht nicht zur Diskussion.
Das ständig sich in Frage stellen ist ein mühsamer Prozess dem man sich durch das folgen einer
Paradigma spart. Das Paradigma ist eine fast unabdingbare Voraussetzung das empirische Forschung
betreibt. Es genügt schon ein leichtes Kratzen an der Oberfläche von Begriffe und schon ist man
mitten in Grundsatz fragen drin.

Die Arbeit am Begriff: Es gibt grundsätzlich nichts das ungefragt richtig ist. Es sind alles nur
Übereinkünfte, ein Konsens der zu bestimmten Begriffe hergestellt wurde der sich als pragmatisch
Sinnvoll erwiesen hat. Der Kitt der diese Übereinkunft bindet ist das unausgesprochene Paradigma.
Zum Beispiel das Paradigma das Massenmedien Wirkungen haben; aber was ist wenn nicht? Müssen
Wirkungen Ergebnisse hinterlassen die man messen kann? Oder kann man bestimmte Wirkungen gar
nicht messen? Paradigma als eine alles bestimmende Grundvoraussetzung. Theorien sind nichts
anderes als Deutungen der Welt in einem bestimmten Ausschnittsbereich. Für PuKW ist die Welt die
‚soziale Kommunikation‘ – das ist die Welt mit der wir uns auseinandersetzen. Das Paradigma leistet
eine Grundlage für die Theoriebildung. Die Phänomene der sozialen Kommunikation reduzieren sich

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eben nicht nur auf die Medien, soziale Kommunikation ist alles was in der Gesellschaft
kommunikativ passiert. Die Medien sind nur einem unter vielen anderen Anteilen.

Das Erkenntnisinteresse ist die Frage nach der wissenschaftlichen Motivation. Jede Arbeit beginnt mit
der Ausweisung des Erkenntnisinteresses. Warum scheint ein bestimmtes Problem wichtig zu sein?
Man muss immer Problemorientiert die Arbeiten gestalten. Das Begriff des Erkenntnisinteresses
bezieht sich auf Jürgen Habermas der darauf hingewiesen hat dass die wurzeln alle
wissenschaftlichen Erkenntnisbemühungen in lebensweltlichen praktischen Interessen liegen. Es
gibt ein ganz praktisches Interesse das Leben zu bewältigen, die Natur zu beherrschen, Konflikte zu
regeln. Die Basis aller wissenschaftlichen Interessen liegt in die Bewältigung des Lebens. „Die
spezifischen Gesichtspunkte unter denen wir Realität auffassen haben ihre Basis in der
Naturgeschichte der Menschheit. In den Bedingungen des Überlebens innerhalb einer
gesellschaftlichen soziokulturellen Lebensform.“ – Habermas. Man kann auch gegen argumentieren
und sagen dass der Primat der Menschen nicht in seiner Naturgeschichte sondern in seine
Geistesgeschichte steht, seine Bewusstseinsgeschichte. „Es gibt drei Bedingungen für die
Reproduktion des menschlichen Lebens. Erstens, die Bearbeitung der Natur. Die Bearbeitung der
Natur hat zur Entwicklung des handwerklichen Könnens geführt. Mit dem handwerklichen Könnens
verknüpft ist das technische Interesse. (Wie mach ich es? Wie optimier ich es?) In der modernen
Wissenschaft artikuliert sich dieses technische Interesse in der Kontrolle und voraussage der
Ereignissen der natürlichen Welt. Um die natürliche Welt kontrollieren zu können, und vorhersehen
zu können braucht es die Erzeugung eines gesetzesartigen Wissens.“ Technische Interessen dienen
eigentlich dem Überleben von Menschen. Dieses Technische Interesse das auf Kontrolle und auf
Steuerung von Systemprozessen abzielt ist auch in den Sozialwissenschaften vorhanden. Dahinter
steht mit Sicherheit der irrtümliche Gedanke dass man die Gesellschaft und das Zusammenleben in
der Gesellschaft gleich wie Naturprozesse begreift. Die Gefahr besteht nun darin das dieses bedenken
der Beherrschung von Naturprozesse übertragen wird auf die Gesellschaft. ‚Wie mach man es um die
Menschen zu manipulieren?‘ ‚Wie macht man es um ihre Einstellungen zu ändern?‘ Fast alles was in
der Kommunikationswissenschaft gemacht wird, orientiert sich an dem technischen
Erkenntnisinteresse. Das meiste was in der Sozialwissenschaften geforscht wird, dem liegt meistens
ein technisches Erkenntnisinteresse zugrunde. Das Technische Erkenntnisinteresse kommt aus der
Notwendigkeit die Natur zu beherrschen bzw. die Gesellschaft zu beherrschen, über sie Einfluss zu
nehmen.

Es gibt ein zweites grundlegendes Erkenntnisinteresse das sich der Phylogenese der Menschheit
herausgebildet hat: das Praktische Erkenntnisinteresse. Für die Reproduktion des menschlichen
Lebens (also die Befriedigung der mentalen Bedürfnisse) ist es auch notwendig
Kommunikationsstörungen zu bewältigen. Denn das gesellschaftliche zusammenleben, wenn es eine
bestimmte Komplexität erreicht hat bedarf eine Grundlage und diese Grundlage bildet die
zuverlässige Intersubjektivität. Es bedarf zuverlässige intersubjektive Beziehungen. Zum Beispiel
muss man sich jeder Zeit darauf verlassen können das ein Vertrag ein Vertrag ist. Es gibt also ein
anthropologisches begründetes praktisches Interesse, das besteht in der Sicherung und der
Erweiterung von Möglichkeiten des gegenseitigen Verstehens. Wie lässt sich dieses gegenseitiges
Verstehen organisieren und sichern und ausweiten? Wie lässt sich das Zusammenleben
multikulturelle Gesellschaften organisieren um diese Verlässlichkeit zu garantieren? Hier geht es um
die Grundlagen des gegenseitigen Verstehens ohne die Gesellschaft nicht gelingen kann. Es geht auch
um die Möglichkeiten der Selbstverständigung in der Lebenspraxis. Die Anerkennungsdiskussion
von Axel Honneth ist genau geführt auf der Grundlage dieses praktischen Erkenntnisinteresses. In
der Anerkennungsdiskussion wird deutlich gemacht dass bevor man jemand andere erkennen kann,
muss man ihn erst Anerkannt haben, als den jeweils anderen erkennen. Es ist die Folge, und nicht die

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Voraussetzung. Es wird im anderen anerkannt die prinzipielle Würde des anderen als abstraktes
Prinzip. Aus der Anerkennung entsteht dann die Achtung im Sinne von Kant. Die Anerkennung
erfolgt nicht auf Basis irgendwelche Eigenschaften, sondern wird a priori vergeben. Beim praktischen
Erkenntnisinteresse geht es eigentlich um die Basis des zwischenmenschlichen Verstehens.
Habermas sagt das praktische Erkenntnisinteresse realisiert sich primär in der historisch
hermeneutischen Wissenschaften – wo es um das verstehen vom Komplexen Prozesse geht.
Insbesondere die Kommunikationswissenschaft wäre aufgerufen weniger das technische
Erkenntnisinteresse zu befriedigen und eher das Praktische. Wer wenn nicht die
Kommunikationswissenschaft könnte sich mit Probleme der menschlichen Kommunikation befassen?
Es geschieht aber nicht. In der Historisch-Hermeneutischen Wissenschaften geht es um eine
interpretativen Vorgang/Verstehen von gesellschaftlichen Handlungszusammenhängen.

Beim emanzipatorischen Erkenntnisinteresse geht es um die Bewältigung der Diskrepanz zwischen


dem denkbaren subjektiven Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten auf der einen Seite und dem
was tatsächlich Eingang in die gesellschaftliche Praxis findet. Man muss sich in seine subjektiv
empfundene Entfaltungsmöglichkeiten realisieren können. Die emanzipatorischen
Erkenntnisinteresse stoßt in den Wiederspruch (Diskrepanz) vor zwischen den subjektiven
Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten die man in sich trägt und den was tatsächlich möglich ist,
oder das was Eingang finden kann in der gesellschaftlichen Praxis. Hier sind es vor allem die
Mechanismen der gesellschaftlichen Macht die eine zentrale Rolle spielen. Diese Mechanismen
verhindern dass diese Diskrepanz kleiner wird. Zum Beispiel die strukturelle Bedingungen
gesellschaftliche Ungleichheit. Das emanzipatorische Interesse artikuliert sich in einer kritischen
Stellung gegenüber den eigenen geschichtlichen Prozessen. Das heißt auch die
Geschichtlichkeit/Gewordenheit gesellschaftlichen seins. Gesellschaft ist nicht bloß als Faktum da,
oder als Ansammlung von Fakten denen man begegnet sondern die gesellschaftlichen Fakten sind
definierte Fakten, also von jemand definiert. Möglicherweise aus einer bestimmte Absicht oder aus
bestimmten Interessen. Faktum ist etwas Gemachtes und Gewordenes, also ist es nicht objektiv und
unumstößlich. Emanzipatorische Interesse artikuliert sich die Fähigkeit das jeweils gegebene nicht als
die Letztinstanz sich damit abzufinden, sondern als etwas Gewordenes zu verstehen.
Emanzipatorisches Interesse kann man auch auf sich selbst anwenden. Man reflektiert seinen
jeweiligen zustand vor dem Hintergrund der subjektiven genese des Individuums. Beispielswiese
wirken sich Prozesse der Erziehung auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Die Beringungen eines
Zustands setzt man in Relation zu den Entstehungsbedingungen des Zustandes. Es entsteht die
Frage: Wer bin ich wirklich? Als Beispiel nennt Habermas die Psychoanalyse. Psychoanalyse ist
Beispiel von einem kritischen Verhalten zur Geschichtlichkeit nicht nur der Gesellschaft sondern auch
die gewordenheit der eigenen Subjektivität. Träger des emanzipatorischen Interesses ist aber auch die
Ideologiekritik. Auch die kritische Gesellschaftstheorie. Die kritische Gesellschaftstheorie setzt sich
auch kritisch mit der Geschichtlichkeit der gesellschaftlichen Existenz auseinander. Die Erkenntnisse
der gewordenheit dessen was ist haben in sich den Keim zu Veränderbarkeit. Das gewordene wird
zu etwas was man wiederum verändern kann, wenn man sich dazu kritisch Verhält. Das ist das Kern
der Vorwurf gegen den kritischen Rationalismus, nämlich das er blind macht zu dieser historischen
Gewordenheit der Entwicklung der Prozesse. Er beschäftigt sich nur mit den gesellschaftlichen
Fakten ohne zu fragen wie diese Fakten geworden sind. Die Phänomene in der PuKW sind
Oberflächen Phänomene, sie sind meist nur einen Ausweise für etwas tiefer verborgenes. Das was
verborgen ist hängt eng mit der Geschichtlichkeit zusammen. Das emanzipatorische
Erkenntnisinteresse versucht hinter diese Fassade erkennbarer soziale Probleme zu sehen, und diese
Probleme selbst zuerkennen als des jeweiligen historischen Ausfluss dahinterstehende Widersprüche.

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Die erkenntnisinteressen stellen allgemeine Orientierungen bzw. kognitive Strukturen oder Strategien
dar. Der Vorwurf der kritischen Theorie an dem kritischen Rationalismus besteht darin das er die
komplexe Wirklichkeit auf positivistischer Sichtweise reduziert. Die Vernunft wird also einseitig auf
das technische Vernunftsinteresse reduziert. Das Interesse der technischen besteht gerade in diesem
Anspruch, dieser Hoffnung, diese Erwartung auf Steuerung und Beherrschung. Die menschliche
Vernunft wird im Positivismus einseitig reduziert auf ein technisches Vernunftinteresse. Diese
besteht darin die natürliche aber auch soziale Welt zu steuern und zu kontrollieren. Genau da beginnt
die Machtproblematik. Das Interpretative Paradigma entspricht dem praktischen Erkenntnisinteresse
denn es geht um die Interpretation von gesellschaftlichen Verhältnissen. Der Steuerungsparadigma
hingegen hat ein bestimmtes Kausalitätsdenken in sich. Es ist deterministisch, deterministisches
Denken – der Mensch wird geprägt von seiner Umwelt. Das Interpretative Paradigma ist das
Gegenteil davon. Es ist eine geistige Grundorientierung die davon ausgeht das der Mensch nicht
abhängig ist von gesellschaftlichem Einfluss, sondern das er diese aktiv gegenübertritt. Der Mensch
interpretiert sich im Verhältnis zu den anderen und im Verhältnis zur Welt. Letztlich sind diese
Interpretationsprozesse Prozesse der Sinnzuweisung. Das Interpretative-Paradigma ist ein wesentlich
für den Menschsein Entsprechender Ansatz als der Steuerungsparadigma. Diese Auseinandersetzung
mit der Sinnzuweisung folgt eher dem praktischen Erkenntnisinteresse. Es geht um die Frage: Wie
wird der Sinn zugewiesen? Zum Beispiel: Welche Bedeutung haben die Medien für jugendliche? Die
anthropologische Grundvoraussetzung des interpretativen Paradigmas liegt darin das dem
Menschen Freiheit zugewiesen wird. Kommunikation besteht nämlich darin das Sinn zugewiesen
wird. Und dieser Sinn kann abgewandelt werden; es bleibt nicht gleich. Eine vorherrschende
Paradigma zieht ein vorherrschendes Erkenntnisinteresse nach sich. Wenn jemand nur Einfluss haben
will, auf egal wen, dann folgt er eo ipso einen Steuerungsparadigma. Daraus folgt dass sein gesamtes
bestreben auch in dem wie Wissenschaft funktioniert auf die Verwirklichung eines technisches
Erkenntnisinteresses ausgerichtet ist. Der Mensch, der Subjekt hat auch praktische
Erkenntnisinteressen, zum Beispiel um Verständigungsprozesse zu optimieren. Ein Beispiel dafür ist
die Theorie kommunikativen Handelns. Es gibt nämlich nur zwei Möglichkeiten Verständigung
herzustellen:

(I) Vernunft bzw. Vernünftigkeit, und das bessere Argument


(II) Oder durch die Macht

Man kann Verständigung erzwingen oder man kann sich auseinandersetzen. Die Theorie
Kommunikativen Handelns ist nichts anderes als ein versuch zu zeigen wie Verständigung
herbeigeführt werden kann. Und zwar durch Sprache. Die Sprache ist das einzige Ort wo die
Vernunft zuhause ist. Die Vernunft druckt sich sprachlich aus. Habermas sagt ‚Die Telos der Sprache
ist die Vernunft.‘ In die Theorie Kommunikativen Handelns geht es darum wie man der Vernunft
zum Durchbruch verhelfen kann, auf sprachlicher ebene. Worin manifestiert sich die Vernünftigkeit
der Sprache? Im Argument. Die Frage ist ja grundsätzlich: Was ist die dahinterstehende Motivation?
Welcher Sinn wird denn zugewiesen? Der aktive Rezipient ist der der Sinn zuweist. Das ist der der
bestimmten Bedürfnissen folgt und Medienkonsum im Zusammenhang mit seinen subjektiven
Erwartungen betreibt. Die können bewusst oder unbewusst sein. Erst in weiterer Folge entsteht ein
bestimmtes Medienverhalten. Aber den Medienverhalten liegt eine psychische Aktivität zugrunde.

Kritische Rationalismus: Karl Popper versteht die Wissenschaft als Problemlösen. Wissenschaft hat
die Aufgabe Probleme zu lösen. Sofort denk man an die technisches Erkenntnisinteresse. Er geht
von der Grundannahme hinaus, alles wissen ist fallibel. Alles wissen ist vorläufig. Es gibt durch
dieses Wissen keine Gewissheit. Jede Gewissheit ist ausgeschlossen. Deshalb kann nicht im Sinn von
Verifikation wissen produziert werden. Falsifikationsprinzip: das wissenschaftliche Handeln muss

28
sich darum bemühen die aufgestellten Theorien zu Wiederlegen und nicht zu Bestätigen. Das Ganze
dient dazu sich der Wahrheit anzunähern. Wie kann man durch Wissen an die Wahrheit näher
kommen? Das Wissen kann sich die Wahrheit nur asymptotisch annähern. Die Annäherung an die
Wahrheit hat als einziges Prinzip die Falsifikation – ein ständiges bemühen das einmal erreicht
wissen in Frage zu stellen. Als methodisches Prinzip meint der Kritik ein ständige
widerlegungsversuch – darin ist der Kritikbegriff begründet. Die gesellschaftspolitische Dimension
des Falsifikationsprinzips liegt darin das jede politische Macht, jede Ideologie mit dem Anspruch auf
das Alleinvertretungsrecht von Wahrheit zu haben verwerflich ist. Jedes politisches System muss
frei kritisierbar sein. Die freie Kritisierbarkeit der politischen Entscheidungen ist die einzige Garantie
dafür dass die Gesellschaft frei bleibt. Deshalb wendet sich Karl Popper ganz massiv gegen totalitäre
Regime, weil sie Kritikimmun sind. Je mehr sich den politisches System gegen Kritik immunisiert
desto mehr läuft es die Gefahr sich in eine Richtung zu bewegen weg von der Demokratie. Der
Schlüssel der freien Demokratie besteht darin dass sie kritisierbar ist. Das politische Regime
entwickelt sich durch das Prinzip des Widerspruchs und nicht durch das Prinzip des Zuspruches.

8. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 06.12.2010


Kritische Rationalismus ist jene Methodologie die zeigen soll wie sich Wissenschaftlichen Fortschritt
vollziehen kann. Man könnte zusammenfassen: Wissenschaft ist wahrheitssuche durch Kritik, nicht
etwa durch Bestätigung. Kritik heißt in diesem Zusammenhang die suche immer wieder ob etwas auf
eine mögliche Widerlegung zugespitzt werden kann. Der kritische Rationalismus besteht aus vier
Ebenen:

(I) Erkenntnistheoretische Ebene: Der kritische Rationalismus behauptet die prinzipielle


Fehlbarkeit der Vernunft. Fallibilität des Wissens: Die Einsicht der prinzipiellen
Fehlbarkeit der Vernunft. Die menschliche Vernunft ist Irrtumsanfällig und ist deshalb
nicht in der Lage zu einen absolut gesicherten wissen und zu einem für allemal gültigen
Erkenntnisstand zu gelangen. Wissenschaftliche Erkenntnis muss daher versuchen durch
Versuch und Irrtum Fehlerkorrektur zu betreiben. Das wird gemacht weil man sich an
die Wahrheit nur durch Widerlegung, durch Fehlerkorrektur annähern kann. Das
Falsifikationsprinzip zeigt den Vorgang wie man sich die Wahrheit annähern kann;
durch Widerlegung und Ausmerzung von Fehlern, durch ‚Trial & Error‘
(II) Geschichtsphilosophische Ebene: All jene Theorien werden kritisiert die die
Geschichtsverlauf durch determinierende Gesetzmäßigkeiten geformt sind. Diese
Theorien bezeichnet Popper als Historizismus. Historizismus bezeichnet die Idee dass
etwas nicht irgendwie anders gewesen sein könnte. Dieses determinierende, also auf
Gesetzmäßigkeiten abstellende Geschichtsverständnis lehnt Karl Popper und der
kritischen Rationalismus ab. In diesem Zusammenhang kritisiert der kritische
Rationalismus jene Denkhaltungen die aus einer vagen Ganzheit und Totalitätsidee die
Gesellschaft als Ganzes erfassen wollen und behaupten dass die bestehende Gesellschaft
nur als Ganzes revolutionär zu verändern wäre. Das ist genau der Punkt wo Popper mit
Adorno im Widerspruch liegt. Kritische Theorie postuliert dass man diese
häppchenweise Entwicklung von Wissensbausteine letztlich nicht die Gesamtstruktur
der Totalität der Gesellschaft transparent zu machen vermag. Diese ‚piecemeal‘ ‚Social
Engineering‘ führt letztendlich dazu das die falsche Bewusstsein über eine Gesellschaft
hat und das man dadurch seine eigene Position in Bezug auf diese Gesellschaft nicht zu
reflektieren vermag. Die Kritische Theorie geht also davon aus die Gesellschaft als
totales Phänomen zu begreifen, als Ganzheit. Die Kritische Theorie versucht zu
verdeutlichen das die Probleme mit dem wir Konfrontiert werden, nicht anderes sind als
die Erscheinungen einen verborgenen Widersprüchlichkeit. Kapitalistenvorwurf: Im

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Vordergrund steht das ‚Tauschprinizip‘ dem man sich nicht entziehen kann und dieses
Tauschprinzip würde die Lebensweise, die ‚Seinsweise‘ der Menschen in der Gesellschaft
prägen. Die Marxistische Kritik an der Ökonomisierung der Gesellschaft war schon nicht
unrichtig. Das nämlich alles dem Tauschprinzip unterstellt – der kapitalistische
Warenzirkulation. Bildung zum Beispiel funktioniert unter dem Gesichtspunkt wo man
den größten materiellen nutzen aus dem Studium hat und nicht unter der Frage ‚Wo
kann ich für mich die maximalste Wissen beziehen um sozusagen meinen Menschsein zu
verwirklichen?‘ Es geht nicht um die Frage: ‚Welche Bildungsziele streben wir an?‘ ‚Was
soll diese Studienplatz bewirken?‘ Es geht um wo kann ich die besten Voraussetzungen
finden um maximal verdienen zu können. Nie ist die Universität unter der reinen
Verwertbarkeit gestanden. Es ging immer um nicht unmittelbar verwertbares wissen. Es
wurde als für das Menschwerden wichtig erachtet. Die Kritische Theorie hat weder die
bürgerliche Wissenschaft rechtfertigen wollen noch hat sie ein totalitäres System bzw.
Bildungsverständnis rechtfertigen wollen. Sie verstand sich als gleichermaßen in Distanz
zu beiden Wissenschaften.
(III) Ideologiekritische Ebene: Der kritische Rationalismus lehnt jegliche theoretische oder
praktische Absolutheitsansprüche ab. Wer bezeichnet diese als Interpretationsmonopol
und wendet sich gegen diese. Die sogenannte ‚Deutungshoheit‘ über Gesellschaft oder
Teilbereiche der Gesellschaft wird abgelehnt. Es sollte niemand ein Erkenntnismonopol
in der Gesellschaft haben. Kein gesellschaftliche Elite oder Denkschule hat ein
Erkenntnismonopol auf letzte Wahrheit und Gewissheit.
(IV) Der Staat wird, anschließend an diese Überlegungen, primär als sozialtechnisches
Instrument aufgefasst mit dessen Hilfe Institutionen, Regeln, Gesetzte usw. installiert
werden die es möglich machen das die Machstruktur kontrolliert werden können.
Freiheit von zwang und Unterdrückung des Anderen.

Als Forschungsmethode besagt der kritische Rationalismus das die wissenschaftlichen Theorien
durch Widerlegungsversuche getestet werden sollen, und nicht durch Beleg. Widerlegt und nicht
abgesichert werden. Der Weg zur Widerlegung ist der methodische Falsifikationismus.
Falsifikationismus soll das Induktionsproblem lösen. Induktionsproblem: Theorien stellen
Behauptungen auf in sogenannte all-Sätze: ‚Alle Schwäne sind Weiß‘ oder ‚Jeden Morgen geht die
Sonne auf‘. Theorien machen in All-Sätze Behauptungen über alle Ereignisse einer Art. Für alle
Ereignisse einer jeweiligen Ereignisklasse werden diese All-Sätze hergestellt. Wenn man empirische
Theorien in Hinblick auf ihr Wahrheitsgehalt prüfen will, bereiten diese All-Sätze Schwierigkeiten.
Zur Prüfung empirische Theorien stehen immer nur einzelne Beobachtungen, d.h. singuläre
Beobachtungssätze zur Verfügung. Man kann also All-Aussagen nur auf Basis diese singulären
Beobachtungen überprüfen. Die Beobachtung liefert endlich viele Belege von singulären Sätzen.
Einen All-Satz behauptet allerdings etwas über alle Ereignisse, und zwar auch über die zukünftigen
Ereignisse. Es gibt also eine Differenz der von der Beobachtung berücksichtigten und der von der
Theorie behaupteten Ereignisse. In diese Differenz können beliebig viele der Theorie
wiedersprechende Gegenbeispiele angesiedelt sein. Wobei ein Gegenbeispiel ausreichen würde die
gesamte Theorie zu falsifizieren. Daraus folgert Popper das empirische Theorien durch Beobachtung
nicht zu beweisen sind. Die Existenz eines Gegenbeispiels kann nie ausgeschlossen werden. Man
kann also Theorien durch Beobachtungen nicht bestätigen, aber sehr wohl Falsifizieren. Keine
empirische Theorie ist induktiv Beweisbar – es darf also nicht von der einzelnen Beobachtung auf
eine allgemeine geschlossen werden. Die Kluft zwischen der ähnliche Vielfalt einzelner
Beobachtungen die man jetzt tut oder getan hat auf einer Aussage über alle Ereignisse dieser Klasse,
auch die künftigen ist unüberbrückbar. Man kann nur Aussagen treffen über das was man beobachtet
hat oder das was man gerade beobachtet. Die Schlussfolgerung auf die Zukunft ist immer tentativ; es

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passiert mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Theorien sind also nicht bestätigbar aber sehr wohl
falsifizierbar. Auf diese Eigenschaft kann man daher eine kritische Forschungsmethode aufbauen.
Diese Methode ist also bemüht Theorien zu falsifizieren umso zwei Ziele zu erreichen:

(I) Mit jeder gelungenen Widerlegung kommt man der Wahrheit näher. Aus dem Fehler
einer Theorie kann man etwas über den wahren Verhältnissen lernen. Jeder Fehler den
man entdeckt bringt einen Schritt weiter. Also nicht der Fehler ist das Problem, sondern
dass man die Fehler nicht suchen möchte.
(II) Jede misslungene Widerlegung zeigt dass die getestete Theorie sich bewährt – vielleicht
also doch wahr sein könnte. Über die widerlegungsversuche erhält man Erkenntnisse
über die wahrheitsnähe bewährter Theorien.

Der Weg der Wahrheitssuche, der Wahrheitsfindung, der Wahrheitsnähe über die Widerlegung geht.
Nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern durchaus auch im politischen Bereich. Ein
politisches System muss widerlegbar sein – es muss sich der Kontrolle aussetzen können. Jede
politische Partei tut sich gut daran ihre Fehler bekannt zu geben. Nicht mauern und zumachen – als
nichts zugeben, verschleiern – das ist keine gute Public Relations. Man sollte eine aktive Fehlerkultur
betreiben. Die Transparenz hinsichtlich Fehler führt nicht unbedingt zu einem Verlust des
Vertrauens. Das Vertrauen geht mit größerer Sicherheit verloren wenn man Fehlern macht und diese
nicht zugibt. Klagmotive in der Medizin liegen nie unmittelbar und ausschließlich und zur hundert
Prozent im Bereich des Kunstfehlers. Das Klagemotiv besteht darin das man die Kommunikation
nicht zulässt – das die Fehler nicht eingestanden werden. Oder das keiner Form der Entschuldigung.

Kritische Theorie der Frankfurter Schule: Frankfurter Schule deswegen weil sich dieses Denken an
der Frankfurter Universität entwickelt hat. Adorno, Herbert Marcuse, Max Horkheimer waren die
Hauptproponenten der Kritischen Theorie. Frankfurter Institut wurde in 1924 als Institut für
Sozialforschung gegründet an der Universität Frankfurt am Main. Die Frankfurter Schule begreift
sich als kritische Alternative einerseits zur bürgerlich etablierten Sozialwissenschaft und andererseits
auch als alternative zur totalitären Richtungen des sozialwissenschaftlichen Denkens. Die Denker der
Frankfurter Schule streben ein Bewusstsein an für die Notwendigkeit der Veränderung der
Gesellschaft. Die Denker der Frankfurter Schule treten für die Veränderung des Systems ein weil trotz
des technischen Fortschritts oder gerade auch deswegen die Ohnmacht des Individuums angesichts
der Struktur die Gesellschaft zunimmt. Wie kann man ein entsprechendes gesellschaftliches
Bewusstsein zur Veränderung diese Situation schaffen, damit erkannt wird dass die Entwicklung der
Gesellschaft diese Ohnmachtssituation produziert? Wie kann man den Ohnmachtsgefühlen eines
Individuums gegenüber einem anonymen Apparat abhelfen? Wie kann man die Rechte und
Bedürfnisse des Individuums wieder im Mittelpunkt rücken? Es geht um den Spannungsverhältnis
zwischen Großstruktur gesellschaftlicher Art und das Empfinden des Individuums. Der Fokus der
Aufmerksamkeit wird auf die Mechanismen dieser Verdrängung gelegt. Aus Sicht der kritischen
Theorie stehen die Medien nicht im Dienste der Aufhebung dieser Entfremdung in dem sie einem
kritischen Gesellschaftlichen Bewusstsein schaffen, sondern sie stehen im Dienste der Verschleierung
dieser Abhängigkeitsverhältnisse. Sie dienen dazu das dem Menschen nicht zu eine Bewusstsein
kommt von seine Situation, seine realen Ohnmacht. Sie verhindern also dass so was wie einem
Revolutionär potential entsteht in dem sie die Menschen durch Unterhaltungsangebote in einer
Zustand der Entfremdung halten. Gemessen an den heutigen Verhältnissen waren sie in der
Diagnostik nicht so schlecht. Der Frankfurter Schule geht es um die Entwicklung kritischer
Denkmodelle zwecks Veränderung der gesellschaftlichen Praxis. Sozialwissenschaft hat die Aufgabe
kritisches Bewusstsein und kritische Öffentlichkeit herzustellen. Insbesondre warf die kritischen
Theorie der bürgerlichen Wissenschaft dreierlei dingen vor:

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(I) Positivismus-Vorwurf: Jene Art des Denkens in der Sozialwissenschaft der davon
ausgeht den sozialen Tatbeständen wie objektive Tatsachen anzusehen werden müssen.
a. Fakten-Fetischismus: Die Fixierung auf sogenannte Fakten, wobei Fakten etwas sind
die von der Wissenschaft definiert werden. Wissenschaft definiert soziale Probleme
als Fakten. Das Problem ist die soziale Problem um denen sich die Wissenschaft
kümmert werden verobjektiviert. Sie werden wie Dinge behandelt. Eine
Verdinglichung von sozialen Verhältnissen. Diese ‚Dingen‘ aber sind selbst etwas
von Menschen gemachtes. Hinter den Dingen liegt die Widersprüchlichkeit der
Gesellschaft insgesamt. Die Fixierung auf Fakten ist somit eine Verlagerung des
Problems von dem Hintergrund auf die Oberfläche. Der Problemcharakter liegt
verborgen in der Widersprüchlichkeit der Gesellschaft. Man kann diese
Widersprüchlichkeit der Gesellschaft nicht über ihre Erscheinungen erkennbar
machen. Sie Bildet sich zwar ab in diese sozialen Phänomene aber die Lösung liegt
eigentlich dahinter. Positivistische Sozialwissenschaft tut so als wäre die Fakten die
sie beobachtet nicht etwas von dem Menschen gemachtes, dessen Problemgenese
Mann nicht weiter verfolgen bräuchte. Der Umstand dass die Fakten etwas
Gemachtes sind wird Ausgeblendet. Die Konzentration auf Fakten blendet den
Ganzen historischen, sozio-ökonomischen entwicklungszusammenhang des
jeweiligen Faktums aus. ‚Halten wir uns an die Fakten‘ heißt nichts anderes als
‚Halten wir uns an das was Menschen gemacht haben‘ Fakten sind das jeweilige
Produkt von Handlungszusammenhängen die man beliebig als solches definiert. Die
Objektivität scheinbar gerechtfertigt durch die Statistik. Die Repräsentativität von
1000 subjektive haben immer noch als Ursprung eine subjektive Meinung, die von
der Wissenschaft klassifiziert und definiert werden. Die gesammelten
Subjektivismen werden noch einmal verstärkt durch eine Pseudo-Objektivierende
Umgang mit ihnen. In Wirklichkeit ist es der Forscher oder Wissenschaftler der diese
Daten Interpretiert und Deutet und in Relation setzt. Die Objektivität der Kritischen
Theorie besteht in dem Strukturzusammenhänge der Gesellschaft insgesamt.
(II) Vorwurf des Subjektivismus: Das was die Sozialwissenschaft beobachten kann sind
Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen sind aber subjektiv. Es ist also eine
Summierung, eine Auflistung von subjektiven Verhaltensweisen. In Wirklichkeit
produziert die Sozialwissenschaft Subjektivität – verkauft aber dieses als Objektiv.
Objektiv sind aber nur die realen Widersprüche der Gesellschaft.
(III) Theoriefeindigkeit: Um diese verborgene Hintergrunde zu durchleuchten bedarf man
Theorien. Die Theorie spricht immer gegen den Augenschein. Wenn man sich aber im
Augenschein eingerichtet hat, auf der Ebene der Erscheinungen und mit der Theorie die
Hintergrunde versucht zu beleuchten. Um die Erscheinungen als logische Konsequenz
des verborgenen Hintergrunds erkennbar zu machen, stellt man alles Bisherige in Frage.
Die Beschäftigung mit Theorien ist immer unangenehm für die die am Status Quo
festhalten möchten. „Die Feindschaft gegen das theoretische überhaupt die heute im
öffentlichen Leben passiert richtet sich in Wahrheit gegen die verändernde Aktivität. Mit
der Theorie verbunden ist das Potenzial zur Veränderung. Wenn man erkannt hat wie
die Zusammenhänge sein könnten ist damit ein Potenzial verknüpft das man es auch
verändern kann. In diesem Punkt überschneidet sich Kritische Theorie und Kritische
Rationalismus. Kritische Rationalismus behauptet nämlich auch dass wir immer nur im
Besitz des vorläufigen Wahrheit sind. Der der sich theoretische beschäftigt geht radikal
vor – er will die wurzeln erkennen. Die bürgerliche Gesellschaft wollte sich dagegen
wehren um den Status Quo beizubehalten. Es macht kein sinn nur auf die einzelne

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Erscheinung zu achten, ohne den dahinterstehenden Film in Betracht zu ziehen. Im Sinne
der kritischen Theorie sollte die Soziallwissenschaft immer das verborgene allgemeines
vermitteln. So kann man die Welt der Erscheinungen zuordnen. Was bedeutet es das
Menschen immer mehr Angst haben? Die Frage muss gestellt werden ‚Was liegt hinter
dem Symptom?‘, nicht nur Psychopharmaka verschreiben. Jeder zweite Arzt in
Deutschland sagt er wolle nie wieder Arzt werden. Eine Antwort darauf ist keinesfalls
‚Weniger Stress am Arbeitsplatz‘ – dieses heißt noch lange nicht ‚Sinnerfüllung durch
intensiven kommunikativen Patientenkontakt.‘ Die Selbstmordrate bei Anästhesisten ist
überdurchschnittlich hoch.

Positivistisch denkende Wissenschaftler geben eine Antwort auf das Symptom. Die Kritische Theorie
war eine Möglichkeit nachzudenken ob die Lampe doch nicht was mit dem Motor zu tun hatte.
Adorno und Horkheimer haben aus einer bestimmten ideologischen Position heraus, nämlich
Marxismus und Neo-Marxismus, die Gesellschaft einseitig unter dem Gesichtspunkt des
kapitalistischen Tauschsystems gesehen haben. Das war eine Entführung der Wahrnehmung, einen
Reduktionismus nämlich dass alles mit der Warensystem zu tun hat.

9. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 13.12.2010


In seinem Buch Wissen ohne Bewusstsein erklärt Franz Dröge erklärt er wie Kritische Theorie mit
Kommunikationswissenschaft verbunden ist. Der Titel deutet aber schon darauf hin worum es geht.
Das gesamt akkumulierte wissen führt nicht unbedingt zu einer Bewusstsein. Man kann wissen
generieren aber daraus entsteht nicht automatische gesellschaftliches Relevantes Bewusstsein. Dröge
Kritik an der bürgerlichen Kommunikationswissenschaft: „Theorie bestehen also im nichts anderes
als in der Formal abstrakten Klassifikation der kommunikativen Phänomene. Diese Theorie hat eine
reine Ordnungsfunktion. Das Chaos der Erscheinungswelt wird im Kantischen sinn gegliedert.“
Dieser Fehlschluss, nämlich sich nur auf der Ordnung der Phänomene zu beschränken passierte auch
heutzutage wieder z.B. bei dem Hearings für die neuen Professuren am Institut. Theorien werden
missverstanden als Ordnung-Schemata, die Voraussetzung der Klassifikation müssen aber auch
transparent sein. „Eine solche Wissenschaft die das Problem gesellschaftliche Widersprüche in ihre
kommunikative Erscheinungsweise gar nicht berührt unterstützt die bestehenden Verhältnisse weil
sie deren formalen Gestände registriert, im gesellschaftlichen Inhalt aber unreflektiert ist.“ – Franz
Dröge. Die Widersprüchlichkeit die sich dahinter verbirgt wird verschleiert. Diese Widersprüche sind
keine mechanistischen Widersprüche, sondern sind dynamische Widersprüche die sich durch das
Zusammenleben der Menschen entstehen. Sie sind nicht da als Objekte, sondern sind etwas
gesellschaftliche Vorgebrachtes, Erzeugtes – also auch veränderbares. Die Positivistische
Wissenschaft tut so also wäre die Phänomene die sie betrachtet unveränderbar. Es reicht nicht aus zu
erzählen was es alles gibt oder nur zu klassifizieren. Verändern zum Beispiel die Spiele in Cyberspace
unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und somit unsere Menschseins insgesamt. Wenn wir bloß
formalisiert feststellen was es gibt besteht die Gefahr dass man die Dinge einfach in ihrem Status Quo
zementiert. Forschung im Dienste der Erhaltung des Status Quo. Nehmen wir als Beispiel die
Meinungsumfrage: Mithilfe einen künstlichen Mechanismus, nämlich einer Meinungsbefragung,
erheben wir eine Durchschnittsmeinung, spielen diese Durchschnittsmeinung zurück in die
Gesellschaft, und die Gesellschaft orientiert sich an diesem Artefakt das von der Wissenschaft erzeugt
wurde. Es entsteht ein ‚Self-Fulfilling Prophecy‘. Die Wissenschaft misst etwas dass es ohne sie nicht
oder nicht so gegeben hätte. Diese Art der Konstruktion von Wirklichkeit wird dann als Objektivität
angepriesen. Allerdings ist es bloß die Summe von subjektiv erhobener Meinungen – und zwar auf
doppelter Weise Subjektiv: Dem Interesse der wissenschaftliche Forschung folgend und eine
vermeintliche subjektive Interesse des Probanden/Befragten. Der Befragte reagiert auf bestimmte
verbale Stimuli die ihn in einer Bandbreite vorgelegt wird. Soziale Beziehungen werden in diesem

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Fall verdinglicht. Wenn zum Beispiel das Medizinsystem Patienten als Klienten sieht, oder als Kunde
ist das eine Verdinglichung der Beziehung zwischen Patient und Arzt. Der Prozess wird zum
ökonomischen Größe – zur Tauschwert reduziert. Hier treten nicht Klient und Leistungserbringer in
Beziehung, sondern zunächst ein Leidender und ein Heiler. Die Verdinglichung ist die
Anerkennungsvergessenheit - man vergisst den anderen als Mensch zu (an)erkennen. Die subjektive
Leidenssituation der anderen wird nicht erkannt – er wird zum ökonomischen Partner reduziert. Jede
Beziehung hat eine Eigenwertigkeit die in der Beziehung zwischen den Partner zu einander enthalten
ist. Die Verdinglichung besteht darin über diese subjektive Beziehung und ihre Einmaligkeit abstrakt
Prinzipien zu legen. Die Wissenschaft schaut nur nach was genau diese subjektive Beziehungen
definiert und verachtet den Einzelwert. Sympathie zwischen zwei Menschen ist eigentlich nicht
wissenschaftlich erklärbar. Um es zu erklären muss man auf abstrakte Konzepte zurückgreifen. Zum
Beispiel teilen die Menschen dieselbe Sprachgemeinschaft oder denselben kulturellen Raum. Das
Fingermerk auf die Verdinglichung zu legen war eine verdienstvoll Geschichte der Kritischen
Theorie, nur ist es verkürzt geworden durch Ökonomisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Alles wurde unter den ökonomischen Gesichtspunkt oder den Prinzip der Tauschwert gesehen. Es sei
aber trotzdem darauf hingewiesen dass die Verdinglichung ein großes Problem ist.

Positivismus Streit (alle Argumente im Roten Skriptum nachzulesen)

Karl Popper hat in Tübingen einen Referat gehalten mit dem Titel, ‚Die Logik der
Sozialwissenschaften‘. Adorno hat sich auf dieses Referat sehr scharf bezogen. In der vierten These
sagt Karl Popper „So weit man überhaupt davon sprechen kann dass die Wissenschaft oder die
Erkenntnis irgendwo beginnt, die Erkenntnis beginnt nicht mit der Beobachtung – sie beginnt nicht
mit der Wahrnehmung. Sie beginnt nicht mit Beobachtung, Wahrnehmung oder Sammlungen von
Daten oder Tatsachen.“ – Karl Popper. Popper betrachtet die sozialen Phänomene nicht nur als
Tatsachen – dies spricht gegen den Vorwurf die man ihn gemacht hat, das sogenannte Tatsache- bzw.
Fakten-Fetischismus. „Sondern sie beginnt mit den Problemen. Kein wissen ohne Probleme, aber
auch keine Probleme ohne Wissen. Alle Wissenschaft beginnt mit der Spannung zwischen Wissen
und Nicht-Wissen.“ Wissenschaft beginnt also letztlich nicht mit den Tatsachen, sondern mit der
Differenz zwischen Wissen und Nicht-Wissen. Logisch betrachtet geht’s um die Entdeckung eines
immanenten Widerspruchs zwischen unserem Vermeintlichen wissen und dem Tatsachen. Oder, in
der Entdeckung eines anscheinenden Widerspruches zwischen unseren vermeintlichen Wissen und
den vermeintlichen Tatsachen. Fünfte These: Eben so wie alle anderen Wissenschaften, sind die
Sozialwissenschaften erfolgreich oder erfolglos, interessant oder schal, fruchtbar oder unfruchtbar, im
genauen Verhältnis zu der Bedeutung oder Interesse der Probleme um die es sich handelt. Und
natürlich auch im genauen Verhältnis zur Ehrlichkeit, Geradheit, und Einfachheit mit der diese
Probleme angegriffen werden. Der Ausgangspunkt ist immer das Problem. Man soll nie einer Arbeit
mit einer Definition beginnen. Die Beobachtung wird nur dann zum Ausgangspunkt wenn sie ein
Problem enthüllt oder wenn sie uns überrascht in dem sie etwas Aufweist das nicht mit unsere
Theorien übereinstimmt. Beobachtungen stehen nur dann im Vordergrund wenn sie bestimmten
bewussten oder unbewussten Erwartungen widersprechen. Sechste These: „Die Methode der
Sozialwissenschaften wie auch in die Naturwissenschaften besteht darin, Lösungsversuche für ihre
Probleme auszuprobieren. Lösungen werden vorgeschlagen und kritisiert. Wenn eine Lösung der
sachlichen Kritik nicht zugänglich ist, so wird er deshalb als unwissenschaftlich ausgeschaltet. Wenn
er eine sachliche Kritik zugänglich ist, dann versuchen wir ihn zu wiederlegen. Alle Kritik besteht in
widerlegungsversuche. Wenn ein Lösungsversuch durch unsere Kritik widerlegt wird, so versuchen
wir es mit eine andere Lösungsversuch. Wenn er der Kritik standhält, dann akzeptieren wir ihn
vorläufig. Wir akzeptieren ihn vor allem als würdig weiter diskutiert und kritisiert zu werden. Die
Methode der Wissenschaft ist also die des tentativen Lösungsversuches, der von der schärfsten Kritik

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kontrolliert wird. Es ist eine kritische [weiterentwicklung] der Methode des ‚Versuch & Irrtums‘. Die
sogenannte ‚Objektivität‘ der Wissenschaft besteht in der Objektivität der kritischen Methode und
eben nicht die Objektivität des Wissenschaftlers. Objektivität ist somit keine Haltung und auch keine
Einstellungssache. Das heißt aber vor allem darin dass keine Theorie von der Kritik befreit ist. „Mann
könnte die Grundidee die Hinter meine Hauptthese steht vielleicht auch folgendermaßen
zusammenfassen: (Siebte These) „Die Spannung zwischen Wissen und Nicht-Wissen führt zum
Problem und zu den Lösungsversuche, aber sie wird niemals überwunden, denn es stellt sich heraus
das unseres Wissen immer nur in vorläufiger und versuchsweise Lösungsvorschläge besteht und
daher Prinzipiell die Möglichkeit einschließt dass es sich als Irrtümlich und als Nicht-Wissen
herausstellen wird. (Fallibilität des Wissens) Die einzige Form der Rechtfertigung unseres Wissens
ist wieder nur vorläufig: sie besteht in der Kritik. Eine darüber hinausgehende positive
Rechtfertigung gibt es nicht. Insbesondere können sich unsere Lösungsversuche nicht als
wahrscheinlich (im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung) erweisen.“ – Karl Popper. Szientismus:
Die Sozialwissenschaften sollten endlich von den Naturwissenschaften lernen, was wissenschaftliche
Methode ist. Popper wendet aber ein: „Diese verfehlte Naturalismus stellt Forderungen auf wie
Beginne mit Beobachtungen und Messungen; das heißt zum Beispiel mit statistische Erhebungen;
schreite dann induktiv zur Verallgemeinerungen vor und zur Theoriebildung. Auf diese Weise wirst
Du dem Ideal der wissenschaftlichen Objektivität näher kommen, soweit das mit
Sozialwissenschaften überhaupt möglich ist. Dabei muss du dir darüber klar sein, dass in den
Sozialwissenschaften die Objektivität weit schwieriger zu erreichen ist (falls sie überhaupt zu
erreichen ist) als in den Naturwissenschaften; denn Objektivität bedeutet Wertfreiheit, und der
Sozialwissenschaftler kann nur in den seltensten Fällen von der Wertung seiner eigenen
Gesellschaftsschicht soweit emanzipieren, um auch nur einigermaßen zur Wertfreiheit und
Objektivität vorzudringen. Meiner Meinung nach ist jeder der Sätze, die ich hier in diesem verfehlten
Naturalismus zugeschrieben habe, grundfalsch und auf ein Missverständnis der
naturwissenschaftlichen Methode begründet, je geradezu auf ein Mythus – einen leider allzu weit
verbreiteten und einflussreichen Mythus vom induktiven Charakter der naturwissenschaftlichen
Methode und vom Charakter der naturwissenschaftlichen Objektivität.“ – Karl Popper. Der
Induktionsschluss ist nicht möglich weil Induktion immer von den einzelnen Beobachtungen auf All-
Sätze, also auf alle Ereignisse diese Ereignis Klasse schließen – das gesamte Universum auch
kommende mögliche Ereignisse. Dafür gibt es wiederum kein Beispiel dass es schon gelungen wäre.
Der Nachweis kann nicht erbracht werden von Einzelbeobachtung auf das Allgemein zu schließen.
Für den Satz, ‚Man kann von Einzelbeobachtungen auf das allgemeine schließen, bräuchte es
empirische beobachtbare Beispiele.‘ Man kann aber sehr wohl feststellen wo die Theorie scheitert,
aber nicht so sie gestimmt hat. All Sätze beziehen sich auch auf die künftigen Ereignisse – dies ist nur
zulässig wenn man eine Art deterministische Geschichtsauffassung hat. Man muss glauben das
dahinter ein allgemeines Gesetz steht das Schwäne nur Weiß sein dürfen. Die Annahme von
geschichtshistorischen Gesetzesprozessen birgt in sich die Gefahr nicht nur die Ideologisierung
sondern auch der Rechtfertigung von Unrecht. Dass Menschenverachtendes System der Marxismus
könnte gerechtfertigt werden als Durchgangs-Stadion. Das Schlimme wird gerechtfertigt vor der
Utopie eine bessere Gesellschaft. Popper hat zu Recht davor gewarnt dass man
Geschichtsprozesse/Gesellschaftliche Prozesse deterministisch sehen möchte. Kritische Theorie hat
sich davon frei gehalten und sich weder dem Linken oder dem Rechten gewidmet.

„Die Sache selber [die Sache der Gesellschaft um die es in den Sozialwissenschaften geht]
wiedersteht der blanken systematischen Einheit verbundener Sätze. Ich ziele nicht auf die
herkömmlichen Unterscheidungen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, wie die
Ricktersche zwischen nomothetischer und idiographischer Methode, die Popper positiver
sieht als ich. Aber das Erkenntnisideal der einstimmigen, möglichst einfachen,

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mathematische Eleganten Erklärung versagt, wo die Sache selbst: die Gesellschaft nicht
einstimmig, nicht einfach ist, auch nicht neutral dem Belieben kategorialer Formung
anheimgegeben, sondern anders, als das Kategoriensystem der diskursiven Logik von
seinen Objekten vorweg erwartet. Die Gesellschaft ist widerspruchsvoll und doch
bestimmbar; rational und irrational in eins, System und brüchig, blinde Natur und durch
Bewusstsein vermittelt. Dem muss sich die Verfahrens der Soziologie sich beugen. Sonst
gerät, aus puristischem Eifer gegen den Widerspruch, in den verhängnisvollsten: den
zwischen ihrer Struktur und der ihres Objekts. So wenig die Gesellschaft der rationalen
Erkenntnis entzieht; so einsichtig ihre Widersprüche und deren Bedingungen sind, so
wenig sind sie doch zu eskamotieren [hinwegzubringen] durch Denkpostulate, die von
einem der Erkenntnis gegenüber gleichsam indifferenten Material abgezogen sind, das
keine Widerstände setzt gegen die szientifischen Gebräuche, welche dem erkennenden
Bewusstsein geläufig sich anbequemen. Der sozialwissenschaftliche Betrieb wird
permanent davon bedroh, daß er, aus Liebe zu Klarheit und Exaktheit, verfehlt, was er
erkennen will. Popper wendet sich gegen das Cliché, Erkenntnis durchlaufe einen
Stufengang von der Beobachtung zur Ordnung, Aufbereitung und Systematisierung ihres
Materials. Dies Cliché ist darum so Absurd in der Soziologie, weil sie nicht über
unqualifizierte Daten verfügt, sondern einzig über solche, die durch den Zusammenhang
der gesellschaftlichen Totalität strukturiert sind. Das angebliche soziologische Nichtwissen
bezeichnet in weitem Maß bloß die Divergenz zwischen der Gesellschaft als Gegenstand
und der traditionellen Methode; darum ist es auch kaum einzuholen von einem Wissen, das
die Struktur seines Gegenstands der eigenen Methodologie zuliebe verleugnete.“

– Theodore Adorno

Die Sachen um den es geht kann man nicht in einfachen zusammenhängen als Einheit darstellen. Als
was Sozialwissenschaftler Beobachten ist keine Einheit sondern in sich widersprüchlich – diese
Zusammenhänge blenden die Widersprüche der Zustandekommens aus. Es ist eben nicht wie in der
Diskursiven Logik angenommen, entweder das oder das. Hier ist von zwei verschiedenen Begriffe
des Widerspruchs zu unterscheiden: Popper mein den logischen Widerspruch. Es geht bei ihm
darum, die Widersprüche vorläufig zu beheben, bis neue auftauchen. Adorno spricht von dem
gesellschaftlichen Widerspruch und nimmt diese als Ausgangspunkt seine Überlegungen. Es gibt
nach Adorno aussagen die die Widersprüchlichkeit der Gesellschaft auffangen können, eben aber
nicht elegante mathematische Aussagen wo die Widersprüche aufgrund einer vermeintlichen Einheit
weggedampft werden. Adorno spricht weiter von der potentielle Unvereinbarkeit zwischen
Soziologie als Erkenntnismethode und ihr Objekt bzw. Gegenstand. Man kann ein widerspruchvolles
Objekt nicht erkennen wollen mit einer widerspruchsfreien Methode. Aus dem Methodischen
Verfahren ergibt sich die Eliminierung der Widersprüche. Es geht in der Kritischen Theorie gerade
darum diese Widersprüchlichkeit aufzudecken und nicht mit einer bestimmten Methodologie der
nach Widerspruchlosigkeit strebt zu verfärben. Man kann nicht in völlig indifferente material
produzieren durch die Logik der Forschung.

In einer Studie stellte sich fest, dass Menschen die Grün wählen überdurchschnittliche kritisch dem
grünen Zeitungsinhalte gegenüber stehen. Das ist doch ein Widerspruch wo man glauben könnte es
gibt ein Fehler. Warum haben Menschen die Grün wählen eine größere Distanz zur grünen Inhalte als
Menschen die nicht Grün wählen? Grün wählen haben mehr wissen und gehen die Sache kritischer
heran und sie brauchen gar nicht die Tagesmedien weile sie ihr Wissen aus anderen Quellen haben.
Was die Tagespresse bietet wird daher irrelevant für sie. Der Spezialist betrachtet Medien kritischer
als der Nicht-Spezialist.

Wenn der Popper schon Recht haben möchte dann nicht so wie er argumentiert, weil die Daten die er
sammelt selbst zu tun haben mit der Totalität der Gesellschaft. Adorno wendet die Argumentation

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Poppers gegen ihn selbst. Er meint, es ist so richtig wie du meinst, aber aus anderen Gründen. Er sagt
man soll nicht mit dem Problem beginnen sondern mit eine Beobachtung. Weil eben die Totalität die
hinter den Erscheinungen steht nicht direkt beobachtbar ist. Sie vermittelt sich in den Erscheinungen.
Das Problem mit dem Motor vermittelt sich übers Lämpchen. Beispiel aus dem medizinischen Bereich:
Man hat ein Symptom und kriegt die Antwort auf sein Symptom. Aber das Symptom ist nur der
Ausdruck einer dahinterstehenden, verborgenen Psychosomatische Krankheit. Die
Widersprüchlichkeit liegt allerdings nicht in der Symptomatik. Die Widersprüchlichkeit liegt hinter
der schwer beobachtbaren Situation der Depression oder depressiven Bestimmtheit, die ihrerseits
wieder die Antwort ist auf Unfähigkeit existentielle Widersprüche zu lösen. Deswegen sagt der
Adorno, man darf nicht mit der Beobachtung oder Datensammlung beginnen, weil man über die
Symptomebene nicht hinauskommt. Wenn man, wie Popper sagt, mit einen Problem beginnen soll,
vermittelt sich zwar dieses Problem in den Erscheinungen, ist aber nicht in diese zu fassen.

10. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 10.01.2011


Nicht alles was im Roten Skriptum steht wird kommen – vieles ist auch nicht mal Teil der Vorlesung.
Allerdings besteht das Geheimnis der Besteht darin, die Sachen eben nicht auswendig zu lernen. Es
geht sehr um das verstehen der Zusammenhänge – also keine Fragen die man durch
Auswendiglernen beantworten kann. Die Fragen Kommen zum Teil aus dem Vorlesungsstoff und
zum anderen Teil aus dem Skriptum. Die Frage ist auch sicher dabei nach der von ihnen gelesenen
Literatur zur Vorlesungsthematik – also was man darüber hinaus zur Thema Medien- und
Kommunikationstheorien noch gelesen hat. Das kann ein Buch sein, oder einen Aufsatz.

(Ausgeklammert wird den ganzen Bereich der empirischen Kommunikationstheorien. Die


wichtigsten davon befinden sich im roten Skriptum. Es lohnt sich diese zu lernen, verstehen und zu
erarbeiten. In der Auseinandersetzung damit wurde zur Licht kommen das wir viele Begriffe
voraussetzen, ohne diese philosophisch weiter zu hinterfragen. Zum Beispiel die Setzung von der wir
ausgehen das Medien überhaupt wirken. Oder die Setzung von der wir ausgehen das Medien auf
Bewusstsein wirken. Der Begriff des Bewusstseins wird nicht weiter Thematisiert. Auch
symbolischer Interaktionismus muss ausgelassen werden. Es wird das eine oder andere Kapitel sein
die man nicht können muss. Symbolischer Interaktionismus ist aber eben spannen weil es eine
Gegenposition zur Systemtheorie bietet.)

Systemdenken und Systemtheorie

Die Systemtheorie ist ein relativ deterministisches Denken. Die Erklärung des Verhaltens der
Menschen über den Rollenbegriff ist sehr deterministisch. Der Rollenbegriff erklärt den Menschen
sich in einer gewissen weise verhalten weil es die Erwartungen der Gesellschaft entspricht. Die
normative Erwartungshaltung der Umwelt an jemanden. Weil es diese oder jene Erwartungen gibt,
erfüllt die Person diese Rolle. Ausgeklammert wird die Dimension der persönlichen Identifikation
mit dem was man tut. Man kann das Verhalten einer Frau zu ihrem Kind nicht ausschließlich über
die Mutterrolle erklären. Das eine Frau sich auf einer bestimmten weise zu ihren Kind verhalten soll
ist die soziologische Dimension aber ist gibt auch einen direktes Verhältnis zwischen Mutter die
nicht erklär wird durch den Rollenbegriff. Das kann auch das Entscheidende sein in die Beziehungen
zwischen Menschen. Man spielt also eine Rolle, aber was ist man außerhalb dieser Rolle? Der
symbolischen Interaktionismus ist eine Möglichkeit dieses deterministisches denken im Sinne des
Zusammenhangs zwischen normative Verhaltenserwartungen und Verhalten aufzubrechen in dem er
das Individuum die Freiheit der Interpretation zuschreibt. Der Mensch verhält sich den Dingen
gegenüber auf Basis der Bedeutungen die diese Dinge für ihn haben – es ist eine Sinnzuschreibung.
Das Individuum hat die Möglichkeit die Verhaltenserwartungen zu interpretieren, und bei Bedarf

37
auch zu negieren. Es sind nicht nur die Verhaltungserwartungen sondern auch das Verhältnis des
Individuums zu diesem Ding das sein Verhalten prägt. Der Aktive Rezipient des ‚Uses and
Gratifications Approach‘ liegt genau in diese interpretative Leistung. Der Aktivitätsbegriff bezieht
sich auf einer psychischen Aktivität im Sinne der Auseinandersetzung mit einem
Kommunikationsangebot. Zweiter Grundsatz (2) der symbolischen Interaktionismus: Die Bedeutung
der Dinge wird abgewandelt mit der Zeit. Bedeutungen sind nicht Fix und nicht eine für allemal fest.
Also im Sinne der ‚Uses & Gratifications Approach‘ speisen sich die Bedeutungen der Dinge (Medien-
bzw. Kommunikationsangebote) aus der Bedürfniskonstellation der Rezipient.

(Man sollte in der Lage sein durch Nachdenken und seine eigene Interpretation die Antwort finden
zu können, für die Prüfung. Bestimmtes kann nicht gelernt werden, sondern nur verstanden werden.
In diese Richtung werden die Prüfungsfragen gehen.)

Beispielfragen
(I) In der Wirkungsforschung wird vom Paradigmenwechsel gesprochen.
(a) Worin besteht diese Paradigmensprung?
(b) Was mein der Begriff Paradigma?
(II) Worin besteht in unterschiedlichen ‚Denkbewegungen‘ zwischen
sozialwissenschaftlichen Denken und philosophischen Denken (den unterschied)?
Bringen sie ein Beispiel.
(III) Was sind die zentralen Annahmen des kritischen Rationalismus?
(IV) Der Begriff der Kritik wird sowohl in der Kritischen Theorie als auch in dem Kritischen
Rationalismus verwendet. Worin besteht das unterschiedliche Kritikverständnis beim ein
und beim anderen und welche Folgerungen leiten sie für sich selbst daraus ab?
(V) Was meint der Kritische Rationalismus unter den Begriffen Falsifikation und Fallibilität?

In dem 70er Jahren wurde angefangen von Systemen zu sprechen – der Begriff ist etabliert und es gibt
eine Vielzahl von Verständnissen. Es gibt eine Vielzahl von Systembegriffen und eine Vielfalt der Art
systemtheoretisch Nachzudenken. Der Systemtheorie das in der Kommunikationswissenschaft seit
Jahren verwendet wird ist die funktionale Systemtheorie von Nikklas Luhmann. Diese Theorie geht
davon aus dem Systeme bestimmte Funktionen für die Gesellschaft haben, oder für andere Systeme
haben. System wird nicht verstanden als etwas was in Opposition zur Gesellschaft gestellt wird wie
das Buch von Max Weber: ‚Wirtschaft und Gesellschaft‘ System sind nie in Opposition zu betrachten
sondern immer als Teilbereiche der Umfangreichen gesellschaftlichen Übersystems zu verstehen. Der
Funktionsbegriff hier, im Unterschied zur mathematischen Funktionsbegriff meint dass Leistungen
erbracht werden die für das Überleben und Instandhaltung des eigenen Systems und das
übergeordnete System der Gesellschaft. Funktionen sind die Leistungen die zu erbringen sind um
den Bestand des Systems zu erhalten. Das Systemdenken im Sinne der Funktional-Strukturelle
Systembegriff ist wesentlich älter als der Luhmannischen. Für Talcott Parsons zum Beispiel standen
die Strukturen im Vordergrund – er hat sich die Frage gestellt: welche Leistungen sind zu erbringen
von dem System damit bestimmte Strukturen ausgebildet werden können. Es geht also um die
Strukturerhaltung. Strukturen sind bei ihm Beispielweise Institutionen oder Wertesysteme. Die
System-Umwelt Beziehung wurde also verstanden im Sinne von ‚Wie entstehen Strukturen und wie
bleiben sie erhalten?‘ Die Mangel an der Parson’sche Systemtheorie lag darin das er keine Antwort
geben könnte auf die Veränderung von Systeme, also die dynamische Veränderungen durch die Zeit
hindurch. Die Antwort auf die Leistung wie sich Systeme ändern kam erst mit der Luhmannischen
Systemtheorie. In der Literatur zur Systembegriff findet man oft der Begriff der ‚De-

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Ontologisierung‘. Dieser Begriff meint dass Systeme nicht aus etwas Manifesten bestehen, sondern
aus Beziehungen. Systeme sind eigentlich Konzentrationen von Beziehungen, eigentlich aus
Kommunikation. Systeme bestehen nur aus Kommunikation. Systeme kann man nicht direkt
beobachten, aber sehr wohl die Folgen ihre Operationen bzw. ihre operationale Vollzügen. Das
sprechen von Systeme ist eigentlich immer das sprechen von System-Umwelt. Insofern wir von
Systemen sprechen, sprechen wir immer von einer System-Umwelt Beziehung. Ein System ist einer
Differenz zu seiner Umwelt. Dritter Gesichtspunkt: Das Bestandsproblem des Systems mit der
Fähigkeit zur Reduktion von Komplexität zusammenhängt. Das Überleben von Systemen ist an die
Fähigkeit des Systems geknüpft, Komplexität (von/aus der Umwelt) zu reduzieren. Daraus folgert
dass das Bestandsproblem des Systems darin besteht sich relativ invariant zu einer varianten Umwelt
zu verhalten. Die Selektivität ist eine zentrale Fähigkeit des Systems sich relativ invariant gegenüber
einer variablen Umwelt zu verhalten. Systeme sind in ihre Komplexität immer relativ weniger
Komplex als die Umwelt. Wenn diese Verarbeitungsfähigkeit nicht gegeben ist kann sich das
System nicht relativ invariant verhalten und wird von der Komplexität des Umwelts aufgesogen.
Dies Grenzen zwischen System und Umwelt werden immer wieder neu hergestellt. Systeme bestehen
aus Beziehung und nicht aus Menschen. (Das ist der Kritikpunkt an der Luhmannischen
Systemtheorie, dass die Menschen eben nicht vorkommen. Der Mensch wird aufgelöst in
Systemgrößen wie Personalsystem, Psychische System und als Rollenträger in einen Sozialen System.
Aber der Mensch im Sinne des Identitätsdenkens existiert nicht.) In der Systemtheorie denken wir
nicht in Identitäten sondern in Differenzen. Für Luhmann gibt es ausschließlich nur vier
Systemarten:

(I) Die Maschinen (Allopoetische Systeme, also nicht selbst erhaltend)


(II) Die Organismen
(III) Das Bewusstsein (Psychische System)
(IV) Die soziale Funktionssysteme

Seine Leistung besteht vor allem in der Entwicklung einer Theorie im Zusammenhang mit dem
Psychischen Systemen und den sozialen Systemen. In der Kommunikationswissenschaft interessiert
uns zumeist das soziale System ebene. Die Biologischen Systeme werden als autopoetische Systeme
begriffen. Autopoetische Systeme heißt das System erzeugt die Bestandteile die es zu seine
Existenzerhaltung braucht selbst. Autopoiesis, aus dem griechisch kommenden beschreibt ein sich
selbst erzeugendes System. Die Systeme sind aus diesem Grund relativ geschlossen. Zum Beispiel
zum Bestanderhaltung der System Zelle sind bestimmt Abläufe notwendig die unabhängig von dem
äußeren Einflüssen ablaufen. Es gibt möglicherweise Überschneidung wo Umwelteinflüsse so groß
sind das sie Selbsterzeugung des Systems stören können. Ein Autopoetisches System ist ein System
das diejenige Einheiten und Elemente die zu seine Bestandhaltung notwendig sind selbst erzeugt.
Das ist Luhmanns entscheidender Theoriefortschritt; nämlich in der Sozialsysteme Autopoetische
Systeme zu erkennen. Nimmt man Journalismus als Beispiel, dann ist die Autonomie ein solches
Kriterium der Selbsterhaltung. Journalismus ist als Handlungssystem nicht ausschließlich abhängig
von der Umwelt – sondern sie haben auch Mechanismen für die Erzeugung diejenigen Einheiten die
sie für die Bestandserhaltung brauchen. Eine Maschine die sich selbst wartet ist noch kein
autopoetisches System, denn es geht um den Output. Für einen Kaffeeautomat musste einen
Zusammenhang bestehen zwischen dem Kaffee (Produkt) und dem Bestandhaltung der Maschine.
Der Organismus tut im Gegenteil sehr viel für sich selbst, um seinen Bestand zu erhalten.
Autopoetische Systeme erzeugen die Bestandteile die sie zur Überleben brauchen selbst. Der System
hält sich also im diesem Sinne relativ Invariant gegenüber einer Varianten, komplexen Umwelt. In
diesem Sinn spricht Luhmann von einem geschlossenen System. Im Systemtheoretischer sich darf
Journalismus nicht verstanden werden als Handlungszusammenhang zwischen Journalisten.

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Sondern Journalismus ist ein Handlungssystem das aus bestimmten Handlungen besteht, die wir als
journalistisches Handeln identifizieren. Die weite Ansicht ist: Worin besteht die zentrale Funktion
dieses Handlungssystems? Die Zentrale Funktion von Journalismus besteht nicht darin der
bestimmte Artikel geschrieben, auch nicht das informiert wird, oder gebildet wird, oder unterhalten
wird sondern die zentrale Funktion des Journalismus in Bezug auf das gesellschaftliche
Gesamtsystem besteht darin das Journalismus Themen zur öffentlichen Kommunikation. Das ist die
primäre Funktion von Journalismus. Das machen aber andere gesellschaftliche Teilsysteme auch wie
beispielsweise das Kultursystem, das politisches System oder das Bildungssystem. Nur Journalismus
findet darin sein Primat. Alle anderen Systeme müssen sich der medialen Kommunikationsstruktur
anpassen um ihre Themen bereitstellen zu können. Das Bereitstellen von Themen zur öffentlichen
Kommunikation ist eine überlebensfrage der Gesellschaft insgesamt. Die Gesellschaft bedarf um sich
selbst vergewissern zu können dass ihre Beziehungen artikuliert werden. Die Medien tragen zur
überleben der Großgesellschaft in dem sie Selektion betreiben. Journalismus übernimmt für die
Gesellschaft die Arbeit die für die Gesellschaft wichtigen Themen festzulegen. Über diese Themen
verständigt sich die Gesellschaft - das mach in gewissen sinne die Selbstverständnisses einer
Gesellschaft aus. Es geht um die Frage ‚Worin bestehen unsere gemeinsame Interessen?‘ Diese
Bewusstseinsprozesse werden gespeist aus den Selektionsleistungen der Medien.
Thematisierungsfunktion: Aus der Fülle der Möglichkeiten bestimmte auszuwählen. Die Agenda
Setting greift genaue diese Zusammenhang auf. Man soll sich also nicht der Frage stellen ‚Welche
Einfluss haben die Medien auf das was wir denken?‘ sondern ‚Welchen Einfluss haben die Medien
worüber wir denken sollen?‘ Die Thematisierung ergibt sich aus den Nachrichtenfaktoren, die
zusammengenommen die Nachrichtenwerte ergeben. Bevor Journalismus für die Gesellschaft
Komplexität reduziert im medialen Output, muss es erst für sich selbst die Informationsmenge
reduzieren. Dazu dienen die Nachrichtenfaktoren. Nachrichtenfaktoren sind gleich
Selektionskriterien. Zwischen die Ereignisse vor Ort und den Rezipient gibt es eine ganze Kaskade
von selektive aufeinander aufbauende Handlungszusammenhänge. Insofern Medien autonom
bleiben können sie die Voraussetzungen ihres Fortbestehens gewährleisten. Das Problem in Ungarn:
Es wird zum ersten Mal in einer Demokratie so was wie die Zensur eingeführt. Es wird festgelegt
worüber berichtet kann oder nicht. Der Standard fragt schreibt über das ‚Ungarntum‘: „Die
Regierung unseres Nachbarn Ungarn zelebriert ein "Ungarntum", das von vorgestern ist, gleichzeitig
aggressiv und antidemokratisch. Das neue Mediengesetz macht implizit "Herabwürdigung des
Ungarntums" zum Delikt. Zum Drüberstreuen kann die "Hauptabteilung für Inhalte-Überwachung"
(!) auch die "Werte der Familie" oder der "öffentlichen Moral" schützen.“

Unter System versteht Luhmann „Jedes wirklich seiende das sich teilweise auf Grund der eigenen
Ordnung teilweise aufgrund der Umweltbedingungen in einer äußerst komplexen veränderlichen, in
ganzen nicht beherrschbaren Umwelt identisch hält.“ Ein System ist das was sich identische hält, in
Bezug auf einer äußerst komplexen veränderlichen Umwelt. „Ein System ist seine Differenz zur
Umwelt – ist eine grenzdefinierende, grenzerhaltende Ordnung.“ Von sozialen Systemen sprechen
wir dann wenn Handlungen mehreren Personen sinnhaft aufeinander bezogen werden und
dadurch in ihrem Zusammenhang von einer nicht dazugehörigen Umwelt abgrenzbar sind. Der
Abgrenzung zur Umwelt ergibt sich aus dem Zusammenhang der Beziehungen. „Sobald überhaupt
Kommunikation zwischen Menschen stattfindet entstehen soziale Systeme. Kommunikation besteht
nämlich darin dass Handlungen sinnhaft aufeinander bezogen werden. Der Sinnhaftigkeit bezieht
sich auf die Selektion. Sinn ergibt sich erst durch Selektion. Hier ist nicht der der Sinn im
Allgemeinen gemeint. Im Sinne des ‚finden des Sinns des Lebens.‘ ‚Sinnhaft aufeinander bezogen‘
heißt im Luhmann‘schen Sinn das die Selektionsleistung auf beide Seiten ident sind. Luhmann spricht
auch von der doppelten Selektivität:

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„Dass kommunikative Handlungen immer auf ihren Kontext verweisen und Kontext auf
die kommunikativen Handlungen, führt zu der doppelten Selektivität, die in
Verstehensprozessen zu bewältigen ist. Jemand, der eine kommunikative Handlung
verstehen will, muss sowohl die Handlung selbst wie auch den Kontext dieser Handlung in
ihrer Bedeutung erfassen. Er muss einen doppelten Selektionsprozess vollziehen, sowohl
die Situation wie auch die Handlung bestimmen. Was die Soziologen als doppelte
Selektivität betreachten…“ Soziologische Kommunikationstheorien, S. 163f von Rainer
Schützeichel

Der Begriff des Sinns besteht bei Luhmann lediglich aus der selektiven Leistung und ist somit kein
konkreter Sinn. Mit dem Begriff Soziale Systeme wird ein Sinnzusammenhang also von Handlungen
bezeichnet – die - durch wechselseitige Erwartbarkeit verknüpft - aufeinander verweisen, ihre
Selektivität wechselseitig bestimmen und sich dadurch von einer nicht dazugehörigen Umwelt
abgrenzen. Systeme sind Beziehungsgefüge. Sie bestehen insofern nur wenn es diese Beziehung gibt.
Die Beziehung ergibt sich wiederum auf dem sinnhaften aufeinander orientiert seins, durch
wechselseitige Erwartbarkeit und Selektivität.

Was sind Interaktionssyteme? „Als Interaktion soll dasjenige Sozialsystem bezeichnet sein das sich
zwangsläufig bildet wenn immer Personen einander begegnen, das heißt wahrnehmen, dass sie
einander wahrnehmen und dadurch genötigt sind ihr Handeln in Rücksicht aufeinander zu wählen.“
Die Systemtheorie wendet sich in der Regel gegen eine Individualethische eng Führung des ethischen
Denkens. Der Rücksichtsbegriff ist nämlich unabdingbar gebunden an den Personenbegriff.
Rücksicht kann nur jemand als Person nehmen und ist keine Systemqualität. Das Wahrnehmen
besteht aber in diesem Fall darin, das man von dem anderen weiß dass deine Person selbst
wahrgenommen wurde.

Zwei zentrale Begriffe der Systemtheorie sind (beide Begriffe sind eng miteinander verbunden):

(I) Kontingenz
a. In jedem sozialen Kontakt nehmen wir einander wahr und wissen dass wir wahrnehmen. In
jedem sozialem Kontakt ist eine doppelte Kontingenz. „Jede soziale Interaktion involviert
mindestens zwei Partner, nennen wir sie Alter und Ego, die beide sich kontingent verhalten,
das heißt: die beide über verschiedene Verhaltensmöglichkeiten verfügen und dies
voneinander wissen. Jeder kann so - und auch anders. Jeder kann sich dem nahegelegten
Modus der Interaktion fügen, aber auch abweichen. Man nimmt normalerweise an und hält
fest, was einem in die Hand gegeben wird; aber man könnte es auch fallenlassen. Daß sowohl
Alter als auch Ego dieses einfachen Modells in diesem Sinne kontingent handeln und dies
voneinander wissen und sogar voneinander wissen, daß sie es voneinander wissen - dies nennt
man im soziologischen Fachjargon 'doppelte Kontingenz'. Nur unter dieser Voraussetzung
kann man sinnvoll von Kommunikation sprechen: denn Kommunikation ist immer
Übermittlung von Selektionen, die als Selektionen erkennbar sind. [...] Alle Beteiligten haben
die Möglichkeit, nein zu sagen oder sich anders zu verhalten, als ihnen nahegelegt wird. Auch
dies ist eine universell präsente, stets mitpräsentierte Möglichkeit, der man in der Wahl seiner
Kommunikationen Rechnung trägt.“ (Luhmann 1975c, 68)
b. Kontingenz besagt das es auch anders möglich ist. Einfache Kontingenz wäre ‚Der Andere
kann sich anders verhalten als ich von ihn erwarte.‘ ‚Ich weiß das sie auch anders können, wie
sie zugleich wissen das ich auch anders kann.‘ In unsere Kommunikation antizipieren wir
mögliche alternative Handlungsweisen, weil der andere auch anders reagieren könnt als
erwartet. Die gesamt Kommunikationskonflikt passieren auf eben dieser
Kontingenzerfahrung.
(II) Komplexität
a. Die Kontingenz die wir erleben im verhalten zu den Anderen ergibt für uns die Komplexität
der Welt. (Kehrseite von Kontingenz.) Die Welt besteht aus einer Fülle von Möglichkeiten und

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wir können immer nur ganz bestimmte realisieren. Die Welt ist Komplex und sie wir
Kontingent erlebt. Das heißt die Erwartungen an andere haben eintreten können aber nicht
eintreten müssen und das wir wissen das die Erwartungen nicht erfüllt werden können. Und
das auch der andere weiß der die Erwartungen nicht erfüllen muss sondern auch anders
handeln kann. Nur insofern das antizipiert werden kann entsteht Kommunikation.

11. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 17.01.2011


17. Jänner ist der Tag des Judentums. Man sollte an die eigene Schuldgeschichte denken bezüglich
den Antisemitismus der vergangenen 2000 Jahren. Blog zu dieser Thema zu finden unter
http://www.forum-gottschlich.blogspot.com

Systemtheorie und Theorie Kommunikativen Handelns sind aufmerksam zu verfolgen; sind mit
Sicherheit Prüfungsstoff.

Crash-Course: Systemtheorie

(I) Systeme sind kein empirisch Fassbares ding, sondern bestehen aus Beziehungen also aus
Kommunikation
(II) Soziale Systeme können wir alle Systeme begriffen als strukturierte Beziehungsgefüge die
bestimmten Möglichkeiten festlegen und andere ausschließen. Denken in Differenz.
Systeme entscheiden sich für bestimmt Handlungsoptionen und schließen andere aus.
(III) Selektivität als zentraler Aspekt (Selektivität erfolgt über den Sinnbegriff)
(IV) Die Besonderheit soziale Systeme besteht darin das sie aus sozialen Handlungen gebildet
werden. Im späteren Luhmann bestehen Systeme nicht mehr aus Handlungen sondern
ausschließlich aus Kommunikation.
(V) Sozialsysteme bestehen aus Handlungen denen ein Sinnbezug auf das Handeln andere
Menschen inhärent ist. Solche Sinnbeziehungen werden durch soziale Systeme in einer
übermäßig Komplexen, unübersehbaren und unbeherrschbaren Umwelt relativ einfach
und relativ invariant gehalten. Es besteht also eine Differenz zum Umwelt und auch eine
Differenz zwischen dem Komplexitätsgrad von System und Umwelt. Der
Komplexitätsgrad des Systems ist immer geringer als die variable sich rasch verändernde
Umwelt.
(VI) Ein Sozialsystem reduziert die äußerste Komplexität seiner Umwelt auf eine Bestimmte
oder Bestimmbare ausgewählte Handlungsmöglichkeit.
(VII) Der Reduktionsprozess (Reduktion durch Selektion) ist ein zentrales Motiv in der
Systemtheorie. Es ist auch im Handlungssystem Journalismus relevant in dem
Journalismus als besonderes Handlungssytem verstanden wird das durch seine sinnhafte
Bezüge der Handlungseinheiten zueinander Komplexität reduziert für sich selbst mit
dem größeren übergeordneten Zweck der Reduktion von Komplexität für die
Gesellschaft. Insofern stellt Journalismus für die Gesellschaft sinnhafte Bezüge her – was
man mit dem Begriff der Thematisierung von Wirklichkeit versteht.
(VIII) Auf Basis von Medien oder medialen Aussagen sollte das Publikum ihrerseits als
Rezipient komplexe Wirklichkeit reduzieren können.
(IX) Die Umwelt ist ein unerlässliches Koordinat zum System. Wenn man von System oder
Systemtheorie spricht ist es Sinnvoll von System-Umwelt Beziehung zu sprechen.
(X)
(XI) Das sprechen von System mach nur Sinn im Hinblick auf die System-Umwelt Beziehung
oder im Hinblick auf die System-Umwelt Differenz.
(XII) „Die Umwelt eines Systems ist alles was von dem System abgegrenzt wird.“ – Luhmann
Alles was nicht zu den Sinnhaften Beziehungen gehört ist Umwelt des Systems. Der

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Umweltbegriff wird immer relativ definiert. Die Umwelten unterschiedlichen Systemen
können daher nicht identisch sein, sie können sich nur weitgehend überschneiden. Die
Gesamtheit dessen was nicht zu einem System gehört kann ihrerseits kein System sein da
sie grenzenlos in der Welt übergeht, und die Welt selbst kein System ist.
(XIII) Die Eigenschaft Sozialsysteme besteht darin das sie eine Sinnzusammenhang von
Handlungen beschreiben, die sich durch Abgrenzung zur Umwelt und Prozesse der
Selbstselektion auszeichnet.
(XIV) Kontingenz: Der Umstand dass in jeden sozialen Kontakt, in jeder sozialen Beziehung
eine Doppelte Kontingenz angelegt ist. Im diesem Fall kann man davon Sprechen dass
Kommunikation die Aktivierung vom Sinn meint. Kommunikation als ein aufeinander
bezogenes selektives Verhalten. Kontingenz besagt das etwas auch anders möglich ist –
in diesem Fall das Verhalten der andere.
(XV) Die Erfahrung der Kontingenz, nämlich dass alles auch was anderes sein kann, erlebt der
Mensch als Komplexität. Die Fülle der Möglichkeiten bleibt nämlich aufrecht nach der
Selektion. In dem man sich für eine bestimmte Studienrichtung entscheidet, fallen die
anderen Studienrichtungen nicht weg, sondern begleitet einem.
(XVI) Der Mensch hat die besondere Fähigkeit mit dieser Komplexität und Kontingenz
umzugehen. Dies wird vollzogen auf dreifacher Art und Weise:
a. Sachlicher Ebene
b. Zeitliche Ebene
c. Soziale Ebene
(XVII) Sinn ist nach Luhmann Selektion; Selektion meint eine intendierte Strategie des
selektiven Verhaltens. Sinn ist selber keine Eigenschaft einer bestimmten Handlung oder
eine bestimmte Verhalten. Sinn bedeutet die Vorstellung aufzugeben dass die
Sinnhaftigkeit des Handelns in seine Zweckgerichtetheit liegt. Zum Beispiel: „Ich
studiere Publizistik um als Journalist zu arbeiten um dadurch möglicherweise zur
Verbesserung der Welt beizutragen.“ Für Luhmann ist der spezifische von Sinn in der
faktisch fluktuierende Orientierung an Möglichkeitsüberschuss. ‚Welche Möglichkeit
sollen wir wählen?‘

Welche Erklärungsmodell stellt die Systemtheorie bereit für den Umstand das Journalismus zwar
formal die Funktion des Bereitstellens von Themen zur öffentlichen Kommunikation erfüllt, aber
dennoch das empirische Faktum gegeben ist das die Leistungen des Journalismus nicht zur
Umweltorientierung und zur Reduktion von Komplexität beiträgt? Wiese verstehen tatsächlich so
viele die Nachrichten nicht?

Die Systemtheorie kann die oben genannte Frage nicht beantworten, weil sie ja eine Makrotheorie ist
während die obige frage im Mikro Bereich angesiedelt ist. Anders formuliert lautet die obige Frage:
Was sind die Bedingungen des Verstehens von Massenkommunikation? Es gibt kaum Theorien die
zwischen der Mikro und Makro Bereich vermitteln außer die Kritische Theorie. In der Kritischen
Theorie wird tatsächlich versucht einen Zusammenhang herzustellen zwischen gesellschaftliche
Struktur und individuelle Befindlichkeit. Was eine Handlung zur Handlung macht ist der Sinn. Im
Sinn liegt der intendierten Strategie der Selektivität/Selektion. Das was eine Handlung zur
Handlung macht ist der Sinn der als eine bestimmte Strategie des selektiven Verhaltens unter den
Bedingungen hoher Komplexität betrachtet werden muss. Die Komplexität ist gleich fülle des
möglichen, fülle des möglichen ist gleich fülle der Entscheidungsalternativen.

Theorie des Kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas

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Theorie Kommunikativen Handelns ist Teil der Kommunikationstheorien der Gesellschaft. Mit Blick
auf Habermas ist festzustellen das Zusammenleben der Gesellschaft insgesamt auf
verständigungsbedingten Handlungskoordinierung beruht. Die Theorie Kommunikativen
Handelns begründet sich darin das Gesellschaft überhaupt erst möglich ist durch
verständigungsbedingten Handlungskoordinierung. Weil diese Handlungskoordinierung in der
Demokratie nicht auf macht beruhen darf, sondern auf Vernunft beruhen muss, deswegen brauchen
wir die Kommunikation, weil der Kommunikation das einzige Medium in dem die Vernunft zur
Geltung kommen kann. Die gesellschaftsnotwendigen Koordinierungsprozesse können nur
Verständigungsbasiert. Diese müssen durch die Vernunft gestaltet werden und nicht durch die
Macht. Mit diesem in Verbindung steht ein emanzipatorischer Anspruch. Die Vernunft wird
größeren Raum eingeräumt im individuellen wie in den kollektiven Gesellschaften als eben der
Macht. Der emanzipatorische Anspruch verzichtet auf die Persuasion; also auf die Überredung. Der
emanzipatorische Anspruch setzt auf die Wahrhaftigkeit. Das ist der Unterschied zwischen Vernunft
und Verstand; die Persuasive Kommunikation setzt verstand ein (technische Vernunft) um
außerkommunikative Interessen durchzusetzen. Die Kommunikation dient einem äußeren Zweck.
Der emanzipatorischen Anspruch ist das Gegenteil; sie sieht im anderen den Zweck, oder in der
gemeinsame Beziehung. Die Moral der persuasiven Kommunikation liegt in der Durchsetzung eines
äußeren Zweckes, der beliebig sein kann.

Die Sprache ist für Habermas ein zentrales Instrument dieses Handlungsgefüge namens Gesellschaft
hervorzubringen. Die Grundannahmen der Theorie des Kommunikativen Handelns:

(I) Verständigung wird als grundlegende Form der Interaktion aufgefasst. Verständigung
ist ein Prozess der Einigung zwischen unter Sprach- und Handlungsfähigen Subjekten.
Einigung meint aber nicht Gleichgestimmtheit, sondern eine rational motiviertes (durch
Argumente – Argumente als Gefäße der Rationalität – Vernünftigkeit der Sprache druck
sich in Argumente aus) und herbeigeführtes Einverständnis. Verständigung wird nicht
als idealistisches Postulat eingeführt, sondern als ein der menschliche Sprache
innewohnende Telos ausgewiesen. Verständigung wohnt der Sprache inne. Sprache hat
in sich das Telos zur Verständigung beizutragen. Die Sprache dient der Verständigung.
(II) Verständigung sieht Habermas auch als ein normativer Begriff. Jede Verständigung ist
an einen wahren Konsens orientiert. Verständigung hat als normative Voraussetzung der
wahre Konsens. Ohne einen solchen wahren Konsens gibt es keine wirkliche
Verständigung. Ein wahrer Konsens berührt nicht auf physischen oder ökonomischen
Zwecken, sondern er berührt einzig und allein auf den zwanglosen zwang der von der
Kraft des besseren und gleich vernünftigeren Argument ausgeht.
(III) Gerade mit Blick auf die Missverständnisse des Alltags, haben wir nur ein einziges
Medium mit diesen Dissens und dem ärger der damit verbunden ist zurechtzukommen.
Das ist die Sprache. Nur mittels Sprache besteht die Möglichkeit der Einigung ohne
Einsatz von Gewalt oder strategischen Raffinessen herzustellen.
(IV) Beim Scheitern der Sprache betreten wir die Eben des Diskurses als Quasi-Rechtshof um
über dieses Scheitern zu beurteilen. Der Diskurs ist die Möglichkeit sich über das
sprachliches Versagen mittels der Sprache zu unterhalten. Der Diskurs ist die Metaebene.
Im Diskurs werden die im Zweifel gestellten Geltungsansprüche Thematisiert.
a. Sagt jemand zum Beispiel ‚Ich glaub dir nicht.‘ Betreten wir dann die Metaebene und
die Gründe (rationale Argumente) bringen warum etwas sehr wohl wahr ist oder
nicht.

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Es gibt zwei Diskursebenen; in der eine geht es um die Einlösung der Geltungsanspruch der
Wahrheit. Auf der zweiten Ebene geht es um die Einlösung der sogenannten normativen Richtigkeit,
über ein Verhalten zum Beispiel – der Art und Weise wie wir miteinander umgegangen sind. Diese
zwei Ebenen können im Diskurs reflektiert werden. Im Diskurs kann nicht über den
Geltungsanspruch der Wahrhaftigkeit diskutiert werden. Wahrhaftigkeit kann nur beobachtet
werden, zum Beispiel ob die Worte mit dem Verhalten übereinstimmen – es kann nur beobachtet
werden. Verständlichkeit, das vierte Geltungsanspruch kann auch nicht diskutiert werden.

Die vier unterstellten Geltungsansprüche (die vier Bedingungen zur Möglichkeit Vernünftigen
Kommunizierens):

(I) Wahrheit
(II) Wahrhaftigkeit (das man das denkt was man sagt)
(III) Richtigkeit
(IV) Verständlichkeit

Die unausgesprochene Unterstellung diese vier Geltungsansprüche macht Kommunikation erst


möglich. Zwei davon können auf der Diskursebene reflektiert werden. Das Strukturprinzip der
Sprache ist nicht die Macht sondern der Vernunft. Als Rational wird derjenige bezeichnet der sein
Handeln an intersubjektiv anerkannten Geltungsansprüchen orientiert. Da sich ein kommunikativ
erzieltes Einverständnis auf Gründe und eben nicht auf Macht stützen muss, bewies sich die
Rationalität der einzelnen daran ob sie ihre Äußerungen unter geeigneten Umständen begründen
können. Um diese Begründung geht es gerade im Rahmen von Diskursen.

Habermas bietet allerdings eine engführung an in dem er nur Erfolg auf rationale ebene vorsieht. Der
Mensch ist eben viel Emotionaler als er eigentlich Rational ist. Habermas sagt selber das seiner Idee
Kommunikativen Handelns kontrafaktisch ist. Demnach stellt sie ein möglicher Maßstab an dem sich
selbst bemessen kann.

Das Leben in einer riskanten Gesellschaft macht vernünftige Kommunikation notwendig. Die
Vernünftigkeit reicht uns aber alleine wahrscheinlich nicht aus weil die emotionale Dimension auch
eine Rolle spielt. Die Vernunft ist ausschließlich durch die menschliche Sprache möglich – Tiere
können sich zwar verständigen, aber in ihre Tiersprache liegt keine Vernunft. Habermas seine
Gesprächssituation hat eigentlich ein sehr elitäres Kommunikationsverständnis zugrunde. Es
beschreibt die Kommunikationssituation zwischen Menschen die an eine gemeinsame Problematik
arbeiten. Der wissenschaftliche Diskurs ist eigentlich das Modell des gesellschaftlichen Diskurses
der hier beschrieben wird. Es geht um Teilnehmer eines Diskurses, die sich darin auszeichnen das sie
den jeweils anderen in seine Professionalität schätzt und respektiert. Angenommen wird auch das
alle interessiert sind an einen wahren Konsens zu kommen.

Die Sprache erfüllt drei grundlegende Funktionen:

(I) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur äußeren Welt. Also die Gesamtheit dessen worüber
Wahre aussagen gemacht werden können.
(II) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur sozialen Welt. Sozialen Welt als Gesamtheit alle
Kulturellen und Interpersonellen Beziehungen.
(III) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur inneren, zur Subjektiven Welt. Also die Gesamtheit
alle nur subjektiv zugänglichen Erlebnisse.

In jeder Sprechhandlung druck sich einer dieser Realitätsbezüge aus (oder alle gleichzeitig, oder alle
hintereinander).

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12. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 24.01.2011
Zur Prüfung: Es kommt auch die eine oder andere Frage zu Empirische Kommunikationstheorien
und –modelle. Besonders wichtig ist der Aufsatz über die Wirkungsforschung. Es gibt
Verständnisfragen und auch eine Frage nach der Literatur die Sie gelesen haben – also alles andere als
das was im Skriptum steht. Fachliteratur außerhalb der Vorlesung. Schlüsselwörter werden nicht
geprüft aber man wird nicht hinkommen zentrale Begriffe zu verwenden um bestimmte Fragen zu
beantworten. Es steht bei jeder Frage einen bestimmten Punkten Anzahl dabei. Es sind mit acht
Fragen zu rechnen.

Theorie Kommunikativen Handelns

Die Eigentümlichkeit von Jürgen Habermas Sprach- und Kommunikationskonzept dass das
spezifische am Handlungsbezug der Sprache darin besteht, mit der Sprache nicht bloß Handeln,
sondern der Sprechhandeln unterbrechen zu können. Die Sprache ist ein Medium das zugleich den
Vollzug eines Handelns und seine disbeziehung ermöglicht, in dem sie zwei Formen des
Sprachgebrauchs bereitstellt. 1.) die alltägliche Kommunikation und 2.) den Diskurs. Im Diskurs
oder durch den Diskurs können wir uns von Missverständnisse befreien oder Zwängen die dem
Kommunikationsgeschehen eigen sind. Die Selbstreflexivität der Sprache in Bezug auf das Scheitern
von Kommunikation geschieht im Diskurs. Im Diskurs hat also Alter und Ego die Möglichkeit
aufeinander aus Basis von rationalen Argumenten und nicht auf Basis von Zwang, Einfluss zu
nehmen. Dies ist ein Einfluss das weder auf Gewalt noch auf Geld beruht, sondern nur auf Basis von
Argumente. Argumente die Ansprüche begründen können oder diese auch wiederlegen. „Wo
Einfluss genommen wird nicht durch macht sondern durch Gründe, wird der Erfolg dieser Art von
Einflussnahme auch abhängig sein von dem Maß an Rationalität welche in dem
Begründungsstrategien zur Geltung kommt.“ Der Machtbegriff bezeichnet nicht unbedingt physische
Macht sondern auch strukturelle Macht der auf strukturelle Über- und Unterordnungsverhältnisse
beruht. Die Rationalität von der immer die Rede ist, die durch Kommunikation hergestellt wird führt
zur Frage ‚Worin wird diese Rationalität hergestellt?‘ Diese Rationalität wird hergestellt mittels
Begründungsstrategien die im Medium der Sprache stattfinden. Rationalität ist also nicht etwas was
zur Sprache dazukommt, sondern etwas was die Sprache gleichsam inhärent ist. Rationalität macht
sich als Begründungsstrategie erkennbar. In der Sprache ist schon dieses Potential an Rationalität
angelegt. Sich der Sprache zu bedienen heißt zugleich sich Rational zu verhalten – allerdings ist dies
nur ein Sollensanspruch. Worin sieht Habermas die Rationalität der Sprache? Durch den Ausweis der
Begründungsstrategien den man anwendet. „Daher ist die Kommunikation eine Keimzelle sozialer
Interaktion deren Strukturprinzip nicht Macht, vielmehr Vernunft ist. Kommunikation wird damit zu
einem Handeln dessen Gelingensbedingungen die gekoppelt an Bedingungen unter denen Vernunft
wirksam wird.“ Vernunft heißt hier, einen Konsens erreichen zu können der nicht auf physischen
oder ökonomischen Zwang, sondern nur auf dem Zwang beruht dem von der Kraft des besseren
Arguments ausgeht. „Das unter die Theorie des Kommunikativen Handelns wirksam werdende
Konsenspathos läuft nicht auf eine Verleugnung von Dissensen in der alltäglichen Kommunikation
hinaus. Gerade umgekehrt, eben weil Missverständnisse die Kommunikation prägen, wird der
Umstand dass die Sprache und zwar allein die Sprache ein Instrument bereitstellt um in Streitfall eine
Einigung ohne Einsatz von Gewalt erreichen zu können, so entscheidend.“ Dieser Hinweis auf den
Konsens ist ein Hinweis auf das Potential von Sprache gesellschaftliche Konflikte anders als mit
Gewalt lösen zu können. Die Ebene auf dem dieses Stattfindet ist die Diskursebene. „Der
Sprachgebrauch ist nicht nur rational rekonstruierbar, sondern bringt Rationalität und Vernunft
selbst hervor. Habermas bemühte sich zu zeigen inwiefern die Vernünftigkeit unabdingbar zugleich
auch Strukturprinzip der Rede ist, und durch die Rede/Sprachgebrauch zugleich hergestellt wird.

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Insofern unsere Gesellschaftlichen zusammenleben auf diese Möglichkeit beruht, insofern kann
man tatsächlich von einer Kommunikationstheorie der Gesellschaft sprechen.

Die Sprache erfüllt drei grundlegende Funktionen:

(I) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur äußeren Welt. Worunter verstanden wird die
Gesamtheit aller Entitäten (alles seiende), über die wahre aussagen gemacht werden
können. Mit diesem Realitätsbezug ist der Geltungsanspruche der Wahrheit verbunden.
(II) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur sozialen Welt. Der sozialen Welt ist die Gesamtheit
aller legitim geregelten interpersonalen Beziehungen. Die soziale definiert sich durch die
Beziehung. Dort wo Beziehungen auftreten, immer dort sprechen wir von sozial. Auch
die Gesamten alle kulturell vermittelten interpersonalen Beziehungen. Legitim heißt in
diesem Zusammenhang, alle jene Beziehungen die sich als gesellschaftlichen anerkannten
Erwartungen manifestieren, und daher als richtig gelten, so dass der Hörer mit dem
Sprecher in diesen Werten übereinstimmen kann. Hinter diesem Realitätsbezug steht der
unausgesprochene Geltungsanspruch der Richtigkeit oder normative Richtigkeit.
(III) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur inneren, zur Subjektiven Welt. Also die
Gesamtheit alle nur subjektiv zugänglichen Erlebnisse, Erfahrungen und Absichten des
Sprechers. Hinter diesem Realitätsbezug steht der Geltungsanspruch der Wahrhaftigkeit.

Diese drei kategorial aufgeschlüsselten Weltbezüge stellen den gemeinsamen Interpretationsrahmen


dar innerhalb dessen Verständigung gesucht und erzielt wird. Innerhalb dieser Sphären kann man
Verständigung orientiert handeln. Die in den Sprechhandlungen vollzogenen Realitätsbezüge sind
mit den sogenannten Geltungsansprüchen versehen. Die Geltungsansprüche werden von den
jeweiligen Gesprächspartnern vorausgesetzt, so als würden die Sprechhandlungen gar nicht
stattfinden. Diese Geltungsansprüche werden entweder akzeptiert oder zurückgewiesen.
Geltungsanspruch bedeutet dass mit einer Aussage die man trifft, implizit immer auch die
unausgesprochene Behauptung verknüpft ist, das die Bedingungen für die Gültigkeit der
betreffenden Aussage erfüllt sind. Dies gilt für Sprechakte immer und überall; deshalb heißt die
Theorie Universalpragmatik. Die Geltungsansprüche sind gegeben unabhängig von den kulturellen
Faktoren. Die Geltungsansprüche liegen jeder kommunikativer Handlung zugrunde damit
Verständigung gelingen kann.

(I) Verständlichkeit: Der Sprecher muss sich einer verständlichen Ausdrucksweise


bedienen, damit Sprecher und Hörer einander verstehen können.
(II) Wahrheit: Der Sprecher muss die Absicht haben eine wahre Aussage zu machen. Er muss
die Absicht haben ein wahrer propositionalen Gehalt mitzuteilen, damit der Hörer das
Wissen der Sprecher teilen kann. Wenn wir nicht unterstellen würden dass der andere
wahre Aussagen trifft, konnte die Verständigung nicht gelingen. Wenn wir davon
ausgehen müssten dass der andere lügt, würde jegliche Verständigungsprozess
unmöglich werden. Es würde kein Sinn machen von anderen Aussagen zu erhalten,
weile diese sowieso nicht stimmen würden. Durch rationale Argumente und durch
beweise kann man versuchen diese in Zweifel gestellten Geltungsanspruch wieder
einlösen. Der Diskurs über die Gültigkeit einer Aussage, über den Wahrheitsanspruch ist
ein sogenannter theoretischer Diskurs.
(III) Wahrhaftigkeit: Der Sprecher muss seine Intentionen wahrhaftig äußern wollen, damit
der Hörer ihn vertrauen kann. Vertrauen des Hörers setzt voraus die Unterstellte und
nicht zum Thema gemachte Wahrhaftigkeit. Die Wahrhaftigkeit kann man bezweifeln
aber nicht diskursiv darüber verfügen. Der Betroffene kann auch für seine Wahrhaftigkeit
keine Argumente bereitstellen. Die Wahrhaftigkeit kann man nur am Verhalten des

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anderen beobachten. Das Vertrauen deren korrelat die Wahrhaftigkeit ist, ist diskursiv
nicht einlösbar.
(IV) (Normative) Richtigkeit: Der Sprecher soll sein verhalten auf einen legitim anerkannten
normativen Kontext abstellen. Das meint im Grunde genommen die Regeln des sozialen
Zusammenlebens, die sehr wohl von Kultur zu Kultur unterschieden sein können. Die
Inhalte dieser Regeln ändern sich zwar, aber es ändern sich nichts an dem Umstand dass
es diese Regeln gibt. Gesellschaftliches Zusammenleben ist durch Regeln bestimmt, und
wenn man sich mit dem anderen verständigen will, muss man diese Regeln beachten. Die
Auseinandersetzung über die Art und Weise des Regelverstoßes in den Beziehungen
zueinander bezeichnet man als praktischen Diskurs.

Der Handelnde muss gegebenenfalls diese Geltungsansprüche einlösen in dem er Gründe für ihre
Geltung angibt. Der Handelnde muss in der Lage sein, jeder der Geltungsansprüche mit Gründen zu
versehen. Der der rational Spricht, kann für seine Aussagen Gründe geben. Der Begriff des
kommunikativen Handelns setzt Sprache als Medium von Verständigungsprozessen auf der
Grundlage von Geltungsansprüchen voraus. Das kommunikative erzielte Einverständnis ist gleich
Verständigung stützt sich also auf Gründe, und das begründet die Rationalität des kommunikativen
Prozesses. Argumentation ist derjenige Typus von rede in dem strittige Geltungsansprüche mit
Argumente eingelöst oder kritisiert werden können. Die Teilnehmer am Diskurs können sich also so
über die beanspruchte Gültigkeit ihre Äußerungen einigen. Die Geltungsansprüche werden
transparent gemacht, im Diskurs per rational Auseinandersetzung eingelöst, und anschließend kann
man sich darüber einigen. Wenn also im Sinne von Habermas nur um Gründe und nur um den
zwanglosen Zwang des besseren Arguments geht dann setzt diese eine Gesprächssituation voraus,
die frei ist von Verzerrung und Einflüssen, in der also auf offene oder versteckte strategische
Herrschaftsausübung verzichtet wird. Der Diskurs ist endgeknüpft an die Möglichkeit einer
Sprechsituation die frei ist vom verzerrenden Einfluss. In diese Sprechsituation sollten alle
Beteiligten die gleiche Chance haben sich am Sprechakt zu beteiligen. Der Verzicht auf Herrschaft
durch Kommunikation und das einräumen der Möglichkeit dass alle diejenigen die am Diskurs
beteiligt sind die gleiche Chance haben sollen sich am Diskurs zu beteiligen, bezeichnet Habermas als
die ideale Sprechsituation, von der er sagt das sie Kontrafaktisch ist. Das heißt sie hat mit der
Wirklichkeit nichts zu tun, aber selbst auch dann wenn sie nichts mit der Realität zu tun hat so ist sie
noch ein normatives Ideal bzw. Anspruch an dem man die Wirklichkeit eines Diskurses messen
sollte. Im Idealfall sollte es so sein, auch wenn der Idealfall in der Realität nicht zu erreichen ist. Das
Modell der Idealsprechsituation hat Habermas entwickelt mit Blick auf den herrschaftsfreien
Diskurs einer Wissenschaftselite. Man wirft Habermas oft vor das diese Theorie von Handelns mit
der Realität nichts zu tun haben. Eine mangelnde Geltung in der Realität ist aber kein prinzipielles
Argument gegen die Gültigkeit einer Überlegung. Man kann nicht von einer mangelnde Geltung in
der Realität auf eine mangelnde Gültigkeit schließen. Es ist nämlich einen Kurzschluss von der
Geltung auf die Gültigkeit zu schließen. Der Einwand der mangelnden Geltung ist keinesfalls
hinreichend. Im Prinzip steht dahinter die Auseinandersetzung zwischen Ist und Soll. Der Umstand
das etwas nicht so ist wie es sein sollte, sprich nicht gegen den Sollensanspruch, sondern eher gegen
den Ist-Zustand. Nicht der Soll-Zustand muss sich am Ist-Zustand orientieren, sondern der
gesellschaftliche Ist-Zustand ist immer an einem Sollens-Zustand zu orientieren, der ja Kontrafaktisch
aufrechterhalten wird. Man kann zum Beispiel am Gebot der Nächstenliebe glauben obwohl man
täglich daran scheitert. Es ist der Wert absolut zu setzen an dem man sich orientieren kann, im
bewusst seines Scheiterns. Mit dem Theorie des Kommunikativen Handelns ist ein
emanzipatorischen Anspruch verknüpft dem wir mit der Systemtheorie nicht verknüpfen können.

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Worin konstruiert die Wissenschaft Wirklichkeit? Genauso wie wir in unsere zwischenmenschliche
Begegnungen einander nicht Abbilden, sondern einander interpretieren. So mach das auch die
Wissenschaft. Dahinter stehen Prozesse die mit zentralen Begriffen verknüpft sind – zum Beispiel den
Begriff der Paradigma. Paradigma wird hier verstanden als die Leitgesichtspunktes des Denkens
einer Disziplin. Das Paradigma bestimmt die Art und Weise wie Wissenschaft ihr Gegenstand
definiert und damit auch konstituiert. Zum Beispiel das Steuerungsparadigma der Kommunikation.
Habermas zeigt das es gar nicht um die Steuerung geht, sondern im Gegenteil um ganz andere
Ansprüche – um emanzipatorische Ansprüche, Ansprüche der Selbstbestimmung, Ansprüche der
Vernünftigkeit. Kommunikation heißt also nicht nur jemanden zu steuern, sondern ihn auch
möglicherwiesen Entfaltungsmöglichkeiten anzubieten – es geht um die Selbststeuerung und die
Selbstbestimmung. Selbststeuerung beruht im Sinne von Habermas auf dem besseren Argument,
und nicht auf der Strategie der Kommunikation, des persuasives Umgang. Die
Kommunikationswissenschaft hat sich den letzten 80/90 Jahre mit der Frage beschäftigt: Wie können
wir Menschen durch Kommunikation manipulieren? Das ist eine durchaus legitime Frage, aber es
gibt auch andere Bereiche die sich diese Frage entziehen.

Solange die Wissenschaft eine Steuerungsparadigma in sich trägt, solange wird sie keine kritische
Sozialwissenschaft sein können. Die Systemtheorie wird in diesem Kontext als eine gute, abstrakte
Theorie gesehen die alle Steuerungsprozesse erklären kann und begrifflich fassen kann während die
Theorie Kommunikativen Handelns eine emanzipatorische Theorie ist. Die stellt sich die Frage, ‚Wie
kann sich der Mensch in dieser Überbürokratisierte, Fremdverwaltende, Fremdgesteuerte Welt das
Individuum sich überhaupt zu Recht finden? Das große Bereich der empirischen
Kommunikationstheorien die über 90 Prozent aller theoretischen Überlegungen darstellen, sind
meistens Theorien mittlerer Reichweite. Sie können meistens nur über einen bestimmten Teilbereich
etwas aussagen. Weil Kommunikation als Totalphänomen gilt, gibt es nicht eine große Supratheorie
die diese große Vielfalt der kommunikativen Phänomene umfassen kann. Alleine die Unterscheidung
zwischenmenschliche Kommunikation und Massenkommunikation zeigt das wird beide nicht mit
derselben Theorie umfassen können.

Wichtig ist zu verstehen das Theorien etwas Gemachtes sind, die einen bestimmten Konsens oder
Sichtweise innerhalb des Scientific Community folgend. Die Wissenschaft produziert nicht
sakrosankten, sondern es wird immer nur den aktuellen Stand des Irrtumes angeboten. Theorien sind
das ordnen, beobachten, sichten und klassifizieren von Phänomene. Für diese überschaubare Zahl ein
Phänomene, versucht die Wissenschaften einen bestimmten Zusammenhang zu erstellen.
Wissenschaftliche definierte Wirklichkeit wird über diese Phänomene erklärt - also zu sagen nicht
nur was ist, sondern warum etwas so ist. Es geht nicht nur um die Beschreibung und Klassifikation
der Phänomene, sondern die Wissenschaft versucht auch über diese Begründungen herzustellen, und
zweitens auch vorherzusehen.

Die Kritische Theorie und der Kritische Rationalismus sind beide unterschiedliche Konzeption für die
Bedeutung von Wissenschaft für die Gesellschaft. Es geht der Kritischen Theorie darum mit
Wissenschaft die Gesellschaft verändern zu wollen, auf einen bestimmten Sollenszustand. Worauf
der Karl Popper sie dem Ideologieverdacht unterstellt hat. Die Vertreter der Kritischen Theorie
meinten aber ihrerseits das ‚Social Engineering‘, das ‚Drehen an der Stellschrauben‘, nicht Aufgabe
einer Sozialwissenschaft sein können. Hinter die lösungsbedürftigen Probleme stehen eben
strukturelle gesellschaftliche Probleme. Anhand dieser Überlegungen warf Adorno den Popper vor,
das er Theoriefeindlich sei. Im Prinzip ging es bei den beiden um ein ringen über die Funktion der
Sozialwissenschaften in der Gesellschaft. Der Kritische Rationalismus glaubt an eine asymptotische
Annäherung an die Wahrheit – wobei die Vertretern der Kritischen Theorie an eine tatsächliche

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Wahrheit glauben. Sollte jemanden Frage, unter welchen theoretischen Dach steht die
Kommunikationswissenschaft ist es die Kritische Rationalismus. Letztlich aber wiederrum auch nicht
denn der Versuch sich ständig zu wiederlegen passiert in der Forschung eigentlich selten. Man ist
doch in der Forschung motiviert die eigentliche Grundannahme zu verifizieren und nicht zu
falsifizieren. Doch es ist längst schon bewusst dass eine endgültige Verifikation nicht möglich ist,
sondern ehern nur ein vorläufiges bewähren der Grundannahme. Der Satz ‚Alle Schwäne sind Weiß‘
gilt schon nicht mehr, denn ein Schwarzes Schwann ist im Naturhistorisches Museum zu sehen.

Wissenschaft als Verhältnis zwischen Freiheit und Einsamkeit.

Man kann eigentlich nichts Gewisses sagen, man kann nur sich verlassen auf das eigene denken.

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