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DIE SYRISCHE FRAU

ODER
THORSTEN UND LAYLA

FRAGMENT

VON TORSTEN SCHWANKE

ERSTER GESANG

Wahrlich, ich sah den Markt und die Straße nie so verlassen!
Wie wenn alles gefegt wär, sieht mein Oldenburg aus nun,
Oder alle sind umgekommen! Nicht mehr fünfzig nun gibt es
Von den Bewohnern der Stadt! Was wird die Neugier nicht sehen!
Hier rennt jeder in Eile, um die traurigen Ströme
Syrischer Flüchtlinge anzuschauen, die elenden Leute.
Ja, sie kommen am Damm des Heiligen Geistes vorüber.
Alle eilen herzu in der sengenden Hitze des Mittags.
Ich, gut gläubig, wollt mich nicht von der Stelle bewegen,
Um die Sorgen zu bezeugen von flüchtenden Menschen,
Die mit wenig geretteter Habe sind hier her vertrieben,
Kommen von jenseits des Mittelmeeres, der syrischen Heimat,
Ihrem schönen Land, das im Bürgerkriege befindlich,
Kommen zu uns, und durch das grüne Ammerland schweifen
Sie und kommen hierher, gelegen an Hunte und Haaren.
Du hast Gutes getan, du meine treuherzige Doris,
Unser Sohn, der Thorsten, ist so freundlich gewesen,
Etwas zu bringen von Essen und Trinken und etliche Kleidung,
Dieses unter dem syrischen Volke lieb zu verteilen,
Denn, wie Jesus sagt, das Geben ist frommer als Nehmen.
Wie die Jugend den Wagen fährt und ist sicher am Steuer,
Welche Krontrolle hat er über die Stärke der Pferde,
Ist nicht unser Mercedes eine schöne Erscheinung?
Mit Bequemlichkeit sitzen vier im Innern des Wagens,
Und im Kofferraume ist Platz für Kisten und Kästen.
Diesmal ist er allein gefahren mit unserem Wagen.
O wie leicht ist um die Ecke gerollt der Mercedes. -
So, als er saß auf der Bank vor seinem eigenen Hause,
Sprach der fromme Johann zu seiner treuherzigen Doris,
Er, der war der Wirt des sauberen Goldenen Löwen.

Darauf sagte die weise und gebildete Hausfrau:


Lieber, ich will nicht alle alten Kleider verschenken,
Weil ich sie noch könnte für viele Zwecke gebrauchen,
Und man kann ja nicht immer für Geld gleich Neues erstehen.
Heute aber gebe ich, und mit großem Vergnügen,
Manch ein Hemd und manch ein Kleid, einst besser gewesen,
Denn mir wurde von Alten und von Kindern berichtet,
Welche nackt fast entfliehen mussten dem syrischen Lande.
Deine Garderobe wurde von mir schön geplündert
Und besonders der Morgenmantel chinesischer Seide,
Er war dünn und alt und war schon ganz aus der Mode.

Darauf sagte mit einem Lächeln der liebende Johann:


Glaube nur! Es tut mir leid, den Rock zu verlieren,
Meinen guten Morgenmantel chinesischer Seide,
Nimmer werde ich so etwas schönes wiederbekommen.
Nun, ich hatte es aufgegeben, den Mantel zu tragen,
Heute trägt man dergleichen nicht mehr. Und immer in Stiefeln
Muss man gehn und verboten sind die weichen Pantoffel.

Da unterbrach ihn Doris: Jetzt sind schon einige drüben,


Die die Prozession gesehen der syrischen Christen,
Ja, es muss schon vorbei sein. Schau nur den Staub auf den Schuhen,
Sieh, wie ihre Gesichter glühen von sengender Hitze,
Manche Frau trägt ein Kopftuch und wischt mit dem Tuche den Schweiß ab.
Nicht, um das zu sehen, werde ich rennen und laufen
Und an der Hitze leiden. Genug, das man mirs berichtet.

Darauf gab Antwort und sagte ihr der ehrliche Johann:


Selten nimmt solche Hitze teil an so fruchtbarer Ernte,
Wie es diese ist. Die Bauern bringen Getreide,
Und das Heu wird gesammelt in den Scheunen der Bauern.
Nicht das geringste Wölkchen ist zu sehen am Himmel,
Strahlend lichter Azur ist der ganz heitere Himmel,
Und mit köstlicher Kühle kommt ein Windhauch von Osten.
Das ist das Wetter, das mir gefällt. Die Kornfelder golden
Sind schon überreif. Der Bauer wird morgen beginnen,
Einzusammeln die Ernte in die geräumigen Scheunen.

Ständig aber wuchsen die Scharen von Männern und Frauen,


Deren Heimweg über den Marktplatz der Innenstadt führte.
Und mit andern kehrte auch, und bei sich die Töchter,
Heim der Nachbar zu seinem modernen, prächtigen Hause,
Holger, mit seinen Töchtern Leonore und Julie,
Er war Kaufmann und reich und fuhr ein schneeweißes Auto.
Lebhaft wurden die Straßen, die Stadt war reichlich bevölkert.
Mancher Handel wurde getrieben, es gab auch Fabriken.

Vor der Türe saßen die Liebenden, Johann und Doris,


Freuten sich mit vielen Bemerkungen über die Leute.
Endlich aber sprach die würdige Hausfrau und sagte:
Siehe da drüben unsre Pastorin, die heilige Gudrun,
Mit ihr kommt auch Ariadne, die Ärztin, die schöne,
Diese sollen uns alles erzählen vom syrischen Elend,
Alles, was sie wissen von Bürgerkrieg, schrecklichem Terror,
Christenverfolgung, das ganze Leid dieser Erde.

Herzlich nahten die beiden Frauen und grüßten das Pärchen,


Setzten sich auf die Bank aus Holz, die da vor der Tür stand,
Schüttelten ab den Staub von ihren nackenden Füßen,
Fächelten frische Luft sich zu mit spanischen Fächern.
Dann begann die Ärztin Ariadne, die schöne,
Nach dem Wechseln der Grüße, so mit heiligen Ernste:
So ist die törichte Menschheit in ihrer Fürsorge! Mütter
Lieben mit Affenliebe und ein Mann ähnelt dem andern,
Alle kommen, zu gaffen und zu starren, wenn Unglück
Einen Nachbarn getroffen. Jeder beeilt sich, die Flammen
Zu betrachten, wenn sie aufsteigen von der Zerstörung,
Alle laufen, die armen Übeltäter zu sehen,
Wenn die Terroristen kommen und kreuzigen Christen!
Jetzt aber kommen sie und fragen nach den Vertriebnen
Und nach ihren Bedürfnissen, und ein jeder bedankt sich,
Dass nicht ihm ist Hab und Gut und Heimat genommen.
So ist nun die Natur des Menschen, voll sündiger Ichsucht!

Darauf gab Antwort und sagte Gudrun, die weise Pastorin,


Zierde der Stadt und der evangelischen Kirche,
In den besten Jahren der Weiblichkeit, goldener Locken,
Sie verstand das Leben und das Herz der Gemeinde,
Tief durchdrungen von den Worten der heiligen Bibel,
Wie sie uns offenbart das ewige Schicksal des Menschen,
Unterrichtet auch in den besten weltlichen Dichtern:
Ich bin nicht so abscheulich, sagte die heilige Gudrun,
Um die unschuldvollen Instinkte der Menschen zu tadeln,
Was der Menschheit gegeben von der Mutter Natur ist,
Was Verstand und Vernunft nicht erreichen, das bringen Instinkte
Und Impulse des Herzens. Hat nicht die Neugier den Menschen
Angezogen mit starker Anziehung, hätte man jemals
Je gelernt, wie harmonisch Erfahrungen passen zusammen?
Denn zuerst begehrt der Mensch die romantische Liebe,
Dann auch strebt er mit unermüdlicher Arbeit zum Nutzen,
Schließlich sehnt er sich nach dem Guten, das in der Kindheit
Eingegossen wurde ihm mit Taufe und Glauben.
Ist der Mensch jung, so ist er voll des fröhlichen Geistes,
Leichtsinnig heiter, der Geist ist voll Lust sein Genosse,
Spuren des schmerzen-bringenden Übels aber verschwinden,
Wenn das Übel vorüber. Er ist wahrlich zu loben,
Der aus den Freuden der Jugend dann im reiferen Alter
Sich entwickelt ein gutes Verständnis, vernünftige Weisheit.
Wer, im Glück des Lebens oder in Krankheit und Trauer,
Eifrig strebt nach göttlichen Tugenden, himmlischer Weisheit,
Der tut Gutes und leistet Sühne für mancherlei Böses.

Da unterbrach sie die ungeduldige Doris, die Hausfrau,


Rufend: Erzählt von dem, was ihr gesehn von den Syrern,
Von den anderen auch, den Afghanen und den Irakern,
Und den Flüchtlingen auch aus des schwarzen Afrika Elend,
Bitte erzählt genau, denn zu wissen ist all meine Sehnsucht!

Kaum kann ich schildern im Geist, sprach Ariadne, die Ärztin,


Alle die schlimmen Schicksale unserer lieben Vertriebnen.
Sechzig Millionen zählen weltweit die Flüchtlinge heute,
Sechzig Millionen wurden im Zweiten Weltkrieg ermordet.
Wir sind mitten im Dritten Weltkrieg, überall Terror,
Bürgerkriege und Stammesfehden und Hunger und Seuchen,
Meeresbeben und Erdbeben und Vulkane und Stürme,
Elend, wohin wir schauen, die Sonne ward unsere Feindin,
Über die Erde ziehen Prozessionen des Elends,
Babylon ist verwüstet, zerstört ist Syriens Garten,
Terror und Hunger und Bürgerkrieg Afrika plagen,
Dreißigtausend Menschen im Mittelmeere ertrunken,
Flüchtlinge kommen vom Mittelmeere nach Österreich, Bayern,
Deutschlands Kanzlerin öffnet die Grenzen, gastfreundlich Schweden
Gibt den Flüchtlingen Heimat in ihrem nordischen Eden.
Leider sah ich die Menschen, die vom Unglück beladen,
Alle trugen auf ihrem Rücken das Kreuz des Erlösers,
Syrische Maroniten, orthodoxe Chaldäer,
Die katholischen Aftikaner oder die Pfingstler,
Die Jessiden des gequälten kurdischen Volkes,
Aleviten aus Syrien, auch Shiiten, Sunniten,
Alle hängen vereint an dem Einen Kreuz des Messias!
Nun befinden sie sich in den leeren Heeresbaracken
Hier in Oldenburg, das ist ein wahres Babel von Zungen,
Da sie leben von Almosen oldenburgischer Bürger,
Was der Staat ihnen spendet und von den Gaben der Kirche.
Kinder sind unter ihnen, ohne Eltern gekommen,
Sprechen nicht deutsch, nicht englisch und sind arm und verlassen.
Ach wie plagt mich meine Ohnmacht angesichts alles
Dieses Elends auf Erden! Ich fürchte, das Jüngste Gericht kommt!
So war es auch bei der Feuersbrunst vor einigen Jahren,
Da wird der Mensch der Vernunft beraubt, entlaufen dem Tollhaus
Irrt er schreiend umher und klammert sich an die Bibel
Und die letzte Zigarette, die Flasche mit Wasser,
Müll liegt auf den Straßen unter Trümmern, Ruinen,
Raben krächzen und Stadttauben picken die Krümel der Brötchen,
Frauen und Kinder gehen in Lumpen und Säuglinge weinen.

Ja, ich sah die Flüchtlinge in den Heeresbaracken,


Von den Almosen lebten sie von Staat und Gemeinde,
Lagen auf zerrissnen Matratzen, in Lumpen von Kleidung,
Die die Armen in Deutschland ihnen mit Großmut gespendet,
Kochten in zerbeulten Kannen Tee sich von Mate,
Tranken ihn ohne Zucker, aßen Gemüse und Nudeln,
Vegetarische Speisen der evangelischen Mütter,
Einige fuhren auf klapprigen Fahrrädern, schauten die Stadt an,
Alte vergruben sich stumm in ihrem unendlichen Kummer,
Heimweh hatten alle nach ihrer vernichteten Heimat,
Müd waren alle der Streitigkeiten der Weltreligionen,
Kinder trauten sich an den christlichen Großmüttern, Damen,
Freundinnen Gottes mit barmherzigen Herzen von Müttern.
Aber die reichen Deutschen haben die Schoßhündin lieber,
Die rassistischen Gruppen gewinnen Stimmen am Wahltag,
Christliche Fundamentalisten sind Ausländerfeinde,
Bürgerinnen haben Furcht vor dem Aussehn der Fremden,
Alle Araber werden als Terroristen verdächtigt,
Nationalismus ersteht in allen Staaten Europas,
Ja, Europa ist gottlos geworden, vermauert die Grenzen,
Reiche Christen sagen: Der Afrikaner ist selbst schuld
An dem Hunger, weil er korrupt und gottlos und faul ist.
Deutsche Bürger kümmern sich nicht um das Elend im Osten
Und im Süden, solange Deutschland nur herrlich und reich ist
Und die Geschäfte überquellen von Nahrung in Menge
Und von Naturkatastrophen bewahrt bleibt das heimische Deutschland.
Nichts als Rassismus und Nationalismus und Gleichgültigkeit nur,
Fremdenfeindlichkeit unter den fanatischen Christen,
Arroganz der Reichen, des Nationalgotts Verehrer!
Ach ich schäme mich für die Christen und Bürger von Deutschland,
Ach ich schäm mich Europas, Europa ist gottlos geworden!

Drauf gab Antwort und sagte der treue und freundliche Johann:
Möchte doch unser Thorsten sie treffen und ihnen bescheren
Schwarzen Kaffee zu Stärkung und vom fettigen Braten,
Jeans und T-Shirts den Männern und lange Kleider den Frauen,
Und ein gutes Wort von der göttlichen Liebe zur Tröstung.
Aber was soll ich tun, was kann ich tun bei dem Elend?
Dieses Starren auf solche Leiden schmerzt meine Seele.
Mich betrüben die Nachrichten über so grausames Schicksal,
Schreibt die Nordwestzeitung täglich doch von dem Elend des Weltkriegs.
Wenig können wir geben nur und nur falten die Hände.
Lasst uns erneuern nun nicht mehr diese traurigen Bilder,
Weiß ich doch, wie gerne die Angst das Herz sticht des Menschen,
Ja, die Angst ist oft schlimmer als das eigentlich Böse.
Kommt nun, Ariadne und Gudrun, freundliche Damen,
Kommt mit Doris und mir in unsre dämmrige Stube,
Wo die sengende Sonne nicht sticht, die Schwüle nicht plagt uns,
Da die festen Mauern uns frische Kühle bescheren.
Dort wird Doris uns eine Flasche französischen Weines
Öffnen, roten Bordeaux, der wird den Kummer uns brechen.
Hier vor der Tür ist es gut nicht zu trinken in sengender Hitze,
Wespen summen und Fliegen hier um die Gläser voll Rotwein. -
So verlegte man die Beratung ins kühlere Zimmer.

Vorsichtig brachte Doris den herben köstlichen Rotwein


Von der Garonne in einer golden umwickelten Flasche,
Brachte den Rotwein auf des glitzernden Zinntellers Weisheit,
Darauf auch große Gläser standen als Kelche des Blutes.
So saßen Johann und Doris, Ariadne und Gudrun
Um den breiten Eichentisch auf den mächtigen Füßen.
Freudig klangen die Gläser nun von Johann und Gudrun,
Aber Ariadne hielt mit der Hand fest den Becher,
Schaute versonnen in den den glühenden Blutspiegel. Schließlich
Forderte Johann sie auf zu jugendlich heiterer Laune:

Komm nun, Ariadne, und sauge den Becher des Bacchus,


Sei getrost, denn grenzenlos ist des Heilands Erbarmen,
Hat uns Gott doch bisher erhalten und tut es auch weiter.
Wie nach der Feuersbrunst, die wir gedeutet als Strafe des Höchsten,
Gott uns wieder gesegnet und uns für immer beschirmte,
Da uns der Ewige Vater wie seinen Augapfel lieb hat,
Da das allwissende Auge Gottes wacht über alles!
Ist nicht Gott uns Arzt und Heiland und Hilfe und Beistand?
Nur wenn groß die Gefahr, erkennt man die Allmacht des Retters!
So auch, was die Feuersbrunst uns hat an Häusern vernichtet,
Das haben fleißige Bürgerinnen wieder errichtet.

Freudig sagte darauf die an Klugheit vollkommene Gudrun,


Die Pastorin, und sagte es mit freundlichen Worten:
Bleibe nur fest im Glauben, denn Gott ist Wehr uns und Waffe,
Gott ist ein feste Burg, und bleibe im guten Humor nur,
Denn der Glaube macht weise, wenn uns Fortuna ist gnädig,
Kommen Kreuz und Leiden, bietet der Glaube die Tröstung
Und belebt in uns die immerjungfräuliche Hoffnung.

Da sprach Johann gedankenvolle männliche Worte:


Oftmals hab ich begrüßt die allgewaltige Nordsee,
Wenn ich von Reisen kam aus Spanien, aus der Toskana,
Majestätisch erschien mir die See, die Mutter der Friesen,
Sah ich die Deiche und sah die Schafe weiden am Deiche,
Möwen gellen am Himmel, die Austernfischer spazieren
In dem glänzenden Watt und sah den Wattwurm sich winden,
Sah ich die herrliche Schöpfung und droben den Vater im Himmel!
Dachte ich da an den Dritten Weltkrieg, Flüchtlinge, Terror?
So beseligt mich immer die Mutter Natur voller Schönheit,
Da vertrau ich den Friesen, den Teutonen, den Sachsen,
Und vor allem, wenn ich in den romanischen Kirchen,
Die wie Großmütter stehen fest mit schönsten Altären,
Höre, wie die Gemeinde Te Deum singt in den Chören,
Heilig schwellen die Orgeln und es blasen Posaunen
Und der Glocken heiliger Laut heißt: Friede auf Erden!
Das sind heilige Nächte! Nun überstehen wir alles!
Und ich möchte den Tag noch erleben, da Thorsten, mein Jüngling,
Liebe Pastorin, steht am Altar mit der Braut seines Herzens,
Hochzeit zu feiern zu der Ehre von Himmel und Heimat,
Dass von diesem Tage an herrsche die häusliche Freude!
Aber ich muss beobachten doch mit etwas Bedauern,
Dass die heutige Jugend lebt nach dem Motto: Drum prüfe
Ewig, bis du dich bindest, denn so lesen sie Schiller,
Und zu Hause wollen sie nicht bleiben, ins Ausland,
In die schöne Provence im Süden des Frankreichs der Liebe
Wollen sie, und der Haushalt scheint ihnen wenig bedeutsam.
Ach und mein Thorsten bleibt am liebsten mit Büchern alleine,
Wenig sucht er doch die Gesellschaft von Mädchen und Damen,
Scheut die Tanzschule auch, den argentinischen Tango
Oder den Walzer von der herrlichen bläulichen Donau.

Also redete Johann und lauschte dem Wehen der Lüfte,


Ferne donnerten Autos, die Luft verpestend mit Rauchqualm.
ZWEITER GESANG

Freundlich kam Thorsten, und da ging der Sohn in die Wohnung,


Und mit einem prüfenden Blick sah die heilige Gudrun
Auf den Jüngling, mit dem Blick der frommen Studentin,
Welcher leicht den Ausdruck des Antlitzes auslotet, prüfte
Sie sein Gesicht und seine Gestalt und Haltung des Körpers.
Dann sprach Gudrun mit einem Lächeln und sagte voll Liebe:
Wahrlich, wahrlich, als anderes Wesen kommst du verwandelt!
Nie hab ich dich so fröhlich gesehen wie heute, so heiter,
Niemals bisher hab ich deine Blicke so leuchtend gesehen.
Fröhlich bist du und glücklich. Es ist klar, dass den Armen
Deine Almosen du gegeben mit schenkender Liebe
Und dass auf dich herab gekommen der Elenden Segen!

Ruhig und ernst gab Antwort der Sohn von Johann und Doris:
Wenn ich gehandelt, wie du es loben magst, heilige Gudrun,
Weiß ich es nicht, ich folgte dem, was mein Herz mir geboten,
Wie ich genau berichten werde. Liebliche Mama,
Lange hast du gewühlt in deinen älteren Sachen,
Sammelnd und wählend, dass nicht zu spät ein Bündel entstanden,
Auch für Wein hast du gesorgt und für knusprige Brote.
Als ich dann aus der Haustür trat und kam zu der Straße,
Strömte eine Schar von syrischen Flüchtlingen, Männern,
Frauen und Kindern, dahin und ich sah der Flüchtlinge Elend.
Schnell ging ich weiter und fuhr mit Schnelligkeit mit dem Motorrad
In das Heerlager, wo, wie ich hörte, sie ausruhen sollten,
Wo sie geduldig warten auf einen besseren Morgen.
Dahin die Alexanderstraße hinab ich mich stürzte,
Und da sah ich einen Karren mit manchem Gerümpel,
Neben dem Karren ging mit raschen Schritten ein Mädchen,
Und mit Wanderstöcken bei ihr gebrechliche Alte.
Vorwärts drängen sie jetzt, und jetzt mit langsamen Schritten
Bleiben sie zurück, geschickt lässt der Karren sich lenken.
Als das Mädchen mich wahrnahm, nahte sie still dem Motorrad,
Und sie wandte sich an mich mit den folgenden Worten:
Nicht so beklagenswert ist unser Zustand wie heute
Hier auf dieser Wanderung. Das ist nicht meine Gewohnheit,
Um Geschenke bei Fremden zu betteln, denn selten gibt gerne
Ein Germane, um loszuwerden den lästigen Bettler.
Aber die Not treibt mich zu sprechen. Hier ist eine Mutter,
Welche schwanger mit einer gesegneten Frucht ihres Leibes,
Die mit Ächzen und Stöhnen wanderte, kurz vor den Wehen,
In das Lager der Flüchtlinge, wo wir ausruhen wollen,
Wenn wir ankommen, sie ist vielleicht schon nieder gekommen.
Solltest du Wäsche jeglicher Art haben, gib sie der Mutter,
Wenn du voll bist von Nächstenliebe zum Herzen der Armen.

Also sprach sie, und die bleichen Alten sahn zu mir.


Und da gab ich zur Antwort: Wahrlich, der Heilige Geist spricht
Zu den Menschen mit gutem Willen, barmherzigem Herzen,
Lässt sie das Elend mitleiden eines leidenden Bruders.
Du musst wissen, dass meine Mutter vorher sah den Kummer,
Mir ein Bündel gegeben, um die Nackten zu kleiden. -
Und dann löst ich die Knoten der Schnur, den Mantel von Johann
Gab ich ihr und auch die Unterwäsche und Hemden.
Und sie dankte mit Freude und sagte: O glückliche Wunder,
Die man kaum glauben kann, sie werden bewirkt von der Gottheit.
Nur in Not erkennen wir Gottes eigenen Finger,
Der die Barmherzigen leitet zu barmherzigen Werken.
Was du für uns gewesen, das möge Gott auch für dich sein. -
Und ich sah, mit welchem Vergnügen die Wäsche sie ansah,
Und besonders des Morgenmantels chinesische Seide.
Lass uns weiter wandern, sagten die Alten zum Mädchen,
Dass wir zur Nacht ins Flüchtlingslager kommen und ruhen.
Da dann werden die Kleider wir alle verteilen,
Kleider den Frauen, Jeans und T-Shirt den Knaben und Männern. -
Wieder dankte das Mädchen mir mit herzlichem Lächeln.
Und es rollte der Karren weiter. Da bin ich geblieben,
Ließ nur einmal aufheulen mein geliebtes Motorrad,
Denn geteilt war mein Herz, ob ich mit Schnelligkeit fahren
Solle ins Flüchtlingslager, dort den Kram zu verteilen,
Oder ob ich dem Mädchen gebe alles auf einmal,
Dass sie mit Weisheit alles verteilt in gerechter Verteilung.
Und in Einem Augenblick hatte mein Herz schon entschieden,
Ruhig neben dem Mädchen schreitend, sagt ich dem Mädchen:
Hör mal, schönes Mädchen, meine Mutter gab nicht nur
Kleider und Jeans und T-Shirts und Unterwäsche und Hemden,
Um die Nackten zu kleiden, auch französischen Rotwein,
Bayrisches Bier und Wiener Schnitzel, paniert und gebraten.
Manches davon hab ich im Beiwagen meines Motorrads.
Aber jetzt fühl ich mich bewegt, dieses Opfer zu legen
Ganz in deine Hände, so kann ich den Auftrag erfüllen
Auf die beste Weise. Du sprichst der Gerechtigkeit Urteil,
Während ich nur zufällig hier und da etwas schenke. -
Darauf gab Antwort das Mädchen: Ich werde mit Lust die Geschenke
Weiter verschenken, so will ich deine Tröstungen spenden
Allen Armen und Elenden in der Flüchtlinge Lager. -
Also sprach sie. Da hab ich schnell geöffnet die Kiste,
Die in dem Beiwagen wartete meines geliebten Motorrads,
Holte die Schnitzel heraus und auch französisches Weißbrot,
Flaschen Bordeaux, und bayrischen Franziskaner, das Weißbier,
Alles gab ich dem Mädchen. Und bereitwillig hätte
Ich ihr mehr noch gegeben, aber leer war die Kiste.
Alles packte sie auf den Karren und wanderte weiter.
Ich bin mit meinem Motorrad und meinem Beiwagen eilig
In die Innenstadt gefahren, in Oldenburg-City.

Gleich als Thorsten die Rede beendet, beredsam gab Antwort


Ariadne und sagte: O Glück in der Gegenwart Tagen,
Tagen der Flucht und des Krieges, dem, der heute allein lebt
In der eigenen Wohnung, keine Frau, keine Kinder
Hat, die sich klammern an ihn mit einem erschrocknen Entsetzen!
Ich aber bin eine Gattin, eine Mutter von Kindern,
Darum bin ich voll Angst in diesen schrecklichen Zeiten.
Oft denk ich, was denn wär, wenn ich selber flüchten und fliehen
Müsste vor einer Diktatur und Bürgerkriegsterror?
Was denn würde ich einpacken? Etwa die Geldscheine, Goldschmuck?
Heute verehrt man die Geldscheine doch als heilige Väter!
Vieles müsst ich zurück lassen, was nicht leicht zu bekommen,
Auch die Heilkräuter, die ich nach Hildegards Weisheit gesammelt,
Und die medizinischen Bücher aus Studienzeiten.
Dann bedenke ich, wie mein Mann und all meine Kinder
Mit mir fliehen müssten. Da hat es leichter ein Single!

Herrliche Ariadne, gab nun Thorsten zur Antwort,


Ich will in keiner Weise das Single-Leben lobpreisen.
Wird doch ein Mensch nur geschätzt, der nicht nur denkt an sich selber.
Sahen wir Egozentriker stolz doch zur Unterwelt fahren!
Was ist ein Mensch, der sich nur selber liebt, nicht den Nächsten,
Nicht die Gottheit der Liebe? Eher möchte ich freien.
Manch ein reines Mädchen braucht den Schutz eines Mannes,
Und der Mann braucht eine inspirierende Dame.

Daraufhin sagte lächelnd der Vater Johann, der gute:


Solches lieb ich zu hören, das sind vernünftige Worte,
Wie ich sie selten höre in diesen unzüchtigen Zeiten. -
Aber die Mutter Doris unterbrach den Geliebten,
Redend: Sohn, du hast recht, es sei dir ein Beispiel gegeben,
Wie deine Großmutter Margarethe, die du so liebtest,
Schloss ihre Ehe mit Ulrich, westpreußischem Flüchtling,
Welche nicht in den Zeiten des Friedens wählten einander,
Sondern in den traurigsten Stunden germanischer Heimat,
Da sie zusammenfanden als wahre Röte des Morgens.
Zwölf der traurigsten Jahre das Tausendjährige Reich des
Antichrist war hereingebrochen über die Deutschen
Und die geliebten anderen Völker, die unsere Brüder,
Und der Dämon führte den männermordenden Weltkrieg,
Und die Gerechten unter der Führung der Mutter Maria
Stürzten den Dämon des Selbstmords und seine Genossen zur Hölle.
Deutschland lag in Trümmern. Hannovers brennende Trümmer
Waren die Heimat deiner lieben Großmutter, Thorsten,
Da sie irrte durch brennende Straßen, allein und verloren,
Einen Kinderwagen voll Hab und Gut in den Händen,
Hungernd, hatte sie Brot kaum und keine Butter zum Brote,
Aber sie freute sich über des Friedens Wiederkunft, dachte:
Lieber arm als sonst ein Werkzeug des teuflischen Herrschers,
Deutschland wird auferstehen aus Trümmern und Brand und Ruinen!
Alles war Rauch und Asche von den englischen Bomben,
Deutschland säte den Sturm und erntete Donnergewitter!
Da war schwer das Herz deiner Großmutter, aber erhaben
Über das Elend durch den evangelischen Glauben.
Einmal sah sie die Sonne, wie sie aufging am Morgen,
Und die himmlische Sonne inspirierte den Geist ihr,
Hoffnung zu schöpfen, die schöne immerjungfräuliche Hoffnung.
Und sie kehrte zum Haus ihrer Eltern, der Vater gestorben
In dem Krieg und die Mutter gestorben an tödlicher Krankheit,
Sah sie des Vaterhauses Ruine, bitterlich weinend.
In der Ruine hauste aber Ulrich, der Flüchtling,
Westpreuße er, vertrieben von den Armeen der Russen,
War er gekommen nach Hannover, Englands Domäne,
Um den Kommunisten zu entkommen, den Mördern,
Vergewaltigern deutscher Frauen, betrunkener Russen,
Von dem Stalinismus verwildert. Weh, heiliges Russland!
Ulrich nahm Margarethe bei den zitternden Händen,
Führte sie durch das Haus und stand im offenen Tore,
Legte Margarethe auf eine Bank, sie zu küssen,
Aber Margarethe erhob einen Einwand aus Keuschheit,
Aber Ulrich sprach die klugen bedeutenden Worte:
Siehe, das Haus liegt in Trümmern. Bleib du bei mir und hilf mir,
Und wir bauen das Haus wieder auf, das Haus deines Vaters. -
Thorsten, Deutschland ist ja das Werk der Fraun in den Trümmern,
Mütter erbauten Deutschland, Deutschland ist unsere Mutter.
Margarethe verstand nicht, was der Ulrich begehrte,
Aber der Mann ihr geduldig erklärte, er wolle sie freien
Und zur Hausfrau nehmen und zur Mutter von Kindern.
Noch im Alter erinnerte Margarethe mit Freude
Sich Hannovers in Trümmern, da sie die Liebe gefunden.
Immer, wenn sie die Sonne sah aufgehen herrlich am Morgen,
Sie gedachte der Hoffnung, der immerjungfräulichen Hoffnung,
Da die Verwüstung des Terrors war vorüber gegangen
Und über Deutschland der Regenbogen des Friedens erschienen.
Darum preise ich, Thorsten, dass in den heutigen Zeiten,
Da wir stehen im Dritten fragmentarischen Weltkrieg,
Du mit Ehegedanken denkst an ein freundliches Mädchen
Und inmitten von Krieg und Terror und Stürmen und Hunger
Du den Mut hast, zu werben um ein liebliches Mädchen.

Da sprach Vater Johann, voll von der herzlichen Wärme:


Loben muss ich die Gefühle, die wahre Geschichte,
Mama, die du erzählt hast, so ist es wirklich geschehen.
Aber es gibt auch andere Wege, bessere Wege.
Denn nicht jeder muss aufs Neue von Grund auf beginnen,
Braucht sich nicht jeder zu sorgen wie die am Ende des Weltkriegs.
Glücklich ist der, dem Vater und Mutter bauten das Haus schon,
Schön möbliert und bereit zum Einzug von Gatten und Kindern.
Aller Anfang ist schwer, und besonders der Anfang des Haushalts.
Vielfältig sind die Bedürfnisse unseres Menschengeschlechtes,
Alles, was täglich benötigt wird, das wird teurer und teurer,
So dass der Mann muss nachdenken über die Mittel zum Leben,
Wie er sein Einkommen sichert für die Frau und die Kinder.
Dieses hoff ich, mein Thorsten, dass du ein Mädchen ins Haus bringst,
Eine makellose Braut mit dem Liebreiz der Jugend.
Sei du galant, mein Junge, und freie die lieblichste Jungfrau.
Groß ist der Trost im Hause, wenn man ein liebendes Weib hat,
Wenn man der Frau die schönsten Geschenke gibt, Blumen und Goldschmuck.
Nicht umsonst war ja Mama beschäftigt, die Wäsche zu sammeln,
Dass ihre Schwiegertochter habe ihr Bettzeug von Linnen.
Auch deine Paten Heinrich und Edith gaben vom Silber,
Und dein Großvater Ulrich hat manches Goldstück gesammelt.
Denn es wird kommen ein Tag, da wird sich die Jugend erfreuen
An dem Besitztum der Alten und der Gotteltern Gaben,
Wenn der Jüngling aus allen anderen Weibern ein Weib wählt.
Gut ist im Haus die Stellung der Frau, die eigene Möbel
Mitbringt und weiß Bescheid in den Dingen von Küche und Keller,
Gut ists, wenn die Frau sich selber den Tisch deckt, das Bett macht.
Eine chiq gekleidete Frau will ich gerne empfangen
Hier in meiner Wohnung. Die Frau, die arm ist und elend,
Die wird am Ende doch von ihrem Gatten verachtet.
Kam sie als Magd mit geringem Bündel, hält er als Magd sie.
Männer werden gemein, wenn vorbei ist die Stunde der Liebe.
Thorsten, das Alter deines Vaters sollst du erfreuen,
Wenn du eine Schwiegertochter mir schnell in mein Haus bringst,
Aus der Nachbarschaft hier. Denk doch an Holger, den Vater.
Seine Töchter Leonore und Julie sind herrlich.
Leonore ist schon vergeben, doch Julie ist frei noch.
Wenn ich an deiner Stelle wäre, ich hätt schon geworben,
Ja, ich hätte mir diese liebliche Jungfrau genommen,
Wie ich in meiner Jugend hab deine Mama genommen.

Da gab Antwort der Sohn dem eiligen Vater bescheiden:


Das war auch mein Verlangen, die göttliche Julie zu nehmen.
Lange schon kenne ich sie, als sie noch ein niedliches Mädchen,
Ward sie von frechen Kerlen belästigt, hab ich sie gerettet,
Aber das ist lange vorbei. Sie wurde zur Göttin,
Ward zum Mannequin, ward zur florentinischen Venus
Oder besser gesagt, Madonna des Neuplatonismus!
Manchmal ging ich zu ihr, um dich zu befriedigen, Johann,
Und auch wegen unserer früheren Sandkastenfreundschaft.
Aber ich konnte mich nicht erfreuen im Hause von Holger,
Denn sie haben mich immer scharf und kritisch betrachtet.
Meine Arbeiterjacke war zu grob und zu fleckig,
Meine Haare zu lang und ungekämmt und der Bart auch.
Soll ich mich kleiden im Anzug wie diese dummen Beamten,
Die dort am Sonntagnachmittag sitzen bei Kaffee und Kuchen?
Aber ich weiß, der Vater und die Mädchen verspotten
Mich mit höhnischen Worten, was meinen Hochmut verwundet.
Aber vor allem kränkt meinen Stolz, dass die göttliche Julie
Denkt: Wie kann sich Hoffnung machen der närrische Thorsten!
Letztes Jahr zu Ostern ging ich einmal hinüber,
Trug ein chiqes Sakko und hatte gekämmt meine Haare,
Hatte den Bart abgenommen wie die dummen Beamten.
Als ich eintrat, hört ich das girlish giggle der Mädchen.
Leonore und Julie saßen am Violoncello,
Holger spielte Gitarre und ihr Großvater lauschte,
Dem sie zum achtzigsten Wiegenfest Halleluja gesungen.
Oh wie Julie lächelte! Lächelnliebende Venus!
Ich überreichte ihr mein Gedicht von Romeos Liebe
Zu der göttlichen Julie in dem schönen Verona.
Leonore kicherte, nannte mich Romeo immer,
Julie las die Reime und wurde zornrot vor Ärger.
Holger sagte: Dichte doch lieber von Adam und Eva.
Alle lachten, und der Großvater lachte am meisten.
Ich ward rot vor Verlegenheit, und ich schwitze vor Schande.
Ärgerlich ging ich davon, warf zu Hause das Sakko zu Boden,
Zog meinen Arbeiterkittel an und ließ wachsen das Barthaar.
Nie mehr werde ich übertreten die Schwelle der Göttin!
Ach die schönen Jungfraun sind stolz und herzlos und grausam!
Heute noch, wie ich weiß, dass sie mich immer Romeo nennen.

Darauf gab Antwort die Mutter und sagte: Du sollst nicht, mein Thorsten
Nachtragend sein und dich ärgern über die kindischen Mädchen,
Ja, die Menschen sind Kinder, und du liebst doch die Kinder.
Julie, mein ich, die Schöne, ist doch heimlich geschmeichelt.
Lass deine Auserwählte sein die entzückende Julie!

Nachdenklich sagte der Sohn: Ich weiß nicht, sind sie nur kindisch
Oder böse? Diese Kränkung sitzt tief mir im Herzen.
Nein, ich kann nicht mehr ertragen ihr Violoncello
Und ihre heuchlerischen Halleluja-Gesänge!

Da sprach Thorstens Vater laut mit zornigen Worten:


Wenig Freude wird mein Leben haben am Sohne!
Ja, ich weiß, du denkst an nichts als Verse und Reime.
Soll der Vater denn des eigenen Sohnes beraubt sein?
Wollt ich doch über den Sohn vor den stolzen Mitbürgern prahlen.
Früh schon mit leeren Hoffnungen hast du enttäuscht deine Mutter.
Wenn in der Schule übten die andern die Studien fleißig,
Hattest du anderes nicht im Sinn als Mädchen und Reime!
Hast du denn gar kein Gefühl der Bürgerehre im Busen?
Willst du nicht auch eine höhere Stellung haben im Staate?
Hätte um mich so gekümmert sich mein eigener Vater,
Wie ich um dich mich gekümmert mit Gütern und Gaben,
Aber mein Vater starb als Soldat im schrecklichen Weltkrieg,
Ja, dann wäre ich nicht nur Wirt geworden im Gasthaus,
Aber ich konnte ja kaum zwei Jahre zur Volksschule gehen!

Da erhob sich der Sohn von seinem Stuhl und bewegte


Langsam zur Haustür sich und sprach kein Wort mehr zum Vater.
Aber der Vater in Leidenschaft und Zorn rief dem Sohn nach:
Bursche, geh nur! Ich kenne dich nicht! Du bist nicht mein Sohn mehr!
Solltest du jemals mir ein arm geborenes Weibchen,
Eine Bäuerin, eine Magd mir bringen als Tochter,
Schicke das Flittchen nur fort! Ich lebe lang schon auf Erden,
Und ich weiß, wie man umgehen muss mit dem Menschengeschlechte,
Und ich weiß, wie man unterhalten muss Herren und Damen,
Dass sie zufrieden sind mit dem Braten, dem Bier, den Kartoffeln.
Meine Gäste gehen von mir mit zufriedenem Bauche
Und die Fremden schmeicheln sich meiner besten Bedienung.
Eines Tages soll mir doch eine Tochter im Haus sein,
Die mir meine Lebensmühen im Alter verzuckert.
Möge sie mir Choräle auf dem Harmonium spielen,
Möge sie sammeln im Haus die Jungfraun, die Schönsten der Schönen,
Wie sie es machen jeden Sonntag im Hause bei Holger. -
Thorsten drückte die Klinke und ging still aus dem Hause.

DRITTER GESANG

So entglitt der bescheidene Sohn dem wütenden Vorwurf.


Aber der Vater fuhr fort in dem angenommenen Tonfall:
Hat er denn keine Männlichkeit in sich, der zärtliche Jüngling?
Werde ich nicht die Freude haben, mich besser zu sehen
In dem eigenen Sohn, dass er meine Träume erfülle?
Was wird aus Haus und Stadt, wenn nicht jeder immer erneuert
Und verbessert, wie die Zeit und die Fremde uns lehren?
Nein, der Mensch soll nicht wie ein Trüffel im Erdboden kleben,
Nicht auf der Scholle vergehen, die ihn als Mutter geboren,
Sondern Spuren von sich zurücklassen kommenden Zeiten!
An dem Haus erkennt man sogleich die Seele des Bauherrn.
Wenn wir gehen durch eine Stadt, so sehn wir Personen,
Die regieren die Stadt als Bürgermeister und Ratsherrn.
Wo verfallen die Kirchtürme und die adligen Schlösser,
Wo man stattdessen Konsumtempel aufbaut dem Götzen des Geldes,
Wo zerbrochene Bierflaschen liegen auf Fußgängerwegen,
Wo der Park ist voll von Bestecken der Drogenbesessnen,
Wo rumänische Bettler in Lumpen erfüllen die City,
Wo die Häuser verfallen und werden zur Wohnung der Ratten,
Da wird der Ort nicht gut regiert von den Herrn der Parteien.
Kommt nicht Ordnung von oben, so verwildert der Bürger,
Dann geht der Bürger fast in stinkenden Lumpen der Bettler.
Deshalb will ich, dass Thorsten geht auf Reisen durch Deutschland,
Dass er sehe den Kölner Dom, das herrliche Bingen,
Rothenburg ob der Tauber, und das heilige Bayern,
Dass er sehe die Türme Tübingens, Heidelbergs Schlossburg,
Das ist alles herrlich gebaut und reinlich zu sehen.
Wer einmal sah so schöne Städte, der wird seine Heimat
Gerne verschönern, dass die Ausländer, kommend von ferne,
Loben unser herrliches Oldenburg, loben die Kirche
Und das Schloss und den Park, die klassizistischen Häuser,
Loben die Kanäle und der Innenstadt Reinheit.
Nicht umsonst war ich Ratsherr von den Sozialdemokraten
Und gewann den herzlichen Dank von heimischen Bürgern,
Tat aktiv, was ich plante, im Geist von aufrechten Männern,
Was ich entworfen, das blieb nicht unvollendet am Ende.
Endlich packte der selbe Eifer jeglichen Ratsherrn,
Alle wirkten zusammen, die Christdemokraten, die Grünen,
Liberale und Linke am demokratischen Hause.
Blumen wurden gepflanzt auf dem Damm des Heiligen Geistes,
Eine vietnamesische Bratküche füttert die Deutschen.
Aber ich habe Angst, dass unsere eigenen Kinder
Sich nicht engagieren, sie sitzen nur vor dem Bildschirm,
Hocken zuhause und hocken brütend hinter dem Ofen.
Ach, ich fürchte, auch Thorsten hockt nur noch dumpf in der Stube!
Da gab Antwort und sprach die gute verstehende Mutter:
Vater, was willst du immer den Sohn so ungerecht sehen?
Das ist nicht der Weg, deinen sehnlichen Wunsch zu erfüllen,
Dass der Sohn was Besseres werde. Wir haben die Macht nicht,
Unsere leiblichen Kinder nach eignem Geschmack zu gestalten.
Kinder sind Gottes Geschenke und Gaben des Vaters im Himmel,
Darum wollen wir lieben unsere leiblichen Kinder.
Lehren wir sie, so gut wie können, in Denken und Sitte,
Lassen wir sonst sie folgen ihrem eignen Naturgeist.
Hat doch der eine diese, der andre jene Talente,
Jeder benutze sein eignes Talent mit fruchtbarem Wucher,
Glücklich soll jeder werden auf die eigene Weise.
Ich will nicht, dass du an Thorsten die Mängel nur anschaust,
Denn ich weiß, er ist würdig einst zu ihm kommenden Erbes,
Wird ein ausgezeichneter Hausherr, ein Muster für Bürger,
Wird auch in der politischen Szene die Stimme erheben.
Aber du hältst den Geist des Burschen in Fesseln gefangen,
Täglich suchst du die Schuld an ihm und zensierst ihm sein Denken. -
Just in diesem Augenblick hat sie die Wohnung verlassen,
Eilte dem Sohne nach und hoffte, dass sie ihn fände
Und mit eigenen Worten der Liebe ihm zujubeln könne,
Ihrem ausgezeichneten Sohne, der voll von Verdienst war.

Als sie fort war, sprach also der milde lächelnde Vater:
Was für ein Volk sind die Frauen! Genau wie die lieblichen Kinder,
Kinder und Frauen wollen leben nach eignem Gefallen,
Während wir Männer nichts tun, als zu loben, zu schmeicheln.
Immer gilt doch das vertrauenswürdige Sprichwort der Alten:
Wer nicht voran schreitet, der geht zurück im geistigen Leben.

Darauf gab Antwort und sagte Ariadne, die Schöne,


Nachdenklich und empfindsam, wahrlich mit englischer Güte:
Johann, mein alter Freund, mit dem Geld ist das so eine Sache.
Was denn nutzt auch das Erbe, wenn der Staat alles einzieht,
Wie ich es oft erfahren von meinen Herren, den Kranken?
Überhaupt ist das Bauen des Lebens auf Geld-Fundamenten
Wie das Bauen im Moor, das Bauen auf sinkendem Müllplatz.
Ist nicht der Gott des Geldes heute der scheußlichste Götze?
Aber er wird gestürzt, wie die monopolistischen Banken
Ja schon gestürzt die Wirtschaft der Welt in die schrecklichste Krise,
Denk nur ans heilige Griechenland und die wachsende Armut.
Aber noch steht mein Haus in schöner modischer Kleidung,
Da die Fenster bemalt sind wie die Fenster der Kirchen.
Aber sieh dir das Haus in der Nachbarschaft an und bedenke,
Wie ein schlechter Geschmack bemalt mit Blau dort die Bäume.
Schön vor allem find ich die Kirchenfenster Sankt Peters,
Das ist noch einmal eine Kathedrale der Schönheit.
Schönheit lieb ich zumeist und möchte auch wohnen in Schönheit.
Dazu verhilft das Geld nun nicht, geschmackloser Mammon
Baut nur Tempel des Mammon, wie die Hochhäuser Japans.
So ist mein Garten auch berühmt in der Umgegend, jeder
Flüchtling blieb stehen und schaute durch die Wildrosenpforte,
Sah die Anadyomene sich baden im Teiche,
Sah die Geißblattlaube, da wurde Kaffee getrunken,
Alle Beete in schöner Ordnung, Vergissmeinnicht, Poppie,
Iris der heimlichen Liebe und die purpurne Malve,
Fruchtbar der Hibiskus und schön zu Ostern der Krokus,
Selbstverliebte Narzissen und die Tulpen aus Holland,
Schmetterlingsflieder mit den verliebten Zwiefalter-Pärchen,
Der Holunderbaum und mit Pagoden Kastanien,
Wo die Turteltaubenpärchen spreizen die Schwingen,
Picken den Busen und turteln, dass krachen die Gipfel der Tannen,
Pfingstrosen künden an ein neues Pfingsten der Liebe,
Weiße und rote und goldene Rosen verehren Maria.
Und dann denk an die Möbel in meinem Haus, die antiken,
Friesische Uhren aus uraltem Holz und mit goldenen Glocken,
Atlas darauf, der muss die Leiden der Erde ertragen,
Und die drei Schwestern, Glaube und Hoffnung und Liebe, die schönste,
Sieh das antike Klavier mit den Schnörkeln am Rande
Und das antike Harmonium mit dem pechschwarzen Holze,
Restaurierte Stühle auch mit Jugendstil-Zierrat,
Auch aus chinesischem Porzellan zwei Prinzessinnen wachen
Über die Zeit, doch sind die Zeiger stehen geblieben.
Aber vor allem lieb ich den Erzengel Raphael, Schutzgeist
Jeden Arztes, des Heilands, der nicht gekreuzigt muss werden,
Jahwe ist dein Arzt, bedeutet der Name des Engels.

VIERTER GESANG

Ariadne und Gudrun und Johann sprachen noch weiter.


Aber Doris, die Mutter, suchte den Sohn vor dem Hause,
Auf der Terrasse, wo er sonst seinen Tabak geraucht hat.
Als sie ihn dort nicht fand, ging sie weiter in die Garage,
Wo er oft sein Fahrrad reparierte und putzte,
Auch das Fahrrad der Mutter pflegte der Sohn mit Besorgnis.
Aber der kleine Junge der Nachbarschaft sagte der Mutter,
Thorsten sei mit dem Fahrrad gefahren, er wollte zum Schlosspark.
Doris setzte sich auf ihr Fahrrad und trat die Pedalen,
Ließ die Garage hinter sich, verließ ihren Garten,
Freute sich an den Bäumen mit Äpfeln, den Bäumen mit Birnen,
Freue sich an den Bäumen mit Pflaumen, den Bäumen mit Kirschen,
Hielt kurz an und pflückte sich eine Erdbeer vom Strauche.
Und sie sah mit Besorgnis auch die Schnecken im Kohlbeet,
Und beschloss, etwas Bier zu opfern den gierigen Schnecken,
Dass sie ersaufen im Bier und lassen den Kohlkopf in Ruhe.
Weiter fuhr sie nun und sah die Blutbuche rötlich,
Einen uralten Baum, der stand an der Grenze des Gartens.
Angelehnt war die Gartentür, die Mutter fuhr weiter,
Fuhr vorbei an der Mauer der Stadt, am Pulverturm, welcher
Nah dem Theater stand, dem Tempel der heiligen Musen.
Und sie hielt vor der Weinhandlung, welche Veritas hieß, und
Dachte, ob sie dem Vater Johann kauf eine Flasche.
Dieser mochte zu Feiertagen die Weinflasche öffnen,
Meistens trank er den Cabernet Sauvignon, der aus Chile
War gekommen, er mochte den Merlot nicht sehr gerne,
Aber sein Lieblingswein war doch Bordeaux aus dem Süden
Frankreichs. Johann liebte italienischen Wein nicht,
Doris dagegen liebte besonders den spanischen Rotwein,
Gran Reserva, die Flasche umwunden mit goldenen Fäden,
Spanien nämlich war Doris immer das Land ihrer Seele.
Zwar sie liebten ihr deutsches Vaterland, wie sich gebührte,
Da der Herr gebot: Du sollst Vater und Mutter verehren,
Aber was den Wein betraf, so waren sie deutsch nicht,
Sie verachteten Nacktärschel, Dompfaff und andre Gesöffe,
Liebten allein die mediterranen Trauben des Bacchus.
Aber die Mutter dachte wieder an Thorsten, den Lieben,
Rief ihn dreimal, da schallte vom Schloss die Echo, die Nymphe.
Seltsam war es für Doris, ihren Thorsten zu suchen,
Weil er nie noch gegangen war in weitere Ferne,
Seiner liebevollen Mutter nie Sorgen zu machen.
Doris hoffte noch immer, wenn sie weiterfuhr radelnd,
Sollte sie finden den Sohn. Die Tür zum Schlosspark stand offen.
An der Seite des Schlossparkes floss die bräunliche Haaren,
Da mit Tretbooten fuhren scherzend Väter und Söhne.
Hier im Schlosspark ward auf dem Festival immer im Sommer
Shakespeares Sommernachtstraum gespielt, Titania herrschte
Hier im Garten über die Glühwürmchen, über die Elfen.
Auf der Wiese im Schlosspark saßen die heidnischen Trommler,
Frauen spielten Gitarre und Männer rauchten die Pfeife
Wohl mit Haschisch gefüllt, dem Sakramente des Satan.
Abseits aber saß Thorsten am Teiche mit Seerosenblüten,
Saß und sann und stützte den Kopf mit tröstenden Händen,
Wie vom Kummer gebeugt. Die Mutter fühlte ein Mitleid.
Leise lehnte ihr Fahrrad sie an die Eiche, die deutsche,
Trat dann leise zu ihm und berührte leicht seine Schulter,
Schnell er wandte sich um, da waren Tränen im Auge.

Mama, wie hast du mich überrascht, sprach er in Verwirrung,


Eilig wischte der Jüngling die Tropfen vom weinenden Auge.
Aber die Mutter sprach: Ich finde dich weinend, mein Lieber?
Nein, das bist du nicht selbst, ich hab dich nie so gesehen.
Sag mir, was beschwert so dein Herz! Was trieb in den Park dich,
Dass du am Seerosenteiche sitzt in trister Besinnung?
Wer oder was hat dir gebracht die Tränen ins Auge?

Der sich gesammelt, der sprach, der ausgezeichnete Jüngling:


Teure Mama, ich denk an die Katastrophen der Erde,
Sechzig Millionen Flüchtlinge aus der Heimat vertrieben,
Islamistischer Terror und der Zank der Muslime
Zwischen Shiiten und Sunniten plagen die Völker,
Ob der Iran der Shiiten oder Arabiens Saudis
Und die Sunniten herrschen im islamischen Hause des Friedens,
Wer von ihnen unterwirft die Juden und Christen,
Das bringt Unfriede nur, wie Mohammed auch mit dem Schwerte
Seine Religion verbreitet und Juden ermordet,
Militärisch erobert hat den christlichen Osten,
Wie jetzt die Terroristen danken dem Satan auf Knieen,
Wenn sie vergewaltigen dürfen ein christliches Mädchen
Oder ein jessidisches Mädchen der elenden Kurden,
Nach der Vergewaltigung danken sie wieder dem Satan,
Ihrem Gott, dass er den Männern die Wollust gewährte,
Teure Mutter, was ist mein bisschen teutonisches Träumen
Oder teutonisches Denken oder teutonisches Dichten
Angesichts der Flüchtlingsströme, von Kriegen und Terror?
Gegen die schrecklichen Männer, die wie Heuschreckenschwärme
Überfallen den Garten Eden an Babylons Strömen,
Fressen die Menschen und lassen zurück nur Trümmer und Wüste,
Die sie die Knaben auch zum Selbstmord mit Bomben bewaffnen,
Prediger mit sehr langen Graubärten predigen Hass nur,
Wie der leibhaftige Gott des Todes, der Hölle, der Teufel
Triumphiert auf Erden, und ich bin fast schon verzweifelt!
Ach dann möchte ich Krieger sein, ein Kreuzritter Christi,
Möchte mit einem Maschinengewehr nach Afrika gehen
Und den Terroristen die christlichen Kinder entreißen,
Die sie entführten und vergewaltigten christliche Mütter,
Möchte als Partisan dann in der irakischen Wüste
Kämpfen mit der Armee der guten Kurden und Christen
Gegen das Kalifat des Terrors, die Sklaven des Satan,
Möchte Geheimagent werden und dem jüdischen Volke
Dienen als Schutz und Schirm in einer bedrohlichen Umwelt,
Möchte zum deutschen Heere, zur Bundeswehr Deutschlands,
Und als Soldat in den Freiheitskrieg nach Afghanistan gehen!
Oder ich möchte in Deutschland den armen Flüchtlingen helfen,
Refugees welcome! schreiben an alle Mauern und Tore,
Möchte mit evangelischen und katholischen Christen
Und mit allen Menschen mit gutem Willen im Herzen
Sorgen für die Flüchtlinge, dass sie haben zu trinken,
Dass sie haben zu essen und Kleider, ein Dach überm Kopfe,
Möchte sie unterweisen in der germanischen Sprache
Und sie freundlich grüßen: Salam aleikhum! God bless you!
Und sie würden lächeln, die Schwarzen, die glauben an Gott noch.
Und ich möchte dann Reden verfassen, politische Reden,
Feurige Zungenreden, gegen die ekligen Nazis,
Gegen den scheißbraunen Pöbel und gegen die grausamen Skinheads,
Kämpfen gegen Populismus und Nationalismus!
Teure Mutter, ich will wie David ein Krieger des Herrn sein!

Darauf mit intelligenten Worten sagte die Mutter,


Während von ihren Wimpern tropften die traurigen Tränen:
Söhnchen, welche Veränderung hat deine Seele ergriffen,
Dass du nicht mehr sprichst wie gestern Worte des Friedens?
Immer doch hast du deine Mutter dein Herz ausgeschüttet
Und verkündet dein Verlangen. Ein Anderer, hätte
Er dich gehört, der hätte deine Worte gerühmt wohl,
Irregeführt durch deinen Ton und die feurige Zunge,
Aber ich, ich muss dich tadeln. Verschweige dein Herz nicht,
Deine Gedanken sind nicht so wie die Masken der Worte.
Nun, ich weiß, dich ruft nicht die Trommel, nicht die Posaune,
Nicht willst du in Uniform mit den Soldaten marschieren.
Da du friedlich gesonnen bist, ist es deine Berufung,
Hier im Lande zu bleiben und zu nähren dich redlich,
Eine Familie zu gründen, zu lieben die Frau und die Kinder.
Sag mir also ehrlich: Was denkt dein Herz dir im Busen?

Ernst gab Antwort der Sohn: Du täuschst dich, liebliche Mama,


Eine Zeit ist nicht wie die andre, vom Jüngling zum Mann bin
Ich herangewachsen nun zu ruhiger Reife,
Lebe nicht im Tumult der Leidenschaften wie andre
Und in der Wollust, die schon manchen Jüngling verdorben,
Wenn sie Bäumchen-wechsle-dich spielen und hüpfen wie Falter
Immer von Blume zu Blume, Nektar vom Kelche zu naschen,
Nein, mein Herz verabscheut diese sündige Unzucht.
Meine Glieder sind trainiert durch den Sport auf dem Fahrrad
Und mein Geist ist erleuchtet durch das Denken und Beten.
Ja, ich traue mir zu, durch dieses Leben zu schreiten.
Nun, du redest von der Vernunft so weise, o Mutter,
Und du hast mich durchschaut und redetest Worte der Liebe.
Ja, ich bekenne: Es ist nicht Flucht und Bürgerkriegsterror,
Was mich von Zuhause vertreibt, die Strenge des Vaters
Ist es und sein kaltes Herz für die Armut der Frauen.
Ach, meine liebe Mama, ich will mein Herz offenbaren,
Wie ich mich sehne nach Liebe und mich sehne vergeblich,
Wie mir ein eisernes Schicksal alle Wünsche verweigert,
Wie ich enttäuscht von dem Leben mein Leben verbringe.
Da will ich vom Kummer der Liebe mich selber erlösen,
Mama, indem ich als Patriot das Vaterland liebe.

Zögere nicht, so sprach die kluge gebildete Mutter,


Alles mir zu erzählen, das Kleinste, wie auch das Größte.
Menschen sind immer hastig, ihre Gedanken zu äußern
Bis zu dem äußersten Ende, die immer laufen in Eile.
Leicht vom Kurs ab werden die Eilen aber gewendet
Durch ein Hindernis. Frauen sind klug, auf ein Mittel zu denken,
Und sie werden es immer auf Umwegen wagen, geschickt sein,
Ihren Wunsch zu erreichen und das Objekt der Begierde.
Lass mich wissen, warum du so aufgewühlt bist in der Seele!
So hab ich dic bisher nicht gekannt. Das Blut fließt so heftig!
Warum gegen deinen Willen träufeln dir Tränen?

Da gab der arme Junge sich ganz seinem Kummer hin, weinend
Lag er am tröstenden Busen seiner heiligen Mutter,
Und er gab Antwort gebrochen: Wahrlich, die Worte des Vaters
Haben mich verletzt, die Worte, die ich nicht verdient hab,
Heute nicht, noch zu irgend einem anderen Zeitpunkt,
Denn es war früh meine heilige Pflicht, die Eltern zu ehren.
Keiner wusste mehr vom Leben, so dachte ich immer,
Keiner war reicher an Altersweisheit, so dachte ich immer,
Als die Eltern, die mich gezeugt und hatten mit Strenge
Mich erzogen die Zeit meiner Kindheit, die seligen Tage.
Vieles von meinen Spielkameraden ertrug ich in Wahrheit,
Doch ward mein Wohlwollen, das ich ihnen bereitwillig schenkte,
Oft mit Bosheit erwidert. Oft hab ich Schläge erduldet,
Um nicht verspottet zu werden als ein frömmelnder Feigling.
Aber wenn sie es wagten, meinem Vater zu spotten,
Wenn er sonntags spazieren ging mit der Frau in den Armen,
Würdiger Haltung, wenn sie seine Mütze verhöhnten
Oder die maritime Anstecknadel der Mütze,
Die er so stolz getragen wie einen Orden des Kaiserrs,
Drohend erhob ich die Faust und war bereit, mich zu prügeln.
Kam es zum Kampf, so schlug ich ihnen blutig die Nase.
Als ich älter geworden, da hatte ich viel zu ertragen
Von der Strenge des Vaters, gewaltsamen Worten, gerichtet
Eher an mich als an die andern, die schuldiger waren.
So der Parteivorstand der Sozialdemokraten geärgert
Hatte meinen Vater, ich musste den Ärger ertragen.
Hast du nicht Mitleid gehabt mit mir, dem gezüchtigten Sohne?
Vieles hab ich gelitten. Doch denk ich immer noch herzlich
Und mit Respekt an die Großmut der Eltern, der Fürsorge Mühe,
Gaben und Güter mir zu bescheren und reinliches Hochdeutsch
Und die Ehrfurcht vor Gott, der Großmutter lag sie am Herzen,
Und der Vater verstand die Klugheit, Vermögen zu sparen
Für den Sohn. Doch leider! Zu sparen, um später zu ernten
In der ungewissen Zukunft, das macht nicht glücklich,
Haufen auf Haufen und Haus auf Haus, das macht uns nicht selig,
Wen es auch schön ist, wenn man nicht leiden muss Elend und Hunger.
Auch der Vater wird alt und älter wird auch der Sprössling,
Soll ich die Sorgen von morgen tragen, mit Sorgen mich plagen,
Und die Freude des Tages verlieren, die seltenen Freuden?
Schau den Obstgarten an, das Maisfeld, des Weinkellers denke,
Fruchtbar ist die Mutter Natur und Gott ist uns gnädig!
Aber seh ich das Fenster meines Zimmers im Hause,
Ach, wie oft hab ich nachts da gelegen, den Mond angeschmachtet,
Oder die Sonne ersehnt, den einzigen Engel der Erde!
Wenige Stunden Schlaf nur gönnte der Mohn mir des Traumgotts,
Alles erschien mir einsam, Haus und Garten und Wäldchen,
Wie eine Wüste, die schmachtet nach der Liebe der Frauen!

Darauf sprach die Mutter und gab so Antwort mit Klugheit:


Ach mein Lieber, dein Wunsch ists, eine Braut in dein Zimmer
Heimzuholen, die Frau als die andere Hälfte des Kosmos,
Dass du selbständig lebst ein eigenes Leben in Freiheit.
Das ist auch der Wunsch deiner Mutter und auch deines Vaters.
Ja, wir haben oftmals beraten, wir du dir gewinnen
Könntest eine Jungfrau von Tugend, Frömmigkeit, Schönheit.
Aber ich bin mir gewiss, und jetzt ist die Stunde gekommen,
Die Entscheidung für deine Zukunft ist schon gefallen,
Siehe, wir hatten nur Angst, du könntest die Falsche dir wählen.
Was soll ich sagen, mein Sohn, ich glaube, du hast dich entschieden,
Denn dein Herz ist gerührt und mehr als zärtlich geworden.
Sprich es nur offen aus, da schon es weiß meine Seele,
Die mit dem Flüchtlingsstrom in unser Oldenburg kam, die
Hast du erwählt zur Lieben Frau, die syrische Jungfrau.

Du hast wahr gesprochen, o Mama, gab Thorsten zur Antwort,


Ja, sie ist es, und wenn ich sie heute als Braut mir nicht hole
In mein Haus, dann wird sie von mir gehen für immer,
Tief verloren in der Verwirrung von Krieg und von Terror.
Mama, für immer umsonst dann würde der reiche Besitz mir
Fruchtbar gedeihen, die Jahreszeiten kommen vergebens.
Ach wie abscheulich wäre mir dann das Haus und der Garten,
Sogar die Mutterliebe wird mir den Kummer nicht trösten.
Jede Bindung, so fühl ich im Herzen, gelöst wird durch Liebe,
Wenn die Liebe die eigene Bindung sicher befestigt.
Nicht nur das Mädchen allein verlässt den Vater, die Mutter,
Um dem Manne zu folgen, den sie von Herzen erkoren,
Auch der Jüngling weiß nichts mehr von den eigenen Eltern,
Wenn er die Jungfrau sieht, die einzig Geliebte des Herzens,
Wenn sie von ihm verschwindet. Leide mit mir, o Mama,
Wohin auch immer die Verzweiflung mit treiben wird rastlos,
Da der Vater selbst gesprochen entscheidende Worte,
Da sein Haus mir nicht mehr gehört, da er ablehnt die Jungfrau,
Die ich allein will bringen als Braut ins Haus meiner Mutter.

Darauf gab Antwort schnell die gute vernünftige Mutter:


Ach wie zwei Felsen stehen sich oft zwei Männer entgegen!
Stolz und unbeweglich, keiner naht dem Gefährten,
Keiner rührt seine Zunge, das Wort der Versöhnung zu sprechen.
Darum sage ich dir, mein Sohn, noch lebt mir im Busen
Hoffnung, denn ist das Mädchen ehrlich und gütig und fromm auch,
Wird der gnädige Vater deine Verehrung gestatten,
Auch wenn er ein strenges Urteil gefällt hat im Zorne
Über die armen Weiber, die kommen, um Gaben zu betteln.
Vieles sagt der Vater in seiner heftigen Rage,
Was er dann niemals tut, weil er erbarmt sich von Herzen,
Was er zuerst verneint, dem wird er zustimmen schließlich.
Aber er braucht ein freundliches Wort von dem eigenen Sohne
Und hat Recht, ein freundliches Wort vom Sohn zu verlangen,
Er ist der Vater nach dem Vaterherzen des Höchsten!
Außerdem wissen wir doch, dass sein Zorn nach dem leckeren Essen
Nichts bedeutet, wenn er hastig redet und wütend
Und in Frage stellt die Meinungen aller der andern,
Und die volle Stärke seines gewaltsamen Willens
Wird erregt durch den spanischen Rotwein, der ihn die Sprache
Anderer Menschen nicht achten lässt, er sieht sich nur selber.
Aber jetzt ist es Abend, und es sind schöne Gespräche
Schon geführt zwischen ihm und Ariadne und Gudrun
Über verschiedene Themen, über Gott und die Welt auch.
Ich bin sicher, jetzt ist sein kleiner Zorn schon vorüber,
Und er fühlt, wie ungerecht ihn die Leidenschaft machte
Gegen die andern. Komm nun, lass es uns wagen. Erfolg kommt
Zu den Mutigen! Weiter brauchen die Freundinnen auch wir,
Unsre studierte Pastorin und die heilsame Ärztin,
Die noch immer zusammen mit ihm sitzen am Tische,
Und besonders Gudrun wird von Herzen dir beistehn.

So sprach eilig die Mutter, und vom Schlossparke Thorsten


Folgte der Mutter bereitwillig. Schweigend fuhren die beiden
Mit den Rädern wieder vom Schlosspark zum eigenen Hause.

FÜNFTER GESANG

Hier war Johann noch im Gespräch mit der lieblichen Ärztin


Ariadne und der Pastorin, der heiligen Gudrun,
Und die Rede ging noch über die Zukunft des Sohnes,
Und sie bewegen das Thema hin und her, es bedenkend.
Aber mit ihrer weisen Güte sprach die Pastorin:
„Ich will nicht widersprechen deiner Ansicht, o Johann.
Siehe, ich weiß, die Menschen streben stets nach dem Bessern,
Wahrlich, wie wir sehn, er will immer zu höheren Gütern,
Und wenn nicht zu besseren, dann doch zu neueren Dingen.
Aber sei vorsichtig, geh nicht zu weit, denn die Mutter Natur gibt
Uns auch unser Vergnügen an bestehenden Dingen
Und wir halten fest das Vertraute mit unserem Herzen,
Dass wir uns freuen an dem, was wir schon lange gewöhnt sind.
Alles ist gut, was auf Vernunft und Glauben gegründet.
Viele sind die Wünsche des Menschen, doch wenig nur braucht er,
Denn die Tage sind kurz und begrenzt ist das Schicksal des Menschen.
Niemals werde ich tadeln den Mann, der ein Kaufmann will werden,
Tätig im Handel der Erde, einer globalisierten,
Der im Austausch steht mit Amerika oder mit China,
Wenn er sich bescheidenen Wohlstands freut mit den Seinen,
Seine Frau liebt und anständig seine Sprösslinge großzieht.
Aber auch verachte ich nicht den arbeitenden Bauern,
Der den Boden bearbeitet in den Tages des Frühlings
Und im Herbst die Ernte einfährt am Erntedankfeste.
Nicht in Eile streckt sich der Baum, sobald er gepflanzt ist,
Ausgewachsene Arme zum Himmel streckend mit Blüten,
Sondern der Mensch braucht Geduld, das ist die Lehre der Weisheit,
Zu dem Menschen gehören Ruhe und Klarheit des Geistes
Und ein reines und rechtes Verständnis von Himmel und Erde.
Wenige sind der Samen, die der fleißige Bauer
In den alle ernährenden Busen der Erde, der Mutter,
Sät und wenige sind der Geschöpfe, die er zu lieben
Und zu züchten versteht. Er denkt auf nützliche Dinge.
Glücklich, wem von Natur ein solcher guter Humor ward,
Nämlich der Bauer ernährt uns alle mit Brot und mit Braten.
Aber glücklich preise ich auch den stilleren Bürger,
Einen Angestellten, der im Büro ist beschäftigt,
Der nicht so mühselig schaffen muss wie der Bauer der Erde,
Der auch nicht den Ehrgeiz hat des handelnden Kaufmanns,
Und besonders Frauen und Töchter arbeiten gerne
In den Berufen des Lebens, werden zum Segen der Menschen.
Darum sei gesegnet mein Sohn im Leben der Arbeit,
Und gelobt sei die Frau, die eines Sinnes mit ihm ist,
Die er eines Tages sich wählen wird zur Gemahlin.

Also sprach er und hatte knapp geendet, als Doris


Eintrat mit dem Sohn an der Hand und sprach zu dem Gatten:
Liebling, sprach sie zum Manne, wie haben wir oft uns beredet,
Haben uns schon gefreut an Thorstens kommender Hochzeit,
Wenn er eine Braut führt heim in unsere Wohnung!
Immer wieder haben wir nachgedacht über die Zukunft
Unseres Sohnes mit dem Klatsch der plaudernden Eltern.
Aber jetzt ist gekommen der Tag! Nun endlich der Himmel
Hat ein Mädchen zu ihm gebracht und die Schönheit gezeigt ihm,
Jetzt hat sein Herz entschieden. Sagten wir denn nicht immer,
Dass er selber sollte wählen in eigener Sache?
War es nicht dein Wunsch auch, dass er mit Zuneigung lebhaft
Hingezogen sich fühle zu einer lieblichen Jungfrau?
Nun ist die Stunde gekommen, auf die wir hofften, mein Liebling.
Ja, er hat gefühlt und gewählt und männlich entschieden.
Diese Jungfrau ist es, die ihm heut morgen begegnet,
Jene syrische Christin. Sag, er könne sie haben,
Sonst, wie er schwört, wird er sein Leben lang zölibatär sein!

Gib sie mir, Papa, sagte der Sohn zum heiligen Vater,
Sicher gewählt hat mein Herz, sie ist die Beste der Töchter!

Aber der Vater war stumm. Da hob sich die heilige Hirtin
Gudrun, ergriff das Wort und sagte: Der Augenblick ist es,
Der entscheidet. Fixiert ist doch das Leben der Menschen
Und es setzt sich durch mit Macht sein künftiges Schicksal.
Lange wird beraten, aber des Augenblicks Arbeit
Muss die Entscheidung sein. Der Weise allein kennt den Kairos.
Immer ist es gefährlich, sich mit andern vergleichen,
Wenn wir treffen die Wahl, wir so nur die Gefühle verwirren.
Thorsten ist rein. Von Kindheit an hab ich gekannt den Getauften,
Niemals als Knabe wollte er dieses und jenes erhaschen,
Was er wünschte, war auch für ihn das Gute und Beste,
Und er hielt daran fest. So musst du dich nicht verwundern,
Was du dir lange gewünscht hast, eine Braut deinem Sohne.
Es ist wahr, dass die gegenwärtige Frauen-Erscheinung
Nicht die Form deiner Wünsche trägt, wie du dirs gedacht hast,
Unsere Wünsche verbergen oft vor uns selbst die Objekte,
Die wir wünschen. Geschenke kommen von oben in Formen,
Wie sie der Himmel bestimmt. So missversteh nicht die Jungfrau,
Die jetzt von deinem guten und klugen Sohne geliebt wird!
Glücklich der Mensch ist, dem die Erste Liebe die Hand gibt
Und in dessen Herz nicht schmachten vergebens die Wünsche.
Seine ganze Haltung versichert mir, dass jetzt sein Schicksal
Ist entschieden. Wahre Liebe reift im Momente
Und der Jugendliche reift heran zu der Männlichkeit Stärke.
Er ist nicht leicht zu bewegen. Ich fürchte, wird sie ihm verweigert,
Wird seine Jugend ihm traurig vergehen, die sollte doch schön sein.
Nachdenklich Antwort gab drauf Ariadne, die Ärztin,
Deren Zunge seit langem schon gezittert von Worten:
Bitte, lasst uns wie immer den goldenen Mittelweg gehen.
Eile langsam! Das war das Motto des Kaisers Augustus.
Ich bereitwillig stelle mich zur Verfügung dem Nächsten,
Bin bereit, ihm zu tun, was ich tun kann mit schlichtem Verständnis.
Denn die Jugend braucht vor allem die weisere Führung.
Lass mich also gehn, dass ich untersuche die Jungfrau,
Dass ich frage die Leute, da sie lebt, die sie kennen.
Es ist nicht einfach mich zu betrügen. Ich kenne den Wortsinn.

Drauf gab Antwort mit geflügelten Worten der Jüngling:


Tu das, kluge Ärztin, geh und erkundige dich nur,
Aber ich würde froh sein, wenn unsere Dienerin Gottes
Mit dir verbunden wäre in der klugen Besorgung,
Zwei solche auserkorenen Frauen sind fehllose Richter.
Oh mein Vater, glaub mir, sie ist keine wandernde Hure,
Eine von denen, die nach Abenteuern nur suchen,
Unerfahrene Jünglinge fangen mit Netzen der Wollust.
Nein, das schwere Schicksal des Krieges in Syrien, dieser
Universelle Zerstörer, der die Erde erschüttert
Und die Fundamente der Erde erbeben macht, der hat
Dieses arme Mädchen geschickt in die deutsche Verbannung.
Wandeln jetzt nicht auch vornehme Männer im solchem Exile?
Sie ist auch die Beste unter allen den Schwestern,
Die vertrieben sind von Zuhause in die Verbannung,
Sie vergessen alle ihre persönlichen Sorgen.
Sie ist andern ergeben, und mit Kraft ist sie hilfreich,
Hat sie auch selbst keine Hilfe, und ist trostloser Tröster.
Groß ist die Not und das Leiden gebreitet über die Erde!
Soll nicht ein Glück auch entstehen aus diesem Bürgerkriegsterror?
Soll ich nicht in den Armen der Frau, der treuen Genossin,
Freudig schaun auf den Krieg, der solchen Frieden mir brachte?

Da sprach der Vater in einem strengen Ton der Entscheidung:


Seltsamerweise ist deine Zunge gelockert jetzt worden,
Sohn, vor einigen Jahren schien sie gelähmt in dem Munde
Und nur mit Zwang zu bewegen! Ich muss heute erleben,
Wie es scheint, was alle Väter bedroht in dem Hause,
Dass die Mutter eigensinnig zu gütig zum Sohn ist,
Immer nachsichtig ist und immer zärtlich besorgt ist.
Alle Nachbarinnen sind solidarisch mit Mama,
Gilt es, etwas zu unternehmen gegen den Vater.
Aber geht nur, Gudrun und Ariadne, im Namen
Gottes, bringt mir die Tochter. Aber will sie nicht kommen,
Dann soll mein Junge Thorsten nicht mehr denken ans Mädchen.

Also der Vater. Der Sprössling rief mit freudigem Geiste:


Es ist Abend. Die edelste Tochter wird zu dir kommen,
Dass zufrieden sein muss ein Mann mit gesundem Verstande.
Glücklich, ich wag es zu sagen, wird sein die erkorene Jungfrau,
Ja, sie wird hier noch einmal finden Vater und Mutter.
Ich will nicht mehr warten, ich nehme das schnelle Motorrad,
Unsere Freundinnen Ariadne und Gudrun zu führen
Auf dem Weg zu der Jungfrau, meiner schönen Geliebten,
Dass die Frauen handeln nach ihrer Weisheit des Herzens.
Ich verspreche, zu tun, was diese Frauen empfehlen.
Bis ich die Jungfrau mein nenne, will ich sie nicht mehr schauen. -
Und er ging fort. Die anderen blieben im ernsten Gespräche,
Schneller Zungen, in Anbetracht ihres großen Geschäftes.

Thorsten eilte zur Garage, zum schönen Motorrad,


Füllte Benzin in den Tank und prüfte das Öl des Motores,
Legte die Lederklamotten an und setzte den Helm auf,
Startete das Motorrad, da kamen die heiligen Frauen
Ariadne und Gudrun und setzten sich in den Fiat,
In das Auto der lieben Pastorin, Gudrun am Lenker,
Und so fuhren die drei nun schnell zum Heiligen-Geist-Damm,
An der Lamberti-Kirche vorüber, am Tempel der Musen
Auch, am klassischen schönen Theater, fuhren die Straße
Zu der Universität, dem Lehrstuhl der Weisheit,
Fuhren zum Gelände der Bundeswehr, friedlichen Zwecken
Dienend, zum Sammellage der armen Flüchtlinge, welche
Auf den Plätzen saßen unter Kastanienbäumen.
Hier nun hielt Thorsten das Motorrad, es hielt auch der Fiat.

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