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Peter Wassermann

I smael oder I saak ?


D ie heilsgeschichtliche D eutung der
S öhne A brahams

KONFLIKT DER RELIGIONEN Judentum, Christentum und Islam, im


Vordergrund, die über die Jahrhunderte
In unserem Zeitalter der Globalisie- hinweg miteinander gekämpft haben,
rung, erleben wir immer mehr eine weil jede den absoluten Wahrheitsan-
Auseinandersetzung zwischen den Re- spruch erhoben hat.
ligionen und Kulturen dieser Erde. Um
diesen Spannungen zwischen diesen Dieser Konflikt beherrscht heute die
Religionen und Kulturen entgegen zu Weltpolitik, da die islamische Welt ein
wirken, versucht die Politik das Prinzip reli­giöses Problem damit hat, den Ju-
der Toleranz und Gleichberechtigung den das Land Israel zuzusprechen. 1,5
durchzusetzen. Milliarden Muslime hadern mit knapp
15 Millionen Juden, d.h. mit nur einem
Bei der Lösung dieser Frage geht es aber Prozent ihrer Gesamtzahl, die den An-
nicht darum, welche Offenbarung von spruch erheben, das Land Palästina
Gott kommt, sondern wie Konflikte auf physikalisch besitzen zu dürfen, laut
unserem Globus minimalisiert werden der Verheißung Gottes in der Torah.
können. Der Wahrheitsanspruch einer
Religion, die von der postmodernen Dieser Anspruch erhebt die juristische
Gesellschaft inzwischen nicht mehr als Frage, wer nun der legitime Segensträ-
eine Offenbarung betrachtet wird, wird ger der Verheißungen Gottes ist. Bei-
immer mehr in den Hintergrund gestellt de, sowohl Juden wie auch Muslime,
oder gleichgeschaltet, damit kein Konf- führen ihren Anspruch jeweils auf den
likt mit Anders-Denkenden oder -Glau- Segen Abrahams zurück, weil sie sich
benden entstehen kann. Die Tatsache, als seine Nachkommen verstehen. Da-
dass dadurch viele Menschen nicht mehr rum spricht man von den sogenannten
unterscheiden können, was nun die wah- „Abrahamitischen Religionen“, mit dem
re Offenbarung Gottes ist, die von Gott Ziel, alle Seiten, die sich in irgendeinem
kommt, und was menschliche Erfindung Verhältnis zu Abraham sehen, auch die
ist, die falsch ist, scheint – geistlich ge- Christen, durch Gleichstellung in dieser
sprochen – den Sieg des Satan in seiner Auseinandersetzung zu besänftigen.
Grundeigenschaft als Durcheinander-
werfer (gr. Diabolos, heb. Shin-Tet-Nun) In diesem Vortrag werden wir nicht
dabei nur zu beschleunigen. die Frage der Legitimität der „Abraha-
mitischen Religionen“ behandeln - sie
In diesem globalen Konflikt stehen würde ohnehin den Rahmen dieses
die drei monotheistischen Religionen, Vortrags sprengen - sondern lediglich
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den beiden theologischen Fragen nach- Zum Zeitpunkt als Abraham den Befehl
gehen: Gottes erhielt, hatte er sich bereits in
a) Was sind die Gründe dafür, dass Haran aufgehalten, das sich im nördli-
Gott den Sohn der Sarah, Isaak, den chen Gebiet des Zweistromlandes – der
Zweitgeborenen des Abraham, an- heutigen Ost-Türkei - befindet und am
stelle Ismael, seinen erstgeborenen östlichen Ufer des Euphrat-Stroms liegt.
Sohn, als Segensträger erwählte, Denn Abrahams Vater, Terach, war be-
und reits zuvor mit der Familie aus Ur in
b) welche Konsequenzen hat diese Chaldäa nach Haran ausgewandert
heilsgeschichtliche Tatsache für (Gen. 11,31-32).
unseren christlichen Glauben?
1.1. Beide Söhne in Kanaan geboren
Bei dieser Fragestellung ist nicht nur Somit erging der Befehl Gottes an Ab-
das Thema der „Vorerwählung“ Isaaks raham, diese Auswanderung zu vollen-
durch Gott zu bedenken, sondern wir den, und sich über den Euphrat hinweg
wollen auch die „Hintergründe“ be- nach Kanaan zu begeben, das „westlich“
leuchten, die zu dieser Vorerwählung des Euphrat-Stroms liegt (die Levante):
geführt haben. 12,1 Und der HERR sprach zu Ab-
ram: Geh aus deinem Vaterland und
Ohne diese Differenzierung der Frage- von deiner Verwandtschaft und aus
stellung zur Erwählung Isaaks als den deines Vaters Hause in ein Land,
Segensträger im Alten Bund, kann eine das ich dir zeigen will.
Diskussion über die heilsgeschichtli- 12,2 Und ich will dich zum großen
chen Konsequenzen und die Gleichstel- Volk machen und will dich segnen
lung aller monotheistischen Religionen, und dir einen großen Namen ma-
nicht sachlich geführt werden. chen, und du sollst ein Segen sein.

Darum ist dieses Thema sowohl für die In dieser neuen Heimat wollte Gott
geistliche Erbauung wie auch für die den Abraham zu einem großen Volk
Theologie wichtig, aber genauso für und zu einem Segen machen. Der Se-
unsere gegenwärtige politische Dis- gen, der hier angedeutet wird, ist aber
kussion, die, wie eingangs erwähnt, noch allgemein gefasst. Zwar wird hier
uns heute global betrifft. bereits von einem „großen“ Volk gere-
det, aber dieses Volk wird nicht weiter
spezifiziert. Auch sind bis zu diesem
1. DIE VERHEIßUNGEN AN ABRAHAM Zeitpunkt dem Abraham noch keine
konkreten Verheißungen gegeben
Die gegenwärtige Heilsgeschichte worden, Land besitzen zu werden:
nahm ihre konkrete Form mit der 12,3 Ich will segnen, die dich seg-
Person Abrahams an. Indem Gott ihn nen, und verfluchen, die dich ver-
aufforderte sein Vaterland zu verlassen fluchen; und in dir sollen gesegnet
und in eine neue Heimat auszuwan- werden alle Geschlechter auf Erden.
dern, die eigentlich nicht zum semiti- 12:4 Da zog Abram aus, wie der
schen Einzugsgebiet gehörte, aus dem HERR zu ihm gesagt hatte, und
Abraham abstammte, hat sich dadurch Lot zog mit ihm. Abram aber war
die Heilsgeschichte der Bibel wesentlich fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus
geändert. Haran zog.
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Der Satz „in dir sollen gesegnet wer- wird mein Haus besitzen.
den alle Geschlechter auf Erden“ zeigt, 15:3 Und Abram sprach weiter: Mir
welche Bedeutung Abraham - und seine hast du keinen Samen gegeben; und
Nachkommen - für die Heilsgeschich- siehe, der Sohn meines Gesindes
te Gottes unter der ganzen Menschheit soll mein Erbe sein.
nach der Sintflut haben sollte. 15:4 Und siehe, der HERR sprach
zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein,
Dieser Segen, den Gott verheißt, ist sondern der von deinem Leibe kom-
aber an Abraham selbst gebunden und men wird, der soll dein Erbe sein.
insbesondere an den Kindersegen. Die- 15:5 Und er hieß ihn hinausge-
ses „persönliche“ Verhältnis des Segens hen und sprach: Sieh gen Himmel
erklärt die Verheißung Gottes an Abra- und zähle die Sterne; kannst du
ham, als er nach Kanaan kam und das sie zählen? Und sprach zu ihm: So
Zweistromland hinter sich ließ: zahlreich sollen deine Nachkommen
12,7a Da erschien der Herr dem Abram sein!
und sprach: Deinen Nachkommen will 15:6 Abram glaubte dem HERRN,
ich dieses Land geben. und das rechnete er ihm zur Ge-
rechtigkeit.
Wir lesen hier, dass nicht Abraham
selbst das Land als Erbe bekommen In Kanaan angekommen, in der Frem-
soll, sondern „… deinen Nachkommen de, erhält Abraham zum ersten Mal die
…“. Damit sind beide Söhne Abrahams Verheißung, dass er einen leiblichen
in diese Verheißung hinein geboren Erben haben wird, von dem ein großes
worden, mit gleichem Wohn- und Le- Volk hervorkommen soll. Obwohl er
bensrecht. und seine Frau sich bereits im fort-
geschrittenen Alter befanden, glaubte
1.2 Beide Söhne im hohen Alter Abraham trotzdem, dass Gott ihm
geboren einen Nachkommen schenken wird! Er
Nun sind für uns Menschen alle Verhei- wusste jedoch nicht wie und wann das
ßungen wunderschön. Wenn sich aber geschehen soll.
das Gesagte nicht materialisiert, wird
es für uns Menschen recht schwierig, Weil Abraham glaubte, schloss Gott mit
das zu glauben. ihm einen Bund, um ihm dies alles zu
garantieren:
Genau so erging es Abraham, als Gott 15:18 An dem Tage schloss der
mit ihm in einer Offenbarung redete. HERR einen Bund mit Abram und
Wir lesen: sprach: Deinen Nachkommen will
15:1 Nach diesen Geschichten begab ich dies Land geben, von dem Strom
sich‘s, dass zu Abram das Wort des Ägyptens an bis an den großen
HERRN kam in einer Offenbarung: Strom Euphrat.
Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin
dein Schild und dein sehr großer Nun wird festgelegt, welches Land die
Lohn. Nachkommen erben werden, das Gott
15:2 Abram sprach aber: HERR, Abraham verheißen hat, und das zu-
mein Gott, was willst du mir geben? vor in 12,2 verkündigt wurde. Aber es
Ich gehe dahin ohne Kinder, und wird noch nicht festgelegt welcher der
mein Knecht Elïser von Damaskus beiden Söhne der Erbe sein wird. Im
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Gegenteil: die Nachkommen sind in der Zum einen wird sein Name von Gott
Vielzahl. Dies lässt den Schluss zu: umbenannt, von Abram zu Abraham,
a) Abraham erhielt diese Verheißun- das „Vater Vieler“ bedeutet:
gen von Gott erst als er in Kanaan 17:5 Darum sollst du nicht mehr Ab-
weilte. ram heißen, sondern Abraham soll
b) Keines der beiden Kinder war bis dein Name sein; denn ich habe dich
jetzt geboren. gemacht zum Vater vieler Völker.
c) Somit galt diese Verheißung unein-
geschränkt beiden Söhnen, die ihm Als zweites Bundeszeichen wird die Be-
später geboren wurden. schneidung alles Männlichen im Hause
Abrahams verordnet:
1.3 Beide Söhne stehen unter dem 17:10 Das aber ist mein Bund, den
Bund der Beschneidung ihr halten sollt zwischen mir und
Nun, wir alle wissen, wie die Geschich- euch und deinem Geschlecht nach
te weitergeht. Abrahams Frau, Sarah, dir: Alles, was männlich ist unter
empfiehlt ihm von ihrer Magd Hagar euch, soll beschnitten werden.
ein Kind zu bekommen. 17:14 Wenn aber ein Männlicher
nicht beschnitten wird an seiner
Da beide nicht mehr an ein Wunder Vorhaut, wird er ausgerottet werden
glauben konnten – auch damals war aus seinem Volk …
das genau so schwierig zu glauben wie
heute – handelt Abraham nach dem Rat- Dieses Bundeszeichen wird zur Grund-
schluss seiner Frau und bekommt von lage dafür, dass physikalisch bestimmt
ihrer Magd einen Sohn, den Ismael: werden kann, wer zum Segen des Ab-
16:15 Und Hagar gebar Abram einen raham gehört und wer nicht.
Sohn, und Abram nannte den Sohn,
den Hagar gebar, Ismael. Ein Vers weiter jedoch, erscheint uner-
16:16 Und Abram war sechsund- wartet, das dritte Bundeszeichen:
achtzig Jahre alt, als ihm Hagar den 17:15 Und Gott sprach abermals
Ismael gebar. zu Abraham: Du sollst Sarai, deine
Frau, nicht mehr Sarai nennen, son-
Somit wurde Ismael der Erstgebore- dern Sara soll ihr Name sein.
ne Abrahams und, nach semitischem 17:16 Denn ich will sie segnen, und
Recht, der Segensträger nach Abraham. auch von ihr dir einen Sohn geben;
Für Abraham waren mit der Geburt Is- ich will sie segnen, und Völker sol-
maels alle seine Sorgen erledigt und len aus ihr werden und Könige über
er sah darin die Verheißungen Gottes viele Völker.
an ihn vollendet. Zu diesem Zeitpunkt
waren Abraham 86 und Sarah 76 Jahre Dieses dritte Bundeszeichen, wird erst
alt. im zweiten Anlauf erwähnt, als Gott
nochmals mit Abraham gesprochen
Dreizehn Jahre später erscheint Gott hat. Gleichzeitig ist es aber auch ein
dem Abraham wieder und erneuert doppeltes Bundeszeichen, da zum ei-
seinen Bund mit ihm und bestätigt nen der Name seiner Frau von Sarai zu
diese Bundeserneuerung mit zwei, ja, Sara umbenannt wird, und zum ande-
genauer genommen, drei Bundeszei- ren wird dem Abraham ein Sohn von ihr
chen: verheißen, der auch ein Volk sein wird,
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wie Ismael. Somit handelt es sich bei 2.1 Unterschiedliche Segens­
der Ankündigung des Isaaks insgesamt verheißungen
um vier Bundeszeichen. Durch diesen, ja, fast unmenschlichen
Glauben des Abraham, erhält der Se-
In Zusammenhang mit der Beschnei- gen, den Abraham von Gott empfangen
dung, ist hier festzuhalten, dass auch hat eine neue Dimension, die bis jetzt
der spätere Sohn von Abraham, Isaak, so noch nicht sichtbar war – und die
von vornherein mit in den Bund der direkt und ausschließlich an diesen
Beschneidung hineingenommen wur- zweiten Sohn gebunden wurde:
de, wie Ismael, der zu diesem Zeit- 17:19b … und mit ihm will ich mei-
punkt bereits 13 Jahre alt ist. Somit nen ewigen Bund aufrichten und mit
haben beide Söhne von Abraham die seinem Geschlecht nach ihm.
gleichen Voraussetzungen erhalten, um
Segensträger zu sein. Hier wird der Segen Abrahams, der bis
jetzt nur an Land und Volk gebunden
war, durch Isaak zu einem ewigen Bund
2. UNTERSCHIEDLICHE MÜTTER umgewandelt. Dabei ist wichtig zu er-
kennen, dass in diesem Kontext (mit
Mit dem dritten Bundeszeichen, fordert Isaak) weder Land noch Reichtum ver-
Gott den Glauben des Abraham aufs heißen wurden. Nur der „ewige“ Aspekt
Neue heraus. Denn Abraham konnte des Bundes wird in diesem Zusammen-
nicht verstehen und glauben – ja, er hang erwähnt.
lachte sogar (Gen. 17,17), dass er mit
seinen 99 und Sarah mit ihren 89 Jahren Ismael dagegen sollte ein großes Volk
noch ein Kind bekommen sollten. Isma- werden, das viele Länder besitzen und
el war ihm sicher. Ein weiterer Sohn, der große Fürsten hervorbringen wird:
das Erbe streitig machen könnte? Wie 17:20 Und für Ismael habe ich dich
soll das gut gehen? auch erhört. Siehe, ich habe ihn
gesegnet und will ihn fruchtbar
Darum ringt Abraham mit Gott, um Is- machen und über alle Maßen meh-
mael als Allein-Erben zu erhalten, weil ren. Zwölf Fürsten wird er zeugen,
er sein Erstgeborener ist: und ich will ihn zum großen Volk
17:18 Und Abraham sprach zu Gott: machen.
Ach dass Ismael möchte leben blei-
ben vor dir! Aber Ismael sollte nicht der Bundes-
partner zwischen Gott und den Men-
Aber Gott antwortet Abraham: schen sein, der die „ewige“ Segenslinie
17:19a Nein, Sara, deine Frau, wird begründen wird, wie Isaak:
dir einen Sohn gebären, den sollst 17:21 Aber meinen Bund will ich auf-
du Isaak nennen… richten mit Isaak, den dir Sara gebä-
Somit musste Abraham in seinem Glau- ren soll um diese Zeit im nächsten
ben wieder von neuem anfangen und Jahr.
die Erfüllung der neuen Verheißung Bei diesem vierten und letzten Bundes-
Gottes abwarten. Zuerst hat er seine zeichen zwischen Gott und Abraham,
Heimat verlassen. Nun soll er auch sei- sehen wir, wie der Segen an Abraham
nen Erstgeborenen verstoßen? Ist das in zwei Linien unterteilt wurde:
noch menschlich? a) dem irdischen und vergänglichen
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Segen, der Ismael, seinem Erstge- In Gen. 24,3f spricht Abraham zu sei-
borenen verheißen wurde, und nem Knecht:
b) dem geistlichen und daher ewigen 24:3 und schwöre mir bei dem
Bund, der Isaak, seinem Sohn von HERRN, dem Gott des Himmels und
der Sara verheißen wurde. der Erde, dass du meinem Sohn
keine Frau nehmest von den Töch-
Das ist das Novum bei diesem Bund, tern der Kanaaniter, unter denen ich
den Abraham von Gott für seine beiden wohne,
Söhne erhielt: die Aufteilung in ZWEI 24:4 sondern dass du ziehest in
unterschiedliche Strukturen: mein Vaterland und zu meiner Ver-
a) einen irdischen und somit „ver- wandtschaft und nehmest meinem
gänglichen“ Segen für seinen Erst- Sohn Isaak dort eine Frau.
geboreren Ismael, und
b) einen ewigen und somit "unver- Hier wird offensichtlich, dass es eine
gänglichen“ Bund für seinen zwei- wichtige Rolle spielt, ob die Ehefrau des
ten Sohn Isaak. Segenträgers aus der gleichen Sippe
stammt, wie der Segensträger selbst,
2.2 Sara gehört zur ewigen Segens­ oder nicht.
linie
Die Frage die uns nun in diesem Zu- Das gleiche beobachten wir auch als
sammenhang beschäftigt ist: Warum Rebekka, die Frau des Isaak, die der
wird gerade dem Isaak der ewige Bund Knecht Abrahams aus Haran holte, von
verheißen und nicht dem Ismael, dem ihrem Mann, Isaak, verlangte, das glei-
Erstgeborenen Abrahams? che für ihren Sohn Jakob zu tun:
27:46 Und Rebekka sprach zu Isaak:
Diese Frage müssen wir aus verschie- Mich verdrießt zu leben, wegen der
denen Blickwinkeln her beleuchten, um Hetiterinnen. Wenn Jakob eine Frau
die Dimension des Segens Gottes rich- nimmt von den Hetiterinnen wie
tig vergegenwärtigen zu können, der diese, eine von den Töchtern des
hier die Grundlage dieser Erwählung Landes, was soll mir das Leben?
bildet. 28:1 Da rief Isaak seinen Sohn Jakob
und segnete ihn und gebot ihm und
Eine Antwort auf diese Frage können sprach zu ihm: Nimm dir nicht eine
wir im gleichen Vers finden: Frau von den Töchtern Kanaans,
17:21 Aber meinen Bund will ich auf- 28:2 sondern mach dich auf und
richten mit Isaak, den dir Sara gebä- zieh nach Mesopotamien zum Hau-
ren soll um diese Zeit im nächsten se Betuëls, des Vaters deiner Mutter,
Jahr. und nimm dir dort eine Frau von
den Töchtern Labans, des Bruders
Der erste Grund, warum Isaak der ewi- deiner Mutter.
ge Bündnispartner wurde, liegt an der
Tatsache, dass er der leibliche Nach- Warum spielen die Frauen aus der glei-
komme von Abraham und der Sara ist. chen Sippe eine so wichtige Rolle in der
Denn wenn man die Geschichte der Heilsgeschichte?
Nachkommen Abrahams verfolgt, kann
man bei der Wahl der Frau für seinen Um diese Frage beantworten zu kön-
Sohn Isaak ein ähnliches Bild erkennen. nen, müssen wir ein wenig in der Zeit-
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68 Band/Vol. V (2010) - S tuttgarter T heologische T hemen
geschichte zurück gehen, hin zu der Herrn ausschließlich der semitischen
Zeit direkt nach der Sintflut. Linie zugesprochen wurde, konnte
Hagar niemals den „geistlichen“ Erben
Als Noah einem Rausch verfiel und hervorbringen, da die Verheißungen
wieder aufwachte, teilte er den Segen, Gottes unumkehrbar sind.
den er von Gott erhalten hat (Gen. 9,1f),
seinen Söhnen aus: Natürlich konnte auch die verfluchte
9:26 Und (er) sprach: Gelobt sei der Linie des Ham und somit Hagar und
HERR, der Gott Sems, und Kanaan ihr Sohn, Ismael, mit in den Segen
sei sein Knecht! Abrahams eingegliedert werden. Aber
diese genealogische Linie blieb eben
Sem erhielt den Segen seines Vaters eine „irdische“ und somit „vergängliche“
Noah, während Kanaan, der Sohn Segenslinie, während die der Sara und
Hams, der die Blöße des Noah nicht zu- ihres Sohnes Isaak zu einer „ewigen“
deckte, verflucht wurde. Somit wurden und somit einer „himmlischen“ Segens-
alle Nachkommen Sems die Gesegne- linie wurde, aus der später auch der
ten Gottes, während alle Nachkommen Messias hervorkommen sollte.
Hams die Verfluchten wurden.
Viele Jahrhunderte später spricht Jesus
Wenn wir nun die Genealogie der Frau- eben von diesem „ewigen“ Bund als er
en bei Abraham und seinen Nachkom- sagte:
men verfolgen, können wir folgendes Joh. 8:56 Abraham, euer Vater, wur-
entdecken: de froh, dass er meinen Tag sehen
• Abraham und Sara stammen beide sollte, und er sah ihn und freute
aus der semitischen Linie (Gen. sich.
10,21ff; 11,10ff und 20,11-12), die
von Anfang an zu den Segensträ- Diese Worte beziehen sich eben auf die-
gern gehörten. se „ewige“ Verheißung, die Abraham in
• Hagar aber, war eine ägyptische Bezug auf seinen Sohn Isaak erhalten
Sklavin (Mizrajiem), die demnach hat, und die Jesus durch seinen Tod und
der hamitischen Linie zugeordnet seine leibliche Auferstehung vollendet
wurde (Gen. 10,6), die aber vom hat. Indem er von den Toten auferstan-
Stammvater her bereits verflucht den ist, hat er den Segen Abrahams und
war und somit nicht der Segensli- Isaaks zu einem ewigen Bund umge-
nie „Sems” angehörte. wandelt. Nun sitzt ER zur Rechten der
Kraft mit seinem auferstandenen Leib,
Somit konnte der ewige Segensträger, der umgewandelt wurde. Durch IHN er-
Isaak, ausschließlich aus der Segensli- hält der Gläubige den heiligen Geist als
nie des Sem abstammen, der sowohl Unterpfand des „ewigen“ Lebens und
Abraham als auch Sara angehörten wird ein Teil dieses „ewigen“ Bundes,
(Grafik 1), um die Verheißung Gottes den Gott der Menschheit durch Abra-
an Sem zu vollenden, die er von Noah, ham und Isaak verheißen hat.
seinem Vater, erhielt. Würde der ewige
Segensträger von der Hagar abstam- 2.3 Der Altersunterschied
men, wäre die Segenslinie des Sem, Wenn wir nun Grafik 1 mit der Lebens-
zumindest von einem Elternteil, unter- linie von Ismael und Isaak ergänzen
brochen worden. Da aber der Segen des (Grafik 2), so können wir eine zweite
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wichtige Komponente erkennen, die für tion übersprungen wurde, da er be-
die Erwählung des Isaak entscheidend reits 70 Jahre alt war, als sein erster
war: Sohn, Abraham, geboren wurde.
b) Bei Abraham stellen wir fest, dass
a) Wenn man die Lebensspanne Ismaels sogar zwei Generationen (99-33= 66
und Isaaks mit den Segensträgern Jahre) übersprungen werden muss-
seit Sem vergleicht, stellt man fest, ten, bis Isaak geboren wurde.
dass Ismael im Jahr 516 nach der c) Indem Isaak aber den Heber über-
Sintflut starb, während Isaak erst im lebte und nach ihm zum Patriarchen
Jahr 572 nach der Sintflut ablebte. der ganzen Menschheit wurde, hat
b) Heber dagegen stirbt erst im Jahr Gott – wenn wir es so sagen können
531 nach der Sintflut. Somit konnte – durch die lange Lebens- und Warte-
Ismael nicht den ältesten lebendigen zeit des Abraham, eher die Zeit- und
Segensträger nach Sem überleben Heilsgeschichte beschleunigt, damit
und selbst der Patriarch der semiti- Abraham den verheißenen Segen
schen Linie werden. noch mit eigenen Augen sehen
c) Nur Isaak konnte de facto der Träger konnte, nämlich den "ewigen" Bund
dieser Segenslinie nach der Sintflut durch seinen Sohn Isaak.
werden, die ihm von Noah, über d) Gott hat also Abraham nicht auf die
Sem und Heber übertragen wurde Probe gestellt und die Verheißung
(vgl. hierzu Gen. 10,21f). Weil Isaak verlangsamt, wie immer dargestellt
den ältesten lebenden Segensträger wird. ER hat vielmehr durch die
nach Sem überlebte, erhielt er diesen Person Abrahams drei volle Gene-
überragenden Segen von Gott und rationen übersprungen, damit er,
wurde dadurch zuerst einmal der Abraham selbst, direkt der Träger
„irdische“ Segensträger und, durch des "ewigen" Bundes sein konnte,
Abrahams Glauben, auch zum „ewi- durch seinen Sohn Isaak.
gen“ Segensträger.
Somit ist Gottes Wort und Offenbarung
im Alten Bund äußerst präzise und in je-
3. AUSWIRKUNGEN DER HEILS­ der Hinsicht zuverlässig. Es ist nur eine
GESCHICHTE Frage der Perspektive, um die Heilsge-
schichte richtig deuten zu können.
3.1 Die Zuverlässigkeit des Wortes
Gottes 3.2 Das ewige Reich des Messias
Wir stellen zuerst einmal fest, dass Bei diesem Segen, den Gott Abraham
Gottes Verheißungen von Anfang an durch Isaak verheißen hat, handelt es
äußerst präzise ausgeführt wurden. sich nicht um Land, Reichtum oder
Denn, wenn man die biblische Genea- Macht. Wir müssen erkennen, dass es
logie genauer studiert (vgl. hierzu die bei diesem Segen um eine neue Dimen-
unterschiedlichen Generationen in der sion der Gnade handelt, konkret gesagt:
Grafik), kann man einige Phänomene "ewiges Leben". Das nämlich ist der wah-
erkennen: re Segen, den Gott Abraham und Isaak
a) In der Regel ist eine Generation gab, und durch sie allen Völkern der
durchschnittlich 33 Jahre alt. Aber Erde. Die Frage des Landbesitzes wurde
beim Nachkommen des Terach er- zu Abrahams Lebzeiten sowieso nicht
kennt man, dass eine ganze Genera- endgültig geklärt. Denn er selbst blieb
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auf Lebenszeit ein „wandernder Aramä- Abraham, Isaak und mit ihnen alle Nach-
er“. Erst als Mose berufen wird gewinnt kommen, zuerst einmal das ewige Leben
die Landnahme an Gewicht, denn da war erhalten, damit sich diese „ewige“ Ver-
Israel bereits ein großes Volk mit über heißung in ihrem Leben erfüllen kann.
einer Million Personen geworden. Gott
musste seinem Auserwählten eine irdi- Ohne die Trennung von „ewig“ und
sche Bleibe geben bis sich der "ewige" „vergänglich“, „himmlisch“ und „irdisch“,
Segen materialisieren konnte. kann keine sachliche Diskussion über
die Verheißungen Gottes an Abraham
Diese Bleibe sollte aber auch für das stattfinden. Da ER der Ewige ist, können
Volk Israel immer nur ein Durchgangs- seine ewigen Verheißungen nur durch
ort bleiben, bis der Messias die „ewige“ unseren Glauben erfasst werden, solan-
Bleibe für alle Nachkommen Abrahams ge wir noch in einem vergänglichen Leib
herbeiführt (vgl. Offenbarung 21,1ff). leben. Daraus resultiert die Erkenntnis:
Erst dann kann der Ewigkeitsanspruch Ohne Glauben, keine Gotteserfahrung.
des Segens, den Gott dem Abraham Oder anders formuliert: Wer Gott erken-
durch Isaak verheißen hat, vollendet nen will, muss seiner Schrift glauben
werden. Solange das "himmlische" Je- (die seine Verheißungen beinhaltet).
rusalem noch nicht offenbart ist, solan-
ge warten alle Nachkommen Abrahams,
Isaaks und Jakobs - egal ob leibliche 4. FAZIT
oder geitsliche Nachfahren - auf die
Erfüllung dieser Verheißung. Was lernen wir nun daraus für die ak-
tuelle Situation von Ismael und Isaak,
3.3 Glaube und Ewigkeit von Arabern und Juden?
Bei der Geschichte Abrahams und Isaaks
wird offensichtlich, dass die Grundlage Jesus sagte zu der Samariterin in Joh.
für die Verheißungen Gottes immer der 4,22:
Glaube ist, so wie es auch der Apostel Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir
Paulus in Röm.4,1ff aufgezeigt hat. wissen aber, was wir anbeten; denn
Denn der „ewige“ Bund hat eine Eigen- das Heil kommt von den Juden (das
schaft, die ohne diesen Glauben gar Volk Israel).
nicht erfasst werden kann. Denn dieser
Bund hat noch keine materielle sondern Es stimmt, Isaak und seinen Nachkom-
vorerst nur immaterielle Eigenschaften, men gehört das verheißene Land nach
die geistlicher Natur sind. Geistliche An- der Schrift auch; darum haben die Ju-
gelegenheiten können jedoch nur durch den bis heute das Vorrecht in diesem
Glauben erfasst werden und nicht durch Land zu wohnen. Denn Gott hat es
materielle Aneignung. beiden Söhnen Abrahams verheißen.
Aber, und das ist wichtig, Jesus sagte
Aus diesem Grund sagte Jesus zu den unmittelbar danach noch etwas zu der
Pharisäern, dass der Gott Abrahams, Samariterin - und das sollte sich jeder
Isaaks und Jakobs ein Gott der „Leben- Israelit zu Herzen nehmen (V.24):
digen“ ist und nicht ein Gott der Toten.
Denn der Bund Gottes ist immer ein Gott ist Geist, und die ihn anbeten,
ewiger Bund, da ER selbst der Ewige die müssen ihn im Geist und in der
ist. Darum müssen die Bündnispartner, Wahrheit anbeten.
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Wenn wir dieses Wort Jesu mit der Ver- für „ihr“, d.h. der Juden geistliches Erbe
heißung an Isaak vergleichen, können nicht entscheidend. Denn das „ewige“
wir erkennen, dass Jesus genau dieses Erbe ist das „unvergängliche“ Leben bei
Thema aufnimmt, nämlich: Gott und mit Gott. Dies kann sich aber
• dass es nicht eine Frage des Ortes, nicht im irdischen Jerusalem erfüllen.
des Landes, oder des Besitzes auf Erst wenn Israel den Heiland und Erlö-
Erden ist, um Abrahams Segen erben ser, Jesus von Nazareth, den sie aus ih-
zu können, sondern rer Stadt verstoßen haben, annehmen,
• es geht darum die „geistliche” Di- können sie dieses Erbe Abrahams und
mension dieses Bundes zu erfas- Isaaks wirklich antreten.
sen, um das "ewige" Erbe antreten
zu können, Indem Jesus von den Toten auferstan-
den ist und sich zur Rechten Gottes ge-
Gott ist „Geist“, der weder mit irdischem setzt hat, hat er die Umwandlung voll-
Besitz noch mit vergänglichen Werken bracht, die für den Menschen nötig war,
erfasst werden kann. Darum können nur um an das „ewige“ Erbe Abrahams und
diejenigen seine Verheißungen erben, Isaaks teilhaftig zu werden. Wenn aber
die IHN in Geist und Wahrheit anbeten. dieses „ewige“ Heil nicht mehr abhän-
gig ist von „irdischen“ Orten und Wer-
Der Gemeinde in Korinth erklärt der ken, sondern allein vom Glauben und
Apostel Paulus diese Problematik fol- Geist, dann kann dieser Segen nicht von
gendermaßen (1. Kor. 15,50f): Fleisch oder Blut, Beschneidung oder
Das sage ich euch aber, liebe Brü- Gesetz, Abstammung oder ethnischer
der, dass Fleisch und Blut das Reich Zugehörigkeit abhängig sein.
Gottes nicht ererben können; auch
das verwesliche nicht erben die Un- Möge Israel und alle Juden diese „ewi-
verweslichkeit. ge“ Dimension ihres Bundes durch
… Denn dieses Verwesliche muss Abraham und Isaak erkennen und an
anziehen die Unverweslichkeit, und Jesus glauben. Möge der Herr den Ara-
dieses Sterbliche muss anziehen die bern und mit ihnen allen Muslimen die
Unsterblichkeit. Augen für das Heil öffnen, das in Jesus
bereitet ist. Nur im Glauben an Jesus
Somit ist offensichtlich, dass wenn man Christus, dem Sohn Gottes, kann der
an den „ewigen“ Verheißungen Gottes, „ewige“ Segen Abrahams und Isaaks
die er Abraham und Isaak verheißen empfangen werden, weil ER, Jesus
hat, Anteil haben will, muss alles an uns Christus, der Herr ist, der das „ewige“
zuerst umgewandelt werden in ein un- Heil Gottes erwirkt hat. Amen!
vergängliches und ein unverwesliches
Wesen. Was bleibt dann übrig vom ir- PETER WASSERMANN, Stuttgart,
dischen? Nichts, aber auch gar nichts. ist Missionsleiter der EUSEBIA-
Das ist die ernüchternde Bilanz der Missionsdienste, Gründer der
gefallenen Schöpfung. EUSEBIA School of Theology
(EST) und Mitherausgeber der
Darum hat auch der Kampf um Jeru- STT. Internationale Vortrags-
salem und das gelobte Land für die tätigkeit im Bereich Biblische
Juden keine bleibende Bedeutung. Ob Theologie, Islam und Mission.
sie oder die Araber darin wohnen, ist
72 Band/Vol. V (2010) - S tuttgarter T heologische T hemen

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