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SCHWERPUNKT

of the United States of America 103/45 (2006), S. Ethische Aspekte


17007–17012
Sinclair, J. et al., 2006: A biohybrid dynamic ran-
konvergierender Technologien
dom access memory. In: Journal of the American Das Beispiel Gehirn-Computer-
Chemical Society 128/15 (2006), S. 5109–5113 Schnittstellen
Smith, P.F.; Darlington, C.L.; Zheng, Y., 2009: Move
it or lose it-Is stimulation of the vestibular system
necessary for normal spatial memory? In: Hippo- von Jens Clausen, Universität Tübingen
campus [in print]
Stickgold, R., 2006: Neuroscience: a memory boost
Im Forschungsfeld Gehirn-Computer-Schnitt-
while you sleep. In: Nature 444/7119 (2006),
stellen konvergieren so unterschiedliche
S. 559–560
Technologien wie Mikroelektronik, Nano-,
Stix, G., 2008: Jacking into the brain. In: Scientific Informations- und Biotechnologie. Die ethi-
American 299/5 (2008), S. 56–61 schen Fragen bei der Erforschung und An-
Suner, S. et al., 2005: Reliability of signals from a wendung von konvergierenden Technolo-
chronically implanted, silicon-based electrode gien stellen sich bei den Gehirn-Computer-
array in non-human primate primary motor cortex. Schnittstellen auf mindestens vier unter-
IEEE Transactions on neural systems and rehabilita- schiedlichen Ebenen: der Ebene des Indivi-
tion engineering 13/4 (2005), S. 524–541 duums, der Ebene der Gesellschaft, der
The National Commission for the Protection of Hu- Ebene des Menschenbildes und der Ebene
man Subjects of Biomedical and Behavioral Re- der Forschungsethik.
search, 1979: The Belmont Report – Ethical Princi-
ples and Guidelines for the Protection of Human 1 Einleitung
Subjects of Research. Office of the Secretary of the
U.S. Department of Health, education, and welfare Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Compu-
van der Staay, F.J. et al., 2008: The novel selective ter Interfaces, BCIs) verbinden das (menschli-
PDE9 inhibitor BAY 73-6691 improves learning che) Gehirn mit einem Computer. Die Schnitt-
and memory in rodents. In: Neuropharmacology stellen leiten entweder neuro-elektrische Signale
55/5 (2008), S. 908–918
aus dem Gehirn ab, oder sie stimulieren spezifi-
White, R.J., 1999: Brain chips: postpone the debate. sche Hirnareale mittels künstlich generierter
In: The Hastings Center report 29/6 (1999), S. 4
elektrischer Impulse. Solche Verbindungen zum
Signalaustausch zwischen dem Zentralorgan des
Kontakt Menschen und technischen Geräten wecken
Prof. Dr. med. Steffen Rosahl große wissenschaftliche und therapeutische
HELIOS Klinikum Erfurt Hoffnungen. Das zugehörige hochinnovative
Klinik für Neurochirurgie Forschungsfeld zielt zum einen auf ein besseres
Nordhäuser Str. 74, 99089 Erfurt Verständnis des Gehirns, seiner Funktionen und
E-Mail: steffen.rosahl@helios-kliniken.de der zugrunde liegenden physiologischen Prozes-
se. Die so gewonnenen Erkenntnisse münden
zum anderen dann gegebenenfalls in die Ent-
«» wicklung neuer medizinischer Verfahren und
Geräte für Diagnostik und/oder Therapie.
Der Einsatz von Gehirn-Computer-
Schnittstellen ist mit einer ganzen Reihe von
ethischen Fragen verbunden, die von Beginn an
– so meine These – in Forschung und Entwick-
lung dieser Geräte berücksichtigt werden müs-
sen. Da in diesen Geräten so unterschiedliche
Forschungsgebiete wie die Mikrosystemtechnik,
die Informations-, Bio- und Nanotechnologie
sowie Neurophysiologie und Anatomie konver-
gieren, sind Gehirn-Computer-Schnittstellen be-
sonders geeignet, an ihnen die ethischen Aspek-

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te konvergierender Technologien exemplarisch Austausch der Signale erfolgt. Dies sind in der
zu diskutieren.1 Viele dieser Fragen mögen kei- Regel Elektroden, die entweder extern am Kopf
ne kategorial neuen Probleme benennen, son- platziert werden wie beim Elektroenzephalo-
dern sind teilweise sicher auch aus anderen gramm (EEG) oder invasiv direkt in das neuro-
Kontexten der biomedizinischen Ethik bereits nale Gewebe implantiert werden. Das externe
bekannt. Dies schmälert allerdings nicht die Interface stellt den Kontakt zur Außenwelt her.
Dringlichkeit, diese Fragen schon im Vorfeld Dieser Kontakt erfolgt entweder rezeptiv (bei-
eingehend zu reflektieren (Clausen 2009c). spielsweise durch eine Kamera oder ein Mikro-
fon) oder aber durch einen externen Effektor,
der durch die zentrale Recheneinheit gesteuert
2 Was sind Gehirn-Computer- ist (beispielsweise ein Computerprogramm oder
Schnittstellen? ein Roboterarm). Das externe Interface ist also
eine optionale Komponente, die nur in denjeni-
Gehirn-Computer-Schnittstellen dienen dem gen Geräten erforderlich ist, die Kontakt zur
Austausch von elektrischen Signalen zwischen Außenwelt herstellen müssen. Wenn der Com-
dem Gehirn und technischen Komponenten. puter als zentrale Recheneinheit lediglich ein
Dieser Austausch erfolgt über Elektroden, die Zwischenglied zur Ansteuerung eines anderen
je nach Verwendungszweck unterschiedliche Gerätes ist, werden diese Systeme oft auch
neuronale Strukturen kontaktieren. Bedingt Brain-Machine-Interface (BMI) genannt (Lebe-
durch die unterschiedlichen Zielsetzungen und dev, Nicolelis 2006). Um die Vielfalt der Sys-
Einsatzbereiche existieren eine ganze Reihe teme zu strukturieren werden unterschiedliche
unterschiedlicher Systeme.2 Im grundsätzlichen Kriterien verwendet. Häufig werden sie hin-
Aufbau unterscheiden sich die Geräte aller- sichtlich der Signalrichtung (Donoghue 2002)
dings nicht. Sie bestehen in der Regel aus drei oder der Invasivität unterschieden (Grunwald
Komponenten: einer zentralen Recheneinheit, 2008, S. 229).3 Bei den meisten Systemen wer-
einem internen Interface und einem externen den die elektrischen Signale nur in eine Rich-
Interface (siehe Abb. 1). tung weitergeleitet. Daher sind ableitende Sys-
Die zentrale Recheneinheit koordiniert die teme von stimulierenden zu unterscheiden, wo-
elektronische Steuerung durch Computeralgo- bei in beiden Fällen der Kontakt zu den neuro-
rithmen, die je nach Gerät entweder abgeleitete nalen Strukturen am internen Interface sowohl
Signale dekodieren und weiterverarbeiten oder invasiv als auch nicht-invasiv erfolgen kann.
aber zur Stimulation geeignete Signale generie-
ren. Das interne Interface stellt den Kontakt zu
den neuronalen Strukturen her, an denen der

Abb. 1: Grundsätzlicher Aufbau von Gehirn-Computer-Schnittstellen*

* Graue Pfeile: Verfahren, die Signale aus dem Gehirn ableiten, um unterschiedliche externe Effektoren wie
Prothesen oder Computerprogramme zu steuern; schwarze Pfeile: Verfahren, die neuronale Strukturen stimu-
lieren, um Sinneseindrücke zu induzieren (wie beim Cochlea-Implantat) oder motorische Symptome zu un-
terdrücken (wie bei der Tiefenhirnstimulation für fortgeschrittene Stadien der Parkinsonschen Erkrankung).
Quelle: Eigene Darstellung

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2.1 Ableitende Systeme dings, die am dringendsten diese technische


Unterstützung brauchen könnten, nutzt diese
In ableitenden Systemen werden neurophysiolo- Technik nicht, jedenfalls noch nicht. Mögli-
gische Signale am internen Interface aufge- cherweise ließe sich hier Abhilfe schaffen,
nommen, an die zentrale Recheneinheit übermit- indem andere Ableitungsmethoden verwendet
telt und die weiterverarbeiteten Signale dann zur werden oder die Geräte für diese spezielle Situ-
Steuerung eines externen Gerätes verwendet ation anderweitig modifiziert werden (Birbau-
(graue Pfeile in Abb. 1). Solche Geräte befinden mer, Cohen 2007, S. 626).4 Eine Berliner Ar-
sich seit den 1990er Jahren in der klinischen beitsgruppe entwickelt ein EEG-basiertes BCI,
Erforschung bei schwerstgelähmten Patienten, das mittels Maschinenlernen den Probenden
die an dem Locked-in-Syndrom (LIS) leiden. Im und Patienten ermöglicht, das Gerät innerhalb
voll ausgeprägten Krankheitsbild dem „com- weniger Minuten zu kontrollieren (Blankertz et
plete LIS“ (cLIS) können die Patienten keinerlei al. 2007). Ob dieses Gerät auch für Patienten
willentliche Bewegungen mehr durchführen – im kompletten Locked-in-Status geeignet ist,
weder Motorik der Extremitäten noch Mimik muss sich allerdings noch zeigen.
oder Sprache sind möglich (Laureys et al. 2005). Im Tierversuch sind sehr vielversprechen-
Sie sind bei vollem Bewusstsein in Ihrem bewe- de Ergebnisse mittels invasiver Ableitungen
gungslosen Körper eingeschlossen. In einer erzielt worden. Rhesusaffen lernten, ihre neu-
etwas schwächeren Form ist eine minimale ronale Aktivität so zu kontrollieren, dass sie
Restbewegungsfähigkeit vorhanden, so dass über ein Brain-Machine-Interface einen Robo-
diese Patienten zumindest die Augen bewegen terarm als motorische Prothese bedienen konn-
oder Blinzeln können. ten. Die dreidimensionale Echtzeitkontrolle
Bereits 1969 publizierte Eberhard Fetz war so präzise, dass sie mit der Prothese nach
bahnbrechende Erkenntnisse über die Konditi- Futter griffen und sich selbst damit fütterten
onierung des Entladeverhaltens von Einzelneu- (Velliste et al. 2008). Diese Ergebnisse wecken
ronen. Mittels operanter Konditionierung lern- große Hoffnungen, querschnittsgelähmten Per-
ten Affen die Aktivität einzelner Neuronen sonen einen Teil ihrer selbstbestimmten Inter-
gezielt zu steuern (Fetz 1969). Auf der Basis aktionsmöglichkeiten mit der Umgebung, die
dieser Erkenntnisse entwickelte Niels Birbau- sie durch einen Unfall oder Schlaganfall verlo-
mer mit seinem Team ein System, das es LIS- ren haben, mittels BMI-gesteuerter Prothesen
Patienten nach einiger Übung ermöglichte, ihre zu ersetzen. Ein Patient, der durch einen Mes-
Hirnaktivität gezielt zu beeinflussen. Mittels serstich schon drei Jahre querschnittsgelähmt
EEG-Ableitungen konnten Patienten auf diese war, erhielt in einem Pilotversuch ein solches
Weise ein Computerprogramm ansteuern, mit Implantat in den motorischen Kortex. Er lernte,
dessen Hilfe sie einen Teil ihrer Kommunikati- seine Gehirnströme so zu beeinflussen, dass er
onsfähigkeit wiedererlangten und kurze Briefe über spezielle Computerprogramme etwa die
buchstabierten (Birbaumer et al. 1999). Auf Raumbeleuchtung und eine Stereoanlage steu-
diese Weise können die LIS-Patienten Kontakt ern konnte. Es war ihm sogar möglich über
zu Freunden und Familie aufnehmen, was von diese Schnittstelle ein E-Mail-Programm zu
größter Bedeutung für die Lebensqualität die- bedienen. Eine Greifprothese konnte er öffnen
ser Patienten ist (Kübler et al. 2006). Alle Ver- und wieder schließen (Hochberg et al. 2006).
suche, mit Patienten im vollständigen Locked- Diese Ergebnisse sind zwar noch weit von der
in-Zustand die BCI-basierte Kommunikation dreidimensionalen Echtzeitkontrolle einer mo-
einzuüben, schlugen bisher allerdings fehl torischen Prothese mit mehreren Freiheitsgra-
(Birbaumer et al. 2008). Von den Buchstabier- den entfernt. Allerdings belegen sie, dass im
programmen profitieren gegenwärtig also nur motorischen Kortex auch nach mehreren Jahren
Patienten, die auch auf andere Weise noch der erzwungenen Inaktivität noch Signale gene-
kommunizieren können. Dies war beispiels- riert werden können, die zur BMI-basierten
weise bei Jean-Dominique Bauby der Fall, der Steuerung externer Effektoren geeignet sind.
sein bewegendes Buch „Schmetterling und Jüngste Versuche deuten darauf hin, dass
Taucherglocke“ per Augenblinzeln diktierte die motorische Prothetik zur Ansteuerung von
(Bauby 1997). Denjenigen LIS-Patienten aller- künstlichen Extremitäten ein Übergangsstadi-

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um in diesem Forschungszweig sein könnte. naue Frequenz und Amplitude der Stimulation
Denn das Team von Eberhard Fetz konnte Af- an den einzelnen Kontakten wird am Impulsge-
fen so trainieren, dass es dem Tier möglich nerator (zentrale Recheneinheit) eingestellt. Er
war, über die Gehirn-Computer-Schnittstelle ist im Brust- oder Bauchbereich implantiert und
den eigenen, vorübergehend gelähmten Arm über subkutan verlegte Kabel mit den Elektro-
zielgerichtet zu bewegen (Moritz et al. 2008). den verbunden. Die DBS hält die fortschreitende
Neurodegeneration zwar nicht auf, allerdings
können motorische Symptome kontrolliert und
2.2 Stimulierende Systeme in der Folge die Medikation und die mit ihr ver-
bundenen Nebenwirkungen reduziert werden.
In stimulierenden Systemen werden die Signale Im Vergleich zur medikamentösen Therapie ist
hingegen in die andere Richtung geleitet. In- neben der Kontrolle der Motorik auch eine ver-
formationen aus der Umwelt, die am externen besserte Lebensqualität zu beobachten, aller-
Interface aufgenommen wurden, werden in der dings geht dies auch mit einer höheren Wahr-
zentralen Recheneinheit verarbeitet und zur scheinlichkeit schwerer Nebenwirkungen einher
Stimulation dann an das interne Interface wei- (Deuschl, Franke 2007; Weaver et al. 2009).
tergeleitet (schwarze Pfeile in Abb. 1). Solche
Geräte finden sich als Sinnesprothesen bereits
im klinischen Einsatz. Das Cochlea-Implantat 3 Ethische Aspekte von Gehirn-Computer-
(CI) nimmt akustische Signale aus der Umwelt Schnittstellen
durch ein Mikrofon auf (externes Interface), im
Sprachprozessor (zentrale Recheneinheit) wer- Die ethischen Aspekte bedürfen für jedes die-
den die aufgenommenen Signale gefiltert, wei- ser unterschiedlichen Geräte sicher jeweils
terverarbeitet und schließlich in elektrische einer eigenen, separaten Untersuchung, um die
Impulse umgewandelt, die mittels einer in die jeweiligen Spezifika angemessen berücksichti-
Gehörschnecke (Cochlea) implantierten Elekt- gen zu können.6 Da ein solches Unternehmen
rode (internes Interface) den Hörnerv stimulie- diesen Beitrag sprengen würde, liegt der Fokus
ren. Auf diese Weise können Gehörlose einen hier auf einer Strukturierung der ethischen
Teil ihrer akustischen Wahrnehmung wiederer- Fragestellungen, die bei einer eingehenden
langen (Clark 2006). Wenn allerdings der Ge- Diskussion zu berücksichtigen sind. Die ethi-
hörnerv selbst geschädigt ist, führt eine Stimu- sche Diskussion über die Vertretbarkeit von
lation in der Cochlea nicht zum gewünschten Gehirn-Computer-Schnittstellen muss auf min-
Erfolg. Einen Ausweg bieten dann auditorische destens vier Ebenen erfolgen.
Hirnstammimplantate. Sie sind ähnlich kon-
struiert wie das CI, unterscheiden sich jedoch
darin, dass die Elektrode des internen Inter- 3.1 Die Ebene des Individuums
faces im Hirnstamm implantiert ist. Diese Ge-
räte befinden sich derzeit in der klinischen Auf der Ebene des individuellen Patienten, der
Erforschung (Rauschecker, Shannon 2002). ein solches System nutzt, sind selbstverständlich
Die direkte Stimulation tiefer Hirnstruktu- zunächst die Fragen nach der Patientensicherheit
ren im Bereich der Basalganglien, die entspre- und einem akzeptablen Nutzen-Risiko-Verhält-
chend als Tiefenhirnstimulation (deep brain nis zu stellen. Invasive Eingriffe sind generell
stimulation, DBS) bezeichnet wird, erzielt bei mit einem Blutungs- und Infektionsrisiko ver-
Patienten mit Morbus Parkinson im weit fortge- bunden. Bei einem Eingriff ins Gehirn können
schrittenen Stadium gute Ergebnisse in der Kon- diese generellen Komplikationen allerdings sehr
trolle der schweren motorischen Symptome. Die schwerwiegende Folgen haben. Denn der knö-
Implantation der Elektroden (internes Interface) cherne Schutz durch den Schädel begrenzt bei
erfolgt in der Regel bilateral in den subthalami- Schwellungen die Ausdehnung, so dass der
schen Kern durch stereotaktische Neurochirur- entstehende Druck auf das Gehirn schnell fatale
gie (Nikkhah 2008).5 Über jeweils vier, separat Auswirkungen auf kognitive Funktionen entwi-
ansteuerbare Kontakte kann die Stimulation ckeln und sogar zum Tod des Patienten führen
räumlich sehr präzise platziert werden. Die ge- kann. Diese Eingriffsrisiken sind allerdings rela-
tiv gering (Rosahl 2007, S. 134).

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Da das Gehirn die organische Grundlage Besserung der motorischen Symptome und
für zentrale Aspekte des menschlichen Selbst- einer gesteigerten Lebensqualität waren einige
verständnisses ist, gelten Eingriffe in dieses Patienten sehr unzufrieden mit dem Ergebnis
Organ als besonders brisant. Bewusstsein, der Behandlung. Michael Schüpbach und Kol-
Selbstbewusstsein, Autonomie und Moralfä- legen stellten in einer offenen Interviewstudie
higkeit finden hier ebenso ihre organische Ent- fest, dass Patienten über Schwierigkeiten mit
sprechung wie Sprach- und Erinnerungsvermö- der sozialen Integration berichteten. Die Bezie-
gen. Da Veränderungen in diesen zentralen hungen zu sich selbst, dem jeweiligen Partner,
Eigenschaften die individuelle Person und ihre ihren Familien und dem beruflichen Umfeld
Persönlichkeit berühren würden, zieht sich die waren davon betroffen (Schüpbach et al. 2006).
Diskussion zur normativen Bedeutung von Auch ableitende Verfahren könnten mit
personaler Identität und Persönlichkeitsverän- subtilen Persönlichkeitsveränderungen einher-
derungen im Grunde durch die ethische Reflek- gehen. Denn die Patienten müssen trainieren, die
tion aller Eingriffe ins menschliche Gehirn zur Ansteuerung der Prothese erforderlichen
(Merkel et al. 2007, S. 189ff.; Stier 2006). Signale zu generieren. Dies könnte auch mit
Schon die frühen Stimulationsexperimente leichten Veränderungen beispielsweise der
aus der Mitte des 20. Jahrhunderts belegen die Stimmung oder des Gedächtnisses einhergehen.
praktische Relevanz dieser vornehmlich philo- Auch wenn die Persönlichkeitsveränderungen
sophischen Überlegungen. Denn mittels Hirn- bei den ableitenden Verfahren wahrscheinlich
stimulation konnten bei Patienten Bewegungen weniger deutlich ausfallen, sind auch hier die
und Laute induziert werden, die sie nicht wil- Abwägungen zwischen persönlichem „Benefit“
lentlich ausgeführt hatten (Penfield 1975). Teil- und den möglichen Risiken erforderlich.
weise waren sie sich der Evozierung durch die
Stimulation nicht einmal bewusst, sondern er-
fanden Gründe dafür, warum sie sich gerade so 3.2 Die Ebene der Gesellschaft
verhalten hatten (Delgado 1969). Die im Ver-
gleich dazu sehr viel zielgenauere und präzisere Zusätzlich zur individuellen Nutzen-Risiko-
Tiefenhirnstimulation ruft zusätzlich zur Beherr- Abwägung sind auf der gesellschaftlichen Ebe-
schung der motorischen Symptome in einigen ne die Gehirn-Computer-Schnittstellen zusätz-
Fällen kognitive (Frank et al. 2007) und psychi- lich hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Ver-
atrische Nebenwirkungen wie Depressionen antwortung, Autonomie und Zurechnungsfä-
oder Psychosen (Deuschl et al. 2006) hervor. higkeit zu diskutieren.
Oft sind die Nebenwirkungen vorübergehend Zu den Nebenwirkungen der DBS gehören
oder sie lassen sich durch Anpassen der Stimu- auch Manien und hypomane Zustände.7 In Ein-
lationsparameter beheben, dies ist allerdings zelfällen wird von Patienten berichtet, die in
nicht immer der Fall (Leentjens et al. 2004). Folge der DBS eine Spielsucht (Smeding et al.
Letztendlich geht es bei der Tiefenhirn- 2007) zeigten oder in eine Hyponamie versetzt
stimulation also – wie so oft bei medizinischen wurden, die sie selbst nicht wahrgenommen
Eingriffen – um eine Abwägung des individu- haben (Mandat et al. 2006).8 Die Ehefrau eines
ellen Nutzens gegen die zu erwartenden Risi- Patienten berichtete, dass der Patient am hell-
ken. Da die Risikobereitschaft und damit das lichten Tag auf offener, belebter Straße in ein
Ergebnis dieser Abwägung von Patient zu Pati- Auto eingebrochen sei. Er selbst zeigte keinerlei
ent unterschiedlich ausfallen, muss der Patient Reue oder Angst vor dem Gerichtsverfahren, er
die Entscheidung – freilich nach gründlicher fühlte sich unbesiegbar. Die Ärzte passten die
Aufklärung durch den behandelnden Arzt – Stimulationsparameter an und konnten so eine
eigenverantwortlich treffen. Dabei ist aller- Kontrolle der motorischen Symptome ohne den
dings zu beachten, dass die Wirksamkeit der ungewollten hypomanen Zustand erreichen.
DBS in Bezug auf neurologische Parameter Wenn die Tiefenhirnstimulation als uner-
nicht unmittelbar mit einem Nutzen für den wünschte, manchmal vom Patienten selbst nicht
Patienten gleichgesetzt werden darf (vgl. Sy- einmal wahrgenommene Auswirkung, das Ver-
nofzik, Schlaepfer 2008, S. 1514f.). Trotz ob- halten in einem vorher nicht gekannten Sinne
jektiver Effektivität des Eingriffs hinsichtlich beeinflusst, wer ist dann eigentlich für die resul-

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tierenden Handlungen verantwortlich? Muss der vertritt die Auffassung, Gehörlosigkeit sei keine
Patient für den Autoeinbruch genau so zur Re- Krankheit, die behandelt werden müsse, sondern
chenschaft gezogen werden wie jemand ohne eine Lebensform unter vielen, die so zu respek-
Hirnstimulator? Die Antworten auf diese Fragen tieren sei. Cochlea-Implantate, insbesondere ihr
hängen zu einem wesentlichen Teil ganz offen- Einsatz bei Kindern, wird als Zwang zur Anpas-
sichtlich von der Zurechnungsfähigkeit ab. Die sung an eine als gesellschaftliche Norm dekla-
mehrtausendjährige Erfahrung mit dem Konsum rierte Normalität angesehen (Silvers 1998).
von Alkohol und seiner eintrübenden Wirkung Norman Daniels orientiert sich an einer sta-
auf Wahrnehmungs- und Entscheidungsfähig- tistischen Normalität des Menschen, dem spe-
keit hat zu der Einführung von Schwellenwerten ziestypischen Funktionieren („species-typical
geführt; diese drücken aus, ab welcher Blutal- functioning“), um die gerechtfertigten Ansprü-
koholkonzentration Fahruntüchtigkeit, Schuld- che eines Individuums an solidarfinanzierte
unfähigkeit oder Vernehmungsunfähigkeit ein- Gesundheitsleistungen zu begründen (Daniels
setzen. Wie mit unerwünschten Auswirkungen 2008). Auf diese Weise sollte es möglich sein,
der DBS auf das Verhalten verfahren werden berechtigte Ansprüche zu begründen und Pro-
sollte, ist derzeit noch nicht geregelt und muss thesen als eine mögliche Option unter anderen
im Einzelfall entschieden werden. Daher ist es anzubieten. Die Betroffenen können dann frei
dringend erforderlich, diesen Bereich in den entscheiden, ob und welche Option sie anneh-
Blick zu nehmen und die Fragen nach Zurech- men bzw. ablehnen, ohne sich einer sozialen
nungs- und Schuldfähigkeit in den Grenzfällen Erwartung anpassen zu müssen.
der DBS näher zu beleuchten.
Bei ableitenden Verfahren zur Ansteuerung
einer motorischen Prothese stellt sich die Ver- 3.3 Die Ebene des Menschenbildes
antwortungsfrage in einer anderen Form. Da der
Roboterarm letztlich durch die in der zentralen Dem technischen Zugriff auf das menschliche
Recheneinheit generierten Steuerungsimpulse Gehirn liegt eine mechanistische Deutung des
kontrolliert wird, können falsche Berechnungen Menschen und seines Zentralorgans zugrunde.
und Fehlinterpretationen der abgeleiteten neuro- Dies muss nicht bedenklich sein. Wenn der
elektrischen Signale zu Bewegungen führen, die Reduktionismus des mechanistischen Zugangs
der Patient gar nicht ausführen wollte.9 Wer im Bewusstsein bleibt, kann er – im Sinne ei-
wäre gegebenenfalls für daraus resultierende nes methodischen Reduktionismus – für thera-
Schäden verantwortlich? Der klassische Zugang peutische Verfahren sehr segensreich sein. Man
zur Verantwortlichkeit bei der Benutzung ge- kann die neuroelektrischen Prozesse des Ge-
fährlicher Gerätschaften wie beispielsweise hirns erforschen und versuchen, sie therapeu-
Kraftfahrzeugen besteht in der Klärung, ob der tisch zu nutzen, ohne das menschliche Gehirn
Nutzer noch korrigierend hätte eingreifen kön- als bloßen Kohlenstoff-basierten Computer zu
nen und ob er seine Sorgfaltspflichten vernach- verstehen. Problematisch wird es erst, wenn die
lässigt hat. Wenn beides verneint wird, trägt der mechanistische Deutung als metaphysischer
Nutzer auch keine Verantwortung. Zu klären Reduktionismus mit einem Alleinvertretungs-
bliebe noch, ob es auch für BMI-basierte moto- anspruch auftritt und kein anderes Verständnis
rische Prothesen (oder auch die entsprechende mehr zulässt.10
Ansteuerung des natürlichen Arms) ähnlich Ethische Argumentationen, die direkt auf
wie bei Kraftfahrzeugen einen Führerschein ein Menschenbild oder die „Natur des Men-
und eine Pflichtversicherung geben sollte, viel- schen“ rekurrieren, sind notorisch problema-
leicht auch Nutzungseinschränkungen (Clausen tisch, weil die Verständnisse dessen, was der
2006b; Clausen 2008c). Mensch sei, was ihn ausmache, sehr vielfältig
In den „disability studies“ werden Prothe- sind (Clausen 2008a). Daher kommt es vor
sen in der Hinsicht diskutiert, dass sie einen allem darauf an, sorgfältig zu deklarieren, was
Druck zur Normalisierung generieren würden. man unter der „Natur des Menschen“ versteht
Besonders intensiv wurde diese Diskussion im und was an ihr normativ gehaltvoll ist, wenn
Zusammenhang mit den Cochlea-Implantaten sie für ethische Diskussionen herangezogen
geführt. Ein Teil der Gehörlosengemeinschaft werden soll.11

Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis Nr. 2, 18. Jg., September 2009 Seite 25
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3.4 Die Ebene der Forschungsethik dann, wenn sich die Fragestellungen nur an
ihnen erforschen lassen. Beispielsweise war bis
Die bisher genannten ethischen Fragen beziehen zum Versuch von Hochberg unklar, ob nach
sich vor allem auf die Anwendung von Gehirn- mehrjähriger Lähmung der motorische Kortex
Computer-Schnittstellen. Viele dieser Geräte überhaupt noch ein geeigneter Ableitungsort für
befinden sich allerdings noch in der Entwick- die BMI-basierte Ansteuerung externer Geräte
lung und mit fortschreitenden Erkenntnissen ist. Bei der Beteiligung vulnerabler Patienten-
über das menschliche Gehirn sowie immer wei- gruppen erhält das Aufklärungsgespräch eine
terer Miniaturisierung technischer Bauteile sind gesteigerte Bedeutung. Denn es ist hier besonde-
zusätzliche innovative Zielsetzungen zu erwar- res Augenmerk darauf zulegen, dass die Patien-
ten. Damit diese Geräte in der Klinik therapeu- ten ihre Zustimmung nicht auf unrealistisch
tisch eingesetzt werden können, sind zahlreiche übersteigerten Hoffnungen, beispielsweise ei-
Experimente erforderlich, die auch Forschungen nem therapeutischen Missverständnis gründen.
am Menschen einschließen. Da diese Experi- Über die Erforschung dieser Geräte und ih-
mente den Versuchsteilnehmern selbst oft kei- ren therapeutischen Einsatz hinaus, ist es aller-
nen Nutzen bringen, besteht die Gefahr, die dings durchaus denkbar, dass diese auch einmal
Versuchspersonen einem Risiko auszusetzen, für die Verbesserung kognitiver Leistungen
von dem allenfalls andere vielleicht einmal pro- eingesetzt werden können. Die einschlägigen
fitieren. Um einer Ausbeutung von Patienten in Erfahrungen mit der Off-label-Nutzung von
der klinischen Forschung vorzubeugen, sind Psychopharmaka, lassen eine solche Entwick-
daher eine Reihe von Richtlinien entwickelt lung wahrscheinlich erscheinen. Daher plädiert
worden. Auf der Grundlage dieser nationalen Steffen Rosahl in seinem Beitrag in diesem Heft
und internationalen Anforderungen haben Eze- für eine rechtzeitige und nüchterne Diskussion
kiel Emanuel und Kollegen sieben Kriterien der ethischen und gesellschaftlichen Aspekte
herausgearbeitet, die erfüllt sein müssen, damit eines solchen Einsatzes, auch wenn er technisch
klinische Forschung ethisch vertretbar ist noch nicht realisierbar ist.
(Emanuel et al. 2000). Diese Kriterien sind: Die Risiken von Hirnimplantaten sind al-
Wertschöpfung, wissenschaftliche Validität, lerdings gravierend. Während sie bei schwer
faire Auswahl der Versuchspersonen, akzeptab- leidenden Patienten durch den therapeutischen
les Nutzen-Risiko-Verhältnis, unabhängige Benefit überwogen werden können, ist dies für
Prüfung, aufgeklärte Zustimmung und Respekt verbessernde Maßnahmen an Gesunden ge-
für die Versuchsteilnehmer.12 Die forschungs- genwärtig nicht der Fall. Dies muss allerdings
ethischen Kriterien können unterschiedlich nicht so bleiben. Daher fordert Rosahl zu Recht
gewichtet werden. eine rechtzeitige Diskussion der ethischen As-
Wird der Schutz der Studienteilnehmer vor pekte ein. Dabei werden – wenn die Verfahren
forschungsbedingten Risiken in den Vorder- tatsächlich einmal sicher sein sollten – die Fra-
grund gestellt, ist die Erforschung invasiver gen nach den Auswirkungen auf den Menschen
BCIs an Gesunden aufgrund der Eingriffsrisiken und sein Selbstverständnis eine zentrale Rolle
und ungeklärten Langzeitwirkungen ethisch spielen. Allerdings darf ein möglicher Miss-
auch dann nicht zu rechtfertigen, wenn der Pro- brauch dieser Verfahren nicht zu einer pau-
band einwilligungsfähig ist und in Kenntnis der schalen Ablehnung dieser Verfahren führen.
Situation seine freiwillige und aufgeklärte Ein- Dies würde der Verantwortung für die Patien-
willigung gäbe. Selbst für Querschnittsgelähmte ten, die von diesen Geräten einmal profitieren
und LIS-Patienten wäre unter dem Gesichts- könnten und teilweise ja schon jetzt profitieren
punkt der Schadensvermeidung eine Ver- nicht gerecht werden.
suchsteilnahme ethisch bedenklich, solange es
andere Patienten gibt, die ohnehin schon eine
Elektrode beispielsweise für diagnostische Zwe- Anmerkungen
cke implantiert bekommen haben.
Bei einer stärkeren Gewichtung der Auto- 1) Die konvergierenden Technologien werden oft
nomie, können dagegen auch Gelähmte als Ver- im Zusammenhang mit der Steigerung mensch-
suchspersonen in Frage kommen – insbesondere licher Fähigkeiten jenseits von therapeutischen
Maßnahmen, über das für einen Menschen nor-

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male Maß hinaus diskutiert (Roco, Bainbridge 12) An anderer Stelle bin ich ausführlicher auf
2002). Dieser Beitrag konzentriert sich dagegen diese Kriterien und die ihre Bedeutung für die
auf den therapeutischen Einsatz von Gehirn- Erforschung von Gehirn-Computer-Schnittstel-
Computer-Schnittstellen und den damit verbun- len eingegangen (Clausen 2009a). Zur experi-
denen ethischen Fragen. Für die ethische Dis- mentellen Ausweitung des Indikationsspekt-
kussion des Enhancements durch solche Geräte rums der DBS auf psychiatrische Erkrankungen
siehe Rosahl in diesem Heft und auch Grun- und frühere Stadien von M. Parkinson siehe
wald 2008 (insbes. S. 227ff.). auch Clausen 2009d.
2) Für einen strukturierten Überblick siehe bei-
spielsweise Decker, Fleischer 2008; Fiedeler Literatur
2008.
3) Für eine tabellarische Darstellung, die beide Bauby, J.-D., 1997: Schmetterling und Taucherglo-
Kriterien miteinander kombiniert, siehe Clausen cke. Wien
2008b, S. 41. Birbaumer, N.; Cohen, L.G., 2007: Brain-Computer
4) In diesem Beitrag präsentieren die Autoren Interfaces: Communication and Restoration of Mo-
auch einen Überblick über die unterschiedli- vement in Paralysis. In: The Journal of Physiology
chen Varianten ableitender BCIs und ihre viel- 579/Pt 3 (2007), S. 621–636
fältigen klinischen Anwendungsmöglichkeiten, Birbaumer, N.; Ghanayim, N.; Hinterberger, T. et
die vom Einsatz bei Epilepsiepatienten zur Un- al., 1999: A Spelling Device for the Paralysed. In:
terdrückung von Anfällen, über die Wiederher- Nature 398/6725 (1999), S. 297–298
stellung motorische Fähigkeiten nach Schlagan- Birbaumer, N.; Murguialday, A.R.; Cohen, L., 2008:
fall bis hin zum Training von Psychopathen rei- Brain-Computer Interface in Paralysis. In: Current
chen, die ihre zentralen Defizite mittels Neuro- Opinion in Neurology 21/6 (2008), S. 634–638
feedback reduzieren lernen. Blankertz, B.; Dornhege, G.; Krauledat, M. et al.,
5) Beim Verfahren der Tiefenhirnstimulation wird 2007: The Non-Invasive Berlin Brain-Computer
üblicherweise in beiden Hirnhälften jeweils ei- Interface: Fast Acquisition of Effective Performance
ne Elektrode im Bereich der Basalganglien im- in Untrained Subjects. In: Neuroimage 37/2 (2007),
plantiert, um an dieser Stelle einen relativ eng S. 539–550
eingegrenzten Bereich des Gehirns zu stimulie-
Carmena, J.M.; Lebedev, M.A.; Crist, R.E. et al.,
ren. Dadurch werden krankhaft veränderte neu-
2003: Learning to Control a Brain-Machine Inter-
ronale Erregungsmuster technisch so beein-
face for Reaching and Grasping by Primates. In:
flusst, dass die motorische Symptomatik in der
PLoS Biology 1/2 (2003), S. E42
Regel deutlich gebessert werden kann.
6) Einen Überblick über die unterschiedlichen ethi- Clark, G.M., 2006: Review. The Multiple-Channel
schen Dimensionen dieser Technologien geben Cochlear Implant: The Interface between Sound and
beispielsweise Clausen et al. 2008; Engels, Hildt the Central Nervous System for Hearing, Speech,
2005; Merkel et al. 2007; Müller et al. 2009. and Language in Deaf People – A Personal Perspec-
7) Unter Hypomanie wird eine abgeschwächte tive. In: Philosophical Transactions of the Royal
Form der Manie verstanden, bei der die Sym- Society of London. Series B: Biological Sciences
ptome einer Manie geringer ausgeprägt sind. Die 361/1469 (2006), S. 791–810
Hypomanie ist i. d. R. mit gehobener Grund- Clausen, J., 2006a: Die „Natur des Menschen“:
stimmung und gesteigertem Antrieb verbunden, Geworden und gemacht – Ethische Überlegungen
die zu übertriebenem Selbstbewusstsein und ver- zum Enhancement. In: Zeitschrift für medizinische
stärkter Risikobereitschaft führen können. Ethik 52/4 (2006), S. 391–401
8) Einer etwas ausführlichere Diskussion mit Clausen, J., 2006b: Ethische Aspekte von Gehirn-
weiteren Beispielen findet sich in Clausen Computer-Schnittstellen in motorischen Neuropro-
2008b, S. 52ff. thesen. In: International Review of Information
9) Die Zuverlässigkeit der Computer gestützten Ethics 5/9 (2006), S. 25–32
Prognosen liegt bei etwa 80 % (Carmena et al. Clausen, J., 2008a: Die „Natur des Menschen“: Ihre
2003). notorische Vieldeutigkeit und ihre Bedeutung für die
10) Zum Problem des metaphysischen Reduktio- biomedizinische Ethik. In: Wiesing, U.; Michl, S.
nismus siehe Clausen 2006a, S. 398ff. (Hg.): Pluralität in der Medizin. Freiburg, S. 165–194
11) Wie die „Natur des Menschen“ Orientierung bei Clausen, J., 2008b: Gehirn-Computer-Schnittstellen:
Eingriffe ins Gehirn geben kann und welche Anthropologisch-ethische Aspekte moderner Neuro-
Anforderungen an die Argumentation zu stellen technologien. In: Clausen, J.; Müller, O.; Maio, G.
sind, kann hier allerdings nicht entwickelt wer- (Hg.): Die „Natur des Menschen“ in Neurowissen-
den. Siehe dazu Clausen 2009b. schaft und Neuroethik. Würzburg, S. 39–58

Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis Nr. 2, 18. Jg., September 2009 Seite 27
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Smeding, H.M.; Goudriaan, A.E.; Foncke, E.M. et bestimmten Disziplinen, Fähigkeiten und
al., 2007: Pathological Gambling After Bilateral Wissen zu bezeichnen. In diesem Sinn be-
Subthalamic Nucleus Stimulation in Parkinson fasst sich dieses Papier mit der Konvergenz
Disease. In: Journal of Neurology, Neurosurgery von Disziplinen wie Natur- und Technikwis-
and Psychiatry 78/5 (2007), S. 517–519 senschaften einerseits und dem zugehörigen
Stier, M., 2006: Ethische Probleme in der Neuro- Wissen, welche Fähigkeiten von Gesell-
medizin: Identität und Autonomie in Forschung, schaften und gesellschaftlichen Gruppen
Diagnostik und Therapie. Frankfurt gewollt werden andererseits; aber gleichzei-
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Cortical Control of a Prosthetic Arm for Self- Verlauf des Aufsatzes näher erläutert wird.
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Bilateral Deep Brain Stimulation vs Best Medical
Therapy for Patients With Advanced Parkinson Das Thema Konvergenz ist nicht neu. Die alten
Disease: A Randomized Controlled Trial. In: JAMA Griechen verwendeten den Begriff techné
301/1 (2009), S. 63–73 (τέχνη), eines von zwei griechischen Wörtern,
die an den Wurzeln des Begriffs „Technologie“
Kontakt liegen, um die Konvergenz von bestimmten
Disziplinen, Fähigkeiten und Wissensbeständen
Dr. rer.nat. Jens Clausen zu bezeichnen. In jüngerer Zeit erreichte der
Universität Tübingen
Begriff „Konvergenz“ seine größte Sichtbarkeit
Institut für Ethik und Geschichte der Medizin
Gartenstraße 47, 72074 Tübingen im Umfeld der Beschreibung des Zusammen-
Tel.: +49 (0) 70 71 / 29 - 7 80 31 flusses verschiedener Wissenschaften und Tech-
Fax: +49 (0) 70 71 / 29 - 51 90 nologien (1). Besonders einflussreich war der
Workshop (2), der im Jahr 2001 von der Na-
tional Science Foundation und dem Department
«» of Commerce der USA organisiert wurde:
„Nanotechnology, Biotechnology, Information
technology and Cognitive science (NBIC): Con-
verging Technologies for Improving Human
Performance”. Dieser führte das Konzept der
Konvergenz verschiedener Wissenschaften und
Technologien unter dem Schirm der Nanoskala
ein. Der Bericht zu „Converging Technologies

Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis Nr. 2, 18. Jg., September 2009 Seite 29

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