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Auf das Konzept der Verbindungen kommt es an. Das gilt nirgends mehr als für
das Design von Stühlen. Kein anderes Möbel bietet derartige und derart viele
Möglichkeiten, Verbindungen herzustellen und zu vereinfachen. Darum haben die
Menschen auch in die Herstellung keines anderen Möbelstücks so viel
Anstrengung und Ressourcen investiert wie in die von Stühlen und dies schon seit
über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Tatsächlich ist der Stuhl – abgesehen
möglicherweise vom Auto – das Industrieprodukt der Moderne, das die Designer
am meisten beschäftigt hat.
Stets war der Erfolg eines Stuhlentwurfs abhängig von der Qualität und dem
Charakter der Verbindungen, die dieser bzw. der Designer oder die Designerin mit
diesem Stuhl durch seine Form und die verwendeten Materialien eine körperliche
und eine psychologische Verbindung zu dem, der oder die auf ihm sitzt. Ein Stuhl
kann sich zudem visuell und/oder funktional mit seiner Umgebung und den dort
vorhandenen Objekten und Stile verbinden. Im Verlauf der letzten 150 Jahre
vollzog sich die Evolution des Stuhls und seiner Formen im Gleichklang mit den
Entwicklungen in Architektur und Technik und sie spiegelt damit die sich
wandelnden Bedürfnisse und Interessen der Gesellschaft so präzise, dass man
seine Geschichte als eine Art Designgeschichte im Kleinen betrachten kann.
Abgesehen von technischen Überlegungen zum Sitzen und unabhängig von der
Frage, wie gut die Benutzer oder die Benutzerin mit den Formen körperlich und
psychologisch zurechtkommen, werden Stühle auch für Anlässe entworfen und
aus Gründen erworben, die von eher symbolischer Bedeutung sind und mit
Geschmack und Moden zu tun haben. Unter allen Möbeln ist es wiederum der
Stuhl, der am häufigsten dazu benutzt wird, das Ego zu stützen und „Geschmack“
zu demonstrieren, womit Stühle immer auch die sozialen und politischen
Einstellungen ihrer Besitzer, auch deren gesellschaftlichen und ökonomischen
Status demonstrieren.
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beim Entwerfen eines Stuhls immer um dasselbe: nämlich darum, Verbindungen
zu schaffen.
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Der Thonet-Sessel
Vom Gebrauchsmöbel zum Designklassiker
Die Verbindung der Vorder- und Hinterbeine mit einem Sitzrahmen war im
Stuhlbau insofern eine Herausforderung, als diese Verbindung meist nicht
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dauerhaft stabil war. Michael Thonets Lösung war Revolutionär. Er schuf keine
neue Art von Verbindung oder verbesserte sie bloß: er beseitigte sie.