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Elementarmathematik vom höheren Standpunkt

Dr. Regula Krapf Tutorium

Lesen von Sätzen und Beweisen

Um einen mathematischen Text, insbesondere einen Beweis, zu verstehen, braucht man deut-
lich mehr Zeit als um einen Zeitungsartikel zu lesen. Dabei ist es jeweils hilfreich, sich Gedan-
ken zu Folgendem zu machen:
• Was wird genau bewiesen? Formulieren Sie die Behauptung in Ihren eigenen Worten.
• Welche Beweismethode wird verwendet? Wieso ist diese Beweismethode hier geeignet?
• Überlegen Sie bei jedem Schritt, wieso er gilt. Oft enthalten mathematische Texte in
Lehrbüchern kleine Lücken, die man selber füllen muss.
• Lässt sich der Satz/Beweis verallgemeinern? Gilt auch die Umkehrung?
• Machen Sie Beispiele und/oder eine Skizze.
• Erklären Sie den Text jemand anderem! Dann merken Sie, ob Sie ihn wirklich verstan-
den haben.
Aufgabe. Wir betrachten den Satz
Satz von Euklid: Es gibt unendlich viele Primzahlen.
Bilden Sie dazu Zweiergruppen, wobei eine Person Beweis A und die andere Person Beweis B
liest. Erklären Sie Ihren Text Ihrer Partnerin/Ihrem Partner. Beide Texte sind (in leicht abge-
wandelter Form) Lehrbüchern. Überlegen Sie dabei bei jedem Beweisschritt, wieso dieser folgt
und füllen Sie ggf. kleine Lücken im Beweis.

Beweis A. Sei n ∈ N mit n > 1. Da n und n + 1 aufeinanderfolgende Zahlen sind, sind sie
teilerfremd. Somit muss n(n + 1) mindestens zwei verschiedene Primfaktoren besitzen. Nun
sind auch n(n + 1) und n(n + 1) + 1 teilerfremd, also besitzt n(n + 1)(n(n + 1) + 1) mindestens drei
Primfaktoren. Dieser Prozess kann beliebig fortgesetzt werden, und somit gibt es unendlich
viele Primzahlen. 

Fragen zum Überlegen:


• Welche Beweismethode wird hier verwendet?
• Wieso sind n und n + 1 teilerfremd1?
• Was wäre der nächste Schritt?
• Wieso folgt es, dass es unendlich viele Primzahlen gibt?
Gedanken zu Beweis A:

1d.h. der einzige gemeinsame Teiler ist 1.


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Beweis B. Angenommen, es gibt nur n Primzahlen p1 , . . . , pn . Es seien N := p1 · . . . · pn und


Qi := N /pi für i = 1, . . . , n. Für kein i teilt pi die Zahl Qi , wohingegen pi ein Teiler von Qj ist für
j , i. Man setze S := Q1 + . . . + Qn und bezeichne mit q einen beliebigen Primteiler von S. Dann
ist q verschieden von allen pi , daher muss q eine weitere Primzahl sein, ein Widerspruch. 

Fragen zum Überlegen:


• Welche Beweismethode wird verwendet?
• Wieso gilt pi - Qi und pi | Qj für i , j?
• Wieso ist q , pi für jedes i ∈ {1, . . . , n}?
• Worin besteht der Widerspruch?
Gedanken zu Beweis B:

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