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Originalarbeiten.

I.
(Ans der dcrmatologiscli-syplnlidologischen Abteilung des k. k. Krankenhauses
Wieden in Wien. Vorstand: Prof. Dr. S. Ehrmann.)
Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida zum
Hautpigment syphilitischer Effloreszenzen.
Von
Dr. B. LiPSC H Ü TZ
in Wien.
Die Bedeutung des Studiums der Physiologie und Pathologie
des Hautpigmentes ergibt sich aus der stets anwachsenden Zahl
von Arbeiten, die diesen Gegenstand behandeln. Nicht nur der
Dermatologe erblickt im Studium des Hautpigmentes eine Reihe
pathologisch und diagnostisch wichtiger Momente, sondern es
bieten sich in demselben auch in biologischer Beziehung und nicht
zuletzt auch vom anthropologischen Standpunkt zahlreiche wichtige
Fragen dar. Sehen wir von den zahlreichen Pigmentanomalien,
pigmenthaltigen Geschwülsten u. s. w. ganz ab und wenden wir
unsere Aufmerksamkeit ausschliesslich dem physiologischen Haut­
pigment des Menschen zu, so müssen zunächst zwei Tatsachen
hervorgehoben werden, die eine genaue Würdigung verdienen:
einmal eine gewisse Labilität des Hautpigmentes und ferner die
sehr grosse Anzahl von Faktoren verschiedenen Ursprunges, die
Pigmentschwankungen zu veranlassen vermögen. Nicht nur durch
Licht- und Röntgenstrahleu, thermische Einflüsse, gewisse chemische
Agentien, sondern selbst durch elektrische Traumen können
Schwankungen des Pigmentgehaltes der Haut veranlasst werden,
und schliesslich kommt gewissen entzündlichen Prozessen ebenfalls
die Fähigkeit zu, Alterationen des Hautpigments hervorzurufen.
Wir möchten daher die das Hautpigmeut beeinflussenden Fak­
toren in zwei grosse, von einander scharf zu trennende Gruppen
einteilen: die erste umfasst, im weitesten Sinne des Wortes,
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Dermatologische Zeitschrift. Bd XIV Heft 2 . (J


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08 I.ipschütz, Über die Beziehungen der Spirocliaeta pallid
physikalisch-chem ische E inflüsse, wobei etwaige, durch diese
im Gewebe gesetzte entzündliche Vorgänge durchaus nicht
spezifischer Natur sind; die zweite Gruppe enthält die durch
spezifisch-entzündliche Prozesse provozierten Pigmentver­
änderungen der Haut. Zu diesen rechnen wir hauptsächlich die
Syphilis und die L epra und vielleicht auch die Skleroderm ie
Hingegen möchten wir Pigmentierungen, wie sie bei gewissen
entzündlichen Prozessen der Haut, wie z. B. nach chronischer
Akne u. s. w., auftreten, nicht direkt in diese Gruppe einreihen,
sondern dieselben nur anhangsweise hier anführen.
In vorliegender Arbeit wollen wir die bei der Syphilis
auftretenden Pigmentveränderungen, insoweit sie von uns aut
Grund histologischer Untersuchungen und des positiven Spiro-
chaetennach weises in einer Reihe syphilitischer Produkte fest­
gestellt werden konnten, besprechen. Denn während man bisher
ausschliesslich mit Hilfe histologischer Untersuchungen, wie solche
von E hrm ann, R iehl, Neumann u. A. vorliegen, bemüht war,
die Einflussnahme des syphilitischen Prozesses auf den physio­
logischen Pigmentgehalt der Haut zu erforschen, sind wir jetzt
durch die Entdeckung Schaudinns imstande, die Beziehungen
des syphilitischen Virus zum Hautpigment exakter festzustellen.
Die zu diesem Zwecke einzuschlagende Methode musste
darin bestehen, einerseits auf der Höhe der Entwicklung befind­
liche syphilitische Effloreszenzen, andererseits aber jene Formen
der Untersuchung zuzuführen, die schon bei makroskopischer Be­
sichtigung durch ihre beginnende oder deutliche Depigmentation
einen klaren Fingerzeig für den im Gewebe sich abspielenden
Vorgang abgaben. Nachdem man jedoch nicht in der Lage ist,
diesen Vorgang direkt zu beobachten und zu verfolgen, so war
es wieder angezeigt, die einzelnen Phasen desselben nachzuweisen
und durch sowohl unter einander, als auch mit dem normalen
Pigmentgehalt der Haut auszuführende vergleichende Unter­
suchungen das Studium der hier interessierenden Frage vor­
zunehmen.
Bevor ich jedoch zum eigentlichen Thema dieser Arbeit
übergehe, möchte ^ch in Kürze, ohne auf Meinungsverschieden­
heiten der Autoren und noch in Schwebe befindliche Fragen ein­
zugehen, den Stand der Pigmentfrage skizzieren, wie er von
Ehrm ann auf Grund zahlreicher, namentlich auf entwicklungs­
geschichtlicher Basis ausgeführter Arbeiten vertreten wird.
Nach den Untersuchungen Ehrm anns wird das Hautpigment
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in eigentümlichen Zellen gebildet, die weder mit banalen Binde­


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zum Hautpigment syphilitischer Efflorcszenzen. 69
gewebszellen, noch mit Leukozyten, noch mit Epidermiszellen
identisch sind, nämlich in den von Ehrm ann 1886 beschriebenen
„Melanoblasten“. Diese Zellen sind raesodermalen Ursprunges
und wachsen als Abkömmlinge derer, die in der Cutis sich bilden,
in die Oberhaut hinein, wo sie sich selbständig weiter entwickeln,
sowohl in Bezug auf Form als Grösse. Von den Bindegewebs­
zellen unterscheiden sie sich dadurch, dass sie um ein Vielfaches
grösser sind und eine viel grössere Menge von Protoplasma um
den Kern zeigen. Sie besitzen nicht nur rundliche, sondern oft
eine polymorphe Gestalt, und von konisch vorspringenden Partien
des Zellleibes gehen Fortsätze ab, die gewöhnlich kurz, manchmal
jedoch bedeutende Länge besitzen, dann aber selten ganz gestreckt,
meist gestreckt-knorrig verlaufen, sich verzweigen und mit ein­
ander anastomosieren. Während diese Beschreibung mehr den
Cutismelanoblasten entspricht, nehmen die Melanoblasten in der
Epidermis ein etwas differentes Aussehen an. Ihr Körper wird
mehr kugelig oder oval, die Fortsätze werden schlanker, gleich-
mässiger und übergehen mit ihren Fortsätzen in die distalen
Pigmentkappen der Basalzellen.
Das M a te r ia l, welches von den Melanoblasten zu
melanotischem Pigment1) verarbeitet wird, entstammt dem Blute
und ist vielleicht Hämoglobin, welches in grosser Verdünnung in
Lymphe und Gewebssäften enthalten ist. Die in den Melano­
blasten enthaltenen schwarzen Pigmentkörnchen sind keineswegs
einfache Gebilde, schwarze Punkte oder Striche, sondern sie be­
stehen, wie Ehrm ann nachgewiesen und Unna auch bestätigt
hat, aus einer ungefärbten Grundsubstanz, in welcher das bouteillen-
grüne Pigment aufgelöst ist. Das letzte hat keinen nachweisbaren
Eisengehalt mehr, ist ein Melanin.
Was nun speziell die Menschenhaut betrifft, — von den dies­
bezüglichen Verhältnissen des Pigmentes bei den Amphibien, bei
welchen Ehrmann grundlegende Untersuchungen ausgeführt hat,
kann hier abgesehen werden, — so findet man Melanoblasten unter
physiologischen Verhältnissen, nur im Papillarkörper, sowie in
den oberflächlichsten Cutispartien, welche den Retezapfen auf­
liegen, hier oft perivaskulär gelegen, ferner besonders zahlreich
unmittelbar an der Coriumepidermisgrenze, wobei es manchmal
vorkommt, dass der Melanoblastenkörper in der Cutis, seine Fort­
sätze hingegen in der Epidermis sich befinden. Ferner findet sich
melanotisches Pigment in Gestalt feinster Körnchen und Kügelchen
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*) Nur dieses Pigment ist Gegenstand vorliegender Abhandlung.


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70 L ipschütz, Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida
im Protoplasma der Zellen, der Basalzellenschicht, und zwar
sammelt es sich an dem der Cutis abgewandteu Teil der Zellen
an, wo es die sogenannte „distale Pigmentkappe“ bildet. Von
dieser lassen sich nun häufig Pigmentkörnchenreihen verfolgen,
die, nach abwärts verlaufend, eine Verbindung mit den Fortsätzen
der an der Epidermiscoriumgrenze oder in der Cutis selbst ge­
legenen Melanoblasten eingehen.
Diese hier kurz auseinandergesetzten, namentlich an passenden
Untersuchungsobjekten von Amphibien festzustellenden anatomischen
Verhältnisse führten Ehrm ann zur Anschauung, den Epidermis-
zellen die Fähigkeit, melanotisches Pigment zu bilden, vorläufig
abzusprechen; in letztere könne vielmehr das Pigment nur von
den einzigen pigmentbildenden Zellen, den Melanoblasten, auf
dem Wege der intracellulären, protoplasmatischen Strömung, ent­
lang den präformierten Melanoblastenfortsätzen und deren Ver­
bindungen mit den Basalzellen, hineingelangen.
Endlich sei noch hier erwähnt, dass beim Menschen vor­
zugsweise die Malpighische Schicht melanotisches Pigment ent­
hält und „Pigmentkappen“ zeigt, während in den verhornten
Zellen das viel spärlichere Pigment glcichmässig verteilt ist.
Auch scheint den Retezellen die Eigenschaft zuzukommen, das
Pigment innig festhalten und lange aufbewahren zu können.
Nach dieser kurzen Skizzierung des physiologischen Haut­
pigmentes wollen wir die Untersuchungsmethode und das ver­
wendete Material näher beschreiben, sowie die bei den einzelnen
Fällen gefundenen Tatsachen anführen, um aus der Zusammen­
fassung derselben zu einem abschliessenden Urteil zu gelangen.
Als M ethode, von der wir in allen Fällen Gebrauch machen
mussten, kam nur das von Levad iti, nach dem Prinzip der von
Ramón y C ajal für die Darstellung der Nervenendfibrillen an­
gegebenen Silberimprägnation, modifizierte Verfahren in Betracht.
Denn nur bei diesem Verfahren werden sowohl Spirochaeten als
Pigment sehr klar und deutlich zur Darstellung gebracht. Aus
unseren, nahezu auf Jahresfristsich erstreckenden Erfahrungen mit der
älteren Levaditischen Methode ergibt sich, dass der Spirochaeten-
nachweis mit Hülfe derselben noch in einer beträchtlichen Anzahl
von Fällen scheitert, dass aber das Hautpigment dabei stets
ungemein scharf zur Anschauung gelangt. Besonders daraufhin
gerichtete Versuche lehrten, dass schon nach einstündigem Ver­
weilen in der Lapislösung und ebenso langer Reduktion in der
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Pyro gallusflüssigkeit das Pigment, namentlich von etwas stärker


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zum Hautpigmcnt syphilitischer Eftloreszenzeu. 71
pigmentierten Hautgegenclen, tiefschwarz gefärbt erscheint. Schon
der erste Blick ins Mikroskop zeigt das an der Epidermiscorium-
grenze gelegene Pigment, das in Gestalt eines dunkel- oder bläulich­
schwarzen Streifens, den Papillen aufliegend, das Präparat durch­
zieht und vom goldgelben Farbenton des letzteren sich scharf
abhebt. Diese histologischen Bilder sprechen für ein besonders
starkes Elektionsvermögen der Pigmentkörnchen für die Lapis­
lösung, so dass sie bei der darauf folgenden Reduktion mittelst
der Pyrogalluslüsung tiefschwarz imprägniert erscheinen.
Was einzelne bei der Ausführung des Levaditischen Ver­
fahrens als praktisch gefundene, kleine Kunstgriffe betrifft, deren
wir uns schon bei der Ausführung früherer Untersuchungen be­
dienten, so habe ich sie in meiner letzten Arbeit genauer erwähnt.
Endlich möchte ich hier noch anführen, dass unter der
grossen Zahl der von uns untersuchten Fälle sich auch einzelne
missglückte Präparate befanden, die wegen der zahlreichen, diffus
verteilten, wenn auch sehr feinen, schwarzen, körnchenförmigen
Niederschläge von vornherein als Kunstprodukte aus dem Kreis
der Untersuchungen ausgeschlossen wurden, um nicht der geringsten
Verwechslung derselben mit Pigmentkörnchen Raum zu geben.
Zur Untersuchung wählten wir sämtlichen drei Stadien der
Syphilis angehörende Produkte aus, wobei fernerauch verschieden-
alterige und klinisch verschieden aussehende Formen derselben
Gattung syphilitischer Effloreszenzen herangezogen wurden, um
uns durch den Vergleich der den einzelnen Stadien entsprechenden
Präparate Klarheit über das Verhältnis der Spirochaete pallida
zum Hautpigment zu verschaffen. Während sämtliche Präparate
über die Pigmentmenge und -Verteilung Aufschluss gaben, konnte
ein grosser Teil derselben, da sie keine Spirochaeten enthielten,
als dem eigentlichen Zwecke vorliegender Arbeit nicht entsprechend,
nicht oder nur wenig berücksichtigt werden. Es werden daher
hauptsächlich nur diejenigen Fälle, bei welchen Spirochaeta pallida
und Pigment deutlichst dargestellt sind, angeführt werden, die
anderen aber nur soweit, als sie zur Erläuterung einzelner Fragen
in Betracht kommen, in Kürze erwähnt werden.
G ruppe A umfasst 5 Fälle, sämtlich dem ersten E x an ­
them angehörend und von makroskopisch in tak ter Epidermis
bedeckt.
Fall I. E. A., aufgenommen am 30. VIII. 1906. B rün ette Person,
Genitalhaare schwarz.
D iagnose: Induratives Ödem, makulöses Exanthem am Stamm, auf
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den oberen und untereu Extremitäten.


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72 L ipschütz, Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida
Die Präparate entstammen einer linsengrossen, in der Lendengegend
sitzenden, seit wenigen Tagen bestehenden, leicht elevierten Roseola.
Die h isto lo g isch e Untersuchung ergibt folgendes: Das in der sub-
papillaren Cutisschicht gelegene perivaskuläre Entzündungsprodukt ist durch
Bindege\vebs8epta in zahlreiche kleine Herde geteilt, reicht einerseits in die
Papillen, während anderseits entlang den erweiterten, mit gewucherten Endo-
thelien ausgekleideten Blutgefässen sich kleine Streifen desselben auch gegen
die Tiefe der Cutis zu verfolgen lassen. Überall ist zwischen entzündlichem
Produkt und Epidermiscoriumgrenze noch ein Streifen von von Infiltrat nicht
verdrängtem Bindegewebe zu verfolgen.
Zwischen den Zellen des Infiltrates, ferner in der Wandung und im
Innern der Blutgefässe liegen äusserst zahlreiche, typische S pirochaeten1).
Im lockeren Bindegewebe sind keine Spirochaeten enthalten, ebenso fehlen
sie in den knapp unterhalb der Epidermiscoriumgrenze verlaufenden, schon
früher erwähnten Bindegewebsstreifeu.
Der Pigm entgeha 11 der Roseola ist etwas stärker ausgeprägt, es
lassen sich stark ausgebildete distale Pigmentkappen in den Basalzellen nack­
weisen, von welchen manche sogar in mehr als zwei Dritteln ihres Umfanges
ganz schwarz, voll von Pigment erscheinen. In den höheren Retelagen ist
das Pigment ungleich spärlicher, meist nur in Form feiner Körnchen ent­
halten. Im Papillarkörper und in den oberflächlichsten Cutisschichten stellen­
weise massig zahlreiche, wohlausgebildete, grosse, rundliche oder auch etwas
längliche, mit bräunlichschwarzem Pigment erfüllte Melanoblasten. Unter­
schiede im Pigmentgchalt zwischen den zentralen und peripheren Teilen der
Roseola bestehen nicht.
Zusam m enfassung. Eine seit wenigen Tagen bestehende
elevierte R oseola aus der Lendengegend eines brünetten
Individuums, mit sehr grossem Gehalt an S pirochaeten, die
jedoch nicht bis zur Epidermiscoriumgrenze Vordringen, zeigt
eine massige, jedoch deutlich ausgesprochene H yperpigm en­
tieru n g der Basalzellen und eine leichte V erm ehrung der
C utism el an oblasten.
Fall II. B. P., brün ette Person, ist mit einem von Prof. Ehrmann
bereits publizierten Fall identisch und wir wollen, um Wiederholungen
zu vermeiden, die topographischen Beziehungen der Spirochaeten des „papulo-
crustösen Syphilides“ zum Gewebe und namentlich zu den Leukozyten hier
nicht nochmals hervorheben; hingegen mögen hier die Pigmentverhältnisse
näher erörtert werden.
Ehrm ann hatte bereits folgendes geschrieben: „Die Beziehungen (der
Spirochaete pallida) zuz Pigmentierung scheinen in unserem Fall darin zu
bestehen, dass dort, wo der grosse Schwarm der Spirochaeten die Epidermis
durchsetzte, die Epidermiszellen selbst weniger Pigment enthielten, während
die Veränderung in den verzweigten Melanoblasten der Epidermis und der
Cutis nur darin bestand, dass sie grösser waren als die der Umgebung.
Zu dieser kurzen Charakterisierung der Pigmentverhältnisse möchte
ich noch einige Beobachtungen hinzufügen: Mustert man die Schnitte von
der gesunden Umgebung gegen das von Leukozyten durchsetzte Rete hin
durch, so findet man das Pigment im Bereiche der an die Effloreszenz an­
grenzenden normalen Epidermis etwas vermehrt, die distalen Pigmentkappen
wohl ausgeprägt, verzweigte Melanoblasten sind nicht deutlich wahrnehmbar.*)
*) Mit Rücksicht auf andere Befunde wird dieser Fall noch anderwärts
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verwertet.
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zum Hantpigment syphilitischer Eftloreszenzen. 73
Nähert mau sich dem pathologisch affizierten Gewebe, so nimmt die Pig­
mentierung der Basal- und Retezcllen succesive ab, und cs treten zwischen
den allerdings noch immer pigmenthaltigen Basalzellen zunächst spärliche
vergrösserte verzweigte Melanoblasten auf. Die Zahl letzterer nimmt gegen
das Zentrum der Papel hin immer zu, sie werden grösser, länglich und senden
zahlreiche lange Ausläufer aus, hingegen schwinden das Pigment und die
distalen Pigmentkappen der Basalzellen auf der Höhe der Effloreszenz, und
es findet sich Pigment hauptsächlich in den grossen Melanoblasten an­
gesammelt, während der Pigmentgehalt der Retezellen bedeutend reduziert
erscheint.
S piro chaetae pallid ae finden sich in der von Leukozyten stark
durchsetzten Epidermis, ferner an der Epidermiscoriumgrenze und in den
Papillen gerade auf der Höhe der Papel, dort, wo die oben beschriebenen
Pigmentveränderungen am meisten ausgeprägt sind.
Z usam m enfassung. Jn einem p a p u lo c ru stö se n
Syphilid von der seitlichen Bauchhaut einer brünetten Person
finden sich am Orte der grössten Spirochaetenansammlung Re­
duktion des P igm entgehaltes des Rete und grosse, poly­
gonale, verzweigte, stark pigmenthaltige M elanoblasten.
Fall III. S. J., aufgenommen am 16. VI. 1906. Fall von papulo-
crustösem Syphilid (identisch mit Fall II meiner letzten Arbeit) (9,b).
T iefdunkelblonde Person. Die exzidierto Hautstelle betrifft eine hanf­
korngrosse papulocrustöse Effloreszenz des Mons veneris.
Klinisch und histologisch, ferner bezüglich der topographischen Be­
ziehungen zum Gewebe und speziell zu den Leukozytenansammlungen des
Rete stimmt dieser Fall mit dem vorhergehenden vollkommen überein.
Anders gestalten sich die Pigmentverhältnisse. Mustern wir hier ebenfalls
die Schnitte von der normalen Umgebung gegen die papulöse Effloreszenz
hin durch, so finden wir zunächst in den Basalzellen und auch sonst in den
Retezellen der normalen Epidermis einen mässigen Pigmentgchalt, der jeden­
falls geringer erscheint, als der der normalen Umgebung des vorhergehenden
Falles. Dies hängt natürlicherweise auch damit zusammen, dass Fall II eine
tiefdunkolbrünette, Fall III hingegen eine dunkelblonde Person betrifft. In
den periphersten Anteilen der papulösen Effloreszenz hört die Pigmentierung
des Rete allmählich ganz auf, während grössere, polymorphe, verzweigte und
kleinere, mehr rundliche, pigmenthaltige Melanoblasten zwischen den Basal­
zellen nachweisbar werden. Auf der Höhe der Effloreszenz endlich, wo die
Zahl der Spirochaeten am grössten ¡wird, finden sich nur ganz vereinzelte
Melanoblasten, und das Rete ist, stellenweise wenigstens, bis auf einzelne
Melaninkörner fast ganz von Pigment cntblösst.
Zusammenfassung. In einem zweiten Fall von papulo-
crustösem Syphilid einer dunkelblonden Person feh lt an
der Stelle der grössten Spirochaetenansammlung im Rete das
Pigm ent desselben stellenweise fast vollständig und sind da­
selbst meist nur ganz vereinzelte Melanoblasten noch auffindbar.
Fall IV. F. G., dunkelblonde, fast brünette Person. Fall von
k lei n p us tu losem Syphilid („Acne syphilitica“). Dieser Fall wurde in
einer früheren Arbeit (9,b) ausführlich beschrieben, hier finden nur die Be­
ziehungen der Spirochaete pallida zum Pigmentgchalt und -Verteilung der
Effloreszenz Besprechung.
Die an das Epidermisabszesschen unmittelbar angrenzenden Retezapfen
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zeigen nicht mehr die für die Basalzcllenschicht charakteristische Pigmen­


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f4 L ipschütz, Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida
tierung, das Pigment ist hier vielmehr in bedeutend reduzierter Menge in
Form meist sehr feiner, schwarzer Körnchen diffus im Rete Malpighi ver­
teilt. In den nach aussen folgenden Retezapfen ist die Pigmentverminderung
noch immer recht ausgesprochen, doch sind hier schon die Basalzellen, wenn
auch mit geringeren Mengen, als es der Norm entspricht, mit Pigment er­
füllt, ferner treten auch spärliche, mehreckige, mit deutlichen Ausläufern
versehene Melanoblasten auf, die meist ihren Sitz nahe der Epidormis-Corium-
grenze haben. In den weiteren, peripheren Kelezapfen findet der Übergang
allmählich zu einer am Rande der exzidierten Eautpartie auftretenden deut­
lichen, wenn auch massigen Hyperpigmentierung statt.
In den an das Epidermisabszesschen anstossenden Papillen sind
rundliche, mit grossen, braunschwarzen Körnern erfüllte Melanoblasten in
massiger Zahl vorhanden.
Gehen wir nun zur Untersuchung des Epidermisabszesschens, be­
ziehungsweise der vom Rete Malpighi gelieferten Wand desselben über, so
finden wir, dass überall dort in der nach unten komprimierten Epidermis-
schicht, wo Spirochaetenansammlungen anzutreffen sind, das Pigment fast
vollkommen fehlt oder nur in Form weniger, schwarzer Körnchen e x tra ­
zellu lär zwischen den komprimierten Retezellen erhalten ist. Es handelt
sich offenbar um aus den Zellen ausgestossenes Pigment, das, in den zwischen
den Retezellen tliessenden Lymphstroni hineingelangend, zur Elimination aus
dem Rete bestimmt erscheint. In den seitlichen Begrenzungen des Abszcsschens
nehmen die Spirochaeten an Zahl ab, hingegen die Zahl der zum Teil diffus
verteilten, zum Teil im Protoplasma der Retezellen gelegenen schwarzen
Körnchen zu. Das Stratum corneum, das in konvexem Bogen über die Höhe
der Elfloreszenz hinwegzieht, enthält wenig in Abstossung begriffenes Melanin.
Zusam m enfassung. Eine Acne sy ph ilitica (erstes
Exanthem) eines tiefdunkelblonden Individuums zeigt an Stelle
der Spirochaetenansammlungen intensiven Pigm entm angel,
in den angrenzenden Retezapfen, die jedoch keine Spirochaeten
enthalten, ausgesprochene Verringerung des physiologischen Pig­
mentgehaltes der Haut, während die ganz periphere H au t­
partie leicht hyperpigm entiert ist.
Fall V. M. F., tief du nkelbrünette Person. Fall von gross­
papulösem , lenticuläsem Syphilid (identisch mit Fall III aus meiner
letzten Arbeit, siehe diese) (9,6).
Dieser Fall verdient insoferne spezielles Interesse, als zwar in dem
mächtigen Plasmom der Cutis sich spärliche Exemplare der Spirochaeta
pallida vorfinden, hingegen keine im verschmälerten, sonst aber unveränderten,
deutliche Pigmentalterationen aufweisenden Rete. In der Peripherie der
Effloreszenz ist das Pigment etwas stärker ausgebildet, meist in Form distaler
Pigmentkappen. Nähert man sich beim Durchmustern der Präparate dem
Zentrum, so verringert sich fortschreitend das Pigment in den Retezellen
und treten stark verzweigte, vielgestaltige, grosse, durch grosse Pigment­
anhäufungen ganz schwarz aussehende Melanoblasten an der Epidermiscorium-
grenze auf. Ihre Zahl ist auf der Höhe der Effloreszenz eine geringere als
in ihren peripheren Teilen.
In den bisher beschriebenen Fällen waren wir imstande (mit Ausnahme
von Fall I), Pigmentveränderungen des Rete (und der Cutis) direkt auf da­
selbst befindliche Ansammlungen von Spirochaeten zurückzuführen, während
in diesem Fall die Epidermis frei von Spitochaeten erscheint, ihre Zahl auch
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im Plasmom eine verschwindend kleine ist, die Pigmentveränderungen hin­


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zum Hautpigment syphilitischer Eifloreszenzen. IO

gegen wohl ausgeprägt siud. Wie diese zu erklären, ob sie auf eine eventuelle
Fernwirkung der Spirochaeta pallida zurückzuführen sind, wird im Laufe
weiter unten folgender Besprechungen zu erörtern sein.
G ruppe B um fasst vier F älle, und zwar eine zum
breiten Kondylom um ge wan d eite S kl er ose und drei geni­
tale oder perigenitale Papeln.
Fall VI. W. K., aufgenommen am 19. VI. 190G. D unkelblondes
Individuum. Neben multipler Drüsenschwellung, Angina specilica und aus­
gebreitetem makulösem Exanthem findet sich am Mons veneris, zwei Quer­
finger über der Radix penis, eine zirka kreuzergrosse, mit einem lackartigen
Belag versehene, exulzerierte, scharf begrenzte, derb sich anfühlende Sklerose.
An diese knapp anstossend mehrere aneinander gereihte, drüsig unebene,
linsengrossc, kupferfarbige Infiltrate mit steilen Rändern, die teilweise mit
Krusten oder Schuppen bedeckt sind und dereu Begrenzung eine serpiginös-
polycyklische Linie darstellt. Wie auch das sofort zu beschreibende histo­
logische Bild ergibt, handelt es sich um regionäre Papeln rings um den
Primäraffekt und Umwandlung des letzteren zur breiten Papel (Tran s fo r ma t io
in situ, Fournier).
Zur Exzision gelangte eine Randpartie der Sklerose.
Im histologischen Bild sind zunächst die bekannten Kennzeichen
des auf der Höhe seiner Entwicklung befindlichen breiten Kondyloms zu
sehen: an der Oberfläche ein reichlicher Belag, zusammengesetzt aus Serum,
Leukozyten und Epithcldetritus; die oberflächlichsten Epidermisschichten
sind in Abstossung begriffen, das ganze Epithel ist ödematös, von Wander­
zellen durchsetzt, und in den oberen Lagen desselben zahlreiche mit Serum,
Fibrinfasern und polynukleären Leukozyten erfüllte Höhlenbildungen. Die
Papillen sind stark verlängert, und dem entspricht auch eine stärkere Wucherung
der Reteleisten und im geringeren Grade des suprapapillären Epithels. Die
Reteleisten siud ferner auch verbreitert und weisen Gestaltsveränderungen
in Form von seitlichen Auswüchsen auf. In den vergrösserten Retezellen
sind zahlreiche Mitosen nachweisbar. Die Papillen, sowie die subpapilläre
Schicht enthalten ein dichtes, perivaskuläres Infiltrat. Der zentrale Anteil
der zum breiten Kondylom umgewandelten Sklerose ist exulzeriert, mit einer
mehrfachen Lage von Eiterzellen bedeckt, die Reteleistcn sind bis aut einzelne
inselförmige Reste, geschwunden, es liegt das entblösste Gorium vor, in
welchem die Gefässc stark erweitert, von einem mächtigen Infiltrat um­
geben sind.
Die Spirochacten finden sich zunächst jedoch in geringer Zahl in
den in den oberflächlichsten Epidermispartien befindlichen Höhlenbildungen,
wo sie sich von dem schwachgelben Farbenton des koagulierten Serums un­
gemein scharf abheben. In den mittleren Anteilen des Rete findet man
äusserst zahlreiche Spirochaeten, die ausschliesslich in den Interspinalräumen
in Form von langen Zügen zu verfolgen sind und an zahlreichen Stellen
topographische Beziehungen zu polynukleären Leukozyten aufweisen, indem
gerade dort, wo die meisten derselben zu sehen sind, auch Spirochaeten sich
vorfinden, erstere gewissermassen umgreifend und einhüllend. Solche Be­
ziehungen der Spirochaeta pallida zu den Leukozyten sind zuerst von
Ehrm ann bei der krustös werdenden Papel beschrieben und als Chemotaxis
gedeutet worden. Dass diese Leukozyteneinwanderung nicht auf Misch­
infektion zurückgeführt werden kann, haben Ehrm ann bei der krustösen
Papel und ich bei der Acne syphilitica klargelegt. In den untersten Anteilen
der verlängerten, verbreiterten und mit seitlichen Auswüchsen versehenen
Reteleisten sind nur an einzelnen Stellen spärliche Spirochaeten sichtbar.
Im Plasmom der Cutis sind meist spärliche Spirochaeten enthalten,
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namentlich im exulzerierten Anteile der Sklerose, wo sie im Lumen der Blut­


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76 L ipschütz, Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida
gefässe Vorkommen, zum Teil der Wandung derselbend anhaftend; hingegen
finden sie sich stellenweise in grösserer Zahl, sowohl intravasal als auch frei
im Infiltrat, in den höchsten Papillenanteilen, über welche die Epidermis
stark verschmfilert erscheint. An solchen Stellen lassen sich die Spirochaeten
von der Epidermiscoriumgrenze sowohl nach unten in das Infiltrat, als auch
nach oben in die lnterspinalräume verfolgen.
Diese Art der Spirochaetenverteilung im breiten Condylom — haupt­
sächliches Vorkommen derselben in den mittleren und oberen Epidermis-
partien, Befund spärlicher Exemplare oder vollkommenes Fehlen derselben
in den tiefsten Anteilen der gewucherten Reteleisten und im Plasmom, wo
sie sich noch am leichtesten in den erweiterten Blutgefässen und in den
Papillenspitzen vorfinden — lässt in uns, ähnlich wie es von Ehrmann zu­
erst für die krustöse Papel ausgeführt worden ist, die Ansicht aufkommen,
dass möglicherweise die Epidermis der syphilitischen Hauteffloreszenz von
mehreren Schüben von Spirochaeten durchwandert wird, dass die Spirochaeten
in den lnterspinalräumen einen Aufstieg zur Oberlläcke durchmachen, wo­
durch in manchen Stadien die hier beschriebenen Bilder entstehen.
Zu dieser Anordnung und Verteilung der Spirochaeten im Gewebe
lassen sich folgende P igm entalterationen feststellen: zunächst Fehlen des
Pigmentes in den Basalzellen der gewucherten Reteleisten, sowie auch in den
höheren Retelagen, während in den obersten Partien des Rete sich noch
spärliches Pigment vorfindet und zwar hauptsächlich cxtracellulär, als auch
von Leukozyten aufgenommen, also offenbar ans den Zellen eliminiertes und
in Abstossung begriffenes melanotisches Pigment. Hingegen finden sich an
der Epidermiscoriumgrenze der in die Tiefe sieh einsenkenden Retezapfen
verhältnismässig spärliche, grosse, mit massig langen Ausläufern versehene
Melanoblasten, zum Teil ganz zwischen den Basalzellen gelegen, zum Teil
liegt der Melanoblastenkörper im Corium, während seine Ausläufer zwischen
den Basalzellen hinaufsteigen.
Für die uns hier interessierende Frage ist es nun von grösster
Wichtigkeit, festzustellen, dass überall im Rete, wo die Spirochaeten in
grosser Zahl, in ganzen Zügen dasselbe durchsetzen, weder
Pigm entierung der B asalzellen, noch M elanoblasten sich v o r­
finden, dass hier vielm ehr fast absoluter Pigmen tmange 1 be­
steh t, während in den entsprechenden Partien der Papillen und des sub-
papillaren Anteils der Cutis noch zahlreiche, in der Nähe von Gefässen oder
direkt perivaskulär gelegene, rundliche Melanoblasten angetroffen werden.
Es macht sich also ein deutlicher Antagonismus zwischen Spirochaeten-
ansammlung und quantitativem und qualitativem Pigmentbefund geltend, auf
den wir noch später eingehender zurückkommen werden.
Zusam m enfassung. In einer zum breiten Condylom
um gew andelten Sklerose (Transformatio in situ) einer
dunkelblonden Person, mit dem Sitze in der Gegend des Mons
veneris, fanden sich in Zügen teils die mittleren Anteile der
Epidermis durchsetzende, teils das Rete bis zur Epidermiscorium­
grenze und darüber ins Corium zu verfolgende Spirochaeten,
spärlich jedoch oder selbst fehlend in den tiefsten Anteilen der
gewucherten Reteleisten. An den Stellen der grössten Spirochaeten-
ansam m lungen fast vollkom m enes Fehlen desM elanins in
den Basalzellen und Fehlen der M elanoblasten. Hingegen
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finden sich schön ausgebildete, verhältnismässig spärliche Melano-


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zum Hautpigment syphilitischer Effloreszenzen. 77
blasten an der Epiderimscori umgrenze der untersten Anteile der
gewucherten Reteleisten, als auch zahlreicher in den Papillen,
wo sie oft in der Nähe von Gefiissen gelegen sind.
Fall VII. S., aufgenommen am 11. IV. 1906. B rünette Person. •
D iagnose am Tage der Aufnahme: Am Stamm ein abblassendes,
makulöses Exanthem, auf den Seitenteilen des Halses ein undeutliches
Leukoderma, multiple, wallnussgrosse, indolente Drüsenschwellungen in
ingninc. An beiden Labien und in den Genitocruralfalten, ferner circa
anutn zahlreiche knopfförmige, auf intertriginöser Basis sitzende, scharf gegen
die Umgebung abgesetzte, nässende Papeln.
Eine der Papeln ad anum gelangte zu Exzision.
Die histologische Untersuchung ergibt zunächst wieder das typische
Bild des breiten Condyloms, ähnlich wie bei dem vorhergehenden Fall. Nur
sind hier, wegen des Sitzes und des vorgeschrittenen Alters der Papel, die
Veränderungen des Epithels viel ausgesprochener. Das Rete ist stark von
Leukozyten durchsetzt, die stellenweise in grösseren und kleineren Höhlen
liegen; die Reteleisten sind stark gewuchert, so dass auf tangentialen Schnitten
die seitlichen Auswüchse derselben, ähnlich wie beim Karzinom, in die Tiefe
vorzudringen scheinen.
An der Oberfläche des breiten Condyloms lassen sich sehr zahlreiche
S pirochaetae réfring entes nachweisen, kenntlich an ihrem grösseren
Breitendurchmesser, an den flachen Windungen, der geringen Zahl der
Windungen; streckenweise sind sie zu geraden, fadenförmigen Gebilden aus­
gedehnt. Sie kommen in grösseren und kleineren Rasen, dicht nebenein­
anderliegend, vor. was nach unseren Beobachtungen bei der Spirochaeta
pallida nie der Fall ist. Von der Oberfläche des breiten Condyloms aus
lassen sich die Spirochaetae réfringentes auf eine geringe Strecke in die
Tiefe verfolgen, wo sie rasenförmig in von Leukozyten erfüllten Höhlen­
bildungen der Papel hineingewachsen sind. Knapp in der Nähe dieser Rasen
finden sich auch schon typische Exemplare der Spirochaeta pallida vor, mit
verjüngten Enden und korkzieherartig verlaufenden, steilen Windungen, deren
Zahl oft 10—12—14 beträgt. Im Gegensatz zu den Spirochaetae réfringentes
ist die Spirochaeta pallida meist in einzelnen Exemplaren, nie rasenförmig,
sondern höchstens in kleinen Büscheln, die nur wenige Individuen umfassen,
angeordnet. In der Regel tritt die schwarze Färbung der Spirochaeta pallida
sehr intensiv hervor, nur spärliche Exemplare sind hellbräunlich gefärbt und
daher stellenweise oft nur schwer sichtbar. Ob es sich hier um mangelhafte
Imprägnation und Reduktion bei einzelnen Individuen oder um beginnende
Degenerationsformen handelt, möchte ich unentschieden lassen. Die Spirochaeta
pallida liegt stets extracellulär, ziemlich regelmässig verteilt in den Zwischen­
räumen der stark geblähten Retezellen, teils ist sie in der Nähe von
Leukozyten oder in von letzteren erfüllten kleinen Höhlenbildungen gelegen.
An einzelneu Stellen sind je 2 Spirochaetenexemplare derart in einander
verschlungen zu sehen, dass die Bilder lebhaft an die von manchen Autoren
beschriebenen Längsteilungen der Sch a ud i n nschen Spirochaete erinnern.
Während in den oberen und mittleren Partien des stark gewucherten
Rete die Zahl der Spirochaetae pallidae eine^reclit beträchtliche ist, wird sie
in den tiefsten Retelagen und in den Papillen sehr spärlich, so dass stellen­
weise die Spirochaete ganz fehlt. Für diese Art der Verteilung haben wir
schon bei Besprechung des vorhergehenden Falles eine Erklärung zu geben
versucht.
Zu der beschriebenen Spirochaeteuanordnung gesellt sich nun folgende
Art der Pigmentverteilung und -beschaffenheit: in den oberen und mittleren
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Partien des stark gewucherten Rete, dort wo die Spirochaeten in grosser Zahl
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78 L ipsehütz, Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida
nachweisbar sind, ist in den Epidermiszellen in der Regel kein Pigment zu
sehen; diese Stellen sind bei mikroskopischer Beobachtung fast absolui
pigmentfrei. Hingegen findet sich an mehreren Stellen extracellulär und des
weiteren in Leukozyten in Form von grösseren und kleineren, tief dunkel­
schwarzen Körnchen eingeschlossenes, melanotisches Pigment, offenbar ab-
gestosscnes und behufs weiteren Transportes von Wanderzellen aufge­
nommenes Melanin.
In den tiefsten Retelagen, dort wo die Zahl der Spirochaeten eine
geringe ist, beziehungsweise dieselben ganz fehlen, ist das Pigment in den
Basalzellen in Form „distaler Kappen“ deutlich erhalten; ferner bestehen
hier an der Epidermiscoriumgrenzo gut ausgebildete Melanoblasten, deren
zahlreiche Ausläufer oft einen ganzen Zapfen des Rete Malpighi durchsetzen.
In den Papillen fehlt das Pigment entweder ganz oder kommt nur in Form
einzelner unregelmässiger Pigmenthäufchen vor, die nicht mehr in Zellen
liegen, sondern offenbar der Resorption verfallen.
Zusam m enfassung. Das breite K ondylom einer brü­
netten Person, das auf intertriginöscr Basis ad an um seinen Sitz
batte, zeigte an der Oberfläche, zum Teil auch in die oberfläch­
lichsten Schichten der Epidermis reichend, mehrere Rasen von
Spirochaetae refringentes. In den mittleren und höheren Anteilen
des Rete finden sich sehr zahlreiche Spirochaetae pallitlae, die
Retezellen sind hier frei von Pigm ent; in den tiefsten Rete­
zapfen sind Melanoblasten und massig viel Pigment auch in den
Retezellen anzutreffen, die Zahl der Spirochaetae pallitlae ist eine
sehr geringe.
Fall VIII. B. A., aufgenommen am 10. IV. 1906: Blonde Person.
Diagnose; Roseola, Papulae ad genitale et ad anuiu. Papulae ad tonsillas.
Zur histologischen Untersuchung gelangte ein kleines Stückchen
der Randpartie einer ad anum befindlichen Papel nebst einem Stückchen der
angrenzenden Haut.
Es lassen sich im exzidierten Stück, sowohl was die Verteilung der
Spirochaeten als auch die Pigmentanordnung betrifft, zwei Zonen unter­
scheiden: die periphere normale und die der Randpartie der Papel ent­
sprechende. In ersterer sind keine Spirochaeten enthalten; die Retezellen
zeigen stark ausgebildete distale Pigmentkappen, und zwischen den Basal­
zellen finden sich mehrere vergrössertc Melanoblasten. In letzterer ist das
Pigment der Basal- uud auch der übrigen lietezellen entweder grössten:eils
geschwunden oder uur noch in Form kleiner Ansammlungen von Melanin­
körnern erhalten. In diesem depigmentierten Anteile des Rete finden sich
sehr zahlreiche Exemplare der Spirochaeta pallida, zum Teil noch ihre
typische Form beibehaltend, zum Teil jedoch, wie wir cs auch beim nächsten
Fall sehen werden, als beginnende Degenerationsformen. An der Epidermis-
coriumgrenze lasseu sich wohlerhaltene Spirochaeten in die Papillen verfolgen,
in diesen selbst werden nur einzelne Exemplare angetroffen.
Zusam m enfassung. Ein breites Kondylom einer blon­
den Person zeigte deutlich den zwischen Spirochaetenansiedlung
und Pigmentverteilung im Gewebe bestehenden Antagonismus,
ln der P eripherie der Papel bei leichter H yperpigm entierung
132.174.250.220 - 1/6/2020 3:10:22 PM

Fehlen der S pirochaeten, in dem mehr zentralen Anteil


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zum Hautpigment syphilitisclior Effioreszcnzen.
reichliche S pirochaetenansam m lung hei beginnender De-
pigm entation des Rete.
Fall IX. W. M., iiufgenommeu am 17. III. 1906. B rünette l’erson.
D iagnose: Comlyloimita lata ad genitale et anuin. Patientin hat fast
schw arze Kopfhaare.
H istologische U ntersuchung: Bei der leicht tangentialen Schnitt-
liihrnng findet sich zunächst ein ungemein stark gewuchertes, von sehr zahl­
reichen Leukozytenhaufen durchsetztes und an einer Stelle eine Epithelperle
an (weisen des Rete. Die Papillen sind zumeist schräg und quer getroffen.
Die Spirochaetae pallidae findeu sich in reichlicher Menge, wenn auch
nicht gleiehmässig in den Schnitten verteilt, sowohl zwischen den Rctezellen,
in den Intercellnlarränmen, als auch in den von Leukozyten erfüllten Höhlen­
bildungen der Epidermis. Nebst vollkommen typischen Exemplaren der
Spirochaeta pallida finden sich auch Ubergangsformen zu degenerierten und
zerfallenen Spirochaeten und an einzelnen Stellen auch die von Ehrm ann
als „endoccllulärc Büschel“ beschriebenen und als Phagozytose gedeuteten
Zerfallsprodukte der Spirochaeta pallida.
Was nun die Art der Pigmontverteilung betrifft, so finden wir in den
schräg und quer getroffenen Papillen zahlreiche, meist zirkulär um erweiterte,
verdickte Wandungen aufweiseude Gefässe gelegene, geblähte, rundliche oder
längliche, reichlich Melaninkörner enthaltende Melanoblasten. Das gesamte,
im Schnitt vorhandene Rete ist frei von Pigment, enthält keine Melanoblasten
und lässt nur an einzelnen Stellen sehr spärliches, aus den Zellen aus-
gestossenes Pigment erkennen, so dass man hier wohl von einem völligen
Pigmentschwund sprechen darf.
Zusam m enfassung. Ein b reites Kondylom einer tief
brünetten Person weist reichlichen Spirochaetengehalt, De
generationsformen und Bilder der Elirmannschen Phagozytose
auf und zeichnet sich durch völligen Pigm entschw und im
Rete aus, während in den Papillen zahlreiche Melanoblasten vor­
handen sind.
Im Anschluss an die hier genauer mitgeteilten Fälle wollen
wir — der Vollständigkeit halber — noch eine Reihe weiterer
Untersuchungen anführen, die zwar die Pigmentveränderungen
sehr deutlich illustrierende Bilder gaben, jedoch wegen des miss­
glückten Spirochaetennachweises dem in dieser Arbeit verfolgten
Zweck nicht entsprechen und daher nur in aller Kürze besprochen
werden sollen.
Zunächst einige Fälle von Leucoderm a nuchae, bei welchen
schon a priori die Wahrscheinlichkeit des zu erbringenden Spiro­
chaetennachweises eine geringe sein musste, da wir in den weissen
Flecken nicht mit dem pathologischen Prozess selbst, vielmehr
mit seinem Folgezustand beziehungsweise Endausgang zu tun
haben. Des weiteren wäre wohl die Untersuchung abg eheilter,
mit starken H yperpigm entierungen einilergehender, sy p h i­
litisch er Produkte zu erwähnen und endlich zwei Fälle von
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te rtiä re r Lues, die ebenfalls negative Resultate lieferten. Es


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80 L ipschiitz, Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida
muss weiteren Untersuchungen überlassen bleiben, auch für diese
Fälle, durch den Nachweis der Scliaudinnschen Spirochaete,
die unmittelbare Abhängigkeit der sich vorfindenden Pigment­
alterationen vom spezifischen Syphilisvirus festzustellen.
Überblickt man die Reihe der ausführlich beschriebenen
Fälle, so sind es vorzugsweise solche, bei denen die Epidermis
makroskopisch entweder vollkommen erhalten oder doch nur in
den oberflächlichsten Schichten abgestossen ist. Denn da das
Pigment in der Menscheuhaut hauptsächlich im Rete seinen
Sitz hat, konnten begreiflicherweise bei Untersuchungen, die über
die Beziehungen der Spirochaeta pallida zum Hautpigment Auf­
schluss geben sollten, exulzerierte Effloreszenzen, bei denen die
Epidermis zerstört worden war, nicht in Betracht kommen oder
höchstens nur in ihren Randpartien zur Untersuchung gelangen.
Unsere Fälle lehren nun, dass in allen Präparaten, in
welchen Spirochaeten oft in grosser Zahl angetroffen werden,
auch Alterationen der Hautpigmentes konstatiert werden können
und zwar in Effloreszenzen auf der Acme der Entwicklung, so
dass — in Übereinstimmung mit den früheren histologischen
Untersuchungen — die Veränderungen des Hautpigmentes nicht
etwa als Produkt des Endausganges, der Abheilung des spezifischen
Prozesses anzusehen sind. Die Natur der Pigmentveränderungen
besteht teils in einer, wenn auch nicht sehr intensiven, jedoch
deutlichen Pigm enthypertrophie, teils — was für die Mehrzahl
unserer Fälle gilt — in einer ausgesprochenen Pigmentatrophie.
Selbstverständlich lassen sich diese Beziehungen der Spirochaeta
pallida zum Hautpigment nur durch vergleichende Untersuchungen
nicht nur der verschiedenen syphilitischen Hauteffloreszenzen,
sondern auch verschiedenen Stadien derselben Effloreszenz ent­
sprechenden Präparate feststellen. Es erscheinen des weiteren
auch die verschiedenen Abstufungen der Pigment,Veränderungen
nicht nur von der Beschaffenheit und dem Alter der syphilitischen
Effloreszenz, sondern nicht in allerletzter Linie wohl auch — wie
bei anderen Erkrankungen — von dem originären physiologischen
Pigmentgehalt der betreffenden Hautstelle abhängig, je nachdem
es sich das eine Mal um brünette Individuen und dunkelfarbige
Hautstellen, das andere Mal um hellblonde oder rothaarige In­
dividuen handelt. Alle diese Momente sind in der Beschreibung
unserer Fälle genau berücksichtigt worden und muss daher an
dieser Stelle auf diese verwiesen werden.
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Versucht man die in unseren Präparaten beobachteten


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zum Hautpigment syphilitischer Effloreszenzen. 81
Pigmentveränderungen, wie sie sielt aus der Norm entwickeln, in
ein Schema einzuordnen, so lässt sich folgendes aufstellen:
N orm aler Massiger Hochgradiger Absoluter
Hjper- Pigm ent- Pigmentmangel. Pigment- Pigment-
pigmentiei nng. gehalt. mangel. Schwund.
Dieses Schema, auf die von uns untersuchten Palle an­
gewendet, ergibt übersichtlich folgende Tabelle:
Fall I: Roseola. Mässige Hyperpigmentierung.
Fall 11: Papulo-crustöses Massige Hyperpigmentierung.
Syphilid.
Fall III: Papulo-crustöses Massiger Pigmentmangel.
Syphilid.
Fall IV: Kleinpustulöses Hochgradiger Pigmentmangel.
Syphilid.
Fall V: Grosspapulöses, len­ Massiger Pigmentmangel.
ticulares Syphilid.
Fall VI: Transf. in situ einer Massiger Pigmentmangel.
Sklerose.
Fall VII: Condyloma latum. Hochgradiger Pigmentmangel.
Fall VIII: Condyloma latum. Hochgradiger Pigmentmangel.
Fall IX: Condyloma latum. Absoluter Pigmentschwund.
Fall X: Impfpapel. Hochgradiger Pigmentmangel.
Gehen wir nun, an der Hand dieser Tabelle, unsere Fälle
nochmals kurz durch, so finden wir zunächst eine massige Hyper­
pigmentierung in einem Falle von Roseola und bei einem „papulo-
crustösem Syphilid“, während ein zweiter Fall von papulo-crustösem
Syphilid, der histologisch und klinisch mit dem ersten iiber-
einstimmt, schon einen mässigen Pigmentmangel aufweist. In
ersterem Fall ist es nämlich unter dem Einfluss der Spirochaeta
pallida zu einer im Beginne des Bestandes der Eftloreszenz auf-
tretenden und kurz andauernden Pigmentvermehrung gekommen,
die wir als „initiale Pigmenthyperthropie“ berechnen wollen; im
2. Fall findet sich schon ein weiteres Stadium der Pigment­
alteration, nämlich Pigmentverminderung. Die übrigen Fälle
zeigen deutliche Abnahme des Pigmentgehaltes, die je nach dem
längeren Bestände der Effloreszenz und den intensiveren histo­
logischen Veränderungen des Rete ausgesprochener wird. Es
findet sich dann deutliche Pigmentabnahme überall dort, wo die
Spirochaeta pallida auftritt, oder es lässt sich fast an allen Stellen
der Schnitte absoluter Pigmentmangel, das Fehlen jedes Pigmentes
132.174.250.220 - 1/6/2020 3:10:22 PM

in den Retezellen und das Fehlen pigmenthaltiger Melanoblasten


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82 Li i>sch ü tz , Über die Beziehungen der Spirocbaeta pallida
feststellen. Ist der Pigmentschwund — im Sinne unseres Schemas —
kein „absoluter“, sondern nur ein hochgradiger, so ist zwar kein
oder fast kein Pigment in den Retezellen enthalten, in den tiefsten
Retezapfen des breiten Kondyloms, an der Epidermiscoriumgrenze,
ferner in den peripheren Anteilen der Papel finden sich jedoch
wohlausgebildete Melanoblasten, deren Ausläufer sich vielfach
verzweigend und mit einander anastomosierend oft einen Zapfen
des gewucherten Rete durchsetzen. Selbstverständlich müssen
diese Melanoblasten der Periode der „initialen Pigmenthyper­
trophie“ entstammen, die jetzt unter dem Einflüsse der Spiro-
chaeta pallida, beziehungsweise eines von dieser gebildeten
Giftes, in ihrer spezifischen Zelltätigkeit, die in der kontinuierlichen
Pigmentproduktion und Transport desselben in die Retezellen
besteht, beeinträchtigt worden sind. In einem späteren Stadium
kann auch das in ihnen enthaltene Melanin schwinden, und das
Gewebe wird dann absolut pigmentfrei.
Welches ist das Schicksal des schwindenden Pigmentes?
Dass es sich vielleicht zu einer farblosen, mit unseren jetzigen
Hülfsmitteln nicht nachweisbaren Modifikation umwandelt, dafür
liegen in unseren Präparaten keine beweisenden Momente vor.
Es ist. vielmehr die Annahme sehr wahrscheinlich, dass das
melanotische Pigment in Form feinerer und gröberer Kügelchen
in das zwischen den Retezellen befindliche Saftsystem hinein­
gelangt und teilweise von Leukozyten aufgenommen wird, schliess­
lich bei der insensiblen Abschuppung und bei Abstossung des
Eiterbelags langsam eliminiert wird. Dafür sprechen die histo­
logischen Befunde in unseren Präparaten, in welchen melanotisches
Pigment sowohl extracellulär — in normaler Haut kommt das
Pigment nur innerhalb der Zellen vor —, als auch in den in
llöhlenbildungen der Epidermis liegenden Leukozyten nachgewiesen
werden kann.
Es wurde oben im Texte und auch in der Tabelle die Tat­
sache angeführt, dass 2 Fälle eine leichte Hyperpigmentierung,
die übrigen eine mehr oder weniger ausgesprochene Pigment­
verminderung aufwiesen. Aus den histologischen Untersuchungen
Ehrm anns wissen wir, dass die Reaktion der pigmentbildenden
Zellen auf das eindringende syphilitische Virus nicht in einer so­
fort einsetzenden Schädigung desselben ihren Ausdruck findet,
sondern dass im Beginn gewissermassen das Gegenteil zu
beobachten ist. Denn die Melanoblasten, die in der normalen
Epidermis nur ganz kleine, schwer nachweisbare Gebilde sind,
132.174.250.220 - 1/6/2020 3:10:22 PM

wachsen unter dem Reize der Spirochaeta pallida zu grossen, mit


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zum Hautpigment syphilitischer Effloreszenzen. 83
langen, verzweigten Ausläufern versehenen Zellen aus. Auch der
Pigmentgehalt der Melanoblasten hat eine zweifellose Steigerung
erfahren, und dadurch, als auch durch Abgabe von Pigment an
die sie umgebenden Retezellen, kommt es zu der im Anfangs­
stadium der syphilitischen Effloreszenz sich vorfindenden Er­
scheinung, die wir als „initiale Pigmenthypertrophie“ bezeichnen.
Diesem Phänomen kommt möglicherweise die Bedeutung zu, eine
Schutz- und Abwehrvorrichtung gegen den Angriff der Spirochaeta
pallida, im Kampfe zwischen den eingedrungenen Parasiten und
den eine spezifische Funktion ausübenden Zellen, abzugeben.
Nach einiger Zeit jedoch macht sich der deletäre Einfluss der
siegreich vordringenden Spirochaeten auf das Pigment geltend,
und zwar werden zunächst die Basal- und Retezellen getroffen;
denn wir finden in den Präparaten diese Zellen oft schon voll­
kommen pigmentfrei, während dazwischen noch wolilerhaltene
Melanoblasten zu sehen sind. Im weiteren Verlaufe erleiden auch
diese Zellen Veränderungen, zunächst wohl nur eine physiologische
Schädigung, die darin bestehen dürfte, dass die von Pigment
strotzend erfüllten Melanoblasten in eine Art Jnaktivitätsstadium
gelangen, indem die intracellulare, protoplasmatische Strömung
sistiert und daher kein Pigment an die umgebenden Retezellen
abgegeben werden kann. Diese Behinderung kann auch darin
beruhen, dass die in den Epithelzellen selbst stattfindenden Ver­
änderungen, namentlich das Ödem, die Aufnahme des Pigmentes
in die Epithelzellen unmöglich machen. Schliesslich kommt es
zur weiteren, intensiven Schädigung der Melanoblasten, wodurch
sie teilweise oder ganz zum Schwund gebracht werden. In
letzterem Fall kommt es, da die Melanoblasten die einzigen
pigmentbildenden Zellen sind, zu bleibender Depigmentierung; in
ersterem Fall erfolgt später entweder Restitutio ad integrum, die
betreffenden Hautstellen erlangen ihren normalen Pigmentgehalt
wieder, oder es entsteht, auf Grund des Weigertschen Gesetzes
der Gewebsregeneration, durch Überproduktion von Pigment
Hyperpigmentierung, wodurch die davon befallenen Haufstellen
noch nach langer Zeit von dem im Gewebe vor sich gegangenen
biologischen Prozess Kunde geben.
Sowohl aus den von uns an Spirochaetenpräparaten an-
gestellten Untersuchungen, als auch aus den früheren rein histo­
logischen Arbeiten, wie solche von E hrm ann1) u. A. herrühren,
i) Siehe das Schema der Pigmentverteilung von Ehrm ann in den
Arbeiten 2—5 des Literaturverzeichnisses.
132.174.250.220 - 1/6/2020 3:10:22 PM

Dermatologische Zeitschrift Bd. XIV. Heft 2. 7


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$4 L ipschütz, Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida
ergeben sich folgende drei Möglichkeiten der Beeinflussung des
normalen Pigmentgehaltes durch das syphilitische Virus:
a) Nach vorausgegangener massiger Zunahme des normalen
Pigmentgehaltes der Haut, kommt es zur Pigmentverminderung,
schliesslich nach kurzer Zeit zum physiologischen Pigment­
ausgleich ;
b) massige Pigmentzunahme im Beginn, darauf folgender
intensiver Pigmentmangel oder absoluter Pigmentschwund, wie
wir dies oft bei breiten Condylomen beobachten. In letzterem
Fall entsteht bleibendes Leucoderma;
c) massige initiale Pigmentvermehrung, besonders in den
peripheren Partien der Effloreszenz, neben Pigmentverminderung
an anderen Stellen, namentlich im Zentrum, später jedoch, an
den früher nicht depigmentierten Stellen, das physiologische Aus-
raass überschreitende Pigmenthypertrophie, z. B. bei manchen
papulösen Syphiliden des Stammes und der Extremitäten.
Diese hier besprochenen Arten der Beeinflussung des nor­
malen Pigmentgehaltes einer umschriebenen Stelle einer Effloreszenz
durch die Spirochaeta pallida lassen sich in den beifolgenden
„Pigmentkurven“ graphisch darstellen, wobei im Schema J
Abszisse AB dem Spirochaetengehalt entspricht (im punktierten
Anteil Schwund der Spirochaeten), die Ordinate AC dem ur­
sprünglichen physiologischen Pigmentgehalt der Haut, Ordinate
DE der „initialen Pigmenthypertrophie“, FG der darauf folgenden

Pigmentverminderung. Bei H ist die Ordinate gleich Null, das


ist im Sinne unserer Skala „absoluter Pigmentschwund“, es entsteht
dann bleibendes Leucoderma. — Im Schema II entspricht die
„Pigmentkurve“ CDFC den Verhältnissen der Pigmentregeneration
zur Herstellung des Status quo ante, wobei die betreffende Haut­
stelle wieder normal pigmentiert erscheint; die „Pigmentkurve“ CDFI
132.174.250.220 - 1/6/2020 3:10:22 PM

entspricht der höher oben sub c besprochenen Hyperpigmentierung.


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zum Hautpigment syphilitischer Effloreszeuzen. 85
Unsere Untersuchungen lassen über die Beeinflussung des
Hautpigmentes durch die Spirochaeta pallida in all' jenen Fällen,
in welchen uns der Nachweis derselben in der Epidermis und
namentlich an der Epidermiscoriumgrenze sowie in der Papillar-
schieht gelungen ist, keinen Zweifel Aufkommen. Wie lässt sich
jedocli die Depigmentierung jener Fälle erklären, wo sich nur im
tiefen Infiltrat der Cutis und auch hier nur meist in der Wand
kleiner Blut- und Lymphgefässe, wie beispielsweise im Fall V,
spärliche Spirochaeten vorfinden? Muss es der launenhaften
Silbermethode zugeschrieben werden, dass etwaige im Gewebe
vielleicht vorhandenen Spirochaeten nicht zur Darstellung ge­
bracht werden, oder haben die Spirochaeten bereits das Gewebe
überschwemmt und sind schnell zugrunde gegangen? Wenn auch
erstere Möglichkeit nicht unberücksichtigt bleiben darf, so glauben
wir doch letzterer mehr Gewicht beilegen zu müssen, namentlich
nach Analogien, die auch von anderen Autoren (Versé u. A.)
gefunden worden sind. Wie jedoch gleich erwähnt werden soll,
dürfte noch eine dritte Erklärungsmöglichkeit in Betracht kommen,
nämlich die einer Fernwirkung der Spirochaeta pallida, beziehungs­
weise eines von dieser gebildeten Giftes auf das Hautpigment.
Wir kommen dadurch zur kurzen Besprechung der Pigment­
differenzen zwischen zentralem und peripherem Anteil der syphi­
litischen Effloreszenz. Es ist eine durch ältere Untersuchungen
für die Syphilis festgestellte charakteristische Erscheinung, dass
mit Schwund in den zentralen Partien Hypertrophie der peri­
pheren vereinigt ist. Dementsprechend ist Pigmentverminderung
im Zentrum der Papel mit Vermehrung des Pigmentes in der
Peripherie vergesellschaftet. Diese Tatsache Hesse sich vielleicht
am einfachsten durch die Annahme einer Fernwirkung der Spiro­
chaeta pallida oder einer von dieser gebildeten Noxe erklären, die
im Stadium der „initialen Pigmenthypertrophie eine Vermehrung
des Pigmentgehaltes auch der peripheren Teile hervorruft. Während
jedoch im weiteren Verlauf durch direkte Anwesenheit der Spiro-
chaete pallida oder durch Fernwirkung das Pigment im Zentrum
der Papel immer mehr der Atrophie verfällt, persistieren die
Melanoblasten in der peripheren Umgebung, um vielleicht, einer
biologischen Rolle entsprechend, bei der später eintretenden
Pigmentregeneration in Betracht kommen zu können. Dass im
übrigen in den peripheren Teilen der Papel, wo wir keine Spiro­
chaeten vorfinden, auch keine vorhanden sind, dass also in solchen
Fällen die angewendete Methode nicht beschuldigt werden kann,
132.174.250.220 - 1/6/2020 3:10:22 PM

ist wohl aus dem Grunde klar, weil bei der Imprägnation die
7 *
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86 Lip schütz, Über die Beziehungen der Spirochaeta pallida
periphersten Anteile des exzidierten Stückes, die in unseren Ver­
suchen den periphersten Partien der Effloreszenz entsprechen, die
günstigsten Verhältnisse für die Aufnahme des Imprägnations-
mittels darbieten.
Hatten schon unsere bisherigen Untersuchungen uns über
die innigen Beziehungen der Spirochaeta pallida zum Haut­
pigment belehrt, so waren wir des weiteren auch in der Lage,
durch das histologische Studium eines Falles, dem gewissermassen
die Bedeutung eines experimentellen Versuches nicht abgesprochen
werden kann, unsere Anschauung zur vollkommenen Überzeugung
zu erheben.
Fall X. Im Mai 1906 gelangte etwa in der 10. Krankheitswoche
Patientin S. mit Papeln am Genitale und mit den Erscheinungen eines
papulokrustösen Syphilides zur Aufnahme.
Am 26. V. wurde an der Pat. von Prof. E'hrmann mit dem Sekrete
einer ulcerokrustösen, über der linken Spina scapulae sitzenden Papel, etwa
in der Entfernung von l :/j cm, eine Inokulation ausgeführt. Am 8. VI. Exzision
der an der Inokulationsstelle entstandenen stecknadelkopfgrossen, mattbraunen
Impfpapel.')
Die liistologische Untersuchung zeigte das Bild einer kleinen, vom
Stratum corneum vollständig bedeckten Papel, in deren Bereich die Papillen
abgeflacht und das Rete verschmälert erscheint. Während in den periphersten
Anteilen das Pigment sehr schön ausgebildet, sich durch seinen bläulich­
schwarzen Earbenton von der goldgelben Farbe des Schnittes abhebt, ist
das Pigment in dem die papulöse Effloreszenz bedeckenden Rete stark ver­
mindert, indem die distalen Pigmentkappen fast gänzlich geschwunden sind
und nebst einigen Melanoblasten sich nur spärliche, zerstreut angeordnete
Ansammlungen von Melanin vorfinden. Endlich fehlt das Pigment im Be­
reiche eines mächtigen Retezapfens vollständig.
Gerade hier, am Orte der vollständigen Depigmentation, findet sich
eine sehr reichliche Ansammlung von vollkommen typisch aussehenden
Spirochaetae pallidae, des weiteren — was jedoch für die uns interessierende
Frage von geringerem Belang ist — spärliche Exemplare in den Papillen
und Infiltrat der subpapillären Schicht. Es wird also durch diesen Fall, der,
im Gegensatz zu den früher mitgeteilten, sozusagen »originären“ Syphilis­
produkten, eine durch Impfung mit syphilitischem Material künstlich erzeugte
Papel (Impfpapel) darstellt, der deletäre Einfluss der Spirochaote pallida auf
das Pigment deutliehst demonstriert. Denn ditss die minimale Verletzung,
die durch die Impfung gesetzt wurde — Prof. Ehrmann impfte diesen Fall
ganz oberflächlich in die obersten Retelagen — eine Zerstörung des Pigmentes
und dies auf eine ziemlich weite Strecke hinaus hervorgerufen hat, davon
kann wohl kaum die Rede sein, während die Annahme, dass gleichzeitig mit
der Vermehrung des an Ort und Stelle eingebrachten Virus daselbst das
Pigment zum grossen Teile zum Schwund gebracht wurde, nach Analogie mit
den Resultaten der anderen von uos untersuchten Fälle als wohlbegründet
gelten darf.
Aus unseren Untersuchungen lassen sich folgende Schluss­
folgerungen ableiten:
') Der Fall wird in einer aus dem Laboratorium unserer Abteilung
132.174.250.220 - 1/6/2020 3:10:22 PM

erscheinenden Arbeit wegen seiner Wichtigkeit noch näher gewürdigt werden.


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zum Hautpigment syphilitischer Effloreszenzen. 87
1. U nter dem E inflüsse der S pirochaeta pallida e n t­
stehen in syphilitischen Ha uteffloreszenzen und zwar
sclion in solchen, die auf der Höhe ihrer E ntw icklung
sich befinden, regelm ässig P ig m en talteratio n en , die
auch dann m ikroskopisch nachw eisbar sind, wenn die
blosse m akroskopische B esichtigung noch keinerlei A n­
h altsp un kte dafür abgibt.
2. Diese P ig m entalteratio n en bestehen in einer
„in itialen “ geringgradigen P igm enthypertrophie, die
regelm ässig von einer Pigm entverm inderung — p ar­
tiellen oder to talen P igm entatropliie — gefolgt ist. In
letzterem Fall entsteht bleibendes Leukoderm a (Schema I),
in ersterem kommt es in der Mehrzahl der Fälle nach einiger
Zeit zum physiologischen Pigmentausgleich (Schema II, Pigment­
kurve CDFO') oder zur H yperpigm entierung (dasselbe Schema,
Pigmentkurve CDF1).
3. Der ausgesprochene A ntagonism us zwischen
S pirochaeta pallida und H autpigm ent ste llt einen spe­
zifisch biologischen V organg dar, der auf u nm ittelbare
W irkung des S yphilisvirus, bezw. eines von diesem gebildeten
Giftes und nicht etwa auf den entzündlichen Prozess als solchen
oder auf Mischinfektion und dadurch bedingte Eiterung (beispiels­
weise bei manchen breiten Kondylomen) beruht.
Meinem Chef, Herrn Prof. E hrm ann, spreche ich für die
Förderung dieser Arbeit meinen besten P»ank aus.
L ite ra tu r.
1. Ehrm ann, Das melanotische Pigment und die pigmentbildenden Zellen
des Menschen und der Wirbeltiere. Bibi, medica. Bd. II. H. 6.
2. Derselbe, Zur Histologie der Syphilide. Wiener klin. Kundsch. 1886.
3. Derselbe, Über Hautentfärbungen durch sekundäre syphilitische Exantheme.
Arch. f. Derm. 1891.
4. Derselbe, Einiges über die Rolle der Melanoblasten bei der Syphilis.
5. Derselbe, Zur Pathologie der Syphilide. Wiener klin. Rundsch. 1897.
6. Riehl, Zur Kenntnis des Pigments im menschlichen Haar. Arch.f.Derm. 1884.
7. Derselbe, Über Leucoderma syphil. Med. Jabrb. 1884.
8. S piro chaeten arb eiten ans dem Laboratorium unserer Abteilung:
a. Dermat. Zeitschr. 1906. — b. Wiener klin. Wochenschr. 1906. —
c. Deutsche med. Wochenschr. 1905.
Anmerkung. Bei der Abfassung dieser Arbeit stellte ich mich in
heuristischer Hinsicht von vornherein auf den theoretischen Boden, der durch
die Arbeiten Ehrm anns in der Pigmentfrage gegeben ist; ich konnte daher
auch auf einzelne strittige Ansichten in der Pigmentfrage nicht eingehen.
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Wien, Ende November 1906.


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88 Sc herb er, Uober Spirochaetenerkraukungen.
Nach trag.
Bei einem Cercocebus fuliginosus, den Hoffmann mit Reiz-
serum eines menschlichen Primäraffektes impfte, entstanden In­
filtrate, nach deren Rückbildung völliger Pigm entschw und
festgestellt werden konnte. In den erkrankten Partien wurden
Spirochaetae pallidae reichlich im Ausstrich und Schnitt gefunden
(Deutsche med. Wochenschr. 1907, No. 2). Wenn auch im kurzen
Demonstrationsreferat über die nähere histologische Untersuchung
keine weiteren Angaben gegeben werden, so kann nach diesen
Untersuchungen H offm anns wohl kein Zweifel bestehen, dass
ähnlich wie bei Syphilis des Menschen, auch bei der Affensyphilis
unter dem deletären Einflüsse der Spirochaeta pallida Pigment­
schwund bewirkt wird. Der Fall Hoffm anns stellt daher eine
wesentliche Erweiterung unserer Kenntnisse über die Beziehungen
der Spirochaeta pallida zum Hautpigment dar.

II.
lieber Spirochaetenerkrankungen.*)
Von
Dr. G. SCH ERBER,
Assistent an der Universitäts-Klinik !ür Geschlechts- und Hautkrankheiten
des Pro!. F inger in Wien.
Es gibt eine Reihe von Erkrankungen des Menschen, für
die wir nach dem jetzigen Stande unserer Untersuchungen
Spirochaeten als ausschliessliche oder mitwirkende Ursache
bezeichnen können. Diese Erkrankungen stellen entweder eine
Allgemeininfektion des Organismus durch das betreffende Virus
dar, oder es handelt sich um lokale Erkrankungen, die, vom Orte
der Infektion ausgehend, bis zum regionären Drüsenapparat der
betreffenden Gegend reichen, und wir sind dann vor der Hand
gezwungen, die bei diesen Infektionen auftretenden, oft schweren
Allgemeinerscheinungen auf Intoxikationen vom lokalen Krank­
heitsherd aus zu beziehen.
W as zunächst die Lokalerkrankungen betrifft, so finden wir
bei diesen die Spirochaeten meist in engem Verein mit gram-
*) Vortrag in der Ophtbalmologischen Gesellschaft in Wien, gehalten
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am 12. XII. 1906. (Aus Zeitschrift für Augenheilkunde. Bd. XVII. Heft 2.)
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