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Einführung in die Biochemie

für B.Sc. Biochemie und B.Sc. Molekulare Biotechnologie (1. Semester)

Vorlesung 11:
Vom Gen zum Protein –
Transkription und Translation
Inhalte der Vorlesung

Vorlesung Thema Dozent

Block 1: Struktur und Eigenschaften von Biomolekülen


1 Aminosäuren, Peptide, Proteine Prof. Dr. Cathleen Zeymer
2 Kohlenhydrate und Nucleinsäuren
3 Lipide und Vitamine
Block 2: Biologische und chemische Grundlagen
4 Enzyme: Grundlagen der Katalyse
5 Enzyme und deren biologische Bedeutung
6 Bedeutung von Puffersystemen Prof. Dr. Michael Groll
7 Grundlagen der organischen Chemie
8 Organische Chemie biologischer Stoffwechselwege
9 Chiralität in biologischen Systemen
10 Molekulare Medizin
Block 3: Zelluläre Prozesse
11 Vom Gen zum Protein: Transkription und Translation
Prof. Dr. Cathleen Zeymer
12 Eukaryotische Zellkompartimente und ihre Funktion I
13 Eukaryotische Zellkompartimente und ihre Funktion II
14 Viren und heterologe Expression (Ausblick: Gentechnik-Methoden)
Schriftliche Prüfung am 24.02.2023

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Block 3: Zelluläre Prozesse

Lernziel: Molekulares Verständnis vom Aufbau der Zellen


und den wichtigsten zellulären Vorgängen

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Systematische Einordnung der Lebewesen

Phylogenetik: - basierend auf Abstammung und evolutionärer Verwandtschaft


- Vergleich von Nucleotidsequenzen (z.B. ribosomale RNA)

Prokaryoten

Domänen
„Kingdoms of Life“

LUCA (?)

3
Systematische Einordnung der Lebewesen
Wofür Energie?
Stoffwechsel: Aufrechterhaltung eines Zustands fern
des chemischen Gleichgewichts
Autotroph
- Aufbau komplexer Kohlenstoffverbindungen
nur aus anorganischen Stoffen
- Energiequelle: a) Sonnenlicht
b) chemische Energie

Heterotroph
- Komplexe Kohlenstoffverbindungen (Nahrung)
werde als Energiequelle benötigt

[H] = Reduktionsäquivalente (NADH, FADH2)


Lebensbedingungen:

Aerob
- mit Sauerstoff

Anaerob
- ohne Sauerstoff

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Arten von Zellen

Eukaryoten Prokaryoten

⦁ u.a. Tiere und Pflanzen ⦁ Bakterien und Archaeen

⦁ 5 – 100 μm ⦁ 1 – 10 μm

⦁ Lineare DNA im Zellkern ⦁ Ringförmige DNA frei


lokalisiert im Plasma

⦁ Membranumhüllte Organelle ⦁ Keine Organelle

⦁ Komplexes, dynamisches ⦁ Rudimentäres


Zytoskelett Zytoskelett

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Arten von Zellen
Tierische Zelle
Zellmembran
Vakuole Pflanzenzelle
Zentriolen
Ribosomen
Plasma- Vakuole
Endoplasmatisches
membran Chloroplast
Retikulum (ER)
Ribosomen
Mitochondrien

Zellkern

Nucleolus

Chromosomen

Bakterienzelle Golgi-Apparat

Cytoplasma
Zellwand
Chromosom
Plasmodesma
Ribosomen

Zell-
wand
Plasma-
membran Flagellen
Pili
Kapsel
Mesosom

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Arten von Zellen

 Elektronenmikroskopie erlaubt höhere Auflösung als Lichtmikroskopie


 Kontrast durch „Färben“ mit Schwermetallverbindungen (z.B. Uranylacetat)

Elektronenmikroskopische Aufnahme
einer eukaryotischen Zelle

Glattes ER

Raues ER

Golgi-Apparat
Mitochondrium
Lysosom

Ribosom

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Molekularer „Crowding“-Effekt

 Chemische Zusammensetzung von Zellen

http://www.cellimagelibrary.org
doi:10.7295/W9CIL28234

 Zelluläre Konzentration an Proteinen = 100-200 mg/ml

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Das zentrale Dogma der Molekularbiologie

 Der Fluss der genetische Information

 Wie wird das Erbgut kopiert und bei der Zellteilung weitergegeben?
 Wie funktioniert die Übersetzung des genetischen Codes?
 Wie werden Proteine in der Zelle synthetisiert?

RNA Polymerase

Transkription

Replikation Translation

DNA Polymerase Ribosom

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Replikation vs. Transkription
Neuer RNA/ Neuer RNA/
DNA Strang DNA Strang
5‘ X=H  DNA
(Replikation)
X = OH  RNA
(Transkription)
3‘ 2‘
X X

Die Hydrolyse des


Pyrophosphats ist stark
exergonisch und treibt so
die Polymerisation an.

X X

Replikation Transkription
Synthese eines komplementären DNA-Strangs Synthese eines komplementären RNA-Strangs
Reaktion
(Kopie des gesamten Genoms) (Transkript eines bestimmten Abschnitts der DNA)
Desoxyribonucleosid-Triphosphate Ribonucleosid-Triphosphate
aktivierte Bausteine
(dATP, dGTP, dCTP, dTTP) (ATP, GTP, CTP, UTP)
Enzym DNA-Polymerase (braucht Mg2+) RNA-Polymerase (braucht Mg2+)
Syntheserichtung von 5‘ nach 3‘
Matrize DNA-Strang als Vorlage
Fehlerrate 1 : 100.000.000 1 : 10.000

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Replikation

 Beide DNA-Stränge der Doppelhelix dienen


jeweils als Matrize ( semikonservativ)

 Die DNA-Polymerase hat auch eine Exonuclease-


Aktivität zur Entfernung falscher Nukleotide
(Korrekturmechanismus)

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Replikation
Replikationsgabel

Primer-
Synthese

DNA-Ligase-Reaktion

 Die DNA-Polymerase  Da die Synthese immer in 5‘-3‘ Richtung abläuft, muss der
braucht ein kurzes, Folgestrang, im Gegensatz zum Leitstrang, in Stücken
komplementäres RNA- (Okasaki-Fragmenten) synthetisiert werden.
Fragment (RNA-Primer)
als Startpunkt. Dieses  Das Enzyme DNA-Ligase fügt die Fragmente
wird vom Enzym DNA- zusammen. Es bildet eine neue Phosphodiester-Bindung
Primase gebildet. unter Nutzung eines Moleküls ATP zur Aktivierung.

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Replikation
Die bakterielle
Replikationsgabel

 Die Replikationsmaschine ist ein Multiproteinkomplex angetrieben durch die Hydrolyse


von Nucleosidtriphosphaten!

 Die Synthese beginnt am Replikationsursprung (= ori), einer AT-reichen Region.


Es sind Initiatorproteine beteiligt.

13
Replikation

Video von Drew Berry: https://www.youtube.com/watch?v=6j8CV3droDw 14


Genexpression – Transkription und Translation

Aminosäuren
mit Aminosäure Ribosom
beladene tRNA

mRNA
mRNA

DNA

RNA-Polymerase

Protein

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© Nicolle Rager, National Science Foundation

15
Genexpression – Transkription und Translation

Operon
Promotor Operator Struktur-Gene
Regulatorische Gene

Transkription

Was ist ein Gen?


⦁ Abschnitt auf der DNA, der die Translation
Information für ein Protein (oder
eine funktionelle RNA) enthält
⦁ eingebettet in regulatorische, Protein Protein Protein Protein
nicht-codierende Abschnitte A B C D

 Transkription und Translation sind komplexe und stark regulierte Prozesse!

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Transkription
 Start und Endpunkt der Transkription?

Typischer Promotor bei Prokaryoten

Stamm-Schleife am 3‘-Ende
einer synthetisierten mRNA

 Start: Die RNA-Polymerase bindet an


Promotorsequenzen (über Sigma-Faktor)

 Endpunkt: Terminationssignal durch


Ausbildung einer 3D-Struktur
(„Haarnadel“) im mRNA-Transkript

 RNA-Polymerase braucht keinen Primer.


Nur ein DNA-Strang dient als Matrize.

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Regulation der Transkription bei Prokaryoten

 Beispiel für ein induzierbares Operon: Lac-Operon

(= Induktor)

 Gene lacZ, lacY, lacA codieren Proteine für Transport und Spaltung von Lactose
 Lac-Repressor bindet an den Operator und verhindert so die Transkription
 Wenn c(Lactose) hoch, wird die Expression der Gene induziert, um Lactose als
Energiequelle nutzen zu können. Lactose bindet an den Repressor, der ändert dadurch
seine Struktur und löst sich vom Operator.

https://courses.lumenlearning.com/microbiology/ 18
Regulation der Transkription bei Prokaryoten

 Beispiel für ein reprimierbares Operon: Trp-Operon

(= Co-Repressor)

 Gene trpA-E codieren Proteine für die Synthese von Tryptophan (Trp)
 Wenn kein/wenig Trp vorhanden ist, ist der Repressor nicht in der Lage am Operator zu
binden. Die Transkription findet statt.
 Trp-Repressor wird durch Bindung von Trp aktiviert und bindet an den Operator. Die
Expression der Gene wird also verhindert, wenn schon genug Trp vorhanden ist.

https://courses.lumenlearning.com/microbiology/ 19
Prokaryoten vs. Eukaryoten

Prokaryoten Eukaryoten
Ort der Transkription und Translation im Cytosol Transkription: Zellkern
Genexpression (kein Zellkern vorhanden) Translation: im Cytosol bzw. am rauen ER

Primäres RNA-Transkript wird prozessiert und aus dem Kern transportiert:


Was passiert mit Ribosom kann sofort an frisch synthetisierte mRNA 1) Capping am 5‘-Ende
der RNA? binden und die Translation starten 2) Polyadenylierung am 3‘-Ende
3) Spleißen (Entfernen von Introns)

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mRNA-Prozessierung in Eukaryoten

5‘

Triphosphat-
brücke

7-Methyl-Guanosin

3‘
 5‘-Ende: Capping mit m7G
 3‘-Ende: Polyadenylierung

 Stabilisierung der mRNA gegen enzymatischen Abbau Poly(A)-Schwanz


 5‘-Cap auch wichtig für Transport durch die Kernporen

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mRNA-Prozessierung in Eukaryoten

Introns Exons

DNA  Beim Spleißen werden nicht-codierende


Introns entfernt

Autokatalytisches Spliceosom
Spleißen
RNA
⦁ Nur die RNA ⦁ Komplex aus RNA
selbst beteiligt und Proteinen
(„Ribozym“) katalysiert den
Prozess

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Genexpression – Transkription und Translation

Aminosäure
mit Aminosäure Ribosom
beladene tRNA

mRNA
mRNA

DNA

RNA-Polymerase

Protein

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© Nicolle Rager, National Science Foundation
Translation

 Übersetzung des genetische Codes (mRNA  Protein)


 Proteinbiosynthese am Ribosom

mRNA
Ribosomen

⦁ Geschwindigkeit = 5-40 Aminosäuren pro Sekunde


Polypeptideketten
⦁ Fehlerrate = 1 : 10.000
EM-Aufnahme von
translatierenden
Ribosomen
(in vitro) 1) Eigenschaften des genetischen Codes?
2) Aktivierung der Aminosäuren und Verknüpfung mit der tRNA?
3) Prozesse am Ribosom?

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Der genetische Code

 Triplett aus drei Nukleotiden (= ein Codon) in DNA bzw. mRNA codiert eine
Aminosäure im Protein

 Universell: für alle Lebewesen gleich


 Degeneriert / Redundant:
4 Nucleobasen: 43 = 64 Triplett-Kombinationen
für 20 Aminosäuren (und Start/Stop-Codons)
 Konservativ: minimiert die Auswirkungen
von Mutationen

⦁ Einzelne Mutationen im Codon bleiben oft ohne


schwerwiegende Konsequenz für das gebildete Protein
⦁ Die dritte Base im Triplett hat weniger Informationsgehalt
(XYU und XYC codieren immer für die gleiche Aminosäure)
⦁ XUY – hydrophobe Aminosäuren
⦁ XAY – hydrophile Aminosäuren

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Die tRNA

Aminosäure
(hier: Phe)

75 Å

Anticodon

⦁ Adaptermolekül (ca. 80 Nukleotide lang) mit L-förmiger 3D-Struktur


⦁ Erkennung der Codons auf der mRNA (Codon/Anticodon-Basenpaarung)
⦁ Positionierung der aktivierten Aminosäuren für die Knüpfung der neuen Peptidbindung
⦁ Ca. 40 verschiedene t-RNAs für 20 Aminosäuren aber 61 mögliche Codons in der mRNA

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Die tRNA

 Wie kann eine tRNA mehrere Codons erkennen?


 Wobble-Basenpaarung

Wobble-Position

tRNA

X mRNA

X = C / U /A

 Inosin kann mit C, U und A eine Basenpaarung eingehen


Inosin (I) (daher häufig in der Wobble-Position des Anticodons in mRNAs)

Notiz: GCX codiert Alanin 26


Aminoacyl-tRNA-Synthetasen

 Enzyme, die eine Aminosäure aktivieren und mit der korrekten t-RNA verknüpfen
 Eigentliche Decodierung der genetischen Codes
2‘ oder 3‘

Energie!
3‘

Spaltung von 2 energiereichen


Phosphoanhydridbindungen!  Katalysierte Reaktion

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Aminoacyl-tRNA-Synthetasen

 Enzyme, die eine Aminosäure aktivieren und mit der korrekten t-RNA verknüpfen
 Eigentliche Decodierung der genetischen Codes

Aminosäure

tRNA

Aminoacyl-tRNA-
Synthetase

 Molekulare Erkennung von Aminosäure und tRNA

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Aminoacyl-tRNA-Synthetasen

 Enzyme, die eine Aminosäure aktivieren und mit der korrekten t-RNA verknüpfen
 Eigentliche Decodierung der genetischen Codes

 Korrekturmechanismus: Hydrolyse falsch verknüpfter Paare

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Ribosom
 Molekulare Maschine aus Proteinen und RNA
 Mehr als 20.000 Stück in jeder Zelle
 Ort der Proteinbiosynthese
 Ribozym (= RNA ist katalytisch aktiv)
 Besitzt große und kleine Untereinheit

Nobelpreis 2009 für die Strukturaufklärung


(Ramakrishnan, Steitz, Yonath) Prokaryoten: 30S + 50S = 70S
(Eukaryoten: 40S + 60S = 80S)

Notiz: S = Svedberg (Einheit des Sedimentationskoeffizienten, korreliert mit der Masse und Form) 30
Ribosom
 Das Ribosom besitzt drei tRNA-Bindestellen

 Die mRNA bindet mit der purinreichen Shine-Dalgarno-


Sequenz an die 16S-rRNA der kleinen Untereinheit

Shine-Dalgarno Start-Codon

E – Exit , P – Peptidkette, A – Aminosäure 31


Schritte der Translation in Prokaryoten

1. Initiation
 50S-und 30S-Untereinheit des Ribosoms, die mRNA und die mit Formyl-
Methionin beladene Initiator-tRNA bilden den Initiationskomplex
 Initiationsfaktoren (IF) und 1 Molekül GTP pro Polypeptid erforderlich

2. Elongation
 Schrittweise Synthese der Polypeptidkette (Richtung: N-Termius  C-Terminus)
 Im aktiven Zentrum (Teil der 23S-rRNA!) erfolgt die Knüpfung der Peptidbindung
 Elongationsfaktoren (EF-Tu, EF-G) und 2 Moleküle GTP pro hinzugefügter
Aminosäure erforderlich

3. Termination
 Ende der Translation bei Erreichen des Stop-Codons und Freisetzung des
Polypeptids durch Hydrolyse
 Freisetzungsfaktoren (RF) erforderlich

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Schritte der Translation in Prokaryoten

Elongation

EF-Tu und EF-G sind molekulare


Schalterproteine und GTPasen
(sie hydrolysieren GTP)

33
Schritte der Translation in Prokaryoten

Termination

Freisetzungsfaktoren (RF) sind


Proteine, die an das Stopp-Codon in
der A-Stelle binden. Sie katalysieren
die Freisetzung des Peptids und
beenden so die Translation

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Schritte der Translation in Prokaryoten

Video von Venki Ramakrishnans Forschungsgruppe am LMB in Cambridge, UK

https://www.youtube.com/watch?v=q_n0Ij3K_Ho 35
Zusammenfassung
 Lernziel: Wir wollen den Fluss der genetischen Information in lebenden Zellen und die damit
verbundenen zellulären Grundprozesse Replikation, Transkription und Translation auf
molekularer Ebene verstehen!

 Wichtige Begriffe: Prokaryoten vs. Eukaryoten


DNA-Polymerase, Helicase, Primase, Ligase
Replikationsgabel, Okazaki-Fragment
Gen, Genexpression, Operon, Promotor, Operator, Repressor, RNA-Polymerase
5‘-Capping, 3‘-Polyadenylierung, Spleißen
Genetischer Code (universell, degeneriert, konservativ)
Codon/Anticodon, Wobble-Basenpaarung
mRNA, t-RNA
Aminoacyl-tRNA-Synthetase
Ribosom, Ribozym, Elongationsfaktor, GTPase

 Fragen, die wir besprochen haben:


⦁ Systematische Einordnung von Lebewesen?
⦁ Grundaufbau von Bakterienzellen, tierischen und pflanzlichen Zellen?
⦁ Wie läuft die Replikation ab? Welche Komponenten sind beteiligt? Welche Funktion haben diese?
⦁ Wie läuft die Transkription ab und wie wird sie reguliert? Unterschiede Prokaryoten/Eukaryoten?
⦁ Wie werden Aminosäuren aktiviert und mit der korrekten tRNA verknüpft?
⦁ Welche Vorgänge laufen am Ribosom bei der Proteinbiosynthese ab?
⦁ Warum sind die Fehlerraten von Replikation, Transkription und Translation verschieden?
⦁ Was ist die Energie-Bilanz der Proteinbiosynthese?

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