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Tobias Klauk / Tilmann Köppe Ausdrucksqualitäte n moderner Lyrik

Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik


TOBIAS KLAUK / TILMANN KÖPPE

The article sketches a basic understanding of expressive properties as possessed by lyri-


cal texts. Thus a lyrical text is expressive of, say, grief, if it is experienced as expressive
of grief on the basis of an appropriate reading. Our theoretical outline of expressive
properties gets substantiated by two case studies (on Schwarze Bohnen by Sarah Kirsch
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and Reference Back by Philip Larkin). Based on these, we reassess the importance of
expressiveness for lyrical texts of the modern period. In particular, we argue that, con-
trary to received opinion, expressiveness is of great importance for the appreciation of
modern lyrical texts; that these texts may be expressive of specific ›modern‹ sentiments;
that expressive properties are important especially for lyrical texts which feature a high
measure of linguistic innovation or non-standard language use; and that lyrical texts of
the modern period exhibit new textual means for displaying expressive properties.

I. Was sind Ausdrucksqualitäten?


For personal use only.

Als Ausdrucksqualitäten bezeichnet man einen bestimmten Typ von Eigen-


schaften, über die Kunstwerke allgemein – also nicht nur lyrische Texte – ver-
fügen können: Eine Statue kann gravitätisch auf ihrem Sockel ruhen, ein Vers
heiter klingen oder das Sujet eines Gemäldes traurig aussehen. ›Gravitätisch
ruhen‹, ›heiter klingen‹ und ›traurig aussehen‹ sind typische Beispiele für Aus-
drucksqualitäten. Es handelt sich um Fälle, in denen ein Artefakt aufgrund
bestimmter Eigenschaften wie Farben, Formen, Wörtern oder Tönen und deren
spezifischer Anordnung auf eine bestimmte Weise auf seine Rezipienten wirkt –
nämlich so, dass sich im Artefakt ein psychischer Zustand manifestiert.1 Diese

1 Vgl. einführend (in die Expressivität von Musik) Peter Rinderle: »Die Kernidee, die
mit dem Begriff ›Ausdruck‹ angesprochen ist, besteht wohl darin, daß sich der mentale
Zustand einer Person in bestimmten äußeren Gesten oder Handlungsweisen nieder-
schlägt oder manifestiert«; Peter Rinderle, Die Expressivität von Musik. Paderborn 2010,
S. 27 f.; vgl. auch Mitchell S. Green: »all expression is a matter of showing what is within«;
Mitchell S. Green, Self-Expression. Oxford 2007, S. 194. In der literaturwissenschaftli-
chen Auseinandersetzung mit dem Problemfeld ›Lyrik (oder Literaturwissenschaft) und
Emotionen‹ kommen Ausdrucksqualitäten meist nicht ausdrücklich vor; vgl. etwa die
zusammenfassenden Darstellungen bei: Martin Huber, ›Noch einmal mit Gefühl‹. Lite-
raturwissenschaft und Emotion. In: Walter Erhart (Hg.), Grenzen der Germanistik. Re-
philologisierung oder Erweiterung? Stuttgart, Weimar 2004, S. 343–357; Nadine van
Holt/Norbert Groeben, Emotionales Erleben beim Lesen und die Rolle text- sowie leser-
seitiger Faktoren. In: Uta Klein/Katja Mellmann/Steffanie Metzger (Hg.), Heuristiken der
Literaturwissenschaft. Disziplinexterne Perspektiven auf Literatur. Paderborn 2006,
S. 111–130; Thomas Anz, Literaturwissenschaftliche Text- und Emotionsanalyse. Be-
KulturPoetik Bd. 18,2 (2018), S. 180–203, ISSN (Printausgabe): 1616-1203, ISSN (online): 2196-7970
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2018
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knappe Bestimmung ist so etwas wie der Grundstock einer Theorie von Aus-
drucksqualitäten und soll zunächst näher erläutert werden. Wir konzentrie-
ren uns dabei auf die Lokalisierung der Ausdrucksqualitäten (1), auf Spezifika
der in Rede stehenden Wirkung auf Rezipienten (2), auf leserseitige Voraus-
setzungen dieser Wirkung (3) sowie auf die Abgrenzung von dem verwandten
Phänomen des sprecherseitigen Gefühlsausdrucks durch lyrische Texte, mit
dem Ausdrucksqualitäten leicht verwechselt werden können (4).

I.1 Die Lokalisierung der Ausdrucksqualitäten


Die erste genauere Charakterisierung betrifft die Lokalisierung des in Rede
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stehenden Phänomens. Lyrische Ausdrucksqualitäten sind Eigenschaften des


Gedichts. Es handelt sich, wenn einem Gedicht eine Ausdrucksqualität kor-
rekt zugesprochen wird, weder um eine indirekte (versteckte) Charakterisie-
rung von – in irgendeiner Weise auf das Gedicht zurückzuführenden – Be-
findlichkeiten von Lesern noch um eine Charakterisierung der Befindlichkei-
ten des Verfassers des Gedichts.
Drückt also ein Gedicht beispielsweise Zuversicht aus, so besagt das keines-
wegs, dass das Gedicht seine Rezipienten zuversichtlich stimmt oder auch nur
stimmen sollte. Am Beispiel des Mottos von Brechts Bukower Elegien (1954):
For personal use only.

Ginge da ein Wind,


Könnte ich ein Segel stellen.
Wäre da kein Segel,
Machte ich eines aus Stecken und Plane.2

Die Verse verfügen zunächst über einen bestimmten diegetischen Gehalt (ein
Sprecher äußert sich über Wind und Segel) sowie über ein bestimmtes Met-
rum. Der letzte Vers wirkt zuversichtlich in der Art und Weise, wie die Absicht
geäußert wird – nämlich rhythmisch belebt und inhaltlich so, dass das Beab-
sichtigte als erreichbar ausgezeichnet wird. Für die Frage der Lokalisierung
von Ausdrucksqualitäten ist wichtig: Es sind die Verse, die Zuversicht zum
Ausdruck bringen (bzw. zuversichtlich klingen). Leser können dies registrie-
ren, ohne selbst im Mindesten angesichts von irgendetwas zuversichtlich zu
sein.

obachtungen und Vorschläge zur Gefühlsforschung. In: Julia Schöll (Hg.), Literatur und
Ästhetik. Texte von und für Heinz Gockel. Würzburg 2008, S. 39–66. Bei Anz heißt es
durchaus charakteristisch: »Affekte können in ihnen [ = in literarischen Texten] benannt,
thematisiert oder als Befindlichkeiten von Figuren dargestellt, von Autoren als eigene
Befindlichkeit mit literarischen Texten ausgedrückt oder bei Lesern durch literarische
Texte hervorgerufen oder hervorzurufen versucht werden«; ebd., S. 47 f. Von Ausdrucks-
qualitäten – im spezifischen, hier in Rede stehenden Sinne – ist dagegen nicht die Rede.
2 Bertolt Brecht, Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Hg. v. Wer-
ner Hecht u. a. Bd. 12: Gedichte 2. Sammlungen 1938–1956. Berlin, Weimar, Frank-
furt/M. 1988, S. 310. Das Beispiel verdanken wir Christoph Dennerlein.
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Das Vorhandensein von Ausdrucksqualitäten ist weiterhin unabhängig von


den Befindlichkeiten des Verfassers des Gedichts. Wenn ein Gedicht z. B. Zu-
versicht ausdrückt, so heißt das nicht, dass der Dichter seine Zuversicht mit-
hilfe des Gedichts ausspricht.3 Über die Befindlichkeiten des Dichters (bei der
Abfassung des Gedichts oder sonst irgendwann) wird mit der Zuschreibung
von Ausdrucksqualitäten überhaupt keine Aussage gemacht. Tatsächlich ist
das Vorliegen von Ausdrucksqualitäten in einem Gedicht nicht nur kausal,
sondern sogar logisch unabhängig von (durch entsprechende Emotionsprä-
dikate bezeichneten) psychischen Zuständen des Verfassers. Es kann sowohl
sein, dass ein heiterer Verfasser ein heiteres Gedicht schreibt als auch, dass ein
heiterer Verfasser ein nicht heiteres Gedicht schreibt als auch, dass ein nicht
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heiterer Verfasser ein heiteres Gedicht schreibt als auch, dass weder der Ver-
fasser heiter ist noch das Gedicht Heiterkeit ausdrückt.4

I.2 Spezifika der Wirkung auf die Rezipienten


Die zweite genauere Charakterisierung betrifft die Frage, was genau es heißt,
dass mit Ausdrucksqualitäten eine bestimmte Wirkung auf Rezipienten eines
Gedichts verbunden ist. Hier gibt es zunächst einen kognitiven (also in irgend-
For personal use only.

einer Weise unser Wissen oder unsere Erkenntnis von etwas betreffenden)
Aspekt. Die Wahrnehmung des Ausdrucks von Zuversichtlichkeit setzt eine
diskriminatorische Fähigkeit voraus, also die Fähigkeit, eine Unterscheidung
vorzunehmen und das Unterschiedene einzuordnen; wenn durch ein Gedicht
Zuversicht zum Ausdruck gebracht wird, dann ist das eben etwas anderes, als
wenn beispielsweise Resignation zum Ausdruck gebracht wird.5

3 Es heißt aber sehr wohl, dass der Dichter ein Gedicht verfasst hat, das Zuversicht-
lichkeit ausdrückt, und dass er ein zuversichtlich anmutendes Gedicht geschrieben hat.
›Zuversichtlichkeit‹ / ›zuversichtlich‹ wird hier also jeweils vom Gedicht prädiziert, nicht
vom Dichter; vgl. auch Bruce Vermazen, Expression as Expression. In: Pacific Philosoph-
ical Quarterly 67 (1986), S. 196–234; hier S. 200 f.
4 Lässt sich Genaueres zur Struktur des Eigenschafts-Typs sagen? Ausdrucksqualitä-
ten können unter Umständen den so genannten Gestaltqualitäten eines Gegenstandes
zugerechnet werden; vgl. etwa Kendall L. Walton, Categories of Art. In: The Philosophical
Review 79 (1970), S. 334–367; hier S. 337 f.; zu Ausdrucksqualitäten als Gestaltqualitäten
vgl. etwa Reuven Tsur, Playing by Ear and the Tip of the Tongue. Precategorial Informa-
tion in Poetry. Amsterdam, Philadelphia 2012, S. 153, passim. Wie genau die rezipienten-
seitige Reaktionsabhängigkeit solcher Eigenschaften verstanden werden sollte, ist aller-
dings nicht klar (für eine einleitende Darstellung siehe Robert Stecker, Aesthetics and the
Philosophy of Art. An Introduction. Plymouth 2. Aufl. 2010, S. 66–79). Tatsächlich ist die
These der Reaktionsabhängigkeit besonders diffizil zu begründen für ästhetische Ausdrü-
cke, die nicht rein evaluativ sind, sondern über einen deskriptiven Gehalt verfügen (vgl.
ebd., S. 75–77) – und um solche handelt es sich bei Ausdrücken für Ausdrucksqualitäten
sicherlich.
5 Dass ein Vers traurig klingt, erleben wir allerdings nicht als Schließen oder Folgern
aufgrund wahrnehmbarer Aspekte des Verses, sondern als unmittelbare Anmutung des
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Allen lyrischen Ausdrucksqualitäten ist gemeinsam, dass sie als Manifesta-


tion eines psychischen Zustands oder Vorgangs im Gedicht wahrgenommen
werden. Das psychologische Vokabular, mit denen wir Ausdrucksqualitäten
in einem konkreten Fall beschreiben, kann allerdings komplex sein. So wurde
beispielsweise einem Gedicht Sarah Kirschs ein »Tonfall lähmender Monoto-
nie« attestiert (s. ausführlicher Abschnitt II.1). Damit wird erstens ein psychi-
sches Phänomen nur indirekt charakterisiert – nämlich so, dass gewisse Ge-
schehnisse als monoton und lähmend erfahren werden, und es ist diese Erfah-
rung (als psychisches Phänomen), die sich im Tonfall niederschlägt. Zweitens
gelingt, wie wir in den folgenden Abschnitten verschiedentlich hervorheben
werden, die sprachlich beschreibende Identifikation einer Ausdrucksqualität
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oft nur indirekt: Wir haben dann kein genaues Wort (d. h. kein einfaches psy-
chologisches Prädikat wie etwa ›Zuversicht‹) und auch keine wirklich treffen-
de Beschreibung des Zustands, den wir als im Gedicht manifest wahrnehmen,
sondern wir müssen uns zur Identifikation der Ausdrucksqualitäten mit mehr
oder minder gelungenen Umschreibungen oder einem Zitat des Gedichts be-
gnügen (s. Abschnitte II.1 und II.2 unten).
Wie u. a. Jenefer Robinson betont, sind mit der Wahrnehmung von Aus-
drucksqualitäten noch weitere diskriminatorische Fähigkeiten verbunden:
»we are also shown something about what it is like to be in that state«.6 Die
For personal use only.

Wendung »what it is like« bezieht sich auf die subjektive Erlebnisqualität eines
Zustands, also darauf, ›wie es ist‹, in dem Zustand zu sein. Die Wahrnehmung
von Ausdrucksqualitäten eines Gedichts beinhaltet demnach auch, dass sich
etwas von dieser Erlebnisqualität mitteilt. Wir bekommen im Fall des
Brecht’schen Mottos also gewissermaßen ein Gefühl für die ausgedrückte Zu-
versicht (und das ist mehr als die bloße Kenntnis, dass Zuversicht ausgedrückt
wird, dass der Zustand also als Zuversicht zu klassifizieren ist). Die Rede von
einem ›Gefühl‹ für etwas ist bewusst vage gehalten. Man kann sie zunächst
ebenfalls als in einem engeren Sinne kognitiv verstehen. Entsprechend erlan-
gen wir Kenntnis nicht nur von der Art des ausgedrückten Gefühls, sondern
auch z. B. davon, ob es angenehm oder unangenehm ist, ob es motivationale
Komponenten hat, mehr oder minder intensiv ist, oder ähnliches. All dies
sind Einsichten, die nichts damit zu tun haben müssen, was Rezipienten sel-

Verses als traurig klingend. So äußert sich bereits Roman Ingarden über »ästhetisch va-
lente Qualitäten«: »Sie alle zeichnen sich dadurch aus, daß sie etwas im ästhetischen Er-
lebnis anschaulich Gegebenes sind, oder auch anders, daß sie unmittelbar erscheinende
Phänomene sind, nicht aber etwas, was man erst aus anderen Gegebenheiten erschließen
oder was man auf Grund des Verständnisses des ganzen Werkes in ihm vermuten kann,
ohne daß seine Qualität selbst gegeben wäre«; Roman Ingarden, Erlebnis, Kunstwerk und
Wert. Vorträge zur Ästhetik 1937–1967. Darmstadt 1969, S. 175.
6 Jenefer Robinson, Expression and Expressiveness in Art. In: Postgraduate Journal of
Aesthetics (2007) 4; http://pjaesthetics.org/index.php/pjaesthetics/article/view/57 (abge-
rufen am 22.05.2017), S. 30.
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ber fühlen. Robinson ist gleichwohl der Auffassung, dass »expressiveness«


(dies ist ihr Term für Ausdrucksqualitäten) auch beinhalte, dass man erfährt,
»how it feels to be in such a state«.7 Hier ist die These also, dass sich etwas von
der Erlebnisqualität des ausgedrückten Gefühls dem Rezipienten mitteilt. Zur
Auffassung von Ausdrucksqualitäten gehörte damit noch ein weiterer Aspekt,
nämlich eine (wie schwach auch immer ausgeprägte) erstpersonale Bekannt-
schaft mit der Erlebnisqualität des ausgedrückten Gefühls. Das ist, nota bene,
eine andere These als die oben zurückgewiesene Annahme, dass der Ausdruck
von z. B. Traurigkeit darin bestünde, dass der Betrachter traurig würde. Die
Erlebnisqualität eines Gefühls ist nur ein Aspekt desselben (und zumal ein
Aspekt, der die Identität des Gefühls – also um was für ein Gefühl es sich
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handelt – nicht bestimmt).8

7 Ebd., S. 31 [Herv. T. K. u. T. K.]. Vgl. Alvin I. Goldman, Imagination and Simulation


in Audience Responses to Fiction. In: Shaun Nichols (Hg.), The Architecture of the Ima-
gination. New Essays on Pretence, Possibility, and Fiction. Oxford 2006, S. 41–56; hier
S. 53.
8 Vgl. etwa auch R. K. Elliot, Aesthetic Theory and the Experience of Art. In: Proceed-
ings of the Aristotelian Society 67 (1967), S. 111–126; hier S. 113; Malcolm Budd, Music
For personal use only.

and the Emotions. The Philosophical Theories. London, New York 1992, S. 126 f.; zum
Zusammenhang von Emotionen und Erlebnisqualitäten vgl. etwa William Lyons, Emo-
tionen und Gefühle. In: Ratio 19 (1977), S. 1–11 (Lyons sagt allerdings »Gefühle«, wo wir
Erlebnisqualitäten sagen); Robert Stecker, Expression of Emotion in (Some of) the Arts.
In: The Journal of Aesthetics and Art Criticism 42 (1984), S. 409–418; hier S. 410. Die
Psychologie der Wahrnehmung von Ausdrucksqualitäten ist offenbar recht komplex. Für
unsere Zwecke muss der Hinweis genügen, dass die Frage der involvierten psychischen
Mechanismen gegenwärtig kontrovers diskutiert wird, ohne dass sich so etwas wie die
Theorie des relevanten Wahrnehmungsmechanismus abzeichnen würde. Einiges spricht
vielmehr dafür, dass einschlägige Mechanismen sehr unterschiedlich aussehen können –
nicht zuletzt, weil sie von Fall zu Fall von sehr unterschiedlichen text- und leserseitigen
Faktoren bestimmt sind. Einer insbesondere von Alvin Goldman vertretenen Theorie
zufolge spielt bei der Wahrnehmung eines Gedichts etwa als melancholisch oder resigna-
tiv die so genannte enactment imagination eine Rolle: Wenn wir das fragliche Gedicht
lesen, so sprechen wir (laut oder im Geiste) die Worte einer melancholischen oder resi-
gnativen Person aus – wir imitieren also typische resignativ-melancholische Sprechhand-
lungen. Die dabei zum Zuge kommende enactment imagination führt dann typischerwei-
se dazu, dass wir momenthaft die Gefühlsqualitäten von Resignation oder Melancholie
empfinden. In einem weiteren Schritt identifizieren wir diese Gefühlsqualitäten – sozu-
sagen am eigenen Leibe – und sprechen sie dann dem Gedicht als dessen Ausdrucksqua-
litäten zu; vgl. zur Erläuterung theoretischer Hintergründe Alvin I. Goldman, Simulating
Minds. The Philosophy, Psychology, and Neuroscience of Mindreading. Oxford 2006,
passim. Vgl. auch Kendall L. Walton, Projectivism, Empathy, and Musical Tension. In:
Philosophical Topics 26 (1999), S. 407–440; Paul Noordhof, Expressive Perception as
Projective Imagining. In: Mind & Language 23 (2008), S. 329–358 (zur Expressivität vor-
nehmlich in anderen Künsten); Tom Cochrane, A Simulation Theory of Musical Expres-
sivity. In: Australasian Journal of Philosophy 88 (2010), S. 191–207 (am Beispiel von Mu-
sik).
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 185

I.3 Leserseitige Voraussetzungen der Wirkung


Die dritte genauere Charakterisierung betrifft leserseitige Voraussetzungen
der besagten Wirkung. Zwei Typen von Voraussetzung können hier einlei-
tend unterschieden werden. Unter dispositionellen Voraussetzungen lässt
sich all das zusammenfassen, was auf Seiten des Rezipienten vorhanden
sein muss, um im engeren Sinne ästhetischen Eigenschaften eines Gegen-
stands gegenüber aufgeschlossen zu sein: Im 18. Jahrhundert nannte man
das summarisch »Geschmack«.9 In Frage kommen dabei ganz unterschied-
liche Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch teils sehr spezifische Kennt-
nisse sowie die Bereitschaft, sich einem Gegenstand in Muße und vorur-
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teilsfrei zuzuwenden, vielleicht auch ›Interesselosigkeit‹ und anderes


mehr.10 Die zweite Gruppe von Voraussetzungen können wir als die Auf-
führungssituation betreffende oder kurz performative bezeichnen. Damit
beispielsweise Brechts oben zitiertes Motto Zuversichtlichkeit ausdrückt,
muss es auf bestimmte Weise gelesen werden. Der Ausdruck einer rhyth-
mischen Belebung ließe sich leicht unterbinden, wenn man das Gedicht zu
langsam oder mit falscher Betonung (laut oder leise bzw. im Geiste) liest.11
Ausdrucksqualitäten können, allgemein gesprochen, nur unter einer werk-
angemessenen Lektüre – die hier u. a. in einer angemessenen Lesegeschwin-
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digkeit und Betonung besteht – realisiert werden.12

9 Vgl. Frank Sibley, Aesthetic Concepts. In: The Philosophical Review 68 (1959),
S. 421–450. Für eine Reihe von Komplikationen vgl. Walton (Anm. 4).
10 Vgl. etwa Frank Sibley, Tastes, Smells, and Aesthetics. In: Ders., Approach to Aesthe-
tics. Collected Papers on Philosophical Aesthetics. Hg. v. John Benson, Betty Redfern u.
Jeremy Roxbee Cox. Oxford 2001, S. 207–255; hier S. 229–232.
11 Vgl. dazu auch Aaron Ridley, The Philosophy of Music. Theme and Variations. Edin-
burgh 2004, S. 85; Kendall L. Walton, Thoughtwriting – in Poetry and Music. In: New
Literary History 42 (2011), S. 455–476; hier S. 468 f.
12 Wir diskutieren in Abschnitt II.1 zwei Beispiele für werkangemessene Lektüren,
wollen aber nicht verschweigen, dass die Frage, was denn genau unter einer werkange-
messenen Lektüre zu verstehen sei, damit noch nicht beantwortet ist. (Insbesondere darf
als Bedingung in die Bestimmung von ›Werkangemessenheit‹ nicht eingehen, dass man
die wesentlichen Eigenschaften des Werks erfasst hat, will man Zirkularität vermeiden.)
Ein zweites Problem, das wir hier ebenfalls ausklammern müssen, betrifft die intersub-
jektive Belastbarkeit von Urteilen, in denen Ausdrucksqualitäten zugeschrieben werden.
Können auch dann, wenn jeweils relevante dispositionelle Voraussetzungen (»Ge-
schmack«) sowie eine werkangemessene Lektüre vorliegen, verschiedene Rezipienten ei-
nes Werkes zu ganz verschiedenen Ansichten über die darin ausgedrückten Befindlich-
keiten kommen? Ob dies möglich ist und ob es sozusagen zu einer epistemischen Min-
derung solcher Urteile insgesamt führt oder eben nicht, kann für ästhetische Urteile, in
denen Ausdrucksqualitäten zugeschrieben werden, genauso gefragt werden wie für ästhe-
tische Urteile im Allgemeinen.
186 Tobias Klauk / Tilmann Köppe

I.4 Abgrenzung vom sprecherseitigen Gefühlsausdruck


Wir haben oben, ebenfalls à propos der Lokalisierungsfrage, bereits hervorge-
hoben, dass lyrische Ausdrucksqualitäten logisch unabhängig von den Be-
findlichkeiten des Dichters sind. Die These, dass Gedichte die Befindlichkei-
ten ihrer Verfasser ausdrückten, ist allerdings ein traditioneller Topos in der
Lyriktheorie.13 Ein Zusammenhang zwischen Autorpsyche und Gedicht wird
meist im Zusammenhang mit dem Paradigma der Erlebnislyrik erörtert, wie
es um 1800 u. a. bei Herder, Schlegel oder auch noch bei Hegel konturiert
wird.14 Herder etwa schreibt in Die Lyra (1795): »[D]ie lyrische Poesie ist der
vollendete Ausdruck einer Empfindung oder Anschauung im höchsten Wohlklan-
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ge der Sprache«.15 Bezeichnet wurde dieser Zusammenhang u. a. von Jenefer


Robinson als ›Romantische Ausdruckstheorie‹.16 Für diese Theorie charakte-
ristisch ist erstens eine Bedeutung von ›Ausdruck‹, der zufolge sich ein inne-
rer, meist als affektiv qualifiziert verstandener Zustand des Dichters im Ge-
dicht manifestiert. Das Gedicht erlaubt daher zweitens Rückschlüsse auf die
Gefühlslage des Dichters vor oder während der Abfassung des Gedichts. Der
Ausdrucksbegriff bezeichnet damit drittens (und abstrakt gesprochen) eine
Relation zwischen Autoren und ihren Gedichten.
Mit der Romantischen Ausdruckstheorie haben Ausdrucksqualitäten aber
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kaum etwas gemeinsam: Weder bedeutet über Ausdrucksqualitäten zu verfü-


gen, dass sich ein affektiver (innerer) Zustand des Dichters im Gedicht mani-
festiert, noch erlaubt ein Gedicht, das über Ausdrucksqualitäten verfügt, ei-
nen Rückschluss auf solche Zustände, noch bezeichnet der Ausdrucksbegriff
eine mehrstellige Relation zwischen Gedichten, Dichtern und ihren Gefühlen.
In Gedichten manifestierte bzw. wahrnehmbare Ausdrucksqualitäten sind
unabhängig von entsprechenden Zuständen ihrer Verfasser. Das hat im Üb-
rigen nichts Mysteriöses; es hat vielmehr seine Entsprechung etwa in der Un-

13 Vgl. u. a. Simone Winko, Kodierte Gefühle. Zu einer Poetik der Emotionen in lyri-
schen und poetologischen Texten um 1900. Berlin 2003, S. 17 u. ö.; Huber (Anm. 1),
S. 347.
14 Vgl. Harald Fricke/Peter Stocker, Lyrik. In: Harald Fricke u. a. (Hg.), Reallexikon der
deutschen Literaturwissenschaft. Bd. 2. Berlin, New York 2000, S. 498–502; hier S. 499;
Simone Winko, Text-Gefühle. Strategien der Präsentation von Emotionen in Gedichten.
In: Literaturkritik (2006) 12; http://literaturkritik.de/id/10268 (abgerufen am
22.05.2017).
15 Johann Gottfried Herder, Die Lyra. Von der Natur und Wirkung der lyrischen
Dichtkunst. In: Ders., Werke in zehn Bänden. Bd. 8: Schriften zur Literatur und Philoso-
phie 1792–1800. Hg. v. Hans Dietrich Irmscher. Frankfurt/M. 1998, S. 117–135; hier
S. 124.
16 Vgl. Robinson (Anm. 6); vgl. auch (zur ausführlichen Analyse, Rekonstruktion und
Kritik) Alan Tormey, The Concept of Expression. A Study in Philosophical Psychology
and Aesthetics. Princeton 1971; Budd (Anm. 8), S. 121–125; (zusammenfassend) Peter
Lamarque, Expression. In: Noël Carroll/John Gibson (Hg.), The Routledge Companion
to Aesthetics. New York, London 2016, S. 184–194.
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 187

abhängigkeit der tatsächlichen Gefühle eines Schauspielers von dessen mimi-


scher Expression. Der Schauspieler muss natürlich nicht in der Stimmung
sein, die seine Mimik zum Ausdruck bringt.17
Gemeinsam haben der Ausdrucksbegriff der Romantischen Ausdrucks-
theorie und der Begriff der Ausdrucksqualitäten allerdings, dass Instanzen der
Phänomene durch (ggf. komplexe) psychologische Prädikate bezeichnet oder
umschrieben werden. Wird undifferenziert von einem ›heiteren Gedicht‹ ge-
sprochen, so muss erst einmal geklärt werden, ob damit gemeint ist, dass sich
die Heiterkeit des Dichters im Gedicht manifestiert oder dass das Gedicht
über die Ausdrucksqualität der Heiterkeit verfügt.18 Für das Englische liegen
terminologische Vorschläge zur Unterscheidung der Phänomene vor.19 So
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wird insbesondere zwischen ›(the poem is) an expression of (someone’s emo-


tion)‹ (dies die Verwendung im Sinne der Romantischen Ausdruckstheorie)
und ›(the poem is) expressive of (an emotion)‹ (dies die Verwendung im Sinne
der Ausdrucksqualitäten) unterschieden. Ausdrucksqualitäten werden zudem
generisch als ›expressive properties‹ (oder auch expressiveness) bezeichnet. Im
Deutschen gibt es keine wirkliche terminologische Entsprechung. Allerdings
böte es sich an, statt von ›Ausdrucksqualitäten‹ etwa von ›Anmutungsquali-
täten‹ zu sprechen. Dies erstens deshalb, weil ›anmuten/Anmutung‹ (im Un-
terschied zu ›ausdrücken/Ausdruck‹) eine wirkungsbezogene Relation fokus-
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siert und keine Relation zwischen einem Subjekt und dem von diesem Aus-
gedrückten;20 und zweitens, weil der Term ›Ausdruck‹ fast unweigerlich mit

17 Vgl. dazu bereits Denis Diderot, Das Paradox über den Schauspieler (1770–1773)
[zuerst 1830]. In: Ders., Ästhetische Schriften. Bd. 2. Hg. u. übers. v. Friedrich Bassenge
u. Theodor Lücke. Frankfurt/M. 1968, S. 481–539; hier S. 484, 486 u. ö.
18 Vgl. Stecker (Anm. 4), S. 165. Hier liegt auch eine bedeutende exegetische Schwie-
rigkeit im Umgang mit der traditionellen Lyriktheorie: Äußerungen wie diejenigen Her-
ders (s. o.) lassen sich nämlich prima facie sowohl im Sinne der Romantischen Aus-
druckstheorie als auch im Sinne von Ausdrucksqualitäten, wie sie hier erläutert wurden,
verstehen. Ebensolche exegetischen Schwierigkeiten gibt es in Bezug auf die modernere
Lyriktheorie. Wenn etwa Tomaševskij sagt, dass Elegien um 1800 »von Emotionen wie
Trauer, Kummer, Schwermut gefärbt waren« (Boris Tomaševskij, Theorie der Literatur,
Poetik. Nach dem Text der 6. Aufl. [Moskau, Leningrad 1931] hg. u. eingel. v. Klaus-Die-
ter Seemann. Übers. v. Ulrich Werner. Wiesbaden 1985, S. 288), oder Staiger, dass im
Gedicht eine »einzigartige Stimmung [auf]klingt« (Emil Staiger, Grundbegriffe der Poe-
tik. Zürich 3. Aufl. 1956, S. 31), stehen dann nicht vielleicht Ausdrucksqualitäten in Rede,
nicht jedoch Ausdruck im Sinne der ›Romantischen Ausdruckstheorie‹?
19 Vgl. Tormey (Anm. 16), S. 127.
20 Der Duden erläutert »anmuten« mit »es mutet mich seltsam an (wirkt seltsam auf
mich)«; http://www.duden.de/rechtschreibung/anmuten (abgerufen am 29.05.2018).
Vgl. auch Franz von Kutschera, Ästhetik. Berlin, New York 1998, S. 64 u. ö. Ob Ausdrücke
für Ausdrucksqualitäten metaphorisch verwendet werden (wie einige andere ästhetische
Begriffe auch), ist umstritten; vgl. Sibley (Anm. 9) sowie Malcolm Budd, The Character-
ization of Aesthetic Qualities by Essential Metaphors and Quasi-Metaphors. In: Ders.,
Aesthetic Essays. Oxford 2008, S. 142–153 (für eine kritische Diskussion dieser Idee).
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der von Karl Bühler und Roman Jakobson geprägten Terminologie in Verbin-
dung gebracht wird, die der Sache nach der Romantischen Ausdruckstheorie
entspricht.21 Gleichwohl ist ›Ausdrucksqualitäten‹ die wohl beste Entspre-
chung des im englischen Sprachraum etablierten ›expressive properties‹ bzw.
›expressiveness‹ (wenn man denn nicht von ›expressiven Eigenschaften‹ oder
›Expressivität‹ sprechen möchte).

II. Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik


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In diesem Abschnitt erläutern wir zunächst anhand zweier Beispielinterpre-


tationen, was es mit der Zuschreibung von Ausdrucksqualitäten im Rahmen
von Gedichtinterpretationen auf sich hat (1). Anschließend diskutieren wir
den Zusammenhang zwischen Ausdrucksqualitäten und moderner Lyrik (2).

II.1 Zuschreibung von Ausdrucksqualitäten


Als erstes Beispiel wählen wir Sarah Kirschs Gedicht Schwarze Bohnen:
1 Nachmittags nehme ich ein Buch in die Hand
For personal use only.

nachmittags lege ich ein Buch aus der Hand


nachmittags fällt mir ein es gibt Krieg
nachmittags vergesse ich jedweden Krieg
5 nachmittags mahle ich Kaffee
nachmittags setze ich zermahlnen Kaffee
rückwärts zusammen schöne
schwarze Bohnen
nachmittags zieh ich mich aus mich an
10 erst schminke dann wasche ich mich
singe bin stumm22

Ausdrucksqualitäten werden dem 1968 in der DDR erstveröffentlichten Ge-


dicht oft attestiert. In der Forschung liest man etwa: »The poem expresses
complete ennui through the tedium of daily existence«.23 Oder: »Beim ersten
Lesen vermittelt das Gedicht [. . .] den Eindruck ewiger Wiederholung und

21 Allerdings: ›Ausdruck‹ bei Jakobson und Bühler bezeichnet alle sprecherseitigen


Faktoren, die in einer Äußerung manifest werden, also nicht nur affektive/emotionale;
vgl. Winko (Anm. 13), S. 114 f. Vgl. aber etwa Simone Winko, Wovon man kaum spre-
chen kann. Emotionen und Metaphern in literarischen Texten. In: Der Deutschunterricht
6 (2006), S. 18–25; hier S. 19, wo der »Ausdruck von Gefühl« dem »Sprecher« zugeordnet
wird, der »vermitteln [will], dass und was er fühlt«.
22 In: Saison für Lyrik. Neue Gedichte von siebzehn Autoren. Auswahl v. Joachim
Schreck. Berlin, Weimar 1968, S. 130.
23 Liselotte Gumpel, »Concrete« Poetry from East and West Germany. The Language
of Exemplarism and Experimentalism. New Haven, London 1976, S. 172; vgl. auch: »lan-
guid tone«; »personal boredom«; ebd., S. 173.
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 189

Langeweile«.24 Auch ist die Rede vom »Tonfall lähmender Monotonie« und
davon, dass das Gedicht »existentielle Orientierungslosigkeit suggeriert«.25
Wir möchten vorschlagen, dem Gedicht den Ausdruck einer resignativen oder
melancholischen Stimmung zuzusprechen.
Wovon ist im Gedicht die Rede? Eine vermutlich weibliche (vgl. »schmin-
ke«, V. 10) Person beschreibt eine Reihe von Handlungen, die sie »nachmit-
tags« ausführt. Wir erfahren weder, ob alle Handlungen an demselben Nach-
mittag ausgeführt werden,26 noch um welches Buch es sich handelt, welcher
Krieg in Rede steht oder in welcher Absicht das Schminken und An- und
Ausziehen geschieht. »[J]edweden« (V. 4) mag man entsprechend als bedeu-
tungsrelativierend lesen, ebenso, dass das Aufnehmen eines Buches gleich ne-
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ben dem Krieg steht, ohne dass eines an Wichtigkeit oder Dramatik gegen-
über dem anderen ausgezeichnet ist. Alle Handlungen werden überdies gleich
wieder rückgängig gemacht oder aufgehoben: Nehmen und Weglegen, Erin-
nern und Vergessen, Schminken und Waschen, Singen und Schweigen, das
Mahlen von Kaffee und das Wieder-Zusammensetzen der Bohnen (hier ver-
lassen wir ganz offensichtlich den Bereich des Möglichen). Was immer getan
wird: Es ist offenbar von kurzer Dauer, es führt zu nichts.
Die Lexik entstammt zu einem guten Teil düsteren Wortfeldern: zweimal
»Krieg«, zweimal »schwarz«, »vergessen« und »stumm« werden genannt; die
For personal use only.

Bohnen sind zwar »schön«, aber genau genommen muss man sagen: Sie wa-
ren es, bevor sie ›zermahlen‹, also zerstört wurden.
Vers- und Gedichtform zeigen die folgenden Befunde: Die ersten sechs Verse
beginnen mit demselben Wort: »Nachmittags« – vielleicht nicht zufällig jene
Zeit, an der der Tag zu Neige zu gehen beginnt. Die Wiederholungsstruktur sorgt
für Monotonie, ebenso die teils ausgeprägte rhythmisch-metrische Parallelität
insbesondere der ersten vier Verse (Daktylen), deren ›Störung‹ etwa im ersten

24 Barbara Mabee, Die Poetik von Sarah Kirsch. Erinnerungsarbeit und Selbstbewußt-
sein. Amsterdam 1989, S. 136 (»Leere und Passivität in der ersten Gedichthälfte«; »De-
pression«); vgl. auch Wolfgang Wittkowski, Sarah Kirsch. In: Klaus Weissenberger (Hg.),
Die deutsche Lyrik, 1945–1975. Düsseldorf 1981, S. 366–372 u. S. 469f.; hier S. 370
(»schmerzliche[r] Freudesverzicht[]«). Wolfgang Emmerich meint, der Schluss des Ge-
dichts fange »das am Ende erst freudige, dann vergebliche Warten auf den Geliebten
[ein]«; Wolfgang Emmerich, Kleine Literaturgeschichte der DDR. Leipzig 1996, S. 232.
25 Christine Cosentino, »Ein Spiegel mit mir darin«. Sarah Kirschs Lyrik. Tübingen
1990, S. 52 f. Gelegentlich wird im Zusammenhang mit Kirschs Gedicht erwähnt, dass es
auf dem Schriftstellerkongress 1969 als ›zu düster‹ und ›zu pessimistisch‹ kritisiert wur-
de; vgl. Marcel Reich-Ranicki, Liebe und Rebellion. In: FAZ, 9.11.2013 [Erstdruck in der
FAZ vom 29.12.2001], S. 31; Martin Kane, ». . . aus der ersten Hälfte meines Landes«.
Sarah Kirsch in the GDR. In: Mererid Hopwood/David Basker (Hg.), Sarah Kirsch. Car-
diff 1997, S. 13–33; hier S. 22.
26 Man weiß folglich auch nichts über die zeitliche Ordnung der meisten Handlungen
– werden sie chronologisch berichtet oder nicht? Weder das Präsens noch sonstige Tem-
poralmarker, von denen es nur wenige gibt (»erst [. . .] dann«, V. 10), gestatten eine Ent-
scheidung darüber.
190 Tobias Klauk / Tilmann Köppe

und zweiten Vers nach der zweiten Hebung wiederum als Ausdruck von Gleich-
gültigkeit (›Es kommt nicht darauf an‹) gelesen werden könnte.
Die Verse enthalten keine Satzzeichen, die ersten sechs Verse entsprechen
jeweils einem syntaktisch vollständigen Hauptsatz. Das ändert sich mit dem
sechsten und siebten Vers. Der Hauptsatz (»nachmittags setze ich den zer-
mahlenen Kaffee / rückwärts zusammen«) geht über die Versgrenze hinweg
und unterstreicht so zum einen den Bruch der Möglichkeit des (bislang) Be-
richteten. Zum anderen bilden diese Verse auch den Auftakt zu nunmehr el-
liptischen Sätzen, in denen das Muster der ›Zurücknahme‹ einer Handlung
noch kondensierter zur Sprache kommt.
Das Gedicht schließt mit einer Betonung auf dem Wort »stumm«, das man
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als den Endpunkt einer Verkettung ziel- oder zweckloser Handlungen auffas-
sen mag. Wenn man so kühn sein möchte, die ersten fünf (syntaktisch voll-
ständigen) Verse als einen Block zu lesen und die durch den Zeilensprung
verbundenen Verse sechs und sieben als (durch die besagte Unmöglichkeit ja
auch semantisch markierten) Übergang, so kann man die letzten vier Verse
ebenfalls als einen Block lesen, dem, um die Symmetrie des Gedichts zu wah-
ren, ein fünfter, ›stummer‹ Vers anzuschließen wäre, gleichsam als Vollendung
des Schweigens – vergleichbar etwa dem berühmten fehlenden letzten Jambus
in Rilkes Panther (1903), den Heinrich Detering »eine Kadenz aus Schweigen
For personal use only.

als Äquivalent der Leere« genannt hat.27


Diese knappe Interpretationsskizze legt nun eine Reihe von systematisch-
methodologischen Beobachtungen nahe, die wir kurz auf den Punkt bringen
möchten:
Erstens fällt auf, dass der von uns identifizierte Ausdruck von Resignation
oder Melancholie als komplexe Gedichteigenschaft in basaleren Eigenschaf-
ten fundiert ist. Angeführt haben wir in diesem Sinne Beobachtungen zur
Handlungs- oder Ereignisebene, Lexik, Vers- und Gedichtform, Metrik, Inter-
punktion und Prosodie. Zugleich fällt auf, dass die vorstehenden Beobach-
tungen zu Inhalt und Struktur des Gedichts bereits mit der Zuschreibung
lokaler Ausdrucksqualitäten durchsetzt gewesen sind. Dies gilt etwa für unsere
Behauptungen, dass die Lexik eine düstere emotionale Valenz habe, dass die
Wiederholungsstrukturen monoton seien oder die unterschiedslose Aufzäh-
lung Gleichgültigkeit suggeriere. Die genannten Strukturen wirken in diesem
Gedicht auf die besagte Weise bzw. sie bringen Gleichgültigkeit, ein Gefühl
der Monotonie oder der Düsternis zum Ausdruck. Eine solche Zuschreibung
lokaler Ausdrucksqualitäten ist durchaus typisch für die Gedichtinterpreta-
tion: Eine Charakterisierung metrisch-prosodischer Eigenheiten eines Ge-
dichts ist oftmals bereits eine Charakterisierung lokaler Ausdrucksqualitäten

27 Heinrich Detering, Rhetorik und Semantik lyrischer Formen. In: Dieter Lamping
(Hg.), Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Stuttgart, Weimar 2011, S. 69–80;
hier S. 76. Auch Wittkowski (Anm. 24), S. 370, spricht von der »abbrechend verkürzten
Schlußzeile« in Kirschs Gedicht.
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 191

der Verse – etwa als rhythmisch belebt (so im Brecht’schen Motto oben) oder
als monoton (so bei Kirsch). Der Ausdruck einer resignativen oder melancho-
lischen Stimmung ist dagegen keine in diesem Sinne lokale Qualität des Ge-
dichts. Hier möchten wir sagen: Das ganze Gedicht drückt dies aus, nicht
lediglich dieser oder jener Vers.
Die herausgestellten Zusammenhänge von inhaltlichen und strukturellen
Eigenschaften sowie lokalen und Gesamt-Ausdrucksqualitäten des Gedichts
dürfen nun nicht so verstanden werden, dass man auf der Grundlage der
Einzelbeobachtungen auf das Vorliegen von Ausdrucksqualitäten schließt,
dass sich also die Ausdrucksqualitäten aus der Analyse bzw. Interpretation des
Gedichts ableiten ließen.28 Wie wir in der einleitenden Erläuterung des Phä-
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nomens bereits hervorgehoben haben, gehören Ausdrucksqualitäten viel-


mehr zu den ästhetischen Eigenschaften eines Gedichts, die man wahrnimmt
oder erlebt: Das Gedicht mutet melancholisch oder resignativ an oder man
hört (oder liest) den Ausdruck von Melancholie oder Resignation im Gedicht.
Entsprechend ähnelt der Aufweis der Fundierung einer komplexen Aus-
drucksqualität in basaleren Gedichteigenschaften eher der Art und Weise, wie
man ein Wahrnehmungsurteil rekonstruiert: Man kann aufzuzeigen versu-
chen, weshalb man dies und jenes wahrnimmt, und damit zugleich rechtfer-
tigen, dass das Urteil angemessen oder richtig ist.
For personal use only.

Das Rechtfertigungsproblem werden wir im Anschluss an unsere zweite


Beispielinterpretation noch vertiefen. Hier soll zunächst ein anderer Punkt
hervorgehoben werden, der mit dem Wahrnehmungsaspekt zu tun hat. Ein-
leitend haben wir kurz aus vorliegenden Interpretationen zitiert, denen ge-
meinsam ist, dass sie Schwarze Bohnen Ausdrucksqualitäten zuschreiben.
Aber im Einzelnen divergieren die Zuschreibungen doch: Wo der eine Inter-
pret ennui identifiziert, findet der andere existenzielle Orientierungslosigkeit
ausgedrückt; wir wiederum haben von Resignation oder Melancholie gespro-
chen. Wie kommt es zu dieser Zuschreibungsdivergenz?
Zunächst einmal liegt natürlich nahe zu sagen, dass die Zuschreibungen
mehr oder minder gelungen, d. h. mehr oder minder berechtigt oder gerecht-
fertigt, sein mögen. Eine entsprechende Prüfung (und ggf. Kritik) differieren-
der Zuschreibungen lassen wir hier auf sich beruhen, denn auf Grundlage des
bereits Gesagten gibt es noch eine interessantere Antwort. Die von uns zitier-
ten Zuschreibungen von Ausdrucksqualitäten sowie unsere eigenen lassen
sich demnach allesamt als Annäherungen verstehen, denen gemeinsam ist,
dass sie versuchen, die Gehalte komplexer Anmutungen auf den Begriff zu brin-
gen. Wiederum ist der Vergleich mit Wahrnehmungsurteilen instruktiv. Wenn
man die spezifische Röte eines Gegenstandes charakterisieren möchte, so
bleibt am Ende nichts anderes übrig als auf den roten Gegenstand demonst-

28 Vgl. oben, Anm. 5. Anders dagegen (wohl auf Grundlage eines anderen Begriffs ly-
rischer Expressivität) Robert Stecker, Expressiveness and Expression in Music and Poetry.
In: The Journal of Aesthetics and Art Criticism 59 (2001), S. 85–96.
192 Tobias Klauk / Tilmann Köppe

rativ zu verweisen: ›Dieses Rot meine ich‹. So ist es auch mit Ausdrucksquali-
täten: Das spezifische Gefühl, das Kirschs Gedicht Schwarze Bohnen aus-
drückt, lässt sich nur annähernd beschreiben. So wie man ein Farbmuster vor-
zeigen muss, um einen genauen Eindruck von der Qualität einer bestimmten
Farbe zu vermitteln, muss man das Gedicht selbst vorführen, um einen ge-
nauen Eindruck von dessen Ausdrucksqualitäten zu vermitteln, und den
Farbton bzw. die Ausdrucksqualität mithin demonstrieren.29 Beschreibungen
wie ›Das Gedicht drückt Resignation aus‹ sind demgegenüber ungenau; sie
geben lediglich die (grobe) begriffliche Kategorie an, in die eine Ausdrucks-
qualität fällt – und natürlich kann eine spezifische Ausdrucksqualität in mehr
als nur eine solche (vage) Kategorie fallen.
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Zur Unterstützung dieser These mag auch unsere zweite Beispielinterpre-


tation beitragen, der wir uns nun zuwenden. Sarah Kirschs Schwarze Bohnen
lässt sich der modernen Stimmungslyrik zuordnen, und bei dieser Untergat-
tung kann man eine besondere Nähe zum Emotionsausdruck vermuten. Wie
steht es aber mit moderner Gedankenlyrik? Wir diskutieren als Beispiel Philip
Larkins Reference Back (1964):
1 That was a pretty one, I heard you call
From the unsatisfactory hall
For personal use only.

To the unsatisfactory room where I


Played record after record, idly,
Wasting my time at home, that you
Looked so much forward to.

7 Oliver’s Riverside Blues, it was. And now


I shall, I suppose, always remember how
The flock of notes those antique Negroes blew
Out of Chicago air into
A huge remembering pre-electric horn
The year after I was born
Three decades later made this sudden bridge
From your unsatisfactory age
To my unsatisfactory prime.

16 Truly, though our element is time,


We’re not suited to the long perspectives
Open at each instant of our lives.
They link us to our losses: worse,
They show us what we have as it once was,
Blindingly undiminished, just as though
By acting differently we could have kept it so.30

29 Vgl. John Spackman, Expressiveness, Ineffability, and Nonconceptuality. In: The


Journal of Aesthetics and Art Criticism 70 (2012), S. 303–314 sowie auch Tormey
(Anm. 16), S. 140, zum Problem von »expressive ambiguity«.
30 Philip Larkin, Collected Poems. Hg. v. Anthony Thwaite. London 2003, S. 111. Das
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 193

Zunächst eine kurze Analyse. Das Gedicht hat drei Strophen mit ungleicher
Versanzahl, meist Paarreime – mit einem strophenübergreifenden Reim
(»prime // time«) und einem eye-rhyme (»perspectives / lives«) – und ein un-
regelmäßiges Metrum.
Die erste Strophe erzählt eine kurze Geschichte: Ein Sprecher (»I«) erzählt
von einer Begebenheit zuhause (»at home«): Er spielt Schallplatten ab mit
frühem Jazz (Oliver’s Riverside Blues),31 eine andere Person kommentiert das
letzte Lied, es sei schön.32 Die zweite Strophe berichtet dann von einem Re-
flexionsprozess: Der Sprecher fragt sich (vielleicht skeptisch?), ob ihn das nun
immer an die Kraft (oder gar Magie?) der Musik erinnern werde (oder solle?),
die, vor dreißig Jahren aufgezeichnet, eine Verbindung herzustellen vermöge
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zwischen dem unbefriedigenden (oder auch: unzulänglichen) Alter der ande-


ren Person und den eigenen ›besten Jahren‹, die freilich ebenfalls unbefriedi-
gend seien (»From your unsatisfactory age / To my unsatisfactory prime«).
Typisch für Larkin ist die Mehrdeutigkeit: »now / I shall, I suppose, always
remember how« kann als ein eher genervtes ›Und jetzt soll ich offenbar . . .‹
oder ein eher fragendes ›Ist es so, dass ich jetzt . . .?‹ gelesen werden. Hier gibt
es im Vortrag des Gedichts einen durch die Intonation zu realisierenden Spiel-
raum zur Disambiguierung. Die dritte Strophe bietet dann so etwas wie eine
erneute Generalisierung: Der Mensch sei, obwohl ein in der Zeit existierendes
For personal use only.

Wesen, nicht sonderlich gut geeignet für lange Rückblicke. Was die Erinne-
rung biete, sei der Anblick des Gegenwärtigen, so wie es früher gewesen sei
und nie mehr wiederkehre. Und das könne man sogar als Vorwurf empfinden:
als hätte man, durch anderes Verhalten, das Vergangene bewahren können
(»just as though / By acting differently we could have kept it so«). Auch hier
wird freilich nicht explizit gesagt, um welche Verluste (»losses«) es geht. Tat-
sächlich sei es also so, dass unser Erinnerungsvermögen, das für wesentlich in
der Zeit existierende Wesen eigentlich als etwas Gutes erscheinen könne, letzt-
lich für Verdruss sorgen müsse.
Das Gedicht wechselt damit von der narrativ strukturierten Beschreibung
eines konkreten Erlebnisses (es habe stattgefunden oder nicht) zur Beleuch-
tung eines abstrakten Gegenstands. Thesenhaft formuliert: Das menschliche
Leben ist vergänglich und wir können nichts festhalten. Besonders bitter ist,

Gedicht ist 1964 in seiner Sammlung The Whitsun Weddings erstveröffentlicht worden.
Larkin hat seine Gedichte datiert, daher wissen wir, dass er es bereits am 21. August 1955
geschrieben hat.
31 Es handelt sich vermutlich um den Riverside Blues von Joseph Nathan »King« Oliver.
32 Wenn man Datierungsindizien zusammennimmt – nämlich: Larkins Geburtsdatum
1922; alle Aufnahmen von King Oliver’s Creole Jazzband, die nur aus schwarzen Musi-
kern bestand, wurden 1923 aufgenommen; häufige autobiographische Referenzen bei
Larkin; Datierung des Gedichts auf den 21. August 1955, d. h. etwa dreißig Jahre nach
der Aufnahme; ein Verweis auf Larkins alte Mutter –, so könnte eine autobiographische
häusliche Szene Anlass oder auch Gegenstand der ersten Strophe sein.
194 Tobias Klauk / Tilmann Köppe

dass uns dieses Faktum selbst bewusst wird – dann nämlich, wenn wir etwas
Verlorenes in seinem ursprünglichen Zustand erinnern. (Wir haben es also in
gewisser Weise mit einer Antithese zur Proust’schen Aufwertung des Erinne-
rungsvermögens zu tun.) Das Gedicht thematisiert einerseits einen Sachver-
halt von gewissermaßen anthropologischer Universalität und Tragweite, aber
man wird andererseits nicht sagen wollen, dass es sich um eine besonders tiefe
oder komplizierte Einsicht handelt. In gewisser Weise ist diese Einsicht sogar
banal, und man kann sie in jedem Fall auch unabhängig vom Gedicht haben
(und mancher wird sie zweifellos auch schon gehabt haben).
Über welche Ausdrucksqualitäten verfügt das Gedicht? Die letzte Strophe,
so möchten wir vorschlagen, bringt eine resignative Grundstimmung zum
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Ausdruck. Es ist die Stimmung jemandes, der sich eine Besonderheit (einen
vermeintlichen Vorzug?) des Menschen, nämlich dessen beträchtliches Erin-
nerungsvermögen, vergegenwärtigt und darin dann doch nur einen Nachteil
sehen kann.
Interessant ist nun, dass die Ausdrucksqualitäten der letzten Strophe des
Gedichts auch so etwas wie eine Binnenstruktur haben – anhand derer sich
wiederum begründen lässt, wie die Resignation als globale Grundstimmung
zustande kommt. So findet sich in der letzten Strophe ein Alternieren zwi-
schen einem positiven, eher hoffnungsvollen Gefühlsausdruck (die Vision ei-
For personal use only.

nes ›angestrebten Ziels‹) und einem letztlich dominierenden, negativen Ge-


fühlsausdruck (als Einsicht, dass das Ziel »nicht erreichbar ist«). Der mit
»Truly« beginnende 16. Vers markiert zunächst einmal eine Einsicht, also et-
was Positives, während »We’re not suited to the long perspectives« eine Be-
schränkung (etwas Negatives) markiert. »Open at each instant of our lives«
markiert wiederum etwas Positives (nämlich eine Möglichkeit oder Kompe-
tenz). »They link us to our losses: worse« spricht in seiner Negativität für sich
selbst. »They show us what we have as it once was, / Blindingly undiminished«
nimmt noch einmal mit ganzer Kraft eine positive Perspektive ein: Was im-
mer es auch ist, dass da als ›blendend‹ und ›unvermindert‹ ausgezeichnet
wird: »Blindingly undiminished« spielt mit vier hohen ›i‹-Lauten und Erstsil-
benbetonung nicht nur die visuelle, sondern auch die lautliche Metaphorik
von ›Glänzend‹-ist-gleich-›Hoch‹-ist-gleich-›Positiv‹ noch einmal voll aus –
nur um dann mit »just as though / By acting differently we could have kept
it so« durch den Irrealis anzuzeigen, dass der Aufschwung zur Hoffnung ver-
geblich war. Der 19. Vers nimmt dieses Alternieren und den letztendlichen
›Abstieg‹ auch noch einmal in seiner Binnenstruktur auf: »They link us to our
losses« spiegelt in der Lautstruktur der Vokale einen Kontrast zwischen vor-
deren/höheren (»They link« . . .) und hinteren/tieferen (. . . »us to our losses«)
Lauten mit dem semantisch als ›Verluste‹ markierten Tiefpunkt. Die in der
letzten Strophe ausgedrückte Haltung oder Stimmung ist also etwas, das man
im 18. Jahrhundert vermutlich als ein ›gemischtes Gefühl‹ bezeichnet hätte:
Es vereint positive und negative Aspekte – freilich dann mit einer Betonung
des Negativen.
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 195

Von hier aus bietet sich nun zunächst ein Rückblick auf die Interpretation von
Kirschs Schwarze Bohnen an. Auch dieses Gedicht drückt – gewissermaßen ge-
nerisch – Resignation aus. ›Resignation‹ ist ein Oberbegriff, der nur grob um-
reißt, was es mit den Ausdrucksqualitäten der Gedichte auf sich hat. Die Spezifik
der jeweils in Rede stehenden Ausdrucksqualitäten ist durch einzelne Begriffe
kaum zu fassen und folglich auch kaum zu unterscheiden. Vielmehr lässt sie sich,
wie wir bereits betont haben, letztlich wohl nur demonstrativ aufweisen, etwa
indem man sagt: ›Ich meine jene (Spielart von) Resignation, die durch dieses
Gedicht ausgedrückt wird‹. Eine genauere Charakterisierung des ausgedrückten
Gefühls ist dementsprechend üblicherweise (oder sogar zwingend) mit einer
Beschreibung, Erläuterung oder sogar Zitation des Gedichts verbunden.
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Wir können damit einen generalisierenden Blick auf die Aufgaben der li-
teraturwissenschaftlichen Interpretation werfen. Hinsichtlich der Zuschrei-
bung von Ausdrucksqualitäten gibt es mindestens drei:
Erstens kann die Interpretation einen hinweisenden Charakter haben: Sie
möchte eine Anleitung zum richtigen Lesen oder Hören des Gedichts sein
und so eine Hilfestellung zur Wahrnehmung von Ausdrucksqualitäten geben.
Die Interpretation besteht dann also, sprechakttheoretisch gesprochen, nicht
nur aus Assertiven sondern auch aus indirekten Direktiven, also etwa Aussa-
gen der Form ›Sieh es so, dann wirst Du vielleicht in der Lage sein, die Aus-
For personal use only.

drucksqualitäten aufzufassen‹.33
Zweitens kann sich die Interpretation um den Aufweis von Merkmalen be-
mühen, denen sich eine (vermutlich kausale) Rolle für das Zustandekommen
der Ausdrucksqualitäten zuschreiben lässt.34 In tatsächlich erklärende Zu-
sammenhänge kann man die Rolle dieser Elemente allerdings nur dann ein-
betten, wenn man über eine Theorie der Wahrnehmung von Ausdrucksqua-
litäten verfügt; hier gibt es (wie wir in Anm. 8 angedeutet haben) mehrere
konkurrierende Ansätze.
Drittens kann die Interpretation der Vergewisserung dienen, dass man eine
werkangemessene Lektüre des Gedichts realisiert hat. In einer solchen Lektüre
manifestiert sich ein angemessenes Verständnis des Gedichts, d. h. man stellt
im Rahmen der Interpretation sicher, dass es vernünftig ist, ein in Rede ste-
hendes Gedicht als beispielsweise Resignation oder Melancholie ausdrückend
aufzufassen. Um die Werkangemessenheit einer Lektüre zu untermauern,
prüft man, dass die wahrgenommenen Ausdrucksqualitäten zu sonstigen Ei-

33 Vgl. etwa Arnold Isenberg, Critical Communication. In: Philosophical Review 58


(1949), S. 330–344 für eine grundlegende Charakterisierung oder die Einschätzung von
Alan H. Goldman: »Critics guide experience by drawing attention to properties that un-
derlie aesthetic qualities, or to those qualities themselves, in order to enhance apprecia-
tion of the works«; Alan H. Goldman, The Experiential Account of Aesthetic Value. In:
The Journal of Aesthetics and Art Criticism 64 (2006), S. 333–342; hier S. 333.
34 Vgl. Malcolm Budd, Values of Art. Pictures, Poetry and Music. London 1995, S. 207
(zu »depression«), S. 138 f.
196 Tobias Klauk / Tilmann Köppe

genschaften des Gedichts (etwa seiner Diegese und Thematik) erstens nicht
im Widerspruch stehen, und man bemüht sich zweitens um den Aufweis ›po-
sitiver Kohärenz‹. Daten lassen sich etwa dann als kohärent auffassen, wenn
über sie interessante Generalisierungen möglich sind. In Frage kommt hier
etwa das, was man in der Literaturwissenschaft eine ›Darstellungsstrategie‹
genannt hat: Die fraglichen Merkmale lassen sich demnach erklären, indem
man annimmt, die Dichterin habe sie (bewusst oder unbewusst) eingesetzt,
um die Wahrnehmung bestimmter Ausdrucksqualitäten zu ermöglichen.35
Im Zuge einer solchen Interpretation kommen nicht nur Textdaten im en-
geren Sinne, sondern etwa auch intertextuelle Bezüge, paratextuelle Daten
(d. h. solche zum unmittelbaren Veröffentlichungskontext), (werk-)biogra-
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phische Daten oder solche zum (sozial-)historischen Kontext des Gedichts in


Frage.36 Diese Elemente sind natürlich nicht unmittelbar (am Gedicht selbst)
wahrnehmbar, sie können aber zur Realisierung einer werkangemessenen
Lektüre hinzugezogen werden.
Insgesamt können solche Interpretationshypothesen eine Reihe von Qua-
litäten aufweisen, die wir an Hypothesen überhaupt schätzen: Sie können
konservativ sein in Bezug auf unsere Hintergrundannahmen und sich durch
ihre Reichweite und Einfachheit auszeichnen. Kurz: Sie können mehr oder
weniger gelungen sein. Wir betonen das erneut, weil man bei der Untersu-
For personal use only.

chung vermeintlich ›subjektiver‹ Aspekte von Gedichten immer in den Ver-


dacht gerät, selbst bloß ›Subjektives‹ zum Besten zu geben. Diese Sorge ist
jedoch unbegründet. Dass und wie ein Gedicht über Ausdrucksqualitäten ver-
fügt, gehört zu den Dingen, die man an einem Gedicht verstehen kann. ›Ver-
stehen‹ ist ein Erfolgswort, d. h. man kann richtig und falsch liegen mit sei-
nem Versuch zu verstehen. Und insofern ist ein solches Verständnis nicht bloß
subjektiv im Sinne von beliebig.
Ausdrucksqualitäten sind für Lyrik nichts Nebensächliches; ein umfassen-
des Verständnis eines Gedichts, das über Ausdrucksqualitäten verfügt, muss
sich auch um ein Verständnis der ins Werk gesetzten Ausdrucksqualitäten be-
mühen. Ein Bild der Auseinandersetzung mit Lyrik, das Ausdrucksqualitäten
primär zum Gegenstand der Interpretation erklärt (und sie mithin, wenn

35 Bei der Prüfung der positiven Kohärenz kommt typischerweise ein so genannter
›Schluss auf die beste Erklärung‹ (»inference to the best explanation«) zur Anwendung.
Bei diesem Verfahren schließt man von der Tatsache, dass eine bestimmte Hypothese die
vorliegenden Daten (am besten) erklären würde, auf die Wahrheit der Hypothese – oder,
etwas schwächer, zumindest auf die Wahrscheinlichkeit von deren Wahrheit; vgl. Gilbert
Harman, The Inference to the Best Explanation. In: The Philosophical Review 74 (1965),
S. 88–95; hier S. 89.
36 Vgl. Jenefer Robinson, Deeper than Reason. Emotion and its Role in Literature, Mu-
sic, and Art. Oxford 2005, S. 249; vgl. allgemein Walton (Anm. 4). Hier können dann
auch Konventionen (»Codes«) eine Rolle spielen; vgl. Winko (Anm. 13), passim. (Der
erhobene Mittelfinger wird in diesem Sinne in unserem Kulturkreis als Ausdruck von
Wut, Aggressivität etc. wahrgenommen.)
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 197

man so will, zu einem Aspekt der Semantik des Gedichts erklärt), wäre nun
aber zumindest einseitig und vielleicht sogar verzerrt. Das ergibt sich aus dem
Hinweis, dass eine Aufgabe der literaturwissenschaftlichen Interpretation zu-
nächst einmal in einer Anleitung zur (korrekten) Lektüre und Wahrnehmung
der Ausdrucksqualitäten bestehen könne. Im Hintergrund steht hier der Ge-
danke, dass lyrische Texte (auch) Kunstwerke sind. Als solche können sie dafür
geschätzt werden, ästhetische Erfahrungen zu ermöglichen.37 Ausdrucksquali-
täten gehören fraglos zu den ästhetisch erfahrbaren und daher auch zu den
wertzuträglichen Eigenschaften lyrischer Texte.
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II.2 Ausdrucksqualitäten und moderne Lyrik


Kirschs Schwarze Bohnen und Larkins Reference Back gehören zwar unter-
schiedlichen lyrischen Subgenres an; es handelt sich bei diesen Gedichten
aber gleichermaßen um Beispiele moderner Lyrik – und es ist die Frage des
Zusammenhangs von Lyrik der Moderne und Ausdrucksqualitäten, der wir
uns nun zuwenden möchten.
Wir beginnen mit einer kurzen Bemerkung zum Epochen-Begriff ›moder-
ne Lyrik‹. Wie die meisten Gattungs- und Epochen-Begriffe ist auch der Be-
griff der ›modernen Lyrik‹ nicht trennscharf. Dieter Lamping hat vorgeschla-
For personal use only.

gen, ihn als ›Familienähnlichkeitsbegriff‹ zu bestimmen.38 Das bedeutet, grob


gesagt, dass wir ein disjunktives Set hinreichender Bedingungen haben, die
einen lyrischen Text als ›modern‹ qualifizieren. Die wichtigsten Bedingungen
sind der Bruch mit der lyrischen Tradition auf der Ebene des sprachlichen
Gehalts und der Bruch mit der lyrischen Tradition auf der Ebene der forma-
len Gestaltung eines Gedichts.39 Gewiss erlauben diese Kriterien in der An-
wendung ein ›Mehr‹ oder ›Minder‹; zudem setzt ihre Anwendung oft Inter-
pretationen voraus, und wo es Interpretationen gibt, da gibt es auch Dissens.
Schließlich kann man darüber streiten, ob wir es wirklich mit hinreichenden
Bedingungen zu tun haben – denn Innovationen auf inhaltlichem oder for-
malem Gebiet gab es natürlich schon vor der Mitte des 19. Jahrhunderts, also
jener Zeit, die mit Baudelaires Les Fleurs du Mal (1857) meist als die Geburts-
stunde ›moderner Lyrik‹ angesehen wird.40

37 Vgl. Noël Carroll, Beyond Aesthetics. Philosophical Essays. Cambridge 2001, S. 49;
vgl. Peter Lamarque, Aesthetics and Literature: A Problematic Relation? In: Philosophical
Studies 135 (2007), S. 27–40 und Peter Lamarque, Artistic Value. In: John Shand (Hg.),
Central Issues of Philosophy. Malden 2009, S. 231–243.
38 Vgl. Dieter Lamping, Moderne Lyrik. Göttingen 2008, S. 14 f.; vgl. auch Dieter Lam-
ping, Das lyrische Gedicht. Definitionen zu Theorie und Geschichte der Gattung. Göt-
tingen 2., durchges. Aufl. 1993, S. 131–143.
39 Vgl. ebd.
40 Man kann die genannten Bedingungen also etwa in der Weise qualifizieren, dass der
Bruch mit einer bestimmten lyrischen Tradition gemeint ist. Entsprechend gibt es zwei
Möglichkeiten, den Modernebegriff zu verwenden: Man kann ›modern‹ ahistorisch
198 Tobias Klauk / Tilmann Köppe

Interessant ist nun, dass in auf die Moderne bezogenen Epochencharakte-


ristiken ein Zusammenhang von Lyrik und dem »Ausdruck von Empfindun-
gen oder Subjektivität« meist pauschal in Abrede gestellt wird. So konstatiert
etwa Zymner: »Moderne Lyrik ist [. . .] nicht Ausdruck von Empfindungen
oder Subjektivität, sondern artistisches Artefakt aus Sprachmaterial«.41 Unter
der Lesart, dass Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik in Rede stehen, ist diese
These falsch.42 Dies haben wir bereits an den Beispielinterpretationen in Ab-
schnitt II.1 gesehen. Im Bereich der modernen Lyrik, so darf man vielmehr
vermuten, wird manches ›artistische Artefakt‹ produziert, um Ausdrucksqua-
litäten ins Werk zu setzen. Die Instanziierung von Ausdrucksqualitäten dürfte
ein wichtiger Teil der Darstellungsstrategie sowohl von Schwarze Bohnen als
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auch von Reference Back sein.43


Die These, dass es in moderner Lyrik Ausdruckqualitäten gibt, ist nun aber
nicht das einzige, was sich zum Zusammenhang von Ausdrucksqualitäten
und der Lyrik der Moderne sagen lässt. Es gibt vielmehr noch engere (spezi-
fischere) Zusammenhänge, die wir nun herausarbeiten möchten.
Zunächst: Es ist fast egal, welche Darstellung zur Geschichte der Lyrik man
in die Hand nimmt – immer wird darauf verwiesen, dass sich die moderne
Lyrik unter anderem dadurch als solche auszeichnet, dass sie ›neue Erfahrun-
gen‹ verarbeitet. In einer Formulierung von Petersdorff:
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(oder besser: historisch unbestimmt) verstehen, sodass auch ein barockes Gedicht ›mo-
dern‹ sein kann, wenn es einen Traditionsbruch exemplifiziert; oder man versteht ›mo-
dern‹ historisch bestimmt, sodass der Bruch mit einer bestimmten Tradition gemeint ist.
Beide Verwendungsweisen sind sinnvoll, hier geht es jedoch um den Epochenbegriff ›mo-
dern‹, also die letztgenannte, historisch bestimmte Verwendungsweise.
41 Rüdiger Zymner, Lyrik. In: Thomas Anz (Hg.), Handbuch Literaturwissenschaft.
Bd. 1: Gegenstände und Grundbegriffe. Stuttgart, Weimar 2007, S. 67–73; hier S. 71; vgl.
ähnlich Walter Erhart, Neuere deutsche Literatur. In: Thomas Rathmann (Hg.), Texte,
Wissen, Qualifikationen. Ein Wegweiser für Germanisten. Berlin 2000, S. 49–78; hier
S. 66 (»Gedichte bieten plötzlich – seit Baudelaire, Mallarmé und Rimbaud – keine per-
sönlichen Ausdrucksformen mehr, sondern experimentieren mit Sprache«), sowie das
Referat in Winko (Anm. 13), S. 17; Anna Magdalena Fenner, Trauer in der deutschen
Nachkriegslyrik. Zur Emotionsgestaltung bei Günter Eich, Marie Luise Kaschnitz und
Nelly Sachs. Diss. Göttingen 2015; http://ediss.uni-goettingen.de/handle/11858/00-
1735-0000-0022-5F8C-D (abgerufen am 03.08.2017), S. 22, passim. Vgl. auch Lamping,
Das lyrische Gedicht (Anm. 38), S. 110. Lamping beispielsweise bekommt den hier ein-
schlägigen Ausdrucksbegriff gar nicht in den Blick (vgl. insbes. ebd., S. 112 f. zur Diskus-
sion der »emotiven Funktion« von Sprache sowie S. 116 f. zur These der »Subjektivität«
von Lyrik sowie S. 122 zur »Erlebnislyrik«). Vgl. auch Hans H. Hiebel, Moderne. In: Die-
ter Lamping (Hg.), Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Stuttgart, Weimar
2011, S. 394–412; hier S. 395.
42 Für eine alternative Lesart s. u.
43 Begründen ließe sich diese Vermutung wiederum als ein Schluss auf die beste Erklä-
rung.
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 199

Die Städte wachsen, die Industrie breitet sich aus, den Menschen wird Mobilität
ermöglicht und abverlangt; die Religion wird in ihrer Bedeutung als Integrations-
kraft weiter geschwächt; Wahrheit geht aus der Konkurrenz der Ansichten hervor
[. . .]. [. . .] Es kommt zur intensiven Wahrnehmung der Zersplitterung.44
In diesem Sinne ist etwa Gottfried Benns Abschied (1941) interpretiert wor-
den als »Ausdruck einer Stimmung, besser: einer existentiellen Verfassung«,
wobei die »Qualität dieses Existenzgefühls [. . .] in der totalen Entfremdung
des Ich von der Welt der Natur und des Menschen« – also einer, wenn man
so will, ›modernen‹ Erfahrung – gesehen wird.45 Wenn es also stimmt, dass
die Moderne mit neuen Wahrnehmungen, Erlebnissen oder Gestimmtheiten
aufwartet, dann kann man vermuten, dass es den Dichtern ein Anliegen ge-
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wesen ist, in ihren Werken den neuen Erfahrungen entsprechende Ausdrucks-


qualitäten erfahrbar zu machen.46 Anhand des bereits zur Natur von Aus-
drucksqualitäten Gesagten können wir diese These stützen. ›Ausdrucksvolle‹
Gedichte können zum einen benutzt werden, um auf die in Rede stehenden
Befindlichkeiten zu verweisen. Zum anderen kommuniziert ein lyrischer Text,
der über Ausdrucksqualitäten verfügt, typischerweise auch Aspekte der sub-
jektiven Erlebnisqualität des ausgedrückten inneren Zustands, also wie es ist,
sich in dem Zustand zu befinden (s. o., Abschnitt I, sowie Anm. 31).
Verschiedene Autoren haben dementsprechend bemerkt, dass lyrische Tex-
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te die Möglichkeit geben können, etwas ansonsten nur dunkel und unverstan-
den Geahntes zum Ausdruck zu bringen und dadurch verständlich zu ma-
chen: »A person expressing emotion [. . .] is making his emotions clear to his

44 Dirk von Petersdorff, Geschichte der deutschen Lyrik. München 1995, S. 81 f. Vgl.
auch Hiebel (Anm. 41), insbes. S. 396 f.; Theo Elm, Lyrik heute. In: Walter Hinderer
(Hg.), Geschichte der deutschen Lyrik vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Würzburg 2.,
erw. Aufl. 2001, S. 605–620; hier insbes. S. 605 f.; Hermann Korte, Energie der Brüche.
Ein diachroner Blick auf die Lyrik des 20. Jahrhunderts und ihre Zäsuren. In: Heinz Lud-
wig Arnold (Hg.), Lyrik des 20. Jahrhunderts [Text + Kritik]. München 1999, S. 63–106;
hier insbes. S. 80.
45 Kutschera (Anm. 20), S. 395. Oder Hans H. Hiebel, der von Benns Kleine Aster
meint: »Das Entscheidende des Textes scheint [. . .] im verhaltenen Leid, im stummen
Protest, in jener versteckten Verbitterung zu liegen, die im scheinbar Inhuman-Brutalen
Humanität aufleuchten lassen«; Hiebel (Anm. 41), S. 406.
46 Gemeint ist nicht die triviale Lesart der These, dass in jedem Gedicht eine neue
Ausdrucksqualität in dem Sinne zum Ausdruck kommt, dass die Ausdrucksqualität an
das Gedicht gebunden und ihre Spezifik folglich vor dem Gedicht noch nicht vorhanden
war. Wir meinen vielmehr: Wenn die Moderne mit neuen generischen Erfahrungstypen
oder Erlebnisweisen aufwartet, dann kommen diese auch in moderner Lyrik (erstmals)
zum Ausdruck. Oder mit den Worten Peter von Matts (am Beispiel von Heine): Die Ge-
dichte dienen »zur Objektivierung einer zentralen Erfahrung«; Peter von Matt, Die In-
terferenz der Wünsche im literarischen Text. In: Brigitte Boothe (Hg.), Über das Wün-
schen. Ein seelisches und poetisches Phänomen wird erkundet. Göttingen 1998,
S. 170–183; hier S. 182 f.
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audience, and that is what he is doing to himself«.47 Das mag, wohlgemerkt,


sowohl für Leser des Gedichts als auch für dessen Verfasser gelten.48
In dieser kognitiven (auf das Verständnis von etwas bezogenen) Funktion
von Ausdrucksqualitäten dürfte ein wichtiges Element der Darstellungsstra-
tegie auch moderner Gedichte liegen. Zymners These, moderne Lyrik sei
nicht Ausdruck von Empfindungen oder Subjektivität, ist folglich auch unter
der nunmehr in Rede stehenden Lesart von ›Ausdruck‹ – der zufolge Autoren
Ausdrucksqualitäten ins Werk setzen, um ein Gefühl, eine Stimmung oder
Befindlichkeit zu artikulieren, zu klären und zu kommunizieren – zumindest
prima facie kaum einleuchtend. Natürlich können in der Moderne Gedichte
in der besagten Absicht geschrieben werden.
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Wir kommen damit zu einer weiteren These zum Zusammenhang von mo-
derner Lyrik und Ausdrucksqualitäten. Ein wichtiger Zug von vielen Beispie-
len moderner Lyrik – ein Zug, in dem oft etwas für moderne Lyrik Wesentli-
ches gesehen wurde – wird bereits von Hugo Friedrich so bestimmt: Die mo-
derne Lyrik »spricht in Rätseln und Dunkelheiten«. Ferner: »Überall
beobachten wir ihre Neigung, sich so weit wie möglich von der Vermittlung
eindeutiger Gehalte fernzuhalten«.49 Unsere These zu dieser Lyrik ist: Je
dunkler das Gedicht (d. h. je weniger klar Diegese und Thematik), desto wich-
tiger werden Ausdrucksqualitäten.
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47 R. G. Collingwood, The Principles of Art [1938]. London u. a. 1958, S. 110 f. Vgl.


auch Colin Lyas, Aesthetics. London, New York 1997, S. 109 f.; Walton (Anm. 11).
48 Vgl. Stecker (Anm. 8), S. 412 f.; Robinson (Anm. 36), insbes. Kap. 9; Walton
(Anm. 11); Sabine A. Döring, Kunst als kognitive Expression. In: Christoph Demmer-
ling/Ingrid Vendrell Ferran (Hg.), Wahrheit, Wissen und Erkenntnis in der Literatur. Phi-
losophische Beiträge. Berlin 2014, S. 263–283; Lamarque (Anm. 16), S. 186. Eine bloß
empfundene Melancholie ist in diesem Sinne etwas anderes als eine Melancholie, deren
Gefühlsqualität man mit den Ausdrucksqualitäten von Sarah Kirschs Schwarze Bohnen
zu identifizieren gelernt hat (für die das Gedicht also gewissermaßen der Hintergrund
oder die Partitur ist). In diesem Sinne hat das Gedicht dann übrigens nicht unser vorhe-
riges Erleben geklärt oder verständlich gemacht, sondern uns vielmehr zu einem neuen
Erleben verholfen und damit unsere Erlebnisspielräume erweitert. Charles Taylor spricht
in einem ähnlichen Sinne von »self-shaping recognitions«, also von der Artikulation einer
Befindlichkeit, die diese selbst verändert; Charles Taylor, Human Agency and Language.
Philosophical Papers 1. Cambridge 1985, S. 70. Die Grenze zwischen dem Artikulieren
einer vorhandenen, aber ›unverstandenen‹ Gefühlslage und der Erfahrung eines ›neuen‹
Gefühls oder einer ›neuen‹ Befindlichkeit dürfte allgemein schwer zu ziehen sein. Es
scheint im Übrigen aber möglich zu sein, dass sich die Qualität neuer Erfahrungen zu-
mindest in Teilen dem verdanken kann, was wir an einem Gedicht erlebt haben – dass
wir ein Erlebnis also gleichsam im Lichte dessen sehen, was ein Gedicht zum Ausdruck
bringt. Vgl. etwa: »Deshalb lese ich selbst ja auch Poesie: weil sie mir etwas über mein
konkretes Leben sagt, über Erfahrungen, die ich machen kann [. . .]«; Gespräch mit Ul-
rike Draesner. In: Deutsche Bücher 35 (2005) 4, S. 269–287; hier S. 284.
49 Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik. Von Baudelaire bis zur Gegen-
wart. Hamburg 1956, S. 10.
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 201

Wir unterstellen auch bei Lyrik, dass sie einen ›Witz‹ oder ›Zweck‹ hat –
und wenn ihr diegetischer oder thematischer Gehalt, mit Friedrich gespro-
chen, ›rätselhaft‹ oder ›dunkel‹ ist, dann tut man gut daran zu prüfen, ob es
nicht vielleicht auf einen expressiven Gehalt ankommt, das Gedicht also (im
hier einschlägigen Sinne) etwas ausdrückt.50 Hierfür ist Kirschs Schwarze
Bohnen ein Beispiel. Es dürfte schwer fallen, dem Gedicht einen von Aus-
drucksqualitäten unabhängigen kommunikativen Zweck zuzuordnen. Auch
wenn dem Gedicht beispielsweise eine politische Botschaft zugesprochen
wird, bleiben Ausdrucksqualitäten ein wichtiger Bestandteil derselben.
In der Lyrik der Moderne sind nun aber nicht nur neue Inhalte zur Sprache
gekommen, sondern es wurden auch neue Formen entwickelt. Ausdrucks-
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qualitäten sind keineswegs nur ein Merkmal jener Lyrik, in der ein (mehr oder
minder klar identifizierbares) Sprechersubjekt aus der Perspektive der ersten
Person spricht. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass ein Gedicht noch
nicht einmal über Figuren (bzw. fiktive Personen oder ein fiktives Sprecher-
subjekt) verfügen muss, um Ausdrucksqualitäten zu haben. Besonders radi-
kale – moderne – Neuerungen bietet die visuelle (oder auch: konkrete) Poesie,
die nicht zuletzt Begriffsdefinitionen des Lyrischen in Frage stellt, die sich auf
das Kriterium der Sprachlichkeit berufen. Unsere These dazu lautet: Mit dem
neuen lyrischen Formeninventar der Moderne sind auch neue Möglichkeiten
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der Realisierung von Ausdrucksqualitäten entstanden.


Zur Illustration dieser These möchten wir auf das folgende titellose Werk
Eugen Gomringers verweisen:
schweigen schweigen schweigen
schweigen schweigen schweigen
schweigen schweigen schweigen
schweigen schweigen schweigen
schweigen schweigen schweigen51

Das Druckbild mutet massiv oder solide an, es erinnert an eine Mauer aus
gleichförmigen Ziegelsteinen, von denen keiner uns etwas sagt (oder jeder
dasselbe). Das Gedicht drückt so etwas von dem Unbehagen und Irritieren-
den aus, das wir empfinden können, wenn wir uns ›einer Mauer aus Schwei-
gen‹ gegenübersehen.
Um die Ausdrucksqualitäten dieses Gedichts erleben zu können, müssen
wir das Gedicht nicht so sehr mit Verständnis lesen, sondern es vielmehr
mit Fantasie und Verständnis betrachten. Eine Erklärung der Ausdrucks-
qualitäten muss sich hier also an jenen von Gemälden orientieren. Wir
müssen erstens bereit sein, im Druckbild eine Mauer zu sehen, und zwei-
tens diese imaginativ angereicherte Wahrnehmung in Beziehung setzen zur

50 Vgl. auch Kutschera (Anm. 20), S. 395, passim.


51 Eugen Gomringer, konkrete poesie. deutschsprachige autoren. anthologie von eu-
gen gomringer. Stuttgart 2001, S. 58.
202 Tobias Klauk / Tilmann Köppe

Bedeutung des Lexems ›schweigen‹ und zur metaphorischen Redeweise der


›Mauer aus Schweigen‹.52
Zusammenfassen lassen sich unsere Überlegungen zum Zusammenhang
von Ausdrucksqualitäten und moderner Lyrik wie folgt: Erstens gibt es Aus-
drucksqualitäten in modernen Gedichten mehrerer Subgenres moderner Ly-
rik. Zweitens lässt sich plausibel machen, dass die Instanziierung der Aus-
drucksqualitäten Teil der Darstellungsstrategie dieser Werke ist. Drittens soll-
te (gerade) eine an der Modernität eines in Rede stehenden lyrischen Textes
interessierte Interpretation danach fragen, welche Ausdrucksqualitäten mit
dem als ›modern‹ apostrophierten ›Bruch auf der Ebene des sprachlichen Ge-
halts‹ oder dem ›Bruch auf der Ebene der sprachlichen Gestaltung‹ (Lam-
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ping) verbunden sind.

III. Zum kulturellen Kontext und zur kulturwissenschaftlichen


Bedeutsamkeit von Ausdrucksqualitäten

Ausdrucksqualitäten, so haben wir verschiedentlich hervorgehoben, sind ein


für Lyrik bedeutsames Phänomen: Das gilt für das Verständnis und die ästhe-
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tische Wertschätzung einzelner Gedichte, für das Funktionsspektrum der


Gattung und auch für die von der Literaturwissenschaft vorgenommene ly-
rikgeschichtliche Epochencharakteristik. In allen diesen Bereichen steht die
Forschung zum Teil noch am Anfang bzw. bedarf eines neuen Anstoßes. In
diesem Abschnitt möchten wir das Phänomen lyrischer Ausdrucksqualitäten
noch einmal in einen größeren Kontext einordnen und damit insbesondere
auch die kulturwissenschaftliche Bedeutsamkeit des Phänomens hervorhe-
ben. Zwei Punkte sind hier besonders wichtig:
Erstens sind Ausdrucksqualitäten kein für Lyrik spezifisches Phänomen.
Der einschlägige Ausdrucksbegriff dürfte primär auf Personen, und hier ins-
besondere ihre Gestik und Mimik, zutreffen: Eine Person macht ihren inneren

52 Anja Schonlau hat uns auf einen interessanten Sachverhalt aufmerksam gemacht,
der die Anmutung des Druckbildes betrifft: Wenn man im Druckbild eine Mauer sieht,
so dürfe diese Mauer dem Kundigen keineswegs als solide oder massiv anmuten – da die
Ziegel nicht ›versetzt‹ (im ›Läuferverband‹) gemauert sind, ohne ›versetzte Stoßfugen‹
aber eine eher wackelige Mauer entstehe. Offenbar haben wir es hier mit einem konkre-
ten Fall dessen zu tun, was wir oben (Abschnitt I.3) als dispositionelle Voraussetzungen
von Lesern bezeichnet haben. Die (schwierige) Frage, was genau daraus für die Interpre-
tation des vorliegenden Gedichts folgt, lassen wir hier auf sich beruhen. Handelt es sich
hier vielleicht um einen Fehler Gomringers? Ähnliche ›Fehler‹, wenn es sich denn tat-
sächlich um solche handelt, sind verbreitet. Man vergleiche Schillers Lied von der Glocke
[1799], in welchem ausgerechnet das zum Heizen ungeeignete Fichtenholz benutzt wer-
den solle, was Schillers ältester Sohn, ein Förster, auch gleich bemängelt habe. Über die
Anekdote berichtet Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Lied_von_der_Glocke
(abgerufen am 23.06.2017).
Ausdrucksqualitäten moderner Lyrik 203

Zustand äußerlich sichtbar. Aber ein wahrnehmbares expressives Profil kön-


nen eben nicht nur Personen haben, sondern auch kulturelle Artefakte unter-
schiedlichster Art – sowie übrigens auch Naturgegenstände: Ein Bonsaibäum-
chen kann nachdenklich anmuten, der See bei Windstille friedfertig, oder ein
Welpe verspielt.53 In allen diesen Fällen wirkt etwas auf uns so, als manifes-
tiere sich ein innerer Zustand auf wahrnehmbare Weise in (oder an) einem
Gestand. Die Expressivität von Lyrik steht also als ein Fall in einem weiten
Spektrum von Ausdrucksphänomenen, und das verlangt geradezu nach ver-
gleichenden – oder kontrastierenden – Untersuchungen. Vor diesem Hinter-
grund könnten etwa auch in unterschiedlichen Künsten manifeste Stilphäno-
mene hinsichtlich ihrer Ausdrucksqualitäten verglichen werden: Ist es etwa
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dieselbe Verspieltheit, die in der Architektur, der Ornamentik, der Malerei


und der Dichtung des Jugendstil zum Ausdruck kommt?
Zweitens haben Ausdrucksqualitäten auch eine kulturgeschichtliche Kom-
ponente. Wir haben (in Abschnitt I.3) bereits auf leserseitige Voraussetzungen
der Wahrnehmung von Ausdrucksqualitäten hingewiesen: Man muss be-
stimmte Dinge können und wissen, um das expressive Profil eines Gedichts
wahrnehmen zu können. Solche Voraussetzungen mögen nun ihrerseits eine
gewisse kulturgeschichtliche Prägung und Variabilität besitzen. In diesem Sin-
ne ist etwa darauf hingewiesen worden, dass die ästhetische Naturwahrneh-
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mung ein kulturhistorisch bedingtes Phänomen ist – etwa derart, dass eine
Landschaft nur dann als erhaben anmutet, wenn sie im Lichte bestimmter
Überzeugungen betrachtet wird.54 Wie universal sind also expressive Quali-
täten – und wo und wie sind sie kulturell bedingt? Auch hier gilt: Es gibt viel
zu tun.55

Dr. Tobias Klauk und Prof. Dr. Tilmann Köppe, Georg-August-Universität Göttin-
gen, Seminar für Deutsche Philologie, Käte-Hamburger-Weg 3, D-37073 Göttin-
gen; E-Mail: tilmann.koeppe@phil.uni-goettingen.de

53 Vgl. die Beispielliste zum Beginn dieses Beitrags sowie auch Green (Anm. 1), S. 192
u. ö.
54 Vgl. Joachim Grage, Chaotischer Abgrund und erhabene Weite. Das Meer in der
skandinavischen Dichtung des 17. und 18. Jahrhunderts. Göttingen 2000.
55 Wir danken Merten Kröncke und Fabian Finkendey für Hinweise zu einer früheren
Fassung des Textes. Die Arbeit an diesem Beitrag wurde gefördert durch die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (DFG) – 313805504.

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