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■ OBERFLÄCHENTECHNIK

Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern

Düsenwerkzeug
zur Aktivierung
von Folien

Plasmaprozesse In-Line
Oberflächentechnik. Das Openair-Plasma-Verfahren bietet seit einigen Jahren
eine Vielzahl neuer Anwendungen, insbesondere bei der Reinigung, Aktivierung
und Beschichtung von Formteilen und Folien. Nun wurde ein modulares System für
die In-Line-Vorbehandlung von PP-Folien entwickelt, das bei flexiblen Breiten
arbeitet und eine hohe Aktivierung ermöglicht.
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CHRISTIAN BUSKE Plasmatechnik hört beim gasförmigen aufgrund seiner Instabilität kaum zu ver-
ALEXANDER KNOSPE Zustand der Materie nicht auf: Wird mit- wenden. Erst das von dem Anlagenent-
tels elektrischer Entladung zusätzlich En- wickler Plasmatreat, Steinhagen, konzi-
lasma, der „vierte Aggregatzu- ergie in die Materie eingekoppelt, so er- pierte und patentierte Atmosphären-

P stand”, kennzeichnet eine Materie


auf hohem instabilen Energieni-
veau. Die Energie wird über die Aggre-
halten die Elektronen eine höhere kineti-
sche Energie und verlassen die Elektro-
nenschale. Es entstehen freie Elektronen,
druck-Plasma-Verfahren Openair schuf
neue Möglichkeiten. Durch die Entwick-
lung und den Einsatz von Plasmadüsen
gatzustände fest, flüssig und gasförmig Ionen und Molekülfragmente. Dieser gelang es, den bis dahin industriell kaum
stets als Wärme eingetragen (Bild 1). Die Zustand ist jedoch unter Normaldruck genutzten Aggregatzustand erstmals in

Grundlagen Plasmaprozess
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Bild 1. Plasma als vierter Aggregatzustand

82 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 11/2005


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Produktionsprozessen auch in-line ein- tisch nicht zu verkleben. Nach einer Ak-
zusetzen. tivierung mit Openair-Plasma steigt die
Zugscherkraft um etwa das 50fache
Elektrisch neutraler (Bild 3). Selbst nach achtwöchiger Lage-
Plasmastrahl rung vor der Verklebung sind diese Er-
gebnisse noch nachweisbar, die Behand-
Die Düsen werden mit Luft oder auch mit lung ist somit langzeitstabil.
einem anderen gewünschten Prozessgas
sowie mit Hochspannung betrieben Zahlreiche
(Bild 2). Das austretende Plasma steht je Anwendungsmöglichkeiten
nach Düsengeometrie in einem Arbeits-
bereich bis 25 mm Wirkbreite oder Der Anwendung dieser effizienten Plas-
40 mm Behandlungsabstand zur Verfü- ma-Technik sind keine Grenzen gesetzt.
gung. Sie wird zum Reinigen und Entschichten,
Der austretende Plasmastrahl ist elek- zur Erreichung von Haftungsverbesse-
trisch neutral, wodurch sich die An- rungen und in der Beschichtung einge-
wendbarkeit stark erweitert und verein- setzt.
facht. Die Temperatur des austretenden Durch den Einsatz von Openair-Plas-
Plasmas beträgt, abhängig von der einge- ma wurden Prozesse wie das Entfernen
koppelten Leistung und der Bauform der von Formtrennmitteln auf Formkörpern
Plasmaquelle, zwischen 300 und 1500°C. aus Polyurethan (PUR), wie z. B. bei Mö-
Dies ermöglicht sehr hohe Bearbeitungs- belprofilen,Airbag-Abdeckungen (Bild 4)
oder Fahrradsätteln, gegenüber her-
kömmlichen Verfahren entscheidend ra-
tionalisiert. Das schichtweise Entfernen
organischer Layer, das Entlacken oder
partielle Entfernen von Metallisierungen
vor der Verklebung, die Herstellung von
Autoscheinwerfern wie auch die Behand-
lung von Reflektoren sind nur einige Bei-
spiele für den erfolgreichen In-Line-Ein-
satz von Openair-Plasma bei Reinigungs-
und Beschichtungsprozessen.
Ob bei der High-Tech-Klebverbin-
dung, bei der einfachen Nassetikettierung
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oder beim Verkleben von Faltschachteln –


die präzise Vorbehandlung der Klebe-
fläche durch die hoch entwickelten Plas-
madüsen ermöglicht gleichermaßen den
Einsatz moderner lösungsmittelfreier UV-
Klebstoffe wie auch den von natürlichen,
Bild 2. Das austretende Plasma steht je nach wasserbasierenden Systemen. Es können
Düsengeometrie in einem Arbeitsbereich bis beispielsweise nach einer Vorbehandlung
25 mm Wirkbreite oder 40 mm Behandlungsab- mit Openair-Plasma Sichtfenster aus Po-
stand zur Verfügung lycarbonat in die Gehäusehalbschalen von
Mobiltelefonen mit lösungsmittelfreien
geschwindigkeiten mit optimalen Effek- UV-Klebstoffen eingeklebt werden (Bild
ten. Die typischen Erwärmungen der 5). Ebenso gut können aber auch Casein-
Kunststoffoberflächen während der Be- Klebstoffe zur Etikettierung von Kunst-
handlung betragen hier ∆T<20°C. stoffgebinden verwendet werden.
Plasma verändert die Oberflächen von Bei der Plasma-Beschichtung handelt
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Kunststoffen. Es wird daher eingesetzt zur es sich um einen Prozess, der bislang nur
■ Reinigung von Oberflächen, wie z. B. im Vakuum realisiert werden konnte.
zum Entfernen von Trennmitteln und Wird die Openair-Technik mit einer neu
Additiven entwickelten Einspeisung von Precursor-
■ Aktivierung, d. h. zur Erzeugung funk- Material kombiniert, ist auch eine Be-
tioneller Gruppen, was die Haftung von schichtung unter Atmosphärendruck
Klebstoffen und Coatings ermöglicht möglich. Bei dem Precursor handelt es
■ Verbesserung der Eigenschaften des sich um ein verdampfendes Reaktions-
Verbunds durch eine plasmapolymere material, das nach der Behandlung als
Beschichtung. Schicht auf dem Kunststoff verbleibt. Die
Unpolare Materialien wie z. B. KS-Ver- Vorteile dieser Technik können nun auch
klebungen sind ohne Vorbehandlung fak- zur Beschichtung von Kunststoffen V

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schaftlichen Grundlagen als Basis aller


Vergleich von Klebeverbindungen hier relevanten prozesstechnischen Ent-
wicklungen.
Polypropylenfolien (PP) finden in den
unterschiedlichsten Bereichen von Indus-
trie und Haushalt Verwendung, wie zur
Verpackung von Lebensmitteln und Zi-
garetten, als Etiketten oder als technische
Folien in der Elektroindustrie. Um ein
gutes Bedrucken und Verkleben solcher
Folien zu gewährleisten, muss die Ober-
flächenenergie und damit der Anteil po-
larer Gruppen an der Folienoberfläche
erhöht werden.
Zu diesem Zweck wird seit Jahren ne-
ben der Beflammung die Koronatechnik
eingesetzt. Damit können große Folien-
breiten mit mittleren bis hohen Ge-
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schwindigkeiten vorbehandelt werden. Es
besteht jedoch gerade bei Einsatz der
Bild 3. Zug-Scher-Kräfte von Kunststoffverklebungen mit und ohne Vorbehandlung Korona die Gefahr der doppelseitigen

genutzt werden. So werden u. a. bereits


gezielt Wasserdampfbarrieren auf CD-
Rohlinge aufgebracht. Dies ist ein von
Plasmatreat neu entwickeltes Verfahren,
das weltweit zur Beschichtung großtech-
nisch genutzt wird.
Neben den technischen Vorteilen er-
möglicht das Verfahren erhebliche Ein-
sparungen an Materialkosten, weil z. B.
statt teurer Cycloolefine Polycarbonate
eingesetzt werden können.

Forschungsprojekt Kufoplas
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Durch gezielte Entwicklungen der letzten


drei Jahre innerhalb des vom BMBF ge-
förderten Forschungsprojekts Kufoplas,
steht Openair-Plasma nun auch für An-
wendungen mit großen Arbeitsbreiten
zur Verfügung. Erstmals sind die ge-
nannten Prozesse auf die Behandlung von Bild 4. Durch den Einsatz von Openair-Plasma wurden Prozesse wie das Entfernen von Formtrenn-
Folien übertragbar. mitteln auf Formteilen aus Polyurethan, wie z. B. Airbag-Abdeckungen, entscheidend rationalisiert

Kufoplas, die Kurzform für Kunst- Vorbehandlung, wodurch es zur Ver-


stofffolien-Plasmabehandlung, bezeich- blockung der Folie auf der Rolle kommen
net ein Forschungs- und Entwicklungs- kann. Weiterhin bietet diese Methode der
projekt innerhalb des BMBF-Rahmen- Vorbehandlung nur eine mäßige bis
konzepts „Forschung für die Produktion schlechte Aktivierung. Die erzielten Ef-
von morgen”. Das Projekt steht für den fekte sind wenig stabil und nehmen bei
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Verbund dreier Partner: die Plasmatreat Lagerung schnell ab.


GmbH in Steinhagen für die Entwick- Openair-Plasma findet seit Jahren An-
lung der Anlagentechnik, die Treofan wendung in der Aktivierung der unter-
Germany GmbH & Co. KG in Neun- schiedlichsten Kunststoffe und zeichnet
kirchen für die Auswahl verschiedener sich durch langzeitbeständige Ober-
Foliensubstrate und die Integration flächeneffekte aus. Als potenzialfreies At-
des Vorbehandlungsprozesses in das Ver- mosphärendruck-Plasma garantiert es
Bild 5. Nach einer Vorbehandlung mit Openair- fahren zur Herstellung der Folie. Als drit- die einseitige Vorbehandlung bei gleich
Plasma lassen sich Sichtfenster aus Polycarbo- ter Partner arbeitet das Fraunhofer-In- bleibend hohen Oberflächeneffekten. Es
nat in die Gehäusehalbschalen von Mobiltele- stitut für Fertigungstechnik und Ange- werden Oberflächenenergien erzielt, die
fonen mit lösungsmittelfreien UV-Klebstoffen wandte Materialforschung (IFAM) in im Gegensatz zu mit Korona behandelten
einkleben Bremen an der Erforschung der wissen- Oberflächen sogar ein Bedrucken von

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Aktivierung des Atmosphären-Druck Plasma Prozesses

Bild 6. Nachweis mit-


tels XPS-Analyse,
dass die Vorbehand-
lung mit Openair-
Plasma den Einbau
von Carbonyl-, Car-
boxyl-, Ether- und
Hydroxyfunktionen
sowie Stickstoff-Sau-
erstoffverbindungen
in die Oberfläche be-
wirkt (Quelle: Fraunhofer
Institut für Fertigungstechnik
und Materialforschung)

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Kunststoffen mit wasserbasierten Lack- ■ Erhalt der Siegelfähigkeit mische Belastung durch die geringe Vor-
systemen ermöglichen. ■ Geschwindigkeiten über 200 m/min behandlungsgeschwindigkeit. Zudem fol-
■ Folienbreiten bis 10 m gen noch zwei Folienverstreckungen.
Projektziele ■ einseitige Vorbehandlung (bereits Auch bei einem Einbau nach der Längs-
durch das Plasma garantiert) verstreckung ist die Folienbreite noch ge-
Ziel des in diesem Jahr zum Abschluss ge- ■ Oberflächenspannung nach Vorbe- ring, und es folgt eine weitere Folienver-
kommenen Projekts war die Implemen- handlung über 50 mN/m streckung. Außerdem ist eine hohe Vor-
tierung eines Atmosphärendruck-Plas- ■ lange Lagerfähigkeit der Folie (nach 6 behandlungsgeschwindigkeit nötig.Wird
ma-Systems zur Aktivierung von PP-BO- Monaten mindestens 36 mN/m) das Plasmasystem erst nach der Längs-
Folien (auch BOPP genannt) in eine in- Für die Integration in die Extrusions- und und Querverstreckung eingebaut, erfolgt
dustrielle Fertigungsanlage für Verstreckanlage kamen drei Einbauorte keine weitere Verstreckung und die Vor-
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Polypropylenfolien als In-line-Prozess in Frage. Bei einem Einbau direkt nach behandlungsgeschwindigkeit ist hoch.
ausgehend von Labor- und Technikums- der Extrusion ist die Folienbreite gering Der erzielte Effekt wird keiner weiteren
versuchen. Die Zielsetzungen waren: und das Substrat erfährt eine hohe ther- Belastung ausgesetzt.

Ergebnisse

Der Einbau direkt nach der Extrusion ist


nach bisherigen Erkenntnissen nicht mög-
lich, da der Aktivierungseffekt zwei weite-
ren Verstreckungen nicht standhält. Auch
bei Einbau nach der Längsverstreckung
lässt der Effekt nach, da eine weitere Ver-
streckung folgt. Im Rahmen des Projekts
wurde versucht,dieses Problem durch Auf-
bringen einer geeigneten Haftvermittler-
schicht zu lösen.Wird das System nach der
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Längs-und Querverstreckung eingebaut,


sind große Arbeitsbreiten erforderlich.
Deshalb ist ein modularer und flexibler
Systemaufbau notwendig.
Eine XPS-Analyse macht deutlich, dass
die Vorbehandlung mit Openair-Plasma
zum Einbau von Carbonyl-, Carboxyl-,
Ether- und Hydroxyfunktionen sowie
Stickstoff-Sauerstoffverbindungen in die
Oberfläche führt (Bild 6).
Bild 7. Flexibles Düsensystem mit speziell entwickelter Verdampfung, bei dem Aufgrund der erforderlichen großen
sich der Abstand zwischen den Düsen beliebig einstellen lässt Vorbehandlungsbreiten beim Einbau V

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nach der Längs-und Querverstreckung zessgeschwindigkeiten von 250 m/min und internationale Expansion der Openair-Plasma-
wurde auch der Einbau nach der Längs- wird die Siegelfähigkeit der Folie nicht technik verantwortlich;
verstreckung durchgeführt. beeinflusst. Daneben konnten weitere christian.buske@plasmatreat.de
Ziel war es, die Oberflächenspannung Experimente an einer Technikumsanla- DR. ALEXANDER KNOSPE, geb. 1969, ist bei Plas-
mit Hilfe einer gezielten Beschichtung ge die Integrationsfähigkeit des Be- matreat in leitender Position zuständig für die Berei-
zu erzeugen und diese auch während des schichtungsprozesses in die Fertigung che Anwendungstechnik, Schichtentwicklung sowie
letzten Verstreckungsprozesses weitge- aufzeigen. für die Weiterentwicklung von Beschichtungstechno-
hend zu erhalten. Dazu wurde dem Plas- Die Kooperation der Projektpartner logie; alexander.knospe@plasmatreat.de
ma über einen modifizierten Düsenkopf geht über das abgeschlossene For-
ein polymerisierbares Precursor-Gas zu- schungsprojekt hinaus mit dem Ziel der SUMMARY PLAST EUROPE
geführt, das dann unter dem Einfluss der industriellen Umsetzung der Ergebnisse
Plasmaenergie eine gering vernetzte in bestehende Reckanlagen. ■ In-line Plasma
Schicht auf der Oberfläche bildete. Ba- Process
sierend auf den ersten erfolgreichen Ar- DANK
beiten wurde ein Werkzeug entwickelt, Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit SURFACE TECHNOLOGY. The Openair plasma pro-
das die Übertragung der Ergebnisse in Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und For- cess has, for some years now, been creating a
den Technikumsmaßstab ermöglicht schung (BMBF) innerhalb des Rahmenkonzeptes „For- variety of new applications, especially for the
(Bild 7). schung für die Produktion von morgen” gefördert und cleaning, activation and coating of moulded parts
vom Projektträger des BMBF für Produktion und Ferti- and film. Now, a modular system has been devel-
Fazit gungstechnologien, Forschungszentrum Karlsruhe, be- oped for the in-line pretreatment of PP film that
treut. works with flexible widths and allows a high
Es konnte ein modulares System zur In- level of activation.
line-Vorbehandlung von PP-Folien ent- DIE AUTOREN
wickelt werden, das eine hohe Aktivie- DIPL.-ING. CHRISTIAN BUSKE, geb. 1963, ist als NOTE: You can read the complete article
rung der Folien erlaubt und in flexiblen Geschäftsführender Gesellschafter der Plasmatreat by entering the document number PE103416
Breiten aufgebaut werden kann. Bei Pro- GmbH, Steinhagen, für die Entwicklung, Patentierung on our website at www.kunststoffe.de/pe
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