Sie sind auf Seite 1von 13

Master-Studiengang Bildnerisches Gestalten und Therapie

Prof. Senta Connert


Akademie der Bildenden Künste München
Akademiestraße 2 – 4
80799 München

Drei Kanäle des Zuhörens  

Modul B.3, Kommunikation, Selbstfürsorge und berufliche Identität

Prüfungsbetreuerin: Ruth Effers

03.03.2022

Biniam Graffé
Gruppe 32
1. Semester
Heiglhofstr.66, 81377, München
015787868285
biniam.graffe@web.de
Im folgenden Text beschreibe ich die Methode des 3-Kanal-Zuhörens,
welche Katja Bonnländer erarbeitete. Der Text beschreibt die Funktionen
der drei Kanäle (Zuhören, Fühlen, Schaffen), persönliche Empfindungen
während der Übung und verknüpft die Methode mit Carl Rogers
Konzepten der Kongruenz, Empathie und Wertschätzung.
Inhalt

1. Einleitung ………………… S.3-4

2. Ablauf …………………… S 5-9

3. Fazit …………………… S.10-11


Einleitung

Für die Übung bat uns Katja einen Gegenstand, ein Foto oder auch einen
Text, mit dem wir eine emotionale Beziehung haben oder Erinnerungen
verbinden, in das Seminar mitzubringen. Als ich am Morgen aufstehe,
habe ich mich noch nicht entschieden, welchen Gegenstand ich
mitnehmen möchte. Da ich erst vor einem Monat herzog, nur das nötigste
mitnahm, und generell Erinnerungsstücke oder Gegenstände die keinen
praktischen Nutzen haben, nur sehr spärlich besitze, regelmäßig meine
Habseligkeiten ausmiste, steht nicht viel zur Auswahl, was ich ins
Seminar mitnehmen könnte. Schließlich entscheide ich mich für ein altes
Schwarz-Weiß Passfoto, welches den Großvater einer engen Freundin im
Jugendalter zeigt. Mit dem Bild verbinde ich verschiedene Emotionen
und Erinnerungen, da sich darin einerseits die Beziehung zu mir und der
Freundin widerspiegelt, die durch einige Höhen und Tiefen ging. Wir
hatten eine Band zusammen, teilten uns unsere Probleme der Gegenwahrt
und Vergangenheit mit, sprachen oft über unsere Emotionen. Ich
vermisse sie hier in München, da sie wie ein Familienmitglied für mich
war und wir aktuell nur sehr lose Kontakt haben. Sie ist ein
wechselhafter, sprunghafter Mensch und in unseren Streitigkeiten ging es
oft darum, dass ich das Gefühl hatte, mich nicht wirklich auf sie
verlassen zu können. Andererseits ist das Passbild für mich interessant,
da die Fotografie an sich eine eigentümliche Atmosphäre besitzt. Der
Blick des Jungen ist durchdringend und einnehmend. Seine Gesichtszüge
ähneln den meinen stark, er könnte mein Großvater oder Bruder sein,
würde er in dieser Zeit leben. Dieser Aspekt ist ebenfalls interessant, da
ich bei dem ersten Kontakt mit der Freundin auch das Gefühl hatte, sie
schon kennen zu können, sie erinnerte mich stark an meine Tante,
generell vermittelte sich bei mir ein familiäres Gefühl, welches ich
schwer einordnen konnte. Doch auch eine gewisse Vorsicht, eine
Ahnung, dass eine zu enge Bindung mit ihr auch schmerzhaft sein
könnte, mischte sich in diese erste Begegnung mit ein. Mit diesem Foto
hatte ich also genügend emotionalen Stoff im Gepäck.

1
Ablauf

Für die Übung findet sich unsere Seminargruppe in drei Vierergruppen


zusammen, innerhalb derer jede Person eine Rolle einnimmt. Die erste
Person, hier ErzählerIn genannt, stellt ihren Gegenstand vor und erzählt,
was ihr dazu in den Sinn kommt, wobei sie sich folgende Fragen stellen
kann: ' Welche Erinnerungen verbinde ich damit, welche Emotionen?
Weshalb habe ich mich entschieden diesen Gegenstand mitzubringen? ‘

Eine wichtige Anmerkung von Katjas Seite ist hier, dass man nur das
teilt, was man zu Teilen bereit ist und dass man sich nicht emotional
entblößen muss und darauf achtet, dass man sich wohl fühlt. Da wir uns
zu dem Zeitpunkt der Übung erst eine Woche kennen, ist das ein
wichtiger Aspekt.

Bei der Erzählung wendet sich die ErzählerIn an die zweite Person, hier
ZuhörerIn genannt. Ihre Aufgabe ist es der ErzählerIn gegenüber
interessiert, offen, aufmerksam und wohlwollend gestimmt zu sein und
dies auch körperlich beispielsweise durch Augenkontakt zu signalisieren.
Um die Rolle der aufmerksamen Zuhörerin besser zu verstehen, gibt uns
Katja in der darauffolgenden Stunde Begriffe des Psychologen und
Psychotherapeuten Carl Rogers an die Hand, der unter anderem die
personenzentrierte Psychotherapie begründete. In Bezug auf die Rolle der
Zuhörerin, ist sein Begriff der Kongruenz hilfreich, den uns Katja wie
folgt erklärt.

Vom lateinischen 'congruens' stammend, was 'übereinstimmend'


bedeutet, meint dieser Begriff im therapeutischen, oder hier zuhörendem
Kontext die authentische Kommunikation (auch nonverbal) des
Therapeuten gegenüber seiner PatientIn, bei der die TherapeutIn in ihrer
Selbstmitteilung echt ist, also mit sich übereinstimmt. Die TherapeutIn ist
sich ihrem eigenen Gefühlszustandes bewusst, akzeptiert diesen und
besitzt die Fähigkeit diesen gegebenenfalls zu äußern. Sie interagiert auf
Augenhöhe, beide Parteien sind gleichberechtigt. Beide bringen sich
aufrichtig und emotional in die Beziehung ein. Die TherapeutIn wertet
nicht. Je mehr sich die TherapeutIn diesem Zustand der Kongruenz
annähert, desto leichter fällt es der PatientIn, sich dieser anzuvertrauen.

Weitere Begriffe Rogers die uns Katja in ihrem Seminar erläutert und die
für die Rolle der zuhörenden Person von Bedeutung sind, sind die der
Empathie und der Wertschätzung.

Eine empathische ZuhörerIn lässt sich auf die Gefühle der PatientIn ein
und versucht diese in derselben Intensität wie ihre eigenen Gefühle zu
spüren. Es geht darum, die Gefühlsäußerungen weder zu interpretieren
oder zu bewerten, noch darin zielführend nach Erkenntnissen zu suchen.
Dieselbe Haltung gilt ebenso für die eigenen Gefühle.

Wertschätzung meint, dass man die andere Person als Ganzes akzeptiert
und sich nicht durch die eigenen Wertvorstellungen berechtigt fühlt, ihr
Ratschläge geben zu müssen.
„Wenn der Therapeut eine positive, akzeptierende Einstellung gegenüber dem erlebt,
was der Klient in diesem Augenblick ist, dann wird es mit größerer
Wahrscheinlichkeit zu therapeutischer Bewegung oder Veränderung kommen. Der
Therapeut ist gewillt, den Patienten sein jeweiliges momentanes Gefühl ausleben zu
lassen - Verwirrung, Groll, Furcht, Zorn, Mut, Liebe und Stolz.“ 1

Für die ZuhörerIn bedeutet das, dass sie wirklich konzentriert den
Schilderungen Aufmerksamkeit schenkt und nicht nur so tut. Ist sie
wirklich aufmerksam und versucht die Emotionen und Zusammenhänge
der ErzählerIn zu verstehen, spürt diese das und es fällt ihr leichter zu
Sprechen.

Ein weiterer Vorschlag Katjas ist es, in der Rolle der ZuhörerIn zu
versuchen, keine Gegenfragen zu stellen, wie man es intuitiv bei einem
normalen Gespräch tun würde, sondern mit einer wertschätzenden
Haltung einfach zuzuhören und der Person durch Blickkontakt und
Körpersprache zu vermitteln, dass es schön ist, dass diese erzählt und
man gerne zuhört. Die Rolle des Zuhörers fällt mir leichter, als die des
Erzählers. Ich versuche meiner Kommilitonin das Gefühl zu geben, dass
all ihre Erinnerungen und Gefühle Platz haben, ohne dass ein Druck
besteht, erzählen zu müssen. Dies nonverbal zu vermitteln ist eine neue
Erfahrung, da ich es gewohnt bin, diese Wertschätzung und Akzeptanz
durch Worte zu zeigen. Die Kommilitonin gibt mir im Anschluss das
Feedback, dass es für sie funktionierte, sie meine Aufmerksamkeit
genoss und meine Wertschätzung und Offenheit spürte. Das ist eine tolle
Erfahrung, weil es zeigt, dass man auch aktiv Zuhören kann, ohne zu

1
Carl Rogers, Der neue Mensch, 2012, S.67
sprechen.

Die dritte Rolle in der Gruppe ist die der Körper-Resonanz. Die Person
mit dieser Rolle konzentriert sich während der Erzählung auf sich selbst
und ihre eigenen Reaktionen, insbesondere der körperlichen. Diese Rolle
ist ähnlich der zuhörenden Person, nur dass hier der Fokus auf der
Empathie und Wertschätzung der eigenen Emotionen liegt, die sich
vielfach körperlich äußern können, beispielsweise durch erhöhten
Herzschlag, Verspannung, Entspannung, Kopfschmerzen und vieles
mehr. Auch hier ist eine wertfreie, nicht verurteilende Einstellung
wichtig, da wir es gewohnt sind, die eigenen Emotionen einzuteilen. Es
ist nicht schlimm abzuschweifen, nervös zu sein oder wütend zu werden.
Wichtig ist, diese Emotionen erst einmal zu spüren und weiter zu
akzeptieren. Existent sind diese sowieso.

Die vierte Person in der Gruppe gestaltet parallel zu der Erzählung etwas.
Dabei ist es der Person überlassen welches Material sie dafür nutzt, ob
sie beispielsweise zeichnet oder plastisch arbeitet. Zu dieser Rolle gibt es
sonst keine weiteren Anweisungen oder Impulse und ich nehme diese
Rolle an diesem Tag auch nicht ein. In einem späteren Seminar bei
Schattmayer-Bolle im begleitenden Malen nehme ich diese Rolle jedoch
ein, als ich der Erzählung einer Kommilitonin zuhöre und währenddessen
eine Zeichnung anfertige. Die Zeichnung wird intuitiv angefertigt und
spiegelt meine eigenen Emotionen und Reaktionen auf das Erzählte
wider und damit auch die Beziehung zwischen mir und der Erzählenden.
Gibt man diese Zeichnung der Person am Ende der Übung, kann es durch
die sichtbaren Reaktionen als Form, Bewegung oder Symbol, der
erzählenden Person eine neue Perspektive auf die Situation geben. Sie
sieht die eigenen Gefühlszustände aus der Sicht einer anderen Person und
fühlt sich gleichsam wahrgenommen und dadurch beschenkt, dass eine
andere Person einem nicht nur reine Aufmerksamkeit, sondern
produktive, schaffende Aufmerksamkeit schenkt, etwas Eigenes aus dem
Erzähltem gewinnen kann. Dieses Endprodukt ist für beide sichtbar und
kann neue Impulse, Ideen und Emotionen schaffen, die durch reines
Erzählen und Zuhören vielleicht nicht entstanden wären.
Fazit

Die drei Kanäle des Zuhörens, die in der Übung von drei Personen
verkörpert werden, sind im Kontakt mit Menschen und im
kunsttherapeutischen Kontakt mit Patienten, immer gleichzeitig in mir
aktiv. Erzählt mir eine Patientin im Praktikum etwas, oder zeigt mir ihr
Bild, bin ich nie nur ganz bei ihr, in ihrer Gefühlswelt, sondern auch in
meinem eigenen Körper und mit meinen Emotionen und Reaktionen
konfrontiert. Dies ist kein Defizit, vielmehr ist es notwendig und
existenziell, diese Emotionen wahrzunehmen und zu akzeptieren und
wenn es im therapeutischen Kontakt angebracht ist, diese zu zeigen oder
zu äußern. Verstecke ich diesen Eigenanteil spürt das die PatientIn und
eine Irritation, eine Inkongruenz entsteht, wenn nicht bewusst, dennoch
fühlbar für die Patientin und für mich. Vertrauen und Kreativität werden
behindert.

Auch das eigene Schaffen, die eigene Kreativität und Produktivität wird
durch zwischenmenschlichen Kontakt modifiziert und beeinflusst. Nicht
nur die Bilder der PatientIn verändern sich, beispielsweise durch
kunsttherapeutische Interventionen, auch meine eigene Ausdrucksform.
Durch das Aufsplitten der drei Kanäle während der Übung, wurde ich
mir derer bewusster und es fällt mir leichter, diese in mir selbst zu
integrieren. Dies ist konkret im Praktikum nützlich, wenn ich merke, dass
mich ein Patientenbild nervös macht, die Erzählung einer Patientin stark
anzieht und fasziniert oder eine einfache Frage Wut in mir auslöst. Oder
wenn ich merke, dass ich eine Technik oder das Symbol einer Patientin
Wochen später in meiner eigenen künstlerischen Arbeit aufgreife. Vor
der Übung passierten diese Dinge genauso wie danach, doch wurde ich
mir dieser Vorgänge durch die Übung bewusster und sie wurden besser
einordbar.

Literaturverzeichnis

Rogers: Der neue Mensch, 2012


Abbildungsverzeichnis

1: Installationsansicht, Detail aus meiner Diplomarbeit (enthält


beschriebenes Passfoto)

Das könnte Ihnen auch gefallen