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genehmigte DISSERTATION
Doktoringenieur
(Dr.-Ing.)
eingereicht am 06.07.2020
verteidigt am 19.02.2021
von
Promotionskommission:
Das Europarecht hat im Jahr 2002 ein einheitliches Zugbeeinflussungssystem für neue
transeuropäische Hochgeschwindigkeitsstrecken vorgeschrieben [1]. Ferner sind Aus-
baustrecken seit dem Jahr 2006 geregelt [2].
Dadurch soll die Interoperabilität der „Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung“
gewährleistet werden. Ein Zug, der über die neuen Transeuropäischen Netze (TEN) ver-
kehrt, soll nur noch durch das neue European Train Control System (ETCS) gesichert
und geführt werden. Die mehr als 20 länderspezifischen Zugbeeinflussungssysteme
gehören somit der Vergangenheit an.
Vorteile sind u. a. die Vereinfachung der Fahrzeugausrüstung, eine kostenoptimierte
Streckenausrüstung (ggf. Reduzierung von Signalen) sowie die Erhöhung der Sicherheit
auf ein gemeinsames europäisches Niveau.
Wie lässt sich das ETCS auch auf Regionalstrecken anwenden und können daraus be-
triebliche und wirtschaftliche Vorteile generiert werden?
Die vorliegende Dissertation soll diese zentrale Frage wissenschaftlich untersuchen
und die Ergebnisse dokumentieren. Es ist von essenzieller Bedeutung, den Schienen-
verkehr auf Regionalstrecken weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können, um sich
gegen die Konkurrenz der Straße zu behaupten. [3]
Dazu gehört auch die Integration von ETCS in die bestehende Infrastruktur. Es soll
möglich sein, die Infrastruktur, wie z. B. Nutzlängen der Gleise und Durchrutschwege,
beizubehalten oder sogar optimieren zu können. Diese Optimierungen sind vor allem
bei eingleisigen Strecken von großer Bedeutung.
In 2002, European law called for a uniform train control system for new trans-European
high-speed lines [1]. Furthermore, upgraded lines have been regulated since 2006 [2].
This legislation is intended to ensure the interoperability of 'control-command and sig-
nalling'. A train running on the new Trans-European Networks (TEN) will be protected
and controlled solely by the new European Train Control System (ETCS). More than 20
train control systems, each specific to a particular country, will thus be banished to the
past.
The benefits include a simplification of vehicle equipment, the cost optimisation of
track equipment (e.g. reduction of signals) and increased safety, raised to a common
European level.
Can ETCS also be applied to regional lines and can operational and economic benefits
be generated from it?
This dissertation aims to investigate the central question expressed above and to do-
cument the results with scientific rigor. The ability to continue to economically provide
rail transport operations on regional lines is essential, in order to withstand the compe-
tition presented by road transport. [3]
This includes the integration of ETCS into the existing infrastructure. It should be possi-
ble to maintain or even optimise infrastructure factors, such as effective track lengths
and slip distances. These optimisations will be particularly important on single track
lines.
1. Eine Integration von ETCS in die vorhandene regionale Infrastruktur ist ohne
Einschränkung möglich.
2. Die Gleisnutzlängen der bestehenden Infrastruktur werden durch den Einsatz
von ETCS L1 FS nicht verkürzt, sondern lassen sich verlängern.
3. Die bestehenden D-Weg-Längen, auch nach alten Regelwerken, können belas-
sen werden.
4. Die Fahrzeit wird durch die Integration von ETCS in die vorhandene Infrastruktur
reduziert.
5. Die aktuelle ETCS-Bremskurvenschar kann reduziert werden.
6. Der Sicherheitsabstand sd an Bahnübergängen kann vereinfacht und reduziert
werden.
7. Die Planung der ETCS-Integration kann durch Planungshilfen erleichtert werden.
8. Durch den Ausbau von ETCS auf Regionalstrecken lässt sich ein grenzübergrei-
fender Verkehr reibungsloser abwickeln (Interoperabilität).
9. Mit dem Einsatz von ETCS lassen sich im Fahrplan Zeitpuffer generieren.
Ganz selten werden Dissertationen im Stillen alleine geschaffen. Ein ständiger Aus-
tausch, Präsentationen sowie Diskussionen sind notwendig wie auch essenziell. Des-
halb ist diese Dissertation auch keine Ausnahme und ist mit großer Hingabe und regem
Austausch erstellt.
An erster Stelle möchte ich meiner Frau danken, die mir in der ganzen Zeit meiner Wei-
terbildungen eine unverzichtbare Stütze war. Meinen beiden Kindern danke ich für die
sehr schönen Stunden der Abwechslung.
Mein großer Dank gilt der Professur für Verkehrssicherungstechnik von Herrn Prof.
Dr.-Ing. Trinckauf, der meine Dissertation von Anfang an begleitete. Den Herren PD
Dr.-Ing. habil. Ulrich Maschek, Dipl.-Ing. Martin Sommer, Dr.-Ing. Michael Kunze, Dipl.-
Ing. Richard Kahl, Dr.-Ing. Jens Buder und Dr.-Ing. Dieter Jaenichen danke ich ebenfalls
für die Ratschläge und den tollen wissenschaftlichen Austausch.
Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jörn Pachl (TU Braunschweig) danke ich für das Interesse an
meinem Thema, die fachlichen Hinweise zur Endredaktion sowie die Begutachtung.
Der Ursprung dieses Themas ist auf der Firma Scheidt & Bachmann aus Mönchenglad-
bach zurückzuführen. Für die Unterstützung bei der Umsetzung danke ich besonders
an dieser Stelle die Herren Dipl.-Ing. Heinz Laumen und Dr.-Ing. Thomas Koch.
Für die Teilnahme an den Workshops und für den fachlichen Austausch danke ich den
Herren der DB, Dipl.-Ing. Olaf Gröpler, Dipl.-Ing. Daniel Trenschel und Peter Reinhart.
Rund um das Thema Fahrzeitberechnung und dem damit verbundenen Austausch
danke ich Herrn Dirk Bräuer vom Institut für Regional- und Fernverkehrsplanung (iRFP).
Für das Korrekturlesen danke ich Frau Anja Lubik und Herrn Dipl.-Verww. (FH) Klaus
Hellendahl sowie Herrn Christoph Nohn.
1.2 Zielstellung
Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist die optimierte Integration von ETCS in die vor-
handene Infrastruktur. Hierbei sind Durchrutschwege und z. B. Bahnübergänge zu be-
trachten. Lässt sich eine Eins-zu-eins-Umsetzung der jetzigen Umgebung realisieren?
Oder müssen Nutzlängen der Gleise reduziert, bzw. D-Wege verlängert werden?
Als Vergleich für die ETCS-Umsetzung dient das jetzige Zugbeeinflussungssystem
PZB 90. Eine Betrachtung der Infrastruktur sowie der Fahrplanberechnungen soll die
notwendige Gegenüberstellung gewährleisten.
1.3 Vorgehensweise
Für den Vergleich zwischen der aktuellen Infrastruktur und der mit ETCS FS ausgerüste-
ten Infrastruktur werden die Fahrzeiten der beiden Zugbeeinflussungssysteme gegen-
übergestellt. Dabei ist nur die Bremsbeschleunigung von Bedeutung. Die Zeiten für die
Beschleunigung sowie die konstanten Geschwindigkeiten sind vom Zugbeeinflussungs-
system unabhängig.
Aus der Analyse und deren Vergleich sind Maßnahmen abzuleiten, die eine optimierte
Integration gewährleisten. Die Untersuchung der ETCS-Bremskurven und deren Be-
rechnungsmodell sind hier essenziell. Eine grundsätzliche Klärung, welche Beeinflus-
sung die Infrastruktur auf die Fahrzeiten der ETCS-geführten Züge hat, wird in dieser
Arbeit erörtert. Dazu zählen u. a. die Korrekturfaktoren im ETCS-System sowie der Auf-
bau der Infrastruktur mit deren Gleislängen und D-Wegen.
Problem
I II
Lösung
Die Probleme bzw. Optimierungen der ETCS-Integration sind durch zwei verschiedene
Ansätze gelöst (vgl. Abbildung 1-1). Mit dem ersten Weg (I) soll die Änderung bzw. An-
passung der European Union Agency for Railways-Spezifikationen (ERA) verhindert
werden, jedoch müssen nationale Werte und Richtlinien (Ril) angepasst werden. Der
zweite Weg (II) bedarf Änderungen der ETCS-Spezifikationen der ERA.
Zur Berechnung sowie Optimierung der ETCS-Bremskurven wird nur das sogenannte
„Lambda-Modell“ verwendet. Für das „Gamma-Modell“ gibt es keine belastbaren Daten.
Zudem ist die Verwendung des Gamma-Modells nur für feste Zugkonfigurationen sinn-
voll. Züge, die häufig individuell zusammengestellt werden, z. B. Güterzüge, können nur
im Lambda-Modell verkehren.
Kleine Optimierungen an den ETCS-Bremskurven werden untersucht und bewertet. Oft
kann die Summe solcher Änderungen einen Beitrag zum optimierten Einsatz erbringen.
Abbildung 2-1: Ausschnitt "THE TEN-T CORE NETWORK AND CORRIDORS" [15]
Dieses Kapitel soll hauptsächlich die rechtlichen Grundlagen um das Thema ETCS be-
leuchten. Erwähnenswert ist die bekannte Pyramide, die in folgender Abbildung 3-1
dargestellt ist.
EU-
Richtlinien
GG
Gesetze, z. B. AEG
Rechtsverordnungen, z. B. EBO
sonstige
Das Grundgesetz trifft die folgende allgemeine Aussage: „Jeder hat das Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit.“ [16, p. Art 2 (2)]
In Bezug auf das Transportmedium Eisenbahn wird es im AEG konkreter: „Eisen-
bahninfrastrukturen und Fahrzeuge müssen den Anforderungen der öffentlichen Si-
cherheit
1. an den Bau zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme und
2. an den Betrieb
genügen.“ [9, p. § 4 (1)]
Weiter heißt es in der Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung (EBO): „Bahnanlagen und
Fahrzeuge müssen so beschaffen sein, daß sie den Anforderungen der Sicherheit und
Ordnung genügen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Bahnanlagen und
Fahrzeuge den Vorschriften dieser Verordnung und, soweit diese keine ausdrücklichen
Vorschriften enthält, anerkannten Regeln der Technik entsprechen.“ [17, p. § 2 (1)].
Von den anerkannten Regeln der Technik darf nur abgewichen werden, wenn ein
Nachweis gleicher Sicherheit erbracht werden kann [17].
Mit Einführung der LZB-Technologie ist es möglich, den Ganzblock in sogenannte Teil-
blöcke zu gliedern (vgl. Abbildung 4-1). Dieser Effekt sorgt für eine Erhöhung der Stre-
ckenkapazität ohne zusätzliche Hauptsignale.
LBK = LZB-Blockkennzeichen
Abkürzungen:
- Emergency Brake Deceleration Curve (EBD)
- Emergency brake intervention (EBI)
- Service Brake Deceleration Curve (SBD)
- Service brake intervention (SBI)
- Warning (W)
- Permitted speed (P)
4.3.1 Reisezüge
Ein gut bremsender Reisezug besitzt folgende Eigenschaften [32]:
BR 628, Bremsstellung „R+Mg“ mit 160 Brh.
1) Bei Zügen in Bremsstelltung P/R von ≤ 400 m Zuglänge ändern sich die Brems-
kurven nicht.
4.3.2 Güterzüge
Nahezu alle Güterzüge in Deutschland liegen zwischen 65 und 100 Brh.
Ein normal bremsender Güterzug besitzt folgende Eigenschaften [32]:
Bremsstellung „P“ mit 66 Brh, Zuglänge 500 m.
Ein schlecht bremsender Güterzug besitzt folgende Eigenschaften [32]:
Bremsstellung „G“ mit 41 Brh, Zuglänge 500 m.
4.3.3 Expertenschätzung
Im Rahmen verschiedener Workshops wurden durchschnittliche Bremsleistungen zu
den verschiedenen Zugarten erstellt. Diese sollen einen Rahmen vorgeben, um eine
mögliche Optimierung der Züge zu gewährleisten.
Nachfolgende Tabelle ist über ein Fahrplanjahr auf Eisenbahnstrecken in Deutschland
gemittelt:
Zugart Bremsstellung Brh [%] vmax [km/h]
Güterzug G 50 - 70 105
Regional-Reisezüge P 2) 130 - 140 120
HGV 1)-Reisezüge P 2) 175 - 210 165
Tabelle 4-2: Expertenschätzung Zugflotte Deutschland
1) Hochgeschwindigkeitsverkehr
2) Bremsstellungen z. B. R nicht berücksichtigt, spielen bei den Berechnungen der
Bremskurven nach ERA auch keine Rolle
4.4.1.1 Allgemein
Die punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) ist die älteste Art einer Zugsicherung. Ur-
sprünglich konnte das Fahrzeug auch nur punktförmig überwacht werden. Erst durch
die Anwendung und Integration von Rechnern in die Fahrzeugtechnik ließ sich eine
kontinuierliche Überwachung umsetzen. Dabei sind die punktförmigen Elemente am
Gleis geblieben, was zu einer Einschränkung der maximalen Geschwindigkeit führt.
Durch die EBO ist diese auf höchstens 160 km/h begrenzt [17].
Umgesetzt wird die PZB in Deutschland durch eine induktive Zugbeeinflussung mit
dem Namen „PZB 90“. Die PZB 90 besteht aus der technischen Einrichtung im Schie-
nenfahrzeug und der Einrichtung am Gleis. Die Einrichtungen am Gleis werden auch als
Gleismagnete bezeichnet (siehe Abbildung 4-2). Gleismagnete sind passiv abgestimmte
Die Sicherheit liegt hier im Zusammenspiel von Triebfahrzeugführer und PZB 90-
System.
Trotz der oben erwähnten überschaubaren Informationen können die wesentlichen
Gefahren im Eisenbahnbetrieb deutlich reduziert werden: [29]
- Überfahren/Anfahren gegen Halt zeigende Signale,
- Vorankündigung (Vorsignal) eines Halt zeigenden Hauptsignals,
- Vorankündigung (Vorsignal) eines Hauptsignals, das eine Geschwindigkeitsbe-
schränkung zeigt,
- Vorankündigung (Überwachungssignal) eines Halts vor dem Bahnübergang,
- Überprüfung der Geschwindigkeit der Schienenfahrzeuge (z. B. Geschwindig-
keitsüberwachungseinrichtung).
Aufgrund der unterschiedlichen Zugarten und deren Bremsvermögen sind die Züge in
drei Klassen eingeteilt [34]:
1. Obere (O),
2. Mittlere (M),
3. Untere (U).
Diese Zugarten unterscheiden sich bei der PZB 90 in der Überwachung ihrer Höchstge-
schwindigkeit. Die folgende Tabelle zeigt den Zusammenhang:
Zugart überwachte Höchstgeschwindigkeit [km/h] Bremsstellung Brh [%]
O 165 R + Mg > 110
M 125 R + Mg, R, P ≥ 66 ≤ 110
U 105 R + Mg, R, P, G ≤ 65
Tabelle 4-3: Zugart PZB nach [35]
Zugart
U M O
Prüfgeschwindigkeit
55 70 85 1000 Hz
4.4.1.4 Bremskurve
Durch die verschiedenen Zugarten nach Tabelle 4-3 werden in Abhängigkeit von der
Frequenz (Abschnitt 4.4.1.3) verschiedene Bremskurven im PZB-System des Zuges ab-
gefahren. Die Bremskurven sind abhängig von der Geschwindigkeit v [km/h] und der
Zeit t [s] bzw. dem Weg s [m].
Nachfolgende Kurven sind am Beispiel der Zugart O dargestellt.
140
120 Befreiung
möglich
100
85
80
65
60
45
40
153 m
20
0
0 2 23
t [s]
1000 Hz 500 Hz 2000 Hz
Die blaue Kurve in der Abbildung 4-5 zeigt die überwachte Geschwindigkeitskurve bei
1000 Hz eines Zuges der oberen Art. Nimmt dieser Zug die 1000 Hz Frequenz auf, muss
er seine Geschwindigkeit innerhalb von 23 s auf 85 km/h reduziert haben. Sollte die Ist-
Geschwindigkeit innerhalb dieses Zeitfensters höher sein als die vorgegebene, leitet
das PZB-Fahrzeuggerät eine Zwangsbremsung ein. Das Überschreiten der blauen
Bremskurve ist nicht möglich, da das Fahrzeuggerät in Abhängigkeit der Zugart zudem
den Bremsvorgang kontinuierlich überwacht. Verläuft der Bremsvorgang des Zuges
innerhalb des vorgegebenen Rahmens, kann sich dieser nach einer zurückgelegten
Strecke von 700 m aus der blauen Bremskurve befreien. Eine solche Befreiung ist zu-
nächst nicht sicherheitskritisch, da das Schienenfahrzeug nun Sicht auf das Hauptsignal
erhält. Die Ril 819.0202 gibt eine Sollsichtbarkeit von Signalen in Höhe von mindestens
300 m vor. Sollte nun das Hauptsignal von der Haltstellung in die Fahrtstellung wech-
seln, kann sich der Tf mit der „PZB Frei“-Taste aus der blauen Kurve befreien und seine
Geschwindigkeit erhöhen. [34]
Verbleibt das Hauptsignal jedoch in der Haltstellung, nimmt das Fahrzeug die 500 Hz
Frequenz kurze Zeit später auf. Zu diesem Zeitpunkt wechselt das Fahrzeuggerät von
der blauen überwachten Geschwindigkeitskurve auf die rote. Innerhalb von 153 m
muss der Zug eine Geschwindigkeit von 45 km/h erreicht haben, sonst wird die
Zwangsbremsung ausgelöst.
4.4.2.1 Allgemein
Bei Geschwindigkeiten von mehr als 160 km/h muss eine kontinuierliche Zugbeeinflus-
sung eingesetzt werden. Die linienförmige Zugbeeinflussung (LZB, bis 1994 Linienzug-
beeinflussung) ist ein solches System. Der Unterschied zur punktförmigen Beeinflus-
sung ist die permanente Kommunikation zwischen der Sicherungstechnik (Stellwerk)
und dem Schienenfahrzeug. Es ermöglicht die Führung eines Zuges sowie eine Führer-
raumsignalisierung. Die automaische Führung eines Schienenfahrzeugs über die LZB
wird automatische Fahr- und Bremssteuerung (AFB) genannt. Hierbei kann der Eingriff
in die Geschwindigkeitsregulierung vom Tf entfallen. [36]
Wird ein Zug LZB-geführt, hat die Führerraumsignalisierung Vorrang vor den ortsfesten
Signalen. [29]
Ein Verzicht auf ortsfeste Lichtsignale ist möglich. In der Praxis werden jedoch solche
Strecken weiterhin damit ausgerüstet, um diese für nicht LZB ausgerüstete Züge nut-
zen zu können. Ein Mischbetrieb ist zudem jederzeit möglich, da aktuell alle Fahrzeuge
auf dem deutschen Netz mit PZB ausgerüstet sind. Wird eine Strecke planmäßig als
Mischbetriebsstrecke befahren, wird weiterhin auf ortsfeste Signale zurückgegriffen.
Somit kann das PZB-geführte Fahrzeug im Ganzblockmodus fahren, während das LZB-
geführte Fahrzeug im Teilblockmodus fahren kann. [28]
Dieser Linienleiter dient als Antenne und funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie
die PZB, nämlich durch eine magnetische Kopplung. Unterschiedlich ist jedoch das
Funktionsprinzip der LZB gegenüber der PZB. Während die Gleismagneten der PZB
In Abbildung 4-7 ist ein MFA beispielhaft dargestellt. Einer der großen Unterschiede zur
PZB ist die Anzeige der Sollgeschwindigkeit und der Zielentfernung.
4.4.2.4 Bremskurve
Ein Vergleich zwischen den Bremskurven der PZB 90 und der LZB zeigt deutlich, dass
die LZB keine fest vorgegebene Bremskurve hat. Die Bremskurven sind geschwindig-
keitsabhängig, entfernungsabhängig und individuell auf die Zugart angepasst. Das En-
de der Bremskurve ist bei der LZB abhängig von der Zielentfernung, welche bis zu
12.700 m betragen kann [36]. Folgende Abbildung 4-8 zeigt eine Bremskurve eines LZB
geführten Zuges.
Sollbremskurve
Schnellbremskurve oder
Bremsüberwachungskurve
Zielentfernung s [km]
1,2 km
4.5.1 Spezifikationen
Mit Einführung von einheitlichen Systemen sind Vorgaben von Nöten, welche das Sys-
tem beschreiben wie auch genauestens definieren. Der Baustein ETCS für eine europä-
ische Standardisierung der Sicherung von Eisenbahnfahrzeugen ist umfangreich und
durch Systemspezifikationen beschrieben, im englischen „System Requirements Spe-
cification“ (SRS) genannt. Das „ETCS Baseline 3 Maintenance Release 1 (SRS 3.4.0)“ und
„GSM-R Baseline 1“ sind beispielsweise zu nennen. [41]
Für diese Arbeit ist hauptsächlich das Chapter 3 der SRS SUBSET-026-3 mit Version
3.6.0 vom 13.05.2016 relevant [42]. Dort sind zur Bestimmung der Bremskurven alle
Formeln und Parameter hinterlegt und beschrieben. Ergänzt werden die EU-Vorgaben
durch die Lastenhefte (LH) der DB. Dort sind nationale Werte als auch Festlegungen
getroffen, welche die Anwendung der SRS konkret definieren. Es gibt seitens der DB
zwei Lastenhefte: das LH für das L1 in der Betriebsart LS [43] und das Level 2 in der
Betriebsart FS [44].
4.5.2 Allgemein
Das neue ETCS ist grundsätzlich eine punktförmige wie auch linienförmige Zugbeein-
flussung. In höheren Ausbaustufen wird ETCS allerdings als linienförmige Zugbeeinflus-
sung verwendet.
Die dazu benötigten Elemente zur Kommunikation zwischen der Leittechnik und dem
Schienenfahrzeug sind die sogenannten „Eurobalisen“. Eurobalisen befinden sich zwi-
schen den Schienen, also mittig im Gleis (Abbildung 4-9). Der Gleismagnet der PZB hin-
gegen befindet sich in Fahrtrichtung rechts neben dem Gleis. Eurobalisen können im
Gegensatz zu den Gleismagneten ganze Telegramme übermitteln. Dadurch kann eine
Vielzahl von Informationen übertragen werden. [11]
Eurobalise
Gleismagnet
(PZB 90)
4.5.3.1 Infill-Balise
Eine Infill-Balise ist nur eine andere Bezeichnung für eine Eurobalise. Sie findet nur im
Level 1 Anwendung. In anderen Literaturquellen wird sie auch Aufwerte-Balise (AW)
genannt. Mit deren Anwendung soll die punktförmige Beeinflussung an weiteren Stel-
len ergänzt werden. Bestenfalls führt diese zu einer Übermittlung einer MA, während
sich der Zug zuvor bereits in einer Bremskurve befindet. Im Anschluss an die Verarbei-
tung der neuen MA wird die Bremskurve (schwarze Linie) verlassen und die grüne Kur-
ve vom Zug befahren.
250 m 10 m
AW s
4.5.3.2 Balisengruppe
Einzelne Balisen können in einer Gruppe zusammengefasst werden. Es kann eine Bali-
sengruppe aus bis zu acht Eurobalisen bestehen. Durch die Verwendung einer solchen
Gruppe wird der Funktionsumfang erweitert. Mögliche neue Funktionen sind z. B.:
- Richtungserkennung,
- Übermittlung von größeren Datenmengen (Nachrichten).
Fahrtrichtung
nominal
1 2 3
reverse
Durch die Befahrung der Balisengruppe (Abbildung 4-12) in Fahrtrichtung wird dem
Zug die Information „nominal“ und durch Befahren der Gegenrichtung „reverse“ über-
mittelt. Zusammenfassend kann so die ETCS-Einrichtung im Schienenfahrzeug dessen
Fahrtrichtung erkennen. [45]
4.5.4 Übertragungsdaten
Mit dem System ETCS ist es möglich, verschiedenste Daten zwischen der Infrastruktur
und dem Schienenfahrzeug auszutauschen. Es gibt drei mögliche Übertragungsme-
dien:
1. via Eurobalisen,
2. via GSM-R,
3. via Euroloops.
Alle diese drei Übertragungswege übermitteln grundsätzlich Telegramme. Im Bereich
ETCS wird die Unterscheidung zwischen Telegramm und Nachricht getroffen. Eine
Nachricht besteht aus mehreren Telegrammen. Durch Balisengruppen, Euroloops oder
Telegramm 1
Nachricht
Telegramm 2
Zug
Nachricht
Telegramm
Balise
4.5.5 Betriebsarten
Die ETCS-Level legen den Umfang der technischen Sicherung fest, jedoch werden zu
jedem Level verschiedene Betriebsarten benötigt. Die Betriebsarten haben die Aufga-
be, alle notwendigen betrieblichen Szenarien abzudecken. Welche ETCS Betriebsarten
möglich sind, wird in folgender Tabelle aufgelistet:
Deutsch Englisch
ETCS Vollüberwacht Full Supervision (FS)
ETCS Teilüberwacht Limited Supervision (LS)
ETCS Vorsichtauftrag On Sight (OS)
ETCS Sicherheitsreaktion Zwangsbremsung Trip (TR)
ETCS Befehlsfahrt Staff Responsible (SR)
ETCS Rangieren Shunting (SH)
ETCS Aufrüsten und Abstellen Stand By (SB)
ETCS STM National STM National (SN)
ETCS-Systemfehler System Failure (SF)
ETCS Ferngesteuert Sleeping (SL)
ETCS Nichtführendes Fahrzeug Non Leading (NL)
ETCS Stromlos No Power (NP)
ETCS Mit Störschalter abgeschaltet Isolation (IS)
ETCS Unüberwacht Unifitted (UN)
ETCS Zurücksetzen Reversing (RV)
Tabelle 4-9: ETCS Betriebsarten, teilweise nach [26]
Der Ausschnitt dieses Driver Machine Interface (DMI) zeigt die Informationen im Level 2
der Betriebsart Vollüberwacht, engl. „Full Supervison“. Aktuelle Geschwindigkeit, Sollge-
schwindigkeit und Zielentfernung liegen u. a. als digitale Informationen dem Tf vor. Ein
Blick des Tf auf die Infrastruktur ist aus informationstechnischer Sicht nicht mehr not-
wendig. Die meisten Informationen sind bereits schon in der älteren LZB-Technik be-
reitgestellt worden.
4.5.7.2 Level 0
Beim ECTS-Level 0 ist die Infrastruktur nicht mit ETCS ausgerüstet. Lediglich die ETCS-
Fahrzeugkomponente kann weiter betrieben werden, wenn diese manuell zugeschaltet
wird. Die einzige Überwachung des Schienenfahrzeugs liegt in der Begrenzung der
4.5.7.3 Level 1
In diesem Abschnitt soll das ETCS der Variante Level 1 (L1) erläutert werden. Die we-
sentlichen Unterschiede der einzelnen Levels sind bereits im Kapitel 4.5.2 erläutert.
Ein Blockabschnitt wird bei ETCS „ETCS-Blockabschnitt“ genannt (vgl. Abbildung 4-15).
Blockabschnitt ≙ ETCS-Blockabschnitt
Eurobalisengruppe
Bremswegabstand
Eurobalisengruppe Eurobalisengruppe
gesteuert ungesteuert
LEU LEU
Stellwerk
inkl. Gleisfreimeldung (Gfm)
Hauptsignal
Vorsignal
Nach dem Signalbuch [19] und den hier dargestellten Signalen (Abbildung 4-17) bedeu-
tet das mittlere Signal für eine Zugfahrt: „Fahrt am Hauptsignal mit Streckengeschwin-
digkeit vorbei“ (Hp 1), und das mit am Mast dargestellte Vorsignal „Halt erwarten“ (Vr 0).
Das rechte Kombinationssignal zeigt den Begriff „Halt erwarten“ (Ks 2), jedoch beinhal-
tet es die „Vorbeifahrt des Zuges mit Streckengeschwindigkeit“ und das „Halt erwar-
ten“. Diese Kombination wird durch den gelben Lichtpunkt erreicht. Für die Rückfall-
ebene wird das gelbe Mastschild (spitzes Dreieck) benötigt. Das linke Signal mit dem
Begriff Hl 10 zeigt ebenfalls nur ein gelbes Licht. Die Bedeutung, „Fahrt mit Vmax“ und
„Halt erwarten“, ist analog dem Ks 2. [19] Mit dem oberen Lichtpunkt wird die Ge-
schwindigkeit angekündigt. Der untere Teil des Signalschirmes zeigt die Geschwindig-
keit an, welche an diesem Signalstandort gilt. Generell können Hl-Signale auch Mehrab-
schnittsignale sein.
Die erteilte MA an Mehrabschnittsignalen gilt für die Vorbeifahrt am Mehrabschnittsig-
nal und dem nachfolgenden Haupt- oder Mehrabschnittsignal (vergleiche Abbildung
4-18). [26]
Mehrabschnittsignal Hauptsignal
MA MA
4.5.7.3.1 Level 1 LS
Im Rahmen der Migrationsstrategie von ETCS der Deutschen Bahn AG ist ETCS L1 LS
gewählt worden. Dies hat grundsätzlich wirtschaftliche Vorteile gegenüber L1 Full Su-
pervision (FS). [46]
Die Betriebsart L1 LS, auf Deutsch „ETCS Signalgeführt“, ist analog zu der PZB 90. Die
alte Infrastruktur bestehend u. a. aus Signal, Gleisfreimeldesystem, punktförmiger
Zugbeeinflussung, Durchrutschweg (D-Weg) und Gefahrpunkt bleibt erhalten. Es wer-
den lediglich die Gleismagnete der PZB 90 durch Balisen ersetzt. Eine Änderung der
bestehenden Infrastruktur mit PZB 90 auf ETCS L1 LS wäre so mit geringem Aufwand,
sowohl wirtschaftlich als auch technisch, machbar. Aus diesen Gründen kann das be-
stehende Stellwerk einer Strecke bestehen bleiben (vgl. Abbildung 4-19). Diese Be-
triebsart ist von der EU durch die Baseline 3 ergänzt [47].
Balisengruppe
2 1 0,5 2
Stellwerk
inkl. Gleisfreimeldung (Gfm)
Ausbau Einbau
Trotz der technischen und wirtschaftlichen Vorteile ist ETCS L1 LS betrieblich nicht in-
teroperabel. Eine technische Interoperabilität besteht nur zu dem ECTS-Fahrzeug. Das
nationale Signalsystem bleibt bei dieser Art der Umrüstung erhalten.
Analog der PZB 90 und deren Lastenheften, ersetzt ETCS-L1 LS im Wesentlichen die
gleichen Funktionen. Diese sind u. a. [10]:
4.5.7.3.2 Level 1 FS
ETCS-Level 1 Full Supervision, auch genannt „Vollüberwacht“, besitzt im Gegensatz zum
Level 1 Limited Supervision eine Anzeigeführung im Schienenfahrzeug. Führungsgrö-
ßen wie die maximale Fahrgeschwindigkeit, die Fahrterlaubnis, die Zielentfernung und
die Fahrterlaubnis-Aufnahmegeschwindigkeit werden dem Triebfahrzeugführer im DMI
sicher angezeigt [26]. Eine solche sichere Anzeige erfordert jedoch eine Datenübertra-
gung nach dem SIL-4 Standard [46].
Die Kombination der Streckenausrüstung (Beispielhaft Abbildung 4-20) mit der fahr-
zeugseitigen Ausrüstung ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung. Eine Gemein-
samkeit zwischen L1 FS und L1 LS ist die fahrzeugseitige Ausrüstung, da Schienenfahr-
zeuge zu den verschiedenen ETCS-Streckeneinrichtungen kompatibel sein müssen [26].
Euroloop
Bei Verwendung von L1 FS besteht sowohl eine betriebliche als auch eine technische
Interoperabilität. Als Rückfallebene können nationale Signale dienen.
Im Level 1 wird GSM-R nicht zur ständigen Verbindung zwischen dem Schienenfahrzeug
und dem Stellwerk verwendet. Die Kommunikation findet über Balisen statt, kann aber
durch sogenannte Euroloops erweitert werden. Euroloops können in den installierten
Abschnitten eine kontinuierliche Verbindung herstellen. Weitere ergänzende Elemente
zu den Eurobalisen und den Euroloops sind Infill-Balisen und Infill-Radio. Infill-Radio ist
ein Abschnitt, welcher mit GSM-R örtlich und räumlich abgedeckt wird. Infill-Balisen
sind zusätzliche schaltbare Balisen, die dem Zug weitere Informationen übertragen
können (z. B. Aufwertung der MA).
4.5.7.4 Level 2
ETCS-Level 2 ist eine technische Erweiterung von Level 1. Mit dem L2 ist nun eine kon-
tinuierliche Kommunikation zum Schienenfahrzeug möglich. Ergänzt ist hier die
Schnittstelle zwischen Streckenausrüstung und Schienenfahrzeug mittels GSM-R. Zwi-
schen dem Stellwerk und der GSM-R-Einheit gibt es ein sogenanntes Radio Block Cent-
re (RBC). Dieses tauscht mit dem Schienenfahrzeug ständig Informationen aus. Zusätz-
lich werden dem Zug, wie im L1, Daten von fest installierten Balisen bereitgestellt.
Durch den ununterbrochenen Kontakt zwischen dem Fahrzeug und dem RBC ist L2
auch für Geschwindigkeiten > 160 km/h geeignet. Es existiert eine linienförmige Über-
wachung. [26]
4.5.8 Level 3
Ein Minimum technischer Ausrüstung der Infrastruktur ist durch das ETCS Level 3 ge-
geben. Hier ist es möglich, auf die Gleisfreimeldung des Stellwerkes zu verzichten. Wei-
terhin kann, analog dem Level 2, auch auf Haupt- und Vorsignale verzichtet werden.
Somit befinden sich nur noch Eurobalisen auf der Infrastruktur (Abbildung 4-22).
GSM-R Antenne
RBC
Stellwerk
4.5.9 Bremskurven
In den Dokumenten der ERA, hauptsächlich im Chapter 3 vom Subset-026-3, sind fol-
gende Formelzeichen verwendet:
Formelzeichen nach
physikalisches Formelzeichen Bedeutung
ERA [42]
a A Bremsverzögerung [m/s²]
v V Geschwindigkeit [km/h]
bzw. [m/s]
s d Entfernung [m]
t T Zeit [s]
Tabelle 4-11: Formelzeichnen nach ERA [42]
Die Formelzeichen nach Tabelle 4-11 sind in dieser Arbeit übernommen. Alle Formeln
sowie Berechnungen sind daher mit den ERA-Dokumenten gleichgestellt.
Im Gegensatz zur PZB 90 gibt es keine starr vorgegebenen Bremskurven. Hier muss
nicht von einem Worst-Case-Szenario ausgegangen werden, sondern es wird für jedes
Triebfahrzeug eine Vielzahl an individuellen Kurven berechnet. Diese sind abhängig von
der Bremsleistung des Zuges, den Streckeneigenschaften (Neigung) sowie der installier-
ten Infrastruktur (Ist-Abstände).
Die ETCS Bremskurven sind Weg-geschwindigkeitsabhängige Kurven und beispielhaft in
Abbildung 4-23 dargestellt.
v IP P W SBI
SBD
EBD
Die Abbildung 4-23 zeigt zwei Kurven, welche durch die ETCS-Einheit im Zug selbst er-
rechnet werden. Weiterhin sind vier Balisengruppen dargestellt, wobei nur die letzten
Für das bessere Verständnis der Kurvenschar und der zeitlichen Abhängigkeiten folgt
eine vereinfachte Abbildung 4-25.
EBD SBD
Dbec (Vest) Tbs1 * Vest
EBI SBI1
Tbs2 * Vest
SBI2
SBI
Twarning * Vest
W
Tdriver * Vest
P
Tind * Vest
Mit folgenden Formeln nach [42] lassen sich die ETCS-Kurven berechnen:
𝑉𝑒𝑠𝑡 𝑚 2
( 3,6 𝑠)
𝑑𝐸𝐵𝐷 (𝑉𝑒𝑠𝑡 ) = − (𝑑𝑤𝑒𝑔 ) (4-1)
2 ∗ 𝐴𝑠𝑎𝑓𝑒 (𝑉𝑒𝑠𝑡 , 𝑑)
𝑉 𝑚 2 𝑉 𝑚 2
( 𝑛+1 ) − ( 𝑛 )
𝑑𝐸𝐵𝐷 (𝑉𝑛+1 ) = 𝑑𝐸𝐵𝐷 (𝑉𝑛 ) +
3,6 𝑠 3,6 𝑠 (4-2)
2 ∗ 𝐴𝑠𝑎𝑓𝑒 (𝑉𝑛 , 𝑑)
𝑉 𝑚
( 𝑒𝑠𝑡 )2
𝑑𝑆𝐵𝐷 (𝑉𝑒𝑠𝑡 ) =
3,6 𝑠 (4-3)
2 ∗ 𝐴𝑒𝑥𝑝𝑒𝑐𝑡𝑒𝑑 (𝑉𝑒𝑠𝑡 , 𝑑)
𝑉𝑒𝑠𝑡 𝑚 𝑉𝑏𝑒𝑐 𝑚 2
( 3,6 𝑠 + 3,6 𝑠 )
𝑑𝐸𝐵𝐼 (𝑉𝑒𝑠𝑡 ) = + 𝐷𝑏𝑒𝑐 (4-4)
2 ∗ 𝐴𝑠𝑎𝑓𝑒 (𝑉𝑒𝑠𝑡 , 𝑑)
Zur Veranschaulichung der Abhängigkeiten zwischen den Formeln (4-1), (4-4), (4-5),
(4-7), (4-8) und (4-9) folgt eine grafische Darstellung:
„Nach Anstoß an die Zwangsbremskurve bleibt die Farbe des Tachokreises und des V ist-
Zeigers rot. Das ETCS-FzG leitet eine Zwangsbremsung ein (HL-Druck 0 bar) und hebt
diese auf, sobald Vist den Wert für Vsoll unterschreitet.“ [Ril 483.0701]. Vergleich zur PZB:
Die PZB 90 leitet eine Zwangsbremsung bis zum Stillstand ein.
4.5.10 Vertrauensintervall
Eine Problematik im ETCS-System ist das Vertrauensintervall. Die Ortung des Schienen-
fahrzeugs orientiert sich an Balisen, welche den Standort angeben. Dazu wird im LH L2
der DB das nominale Vertrauensintervall festgelegt. Dies zeigt die Formel (4-11) [44].
5 % + 5 𝑚 + 𝑄_𝐿𝑂𝐶𝐴𝐶𝐶
(4-11)
mit 𝑄_𝐿𝑂𝐶𝐴𝐶𝐶 = 5 𝑚
Die 5 % werden aus der Entfernung der letzten Ortungsbalise bestimmt. Befindet sich
100 m vor dem EoA eine solche Baliseninformation ergeben sich 5 m. Für diesen Fall
beträgt das nominale Vertrauensintervall 15 m.
Der Fehler der Ortung eines Schienenfahrzeuges steigt mit Abstand von der letzten
Ortung bis zur neuen Ortungsmöglichkeit an. Erst durch eine weitere Ortungsbalise
darf Δd wieder zurückgesetzt werden (vgl. Abbildung 4-28). Um den Ortungsfehler so
gering wie möglich zu halten, sollte der Abstand der Ortungsbalisen sehr klein sein. Der
Vorteil liegt dabei bei einem geringeren Fehler. Nachteilig sind die Kosten und der Auf-
wand. Die DB gibt in ihren Planungsrichtlinien einen maximalen Abstand zwischen zwei
Ortungspunkten an. Dieser beträgt 1.800 m [51].
4.5.11 Bremsmodelle
Um das Bremsvermögen von Schienenfahrzeugen beurteilen zu können, gibt es zwei
Modelle, mit denen es möglich ist:
1. λ-Modell,
2. γ-Modell.
4.5.11.1 Lambda-Modell
Das λ-Modell ist bei der DB besser bekannt als „Bremshundertstel“ (Brh). Mit den Brh
lässt sich bei zusammengestellten Zügen (Triebfahrzeug, Wagon) die Bremsleistung
bestimmen. Diese ermittelte Gesamtbremsleistung bestimmt die Zugart nach Tabelle
4-3. Folgende Formel wird zur Bestimmung verwendet:
∑𝐵
𝜆= ∗ 100 (4-12)
∑𝑚
Mit den Summen der Bremsgewichte B und der Fahrzeugmassen m werden die Brh
bestimmt. Dies dient dem vereinfachten praxisnahen Vorgehen zur Bestimmung der
Bremsleistung variabler Zugkompositionen. In den meisten Fällen trifft dies auf Güter-
züge zu, deren Zusammenstellung ständig geändert wird. [31]
Durch die Vereinfachung werden allerdings die so bestimmten Bremswege um etwa
10 % verlängert [31].
Für das ETCS-System werden diese Brh u. a. benötigt. Ziel ist es, die Bremsbeschleuni-
gung A_brake_tuned zu bestimmen. Die dazu notwendigen Parameter sind in Abbildung
4-29 dargestellt. Der geschwindigkeitsabhängige Korrekturfaktor Kv_int(V) und der zug-
Seite 43 von 166
längenabhängige Korrekturfaktor Kr_int(l) werden benötigt und können durch die Infra-
struktur vorgegeben werden. Der weitere Faktor wird durch den Tf vorgegeben: Zugart
und Zuglänge.
Das „Conversion Model“, welches Brh in Bremsverzögerungen umrechnet, ist in den
Dokumenten der ERA beschrieben. Modelle, die eine Vereinfachung ermöglichen, sind
zum einen sehr einfach in der Anwendung, können jedoch nicht alle möglichen Einsatz-
fälle abdecken. Demzufolge liegen die Limits des „Conversion Model“ bei [42]:
- Zuggeschwindigkeit: 0 – 200 km/h,
- Brh: 30 – 250 %,
- Zuglänge Personenzüge in Bremsstellung P: ≤ 900 m,
- Zuglänge Güterzüge in Bremsstellung P und G: ≤ 1500 m.
Die verwendeten Begriffe in Abbildung 4-29 werden im Folgenden auch anders be-
zeichnet [42]:
Durch die Einführung der neuen Bezeichnungen ergibt sich für das Lambda-Modell
folgende Formel [42]:
𝜆0 = 𝜆 (4-16)
𝑉𝑙𝑖𝑚 = 𝑥 ∗ 𝜆0 𝑦 (4-17)
mit [42]:
𝑥 = 16,85 (4-18)
𝑦 = 0,428 (4-19)
Die Grundverzögerung im Bereich von 0 ≤ speed ≤ Vlim ist als AD0 definiert [42]:
𝐴𝐷0 = 𝐴 ∗ 𝜆0 + 𝐵 (4-20)
mit [42]:
𝐴 = 0,0075 (4-21)
𝐵 = 0,076 (4-22)
Liegt die Geschwindigkeit oberhalb von Vlim, wird wie folgt vorgegangen [42]:
Abrake_service wird analog zu Abrake_emergency bestimmt, jedoch mit einem Unterschied bei λ0.
Hier findet folgende Formel nach [42] Verwendung:
Formeln für Vbec und Dbec aus Abbildung 4-26 nach [42]:
𝑉𝑑𝑒𝑙𝑡𝑎1
𝐷𝑏𝑒𝑐 = max {(𝑉𝑒𝑠𝑡 + 𝑉𝑑𝑒𝑙𝑡𝑎0 + ) , 𝑉𝑡𝑎𝑟𝑔𝑒𝑡 } ∗ 𝑇𝑡𝑟𝑎𝑐𝑡𝑖𝑜𝑛 +
2
(4-28)
𝑉𝑑𝑒𝑙𝑡𝑎2
(max{(𝑉𝑒𝑠𝑡 + 𝑉𝑑𝑒𝑙𝑡𝑎0 + 𝑉𝑑𝑒𝑙𝑡𝑎1 ), 𝑉𝑡𝑎𝑟𝑔𝑒𝑡 } + ) ∗ 𝑇𝑏𝑒𝑟𝑒𝑚
2
mit [42]:
Einsetzen der Variablen (4-29) bis (4-35) nach [44] für Züge in Bremsstellung P, maxima-
ler Zuglänge von 400 m und keiner vorliegenden Beschleunigung des Fahrzeuges führt
zu:
Durch die Variablen A_NVP12 und A_NVP23 lassen sich zwei Grenzen definieren (vgl. Ab-
bildung 4-30). A_NVP12 gibt die untere Grenze der Bremsbeschleunigung vor und
A_NVP23 die obere. In den damit geschaffenen drei Bereichen (unten, zwischen und
oben) wird das Bremsvermögen jedes einzelnen Zuges eingeteilt. Mit der Einteilung
wählt das ETCS-Boardgerät das entsprechende Kv_int(V)-Set aus.
4.5.11.2 Gamma-Modell
Mit dem γ-Modell lässt sich eine genauere Bremsbewertung von Zugverbänden ermit-
teln. Die dazu benötigten Bremsaufbauzeiten und Verzögerungswerte müssen mit ech-
ten Bremsversuchen ermittelt werden. Der daraus resultierende hohe Aufwand kann
nur für festdefinierte Zugkompositionen betrieben werden. Eine Bestimmung beliebi-
ger Kompositionen (wie z. B. bei Güterzügen) ist nicht möglich. Geeignet und anwend-
bar ist das Gamma-Modell z. B. für S-Bahn-Züge, Regionalzüge und Hochgeschwindig-
keitszüge. In seltensten Fällen ist eine Bestimmung der Faktoren von festverkehrenden
Güterzügen möglich.
Durch die Abbildung 4-31 wird die Trennung der einzelnen Variablen zwischen EVU und
EIU deutlich. Das EIU hat nur Einfluss auf die Variablen M_NVEBCL (Vertrauensgrad für
das sichere Abbremsen auf trockener Schiene) und die M_NVAVADH (Gewichtsfaktor für
die Rad/Schienen-Haftung). Die Faktoren Kdry_rst und Kwet_rst sind fahrzeugseitige Kor-
rekturfaktoren.
Die sichere Bremsbeschleunigung A_brake_safe wird im Gamma-Modell wie folgt be-
rechnet:
Eine weitere Betrachtung dieses Gamma-Modell kommt in dieser Arbeit nicht in Frage,
weil nahezu keine realistischen freizugänglichen Daten zu Verfügung stehen.
Im Folgenden werden die Fahrzeiten der PZB 90- und der ETCS FS-geführten Fahrzeuge
analysiert und verglichen. Die höchste Ausgangsgeschwindigkeit der PZB-geführten
Züge liegt bei 160 km/h (vergleiche 4.4.1.1). Nationale Faktoren, die das ETCS-System
beeinflussen, sind aus dem Lastenheft (LH) der DB Netz übernommen [44].
Betriebsbremsungen sind individuelle Vorgänge, die nicht vorhersehbar sind. Deshalb
wird eine Betriebsbremsung in der Regel auf mittlere Bremsverzögerungen gemittelt
[31].
5.1 Ansatz zur Ermittlung der Fahrzeit von PZB 90-geführten Fahrzeugen
Zur heutigen Fahrplanberechnung wird dem Schienenfahrzeug im Personennahver-
kehr eine mittlere Bremsverzögerung von 0,7 m/s2 zu Grunde gelegt [52]. Ältere Quel-
len gehen im Nahverkehr von 0,6 m/s2 aus [31]. Es gibt zudem einen Wert in der Litera-
tur, bei dem mit etwa 2/3 bis 3/4 der mittleren Schnellbremsverzögerung die mittlere
Betriebsbremskraft bestimmt wird [31]. Nach Tabelle 4-2 beträgt die sichere Bremsver-
zögerung Asafe eines 140 Brh-Personenzuges bis 139 km/h etwa 1,0 m/s2. Damit liegt die
Betriebsbremsung solcher Fahrzeuge zwischen 0,67 m/s2 und 0,75 m/s2. Somit ist der
zuvor erwähnte Wert von 0,7 m/s2 plausibel und wird für den PZB-geführten Zug ver-
wendet.
Mit den nachstehenden Formeln kann die Fahrzeit, sowie der benötigte Anhalteweg
ermittelt werden.
𝑉𝐸2 − 𝑉 2
𝑑=
2 ∗ 𝐴𝑚
(5-1)
𝑉 𝐺𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡, 𝑉𝐸 𝐸𝑛𝑑𝑔𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡, 𝑑 𝑊𝑒𝑔,
𝐴𝑚 𝑚𝑖𝑡𝑡𝑙𝑒𝑟𝑒 𝐵𝑟𝑒𝑚𝑠𝑏𝑒𝑠𝑐ℎ𝑙𝑒𝑢𝑛𝑖𝑔𝑢𝑛𝑔
𝑉𝑒 − 𝑉
𝑇=
𝐴 (5-2)
𝑉 𝐺𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡, 𝑉𝐸 𝐸𝑛𝑑𝑔𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡, 𝑇 𝑍𝑒𝑖𝑡, 𝑑 𝑊𝑒𝑔, 𝐴 𝐵𝑟𝑒𝑚𝑠𝑏𝑒𝑠𝑐ℎ𝑙𝑒𝑢𝑛𝑖𝑔𝑢𝑛𝑔
In der Regel liegen die Bremswegabstände einer Strecke mit einer Höchstgeschwindig-
keit von 100 km/h bei 700 m. Bei diesem Beispiel ist zwischen dem Bremsweg der Stre-
cke und dem berechneten Wert eine Differenz vorhanden. Nicht berücksichtigt sind
z. B. Faktoren wie die Streckenneigung. Diese haben ebenfalls einen Einfluss auf den
Bremsweg. Zudem sind die Tf angehalten, bei Erkennen von Vorsignalen eine Brem-
sung sofort einzuleiten.
V [km/h]
V2 V1
Tn
Tn+
Δd d [m]
Mit den Formeln (5-4), (5-5) und (5-6) und der Abbildung 5-1 lässt sich nun die Fahrzeit
über den Kurvenverlauf ermitteln.
Geschwindigkeiten bis 0,05 m/s sind bei der Zeitbestimmung entfallen. Diese hätten
sonst einen negativen theoretischen Einfluss, da Geschwindigkeiten < 0,05 m/s bei ei-
nem zurückgelegten Weg (wie z. B. 0,14 m), mathematisch etwa 10 s ausmachen wür-
den. Der Stillstand eines Schienenfahrzeugs wird somit ab einer Geschwindigkeit von <
0,18 km/h angenommen.
𝛥𝑑
𝑇𝑛 = (5-4)
𝑉𝑚
𝑣1 + 𝑣2
𝑉𝑚 = (5-5)
2
𝑛=𝑖
𝑇𝑔𝑒𝑠 = ∑ 𝑡𝑛
𝑛=0 (5-6)
𝑣𝑖𝑛𝑖𝑡𝑖𝑎𝑙
für 𝑖 = +1
0,1 𝑘𝑚/ℎ
𝑉𝑖 2
𝐴̅𝑚 = (5-7)
2 ∗ 𝑑𝑝
140
EBD
120
SBD
EBI
100 SBI1
SBI2
SBI
Speed (km/h)
80
Warning
Permitted
60
Indication
Perturbation
40 Release
speed
balises
20
0
1700 1500 1300 1100 900 700 500 300 100 -100
Distance from target (m)
Die Ortung ist zwar durch die Ril 819.1344 der DB auf 1.800 m im Level 2 begrenzt, al-
lerdings ist die Verlegung der Ortungsbalisen immer projektabhängig. Beeinflusst wer-
den die Bremskurven zudem u. a. vom Bremsvermögen und der Ausgangsgeschwin-
digkeit. Alle möglichen Faktoren sind in Abbildung 6-30 dargestellt.
Im Vergleich zum Level 2 kann das Stellwerk ZSB 2000 mit dem Anwendungslevel 1 FS
nahezu jede Balise durch eine sogenannte „Balise Control Unit“ (BCU) ansteuern. Einer
der daraus entstehenden Vorteile ist, dass die Balisen jederzeit vom Stellwerkskern
umprogrammiert werden können. Somit kann z. B. eine Balise, welche eigentlich für
eine Gegenfahrstraße verwendet wird, umprogrammiert werden und als Ortungsbalise
für eine andere Fahrstraße dienen. Diese Funktion sorgt für eine häufigere Ortung, als
es aktuell möglich ist. [53] Vor allem bei Einfahrten in einen Bahnhof kommt dieser Ef-
fekt häufig zum Tragen.
Der Einfluss der Odometrie auf den Bremsvorgang wird aufgrund der vielseitigen Vari-
ablen nicht angerechnet. Berücksichtigt wird das Vertrauensintervall allerdings zur Be-
stimmung der D-Weg-Länge, welche im Abschnitt 9.1 behandelt wird. Im letzten Ab-
schnitt eines Bremsvorganges wird ein pauschales Vertrauensintervall angenommen.
Sperrzeit
Zuglänge
V10 10 V12 12
Sichtpunkt
Fahrweg
Signalzugschlussstelle
Durch die Abbildung 5-3 wird die Zusammensetzung der Sperrzeit deutlich. Der Ab-
stand zwischen dem Vor- und Hauptsignal (Bremswegabstand) ist bei signalgeführten
Zügen fest vorgegeben. Im Gegensatz zu anzeigegeführten Zügen, berechnet jedes
ETCS-geführte Fahrzeug in der Betriebsart FS den Bremseinsatzpunkt individuell für
sich. Dadurch variiert die Annäherungsfahrzeit bei jeder Zugfahrt. Eine feste Aussage
ist somit grundsätzlich nicht mehr möglich.
Die Betrachtung liegt auf eingleisigen Strecken - heutiger Prägung - mit typischem Per-
sonenverkehr im Taktverkehr. Wichtig dabei ist die schnelle Abwicklung von Zugkreu-
zungen. Demzufolge werden die Durchrutschweg-Längen besonders und die Annähe-
rungsfahrzeiten nicht betrachtet.
180 EBD
SBD
160
EBI
SBI1
140
SBI2
120 SBI
Speed (km/h)
Warning
100
Permitted
80 Indication
Perturbation
60
Release
speed
balises
40
20
0
2500 2000 1500 1000 500 0 -500
Distance from target (m)
𝑉𝑛 2 − 𝑉𝑛+1 2
𝐴𝑝 (𝑉𝑛 ) = (5-8)
2 ∗ (𝑑𝑝𝑛+1 − 𝑑𝑝𝑛 )
Mit der Abbildung 5-4 und Abbildung 5-5 wird ein Bremsvorgang aus einer Ausgangs-
geschwindigkeit von 160 km/h beschrieben. Ein weiteres Beispiel folgt mit einer Aus-
gangsgeschwindigkeit von 40 km/h.
SBD
50 EBI
SBI1
SBI2
40
SBI
Speed (km/h)
Warning
30 Permitted
Indication
20 Perturbation
-0,7 m/s^2
kontinuierlich
10 nach d_p
4 s nach
Preturbation
0
300 250 200 150 100 50 0 -50
Distance from target (m)
Mit der gelben Markierung in der Abbildung 5-6 wird der zuvor erwähnte Knick durch
die Kreuzung der Kurven ausgelöst. Dieser Knick ist ebenfalls in der Permitted-Kurve
wiederzufinden. An dieser Stelle ändert sich die momentane Bremsverzögerung
schlagartig. Deutlich wird dies durch Abbildung 5-7.
Die Ergänzung von Tdriver in der V 3.6.0 zeigt Formel (5-9) nach [42]. Mit tbs wird die
Bremsaufbauzeit beschrieben. Diese ist abhängig von der Zuglänge (l) sowie der Zielge-
schwindigkeit. Mit einer Zielgeschwindigkeit von 0 km/h (Stillstand) wird tbs wie folgt
bestimmt [42]:
𝑙 𝑙 2
𝑡𝑏𝑠 = 3,0 ∗ 1,5 ∗ + 0,1 ∗ ( ) (5-10)
100 100
Da das Abfahren der Permitted-Kurve nicht möglich ist, muss der Bremsbeginn vorher
erfolgen, und es soll hier eine mittlere Bremsverzögerung angenommen werden. Der
Bremsvorgang beginnt hier mit Tdriver mit dem vierteiligen Bremsablaufmodell. Dadurch
lässt sich ein Vergleich zur PZB 90-Fahrzeit herstellen, die ebenfalls sprunghaft, hier auf
-0,7 m/s2, ansteigt.
Diese Festlegung nach Formel (5-11) sorgt jedoch teils für eine Überschreitung der P-
Kurve als auch der W-Kurve, wie das folgende Beispiel zeigt.
Mit genauerer Betrachtung der Abbildung 5-8 fällt auf, dass der Bremsverlauf des vier-
teiligen Bremsablaufmodells im Zusammenhang mit den restlichen Kurven so nicht
abfahrbar sind. Ohne die weiteren ERA-Kurven ist die Bremskurve des Bremsablauf-
modells die praxisnahe, welche ein Schienenfahrzeug abfahren kann. Mit Abfahren
dieser Kurve, würde das ETCS-geführte Schienenfahrzeug bei etwa 110 km/h die Per-
mitted-Kurve kreuzen und bei 50 km/h sogar die Warning-Kurve. Hier würde ein Tf spä-
testens den Bremsvorgang korrigieren, um den Warning-Bereich zu verlassen.
Die Formel (5-13) ist nach ERA [42] die „basic deceleration“ (AD0) und wird für das vier-
teilige Bremsablaufmodell verwendet. AD0 ist die Basisverzögerung, welche bis zu einer
Geschwindigkeit von Vlim (Formel (4-17)) gültig ist. Aufgrund der Verwendung folgender
Geschwindigkeiten und Brh (nach [40] und 4.3.3) genügt die Bestimmung von AD0. Die
Tabelle 5-2 stellt den Zusammenhang und die dazu verwendete Ausgangsgeschwindig-
keit dar.
Ausgangsgeschwindigkeit [km/h] Brh [%] Vlim [km/h]
0 - 140 140 139,7
150 158 147,1
160 185 157,4
Tabelle 5-2: Gegenüberstellung von Brh zu Vlim und Vi
Reaktionszeit System
Zielgeschwindigkeit
vLB
bBZB
vZ
Schwellen entwickeltes Bremsen Lösen
tA tSB tE tLB
bG
sA sSB sLB sB Zeit [s]
Weg [m]
Die Geschwindigkeit vZ muss nicht bis zum Stillstand auf 0 km/h reduziert werden, son-
dern kann auch, wie nach Abbildung 5-9, > 0 km/h sein. Dies dient der Bestimmung bei
Geschwindigkeitswechseln/Langsamfahrstellen. Zur Bestimmung eines Geschwindig-
keitswechsels muss der Bremsstufenfaktor fSt so gewählt werden, dass die Strecke sB
der Vorgabe entspricht.
Um die Geschwindigkeitskurve in den Diagrammen darzustellen, wird die Kurve in vier
Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt, die Reaktionszeit des Bremssystems, wird als
gerade Funktion dargestellt. Sie ist nur abhängig von der Ausgangsgeschwindigkeit, der
Grundverzögerung bG sowie der Reaktionszeit von 1,5 s. Die zweite Funktion, die
Schwellzeit, wird mit Formel (5-14) umgesetzt.
1
𝑠𝑆𝐵 (𝑣, 𝑡) = 𝑏(𝑡) ∗ 𝑡 2 + 𝑣 ∗ 𝑡 + 𝑠𝐴 (5-14)
2
Der Abschnitt mit der entwickelten Bremskraft wird nach Formel (5-15) bestimmt.
1
𝑠𝐸 (𝑣, 𝑡) = ∗ (𝑏𝐵𝑍𝐵 + 𝑏𝐺 ) ∗ 𝑡 2 + 𝑣 ∗ 𝑡 + 𝑠𝑆𝐵 (5-15)
2
Mit dem Lösen endet der letzte Kurvenabschnitt mit Formel (5-16) [31].
1 1
𝑠𝐿𝐵 (𝑣, 𝑡) = 𝑣 ∗ 𝑓𝑆𝑡 ∗ 𝑡 + ( 𝑏𝐺 + 𝑓𝑆𝑡 ∗ 𝑏𝐵𝑍𝑆 ) ∗ 𝑓𝑆𝑡 2 ∗ 𝑡 2 (5-16)
2 6
Die ermittelte Fahrzeit tB aus dem Bremsablaufmodell ist unabhängig von der grafi-
schen Darstellung der Kurven. Der gesamte Bremsvorgang tB (auch TFahrzeit)setzt sich aus
den einzelnen Zeiten der Abbildung 5-9 zusammen.
Der gesamte Bremsweg setzt sich aus den vier Teilstücken zusammen.
5.7.2 Geschwindigkeitswechsel
Zur Bestimmung der Fahrzeit eines ETCS-geführten Zuges wird ebenfalls das vierteilige
Bremsablaufmodell angewendet. Nach Wende [31] muss der Bremsstufenfaktor fSt bis
sB = sBZ variiert werden. Der Grund ist die gleichzeitige Vorgabe von VZ > 0 km/h und sBZ.
Analog zu den Bremskurven im Abschnitt 5.7.1 erfolgt ebenfalls eine Überschneidung
zwischen der W-Kurve und der Bremskurven des Bremsablaufmodells.
P2
1
Vf F
27,000
28,000
28,400
W1: EW 54 – 500
Ein PZB-geführtes Schienenfahrzeug wird am Vorsignal „Vf“ ein Ks 1 (blinkend) mit ei-
nem Zs 3v „6“ und am Einfahrsignal ein Ks 2 mit einem Zs 3 „6“ angezeigt bekommen.
Somit beginnt dieses Fahrzeug am „Vf“ an zu bremsen. Am Signal „F“ darf nur mit einer
Geschwindigkeit von 60 km/h vorbeigefahren werden. Die Strecke vom ESig „F“ bis zum
ASig „P2“ darf mit maximal 60 km/h befahren werden (vgl. Abbildung 5-11).
P2
1
W1: EW 54 – 500
Die folgende Betrachtung der Fahrzeit bezieht sich vom „Vf“ bis zum „P2“.
Fahrzeit PZB-geführter Zug
Abschnitt Zielentfernung [m] VA [km/h] VE [km/h] Fahrzeit T [s]
1 1000 120 60 40,2
2 456 60 60 27,4
3 244 60 0 30,9
Tabelle 5-5: Ergebnis PZB-Zug aus 5.7
Eigenschaften des Zuges: Brake position P, Train lengh 200 m, λ = 140 %, Gradi-
ent = 0 ‰. Die gesamt Zeit beträgt 98,5 s vom „Vf“ bis zum „P2“.
Fahrzeit ETCS FS-geführter Zug
Die Abbildung 5-12 zeigt den quantifizierten Geschwindigkeitsverlauf eines ETCS-
geführten Zuges.
vmax
60
P2
1
W1: EW 54 – 500
Eine Überlappung der Kurve des Bremsablaufmodells mit der Warning-Kurve ist hier
nicht berücksichtigt. Der Tf würde das Lösen der Bremse verlängern. Mit tLS = 30 s wird
die W-Kurve beim Geschwindigkeitswechsel im Abschnitt 2 nicht geschnitten. Die Fahr-
zeit erhöht sich dadurch um 2,3 s. Die Zielbremsung im Abschnitt 4 dauert mit tLS = 25 s,
1,5 s länger. Die gesamte Zeit beträgt 87,7 s vom „Vf“ bis zum „P2“. Das ETCS FS-
geführte Fahrzeug berechnet sich den Bremseinsatzpunkt selbstständig. Dieser liegt
952 m vor der Weichenspitze; die Strecke von „Vf“ bis zum Bremseinsatzpunkt kann mit
unverminderter Streckengeschwindigkeit gefahren werden.
vmax
60
d1 d2 d3 d4
P/N
1
Da sich mit dem ERA-Tool nur einzelne Bremsvorgänge berücksichtigen lassen, kann d4
und d2 bestimmt werden. Die Maße d1 und d3 sind konstante Fahrgeschwindigkeiten,
welche sich nach Formel (5-19) bestimmen lassen.
𝑑 = 𝑉∗𝑇
(5-19)
mit 𝑉 𝐺𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡, 𝑑 𝑊𝑒𝑔, 𝑇 𝑍𝑒𝑖𝑡
Für die Gegenüberstellung zwischen PZB und ETCS folgt zur Veranschaulichung Abbil-
dung 5-14.
Vf F P2
1000 m 400 m 300 m
1700 m
Abbildung 5-14: Fahrzeit ETCS/PZB im Abzweig grafisch, 400 m (Abstand Signal – Weiche)
Bei diesem Beispiel ist das ETCS-geführte Fahrzeug 10,8 s schneller. Mit Berücksichti-
gung der längeren Lösezeiten verringert sich das Delta auf 7,0 s.
Beträgt der Abstand zwischen dem Signal „F“ und der Weiche nur 200 m, sind beide
Fahrzeiten nahezu identisch (vgl. Abbildung 9-3):
- Summe für das PZB-geführte Fahrzeug: 86,3 s,
- Summe für das ETCS-geführte Fahrzeug: 86,1 s.
5.8 Zusammenfassung
Dieses Kapitel zeigt die Problematik einer genauen Fahrzeitbestimmung im Zusam-
menhang mit den ETCS-Bremskurven. Die Ermittlung der Fahrzeit anhand der P-Kurve
ist ausdrücklich nicht empfohlen. Eine möglichst realistische Betriebsbremsung setzt
das vierteilige Bremsablaufmodell nach Abschnitt 5.6 dar. Problem ist die teilweise
Überlappung mit der Warning- bzw. SBI-Kurve. Die Überschreitung der genannten Kur-
ven wird in der Praxis kein Tf umsetzen. Lösen lässt sich diese Überschreitung durch
einen frühen Bremsbeginn und durch Erhöhung der Lösezeit tLS im Abschnitt 5.6.
Sind pauschale D-Wege bei ETCS FS-geführten Zügen noch sinnvoll? Die D-Weg-Längen
der PZB sollen mindestens eingehalten werden, um die Integration in der vorhandenen
Infrastruktur zu gewährleisten. Es sollen diese Längen jedoch hinterfragt und Ansätze
geschaffen werden, die die D-Wege projektspezifisch festlegen. Nach ersten Erkennt-
nissen ist die Fahrzeit stark von der D-Weg-Länge (Abstand EoA zu SvL) abhängig. Zu-
dem sind alte bestehende Stellwerke im Einsatz, bei denen noch Weg-Längen nach al-
ter Regelung existieren.
Dieses Kapitel zeigt Lösungsansätze, die keine Änderungen der ERA-Spezifikationen
erfordern. Betroffen sind nationale Regelwerke, wie z. B. Planungsrichtlinien.
Das Vertrauensintervall wird für die einzelnen Ansätze nicht berücksichtigt. Erst in der
Auswertung wird das Intervall berücksichtigt.
Alle aufgeführten D-Weg-Längen beziehen sich auf einen Gradienten im Gleis in Höhe
von 0 ‰. Durch Gefälle oder Steigung sind die Werte entsprechend der Ril zu kürzen
oder ggf. zu verlängern.
Die Ergebnisse sind mit folgenden Parametern bestimmt: Brake position P, Train lengh
200 m, Initial Speed (Vi) 120 km/h, λ = 140 %, Gradient = 0 ‰. Die Fahrzeit für den
Bremsvorgang ist anhand der Permitted-Kurve ermittelt. Durch die grafische Abbildung
6-1 lassen sich die Ergebnisse aus Tabelle 6-2 leichter beurteilen. Zu sehen ist der sehr
starke zeitliche Abfall der Kurve bis ca. 30 m EoA-SvL. Die nachstehenden Zeiten sinken
weiter stetig, jedoch nimmt diese Kurve bei sehr hohen Abständen des EoA-SvL eine
nahezu konstante Fahrzeit an. Somit ist die Fahrzeit für den Bremsvorgang indirekt
auch vom Abstand des EoA-Punktes zum SvL-Punkt abhängig.
Die SBD-Kurve endet am EoA und die EBD-Kurve endet am SvL-Punkt. Der Abstand zwi-
schen den Punkten wird im Folgenden auch D-Weg bezeichnet. Aufgrund unterschiedli-
cher Bewertung der sicheren Bremsverzögerung Asafe und der Bremsverzögerung
𝑉𝑠 = 𝑓(𝑑𝑤𝑒𝑔 , 𝜆, 𝑉𝑖 )
𝑉𝑠 ≥ 𝑉𝑔𝑙 (6-1)
𝑉𝑠 𝑆𝑐ℎ𝑛𝑖𝑡𝑡𝑔𝑒𝑠𝑐ℎ𝑤𝑖𝑛𝑑𝑖𝑔𝑘𝑒𝑖𝑡, 𝑉𝑖 𝑖𝑛𝑖𝑡𝑖𝑎𝑙 𝑆𝑝𝑒𝑒𝑑
Vs
SBD
EBD
P
dweg
Vi
EoA SvL
Mit diesen beiden Bedingungen der Formeln (6-1) und (6-2) lässt sich die Schnittge-
schwindigkeit Vs in Abhängigkeit des D-Weges darstellen:
Vs
Zug 1
Zug 2
Zug n
dweg
Die schematisch dargestellten Kurven in der Abbildung 6-3 lassen sich für jede Zugart
mit den verschiedensten Eigenschaften, wie z. B. Bremsleistung, Zuglänge oder Ge-
schwindigkeit, ermitteln. In diesem Diagramm lässt sich leicht das Schienenfahrzeug
mit den schlechtesten Bremseigenschaften ermitteln. Es ist hier der Beispielzug
„Zug n“.
Um die Schnittgeschwindigkeit Vs bestimmen zu können, müssen die Formeln (4-1) und
(4-3) der beiden Kurven gleichgestellt werden. Das Endergebnis sind die Formeln (6-3)
und (6-4).
𝑉 𝑚
( 𝑠 )2
𝑑𝑉𝑠 =
3,6 𝑠 (6-4)
2 ∗ 𝐴𝑒𝑥𝑝𝑒𝑐𝑡𝑒𝑑
Der Quotientenwert d in der Formel (6-4) ist der Abstand vom EoA zum errechneten
Schnittpunkt Vs. Ist die Schnittgeschwindigkeit bestimmt und der Wert gleich der „initial
Speed“, ist das Optimum zwischen Fahrzeit und D-Weg-Länge ermittelt.
Zur direkten Bestimmung eines optimierten D-Weges lässt sich die Formel (6-3) nach
dem dweg umstellen.
𝑉𝑠 2 ∗ (𝐴𝑒𝑥𝑝𝑒𝑐𝑡𝑒𝑑 − 𝐴𝑠𝑎𝑓𝑒 )
𝑑𝑤𝑒𝑔 = (6-5)
2 ∗ 𝐴𝑒𝑥𝑝𝑒𝑐𝑡𝑒𝑑 ∗ 𝐴𝑠𝑎𝑓𝑒
Das Ergebnis der Formel (6-5) ist auf volle Meter aufzurunden.
Folgender Rahmen ist bei der Anwendung der Formeln (6-5) wie auch (6-3) zu beach-
ten:
- Ausgangsgeschwindigkeit bis Vinitial < Vlim mit Vlim (4-17),
- Formeln aus Kapitel 4.5.11.1,
- nationale Werte aus [44],
- Aexpected > Asafe.
Mit dem nachfolgenden Beispiel soll eine Anwendungsmöglichkeit beschrieben wer-
den. Dazu sind vier Beispielzüge bestimmt, und das Ergebnis ist in Abbildung 6-4 dar-
gestellt.
Alle vier Beispielzüge besitzen dieselbe Ausgangsgeschwindigkeit von 120 km/h, und
aus deren Brh werden die Bremsverzögerungen Asafe und Aexpected bestimmt.
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- Zug 1: 150 Brh,
- Zug 2: 145 Brh,
- Zug 3: 135 Brh,
- Zug 4: 100 Brh.
Die D-Weg-Länge bestimmt der Zug 4, da dieser die kleinsten Brh aufweist. Mit 100 % in
Bremsstellung P und einer Ausgangsgeschwindigkeit von 120 km/h in der Ebene (0 ‰)
sollte die D-Weg-Länge demnach mindestens 92 m betragen.
Der Nachteil dieser Methode liegt in der Änderung der ermittelten regelmäßig verkeh-
renden Zugflotte. Verschlechtert sich die Zugflotte gegenüber dem bestimmten
schlechtesten Zug, ist eine Anpassung der Optimierung erneut durchzuführen. Ggf.
resultiert daraus eine Änderung der D-Weg-Länge. Weisen durch einen Wechsel die
verkehrenden Züge bessere Bremswerte auf, ist eine Änderung der D-Weg-Länge nicht
notwendig. Es kann jedoch dadurch eine Verkürzung der D-Weg-Länge durchgeführt
werden, um die Gleisnutzlänge bei Bedarf zu erhöhen. Vorteil dieses Verfahrens ist ei-
ne schnelle und einfache Ermittlung eines genäherten optimierten D-Weges in Bezug
auf die Zugflotte.
6.2.2 Ansatz 2: Optimum zwischen EoA und SvL ermitteln mittels Steigung der
Fahrzeitenkurve
Analog zu 6.2.1 wird die Fahrzeitenkurve für diesen Ansatz anhand der Permitted-
Kurve bestimmt. Eine Bestimmung für die in Abschnitt 5.6 beschriebene Bremswegzeit
ist für diesen Ansatz nicht sinnvoll. Das Überfahren der W- bzw. sogar der SBI-Kurve
mit dem vierteiligen Bremsablaufmodell lässt sich so bei kleinen D-Wegen nicht be-
rücksichtigen. Aus diesem Grund bezieht sich dieser Ansatz weiterhin auf das Bestim-
men der Fahrzeit über die Permitted-Kurve. Durch Berechnung der einzelnen ETCS-
Kurven mit der ERA-Berechnungshilfe lässt sich für die unterschiedliche D-Weg-Länge
die Fahrzeit der P-Kurve ermitteln. Im Anschluss der Berechnungen wird die Fahr-
zeitenkurve dargestellt und deren Steigung ermittelt. Das nachstehende Kriterium soll
zur Bestimmung für das Optimum (Anhaltezeit/D-Weg-Länge) angenommen werden:
∆𝑇𝑝 𝑠
≤ 0,2 (6-6)
∆𝑑𝑤𝑒𝑔 𝑚
Die Festlegung bedeutet, dass ein Fahrzeitgewinn in der Höhe von 0,2 s je Verlänge-
rung des D-Wegs um 1 m erreicht wird.
Zur Verdeutlichung werden beispielhaft zwei Kurven dargestellt. Ergebnis der Kurve mit
Parameter 1 und Parameter 2, Initial Speed 100 km/h, Gradient = 0 ‰ und λ = 140 %.
Der 180 %-Zug erreicht hier das Optimum bei 30 m D-Weg, eine konstante Fahrzeit ist
bereits bei 125 m D-Weg-Länge gegeben.
Das letzte Beispiel zeigt ein Fahrzeug mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h
mit Parameter 1 und Parameter 2 den Gradient von 0 ‰ und mit λ = 140 %.
Vorteil dieses Ansatzes ist die sehr genaue Bestimmung eines gewählten Optimums
sowie die Ermittlung einer konstanten (kürzesten) Fahrzeit. Nachteil ist der Aufwand
dweg
Auffällig ist hier der Knick in den Kurven bei 30 km/h. SBI-, W- und P-Kurve sind zwi-
schen der Ausgangsgeschwindigkeit und den 30 km/h abgeflacht. Begründet wird der
Knick durch die Kreuzung der EBI- und der SBD-Kurve. Die SBI-Kurve ist hier immer die
erste in Fahrtrichtung. An ihr orientieren sich Warning und Permitted. Wird der Ab-
stand zwischen EoA und SvL nun erhöht, steigt der Schnittpunkt. Dadurch wird die P-
Kurve im ersten Teil steiler. Mit Erhöhung des D-Weges verändern sich nicht die Kurven
EBD und EBI. Die Faktoren Dbec und Asafe bleiben identisch. Auch Aexpected bleibt unberührt
von der D-Weg-Länge und sorgt so für einen bleibenden SBD-Kurvenverlauf.
Verschiebt dich der Schnittpunkt EBIxSBD nun in Höhe der Ausgangsgeschwindigkeit,
wird sowohl die SBI-Kurve als auch die Permitted nicht beeinflusst. Dies ist somit ein
Merkmal zur Ermittlung der maximal steilen Permitted-Kurve. Nachstehende Formel
zeigt dieses Verhältnis.
Durch Einsetzen von (4-3) und (4-4) sowie der Auflösung nach dweg erhält man:
Mit der Anwendung der Formel (6-8) und einem Rahmen von folgenden Parametern ist
Abbildung 6-9 erstellt:
- Ausgangsgeschwindigkeit bis Vinitial < Vlim mit Vlim (4-17),
- Ausgangsgeschwindigkeit bis Vinitial ≤ 155 km/h (da Kv_int(V)),
- Formeln aus Kapitel 4.5.11.1,
- nationale Werte aus [44],
- Züge mit der Bremsstellung P,
- maximale Zuglänge von 400 m.
Abbildung 6-9: Vergleich Brh mit D-Weg für konstante Fahrzeiten bei 0 ‰
Mit Darstellung der Abbildung 6-9 wird das zuvor erwähnte nichtlineare Verhalten be-
stätigt. Die errechneten D-Weg-Längen sind bis auf die volle Rundung auf einen Meter
ohne Abweichung zum ERA-Berechnungstool [50].
Problematisch wird die Berechnung mit Formel (6-8) sobald die Bremsverzögerung sich
im Bremsvorgang ändert. Dies geschieht aufgrund der Vorgaben in ERA [42]. Aus den
Beschreibungen der ERA lässt sich ein vereinfachtes Kriterium (6-9) herausschreiben:
Die Bestimmung von Abrake_emergency und Abrake_service ist bereits im Kapitel 4.5.11.1 beschrie-
ben.
SBD
EBD
P
VE Release Speed
t1
t2a,b dweg
Vi
EoA SvL
dp dE
Der Punkt, an dem die P-Kurve durch die Release Speed unterdrückt wird, ist der dE-
Punkt. Bestimmt werden kann dE mit Formel (6-10). Das kleinste dE-Maß kann verein-
facht mit Formel (6-12) ermittelt werden. Mit StartRSM bezeichnet die ERA den Schnitt-
punkt der SBI-Kurve mit der Release Speed-Kurve (vgl. Abbildung 10-7).
𝑑𝑆𝑡𝑎𝑟𝑡𝑅𝑆𝑀 (𝑉𝑅𝑆 ) = 𝑑𝑆𝐵𝐼 (𝑉𝑅𝑆 ) = max{𝑑𝐸𝐵𝐷 (𝑉𝑅𝑆 ) + 𝐷𝑏𝑒𝑐 (𝑉𝑅𝑆 ) , 𝑑𝑆𝐵𝐷 (𝑉𝑅𝑆 )} (6-11)
𝑉𝑅𝑆 2
𝑑𝐸 = (𝑉𝑅𝑆 ) + 𝑇𝑑𝑟𝑖𝑣𝑒𝑟 ∗ 𝑉𝑅𝑆 (6-12)
2 ∗ 𝐴𝑒𝑥𝑝𝑒𝑐𝑡𝑒𝑑
dEBD wird nach Formel (4-1), Dbec nach (4-36) und dSBD nach (4-3) bestimmt.
Die Fahrzeit des anhaltenden Zuges kann mit Verschiebung der Entlassungsgeschwin-
digkeit dE erhöht bzw. verringert werden. Dazu muss dE so nah wie möglich an das Ziel,
Seite 75 von 166
das EoA, heranrücken. Wird der Abstand dweg sehr klein oder sogar zu 0 m, verschiebt
sich dE erheblich dem haltenden Zug entgegen. Wird der Abstand dweg stark erhöht,
rückt VE auf ein Mindestmaß zum EoA heran. Das daraus resultierende Verhalten des
Abstandes dE wird in Abbildung 6-11 gezeigt. Hierbei ist dE mit dem dweg in einem Dia-
gramm dargestellt. Zudem lässt sich die verkehrende Zugflotte in solch einem Dia-
gramm abbilden und bewerten.
dE
Zug 1
Zug n
dweg
Mit Darstellung der Fahrzeit Tp und den beiden erwähnten Punkten lässt sich der Zu-
sammenhang betrachten. Abbildung 6-12 berechnet mit Parameter 1 und Parameter 2,
Initial Speed 60 km/h, Release Speed 15 km/h, Gradient = 0 ‰, λ = 140 % und Brems-
stellung P.
Die Zeit Tp ist nach 5.2 bestimmt, T2a und T2b werden wie folgt ermittelt:
Die dazugehörigen Strecken d2a und d2b werden zur Bestimmung der gesamten Fahrzeit
benötigt. Der Anhalteweg des Zuges (d2b) ist mit Formel (6-13) bestimmt.
Mit Bestimmung der Wege im zweiten Abschnitt lässt sich nun die Zeit T2 mit T2a + T2b
bestimmen.
𝑑2𝑎
𝑇2𝑎 = (6-15)
𝑉𝑅𝑆
𝑉𝑅𝑆 (6-16)
𝑇2𝑏 =
2
𝐴𝑒𝑥𝑝𝑒𝑐𝑡𝑒𝑑 ∗ 3
Die Bremsverzögerung für die Zeit T2b bzw. s2b ist mit zwei Dritteln von Aexpected errech-
net. Denn eine betriebliche Bremsung kann mit zwei Dritteln von der mittleren Schnell-
bremsverzögerung bestimmt werden [31].
In der Formel (6-10) (dE-Maß) ist keinerlei Abhängigkeit zur Ausgangsgeschwindigkeit Vi
vorhanden. Dies bestätigt sich auch, indem Vi variiert wird und das Maß dE unverändert
bleibt. Der Wert dE ist abhängig von der Höhe der Release Speed, den Brh des Zuges,
der D-Weg-Länge sowie abhängig vom Gradienten.
Parameter für Abbildung 6-13: Parameter 1 und Parameter 2, Release Speed 15 km/h,
λ = 140 %, Bremsstellung P, Gradient = 0 ‰.
Abbildung 6-14 zeigt eine praktische Umsetzung des zuvor gezeigten Ansatzes der Zug-
flotte. Mit Formel (6-10) und (6-11) lässt sich dE ohne die Excel-Datei der ERA zur Be-
stimmung der Bremskurven errechnen. Vorteil dieses Ansatzes ist eine schnelle Über-
prüfung eines optimierten D-Weges einer gewählten Zugflotte. Dazu genügt das Dia-
gramm der Abbildung 6-14. So gelingt ein verhältnismäßig kurzer, optimierter D-Weg.
D3
D2
D1
Vorteil der Wahl des D-Weges D3 gegenüber D1 zeigt nachfolgende Tabelle 6-3. Die
Berechnung ist mit Parameter 1 und Parameter 2, mit Vi = 80 km/h, Gradient: auf 700 m
5 ‰, λ = 140 %.
Reduzierung D-Weg-
Wahl-D-Weg [m] Zeit für Bremsung [s] Delta T [s] zu D1
Auflösung [s]
D1 = 45 47,8
D2 = 110 42,4 5,4
D3 = 150 39,3 8,5 -9 1)
Tabelle 6-3: Fahrzeit in Abhängigkeit des D-Weges mit variabler Gleisnutzlänge
EBD EBD_alt EBI SBD SBI Warning Permitted Indication 4+teiliges Bremsablaufmodell PZB
100
90
80
70
60
Speed (km/h)
50
40
30
20
10
EoA SvL
0
600,00 500,00 400,00 300,00 200,00 100,00 0,00 -100,00 -200,00
H
Abbildung 6-16: EoA und SvL in Fahrtrichtung verschieben mit D-Weg, Vi = 80 km/h
Ein weiteres Beispiel ist mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h umgesetzt
und wird mit nachstehender Abbildung dargestellt. Für Abbildung 6-17 gilt: Parameter
1 und Parameter 2, Gradient: 0‰, λ = 140 %, Bremsstellung P, 200 m Zuglänge und D-
Weg = 50 m.
Mit der Verschiebung in Fahrtrichtung (x-Richtung = 20 m) lässt sich ein freies, individu-
elles Bremsen erreichen. Nachteil: Die Nutzlänge wird um 20 m reduziert. Einen detail-
lierten Ausschnitt aus Abbildung 6-17 zeigt Abbildung 6-18.
Abbildung 6-18: EoA und SvL in Fahrtrichtung verschieben mit D-Weg, Vi = 40 km/h,
Ausschnitt
Ein Vergleich mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 120 km/h ist nachfolgend abge-
bildet. Vergleich der Kurven ohne (links) und mit 30 m x-Verschiebung (rechts). Für Ab-
bildung 6-19 gilt zusätzlich: Parameter 1 und Parameter 2, Vi = 120 km/h,
Gradient: -10 ‰, λ = 140 %, Bremsstellung P, 200 m Zuglänge und D-Weg = 70 m.
Die Abbildung 6-19 suggeriert, dass die x-Verschiebung von 30 m nicht notwendig sei.
Denn der gezeigte Ausschnitt würde bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h tatsäch-
lich eine kleinere Verschiebung zulassen. Erst die gesamthafte Betrachtung (Abbildung
6-20) zeigt die Notwendigkeit der x-Verschiebung.
Abbildung 6-20: EoA und SvL in Fahrtrichtung verschieben mit D-Weg, Vi = 120 km/h
Ein weiterer Vergleich mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 160 km/h ist nachfol-
gend abgebildet. Der Kurvenausschnitt ohne (links) und mit 10 m x-Verschiebung
(rechts). Für Abbildung 6-21 gilt zusätzlich: Parameter 1 und Parameter 2, Vi = 160 km/h,
Gradient: -10 ‰, λ = 185 %, Bremsstellung P, 200 m Zuglänge und D-Weg = 70 m.
Die hier dargestellten Bremskurven stellen einen kleinen Ausschnitt dar. Damit die An-
wendung der x-Verschiebung praktisch umsetzbar ist, folgt die nachstehende Tabelle
6-4.
Vi [km/h] Brh [%] D-Weg aktuell [m] Δx [m] D-Weg neu [m]
20 140 1) 50 20 10
30 140 1) 50 20 30
40 140 1) 50 20 50
50 140 1) 100 20 50
60 140 1) 100 20 60
70 140 1) 200 20 70
80 140 1) 200 30 70
90 140 1) 200 30 70
100 140 1) 200 30 70
110 140 1) 200 30 70
120 140 1) 200 30 70
130 140 1) 200 30 70
140 140 1) 200 30 70
150 158 2) 200 10 70
160 185 2) 200 10 70
Tabelle 6-4: Vorschlag zur x-Verschiebung bei 0‰
45
40
35
30
Speed (km/h)
25
20
15
10
0
300 250 200 150 100 50 0 -50
Distance from target (m) EoA+SvL
Die Kurven EBD und EBI enden nun zusammen mit allen anderen am Ziel. Die Folge ist,
dass die Kurven sehr flach werden. Ein Überfahren des EoA und SvL soll somit verhin-
dert werden. Flache Bremskurven sorgen jedoch für verlängerte Anhaltezeiten. Zudem
liegt die EBI-Kurve nun in der kompletten Länge auf der SBI-Kurve mit der Auswirkung,
dass 2 s nach Überfahren der Warning-Kurve direkt durch die EBI die Zwangsbremsung
ausgelöst wird. Vergleichsweise entfernt sich die EBI in Abbildung 6-17 ab ca. 30 km/h
von der SBI-Kurve. Ein weiterer Grund für die Gleichheit von SBI und EBI ist die fehlen-
de Nutzung der SBD (Service brake interface/Vollbremsung) nach [44]. Die nachstehen-
de Abbildung 6-23 zeigt den gleichen Bremsvorgang aus Abbildung 6-22, jedoch mit D-
Weg 50 m nach [23]. Zum Vergleich ist die Bremsablaufkurve aus dem vierteiligen Mo-
dell hinzugefügt. Eine Überschreitung der W-Kurve und sogar der EBI (hier auch SBI)
zeigt, dass das Schienenfahrzeug ohne D-Weg-Länge noch zeitiger den Bremsvorgang
einleiten muss. Dieser befindet sich noch vor der Indication-Kurve. Wird diese Proble-
matik ignoriert, verlängert sich die Anhaltezeit von zuvor 31,9 s auf 40,4 s. Damit be-
trägt die Differenz 8,5 s, was 21 % entspricht. Im Vergleich zum PZB-geführten Fahrzeug
beträgt das Delta sogar 17 s (78 %).
Die Ermittlung eines solchen Bremsvorganges lässt sich mit dem vierteiliegen Bremsab-
laufmodell nicht nachstellen. Zwei Möglichkeiten können das Überfahren der Warning-
Kurve reduzieren:
1. Verlängerung des Bremsweges,
2. Erhöhung der Lösezeit tLS im Bremsmodell.
Die Lösezeit beträgt, bei Zügen in Bremsstellung P, 18 s [31]. Mit einer Verdreifachung
und Erhöhung der Bremsvorgabestrecke wird immer noch ein Überfahren außerhalb
der P-Kurve erreicht.
Abbildung 6-24 mit tLS = 54 s, sBZ = 350 m, Bremswegzeit 63,5 s.
2
1
Wie hier zu sehen ist (Abbildung 6-25), sind zwei Situationen abgebildet. Die einen Kur-
ven enden am Nullpunkt (1), die anderen (2) sind um 200 m verschoben. Verbleibt der
Halt des Zuges weiterhin am Nullpunkt, ergibt sich so ein völlig freies Bremsen als mit
der Kurvenschar (2). Betrieblich muss hier sichergestellt werden, dass der Tf seinen
fahrplanmäßigen Halt nicht überfährt. Die folgende Abbildung 6-26 ergänzt die Abbil-
dung 6-25 durch das vierteilige Bremsablaufmodell für ETCS- und PZB-geführte Züge.
Für Abbildung 6-26 und Abbildung 6-27 gelten folgende Faktoren: Parameter 1 und Pa-
rameter 2, Vi = 80 km/h, Gradient: 0 ‰, λ = 140 %, Bremsstellung P, 200 m Zuglänge
und D-Weg = 0 m.
Auffällig ist hier die Lücke zwischen den Bremsablaufmodellen und der Permitted-
Kurve. Dieser Puffer sollte genutzt werden, um den Abstand vom planmäßigen Halte-
punkt und dem EoA/SvL-Punkt weiter zu reduzieren. Dadurch wird die Nutzlänge des
Gleises erhöht.
Abbildung 6-27: Ansatz nach [55, p. Video], ergänzt mit dem vierteiligen Bremsab-
laufmodell und x-Verschiebung von 100 m
Nachteil dieses Ansatzes ist, dass im Level 1 die MA nur punktuell übertragen wird.
Hierbei lässt sich eine MA nur über eine Balise bzw. ein Infill-Element übermitteln. Wird
nun der vorzeitige Halt weit vor dem angezeigten EoA durchgeführt, sollte dort in un-
mittelbarer Nähe eine Infill-Balise installiert sein. Sonst müsste das Schienenfahrzeug
sich schleichend dem Gefahrpunkt nähern, um eine MA aufzunehmen. Ein Vorteil die-
ses Ansatzes ist, dass kein D-Weg vorhanden ist. Das hat den Nutzen, dass die D-Weg-
Als Vorschlag für die x-Verschiebung können die Maße Δx und D-Weg neu aus der Ta-
belle 6-4 addiert werden. Das Ergebnis ist in Tabelle 6-5 zu finden.
Vi [km/h] Brh [%] D-Weg aktuell [m] Δx [m]
20 140 1) 50 30
30 140 1) 50 50
40 140 1) 50 70
50 140 1) 100 70
60 140 1) 100 80
70 140 1) 200 90
80 140 1) 200 100
90 140 1) 200 100
100 140 1) 200 100
110 140 1) 200 100
120 140 1) 200 100
130 140 1) 200 100
140 140 1) 200 100
150 158 2) 200 80
160 185 2) 200 80
Tabelle 6-5: Vorschlag zur x-Verschiebung bei 0 ‰ ohne D-Weg
70
60
Speed (km/h)
50
VRS = 45 km/h
40
30
VRS = 10 km/h
20
10
0
600 500 400 300 200 100 0 -100
Distance from target (m)
6.6 Zusammenfassung
Die Analyse der D-Weg-Längen und deren Abhängigkeit zur Fahrzeit sind durch eine
Vielzahl an Faktoren nicht pauschal festlegbar. Dennoch sollten die Längen projektbe-
zogen definiert werden. Dabei spielen folgende Faktoren eine Rolle:
- Nutzlänge der Gleise,
- Kreuzung von Zügen (bei eingleisigen Strecken),
- Fahrzeit,
- die verkehrende Fahrzeugflotte.
Mit der Analyse der betrieblichen Aufgabenstellung kann der D-Weg projektbezogen
geplant und umgesetzt werden.
Die folgende Übersicht über die Einflussfaktoren auf die D-Weg-Länge im Bezug zur
Fahrzeit soll den Abschnitt 5.8 grafisch zusammenfassen.
DB LH L2 1)
Gradient
Brh
Bremsstellung Zuglänge
Für ein besseres Verständnis sind die Begriffe „ceiling speed“, „target speed“, Ge-
schwindigkeit „MRSP“ (Most Restrictive Speed Profile) sowie „LoA“ (Limit of Authority)
grafisch dargestellt. Die Begriffe sind in den ERA-Dokumenten definiert [42] und wer-
den analog in diesem Kapitel verwendet.
ceiling speed
MRSP
target speed
LoA
Das Kapitel gibt Vorschläge für Änderungen, welche die ERA-Spezifikationen betreffen.
𝑇𝑤𝑎𝑟𝑛𝑖𝑛𝑔 = 2 𝑠
(7-1)
𝑇𝑑𝑟𝑖𝑣𝑒𝑟 = 4 𝑠
Die Formeln (4-7) und (4-8) definieren die Kurven Permitted und Warning.
Ein Grund der flachen Bremskurven liegt an den Abständen zwischen SBI-, Warning-
und Permitted-Kurve. Zu jedem Zeitpunkt im Bremsvorgang betragen die Abstände zu
den Kurven SBI, P und W immer 2 s (vergleiche Abbildung 7-2).
Twarning
2s
4s
Tindication Tdriver
Durch die Reduzierung dieser konstanten Zeiten verringert sich der Abstand unterei-
nander, und somit erhöht sich u. a. die Steilheit der P-Kurve (höhere Bremsbeschleuni-
gung). Zu Beginn der Verzögerung sollen die Zeiten konstant bleiben, um die vorgege-
benen Reaktionszeiten des Tf nicht zu verändern. Befindet sich das Schienenfahrzeug
nun im Bremsvorgang, sollen beide Fixed Value reduziert werden. Die Zeiten sollen
nach folgenden Formeln bestimmt werden:
𝑉𝑒𝑠𝑡
𝑇𝑑𝑟𝑖𝑣𝑒𝑟 = max{4 𝑠 ∗ , 2 𝑠} (7-3)
𝑉𝑖
𝑉𝑒𝑠𝑡
𝑇𝑤𝑎𝑟𝑛𝑖𝑛𝑔 = 2 𝑠 ∗ (7-4)
𝑉𝑖
Tdriver (7-3) sollte nicht kleiner als 2 s werden, damit bis zum Ziel ein Mindestabstand von
1 s gewährleistet ist.
Werden die Formeln (7-3) und (7-4) in den Formeln (4-7) und (4-8) eingesetzt, ergibt
sich, bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von Vi = 40 km/h mit Parameter 1 und Parame-
Abbildung 7-3: Dynamische Änderung von Tdriver und Twarning mit Vi = 40 km/h
Abbildung 7-4: Dynamische Änderung von Tdriver und Twarning mit Vi = 160 km/h
Nach Abbildung 7-5 ist die PZB-Bremsablaufkurve (mit bBZB = 0,7 m/s2) um 90 m ver-
schoben. Einen nennenswerten Unterschied zum Abschnitt 6.4 gibt es jedoch nicht.
Grund dafür ist der fehlende D-Weg. Zum Bremseinsatzpunkt hin sind die Kurven wei-
terhin sehr flach. Durch die Auslegung der dynamischen Reduzierung wird der Brems-
beginn nicht genügend optimiert. Zum Ende hin schafft die zeitliche Reduzierung mehr
Freiheit, welche in diesem Fall von Vorteil ist, aber nicht effektiv genutzt werden kann.
Die Werte aus der Tabelle sind geschwindigkeitsabhängig und sollen den Abstand im
unteren Geschwindigkeitsbereich reduzieren. Daraus erfolgt Abbildung 7-6:
45 km/h
15 km/h
dweg
Vi
EoA SvL
Auch dieser Lösungsweg muss zur endgültigen möglichen Umsetzung intensiver unter-
sucht werden.
Vorteil:
- freies Bremsen (hier ab VRS = 45 km/h),
- Halt des Fahrzeuges vor SvL (RS liegt vor EBI),
- Übermittlung mit einer MA möglich (somit auch im L2 FS).
Nachteil:
- Änderung ERA-Spezifikationen: Kurven-Berechnungen sowie das DMI
Die EBD- als auch die EBI-Kurve haben eine sicherheitsrelevante Funktion und sollen
weiterhin bestehen bleiben. Um jedoch den notwendigen Freiraum zu schaffen, entfal-
len die Kurven SBD, SBI, W und P. Neu dazukommen soll eine Warning_EBI-Kurve und
eine Bremsablaufkurve (BK), die die Permitted-Kurve ersetzt. Die BK soll analog der P-
Kurve die gleiche Funktion im DMI auslösen.
Neu ist die Endung der W_EBI. Diese soll zusammen mit der EBD, EBI an der SvL enden.
Dies hat den Vorteil, dass zum Ende des Bremsvorganges Platz geschaffen wird, wo
sich sonst alle Kurven außer EBD und EBI am EoA treffen.
Das Beispiel der Abbildung 7-9 zeigt einen Bremsvorgang aus 160 km/h mit 185 Brh in
der Ebene und einem D-Weg von 100 m. Erkennbar sind die Kurven, Permitted und
Warning_alt, nach der SRS V3.6.0 [42]. Zusätzlich ist die Bremsablaufkurve mit dem
vierteiligen Bremsablaufmodell dargestellt. Zu sehen ist der frühere Bremsbeginn der
BK-Kurve mit einer mittleren Bremsverzögerung von 0,7 m/s². Würde die mittlere
Bremsverzögerung größer als 0,7 m/s² sein, wäre die Kurve steiler und ein früherer
Bremsbeginn wäre somit möglich. Zum Ende hin wird jedoch eine Überschneidung der
Kurven deutlich: Die Ablaufkurven schneiden sich bei einer Geschwindigkeit von ca.
40 km/h. Die Permitted-Kurve fällt somit zum Ziel hin flacher aus. Die neue Kurvenkon-
struktion sorgt zum Ende hin für die notwendige „Freiheit“, da dort keine Warning-
Kurve am EoA endet. Ein Überfahren des EoA führt auch nicht zu einem Sicherheitsrisi-
ko, da die EBI und EBD hier unverändert sind.
160 dV_Warning
Twarning * Vest
140
120
≥ 2 s * Vest
Speed (km/h)
100
80
60
40
20
0
2000 1900 1800 1700 1600 1500 1400 1300 1200 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 -100
Distance from target (m)
Damit der Abstand zur Warning_EBI nicht zu gering wird oder es sogar eine Über-
schneidung gibt, soll dieser Abstand mindestens 2 s * Vest betragen. Dazu wird folgende
Regel verwendet: Wenn der Abstand zwischen Warning_EBi und der BK ≤ 2 s * Vest be-
trägt, dann soll die normierte Verzögerung so lange um -0,001 m/s² reduziert werden,
bis der notwendige Abstand eingehalten werden kann.
Abbildung 7-11: Vergleich der ETCS-Kurven und der Bremsablaufkurve: Ausschnitt mit
100 m D-Weg
Mit Reduzierung der D-Weg-Länge (Abstand EoA und SvL) von 100 m auf 50 m wird die
BK flacher, um den notwendigen Abstand zur Warning_EBI einzuhalten. Das sorgt für
einen früheren Bremseinsatzpunkt von 1400 m auf 1700 m. Dazu folgend die Abbil-
dung 7-12:
Eine weitere Reduzierung des D-Weges kann nicht empfohlen werden. Der Bremsbe-
ginn der BK wird sich weiter erheblich verlängern. Bei der aktuellen Kurvenberechnung
der ERA wird dieser extrem frühe Bremsbeginn zwar nicht errechnet, jedoch wird die
Permitted-Kurve zum EoA hin sehr flach und wird Knicke enthalten. Die BK hat somit
nur noch eine mittlere Bremsverzögerung von 0,18 m/s² (vgl. Abbildung 7-13).
Dieser Ansatz hat, wie andere auch, Vor- und Nachteile. Eine Auflistung folgt hier.
Vorteile:
- Warning nur zu EBI-Kurve,
- generiert Freiraum zum EoA hin,
- kontinuierliche Bremsablaufkurve.
60
50
40
Speed (km/h)
ETCS: Permitted
30
Kv_int_0_a(v) = 1,0
Kv_int_0_a(v) = 1,2
20 Kv_int_0_a(v) = 2,54
LZB: Sollbremskurve
10
LZB: Schnellbremskurve
4teiliges Bremsablaufmodell
0
300 250 200 150 100 50 0
Distance from target (m)
Abbildung 7-14: Bremskurvenvergleich: LZB, ETCS und ETCS angepasst bei 60 km/h
Die graue Kurve (DB LH L2) ist nach den Vorgaben aus dem Lastenheft der DB [44] be-
rechnet. Durch die Änderungen des Kv_int_0_a(v) wird deutlich, dass - selbst bei größt-
möglichem Wert - die Kurve zum Ziel hin nicht ausreichend beeinflusst werden kann.
Der Grund liegt hier an den Vorgaben von Twarning und Tdriver, welche fest definiert sind.
Somit ist eine Verschiebung der P-Kurve in Richtung EoA nicht mehr möglich. Erst mit
Veränderung dieser beiden Zeiten lässt sich die flache P-Kurve verändern. Das Ergebnis
dieser Änderung drückt die blaue Kurve aus. Bei dieser Kurve ist Twarning nach Formel
(7-4) und Tdriver nach Formel (7-3) bestimmt. Die grüne Kurve mit der Hohldarstellung
zeigt den Bremsablauf, welcher mit dem bereits beschriebenen vierteiligen Bremsab-
laufmodell bestimmt ist. Auffällig ist hier der sehr ähnliche fast identische Verlauf mit
7.5 Zusammenfassung
Festgehalten werden kann, dass es grundsätzlich zwei mögliche Lösungswege gibt, um
die Bremsablaufkurven zu optimieren: einer ohne Änderung der ERA-SRS, der Andere
mit Änderung. Beide Wege haben ihre beschriebenen Vor- und Nachteile.
Permitted
Vinitial
VMRSP/LOA
8
dp_MRSP
Somit ist eine Sicherung für einen Geschwindigkeitswechsel von 100 km/h auf 90 km/h
nicht erforderlich. Wird die Ausgangsgeschwindigkeit jedoch von 100 km/h auf 80 km/h
reduziert, ist eine Sicherung erforderlich. Die Art der Sicherung ist für die PZB in der Ril
819 [60] und für das ETCS L1 LS im Lastenheft der DB [43] geregelt.
D_bec (V)
dV_sbi dV_ebi
D_bec (V)
VMRSP/LOA
dV_warning
PZB 90
dp_MRSP
6
6
Lf 6 Lf 7
Durch SRS der ERA [42] wird die Höhe von dVebi festgelegt. Folgende Abbildung erläutert
den Zusammenhang.
C_ebi
= 15 km/h
= 7,5 km/h
Aufgrund der vorgegebenen Werte aus Abbildung 8-3 ergibt sich für die konstante Stei-
gung Cebi:
Erwähnenswert ist, dass alle Variablen aus der Abbildung 8-3 Fixed Value und somit
von außen nicht veränderbar sind [42].
𝑙 𝑙 2
𝑇𝑏𝑟𝑎𝑘𝑒𝑏𝑎𝑠𝑖𝑐 = 𝑎+𝑏( )+𝑐( )
𝑒𝑏 100 100 (8-6)
mit 𝑙 = 400 𝑚, 𝑎 = 2,3, 𝑏 = 0, 𝑐 = 0,17
𝑇𝑏𝑟𝑎𝑘𝑒𝑒𝑚𝑒𝑟𝑔𝑒𝑛𝑐𝑦
𝑐𝑚𝑡
= 𝑘𝑡𝑜 ∗ 𝑇𝑏𝑟𝑎𝑘𝑒𝑏𝑎𝑠𝑖𝑐
𝑒𝑏
(8-7)
𝑇𝑏𝑒 = 𝑇𝑏𝑟𝑎𝑘𝑒𝑒𝑚𝑒𝑟𝑔𝑒𝑛𝑐𝑦
𝑐𝑚𝑡
= 6,024 𝑠 (8-9)
Der Vorgang der Ermittlung von Tbe zeigt eindeutig, dass die Bremsaufbauzeit unab-
hängig vom λ-Wert ist.
Die Tabelle 8-2 zeigt beispielhaft das Ergebnis von Dbec in Abhängigkeit von VLoA/MRSP in
der Ebene mit λ = 145 %. Die Geschwindigkeit Vlim beträgt nach Formel (4-17) 141 km/h.
Deshalb ist die Anwendung der Werte aus Tabelle 8-2 bis zu einer Ausgangsgeschwin-
digkeit von 141 km/h begrenzt.
In der zweiten Spalte der Tabelle 8-2 findet sich die Geschwindigkeit VEBI (vgl. Abbildung
8-2). Dies ist die maximal-mögliche Geschwindigkeit an der projektierten Langsamfahr-
stelle. Im Vergleich zu den Toleranzen der PZB folgt zwar ein verbessertes Sicherheits-
niveau, aber auch ein früheres Erreichen der Zielgeschwindigkeit. Die Permitted-Kurve
der Abbildung 8-2 zeigt das beschriebene Problem. Bereits 160 m vor der projektierten
Lfst ist die Zielgeschwindigkeit bereits erreicht.
Verschiebung in
Fahrtrichtung
„P“, ≤ 400 m
Vi < Vlim
konst. Gradientenprofil
λ steigt λ sinkt
𝑉𝑀𝑅𝑆𝑃/𝐿𝑂𝐴 2 − 𝑉𝐸𝐵𝐼 2
𝑑𝑥𝐿𝑜𝐴 = (8-12)
2 ∗ 𝐴𝑠𝑎𝑓𝑒
Wird die Lfst in Abbildung 8-5 um 130 m verschoben, ergibt sich das folgende Bild:
Der Geschwindigkeitswechsel ist mit 130 m hinter dem zuvor aufgestellten Lf 7 verlegt.
Dieses Maß findet sich in Tabelle 8-2 als Maß von Dbec (67,5 km/h) wieder. Die Permitted-
Kurve mündet somit 18 m vor dem Lf 7 in die gewünschte Zielgeschwindigkeit. Ein the-
oretischer Fahrzeitverlust ist somit von zuvor 4,4 s auf 0,5 s herabgesetzt.
𝑙 2
𝑇𝑏𝑟𝑎𝑘𝑒𝑏𝑎𝑠𝑖𝑐 = 12 + 0,05 ( ) (8-13)
𝑒𝑏 100
Der theoretische Fahrzeitgewinn ist abhängig von der Ausgangsgeschwindigkeit Vi, der
Bremsleistung sowie der Zielgeschwindigkeit. Würde die Lfst genau um das Maß
dp_MRSP verschoben werden, wäre der Fahrzeitverlust nicht mehr vorhanden.
Die x-Verschiebung ist unabhängig von der Länge der Lfst. Sie soll lediglich das zu frühe
Absenken der Permitted-Speed verringern. Die Auswirkung einer x-Verschiebung zeigt
Abbildung 8-7.
Vinitial Permitted
VMRSP/LOA
x-Verschiebung
8
Projektierung Lfst
Die Werte nach Tabelle 8-3 können jedoch für die allgemeine Verschiebung ohne Wei-
teres nicht verwendet werden. Wenn nun die Stelle des Geschwindigkeitswechsels pla-
nerisch hinter die eigentliche Lfst verschoben wird, muss sichergestellt sein, dass alle
Züge die Geschwindigkeit der Lfst nicht signifikant übersteigen. Der Wert ΔV aus 8.1
(L1 LS/PZB) soll die Grenze darstellen. Aus diesem Grunde folgt mit Abschnitt 8.4.2 eine
Risikoanalyse zu diesem Thema.
Wie die Tabelle 8-4 deutlich zeigt, ist das Verschieben eines Geschwindigkeitswechsels
im genannten Rahmen nicht effektiv. Der höchste Fahrzeitgewinn beträgt max. 4,0 s.
Fazit für die x-Verschiebung von dp_MRSP:
Die Fahrzeitverluste sind aufgrund der frühzeitigen Entlassung vorhanden. Diese lassen
sich nicht effektiv mit der x-Verschiebung reduzieren. Grund dieser Problematik ist,
dass beliebige Fahrzeuge auf der Schiene verkehren können, die unterschiedlichste
Bremseigenschaften besitzen. Deshalb muss der ungünstigste Fall angenommen wer-
den. Eine Möglichkeit, die maximal erlaubte Geschwindigkeit einer Lfst zu verändern,
ist nicht gegeben.
Mit den Werten aus der Tabelle 8-5 folgt ein Beispiel für einen Geschwindigkeitswech-
sel auf 90 km/h:
𝑘𝑚 𝑘𝑚
30 − 10
𝐶𝑒𝑏𝑖 = ℎ ℎ = 2 (8-14)
𝑘𝑚 𝑘𝑚 11
160 − 50
ℎ ℎ
Bei einer Lfst von 100 km/h beträgt dVebi 19,09 km/h und bleibt damit im Rahmen von
20 km/h.
140
120
100
Speed (km/h)
80
60
40
20
0
1200,00 1100,00 1000,00 900,00 800,00 700,00 600,00 500,00 400,00 300,00 200,00 100,00 0,00 -100,00
Distance from target (m)
Mit Erhöhung der Lösungszeit tLS der Bremse von zuvor 18 s auf 24 s wird eine Über-
schreitung in den Warning-Bereich vermieden. Die betriebliche Lösezeit für diesen
Bremsvorgang steigt um 2,5 s auf 10,1 s (fSt = 0,421). Diese Korrektur zeigt die nachste-
hende Abbildung.
Abbildung 8-10: MRSP/LoA: Ansatz zur Kurvenänderung mit höherer Lösezeit tLS
Die Änderungen der Fixed Value sorgen für einen größeren Spielraum beim Lösen der
Bremsen. Der gewonnene Spielraum hilft jedoch nicht in allen Fällen. Weitere Faktoren
des vierteiligen Bremsablaufmodells müssen hier überarbeitet werden. Anpassungen
am Bremsablaufmodell können in der Theorie vorgenommen werden, können jedoch
nur vom Tf umgesetzt werden. Im schlechtesten Fall erreicht das Schienenfahrzeug den
Geschwindigkeitswechsel bereits weit vor dem dp_MRSP. Wird dp_MRSP jetzt als Ziel angese-
hen, kann sich so der theoretische Fahrzeitverlust verdoppeln (vgl. grüne Kurve
„Bremsablaufmodell + delta x“ aus Abbildung 8-11).
8.7 Zusammenfassung
Die individuelle und genaue Umsetzung trägt zur weiteren Erhöhung der Sicherheit bei,
sorgt aber gleichzeitig auch für eine frühzeitige Entlassung des Schienenfahrzeugs in
die Zielgeschwindigkeit. Bei genauer Betrachtung des Tachometers und der Zielentfer-
nung auf dem DMI fällt eine Ungenauigkeit der Anzeige auf. Der Tacho zeigt die er-
reichte Zielgeschwindigkeit an, während die Zielentfernung noch nicht bei 0 m ange-
langt ist (vgl. dazu Abbildung 8-12).
Die Vorschläge in diesem Kapitel betreffen lediglich die Änderung von nationalen Pla-
nungsrichtlinien bzw. die planerische Umsetzung der Infrastruktur. Zudem findet ein
Vergleich der D-Weg-Längen statt.
D-Weg-Ist
10 m D-Weg-Soll
H
6m
PZB 90
Halteplatz zum D-Weg-Ende
15 m Δx D-Weg
Vertrauens
H
Wie in Abbildung 9-2 zu sehen, kann ETCS in die vorhandene Infrastruktur (D-Weg-
Längen) integriert werden. Bei den „alten“ D-Weg-Längen von 50 m mit 60 km/h gibt es
jedoch eine Differenz. Die Reduzierung des Abstandes ab 150 km/h ist auf die Erhö-
hung der Brh zurückzuführen. Denn ein Sch8ienenfahrzeug benötigt im Gradienten mit
0 ‰ min. 158 Brh bei 150 km/h und 185 Brh bei 160 km/h [40]. Selbstverständlich kön-
nen ETCS geführte Züge mit 140 Brh auch 160 km/h fahren, aber um dem Vergleich
gerecht zu werden, sind diese beiden Werte herangezogen. Die nachstehende Tabelle
zeigt die Differenz aus dem Punkt (2).
Geschwindigkeit Abstand ETCS Abstand PZB theoretischer Fahrzeit-
[km/h] [m] „alt“ [m] verlust [s]
40 70 66 4,3 1)
50 80 66 9,5 1)
60 90 66 10,4 1)
Tabelle 9-1: Differenz ETCS/PZB D-Wege
H
P2
Vf F 10 m
1000 m 200 m 300 m
1500 m
Der ungünstige Fall ist ohne den Zuschlag eines Vertrauensintervalls bestimmt. Ob das
Fahrzeug das Ne 5 erreicht oder vorher zum Stehen kommt, soll hier auf die ermittelte
Fahrzeit keinen Einfluss haben. Die Summe der Fahrzeit beider Züge ist nahezu iden-
tisch. Das ETCS-Fahrzeug kann 210 m konstant 120 km/h fahren, während das PZB-
geführte Fahrzeug den Bremsvorgang spätestens am Vorsignal einleiten muss. Auf-
grund des zu kurzen Abstandes (D-Weg, x-Verschiebung) am Ziel, verliert das ETCS-
Fahrzeug die zuvor gewonnene Zeit.
𝑟 ∗ 𝑧𝑢𝑙 ∆𝑢𝑓
𝑣𝑚𝑎𝑥 = √ (9-1)
11,8
Die Grenzwerte für Δuf sowie die Ergebnisse zeigt die anschließende Tabelle 9-2:
Durch die Ermittlung der möglichen Geschwindigkeiten bei Weichen, lässt sich das ziel-
genaue Abbremsen der Geschwindigkeit auf die Weichenspitze verbessert umsetzen.
Die Problematik der zu frühen Entlassung bei einem Geschwindigkeitswechsel (vgl. Ka-
pitel 8) kann beim Weichenradius von 500 m ein Stück weit entschärft werden.
In diesem Kapitel wird ein Ansatz verfolgt, welcher nur Änderungen von nationalen
Richtlinien erfordert. Änderungen der ERA-Spezifikationen sind nicht erforderlich.
10.1 Ausgangssituation
Befindet sich ein Bahnübergang (BÜ) in einem D-Weg, darf auf Einschaltung dieses BÜ
verzichtet werden, wenn ein Sicherheitsabstand sd zwischen dem deckenden Signal
und dem BÜ eingehalten ist. Diese Festlegung betrifft hauptsächlich PZB 90-geführte
Züge. Nach der Planungsrichtlinie 819 sowie 815 der DB müssen nachfolgende Min-
destabstände in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit eingehalten werden. Kann die-
ser Abstand nicht eingehalten werden, muss der BÜ im D-Weg eingeschaltet werden.
Örtl. Zul. Geschwindigkeit VE [km/h] min. Abstand sd [m]
≤ 40 10
40 < VE ≤ 80 30
> 80 50
Tabelle 10-1: Sicherheitsabstand sd nach [22]
Die hier dargestellten Werte sind 1968 von dem damaligen Bundesbahn-Zentralamt
festgelegt worden [61]. Eine Begründung für diese Festlegung der Werte ist nicht mehr
existent bzw. lässt sich nicht ermitteln. Der Gedanke, einen Bahnübergang in einem D-
Weg nicht einzuschalten, ist aus Sicht des Straßenverkehrsteilnehmers (SVT) völlig an-
gemessen.
Situation eines geschlossenen BÜ im D-Weg: Bei Einstellung einer ZS wird der BÜ im D-
Weg eingeschaltet. Die ZS läuft ein, der BÜ erhält vom Stellwerk den Einschaltbefehl,
und das Startsignal zeigt einen Fahrtbegriff. Die BÜSA schaltet ein und meldet die „ge-
sichert“ Meldung an das Stw, welches die Meldung anzeigt, jedoch nicht notwendig für
die Fahrtstellung des Startsignals ist. Der Straßenverkehrsteilnehmer muss vor den BÜ
warten. Die Zugfahrt fährt ins Zielgleis ein. Mit Auflösung des D-Weges wird der Bahn-
übergang vom Stellwerk ausgeschaltet. Die Schranken öffnen sich bzw. die Lichtzeichen
werden ausgeschaltet. Dieser Vorgang sorgt für Unverständnis der Straßenverkehrs-
teilnehmer. Die langfristige Folge wäre, dass durch solche wiederholten Vorgänge der
Straßenverkehrsteilnehmer beginnt, den gesicherten Bahnübergang zu ignorieren. Die
Folge könnte ein Zusammenprall zwischen einem durchfahrenden Zug und einem SVT
sein.
Situation eines im Sicherheitsabstand befindlichen BÜ im D-Weg: Die Zugfahrt wird
durchgeführt, und der SVT wird nicht beeinträchtigt. Die BÜSA bleibt in Grundstellung
offen (nicht gesichert). Erst mit Befahren des Schienenfahrzeugs wird die BÜSA einge-
schaltet.
10.2 Ziel
Mit Untersuchung der beiden Zugbeeinflussungssysteme PZB 90 und ETCS ergeben
sich für die Betrachtung des Sicherheitsabstandes zwei wichtige Unterschiede. Die PZB
kann nur einen gewissen Rahmen an Überwachung bieten (siehe bereits beschriebene
Eigenschaften im Kapitel 4.4.1), während das ETCS in der Betriebsart FS (Kapitel 4.5)
einen vollüberwachten und zugabhängigen Bremsvorgang ermöglicht. Durch die Voll-
10.3 Herangehensweise
Beide Zugbeeinflussungssysteme müssen miteinander verglichen werden. Dazu muss
das zu betrachtende System beschrieben und analysiert werden. Von Relevanz sind
mögliche Überfahrlängen der Schienenfahrzeuge bei einem Überfahren des planmäßi-
gen Halts. Auf den ersten Blick scheint die D-Weg-Länge keinen Einfluss auf das Ergeb-
nis auszuüben. Der Vergleich soll mittels einer Risikoanalyse durchgeführt werden.
Hierbei sind alle notwendigen Faktoren zu berücksichtigen und auszuwerten. Die somit
notwendige Risikoanalyse wird in den nachfolgenden Abschnitten gesondert durchge-
führt.
10.4.1 Einführung
Eine detaillierte Erklärung zum Thema „Sicherheitsabstand sd“ erfolgte im Kapitel 10
bereits.
Mit der Einführung des vollüberwachten Zugbeeinflussungssystems (ETCS FS) ergibt
sich die Chance, diesen Sicherheitsabstand neu zu bewerten und anzupassen. Lässt
sich der Abstand unabhängig von dessen Ausgangsgeschwindigkeit einheitlich festle-
gen? Kann zudem der Abstand verkürzt werden?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich diese Risikoanalyse. Die Untersuchung soll jedoch
nur die sicherheitstechnischen Aspekte beleuchten. Mögliche betriebliche Maßnahmen
sind nicht Teil dieser Analyse.
10.4.2 Systemdefinition
1/2
D1 N1
1,220
soll: 50 m
D1 N2
soll: 50 m
Die Vollständigkeit ist, wie erwähnt, in der Abbildung nicht gegeben. Eine Liste aller be-
troffenen Komponenten, mit Beschreibung und deren Schnittstelle zur Umwelt, ist in
der nachfolgenden Tabelle beschrieben.
Zusammenprall
Begegnung Straße/Schiene
kann nicht
ausweichen
Schiene Straße
Schadensausmaß
rs
Kollis me
ionsg d es ilneh
Schie eschwind t
Ar hrste
nenfa ig
hrzeu keit e rke
g nv
a ße
Str Material
v am Halt Gewicht
Bremseigen-
schaften
Größe
Schiene Straße
Der einzige Unterschied zwischen einem PZB- oder ETCS-geführten Zug ist in Abbildung
10-3 durch einen rot gekennzeichneten Kreis zu erkennen. Alle weiteren Faktoren sind
für einen Vergleich (PZB/ETCS), auch ebenfalls in der Abbildung 10-2, identisch. Der
Faktor des Missachtens in der Abbildung 10-2 wird zwischen dem PZB-geführten und
dem ETCS-geführten Zug nicht übereinstimmend sein. Unter der Voraussetzung der
kontinuierlichen Überwachung im ETCS wird dieser Faktor gegenüber der PZB reduziert
sein. Diesen Unterschied jedoch festzustellen bzw. zu analysieren, würde in keinem
Verhältnis zum Nutzen stehen. Es wird zudem davon ausgegangen, dass selbst nach
dem Feststellen des Faktors nur ein marginaler Unterschied im Gesamtsystem entste-
hen wird. Aus diesem Grund wird dieser Faktor nicht berücksichtigt.
10.4.2.3 Anwendungsbedingungen
Die Änderung des Systems ist beschränkt auf die vollüberwachten ETCS-geführten Zü-
ge in der Betriebsart FS. Eine Anwendung auf die Betriebsart LS ist nicht möglich. Folg-
lich ist die Anwendung im L1, L2 sowie L3 möglich. PZB 90-geführte Züge behalten wei-
terhin den geforderten Sicherheitsabstand nach [22]. Weitere Einschränkungen beste-
hen nicht.
10.4.5 Risikoanalyse
Mit Durchführung der Risikoanalyse soll gezeigt werden, dass trotz Verkleinerung des
Sicherheitsabstandes das Sicherheitsniveau zu der aktuellen Regelung gleich bleibt.
Das damit verbundene, akzeptierte Sicherheitsniveau darf dabei nicht reduziert wer-
den.
Eine Risikoanalyse nach dem „Sanduhr-Modell“ der EN 50129 kann aufgrund fehlender
Daten nicht durchgeführt werden. Es gibt von der früheren Festlegung des Sicherheits-
abstandes keine Unterlagen, welche das akzeptable Risiko dokumentieren. Auch Statis-
tiken, wie oft ein Zug über den Halt gerutscht ist und ein Zusammenprall stattgefunden
hat, sind nicht bekannt. Zielführend ist somit ein anderer Ansatz, welcher nach EBO
„Nachweis gleicher Sicherheit“ möglich ist [17]. Diese Möglichkeit besagt, dass das neue
System mindestens der gleichen Sicherheitsanforderung entsprechen muss wie das
aktuelle.
10.4.5.1 Erwartung
Aufgrund der verringerten Geschwindigkeit am Ziel ist zu erwarten, dass die Überfahr-
länge sich deutlich reduziert. Die Überfahrlänge wird im Folgenden auch als Bremsweg
(sB) bezeichnet.
Brh
PZB 90
ETCS
Überfahrlänge
Abbildung 10-4 stellt die Überfahrlänge und das Bremsvermögen des Zuges gegen-
über. Ziel ist es, eine solche Gegenüberstellung nachzuweisen. Das mögliche Brems-
vermögen wird bei ETCS durch das Lambda-Modell vorgegeben (siehe dazu auch
4.5.11.1). Diese Grenzen werden in den Diagrammen verwendet; der Fokus liegt jedoch
auf den ausgewählten Zugeigenschaften entsprechend Kapitel 4.3.
10.4.5.2 Methode
𝑣0 2
𝑠𝐵 = (10-1)
2∗𝑎
3,85 𝑣0 2
𝑠𝐵 = (10-2)
𝜆
6,1 Ψ (1 + 𝑘𝑜𝑟𝑟 ) + 𝑖𝑘𝑜𝑟𝑟
10
3,85 𝑣0 2
𝑠𝐵 = (10-3)
5,1 Ψ √𝜆𝑘𝑜𝑟𝑟 − 5 + 𝑖𝑘𝑜𝑟𝑟
Hinweis zu den Gleichungen (10-2) und (10-3): Für v0 ist die Ausgangsgeschwindigkeit in
[km/h] einzusetzen.
Zu den Gleichungen (10-2) und (10-3) gilt [31]:
Die benötigten Beiwerte Ψ, c1 und c2 werden nicht aus der gleichen Quelle wie die
Bremsweggleichungen entnommen, sondern aus einem Manuskript von 2005 [62]. Die
dort aufgelisteten Beiwerte sind für Scheibenbremsen in Bremsstellung P und R sowie
für die Bremsstellung G ausgewählt. Da die Beiwerte für Geschwindigkeiten von 15, 35
sowie 45 km/h benötigt werden, müssen diese Zwischenwerte neu bestimmt werden.
Mit der Bestimmung dieser Werte wird im Folgenden begonnen. Mit der Eintragung der
Werte in ein Diagramm lässt sich die Funktion dieser konkreten Werte bestimmen. De-
ren ermittelte Formel, ein Polynom sechsten Grades, erlaubt es nun, die benötigten
Zwischenwerte zu interpolieren. Die folgende Abbildung 10-5 zeigt ein solches Dia-
gramm für die Bremsstellung P und R:
Analog werden die gleichen Schritte zur Bestimmung der Beiwerte für die Bremsstel-
lung G durchgeführt. Abbildung 10-6 zeigt das Ergebnis.
Die Anzahl der Achsen bzw. die damit verbundene Zuglänge ist für den Vergleich nicht
relevant, da sich dabei diese Werte herauskürzen. Begründbar ist dies mit dem Beiwert
c1. Mit der Anzahl der Achsen wird lediglich nur der Wert der Brh (λ) korrigiert. Da dies
im direkten Vergleich auf beiden Seiten geschieht, hat die genaue Anzahl auf das Ver-
hältnis keinerlei Einfluss.
Unterschiedlich ist jedoch der Einfluss des Gradienten. Im direkten Vergleich wird der-
selbe Gradient angenommen; jedoch ist die Korrektur geschwindigkeitsabhängig (siehe
Formel (10-4)). Der Faktor ikorr ist somit auf beiden Seiten nicht identisch. Diese Tatsa-
che sorgt aber nur für eine geringe Abweichung und wird im Folgenden noch beleuch-
tet.
Beispiele für typische Bremswege:
Bremsstellung λ [%] Länge [m] Vi [km/h] Gradient [‰] Bremsweg [m]
P (O) 140 300 45 0 97
P (ETCS) 140 300 15 0 16
P (M) 100 300 35 0 87
P (ETCS) 100 300 15 0 22
G (U) 65 300 25 0 84
G (ETCS) 65 300 15 0 40
Tabelle 10-4: Bremswege nach Mindener Gleichung
Mit Einführung von der Entlassungsgeschwindigkeit dE in 6.2.5 wird hier zusätzlich die
Strecke dRSM oder auch dStartRSM (Release Speed Monitoring) eingeführt. Diese beiden
Abstände zeigen die Abhängigkeit zwischen der Entlassungsgeschwindigkeit und dem
D-Weg. StartRSM ist ebenfalls in Abschnitt 6.2.5 erläutert.
Zum Vergleich folgt analog zur Abbildung 10-7 ein ETCS-geführter Güterzug, welcher
mit Parameter 1 und Parameter 2, Gradient: 0 ‰, λ = 66 %, Bremsstellung G, 500 m
Zuglänge, D-Weg = 70 m bestimmt ist.
dE
dRSM
Wie hier in der Abbildung 10-9 offensichtlich, führt ein D-Weg mit Länge 0 m zu einer
flacheren Bremskurve und einem früheren Entlassen in die Release Speed. Mit Ver-
wendung eines D-Weges werden die Kurven steiler, was ein kurzes dE-Maß zu Folge hat.
Dabei spielt die Länge des D-Weges eine untergeordnete Rolle. Denn bei Betrachtung
der Entfernung 135 m vor dem EoA ergibt sich nahezu ein einheitliches Bild. Zum Ver-
gleich ist die P-Kurve mit jeweils einem D-Weg von 50 m, 70 m und 200 m gezeichnet.
Die verwendeten Parameter sind: Parameter 1 und Parameter 2, Gradient: 0 ‰,
λ = 185 %, Bremsstellung P, 400 m Zuglänge und D-Weg = 200 m.
Die nachfolgenden Werte der Tabelle 10-5 sind unter Berücksichtigung der Kurven und
Parameter aus Abbildung 10-10 entnommen. Zum Vergleich ist zusätzlich der Fall mit
D-Weg = 0 m ergänzt. Auch hier sind alle weiteren Parameter identisch.
D-Weg [m] Zielentfernung [m] VPermitted [km/h]
0 135 35,7
50 135 43,4
70 135 43,4
200 135 41,7
Tabelle 10-5: Vpermitted (135 m) bei VRS
Mit Verwendung der D-Weg-Länge von 0 m werden die Kurven flacher und 135 m vor
dem Ziel ist für die P-Kurve nur noch eine Geschwindigkeit von 35,7 km/h vorhanden.
Aufgrund der niedrigen Geschwindigkeit muss dieser Fall weiter nicht berücksichtigt
werden.
Alle weiteren D-Weg-Längen weisen eine höhere Geschwindigkeit auf. Die Geschwin-
digkeitsunterschiede der unterschiedlichen D-Weg-Längen zum EoA hin sind ver-
schwindend gering. Nur ein Delta in der Höhe von 1,7 km/h ist rechnerisch vorhanden.
Alle weiteren Kurven, W, SBI, EBI und EBD sind folglich um das gleiche Delta verscho-
ben.
10.4.5.6 Ergebnis
In diesem Kapitel sollen die Ergebnisse abgebildet werden. Es werden die Ergebnisse
der Bremswege miteinander verglichen und analysiert. Des Weiteren folgt ein grafi-
scher Vergleich, um die Erwartung aus 10.4.5.1 zu überprüfen. Die in der Ebene be-
stimmten Diagramme in der Abbildung 10-12 und Abbildung 10-13 unterscheiden sich
durch die Bremsstellung. Wie bereits beschrieben, wird nur zwischen P und G unter-
schieden.
Züge mit der Bremsstellung P können bei allen der drei PZB 90-Zugarten vorkommen.
Deswegen sind in dem Diagramm die Zugarten O, M und U zu finden, welche mit der
Release Speed von 15 km/h und 10 km/h verglichen werden. Die Pfeile zeigen auf den
jeweiligen Vergleich zwischen den Kurven und geben die kleinste gerundete Differenz
in Prozent an.
Zugart O 45 km/h Zugart M 35 km/h Zugart U 25 km/h v_RS = 15 km/h v_RS = 10 km/h
250
Bremsstellung P
- 92 %
200
- 84 %
150
Brh [%]
- 75 %
100
- 88 %
- 57 %
50
- 79 %
0
0 20 40 60 80 100 120 140 160
Überfahrlänge [m] bei 0 ‰
80
Brh [%]
60 - 53 %
40
- 73 %
20
0
0 20 40 60 80 100 120 140
Überfahrlänge [m] bei 0 ‰
Hier wird deutlich, dass zwar der Bremsbeginn bei negativer Neigung früher beginnt,
die D-Weg-Länge jedoch gleichgeblieben ist. Das so geführte ETCS-Fahrzeug würde bei
Überfahrt am EoA mit Release Speed einen Trip (TR) erhalten (Zwangsbremsung); doch
der echte Bremsweg würde sich verlängern.
Wie eingehend erwähnt, ist es auch das Ziel, die Planung zu vereinfachen. Um dieses
Ziel zu erreichen, wird folgend die Neigung +/-13 ‰ als Ausgangswert verwendet. Die-
ses neu ermittelte Verhältnis soll als Grundlage für die Planung dienen. Somit wären
die Voraussetzungen für die Bestimmung des Sicherheitsabstandes - geschwindigkeits-
unabhängig und von Neigungen mit -13 ‰ bis +13 ‰ - gegeben. Die Unterscheidung
von Personen- und Güterzug wie auch die Zuglänge spielen dabei keine Rolle.
40
Brh [%]
- 74 %
30
20
10
0
0 50 100 150 200 250 300 350
Überfahrlänge [m] bei -13 ‰
Abbildung 10-15: Vergleich sB nach Mindener Gleichung für Bremsstellung P bei -13 ‰
40
Brh [%]
- 79 %
30
20
10
0
0 20 40 60 80 100
Überfahrlänge [m] bei 13 ‰
40
Brh [%]
- 50 %
30
20
10
0
0 50 100 150 200 250
Überfahrlänge [m] bei -13 ‰
Abbildung 10-17: Vergleich sB nach Mindener Gleichung für Bremsstellung G bei -13 ‰
40
Brh [%]
- 76 %
30
20
10
0
0 20 40 60 80 100
Überfahrlänge [m] bei 13 ‰
10.5 Zusammenfassung
In der Risikoanalyse konnte gezeigt werden, dass der Sicherheitsabstand bei ETCS FS-
geführten Fahrzeugen nicht von der Ausgangsgeschwindigkeit abhängt. Der Zusam-
menhang in der aktuellen Umsetzung [22] kann entfallen. Durch die niedrig angesetzte
Release Speed ist sogar eine Reduzierung des Sicherheitsabstandes möglich. Das damit
verbundene Sicherheitsrisiko wird analog zum dem heutigen nicht erhöht. Lässt man
den Einfluss der Neigung mit einfließen, verringert sich das Sicherheitsrisiko sogar. Mit
der Festlegung von sd = 6 m ist selbst eine vereinfachte Planung sowie Prüfung möglich.
Besteht trotz des reduzierten und vereinfachten Sicherheitsabstandes der Bedarf, die
Gleisnutzlänge bis auf ein Maximum zu optimieren, kann die nachstehende Tabelle
angewandt werden:
sd [m]
Neigung m [‰]
VRS = 15 km/h VRS = 10 km/h
0 > m ≥ -13 6 5
≥0 5 3
Tabelle 10-7: Tabelle zum kürzesten Sicherheitsabstand sd
Abkürzung Bedeutung
AEG Allgemeines Eisenbahngesetz
AFB automatische Fahr- und Bremssteuerung
ASig Ausfahrsignal
AW Aufwertung
Az Achszähler
BCU Balise Control Unit
BK Betriebsablaufkurve
Brh Bremshundertstel
BÜ Bahnübergang
BÜSA Bahnübergangssicherungsanlage
BZA Bundesbahn-Zentralamt
DMI Driver Machine Interface
DP Datenpunkt
DSTW Digitales Stellwerk
D-Weg Durchrutschweg
EBD Emergency Brake Deceleration
EBI Emergency Brake Intervention
EBO Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung
EdB Eisenbahn des Bundes
EoA End of Authority
ERA European Union Agency for Railways
ERTMS European Rail Traffic Management System
ESig Einfahrsignal
ESO Eisenbahn-Signalordnung
ESTW Elektronisches Stellwerk
ETCS European Train Control System
ETML European Traffic Management Level
EVU Eisenbahnverkehrsunternehmen
Fdl Fahrdienstleiter
FS Full Supervision
FTA Fault tree analysis
GSM-R Global System for Mobile Communications – Rail
Hl Signalsystem der ehem. Deutschen Reichsbahn
HL Hauptluftleitung
Variable Bedeutung
AD0 Grundverzögerung
Aexpected Betriebsbremsverzögerung
Agradient Beschleunigung durch die Neigung
Asafe sichere Bremsverzögerung
B Bremsgewicht
bBZB Entwickelte Bremsverzögerung
bBZS Schnellbremsverzögerung
bG Grundverzögerung
Dbec Abstand zwischen EBD- und EBI-Kurve
Krint Korrekturfaktor für die Zuglänge
Ktint Korrekturfaktor für die Bremsaufbauzeit
Kvint Korrekturfaktor für die Bremsverzögerung
m Masse
sD Sicherheitsabstand (Bahnübergang)
tA Reaktionszeit Bremssystem
Tbe Schnellbremsaufbauzeit
Tbs Betriebsbremsaufbauzeit
Tdriver konstante Zeit (4 s)
tE Zeit für das entwickelte Bremsen
Tindication Zeit zwischen I- und P-Kurve
tLB Zeit zum Lösen der Bremse
tSB Zeit zum Schwellen der Bremse
Twarning konstante Zeit (2 s)
Vest aktuelle Geschwindigkeit
λ Bremshundertstel
[4] J. Schlichting, „Stand der Einführung von ETCS in Deutschland und Europa
(Infrastruktur u. Fahrzeuge),“ Digitale Schiene Deutschland, 2019.
[7] P. Reinhart, „Nutzen von ETCS & Co am Beispiel des Knotens Stuttgart,“ Annaberg-
Buchholz, 2019.
[10] N. Hohn, „Aktueller Stand der Implementierung von „ETCS signalgeführt“ (ETCS
Level 1 Limited Supervision),“ SIGNAL + DRAHT, Nr. 109, pp. 45-48, 9/2017.
[12] Speiser, Norbert, „ETCS - was bedeutet das?,“ BahnPraxis, Nr. 5/6, pp. 23-24, 2012.
[22] DB Netz AG, Ril 815: Bahnübergänge planen und instand halten, 01.11.2008.
[23] DB Netz AG, Ril 819.0202: LST-Anlagen planen; Signale für Zug- und
Rangierfahrten; Hauptsignale, 17.11.2008.
[26] DB Netz AG, Ril 819.1340: LST-Anlagen planen; Grundsätze für die Ausrüstung von
Strecken mit ETCS, 30.10.2009.
[27] DB Netz AG, Ril 819.1347: LST-Anlagen planen; Zusätzliche Hinweise bei
Doppelausrüstung (ETCS L1 und L2, ETCS L2 und LZB), Entwurf vom 23.12.2009.
[36] N. Speiser, „Die Funktionsweise der LZB,“ BahnPraxis, pp. 3-8, 7/2011.
[38] W. Köth und O. Wolf, „Der Beitrag der Signaltechnik zum Schnellverkehr,“ ETR -
Eisenbahntechnische Rundschau, Nr. 12, pp. 533-539, Dezember 1968.
[45] K. Hornemann und B. Fröhlich, „Anwendung der Eurobalise bei der DB Netz AG,“
SIGNAL + DRAHT, Nr. Spezial, pp. 3-27, 11| 2015.
[46] N. Neuberg, „Der Einsatz von ETCS Level 1 Limited Supervision bei der Deutschen
Bahn AG,“ Signal + Drath, Nr. 106, pp. 12-18, 12/2014.
[47] W. Kirchner und J. Schölzel, „ETCS Level 1 Limited Supervision-Migration von ETCS
in die vorhandene Bahninfrastruktur,“ SIGNAL + DRAHT, Nr. 106, pp. 29-34,
[48] M. Fußy, „ETCS Level 2 ohne Signale – Erstmals in Deutschland im Projekt VDE 8,“
SIGNAL + DRAHT, Nr. 106, pp. 6-11, 9/2014.
[49] A. Feltz, N. Nießen, T. Walke und J. Jacobs, „Analyse und Optimierung von ETCS-
Parametern im Luxemburger Eisenbahnnetz,“ Signal + Draht, Nr. 109, pp. 6-17,
3/2017.
[51] DB Netz AG, Ril 819.1344: LST-Anlagen planen; Grundsätze zur Erstellung der
Ausführungsplanung PT1 für ETCS Level 2 (Entwurf), 03.04.2017.
[53] K. Finken, T. Hamblock und G. Klöters, „ZSB 2000 auf dem Weg zu ETCS,“
Signal+Draht, pp. 32-37, 10/2019.
[54] Deutsche Bahn AG, DS 818: Signalanlagen planen und vorhalten, München,
19.02.2002.
[64] W. Köth und E. Murr, „Die Linienzugbeeinflussung Teil II: Praktische Anwendung,“
o. D..
adhesion?
2
Acceleration (m/s ) 0
Gradient G (‰) 0
Track
Parameter 1
Brake position P
Kt_int 1,15
A_NVP12 1,2
A_NVP23 2,3
Parameter 2
Wesentliche Aussagen:
- Erkenntnis aus seiner Dissertation, als auch die jahrelange Berufserfahrung zei-
gen, dass übermäßige Kontrolle/Korrekturen zu Zurückhaltung bei dem Tf führt
- Beispiel: Ein Tf wird ständig im Bremsvorgang mit einer Warning konfrontiert;
Folge: Früherer Bremsbeginn und langsames heranfahren ans Ziel
- Ziel sollte bei nicht ATO/AFB-geführten Fahrzeugen sein: Korrekturen des Fahr-
zeuges vermeiden und Aufgabe an dem Tf übertragen
- Der Tf kann seine Streckenkenntnis und sein Fahrzeug sehr gut einschätzen: Pa-
rameter
20 35 34 34 34 33 32 32 31 30 30 29 29 28 28 27
30 54 53 53 53 51 49 47 45 44 42 41 40 39 38 37
40 74 73 73 72 70 66 62 59 57 54 52 50 48 46 45
50 96 95 94 93 89 83 77 73 68 65 61 58 55 52 50
100 224 219 214 210 195 171 150 130 113 98 84 71 60 49 40
120 284 277 270 265 243 208 177 149 125 103 83 64 48 33 19