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• Die Frage nach dem WAS: (Beispiel) Die Arbeitslosen von Marienthal-> Ein soziographischer
Versuch
• Die Frage nach dem WIE: (Beispiel) Street Corner Society-> Soziologische Fallstudie
• Die Frage nach dem WARUM (Beispiel) Wahlen und Wähler, Orientierung an Paul Lazarsfeld-> Wie
kommt eine Stimmabgabe zustande? Studie: The Peoples (Erklärung: Durchführung mit dem Panel-
Design in 7 Wellen zwischen Mai und November 1940, hierbei wurde eine bestimmte Gruppe, in dem
Fall immer die gleichen Leute, zu ihrem Wahlverhalten befragt, daraus wurden dann die Ergebnisse
zu dieser Studie resultiert.)
• Die Frage nach der Kausalität: Das Milgram-Experiment (Die Vorgehensweise hier ist interessant,
da man anhand des Experiments herausfinden wollte, ob durchschnittlicher Personen bereit dazu
sind, autoritären Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie in direktem Widerspruch zu
ihrem Gewissen stehen.
( In Bezug auf das Thema der Vorlesung: Einführung in die sozialwissenschaftlichen Methodologie) –
Alltagswissen:
1. Zielt auf die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeiten im Alltag, gesteuert durch Routine
– Unreflektiert selektiv
– selbstverständlich, d.h. die durch Selektivität und Perspektivität gezogenen Grenzen werden nicht
reflektiert
- Aufgrund der selektiven und perspektivischen Grenzen des Alltagsdenkens sowie der
daraus entstehenden ideologischen Folgen sollte es „nirgendwo lohnender sein als bei der
Beschäftigung mit Politik, sich aus den Fesseln des gesunden Menschenverstandes zu befreien“.
(Patzelt, Werner: Einführung in die Politikwissenschaft, Passau 1992, S.56)
- Ist systematisch erzeugtes Wissen, das heißt methodisch kontrolliert und theoretisch formuliert
- Ergebnisse publizieren gehört auch zum Bereich des Wissenschaftlichen Wissen dazu
– Thema: Methoden
- Methoden sind Werkzeuge (Erhebungs- oder Auswertungstechniken), mit deren Hilfe gedankliche
Konstruktionen über die Wirklichkeit gemacht werden.
„Die ständige Herausforderung der Politikwissenschaft liegt darin, die Erkenntnisse über politische
Zusammenhänge zu erweitern, also Theorien zu konstruieren“ (Moor, Arno: Grundzüge der
Politikwissenschaft, 1997, S.79)
→ Wahl einer Gruppe von Erscheinungen, die zuvor durch gewisse äußere Merkmale definiert
worden ist.
• entstehen aus dem Zusammenleben von Menschen und führen ein von den Individuen
unabhängiges Eigenleben
• treten in der Gesellschaft allgemein auf (z.B. in Form kollektiven Bewusstseins, Normen,
Institutionen)
• üben aber auf das einzelne Individuum einen sozialen Druck aus
Soziale Tatbeständ sind eine Realität „sui generis“, die sich weder auf Physische Faktoren, Biologische
Faktoren oder Psychische Faktoren zurück führen lassen, denn Soziales lässt sich nur durch Soziales
erklären.
• Schülein, Johann August/Reitze, Simon: Wieso Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie?“, in: dies.:
Wissenschaftstheorie für Einsteiger, Wien 2002, S. 18-28
• Emil Durkheim: Regeln zur Betrachtung der soziologischen Tatbestände, in: ders., Regeln der
soziologischen Methode, Neuwied 1961(1885), 115-128
EINHEIT 2
Historische Annäherung: Frühe Formen der empirischen Sozialwissenschaft
Formen früher empirischer Sozialforschung
• als Hilfe für die Verwaltung
• als ethnographische Beschreibung und Sammeln von Ethnographica
• als Weg zur Sozialreform
• zwei unterschiedliche Wege systematischer Sozialforschung
• als Markt- und Meinungsforschung
Politische Arithmetik
John Graunt (1620-1674): Auswertung von Geburts- und Sterbematrikel als Basis für die Berechnung
von Sterberaten → Hinweis auf das Ausbrechen von Epedemien
Merkantilismus/Kameralistik:
z.B. deutsche Universitätsstatistik (17/18 Jhd.): beschreibende Monographien (kaum Quantifizierung)
über
• später Berichte der Entdeckungsreisenden, Missionare und frühen Kolonialisten bis hin zu
systematischen erhebenden Forschungsreisen im 19. Jhd.
Berichte von frühen Entdeckern, Missionaren, Kolonialisten bis hin zu systematisch erhebenden
Forschungsreisenden → SIEHE FOTOS
Moralstatistik
Ziel: Suche nach sozialen Regelmäßigkeiten/ Gleichförmgkeiten um (soziale) Gesetze
aufzuspüren
Quètelet
Hauptfrage: Folgen die sozialen Handlungen der Menschen bestimmten Gesetzen?
Ziel: Empirisch fundierte Voraussagen aufgrund dieser Gesetze
Adolphe Quètelet
Quètelet vermutet u.a. Gleichförmigkeiten in folgenden Bereichen:
– Einfluss des Alters auf die Fruchtbarkeit der Ehen
– Einfluss von Beruf, Familienstand auf die Sterblichkeit
– Einfluss des Alters auf die Kreativität von Theaterautoren
Problem: reine Zusammenstellung einer Vielzahl von Daten -“Gesetz der großen Zahl“ –
jedoch keine theoriegeleitete Systematik
Adolphe Quètelet
wendet die Gaußsche Normalverteilung und Wahrscheinlichkeitstheorie auf
soziodemographische Merkmale an:
→ Homme moyen/Durchschnittsmensch z.B. Quètelet index=body Mass Index
SIEHE FOTO
Gegenposition:
Erstellung und vergleichende Auswertung von
Monographien= Einzelfallstudien
als Forschungsstrategie
Le Play
zweifelt an der Aussagefähigkeit statistischer Größen bei der Darstellung gesellschaftlicher
Verhältnisse: die Komplexität der zwischenmenschlichen Verhältnisse ginge in statistischen
Daten verloren →
Forderung nach detailreichen Einzelfallbeschreibungen, d.h. Monographien als neue
Forschungsstrategie
Monographien
Methodisches Vorgehen:
Monographien von zunächst 36 Familien
Le Play
Forschungsziel:
Entwicklung einer Familientypologie auf Basis lebensnaher Einzelfallbeschreibungen durch
Vergleich der in verschiedenen europäischen Ländern und -regionen aufgezeichneten
Monographien
Problem: Kriterien für die Auswahl der untersuchten Familien sind unklar
Facit:
statistische (Global)Analyse und monographische Detailanalyse
gelten als zwei unterschiedliche, einander im Idealfall ergänzende Forschungsstrategien
Referenzliteratur:
• Zeisel, Hans (1982): Zur Geschichte der Ethnographie, in: Jahoda, Marie/Lazarsfeld,
Paul/Zeisel, Hans: Die Arbeitslosen von Marienthal, Frankfurt/M., S. 113.142
• Kern, Horst (1982): Empirische Sozialforschung. Ursprünge, Ansätze, Entwicklungslinien.
München, S. 162-179
• Adler, Viktor: Die Lage der Ziegelarbeiter, in: Maderthaner, Wolfgang (2002): Viktor Adler.
Zum 150 Geburtstag, Wien, S. 7-9
• Dammann, Rüdiger (1991): Die dialogische Praxis der Feldforschung, Frankfurt/M., S.80-97
• Chevron, Marie-France (2007): Reisen und Sammeln aus wissenschaftlicher Überzeugung
heute und zur Zeit von Adolf Bastian, in: MAGW Bd. 136/37, S. 187-197 und S.199-201
Entstehungszusammenhang
• Verdoppelung der Arbeitslosenrate in Österreich von 11% (1930) auf 22% (1932)
• ganze Regionen sind von Arbeitslosigkeit betroffen
• https://youtu.be/7bqhybt4dU8
• Diskussion in der SDAP wie sich Arbeitslosigkeit auf das politische Engagement auswirkt
• Otto Bauer (Parteiführer) und austromarxistischer Theoretiker regt eine diesbezügliche
Untersuchung an
Kontext:
• Austromarxismus – „Rotes Wien“
• 3 Psychologische Schulen in Wien:
Projektträger:
Österreichische wirtschaftspsychologische Forschungsstelle (c.a. 1927 – 1937):
- außeruniversitäres Forschungsinstitut
im Umfeld des Instituts f. Psychologie d. Universität Wien (Karl und Charlotte Bühler)
- Auftragsforschung
– Sozialforschung
- Gründer: Paul Felix Lazarsfeld
Forschungsziel:
Erfassen der Auswirkungen von Arbeitslosigkeit sowohl auf
individueller Ebene als auch auf Ebene des Gemeinschaftslebens
Fragestellungen
Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf:
• Persönliche Pläne und Zukunftserwartungen
• Zeitverwendung
• Familienleben
• Leben in der Dorfgemeinschaft
• Politisches Engagement der Einzelnen sowie der Gemeinschaft
Das Autorenteam:
Projektdurchführung:
„Wie andere Orte um einen Markt, eine Kirche oder eine Burg herum entstehen, so ist
Marienthal um die Fabrik herum entstanden. Die Geschichte dieser Fabrik ist zugleich die
Geschichte des Ortes.“
Forschungsstrategie: Soziographie
• Versuch einer umfassenden Beschreibung und möglichst vollständigen Darstellung eines
Erkenntnisgebiets
• „Was uns vorschwebte, war eine Methode der Darstellung, die die Verwendung exakten
Zahlenmaterials mit dem Sicheinleben in die Situation verband“. (Paul Lazarsfeld)
• Kombination experimentell gewonnener und natürlicher Daten (d.h. Daten, die sich aus
dem Ablauf des alltäglichen Lebens ergeben)
Forschungsstrategie
Aktionsforschung:
• Mitarbeiter sollen sich durch für die Bevölkerung nützliche Funktionen in das
Gemeinschaftsleben einfügen gleichzeitig aber auch Informationen sammeln
Forschungsmethoden
• Methoden-Mix und „Crossvalidation“
Non - reaktive Verfahren
Reaktive Verfahren
Non - reaktive Verfahren
• Auswertung amtlicher Statistiken: Bevölkerungsstatistik, Wahlstatistik etc.
• Verdeckte Beobachtung:
Messung der Gehgeschwindigkeit, Protokollierung von zufälligen Gesprächen, z.B. im
Volksheim
Reaktive Forschungsmethoden
• Teilnehmende Beobachtung: Arztsprechstunden, Schnittzeichenkurs
Auswertung: Zusammenführung und Kombination der aus verschiedenen Quellen bzw. mit
unterschiedlichen Methoden erhobenen Daten entlang der
Achsen der Soziographie (Lazarsfeld)
4. Überprüfung natürlicher Daten (z.B. Kassabuch des Kaufmanns) mit experimentell gewonnenen
Daten (z.B. Essensinventare der Familien)
Auswertung
• Zusammenführen unterschiedlicher Quellen und Daten zu verdichteten „Fallanalysen“ (meist
Familien)
• Korrelation einzelner Indikatoren, z.B. Dauer der Arbeitslosigkeit und Zustand der
Wohnung/Stimmungslage/Zeitverwendung
• Zusammenfassen der einzelnen Indikatoren zu übergeordneten Kategorien (z.B. Grad der
Verwahrlosung) und Bildung von Begriffsbildern (z.B. müde Gemeinschaft)
Haltungstyp 2: Resignierte • Aufrechterhaltung des Haushalts • Pflege der Kinder • Gefühl des
relativen Wohlbefindens • keine Pläne und Zukunftshoffnung • max. Einschränkung aller Bedürfnisse,
die über die Haushaltsführung hinausgehen
Haltungstyp 4: Apathische • Wohnung und Kinder sind ungepflegt • Stimmung ist indolent • keine
Pläne • keine Hoffnung auf Besserung • unrationelle Wirtschaftsführung • energieloses, tatenloses
Zusehen
Rezeption
• Publikation: Juni 1933
• Neuauflagen:
– 1960 (Deutsch)
– 1971 (Englisch)
• Durchbruch erst in den 1970er Jahren nach der englischen Übersetzung
• Klassiker der empirischen Sozialforschung
Feldforschung
„Feldforschung bedeutet Forschung im Lebensraum der Gruppe durch den Untersuchenden, unter
Bedingungen, die ‚natürlich‘ sind, also nicht für Untersuchungszwecke verändert werden. Ziel ist
Datengewinnung mit unterschiedlichen Methoden und unterschiedlicher Zielsetzung“
(Fischer, 1981, S.65)
Feldforschung
liefert keine exakten Zahlen, dafür aber • Alltagsnähe • Detailgenauigkeit • Vielschichtigkeit
Ziel von Feldforschung „Das Ziel besteht, kurz gesagt, darin den Standpunkt der Eingeborenen, seinen
Bezug zum Leben zu verstehen und sich seine Sicht seiner Welt vor Augen zu führen.“
(Malinowski, S.49)
Die Chicago School
• Hintergrund: Einwanderungsland USA
• Stadt wird zum „sozialen“ Labor
• Ethnographische Forschungsstrategie statt „arm chair Soziology“
Der Autor:
• William Foote Whyte (1914 - 2000)
• Soziologe
• Lehrtätigkeit: – Chicago University – Cornel University
Erkenntnisinteresse:
• Verstehen der Sozialstruktur eines typischen Einwandererviertels, das als Problemgebiet galt
• Soziale Strukturen = Beziehungen und Interaktionen z.B. zwischen Nachbarn, innerhalb von peer
groups, innerhalb und zwischen einzelnen Interessensgruppen, zwischen Einheimischen und
Neuankömmlingen etc.
Forschungsansatz:
durch Beobachtung der Interaktionen einzelner Menschen und der Beziehungen, die sie eingehen
wird auf allgemeine Strukturen geschlossen
„Wenn wir diese Leute aus der Nähe kennenlernen und die Beziehungen ...begreifen, dann wissen
wir, wie die Gesellschaft von Cornerville organisiert ist.“
Sozialstruktur konstituiert sich über soziale Interaktionen und wird auch über solche
aufrechterhalten oder verändert
Veränderungen in der Sozialstruktur lässen sich über die Beobachtung von sozialen
Interaktionen/Handlungen der Gruppenmitglieder über längere Zeit erfassen
Forschungsstrategie:
„Bei unserer Erkundung von Cornerville werden wir uns wenig um die Menschen „im allgemeinen“
kümmern. Wir werden ganz bestimmte Personen treffen und die speziellen Dinge beobachten, die
sie tun. Die allgemeinen Abläufe des Lebens sind wichtig, aber sie lassen sich nur durch die
Beobachtung der Einzelnen konstruieren, denn deren Handeln ergibt erst die Abläufe“.
Durchführung
• Feldforschung – lebt 3 1/2 Jahre im Ort
• mehrere Projektentwürfe
• eher subjektive Auswahl des Stadtviertels
• forschungsleitende Fragestellungen konkretisieren sich erst im Laufe der Feldarbeit
„Ich war 18 Monate im Feld, bevor ich wusste, wohin mich meine Forschung führte.“
Vorgehen
• mietet sich im Stadtteil ein
• spricht Leute z.B. in Kneipen an
• führt Gespräche mit Sozialarbeitern vor Ort
• geht in die Gemeindezentren
• wird Mitglied in lokalen Vereinen
• wird Wahlhelfer in der Kampagne eines Lokalpolitikers
• Erfolgsrezept: Knüpfen von persönlichen Beziehungen zu Schlüsselpersonen
methodisches Vorgehen:
• Teilnehmende Beobachtung u. Gesprächsführung,
• Aufzeichnung der Beobachtungen und Gespräche, z.B. Dokumentation von Spielergebnissen beim
Bowling
methodisches Vorgehen
• nur wenige Interviews
• Zeichnen von sozialen Landkarten zur Analyse von Interaktionsverläufen und Beziehungsmustern =
Soziometrie
Empfehlungen für das Verhalten des Forschers im Feld
• nicht mit Leuten streiten
• nicht moralisieren
• nicht versuchen zu beeinflussen
• nicht immer nur fragen
• lernen wann Fragen angebracht sind und wann nicht
• vor allem aber „Rumhängen“ als aktiver Vorgang
„Wenn dich die Leute akzeptieren, kannst Du einfach rumhängen und am Ende kriegst du die
Antworten und musst dazu nicht einmal Fragen stellen“ (Whyte 1996, 305)
Ergebnisse:
Beispiel: Leadership - was macht einen Führer aus?
initiiert Aktivitäten hat die meisten Außenkontakte hat Verpflichtungen (finanziell) gegenüber
anderen Mitgliedern gut in den für die jeweilige Gruppe relevanten Disziplinen.
..Sozialstruktur im italienischen Einwanderviertel Cornerville ist geprägt von traditionalen Mustern
des Klientelismus:
• persönliche Abhängigkeiten • hierarchische Beziehungen • wechselseitige Verpflichtungen.
..Klientelismus bringt einerseits Schutz und Sicherheit, ist jedoch für den sozialen Aufstieg in der
Aufnahmegesellschaft dysfunktional
Beispiel: Doc nimmt einen Job im Gemeindezentrum nicht an, da er sonst seine Position in der
Gruppe verlieren würde
Rezeption:
• zunächst nur kleine Auflage und vor allem in der akademischen Welt wenig Interesse
• erst nach Zufügen eines Kapitels über das methodische Vorgehen 1955 Durchbruch
• Paperbackausgabe in den 1960er Jahren
• Ende der 1970er mit 200.000 verkauften Exemplaren die am häufigsten verkaufte soziologische
Monographie
Bedeutung:
• Beitrag zur Stadtsoziologie
• Beitrag zur Migrationsforschung
• Beitrag zur Methodenentwicklung vor allem zur Rolle des teilnehmenden Beobachters
– Going native
– falsche Fragen am falschen Ort
– Grenzen des Wissenschaftlers