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Methodologie

1.Einheit von Donnerstag, 4.10.2018

– Thema: Einführung in die sozialwissenschaftliche Methodologie

Gliederung der sozialwissenschaftlichen Methodologie in fünf verschiedene Fragestellungen:

• Die Frage nach dem WAS: (Beispiel) Die Arbeitslosen von Marienthal-> Ein soziographischer
Versuch

• Die Frage nach dem WIE: (Beispiel) Street Corner Society-> Soziologische Fallstudie

• Die Frage nach dem WARUM (Beispiel) Wahlen und Wähler, Orientierung an Paul Lazarsfeld-> Wie
kommt eine Stimmabgabe zustande? Studie: The Peoples (Erklärung: Durchführung mit dem Panel-
Design in 7 Wellen zwischen Mai und November 1940, hierbei wurde eine bestimmte Gruppe, in dem
Fall immer die gleichen Leute, zu ihrem Wahlverhalten befragt, daraus wurden dann die Ergebnisse
zu dieser Studie resultiert.)

• Die Frage nach der Kausalität: Das Milgram-Experiment (Die Vorgehensweise hier ist interessant,
da man anhand des Experiments herausfinden wollte, ob durchschnittlicher Personen bereit dazu
sind, autoritären Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie in direktem Widerspruch zu
ihrem Gewissen stehen.

• Die Frage nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten: Der Selbstmord

→ Wozu betreiben wir Politikwissenschaft?

( In Bezug auf das Thema der Vorlesung: Einführung in die sozialwissenschaftlichen Methodologie) –
Alltagswissen:

1. Zielt auf die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeiten im Alltag, gesteuert durch Routine

2. Die dem Alltagswissen zugrunde liegende Alltagswahrnehmung kennzeichnen folgende Filter:

– Unreflektiert selektiv

– Unreflektiert perspektisch (standortgebunden)

– selbstverständlich, d.h. die durch Selektivität und Perspektivität gezogenen Grenzen werden nicht
reflektiert
- Aufgrund der selektiven und perspektivischen Grenzen des Alltagsdenkens sowie der

daraus entstehenden ideologischen Folgen sollte es „nirgendwo lohnender sein als bei der
Beschäftigung mit Politik, sich aus den Fesseln des gesunden Menschenverstandes zu befreien“.
(Patzelt, Werner: Einführung in die Politikwissenschaft, Passau 1992, S.56)

– Thema: Wissenschaftliches Wissen

- Wird in arbeitsteilig spezialisierten Einheiten gewonnen, institutionalisierte Reflexion

- Ist systematisch erzeugtes Wissen, das heißt methodisch kontrolliert und theoretisch formuliert

- Ist intersubjektiv zugänglich und überprüfbar (Objektiv)

- Hat Regeln zu folgen - Die Grundlegenden werden in sogenannten Meta

-Theorien festgelegt, wie Wissenschaftstheorie und Methodologie (Zählt stark!)

- Ergebnisse publizieren gehört auch zum Bereich des Wissenschaftlichen Wissen dazu

– Thema: Methodologie – Konkretisiert wissenschaftstheoretische Festlegungen für bestimmte


Disziplinen und Gegenstandsbereiche – Formuliert Handlungsanweisungen/Vorgehensweisen in
Hinblick auf → Den Ablauf des Forschungsprozess → Den Umgang mit Daten und Theorie → Das
Verhalten der ForscherInnen – Stellt Gütekriterien auf, z.B. Gültigkeit oder Repräsentativität

– Thema: Methoden

- Methoden sind Werkzeuge (Erhebungs- oder Auswertungstechniken), mit deren Hilfe gedankliche
Konstruktionen über die Wirklichkeit gemacht werden.

– Das Endprodukt eines solchen Konstruktionsvorhabens besteht in wissenschaftlichen Erkenntnissen


über die Wirklichkeit, formuliert in Begriffen, Klassifikationen, Modellen, Hypothesen - kurz
Theorien.

„Die ständige Herausforderung der Politikwissenschaft liegt darin, die Erkenntnisse über politische
Zusammenhänge zu erweitern, also Theorien zu konstruieren“ (Moor, Arno: Grundzüge der
Politikwissenschaft, 1997, S.79)

– Thema: Wissenschaftliches Wissen • ist systematisch erzeugtes Wissen, d.h. methodisch


kontrolliert und theoretisch formuliert

• hat gewissen Spielregeln zu folgen


Wichtige Ausschnitte aus der Pflichtliteratur:

A Emile Durkheim (1858-1917)


 – Studium an der École Normale Superieure
 – 1887 Dozentur für Soziologie und Pädagogik an der Uni Bordeaux
 – 1902 Berufung an der Sorbonne

B) Wichtigste Werke Durkheims

• Über die soziale Arbeitsteilung (1883)

• Die Regeln der soziologischen Methode (1885)

• Der Selbstmord (1887)

• Die elementaren Formen des religiösen Lebens (1912)

• Gründer der Zeitschrift „Année Sociologique“

• Aufbau einer soziologischen Schule („équipe durkheimienne“)

– Thema: Regeln der soziologischen Methode

→ Definition des Gegenstandsbereichs

→ Wahl einer Gruppe von Erscheinungen, die zuvor durch gewisse äußere Merkmale definiert
worden ist.

→ Alle Erscheinungen, welche der Definition entsprechen, werden in der Untersuchung


eingeschlossen und klassifiziert (Keine selektive Auswahl)

→ Ausschalten aller Vorbegriffe (Praenotationes) oder Common-Sense Vorstellungen die außerhalb


der Wissenschaften und für Bedürfnisse, die nichts Wissenschaftliches an sich haben, gebildet
wurden.

-->Bildung und Verwendung eigener Begriffe, einer eigenen Sprache

→ Sozialwissenschaftliche Untersuchungen haben bei kollektiven Phänomenen oder Einrichtungen


anzufangen und nicht bei individuellen Manifestationen, denn

• Gegenstand sozialwissenschaftlicher Analyse sind soziale Tatbestände


• Soziale Tatbestände sind wie Dinge zu betrachten

– Thema: Soziale Tatbestände

• entstehen aus dem Zusammenleben von Menschen und führen ein von den Individuen
unabhängiges Eigenleben

• sind mehr als die Summe individueller Handlungen

• treten in der Gesellschaft allgemein auf (z.B. in Form kollektiven Bewusstseins, Normen,
Institutionen)

• üben aber auf das einzelne Individuum einen sozialen Druck aus

Soziale Tatbeständ sind eine Realität „sui generis“, die sich weder auf Physische Faktoren, Biologische
Faktoren oder Psychische Faktoren zurück führen lassen, denn Soziales lässt sich nur durch Soziales
erklären.

Referenzliteratur zu dieser Vorlesung:

• Schülein, Johann August/Reitze, Simon: Wieso Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie?“, in: dies.:
Wissenschaftstheorie für Einsteiger, Wien 2002, S. 18-28

• Emil Durkheim: Regeln zur Betrachtung der soziologischen Tatbestände, in: ders., Regeln der
soziologischen Methode, Neuwied 1961(1885), 115-128

EINHEIT 2
Historische Annäherung: Frühe Formen der empirischen Sozialwissenschaft
Formen früher empirischer Sozialforschung
• als Hilfe für die Verwaltung
• als ethnographische Beschreibung und Sammeln von Ethnographica
• als Weg zur Sozialreform
• zwei unterschiedliche Wege systematischer Sozialforschung
• als Markt- und Meinungsforschung

Empirische Sozialwissenschaft als Hilfe für die Verwaltung

• Anfänge in der Antike:


z.B. Zählungen von selbständigen Haushalten in Ägypten im 2. Jhd.v.Chr.
• Staatsbeschreibungen in England 1085 (Domesday Books)

Politische Arithmetik in England


Sir William Petty (1623-1687):
Untersuchungen zur Unterstützung der englischen Kolonialverwaltung in Irland
Sir Wilhelm Petty (1623-1687) „...anstatt nur Analogien und superlative Wörter oder intellektuelle
Argumente zu benutzen, habe ich es unternommen, mich in Zahlen, Gewichten und Maßen
auszudrücken...“

Politische Arithmetik
John Graunt (1620-1674): Auswertung von Geburts- und Sterbematrikel als Basis für die Berechnung
von Sterberaten → Hinweis auf das Ausbrechen von Epedemien

Merkantilismus/Kameralistik:
z.B. deutsche Universitätsstatistik (17/18 Jhd.): beschreibende Monographien (kaum Quantifizierung)
über

• staatliche Einnahmen/Ausgaben • Exporte/Importe


• militär. Stärke des Staates
• Topographie etc.

Empirische Sozialforschung als Beschreibung „anderer“ Kulturen

Sammeln und Entdecken


• Antike: erster Kulturvergleich bei Herodot, 5. Jhd.v. Chr.

• später Berichte der Entdeckungsreisenden, Missionare und frühen Kolonialisten bis hin zu
systematischen erhebenden Forschungsreisen im 19. Jhd.

• Sammeln von Ethnographica zunächst unsystematisch später als intersubjektiv nachvollziehbare,


sinnvolle Tätigkeit und als Grundlage wissenschaftlicher Studien

Berichte von frühen Entdeckern, Missionaren, Kolonialisten bis hin zu systematisch erhebenden
Forschungsreisenden → SIEHE FOTOS

Sammeln von Ethnographika


• zunächst unsystematisch
• später als intersubjektiv nachvollziehbare, sinnvolle Tätigkeit und als Grundlage wissenschaftlicher
Studien (SIEHE Bastian)

Empirische Sozialforschung als Weg zu Sozialreformen


• 1. Sozialreportagen •
2. Die englischen „Social surveys“

1. Sozialreportagen Beispiel: Viktor Adler: „Die Lage der Ziegelarbeiter“ (1888)

Viktor Adler (1852-1918)


• Arzt, Journalist, Parteiführer
• 1886 Gründung der Gleichheit
• 1889 Arbeiter-Zeitung
• erster Vorsitzender der SDAP
• Abgeordneter zum Reichsrat ab 1905

2. Die englischen „Social surveys “


• A) Gründung von „statistical societies“ in den 1830er und 1840er Jahren in E als lokale
Vereinigungen von Privatleuten mit bürgerlichreformistischem Politikverständnis →
„statistical movement“
• B) Enquêten bzw. Untersuchungen parlamentarischer und administrativer Einrichtungen

Methodische Innovationen des „statistical movement“ :


• Primärerhebungen, standardisierte Erhebungsinstrumente
• Einsatz professioneller Datenermittler „Agenten“
• Entwicklung von Prüftechniken um die Zuverlässigkeit von Aussagen zu überprüfen
• Diskussion „zuverlässiger“ Indikatoren
• Perfektionierung der Techniken der Datenaufbereitung - z.B. Versuch der Überprüfung von
vermuteten Zusammenhängen durch Bildung von Vergleichsgruppen

b) Untersuchungen parlamentarischer und anderer administrativer Einrichtungen


• Sozialpolitische Enquêten: Parlamentsausschüsse des Unterhauses hatten Recht auf
Einvernahme von Zeugen etc.
• königliche Kommissionen
• Einrichtung von Fabriksinspektoren

Methodische Innovation: Prinzip der crossexamination, d.h. Einsatz unterschiedlicher


Methoden und Quellen, deren Ergebnisse miteinander verglichen werden

zwei unterschiedliche Wege der empirischen Sozialforschung


Moralstatistik versus Monographie

Moralstatistik
Ziel: Suche nach sozialen Regelmäßigkeiten/ Gleichförmgkeiten um (soziale) Gesetze
aufzuspüren

Methode: statistische Analyse, Wahrscheinlichkeitsrechnung

Adolphe Quètelet (1796-1874)


• Astronom und Statistiker
• Präsident der statistischen Zentralkommission für Belgien
• Begründer der modernen Sozialstatistik
• Organisierte 1846 die erste Volkszählung in Belgien
• Hauptwerk: Soziale Physik, 1835

Quètelet
Hauptfrage: Folgen die sozialen Handlungen der Menschen bestimmten Gesetzen?
Ziel: Empirisch fundierte Voraussagen aufgrund dieser Gesetze

Adolphe Quètelet
Quètelet vermutet u.a. Gleichförmigkeiten in folgenden Bereichen:
– Einfluss des Alters auf die Fruchtbarkeit der Ehen
– Einfluss von Beruf, Familienstand auf die Sterblichkeit
– Einfluss des Alters auf die Kreativität von Theaterautoren

Problem: reine Zusammenstellung einer Vielzahl von Daten -“Gesetz der großen Zahl“ –
jedoch keine theoriegeleitete Systematik

Adolphe Quètelet
wendet die Gaußsche Normalverteilung und Wahrscheinlichkeitstheorie auf
soziodemographische Merkmale an:
→ Homme moyen/Durchschnittsmensch z.B. Quètelet index=body Mass Index
SIEHE FOTO

Gegenposition:
Erstellung und vergleichende Auswertung von
Monographien= Einzelfallstudien
als Forschungsstrategie

Frederic Le Play (1806-1882)


• Bergbau-Ingenieur • Prof. für Metallurgie
• Sozialreformer/theoretiker
• Reisen durch Europa und Russland
• Berater Napoleon III
• Hauptwerk: ouvriers européens, 1855

Le Play
zweifelt an der Aussagefähigkeit statistischer Größen bei der Darstellung gesellschaftlicher
Verhältnisse: die Komplexität der zwischenmenschlichen Verhältnisse ginge in statistischen
Daten verloren →
Forderung nach detailreichen Einzelfallbeschreibungen, d.h. Monographien als neue
Forschungsstrategie

Monographien
Methodisches Vorgehen:
Monographien von zunächst 36 Familien

Erhebungseinheit ist die Familie und nicht das einzelne Individuum

Systematische Darstellung der Einnahmen und Ausgaben, Konsumgewohnheiten durch


Interviews. Erstellung von Haushaltsinventaren durch direkte Beobachtung etc.

Le Play
Forschungsziel:
Entwicklung einer Familientypologie auf Basis lebensnaher Einzelfallbeschreibungen durch
Vergleich der in verschiedenen europäischen Ländern und -regionen aufgezeichneten
Monographien

Problem: Kriterien für die Auswahl der untersuchten Familien sind unklar

Facit:
statistische (Global)Analyse und monographische Detailanalyse
gelten als zwei unterschiedliche, einander im Idealfall ergänzende Forschungsstrategien

Empirische Sozialforschung als Markt- und Meinungsforschung

frühe Markt- und Meinungsforschung in Österreich

Österr. WirtschaftspsychologischeForschungsstelle (1927 – 1938)

u.a. über Marktforschung finanziert

Studien zum Konsumverhalten von ArbeiterInnen

RAVAG Studie als erste Radio-HörerInnenbefragung


Paul F. Lazarsfeld (1901 - 1976)
Sozialpsychologie, Mathematiker
Mitarbeiter am psychologischen Institut der Universität Wien
Leiter der wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle
1933 Emigration in die USA
Professor an der Columbia University
1963 Mitbegründer des IHS (Wien)

Forschungsprogramm (Lazarsfeld 1933)


• zu jeder Erscheinung sollen objektive Beobachtungen wie auch introspektive Berichte
vorliegen
• statistisches Material und Fallstudien sollten miteinander verbunden werden
• Einholen entwicklungsgeschichtlicher Informationen über den Forschungsgegenstand
• Kombination experimentell gewonnener und natürlicher Daten (d.h. Daten, die sich aus
dem Ablauf des alltäglichen Lebens ergeben)

Realisierung dieses Forschungsprogramms


insbesondere der gelungene Versuch statistische Analysen und monographische
Detailanalysen zu verbinden zeichnet die „Marienthalstudie“ aus, die wir nächste Woche
kennen lernen werden

Referenzliteratur:
• Zeisel, Hans (1982): Zur Geschichte der Ethnographie, in: Jahoda, Marie/Lazarsfeld,
Paul/Zeisel, Hans: Die Arbeitslosen von Marienthal, Frankfurt/M., S. 113.142
• Kern, Horst (1982): Empirische Sozialforschung. Ursprünge, Ansätze, Entwicklungslinien.
München, S. 162-179
• Adler, Viktor: Die Lage der Ziegelarbeiter, in: Maderthaner, Wolfgang (2002): Viktor Adler.
Zum 150 Geburtstag, Wien, S. 7-9
• Dammann, Rüdiger (1991): Die dialogische Praxis der Feldforschung, Frankfurt/M., S.80-97
• Chevron, Marie-France (2007): Reisen und Sammeln aus wissenschaftlicher Überzeugung
heute und zur Zeit von Adolf Bastian, in: MAGW Bd. 136/37, S. 187-197 und S.199-201

3.EINHEIT Teil II: Forschungsmethodologien und Strategien


sozialwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung am Beispiel
ausgewählter Referenzliteratur
letzte Einheit: statistische (Global)Analyse und monographische Detailanalyse gelten als zwei
unterschiedliche, einander im Idealfall ergänzende Forschungsstrategien

Realisierung dieser Forschungsstrategie: SIEHE FOTO

Entstehungszusammenhang
• Verdoppelung der Arbeitslosenrate in Österreich von 11% (1930) auf 22% (1932)
• ganze Regionen sind von Arbeitslosigkeit betroffen
• https://youtu.be/7bqhybt4dU8
• Diskussion in der SDAP wie sich Arbeitslosigkeit auf das politische Engagement auswirkt
• Otto Bauer (Parteiführer) und austromarxistischer Theoretiker regt eine diesbezügliche
Untersuchung an

Finanzierung der Marienthalstudie


• Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien und Niederösterreich
• Rockefeller Foundation
• Durchführungszeitraum: 1931/1932

Kontext:
• Austromarxismus – „Rotes Wien“
• 3 Psychologische Schulen in Wien:

- Sigmund Freud (Psychoanalyse)


- Alfred Adler (Individualpsychologie)
- Karl u. Charlotte Bühler am Psychologischen Institut der Universität Wien (empirisch)

Projektträger:
Österreichische wirtschaftspsychologische Forschungsstelle (c.a. 1927 – 1937):

- außeruniversitäres Forschungsinstitut
im Umfeld des Instituts f. Psychologie d. Universität Wien (Karl und Charlotte Bühler)
- Auftragsforschung
– Sozialforschung
- Gründer: Paul Felix Lazarsfeld

Paul F. Lazarsfeld (1901 - 1976)

Projektträger: Österr. wirtschaftspsychologische Forschungsstelle (1927 – 1937)

Finanzierung u.a. über Marktforschung, z.B.:

Studien zu Lebensentwürfen von jugendlichen ArbeiterInnen

zum Konsumverhalten von ArbeiterInnen

zu den Entscheidungsfaktoren beim Schuhkauf für Bally-Schuhfabrik)

Firmenprodukte (z.B. Mautner-Markhof, Habsburg Wäscherei, Anker-Brot.....)

Forschungsziel:
Erfassen der Auswirkungen von Arbeitslosigkeit sowohl auf
individueller Ebene als auch auf Ebene des Gemeinschaftslebens

Fragestellungen
Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf:
• Persönliche Pläne und Zukunftserwartungen
• Zeitverwendung
• Familienleben
• Leben in der Dorfgemeinschaft
• Politisches Engagement der Einzelnen sowie der Gemeinschaft

Das Autorenteam:

Paul F. Lazarsfeld (1901 - 1976)


Sozialpsychologie, Mathematiker
Mitarbeiter am psychologischen Institut der Universität Wien
Leiter der wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle
1933 Emigration in die USA, ausseruniversitäre Forschungsinstitute
Professor an der Columbia University
1963 Mitbegründer des IHS (Wien)

Marie Jahoda (1907-2001)

Hans Zeisel (1905 - 1992)

Projektdurchführung:
„Wie andere Orte um einen Markt, eine Kirche oder eine Burg herum entstehen, so ist
Marienthal um die Fabrik herum entstanden. Die Geschichte dieser Fabrik ist zugleich die
Geschichte des Ortes.“

Der Ort → SIEHE FOTOS

Forschungsstrategie: Soziographie
• Versuch einer umfassenden Beschreibung und möglichst vollständigen Darstellung eines
Erkenntnisgebiets

• „Was uns vorschwebte, war eine Methode der Darstellung, die die Verwendung exakten
Zahlenmaterials mit dem Sicheinleben in die Situation verband“. (Paul Lazarsfeld)

Forschungsprogramm (Lazarsfeld 1933)


• zu jeder Erscheinung sollen objektive wie auch subjektive Daten vorliegen

• statistisches Material und Einzelfallstudien sollen miteinander verbunden werden

• Einholen entwicklungsgeschichtlicher Informationen über den Forschungsgegenstand

• Kombination experimentell gewonnener und natürlicher Daten (d.h. Daten, die sich aus
dem Ablauf des alltäglichen Lebens ergeben)

Forschungsstrategie

Aktionsforschung:

• Mitarbeiter sollen sich durch für die Bevölkerung nützliche Funktionen in das
Gemeinschaftsleben einfügen gleichzeitig aber auch Informationen sammeln

• Versuch Hilfe und Forschung zu verbinden

Hilfsangebote und Sammeln von Informationen durch:


• Kleideraktion „Winterhilfe“
• Ärztliche Sprechstunden
• Erziehungsberatung
• Schnittzeichenkurse für Frauen
• Turnkurs für Mädchen
• Preisausschreiben für Jugendliche

Forschungsmethoden
• Methoden-Mix und „Crossvalidation“
Non - reaktive Verfahren
Reaktive Verfahren
Non - reaktive Verfahren
• Auswertung amtlicher Statistiken: Bevölkerungsstatistik, Wahlstatistik etc.

• Dokumentenanalyse: Geschäftsbücher, Verzeichnisse über die Ausleihe von Büchern,


Verzeichnisse über die Mitgliederzahlen in Vereinen und Parteien, Tagebücher

• Verdeckte Beobachtung:
Messung der Gehgeschwindigkeit, Protokollierung von zufälligen Gesprächen, z.B. im
Volksheim

Reaktive Forschungsmethoden
• Teilnehmende Beobachtung: Arztsprechstunden, Schnittzeichenkurs

• Mündliche Befragungen: Experten: Pfarrer, Lehrer etc. biographische Interviews mit


Betroffenen

• Schriftliche Quellen und Befragungen: Mahlzeitinventare, Zeitverwendungsbögen

Auswertung: Zusammenführung und Kombination der aus verschiedenen Quellen bzw. mit
unterschiedlichen Methoden erhobenen Daten entlang der
Achsen der Soziographie (Lazarsfeld)

Achsen der Soziographie


1. Verbindung subjektiver und objektiver Daten: Angaben aus Interviews und
Zeitverwendungsbögen + Ergebnisse der Messung der Gehgeschwindigkeit

2. Ergänzung statistischer Analysen mit Einzelfallanalysen z.B. Mitgliederverzeichnise der


Vereine und Angaben aus den Interviews zum Freizeitverhalten 3.

3. Vergleich gegenwärtiger und vergangener Daten: z.B. Veränderungen im Leseverhalten,


Erinnerungen an „früher“ aus den biographischen Interviews

4. Überprüfung natürlicher Daten (z.B. Kassabuch des Kaufmanns) mit experimentell gewonnenen
Daten (z.B. Essensinventare der Familien)

5. Zusammenführung elementarer und komplexer Einheiten:


z.B. Einzelfallanalysen von 100 Familien führen zur Bildung von Haltungstypen

Auswertung
• Zusammenführen unterschiedlicher Quellen und Daten zu verdichteten „Fallanalysen“ (meist
Familien)

• Vergleich der Einzelfälle (Familien)entlang zentraler Merkmale/Indikatoren, z.B. Zustand der


Wohnung, Aktivitäten, Stimmungslage

• Korrelation einzelner Indikatoren, z.B. Dauer der Arbeitslosigkeit und Zustand der
Wohnung/Stimmungslage/Zeitverwendung
• Zusammenfassen der einzelnen Indikatoren zu übergeordneten Kategorien (z.B. Grad der
Verwahrlosung) und Bildung von Begriffsbildern (z.B. müde Gemeinschaft)

Ergebnisse auf Ebene der einzelnen arbeitslosen Familie


4 familiäre Haltungstypen:
ungebrochen - resigniert - verzweifelt – apathisch

Quellen bzw. Erhebungsmethoden: •Lebensbeschreibungen •Haushaltsinventare •Interviews


•Schulaufsätze •teilnehmende Beobachtungen

Haltungstyp 1: Ungebrochene • Aufrechterhaltung des Haushalts • Pflege der Kinder • subjektives


Wohlbefinden • Pläne und Hoffnungen für die Zukunft • aufrechterhaltene Lebenslust • Versuche zur
Arbeitsbeschaffung

Haltungstyp 2: Resignierte • Aufrechterhaltung des Haushalts • Pflege der Kinder • Gefühl des
relativen Wohlbefindens • keine Pläne und Zukunftshoffnung • max. Einschränkung aller Bedürfnisse,
die über die Haushaltsführung hinausgehen

Haltungstyp 3: Verzweifelte • Aufrechterhaltung des Haushalts • Pflege der Kinder • Verzweiflung,


Depression, • Hoffnungslosigkeit, Vergeblichkeit aller Bemühungen • keine Pläne, keine Arbeitssuche
• neu: Vergleich mit der „besseren Vergangenheit“

Haltungstyp 4: Apathische • Wohnung und Kinder sind ungepflegt • Stimmung ist indolent • keine
Pläne • keine Hoffnung auf Besserung • unrationelle Wirtschaftsführung • energieloses, tatenloses
Zusehen

Ergebnisse in Hinblick auf die Gemeinschaft:


Quellen bzw. Erhebungsmethoden: • sinkende Mitgliedszahlen in Vereinen • Rücklauf bei den
Zeitungsabonnements • Abnahme der Besuche des Arbeiterheims • geringere Wahlbeteiligung •
Zunahme von Anzeigen zwischen Nachbarn

These: die „müde Gemeinschaft“


„Das wichtigste Ergebnis der MarienthalUntersuchung war: Arbeitslosigkeit bewirkt Resignation und
Apathie und nicht den Willen, die Welt und die ökonomische und soziale Ordnung radikal
umzugestalten.“
(Marie Jahoda 1983)

Rezeption
• Publikation: Juni 1933
• Neuauflagen:
– 1960 (Deutsch)
– 1971 (Englisch)
• Durchbruch erst in den 1970er Jahren nach der englischen Übersetzung
• Klassiker der empirischen Sozialforschung

Bedeutung der Studie


• Versuch statistische Analysen und monographische Detailanalysen zu verbinden
• Methodenvielfalt und Kombination
• Pionierstudie auf dem Gebiet der Arbeitslosenforschung, die über das reine Zählen von
Arbeitslosenraten hinausgeht
4.EINHEIT 25.10.2018 Grundprobleme
sozialwissenschaftlicher Methodologie

Die Frage nach dem „Wie“


Beschreiben und Verstehen von Beschaffenheit, Bedeutung und Funktion sozialer Tatbestände und
Zusammenhänge

Feldforschung
„Feldforschung bedeutet Forschung im Lebensraum der Gruppe durch den Untersuchenden, unter
Bedingungen, die ‚natürlich‘ sind, also nicht für Untersuchungszwecke verändert werden. Ziel ist
Datengewinnung mit unterschiedlichen Methoden und unterschiedlicher Zielsetzung“
(Fischer, 1981, S.65)

Methoden der Feldforschung


• Teilnehmende Beobachtung
• Gesprächsführung
• notieren von Beobachtungen, Gedanken, Gefühlen, typischen Sprachausdrücken etc.
• ergänzt durch andere Methoden wie Dokumentenanalyse etc.

Feldforschung
liefert keine exakten Zahlen, dafür aber • Alltagsnähe • Detailgenauigkeit • Vielschichtigkeit

Geschichte der Feldforschung


• in der Ethnologie - Bronislaw Malinowski
• in der Soziologie - Chicagoer Schule

Bronislaw Malinowski (1884-1942)


• Abschluss in Mathematik
• Studium der Anthropologie in England
• Professor an der LSE
• Hauptwerk: „Argonauts of the western Pacific: an account of native enterprise and adventure in the
archipelagoes of Melanesian New Guinea“ , London, 1922

Prinzipien der Feldforschung


• Erforschung des Aufbaus der jeweiligen Gesellschaft durch „objektive Daten“(z.B. Tabellen über
Verwandtschaftsverhältnisse etc.)
• Erforschung des Alltagslebens durch teilnehmende Beobachtung
• Erforschung der Mentalität der „Eingeborenen“ in Erzählungen, Mythen etc.
• Hauptprinzip: möglichst vollständiges Eintauchen

Prinzipien der Feldforschung


„Neben dem festen Umriß des Stammesaufbaus und den sich herauskristallisierenden Einzelheiten
der Kultur, die das Skelett bilden, neben den Daten des Alltagslebens und dem normalen Verhalten,
die sozusagen sein Fleisch und Blut ausmachen, muß noch der Geist aufgezeichnet werden – die
Anschauungen, Meinungen und Äußerungen der Eingeborenen“
. (Malinowski, S.46)

Ziel von Feldforschung „Das Ziel besteht, kurz gesagt, darin den Standpunkt der Eingeborenen, seinen
Bezug zum Leben zu verstehen und sich seine Sicht seiner Welt vor Augen zu führen.“
(Malinowski, S.49)
Die Chicago School
• Hintergrund: Einwanderungsland USA
• Stadt wird zum „sozialen“ Labor
• Ethnographische Forschungsstrategie statt „arm chair Soziology“

…….. siehe folie

Der Autor:
• William Foote Whyte (1914 - 2000)
• Soziologe
• Lehrtätigkeit: – Chicago University – Cornel University

Genese der Studie:


• 3 jähriges Stipendium der Society of Fellows in Harvard
• „Dieses Stipendium gab mir eine einzigartige Chance - drei Jahre Unterstützung für jegliche Studien,
denen ich mich widmen wollte“.

Erkenntnisinteresse:
• Verstehen der Sozialstruktur eines typischen Einwandererviertels, das als Problemgebiet galt
• Soziale Strukturen = Beziehungen und Interaktionen z.B. zwischen Nachbarn, innerhalb von peer
groups, innerhalb und zwischen einzelnen Interessensgruppen, zwischen Einheimischen und
Neuankömmlingen etc.

Forschungsansatz:
durch Beobachtung der Interaktionen einzelner Menschen und der Beziehungen, die sie eingehen
wird auf allgemeine Strukturen geschlossen
„Wenn wir diese Leute aus der Nähe kennenlernen und die Beziehungen ...begreifen, dann wissen
wir, wie die Gesellschaft von Cornerville organisiert ist.“

 Sozialstruktur konstituiert sich über soziale Interaktionen und wird auch über solche
aufrechterhalten oder verändert

 Veränderungen in der Sozialstruktur lässen sich über die Beobachtung von sozialen
Interaktionen/Handlungen der Gruppenmitglieder über längere Zeit erfassen

Forschungsstrategie:
„Bei unserer Erkundung von Cornerville werden wir uns wenig um die Menschen „im allgemeinen“
kümmern. Wir werden ganz bestimmte Personen treffen und die speziellen Dinge beobachten, die
sie tun. Die allgemeinen Abläufe des Lebens sind wichtig, aber sie lassen sich nur durch die
Beobachtung der Einzelnen konstruieren, denn deren Handeln ergibt erst die Abläufe“.

Durchführung
• Feldforschung – lebt 3 1/2 Jahre im Ort
• mehrere Projektentwürfe
• eher subjektive Auswahl des Stadtviertels
• forschungsleitende Fragestellungen konkretisieren sich erst im Laufe der Feldarbeit
„Ich war 18 Monate im Feld, bevor ich wusste, wohin mich meine Forschung führte.“

Vorgehen
• mietet sich im Stadtteil ein
• spricht Leute z.B. in Kneipen an
• führt Gespräche mit Sozialarbeitern vor Ort
• geht in die Gemeindezentren
• wird Mitglied in lokalen Vereinen
• wird Wahlhelfer in der Kampagne eines Lokalpolitikers
• Erfolgsrezept: Knüpfen von persönlichen Beziehungen zu Schlüsselpersonen

Zur Bedeutung von Schlüsselpersonen


„Denk einfach daran: Du bist ein Freund von mir. Mehr müssen die anderen nicht wissen“ (Whyte
1996, S.293)

methodisches Vorgehen:
• Teilnehmende Beobachtung u. Gesprächsführung,
• Aufzeichnung der Beobachtungen und Gespräche, z.B. Dokumentation von Spielergebnissen beim
Bowling

Indexsystem zur Materialordnung

methodisches Vorgehen
• nur wenige Interviews

• Zeichnen von sozialen Landkarten zur Analyse von Interaktionsverläufen und Beziehungsmustern =
Soziometrie
Empfehlungen für das Verhalten des Forschers im Feld
• nicht mit Leuten streiten
• nicht moralisieren
• nicht versuchen zu beeinflussen
• nicht immer nur fragen
• lernen wann Fragen angebracht sind und wann nicht
• vor allem aber „Rumhängen“ als aktiver Vorgang
„Wenn dich die Leute akzeptieren, kannst Du einfach rumhängen und am Ende kriegst du die
Antworten und musst dazu nicht einmal Fragen stellen“ (Whyte 1996, 305)

Gefahr des Going native


„Ich begann als nicht teilnehmender Beobachter. Als ich in der Gemeinschaft akzeptiert wurde,
wurde ich fast zum nicht beobachtenden Teilnehmer. Ich bekam das Lebensgefühl in Cornerville mit,
aber das hieß, dass ich dieselben Dinge für selbstverständlich hielt, die meine Freunde in Cornerville
für selbstverständlich hielten. Ich war ganz in dieses Leben eingetaucht“.

Ergebnisse:
Beispiel: Leadership - was macht einen Führer aus?
initiiert Aktivitäten hat die meisten Außenkontakte hat Verpflichtungen (finanziell) gegenüber
anderen Mitgliedern gut in den für die jeweilige Gruppe relevanten Disziplinen.
..Sozialstruktur im italienischen Einwanderviertel Cornerville ist geprägt von traditionalen Mustern
des Klientelismus:
• persönliche Abhängigkeiten • hierarchische Beziehungen • wechselseitige Verpflichtungen.
..Klientelismus bringt einerseits Schutz und Sicherheit, ist jedoch für den sozialen Aufstieg in der
Aufnahmegesellschaft dysfunktional
Beispiel: Doc nimmt einen Job im Gemeindezentrum nicht an, da er sonst seine Position in der
Gruppe verlieren würde

Rezeption:
• zunächst nur kleine Auflage und vor allem in der akademischen Welt wenig Interesse
• erst nach Zufügen eines Kapitels über das methodische Vorgehen 1955 Durchbruch
• Paperbackausgabe in den 1960er Jahren
• Ende der 1970er mit 200.000 verkauften Exemplaren die am häufigsten verkaufte soziologische
Monographie

Bedeutung:
• Beitrag zur Stadtsoziologie
• Beitrag zur Migrationsforschung
• Beitrag zur Methodenentwicklung vor allem zur Rolle des teilnehmenden Beobachters
– Going native
– falsche Fragen am falschen Ort
– Grenzen des Wissenschaftlers

Kennzeichen ethnographischer Forschung


• Umgang mit Theorie/Vorwissen, das nur allgemein eine Richtung vorgibt
• Entwicklung von konkreten Forschungsfragen durch Auseinandersetzung mit der Empirie
• Generalisierung durch Vergleich von Einzelfällen und einzelnen Beobachtungen
• Eintauchen der ForscherInnen in das soziale Feld
• Methoden: teilnehmende Beobachtung und Gesprächsführung

Forschungsprogramm der Chicago School


„Beobachtungen aus erster Hand sind angesagt: Setzen Sie sich in die Empfangshallen der
Luxushotels und auf die Treppenstufen von Abrisshäusern, machen Sie es sich auf den
Polstergarnituren der Reichen ebenso bequem wie auf den Holzpritschen im Obdachlosenasyl............
Mit einem Wort, machen Sie sich die Hände schmutzig mit realer Forschung!“
(Ezra Park)

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