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Der Naturbegriff Adornos

1. Einleitung und Problemstellung


Der Gedanke der Natur, so die These dieser Klausur, ist in der Philosophie Adornos ein
zentrales Motiv, das sich durch sämtliche Bereiche seines Werks zieht und die oft divergenten
Themen seines Forschungsinteresses verbindet. Ein Hauptmotiv ist die Kritik der modernen
Naturbeherrschung. Philosophische Auseinandersetzungen mit dem deutschen Idealismus,
namentlich in seinen Ausprägungen durch Kant und Hegel, verstehen sich dazu als
Komplement: kritisiert wird die Hypostasierung des Geistes, welche mit dem
naturbeherrschenden, selbsterhaltenden Prinzip identifiziert wird.
Wenn man davon absieht, dass bereits Adornos Abituraufsatz von der Natur handelte, so wird
das Motiv dennoch sehr früh eingeführt, in einem Vortrag aus dem Jahr 1932 mit dem Titel
„Die Idee der Naturgeschichte“. Ein gutes Jahrzehnt vor Verfassung der einschlägigen
Dialektik der Aufklärung entstanden, markiert er innerhalb der Frühschriften den eigentlichen
Beginn der Philosophie Adornos. Vorher – so etwa in der Dissertation und der
zurückgezogenen Habilitation – war er noch dem transzendentalen Idealismus seines Lehrers
und Kant-Schülers Hans Cornelius verpflichtet. Mit dem Anschluss an Walter Benjamin
erfolgte der Übergang zum Materialismus und der Auftakt des eigenständigen Werks. Der
Vortrag nimmt in gewissem Sinn die Methodologie der wesentlich später folgenden
materialen Arbeiten Adornos vorweg und bildet dadurch ein Gegenstück zur Negativen
Dialektik. Es erscheint also nicht unpassend, dass Adorno später einmal die Ideen seiner
frühen Schriften als traumhafte Antezipation bezeichnete.
Den Begriff der Naturgeschichte entlehnt Adorno aus Benjamins Trauerspielbuch, er soll die
wechselseitige Verflechtung von Natur und Geschichte bezeichnen. Adorno bezieht mit ihm
eine doppelte Frontstellung: Zum einen bringt er gegen den Naturbegriff der ontologischen
Philosophie, die Natur als ahistorisches, mythisches Sein begreift, die Gesellschaftlichkeit der
Natur in Anschlag. Auf der anderen Seite holt er die Geschichte aus der idealistischen Sphäre
des Geistes und betont ihre blinde Naturhaftigkeit.
Diese Motive finden sich in Adornos späteren Hauptwerken wieder: Zum einen die
Historisierung der Natur als soziales und historisches Produkt der Menschen, das
gesellschaftlich konstituiert wird und somit auch dort, wo die scheinbare Unberührtheit und
Unmittelbarkeit postuliert wird, stets gesellschaftliche Projektionen enthält. Zum anderen der
Gedanke, dass die Natur ebensowenig in ihre Gesellschaftlichkeit aufzulösen sei, sie
Momente der Unverfügbarkeit und Widerständigkeit enthalte.
Um diesen Spuren nachzugehen, ist der Aufbau und Fortgang der Argumentation wie folgt:
Zu Beginn stehen Begriffsklärungen, die im weiten Feld des Naturbegriffs einige
Präzisierungen vornehmen. Die weitere Gliederung nach Kapiteln entspricht der Betrachtung
dreier Hauptwerke Adornos, in denen das Thema der Natur und dessen Stellung erläutert
werden soll. Zunächst die Dialektik der Aufklärung, in der Adorno und sein Koautor
Horkheimer in Form einer Aufklärungs- und Zivilisationskritik eine negative
Geschichtsphilosophie entwerfen. Während die DA einen engen Kontakt zu der Geschichte
hält – insbesondere der Frühgeschichte; Adorno nennt das Interesse des Buchs gar ein
anthropologisches -, bewegt sich die Negative Dialektik auf genuin philosophischem Terrain.
In Auseinandersetzung mit der Kantschen Erkenntniskritik und der Hegelschen Dialektik
entwickelt sie den für das Thema der Natur relevanten Begriff des Nichtidentischen. In der
Ästhetischen Theorie, Adornos aus dem Nachlass veröffentlichtem kunstphilosophischen

Werk, ist vor allem die Analyse des Naturschönen und dessen Stellung in der Kunst von
Interesse.
Im Anschluss an die Teilanalysen soll in einer Synthese gezeigt werden, wie das Thema der
Natur als point de capiton, als strukturierender Signifikant innerhalb der divergenten
Interessefelder Adornos fungiert und ihnen eine mögliche Einheit verleiht. Schließlich
Ausblicke,

(Dabei stellt sich ein hermeneutisches Problem: Seine Philosophie sei wesentlich nicht
referierbar, bemerkte Adorno einmal. Dies gilt nicht nur in thematischer Hinsicht, für die enge
Verbindung von philosophischer und soziologischer Arbeit, spekulativer Theorie und
empirischer Forschung. Sondern auch für den hermetischen und exzentrisch scheinenden Stil,
der anti-systematisch mit dialektischen Bildern und Analogien arbeitet, oftmals sprunghaft
das Gebiet wechselt, um konkrete Phänomen, Einzelnes, Kontingentes mit allgemeinsten und
abstraktesten Gesetzen kurzzuschließen. (So bleibt es Adorno vorbehalten, in einem Satz von
der Funktionsweise moderner Kühlschranktüren zu dem Fortwesen des Faschismus in der
Nachkriegsgesellschaft zu gelangen). Der notwendige Versuch, trotzdem zu referieren und
dem kunstvoll arrangierten Material eine fremde Struktur zu oktroyieren, läuft Gefahr, den
dialektischen Zusammenhang zu zerreißen, in dem Sinn und Plausibilität erst aus der
Entwicklung der durch steten Widerspruch fort- und vorangetriebenen Gedanken entstehen.
Es bleibt zu hoffen, dass durch die formallogische Askese, die mit dem analytischen Korsett
der Kapitelgliederung verbunden ist, nicht Wesentliches verlorengehe.)

2. Begrifflichkeiten
Der Begriff der Natur ist in Adornos Werk schillernd; offenbar werden durch ihn zahlreiche
verschiedene Bedeutungsfelder aufgerufen. Auch hier gilt es allerdings, Adorno ernst zu
nehmen, der Äquivokationen oftmals nicht für subjektives Ungenügen des Verfassers hielt,
sondern in der Sache selbst begründet sah.
Natur, so beobachtet Adorno, fungiert als Kontrastbegriff. Im Gegensatz zu der Welt von
Gesellschaft und Geschichte, in der scheinbar Rationalität und Vernunft herrschen, qualitativ
Neues entsteht und eine dynamische Entwicklung geschieht, ist die Welt der Natur irrational
und statisch; ein schicksalhaft vorgegebenes Sein, das blind stets wieder das Immergleiche
reproduziert und als ewige Substanz die ephemere Geschichte trägt. Diesen abstrakt-
mythischen Naturbegriff möchte Adorno gerade auflösen. Dazu dient ihm die Wortschöpfung
der Naturgeschichte, die gerade keine wissenschaftliche Beschreibung des außermenschlichen
Naturgeschehens sein soll. Vielmehr verdeutlicht sie, dass die vermeintliche Trennung eine
Illusion ist, dass vielmehr Natur und Geschichte aufeinander verwiesen sind. So sei zum einen
Natur, gerade dort, wo sie am natürlichsten scheint, eine geschichtlich-gesellschaftliche
Kategorie. Zum anderen besitze auch die Geschichte in der entfremdeten Gesellschaft stets
noch naturhaften Charakter. Adorno behauptet hier keine Identität, kein Zusammenfallen,
sondern eine dialektische Bezogenheit, in der die scheinbar antagonistischen Pole ihre
gegenseitige Vermittlung enthüllen.
Eine für Adorno wichtige Differenzierung ist die von äußerer und innerer Natur. Meint erstere
das, was wir im Alltagsverstand unter Natur begreifen, so rekurriert der Begriff der inneren
Natur auf das Innenleben des Subjekts, seine Gefühlsregungen, den vom rationalen Ich nicht
kontrollierten unbewussten Anteil des Seelenlebens. Die Beherrschung der äußeren Natur
durch die moderne Zivilisation parallelisiert Adorno mit den Deformationen und
Zurichtungen, die mit dem Prozess der Subjektbildung verbunden sind. Das rationale

Individuum, das sich den Erfordernissen von Gesellschaft und Ökonomie anpassen muss, ist
gezwungen, seine naturhaften Anteile, also Triebe und Körperlichkeit, zu verdrängen und zu
beherrschen. Das zugrundeliegende Modell der Subjektivation verdankt Adorno der
Freudschen Psychoanalyse. Von ihr übernimmt er auch den Gedanken der Wiederkehr des
Verdrängten. Die nicht sublimierte, sondern ins Unbewusste abgeschobene Natur erscheint
wieder und bricht sich als Regression gewalttätig Bahn. Die Freudschen strukturellen
Einteilung des psychischen Apparats in Es, Ich und Über-Ich überträgt Adorno auf die Trias
von Natur, Vernunft und Gesellschaft.
Weiterhin unterscheidet Adorno zwischen erster und zweite Natur. Vorwiegend pejorativ
gebraucht, bezeichnet „erste Natur“ die brutale, Hobbesianische Welt des blinden
Naturzwangs und der Selbsterhaltung. Der Begriff der zweiten Natur taucht erstmals bei
Hegel auf. Dort bezeichnet er die Welt des Geistes und des Rechts, deren Entwicklung und
Stellung für Hegel eine so notwendige und evidente ist, dass er sie mit der ersten Natur
parallelisiert. Adorno, der sich den Begriff über den Umweg Georg Lukacs aneignet, wendet
ihn kritisch. Indem er den Herrschaftscharakter der ersten Natur betont, weist er darauf hin,
dass die gesellschaftlichen Institionen der zweiten Natur eine der ersten vergleichbare blinde
und irrationale Macht bilden, der die einzelnen Individuen ausgeliefert sind. Die Hegelsche
affirmative Beschreibung wird durch das Prisma der Marxschen Warenanalyse kritisch: dieser
hatte gerade darauf hingewiesen, dass die Entwicklung von Geist und Geschichte kein
bewusster Prozess selbsttätig handelnder Individuen sei, sondern den quasi-naturhaften
Gesetzen des kapitalistischen Verwertungsprozesses folge.
Nach diesen ersten Annäherungen wird deutlich, dass Natur in der Philosophie Adornos
sowohl kritisches wie auch utopisches Potential besitzt. Zum einen denunziert Adorno die
gegebene Gesellschaft als Natur, als brutale Welt des Fressens und Gefressenwerdens, der
Selbsterhaltung. Zum anderen enthält die Kritik an der Beherrschung und Verdrängung der
Natur das positive Bild einer unterdrückten Leibhaftigkeit und Sinnlichkeit, der zu ihrem
Recht zu verhelfen sei.

3. Die Dialektik der Aufklärung


Das im amerikanischen Exil unter dem unmittelbaren Eindruck von nationalsozialistischer
Herrschaft, Zweitem Weltkrieg und der Vernichtung der europäischen Juden entstandene
Werk entwirft die Zivilisationsgeschichte als Herrschaftsgeschichte. Adorno und Horkheimer
beschreiben die Dialektik der Vernunft, die Verstrickung von Rationalität und Mythos, die im
zwanzigsten Jahrhundert in den Rückfall in die Barbarei des Faschismus mündete. Mit dieser
Stoßrichtung, die althergebrachte und optimistische philosophische Vernunft- und
Aufklärungsvorstellungen einer grundlegenden Revision unterzieht, ist es geprägt von der
negativen Geschichtsphilosophie Walter Benjamins, der in den Geschichtsphilosophischen
Thesen die Fortschritts- und Technikgläubigkeit der Zweiten Internationalen vernichtend
kritisiert hatte. Tiefere Ursachen des katastrophischen Gangs der Geschichte machte er in
einem vom Herrschaftsparadigma geprägten modernen Naturverhältnis aus. Nachdem sich
sämtliche Vorstellungen eines notwendigen Fortschritts der Geschichte oder gar deren
zielgerichteten Stufengangs Richtung Kommunismus durch die faschistische Herrschaft
gründlich diskreditiert hatten, konnte für ihn einzig noch die jüdisch-messianisch konnotierte
Vorstellung von Versöhnung und Eingedenken einen Weg aus der Katastrophe weisen. Diese
Motive finden sich auch in der DA.
Deren Grundthese lautet, dass die mangelhafte Emanzipation von der ersten Natur zu einer
Verstrickung und Fortsetzung des Naturzwangs geführt habe, in Form der Übermacht der

zweiten Natur. Stachel ihrer Kritik der modernen Gesellschaft ist ein radikaler Naturbegriff:
Alle menschlichen Verhältnisse – gesellschaftliche und Selbstverhältnis – werden als
Naturverhältnisse begriffen. Was das Selbstverhältnis des Subjekts angeht, so entspricht die
auf Beherrschbarkeit reduzierte äußere Natur dem selbstbeherrschtem verhärtetem Subjekt.
Besonderes Interesse gilt dabei der zivilisatorischen Formung des Körpers, die durch
Verleugnung und Triebunterdrückung geprägt ist. Der Vorgeschichte des modernen
Körperverhältnisses gehen Adorno und Horkheimer in einer Interpretation des Mythos von
Odysseus nach. Um dem Gesang der Sirenen zu widerstehen, der für die Gefahr einer
Regression in einen prärationalen Zustand unmittelbarer sinnlicher Lust und Erfüllung steht,
lässt sich Odysseus von seinen Gefährten an den Schiffsmast fesseln. Anders als die
Gefährten, denen Odysseus die Ohren verstopft, setzt er sich jedoch durchaus dem Gesang
aus, ist also zu einem zweckrationalen und selbstbeherrschten Verhalten in der Lage. Das
bürgerliche Subjekt, dessen Paradigma Adorno und Horkheimer in dem listigen Entrepreneur
Odysseus entdecken, bildet sich über Entsagung und Triebunterdrückung heraus. Die
Verhärtung der inneren Natur ist dabei Voraussetzung zur Beherrschung der äußeren: Wie der
alttestamentarische Fluch der Arbeit reflektiert, ist die Mühsal der gesellschaftlichen Arbeit
auf Verzicht unmittelbarer Erfüllung angewiesen. Das moderne Verhältnis zu Körperlichkeit
und Natur lässt sich als direkte Verlängerung dieser Frühgeschichte begreifen. Es oszilliert
zwischen zwei Polen, die auf den ersten Blick unvereinbar erscheinen: Entweder drückt es
sich als Verachtung aus, etwa in der Vernunft- und Geistemphase deutscher idealistischer
Philosophie oder der realen Entwertung der natürlichen Umwelt durch die kapitalistische
Wirtschaft. Oder es zeigt sich eine nostalgisch-romantische Sehnsucht nach Natur, die aus
Gefühlen der Entfremdung und der Ohnmacht gegenüber den Zwängen der Gesellschaft
entspringt. Sie entspricht also dem Verlangen nach einem Ausbruch aus der zweiten Natur, der
jedoch durch die Affirmation erster Natur, die als Ideal der zweiten entgegengesetzt wird, nur
in tiefere Verstrickung in den Naturzwang führt. Als Beispiele führt Adorno die
Seinsbegeisterung der zeitgenössischen neuontologischen Philosophie und, auf
gesellschaftlicher Seite, den Faschismus an – beide lassen sich, so Adorno, als verfehlter
Protest gegen die negativen gesellschaftlichen Folgen der kapitalistischen
Wirtschaftsentwicklung verstehen. So versuchen sowohl Existentialontologie als auch die
faschistische Ideologie, der als Entwertung des Einzelnen empfundenen Individualisierung,
der modernen Atomisierung und Anonymität ein archaisches Ideal von Gemeinschaft,
Ursprünglichkeit und Eigentlichkeit entgegenzusetzen.
In den Frühstadien der Zivilisation entdecken Adorno und Horkheimer Vorformen der
modernen Rationalität im mimetischen Verhalten. Zu Zwecken der Selbsterhaltung gleicht
sich das schwache, bedrohte Leben der Übermacht der Umwelt an. Mit Herausbildung der
festen Ich-Identität und Einsatz rationalen Verhaltens kehrt sich dieses Verhältnis um: Nun
wird die Umwelt beherrschend an das Selbst angeglichen. Der Mechanismus gilt für Adorno
sowohl für die Welt körperlicher wie auch geistiger Arbeit. Auch das begriffliche Denken
beruht für ihn auf einer beherrschenden Anpassung und Zurichtung des Materials.Geist ist aus
Selbsterhaltung, also Natur, entsprungen, aber auch verselbständigt, entgegengesetzt,
abgespalten, schließlich: in ein Anpassungs- und Herrschaftsmedium verwandelt. Das
Klassenverhältnis, die gesellschaftliche Herrschaft und die Verdinglichung sozialer
Verhältnisse erscheinen so als verlängerte Naturbeherrschung, die in den innerhumanen
Bereich zurückschlägt. Die instrumentell verkürzte Vernunft verhindert gerade, dass die
Gesellschaft wahrhaft vernünftig wird, denn die Beherrschung der inneren wie äußeren Natur

droht stets zu misslingen und einer Wiederkehr des Verdrängten, einem Rückfalls in die
Regression den Weg zu ebnen.
Einen Ausweg entdecken Adorno und Horkheimer daher gerade nicht in dem nostalgischen
Ideal einer heilen Natur, zu der aus der modernen Verfallsgeschichte zurückzukehren sei, wie
es die reaktionäre Aufklärungs- und Vernunftkritik fordert. Vor derartigen Projektionen ist
Adornos wahrhaft unromantische Beschreibung der Natur gefeit. Seine Lösung liegt
demgegenüber in einer Selbstreflexion der Vernunft, die sich ihres naturhaften Ursprungs und
Moments innewerden muss und nur so ihre eigene Beschränkung transzendieren kann. Diese
Wendung beschreibt Adorno als Eingedenken der Natur im Subjekt - die materialistisch-
säkularisierte Form des aus der jüdischen Tradition stammenden Eingedenkens. Das
Eingedenken setzt eine doppelte Bewegung voraus, denn die versöhnte innere ist auf eine
versöhnte äußere Natur angewiesen.
Das Apercu von Karl Kraus „Ursprung ist das Ziel“, das Benjamin zuerst in den
geschichtsphilosophischen Thesen zitiert und auf das sich auch Adorno bezieht, hat daher
einen gänzlich anderen Sinn als die Rückkehr zu einem phantasmatischen Zustand vor dem
Sündenfall. Eine heile Natur wäre erst durch bewusste reflexive Aktivität ihres Anderen, der
Vernunft, herzustellen. So wie bei Benjamin erst im utopischen Zustand der Versöhnung das
Leiden der Vergangenheit der Erlösung anheimfällt, ist für Adorno der missratene Beginn der
Geschichte, die an innerer wie äußerer Natur verübte Gewalt, erst am revolutionären Ende der
Geschichte zu korrigieren.

4. Negative Dialektik
Wenn man Adornos Diktum ernst nimmt, dass alle späteren Werke Exkurse zur Dialektik der
Aufklärung seien, sie also in Konstellation mit deren Themen stehen, so ließe sich die
Negative Dialektik als erkenntnistheoretische Grundlage der DA begreifen. Sie zeigt
Möglichkeiten, die Hermetik der subjektiv-instrumentellen Vernunft zu durchbrechen.
Im Zentrum steht der Begriff des Nichtidentischen, der aus einer Kritik an der
Identitätsphilosophie entwickelt wird. Für Adorno fällt unter dieses Rubrum alle Philosophie,
die eine Identität von Denken und Sein behauptet und auf die konstitutiven Leistungen
subjektiven Bewusstseins rekurriert, insbesondere der deutsche Idealismus. Philosophische
Begriffe, so Adorno, gehen auf Identität des Bezeichnendem mit dem Bezeichnetem.
Aufgrund ihres allgemeinen Charakters sind sie jedoch dazu verdammt, die konkrete Vielfalt
der Erscheinungswelt durch Subsumtion und Klassifikation zu erfassen und dabei auch
Aspekte des Materials abzuschneiden. So gehen die Gegenstände in ihrem Begriff nicht auf,
geraten mit ihnen in Widerspruch, was gerade den Motor der dialektischen Philosophie
ausmacht.
Vor allem mit den Philsophien Kants und Hegels setzt sich Adorno ausführlich auseinander.
Kant rechnet er an, dass er den Konflikt zwischen Identität und Nichtidentität anerkannt hat,
indem er eine Schranke der Erkenntnis errichtete. Durch die dualistische Spaltung in
Erscheinung und Ding an sich hat er die Verabsolutierung der Vernunft aufgehalten und die
unverfügbare Dimension des Ansich zumindest formal anerkannt. Allerdings sei die Dialaktik
Hegels, der zu Recht auf die Aporien des Kantischen Dualismus, vor allem im Fall der Ding
an sich-Problematik, hingewiesen hat, wesentlich fortgeschrittener: Schließlich beansprucht er
gerade, aufgrund der Identität von Subjektivität und Objektivität auch des materiellen
Moments habhaft zu werden, jenen Bereich der Erkenntnis zugänglich zu machen, den Kant
beinahe obskurantistisch in ein unzugängliches Reich der Täuschung verbannt hatte. Was
Adorno jedoch an Hegel kritisiert, ist ein prekäres Ungleichgewicht: jene Hegelsche absolute

Identität ist lediglich Instanz auf der Subjektseite, so dass das Objekt nicht zu seinem Recht
kommt und die Dialektik durch ihren totalisierenden Charakter auch jegliches heterogene
Seiende eliminiert. Ihr Vorteil, die spekulative Kraft, nichts Unauflösliches anzuerkennen und
jegliches Ansich und jegliche Natur in ein Für es, in eine Setzung des Subjekts zu
verflüssigen, ist gleichzeitig ihr Nachteil. Dessen eingedenk, wirft Adorno Hegel vor, dass er
diese negierende Bewegung - stetige Entzweiung, dialektische Bewegung, Widerspruch -
nicht konsequent genug verfolge, dass er letztlich auf Positivität ziele. Schließlich endet die
Bewegung bei der Aufhebung des Widerspruchs von Identität und Nichtidentität in der
Identität. Letzten Endes gewinnt das Positive sogar normative Kraft: Das Wirkliche erscheint
Hegel als das Vernünftige.
Identität ist für Adorno Muster neuzeitlicher Rationalität schlechthin. Die von ihm kritisierte
Vernachlässigung des Nichtidentischen durch den Begriff entwickelt er in enger Parallelität zu
ökonomischen und gesellschaftlichen Phänomenen. So verweist er auf die Analogie zwischen
begrifflicher Identität und der gesellschaftlichen Identität, die durch den Tauschprozess
gestiftet wird. Die Hypostase des Geistes gegenüber der Natur in der Hegelschen Dialektik
parallelisiert er mit dem Mechanismus kapitalistischer Expansion, welcher ebenfalls kein
Außen gelten lässt und sich sämtliche Natur beherrschend einverleibt. Auch philosophische
Begriffe sind für Adorno Instrumente der Naturbeherrschung. Nicht nur richten sie ihr
Material in ähnlicher Weise zu, wie dies die gesellschaftliche Arbeit mit der äußeren Natur
tut. Auch sind sie aus dem Zwang der Selbsterhaltung entstanden, ihre Autonomie resultiert
erst aus der sekundären Spaltung von geistiger und körperlicher Arbeit. Mit einigem Recht
ließe sich daher auch Adornos Gesellschaftstheorie als Identitätskritik bezeichnen.
Demgegenüber ist es gerade das Nichtidentische, das Besondere und vom zurichtenden
Begriff Abgeschnittene, der Abhub der Erscheinungswelt, dem Adorno zu Ausdruck verhelfen
möchte. Gegen die (oft auch in sozialistischer Färbung auftretende) Eine vorsichtige
Umkreisung des Nichtidentischen zeigt, dass Adorno es mit Attributen wie naturhaft,
materiell, somatisch, leibhaft, irreduzibel belegt. Allerdings impliziert die Negativität der
Dialektik auch, dass das Nichtidentische auf keinen positiven Begriff gebracht werden und
etwa umstandslos mit der Natur identifiziert werden kann. Aufgrund der subjektiven
Vermittlung ist es nicht möglich, eine Trennungslinie durch die Pole Subjekt/Objekt, Identität/
Nichtidentität, vermittelt/unmittelbar zu ziehen und einer Seite die Nichtidentität zuzuordnen.
Die ND ist keine bloße Umkehrung der Hegelschen Identität von Identität und Nichtidentität,
die nun einfach anstelle der Identität die Nichtidentität setzte. Auch aus der Negation der
Negation folgt nichts unmittelbar Positives, sondern das Nichtidentische bleibt ephemer und
nur Konstellationen, also einer nicht-definitorischen begrifflichen Umkreisung, zugänglich.
Dies ist gerade der Kern und die wesentliche Anstrengung der negativen Dialektik Adornos:
Mit begrifflichen Mitteln dem Nichtbegrifflichen sich anzunähern, mit dem Begriff über den
Begriff hinauszugehen.
Eines der Modelle, mit denen Adorno seine Theorie der negativen Dialektik illustriert, ist eine
Weiterentwicklung seines frühen Aufsatzes über die Naturgeschichte. Erneut wendet er sich
gegen Hegel und kritisiert, seine Geschichtsphilosophie affirmiere in der Bewegung des
Weltgeists, der Notwendigkeit des Geschichtsverlaufs, die erste Natur in der zweiten. Das
Argument gerät zu einer umfassenden Kritik jeglicher Geschichtsphilosophie. Als
Beschreibung eines objektiven Prozesses neigt sie zu einem Umschlag ins Normative:
historisch Bestimmtes wird in die Invarianz der naturhaften Notwendigkeit transponiert und
individuelles Leiden durch Unterstellung eines transzendenten Sinns gerechtfertigt.
Demgegenüber macht Adorno die Naturwüchsigkeit der kapitalistischen Geschichte geltend,

die aber für ihn zugleich wahr und falsch ist: wahr, da unter dem automatischen Subjekt des
Kapitals die Geschichte einem quasi-naturgesetzlichen Zwang unterliegt, falsch, da die
Verschleierung der Gewordenheit auch die Kontingenz und Veränderbarkeit leugnet.

5. Ästhetische Theorie
Die Natur findet in Adornos Ästhetik über die Kategorie des Naturschönen Eingang – eine
überraschende Wendung für eine Ästhetik des zwanzigsten Jahrhunderts, zumal in Adornos
Fall, dessen Philosophie die Kunst stets unbarmherzig auf Modernität verpflichtet.
Erneut lässt sich die nun schon aus der ND bekannte Pendelbewegung zwischen Kant und
Hegel und der Rückgriff auf Unabgegoltenes bei Kant entdecken. In Hegels Ästhetik gilt das
Naturschöne nur als Übergangsstadium zum Kunstschönen des Geists, als unvollkommen und
unvollständig. Hegels Absage an das Naturschöne ist Ausdruck des Herrschaftsstrebens des
subjektiven Geists, der nichts gelten lässt, was sich nicht seiner selbst verdankt. Die damit
implizierte Unfreiheit fürs Andere, die Entwertung der Natur zum bloßen Material, korrigiert
Adorno erneut durch einen Rückgriff auf Kant, der mit seiner Ästhetik versuchte, einen
theoretische und praktische Philosophie verbindenden Einheitspunkt der Vernunft zu finden.
In der Wahrnehmung des Schönen der Natur, das eine bevorzugte Stellung in der Kantschen
Ästhetik einnimmt, wird das Bedürfnis der Vernunft reflektiert, die Natur zweckmäßig
verfasst zu sehen. Die in der Moralphilosphie auftretende Teleologie der Natur kann durch
diese praktische Erfahrung gerechtfertigt werden. Adorno rechnet Kant an, das Naturschöne
dem Zugriff der theoretischen Vernunft entzogen zu haben. Mit der Einführung des vom
begrifflich-theoretischen strikt geschiedenen ästhetischen Urteil reflektiert Kant die moderne
Autonomie der Kunst, ihre Freiheit von unmittelbaren Zweck- und Verwendungsbezügen, ihre
prinzipielle Geschiedenheit von der ökonomischen Sphäre. Zwar ist Hegel fortgeschrittener,
indem er darauf verweist, dass die Natur kein unmittelbares Ansich, sondern subjektiv
vermittelt ist, aber durch den Primat des Subjektiven, der wiederum in der ausschließlichen
Wertschätzung des Kunstschönen zum Ausdruck kommt, unterschlägt er jeden nicht in der
Vermittlung aufgehenden Rest.
Adornos Renaissance des Naturschönen ist keine nostalgische Resurrektion, sondern rettende
Säkularisierung. Erneut evoziert er nicht das Ideal einer vorgeschichtlichen heilen Natur,
sondern begreift sie als geschichtliche Größe. Die mit der modernen Industrialisierung und
Urbanisierung verbundene Naturdistanzierung ist notwendige Voraussetzung, um überhaupt
ein zweckfreies Schönes der Natur konzipieren zu können. Die Vorstellung einer notwendigen
Distanz als Konstituens von ästhetischer Wahrnehmung zeigt die Parallele zum Begriff der
Aura aus der Kunsttheorie Walter Benjamins (den er, nebenbei bemerkt, am Naturschönen
einführt. So illustriert er ihn an Naturvorgängen, die in der Kunst als Beispiele des Sublimen
gelten, wie etwa die Erfahrung eines Sonnenuntergang, der Anblick eines Bergmassivs), den
er als nahe Ferne charakterisierte.
In Adornos Theorie der Kunst kommt nun auch der utopische Aspekt der Natur zur Geltung.
Als ästhetische Erfahrung besitzt das Naturschöne eine spezifische Qualität: Es ist utopisches
Gegenbild zur menschlichen Freiheit. Wohlgemerkt geht es Adorno nicht um die
Fetischisierung der Natur, wie sie ist, sondern wie sie sein könnte. Das Schöne blitzt als
Glücksversprechen auf, lässt sich aber nicht dingfest machen. Für Adorno war die
Möglichkeit einer realen Aufhebung von Zwang und Herrschaft zur Zeit verstellt. Das Ziel
einer befreiten Gesellschaft wach zu halten, schien ihm nur noch über die Kunst möglich.
Indem diese eine eigenständige ästhetische Sphäre setzt, behauptet sie eine Autonomie von
der realen Herrschaft und kann diese so kritisieren und – zumindest im eingeschränkten, weil

gegenüber der ökonomische Sphäre unendlich machtloseren Bereich - negieren. Kunst wird
zum (Vor)Schein des Utopischen.
Was das Nichtidentische in der Negativen Dialektik leistet, die Korrektur des Verhältnisses
von Identität und Nichtidentität in der Dialektik, übernimmt das Naturschöne in der Ästhetik
Adornos: Es ist „die Spur des Nichtidentischen an den Dingen im Bann universaler Identität.“
Kunst ist für Adorno Nachahmung, nicht Darstellung des Naturschönen. Als Nichtidentisches
ist es eben nicht mit konkreter Darstellung von Natur – etwa in Form von nostalgischen
Landschaftsgemälden – zu verwechseln, welche als historisch bestimmte stets vom
Warencharakter affiziert ist. In romantisierendem Rekurs verkommt die Natur sogar zu einer
affirmativen Funktion, denn sie fungiert als illusorischer Kontrast, der die reale
Naturzerstörung verschleiert. Hier fordert Adorno eine Askese, die an das Verbot gemahnt,
unter bestehenden schlechten Verhältnissen keine konkrete Utopie auszumalen. Kunstwerke
gewinnen ihre Qualität nicht durch Unmittelbarkeit und ursprünglichen Ausdruck, sondern
allein durch ästhetische Rationalität, also konsequente Durchbildung des Materials. Nur in der
Autonomie und Modernität der Kunst kann der utopische Impuls des Naturschönen erhalten
bleiben – erneut die Vorstellung einer rettenden Säkularisierung.
Die Kategorie des Naturschönen bezeichnet auch den Unterschied zur Ästhetik Benjamins,
der die Zerstörung der Aura durch die modernen Reproduktionstechniken und die damit
verbundene avantgardistische Überführung der Kunst ins Leben begrüßte. Demgegenüber
besteht Adorno auf der Autonomie des Kunstwerks: für ihn ist die Distanz zur
gesellschaftlichen Realität gerade Konstituens der Kunst, die ansonsten Gefahr läuft, jegliche
kritische und utopische Kraft einzubüßen. Das utopische Moment der Aura berührt sich auf
diese Weise mit dem utopischen Moment des Naturschönen.

5. Synthese und Ausblicke


Es scheint nicht zu hoch gegriffen, die Idee der Naturgeschichte als regulative Idee der
Kritischen Theorie zu bezeichnen. In der kursorischen Analyse der drei Hauptwerke ist
deutlich geworden, wie Adorno stets – mit verschiedenen Mitteln und Methoden – um das
Thema der Natur kreist: in der DA das Eingedenken der Natur im Subjekt, in der ND die
Rettung des Nichtidentischen, in der Ästhetik die utopische Funktion des Naturschönen. Auch
in seiner Moralphilosophie, die hier aus Platzgründen unter den Tisch fallen musste, finden
sich die heraugearbeiteten Motive wieder: die Betonung des leibhaften Moments, des
physisches Leidens, das auf Aufhebung drängt, schließlich das Streben nach Erfüllung
sinnlichen Glücks. Die Solidarität mit Tieren und Natur wird durch die wesenhafte
Verwandtschaft mit dem Menschen: der gemeinsamen Naturhaftigkeit begründet.

Auch die Auseinandersetzung mit Kant und Hegel folgt in allen Fällen einem parallelem
Muster: Obwohl Adorno der Hegelschen Dialektik ungleich mehr verdankt als der Kantischen
Philosophie, hält er diesem doch zugute, dass er mit dem Ansich in der Erkenntnistheorie und
mit dem Naturschönen in der Ästhetik die Verabsolutierung der subjektiven Vernunft
verhindert hat und ein irreduzibles objektives, letztlich naturhaftes Moment bewahrt hat.

Abschließend seien noch einige Punkte genannt, an denen eine Kritik Adornos ansetzen
könnte.
Sowohl Kant- wie auch Hegel-Adepten könnten zurecht auf die eigenwillige Aneigung der
beiden Philosophen durch Adorno hinweisen. Da Adorno sie vormals als Kontrastfolie
verwendet, um auf deren Hintergrund seine eigene Philosphie zu entwickeln, gerät die

Darstelung bisweilen arg schematisch. Während Kant in der Abgrenzung zu Hegel beinahe als
Ontologe erscheint, verbucht sich Adorno eine materialistische Erdung Hegels, von der dieser
weniger weit entfernt ist, als es die Interpretation suggeriert.

Ein schwerwiegenderes Problem dürfte die paradoxale Stellung der Natur sein. Sie nimmt, je
nach Perspektive, einen seltsamen Platz zwischen sozialer Konstruktion und Ansich ein, der
mehr einem Oszillieren zwischen den Extremen als einer ausgleichenden Synthese gleicht.
Die daraus folgenden Aporien schlagen sich in den einzelnen Werken auf unterschiedliche
Weise nieder:
In der DA tritt die gesellschaftliche Konstruktion in den Hintergrund. Das hat Adorno den
Vorwurf eingetragen, er entwerfe mit der Vorstellung einer instrumentellen Vernunft ein
ahistorisches Naturverhältnis, das im Hintergrund und unbeeinflusst von
Vergesellschaftungsprozessen die menschliche Geschichte bestimmt. Der Vorteil eines solch
monistischen Ansatzes ist die große Erklärungskraft, so dass Adorno weite historische Bögen
zu schlagen vermag und entfernte Phänomene auf ein gemeinsames, allgemeines Gesetz
zurückführen kann. Nachteil ist ein großer Grad an Abstraktheit. Daher würde es der Theorie
zum Vorteil gereichen, die Erklärung von Naturverhältnissen enger an die gesellschaftliche
Entwicklung zu koppeln. Nimmt man der instrumentellen Vernunft ihren quasi-
anthropologischen Status und begreift sie selbst als Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse, so
können geschichtliche Veränderungen des Naturverhältnisses schlüssiger erklärt werden.
Die Negative Dialektik trägt schwer an dem von Adorno als Münchhausen-Problem
bezeichneten Dilemma: Indem sie beansprucht, mit dem Begriff über den Begriff
hinauszugehen, versucht sie, sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Es ließe
sich fragen, ob Adorno nicht selbst eine Variante der Identitätsphilosophie vertritt, denn
schließlich bewegt er sich ebenfalls in den Bahnen begrifflichen Denkens und behauptet
implizit eine Identität von Denken und Sein. Diese Probleme zeigen sich vor allem an dem
Begriff des Nichtidentischen. Ähnlich wie die Natur zwischen sozialer Konstruktion und
Ansich, schwankt das Nichtidentische zwischen subjektiver Vermittlung und einer residualen
Unmittelbarkeit. Wenn Adorno eine Grenze der Erkenntnis vor dem Nichtidentischen zieht, ist
er zugleich bereits über diese hinaus, aller Versicherung zum Trotz, das Nichtidentische sei
nichts Positives. Schließlich stellt die gesamte Negative Dialektik den Versuch dar, doch
etwas über das Nichtidentische auzusagen – zumal da Adorno stets betonte, sich nicht mit
einem Wittgensteinschen Schweigen begnügen zu wollen.
Die Aporien des Nichtidentischen in der Negativen Dialektik ähneln jenen des Naturschönen
in der Ästhetik. Es bleibt offen, in welcher Form das Naturschöne in die zeitgenössische
Kunst Eingang finden soll. Offenbar lässt sich in Adornos Theorie der autonomen modernen
Kunst nur schwer eine so obsolet scheinende Kategorie wie die des Naturschönen einbinden;
es bleibt ein Fremdstück. Durch seinen unmittelbaren Charakter stellt es den strengen
Anspruch der eingleisigen Ästhetik in Frage, die auf Fortschritt, Rationalität und konsequente
Durchbildung des Materials mit den modernsten Stilmitteln pocht.

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