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Rote Liste gefährdeter Landasseln (Isopoda: Oniscidea)

Bayerns
Bearbeitet von Mathias Grünwald

In Bayern wurden bisher 42 Landassel-Arten aller in der Roten Liste aufgeführten Landasseln.
nachgewiesen; von 40 Arten liegen Freilandfunde A. zenckeri ist nur aus der Umgebung von Bad
vor. Acht dieser Asseln (= 20 %) sind in unter- Reichenhall bekannt; zusammen mit der engen
schiedlichen Graden gefährdet. Zwei weitere Ar- Bindung an ihre schwindenden Lebensräume
ten sind bei uns streng synanthrop und nicht indi- begründet dies den hohen Gefährdungsgrad.
gen und wurden bisher nur in Gewächshäusern P. montanus und T. nodulosus sind nur an weni-
gefunden. gen Halbtrocken- und Trockenrasenstandorten
nachgewiesen. Bei den übrigen Arten der Roten
Die Landasseln besiedeln als erfolgreichste Grup- Liste ist keine akute Lebensraumgefährdung be-
pe unter den landlebenden Krebstieren sehr viele kannt; nichtsdestoweniger besteht aufgrund der
terrestrische Lebensräume, z. T. in hohen Dichten, engen Verbreitungsgebiete oder wenigen Fund-
und sind oft quantitativ wichtige Glieder der Detri- orte im bayerischen Alpenanteil eine potenzielle
tusnahrungsketten. Durch ihre Fraßtätigkeit zer- Gefährdung.
kleinern sie Falllaub und andere abgestorbene
Pflanzenteile und schließen sie für den weiteren Weitere Gefährdungsursachen, die für viele
Abbau durch Bakterien und Pilze auf. Wichtige Asselarten bedeutsam sind, sind nach JEDICKE
Biotope für Landasseln sind die Ufer von Fließ- (1997) Eingriffe in den Wasserhaushalt und ver-
und Stillgewässern, Au-, Bruch- und andere schiedene Unterhaltungsmaßnahmen. Da die
Feuchtwälder, sonstige Laubwälder, Waldränder meisten Arten stark feuchteabhängig sind, sind
und Felsen. Viele mehr oder weniger synanthrope sie durch Entwässerungen von Feucht- und Naß-
Lebensräume wie Straßengräben, Bahn- und wiesen, Flachmooren sowie Feuchtwäldern und
Straßendämme, feuchte Keller, Gewächshäuser, durch den Ausbau von Fließgewässern bedroht.
Mauern und Ruinen, Ruderalfluren, Steinbrüche Wasser-, forst-, verkehrs- und bauwirtschaftliche
und andere Abbaustellen sowie Müll- und Bau- Unterhaltungsmaßnahmen führen zur Beseiti-
schuttdeponien verschiedenster Art und Größe gung von wichtigen Habitatstrukturen (s. o.). Bei-
spielen eine wichtige Rolle. Seltener werden Wie- spiele sind die Sanierung von Felsböschungen,
senflächen, Ackerränder und Weinberge besie- das Entfernen von Hochwassergenist als ver-
delt, Nadelwälder sind ausgesprochen arten- und meintliches Abflußhindernis, Abflämmen von
individuenarm. Als Mikrohabitate bzw. Habitat- Bahndämmen, Grabenräumungen, Beseitigung
strukturen, in bzw. unter denen die Asseln Unter- von Tot- und anbrüchigem Altholz, Fugensanie-
schlupf finden, sich verstecken und oft individuen- rung von Mauern und Ruinen und manch anderer
reiche Aggregationen bilden, sind Steine, lockere „Sauberkeitsfimmel“ in Siedlungsbereichen und
Baumrinde, Holz, Ufergenist, Falllaub, Moospol- freier Landschaft.
ster, Mauerritzen und Spalten und ähnliche Struk-
turen an Bauwerken des Menschen zu nennen. Die Rote Liste basiert auf einer Auswertung der
Manche Arten leben endogäisch. Platyarthrus vorhandenen Literatur, die nach wie vor nicht sehr
hoffmannseggi lebt in den Nestern verschiedener umfangreich ist, sowie auf eigener faunistischer
Ameisenarten. Die meisten Arten sind hygrophil Arbeit in Bayern (bis 1996). Umfassende und re-
bis hygrobiont, nur wenige ausgesprochen xero- präsentative faunistische Untersuchungen liegen
phil. Viele Arten sind calciphil; einige Asseln mit nur für wenige eng begrenze Gebiete vor. Lang-
weichhäutigem Panzer und demnach geringem fristige Beobachtungen zu Bestandsentwicklun-
Kalkbedarf, wie z. B. die Ligidium-Arten und gen fehlen. Im Vergleich zur ersten Roten Liste
Philoscia muscorum, dringen sogar in (meist ge- gefährdeter Landasseln Bayerns (GRÜNWALD 1992)
störte) Randbereiche von Hochmooren vor. ergaben sich Änderungen nur dahingehend, dass
die Gefährdungsgrade konkretisiert werden konn-
Nutzungsaufgabe bzw. -intensivierung gefährdet ten. Die Bestandssituation der Arten hat sich nicht
die Arten von Halbkulturbiotopen, die auf extensi- erkennbar verändert.
ve Nutzungsformen angewiesen sind. Das betrifft Die Erstellung der ersten Roten Liste (s. o.) und
die drei am stärksten bedrohten Landassel-Arten ihrer Vorläufer (GRÜNWALD 1988, 1990) war mit der
in Bayern, die enge Bindungen an solche seltenen Hoffnung verbunden, dass davon ein Impuls für
und zurückgehenden Lebensräume aufweisen. Untersuchungen zur Oniscidea-Faunistik und eine
Porcellio montanus und Trachelipus nodulosus verstärkte Berücksichtigung im Naturschutz aus-
sind xerophile Arten der Trocken- und Halbtro- gehen werde. Diese Erwartung hat sich bisher
ckenrasen, Armadillidium zenckeri ist eine hygro- nur sehr begrenzt erfüllt. HAFERKORN (1998) veröf-
phile Art der Streuwiesen und Kalkflachmoore. fentlichte eine Rote Liste für Sachsen-Anhalt. Das
Letztere Art ist auch durch Veränderungen des Bundesamt für Naturschutz (RIECKEN et al. 2000)
Wasserhaushalts gefährdet. sieht Defizite vor allem bei Tiergruppen aus der
Trophiestufe der Destruenten und strebt die erst-
Eng begrenzte Verbreitungsgebiete bzw. nur we- malige Erstellung einer bundesweiten Roten Liste
nige Fundorte sind ein gemeinsames Merkmal der Landasseln mit höchster Priorität an.

BayLfU/166/2003
332 Rote Liste gefährdeter Landasseln (Isopoda: Oniscidea) Bayerns

Literatur HAFERKORN, J. (1998): Rote Liste der Asseln des


Landes Sachsen-Anhalt. – Ber. Landesamt
GRÜNWALD, M. (1988): Die Landasseln Bayerns f. Umweltschutz Sachsen-Anhalt 30: 28–
(Isopoda, Oniscoidea) – Verbreitung, Ge- 29.
fährdung und Schutz. – Schr.-R. Bayer. Lan- JEDICKE, E. (Hrsg., 1997): Die Roten Listen: ge-
desamt f. Umweltsch. 83 (Beitr. z. Arten- fährdete Pflanzen, Tiere, Pflanzengesell-
schutz 6): 97–99. schaften und Biotope in Bund und Län-
GRÜNWALD, M. (1990): Vorschlag für eine Rote Lis- dern. – Stuttgart, Ulmer.
te der in Bayern gefährdeten Landasseln RIECKEN, U., BINOT-HAFKE, M., GRUTTKE, H., KORN-
(Isopoda, Oniscidea). – Schr.-R. Bayer. Lan- ECK, D. & G. LUDWIG (2000): Fortschreibung
desamt f. Umweltsch. 99 (Beitr. z. Arten- und Perspektiven von bundesweiten Roten
schutz 11): 183–186. Listen. – In: BINOT-HAFKE, M., GRUTTKE, H.,
GRÜNWALD, M. (1992): Rote Liste gefährdeter LUDWIG, G. & U. RIECKEN (Bearb.): Bundes-
Landasseln (Isopoda, Oniscidea) Bayerns. weite Rote Listen – Bilanzen, Konsequen-
– Schr.-R. Bayer. Landesamt f. Umweltsch. zen, Perspektiven. – Schr.-R. f. Land-
111 (Beitr. z. Artenschutz 15 – Rote Liste schaftspfl. u. Naturschutz 65: 231–255.
gefährdeter Tiere Bayerns): 72.

Wissenschaftlicher Artname Deutscher Artname SL OG T/S Av/A RL D

2 Stark gefährdet
Armadillidium zenckeri BRANDT – – – 2

3 Gefährdet
Porcellio montanus BUDDE-LUND 3 ? – –
Trachelipus nodulosus (KOCH) 3 3 3 –

R Extrem seltene Arten und Arten mit geographischer Restriktion


Mesoniscus alpicola (HELLER) – – – R
Trichoniscus nivatus VERHOEFF ° – – – R
Trichoniscus muscivagus VERHOEFF ° – – – R
Haplophthalmus mariae STROUHAL ° – – – R
Armadillidium versicolor STEIN – – – R
° Endemit der Nordalpen

BayLfU/166/2003

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