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Aleksandar Jakir

Dalmatien zwischen den Weltkriegen


Agrarische und urbane Lebenswelt und
das Scheitern der jugoslawischen Integration
SÜDOSTEUROPÄISCHE ARBEITEN

Für das

SÜDOST-INSTITUT MÜNCHEN

herausgegeben von

EDGAR HÖSCH

und

KARL NEHRING

1999

R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN


SÜDOSTEUROPÄISCHE ARBEITEN

104

Aleksandar Jakir

Dalmatien zwischen den Weltkriegen

Agrarische und urbane Lebenswelt und


das Scheitern der jugoslawischen Integration

1999

R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN


Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Jakir, Aleksandar:
Dalmatien zwischen den Weltkriegen : agrarische und urbane
Lebenswelt und das Scheitern der jugoslawischen Integration /
Aleksandar Jakir. - München : Oldenbourg, 1999
(Südosteurophische Arbeiten ; 104
Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1997
ISBN 3-486-56447-1

© 1999 R. Oldenbourg Verlag GmbH München


Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der
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tung in elektronischen Systemen.

Gesamtherstellung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempte:

X) Pi'W] o-e-
f Bayerische j
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Staatsbibliothek
München Jf
„I koliko san god drzavi i vlast prominija, uvik je
u osnovi i biti sve isto, ako ne i sve göre. (...) A
laz je, velika je laz da je istorija uciteljica zivota.
Nista se od istorije ne da naucit. Sve je isto, uvik
sve isto“.
Miljenko Smoje (1923-1995)
Inhaltsverzeichnis

Vorwort .................................................................................................................... 9

I. Einleitung ........................................................................................................ 11
1. Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung.................................... 15
2. Zur Quellenlage.......................................................................................... 30

II. Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des


Ersten Weltkrieges............................................................................................ 37
1. Nation und Nationalismus........................................................................ 37
2. Nationsbildung bei Kroaten und Serben bis 1918................................. 55
a) Slawische Nationalisierung im 19. Jahrhundert.............................. 60
b) Merkmale moderner kroatischer und serbischer Nationsbildung . 64
3. „Jugoslavenstvo“ als Oppositionsstrategie............................................. 72
4. Ende des Weltkrieges: Kampflose Kapitulation der alten Mächte ... 83
a) Viele Probleme, eine Lösung: „Jugoslawien“ ................................. 84
b) Der unspektakuläre Machtwechsel................................................... 86
c) Die Adriafrage: Außenpolitischer Druck als Stabilisierungsfaktor
nationaler Identität? ........................................................................... 94

III. Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern. Kulturelle und sozio-
ökonomische Existenzbedingungen als Grundlagen nationaler Identität. . 107
1. Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus................................. 107
a) Das Kroatisch-katholische Dalmatien ............................................. 112
b) Serbisch-orthodoxes Selbstverständnis............................................. 120
2. Dorf und agrarische Lebenswelt............................................................... 130
a) Wirtschaftliche Lage der Landbevölkerung.................................... 133
b) Die Agrarreform................................................................................. 148
c) Wirtschaftskrise und Verschuldung der dalmatinischen Bauern . . 188
d) Politisierung und Selbstorganisation nach 1918.............................. 210
e) Die Bekämpfung des Analphabetismus als Hebel nationaler Agita­
tion .................................................. 215

7
Inhaltsverzeichnis

3. Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen................. 239


a) Split nach dem Krieg: Das Gesicht der Stadt wandelt sich............ 241
b) Kristallisationspunkt politischer Loyalität und ihre Aufkündigung:
Der Kampf des dalmatinischen Bürgertums um Eisenbahnanbin­
dung und wirtschaftliche Entwicklung..................................... 262
c) Industrialisierung........................................................................ 281
d) Nationale Argumentationsstrukturen im öffentlichenDiskurs . . 294
4. Folgen des sozialen Wandels.................................................................. 304
a) Armut und Auswanderung...................................................... 304
b) Arbeiterleben und -politik......................................................... 310

IV. Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis zur Durchsetzung kroa­


tischen Nationalbewußtseins........................................................................ 347
1. Jugoslawismus nach 1918 alsBefreiungsideologie................................. 355
2. Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste.............. 362
a) „Jadranska straza“, „Jugoslavenska matica“ und „Orjuna“ .... 363
b) Der „Jugoslavenski sokol“.......................................................... 370
3. „Jugoslavenstvo“ in der Schule ............................................................ 381
4. Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an
der Küste: Der Sieg der kroatischen Option........................................ 388
5. Der Anfang vom Ende des „Ersten Jugoslawien“: Die „Banovina Hrvat-
ska“.......................................................................................................... 427

V. Fazit................................................................................................................ 449

VI. Anhang.......................................................................................................... 455


1. Karten und Statistiken.......................................................................... 455
a) Administrative Grenzen Dalmatiens zwischen 1918 und 1941 . . 455
b) Statistiken......................................................................................... 463
2. Verzeichnis der Tabellen........................................................................ 473
3. Verzeichnis der Abbildungen ............................................................... 474
4. Quellen und Literaturverzeichnis......................................................... 475
a) Ungedruckte Quellen ..................................................................... 475
b) Gedruckte Quellen.......................................................................... 476
c) Sekundärliteratur............................................................................. 495
5. Register.................................................................................................... 529

8
Vorwort

Vorliegende Arbeit über Dalmatien zwischen den Weltkriegen wurde vom Promo­
tionsausschuß der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Winter­
semester 1996/97 als Dissertation angenommen. Sie wäre nicht entstanden ohne die
Geduld und Unterstützung vieler. An erster Stelle ist es mir dabei ein Bedürfnis,
meiner Mutter zu danken, ohne deren Hilfe, in vielerlei Hinsicht, weder mein Studium
noch Promotion möglich gewesen wäre. Ihr möchte ich die Arbeit widmen. Geschrie­
ben wurde sie im Andenken an meinen Großvater Slavko, der Zeit seines Lebens ein
dalmatinischer tezak, ein Landarbeiter und Fischer, war. Es ist zum großen Teil die
Geschichte der Lebensumstände seiner Jugend und vieler anderer seiner Generation
in Dalmatien nach dem Ersten Weltkrieg, von der im Buch berichtet wird.
Die Studienstiftung des deutschen Volkes förderte mich während meines Studiums
und ermöglichte mir durch ein dreijähriges Promotionsstipendium die Konzentration
auf die wissenschaftliche Arbeit. Dafür war und bin ich aufrichtig dankbar.
An die zuvorkommende Herzlichkeit, mit der mir in Archiven und Bibliotheken in
Dalmatien bei der manchmal mühsamen Suche nach Quellen und Literatur geholfen
wurde, denke ich gerne zurück. Mein besonderer Dank gilt der Direktorin des Histo­
rischen Archivs in Split, Frau Magister Natasa Bajic-Zarko und der Archivarin Frau
Hanja Mladineo, aber auch allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mir
über viele Monate hinweg ihre Bestände frei zur Verfügung stellten. Dies gilt auch für
die Naucna biblioteka (Wissenschaftliche Bibliothek) in Split, wo ich eintauchen
konnte in die Zwischenkriegsjahrgänge so gut wie aller Zeitungen und Zeitschriften,
die zwischen 1918 und 1941 in Dalmatien erschienen.
Daß aber die angesammelte gewaltige Materialfülle nicht über mir zusammenschlug
und ich mich bemühte, den ,roten Faden“ meiner Fragestellung nicht aus den Augen
zu verlieren, habe ich vor allem meinem akademischen Lehrer und Doktorvater, Pro­
fessor Helmut Altrichter, sowie Herrn Professor Günter Schödl zu verdanken. Ihrer
vielfältigen Unterstützung und zahlreichen Gesprächen, die mich jedesmal weiterbrach­
ten, verdanke ich mehr, als ich hier ausdrücken kann.
Dem Südost-Institut danke ich für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe
„Südosteuropäische Arbeiten“.
Bei vielen Gelegenheiten stieß ich auf viel Verständnis und Hilfe. Oft habe ich von
Gesprächen über mein vertracktes Thema - die moderne kroatische Nationsbildung

9
Vorwort

am Beispiel Dalmatiens - mehr profitiert, als meinen Gesprächspartnern vielleicht


bewußt war. Ich stehe in ihrer Schuld. Besonders möchte ich zum Schluß noch Frau
Heidi Sethaler sowie meinem Freund und Kollegen Dr. Eduard Winkler und meiner
geliebten Frau Irene danken, die es auf sich nahmen, die gesamte Arbeit zu lesen und
deren Geduld, Verständnis, Ermunterung und konstruktive Kritik sehr wertvoll und
wichtig für mich waren.

10
I. Einleitung

Der „Landesverband zur Hebung des Fremdenverkehres im Königreiche Dalmatien“


warb 1914 für eine weithin unbekannte europäische Region, die sich an der Ostseite
des Adriatischen Meeres als schmaler Küstenstreifen von 375 Kilometern Länge1 er­
streckt. Dalmatien grenze, so die Broschüre des Verbandes, „im Norden an Kroatien,
im Osten an Bosnien, die Herzegowina und Montenegro“. Von seinem Hinterland
„durch die Abzweigung der Dinarischen Alpen geschieden“, wird es im Süden und
Westen vom adriatischen Meer umfaßt. Die Küste wurde beschrieben als „vielfach
zerrissen und reich an fjordartigen, zwischen steilen Klippen und Felsen eingezwäng­
ten herrlichen Buchten, die sichere Häfen bilden“. Und weiter hieß es: „Mit der Küste
mehr oder minder parallel laufen 20 grössere und über 1000 kleinere Inseln, welche
untereinander und vom Festlande durch schiffbare Kanäle getrennt sind.“ Die Volks­
zählung von 1910, so führte der Reiseführer aus, habe 645.666 Einwohner ergeben,
die in 88 Ortsgemeinden mit 864 Ortschaften, 19 Städten und 40 Märkten lebten.2
Reiseführer blieben wohl bis heute die mit Abstand auflagenstärkste und verbreitetste
Textgattung, die sich mit dieser Region beschäftigt, die auf eine wechselhafte Ge­
schichte zurückblicken kann.3 Die genauen territorialen Grenzen änderten sich häufig.
Seit dem 18. Jahrhundert versteht man unter der Region Dalmatien den östlichen Kü­
stenstreifen der Adria, der dem Dinarischen Karstgebirge vorgelagert ist, von der Insel
Grgur bei Rab im Norden bis zur Bucht von Kotor bzw. der Mündung des Flusses
Neretva im Süden, mitsamt den Inseln vor diesem Küstenabschnitt. Die kontinentale
Grenze im Hinterland zieht sich von Obrovac über Knin, wo sich Dalmatien an seiner

1 Hartleben’s Illustrirter Führer durch Dalmatien. 2., gänzl. umgearbeitete Aufl., Wien Pest
Leipzig 1892, S. 1.
2 Landesverband zur Hebung des Fremdenverkehrs im Königreiche Dalmatien (Hg.), Prakti­
scher Wegweiser nebst Fahrplan über die Dampfer, Eisenbahn-, Post-, Automobil- und Post­
wagenverbindungen. Sommer- und Herbstsaison 1914, Zara 1914, S. 3f.
3 Vgl. Pederin, Ivan, Jadranska Hrvatska u Austrijskim i njemackim putopisima (Das adriati­
sche Kroatien in österr. u. dt. Reisebeschreibungen), Zagreb 1991; Chronol. Bibliographie
S. 351-370; zu den Eindrücken deutschsprachiger Verf. während der Zwischenkriegszeit vgl.
S. 281-319 u. Libal, Wolfgang, Dalmatien. Stadtkultur und Inselwelt an der jugoslawischen
Adriaküste, München 1990.

11
Einleitung

breitesten Stelle knapp 60 km tief ins Festland erstreckt, bis Imotski und von dort an
der Neretva entlang bis Metkovic.4
Das Reich, zu dem das kleine Kronland Dalmatien seit dem Wiener Kongreß bis 1918
gehört hatte, zerbrach am Ende des verlorenen ,Großen Krieges' in viele sich national
verstehende Einzelstücke. Was die untergegangene Donaumonarchie, die sich bis zur
Adria erstreckt hatte, zusammengehalten und unter anderem bis zu ihrem Auseinan­
derfallen ausgemacht hatte, nämlich ein nicht in nationalen Kategorien faßbares
Lebensgefühl und Staatsverständnis, war - endgültig, wie die Vertreter „nationaler“
Lösungen am Ende des Krieges hofften - zusammen mit dem Vielvölkerreich in Süd­
osteuropa untergegangen.5
Lange vor der vollständigen Niederlage am Ende des verlorenen Krieges war das
dynastische Legitimitätsprinzip dem Druck immer lauter artikulierter nationaler Sou­
veränitätsforderungen ausgesetzt gewesen. Selbst das „Programm des Kaiserlich-Kö­
niglichen Großen Gymnasiums in Split“6 für das Schuljahr 1913/14 und die dort auf­
geführten Aufsatzthemen deuten darauf hin, daß sich die Monarchie auch in ihrem

4 Vgl. die im Anhang abgedruckten Landkarten. Jenseits von wechselnden Grenzen war Dalma­
tien seit jeher eine Region der wirtschaftlichen, politischen sowie ethnischen und kulturellen
Begegnung. Von den Zeiten der Illyrer, Griechen und Römer über die Kroaten, Ungarn und
Osmanen bis zu den Venezianern, Österreich-Ungarn oder Italien lassen sich hier Einflüsse
u. gegenseitiger Austausch feststellen. Bei der Teilung des röm. Reiches (395) kam D. zum
Westreich, 535 jedoch zu Byzanz. Die seit dem Ende des 6. Jh. einfallenden Slawen und
Awaren eroberten im 7. Jh. D. bis auf die zum byzantinischen Exarchat von Ravenna gehören­
den, nach 751 im byzantinischen Thema Dalmatien organisierten Städte (Zadar, Trogir, Split,
Dubrovnik, Kotor) und Inseln (Krk, Cres, Rab). Im 10. und 11. Jh. ging die mittelalterliche
kroatische Staatsbildung von Dalmatien aus. Bald trat als neuer Konkurrent um D. Venedig
auf, das die Küstenstädte als Stützpunkte für seinen Levantehandel zu erobern suchte. Später
griffen neben Ungarn noch Bosnien und Serbien in den Konflikt ein. Aus den Auseinanderset­
zungen um die Herrschaft in dieser Region ging im 15. Jh. die reiche Lagunenstadt als Sieger
hervor. Noch heute werden unter dem Namen „Dalmatien“ die ehemals venezianischen Besit­
zungen an der Küste und die Gebiete hinter dem dinarischen Gebirgszug, der das Küstenland
vom Hinterland trennt, verstanden, die Venedig im 17. und 18. Jh. vom Osmanischen Reich
erwarb. Nach der Niederlage Napoleons, der zuvor Venedig erobert hatte, dessen kurzlebige
„Illyrische Provinzen“ auch D. Anfang des 19. Jh. umfaßten, schlug der Wiener Kongreß
1815 die Region Österreich zu, dessen „Kronland“ D. bis zum Zusammenbruch der Donau­
monarchie blieb; vgl. Hösch, Edgar, Geschichte der Balkanländer: von der Frühzeit bis zur
Gegenwart, (2. durchges. u. erw. Aufl.), München 1993 u. Rehder, Peter (Hg.), Das neue
Osteuropa von A-Z. Neueste Entwicklungen in Ost- und Südosteuropa, München 1992,
Stichwort „Dalmatien“ S. 172-176.
5 Vgl. die Einführung v. Helmut Altrichter, in: ders./Neuhaus, H. (Hg.), Das Ende von Groß­
reichen, Erlangen Jena 1996, S. 5-8, hier S. 6; darin auch der Beitrag von Manfred Rauchen­
steiner: Verlust der Mitte. Der Zerfall des Habsburger Reiches, S. 225-246.
6 Vgl. Program C. Kr. Velike gimnazije u Spljetu za skolsku godinu 1913.-1914. XLIX, Spljet
1914: „Was hat Kacic unserem Volke gegeben“, „Was bedeutete die illyrische Bewegung für
unsere Literatur?“ oder „Unsere patriotischen Dichter“ etc. im „Historischen Archiv Split“
(Povijesni arhiv u Splitu, im folgenden zit. als PAS).

12
Einleitung

,halbvergessenen“,7 südlichsten Kronland schon vor ihrem Zusammenbruch ideolo­


gisch auf dem Rückzug befunden hatte.8 Die Beantwortung der „schriftlichen Aufga­
ben“ für die Abschlußklassen rief in Dalmatien zu dieser Zeit kaum noch den ge­
wünschten k.u.k.-Patriotismus hervor. Auch wenn der Jahresbericht die „tiefste Trau­
rigkeit des Lehrkörpers und der Schüler“ verzeichnete angesichts des Attentats vom
28. Juni 1914 auf den Thronfolger in Sarajevo, blieb alle Monarchie-Pathetik seltsam
blaß.9
In klarem Kontrast steht dazu die übereinstimmend von allen dalmatinischen Zeitun­
gen dokumentierte Begeisterung, die bei einer Kinematographen-Vorführung 1912 in
Split ausbrach, als das Spliter Publikum dem montenegrinischen König Nikola und in
Heldenpose gezeigten serbischen Soldaten in einem Film über die Balkankriege zuju­
belte. Die stille Zustimmung der lokalen Verwaltung, die nicht auf diesen „Zwischen­
fall“ reagierte und auch ansonsten den besonders von der Jugend vertretenen jugosla-
wistischen Vereinigungsparolen nicht entgegentrat, sondern im Gegenteil Serbien zu
Ehren eine Straße in Split nach der Hauptstadt des Balkan-Königreiches benannte,
führte zu deren Absetzung. Doch auch die neue, von Wien aus eingesetzte Stadtregie­
rung konnte nichts mehr an einer zunehmend lauter geäußerten nationalpolitischen
Überzeugung ändern, die immer mehr Anhänger gewonnen hatte.10 Ein „(vertrauli­
cher Bericht über die politischen Verhältnisse in den südslavischen Provinzen der
Monarchie“ vom März 1913 für Kaiser und Regierung hatte resümiert:
„Die südslavische Idee, bzw. die Idee der serbo-kroatischen Verbrüderung (...) ist nunmehr
zur vollsten Herrschaft gelangt und... nicht nur das Losungswort aller Bevölkerungsschichten
in politischer, sondern auch in kultureller und wirtschaftlicher Beziehung. Dies gilt nicht nur
für Kroatien und Slavonien, sondern auch für Bosnien und die Hercegovina und ganz beson­
ders für Dalmatien (Hervorh. A. J.), wo direkte ein revolutionärer, antimonarchistischer Geist
platzgegriffen hat (...). In letzterem Lande ist es in Folge der Nachgiebigkeit der Regierung
zum Uberhandnehmen der hochverräterischen Bewegung gekommen“.11

7 Schiff, Theodor, Aus Halbvergessenem Lande, Wien 1875.


8 Vgl. die Bilanz habsburgischer Bildungspolitik in Bosnien-Herzegowina von Robin Okey
(Education and Modernisation in a Multi-Ethnic Society: Bosnia, 1850-1918, in: Schooling,
Eucational Policy and Ethnie Identity. Ed. by J. Tomiak in colaboration with K. Eriksen, A.
Kazamias and R. Okey, New York 1991, S. 319-342): Das Aufkommen organisierter natio­
nal-revolutionärer Bewegungen von bosnischen Serben, Kroaten und Muslimen und selbst
Gavrilo Princips Schüsse vom Juni 1914 sind für ihn „a significant outcome of government
educational policy“; ebenda, S. 338.
9 Program C. Kr. Velike gimnazije u Spljetu (Jahresbericht), S. 29f. u. 57.
10 Keckemet, Dusko, Poceci kinematografije i filma u Dalmaciji (1897—1918) (Die Anfänge der
Kinematographie und des Films in Dalmatien), Split 1969, S. 97 u. 143. Der erste, offiziell so
genannte, „jugoslawische Film“ wurde v. Josip Halla aus Zagreb 1918 in Dalmatien gedreht.
Es handelte sich um einen politisch-propagandistischen Streifen, der die Besetzung Istriens,
Zadars und der Insel Lastovo durch die ital. Truppen geißelte und die Entschiedenheit der
kroatisch-jugosl. Seite betonte, Dalmatien „nicht herzugeben“.
11 Vgl. KA Wien, KM, Z. 4952 (53-7/85) v. 28.3.1913: „Vertraulicher Bericht über die politi­
schen Verhältnisse in den südslavischen Provinzen der Monarchie“ undatiert; Bleistiftnotiz:

13
Einleitung

Reiseführer, die nach dem Krieg erschienen, als Dalmatien ein Teil des Königreiches
der Serben, Kroaten und Slowenen geworden war, konnten mit oben Zitiertem von
1914 nicht verwechselt werden. Neben den Naturschönheiten der Region wurde nun
hervorgehoben, daß „95 % der Einwohner Dalmatiens Jugoslawen“ seien. Wie schon
den Umschlagseiten zu entnehmen war, standen die Verfasser „unerschütterlich“ zu
der Überzeugung, daß „alle Kroaten, Slowenen, Serben und Bulgaren ein einheitliches
Volk, das jugoslawische Volk“, „ein Volk eines Blutes und einer Sprache“ bildeten.
Die „jugoslawische Gemeinschaft“ aller „Jugoslawen kroatischen, slowenischen, ser­
bischen und bulgarischen Namens“ sei schlicht eine „Notwendigkeit“.12
Doch daß es im neugeschaffenen südslawischen Staat gärte, ließ sich schon dem „Bae­
deker“ von 1929 entnehmen. Dort wurde dem Reisenden in der Einleitung des Dalma­
tien-Führers empfohlen, dem „nach dem Kriege sehr gesteigerte(n) Nationalgefühl“
der Einwohner „Rechnung (zu) tragen“, wie hinzugefügt wurde: „besonders auch in
politischen Gesprächen“.13 Die bei der Staatsgründung 1918 von deren Anhängern
verbreitete Euphorie war in der Zwischenzeit längst verflogen. Kurz vor dem Zweiten
Weltkrieg war auch in Dalmatien nicht mehr die Rede von einer „jugoslawischen
Gemeinschaft“, vielmehr wurde nun fast ausschließlich von einem „kroatischen Dal­
matien“ an der Küste gesprochen, das ,schon immer“ untrennbarer Bestandteil seiner
kroatischen Heimat gewesen sei, die mit der Schaffung einer „Banschaft Kroatien“
(ganovina Hrvatska) einen großen Schritt vorangekommen sei auf dem Weg zu einem
eigenen Staat.
Das Scheitern der jugoslawischen Integration war bald offensichtlich geworden. Auch
die weitere Entwicklung bis in unsere Gegenwart und schließlich das blutige Ausein­
anderbrechen des ,Zweiten Jugoslawien“ verleihen dem Urteil, daß die in unserem
Jahrhundert in Ost- und Südosteuropa unternommenen „Versuche zur Schaffung
übernationaler oder wenigstens großnationaler Identitätsbildungen (...) gescheitert“
sind, unmittelbar Plausibilität.14

Evidenzbüro des Generalstabs (17.3.1913), hier zit. nach Schödl, Kroatische Nationalpolitik,
S. 186, der ergänzend anführt, daß dieser „offensichtlich für wichtig und zutreffend gehaltene
Bericht“ auch anderen Zentralstellen zugeleitet wurde, u.a. dem Ministerium des Äußern
sowie dem österr. und dem Ungar. Ministerpräsidenten.
12 Drustvo za saobracaj putnika (Hg.), Putnicki vod za Split i okolicu (Reiseführer für Split und
Umgebung), Split 1923.
13 Vgl. Baedeker, Karl, Dalmatien und die Adria. Westliches Südslawien - Bosnien - Buda­
pest - Istrien - Albanien - Korfu. Handbuch für Reisende. Mit 37 Karten und 34 Plänen,
Leipzig 1929, S. XXIX.
14 Vgl. Lemberg, Hans, Unvollendete Versuche nationaler Identitätsbildung im 20. Jahrhundert
im östlichen Europa: die „Tschechoslowaken“, die „Jugoslawen“, das „Sowjetvolk“, in: Ber-
ding, Helmut (Hg.), Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 2,
Frankfurt/M. 1994, S. 581-607, bes. III. Jugoslawismus, S. 595-600, hier S. 584; vgl. aucm
ders., Der Versuch der Herstellung synthetischer Nationen im östlichen Europa im Lichte
des Theorems von Nation-Building, in: Schmidt-Hartmann, Eva (Hg.), Formen des National­
bewußtseins im Lichte zeitgenössischer Nationalismus-Theorien, München 1994, S. 145-161.

14
Ausgangstage, Problemaufriß und Fragestellung

1. Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung

Die „nationale Frage“ stellte sich neu in dem nach dem Ersten Weltkrieg gebildeten
„Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“, das aus Landesteilen mit unter­
schiedlichster Sozial-, Bevölkerungs- und Konfessionsstruktur zusammengefügt wor­
den war, und dominierte die innenpolitischen Auseinandersetzungen bis zum Zusam­
menbruch des „Ersten Jugoslawien“ im Zweiten Weltkrieg. Der „ideologische My­
thos“ (Holm Sundhaussen), mit dem sich das Jugoslawien der Zwischenkriegszeit
gegenüber der Öffentlichkeit im In- und Ausland legitimierte, nämlich daß eine jugo­
slawische Nation existiere, die nun ihren Nationalstaat errungen hätte, erwies sich
auch in Dalmatien schnell als „artifizielles Konstrukt“. Der erste jugoslawische Ge­
samtstaat ging unter, ohne daß sich die von oben propagierte Vorstellung durchsetzten
konnte, daß Serben, Kroaten und Slowenen Teile einer ,dreinamigen‘ Nation oder ein
Jugoslawisches' Volk seien.15 Der jugoslawische Staat zerbrach 1941 letztlich an der
grundsätzlichen Differenz in der Staatsauffassung zwischen Kroaten und Serben.16
Vorliegende Untersuchung über Dalmatien zwischen den Weltkriegen möchte einen
Beitrag zur Erforschung der Gründe des Scheiterns der jugoslawischen Integration
leisten. Am Beispiel dieser im wesentlichen binationalen Region soll der Frage nachge­
gangen werden, warum es zum folgenschweren Umschwenken kam von emphatischer
Begeisterung über den Zusammenschluß bis schließlich zur blutigen Abrechnung ser­
bischer und kroatischer Nationalisten im Krieg, der auch Dalmatien 1941 erfaßte.
Warum und wie scheiterte die Konstruktion einer neuen, jugoslawischen nationalen
Identität im 1918 proklamierten Staat? Exemplarisch soll anhand der Darstellung aus­
gewählter struktureller Probleme der Region und des Versuchs, diese zu bewältigen,
gezeigt werden, welche Hoffnungen sich in Dalmatien mit dem neuen Staat verbanden
und wie sich angesichts von dessen Scheitern Interessenlagen, feste soziale Standorte,
schon vorher geprägte Identitäten und von der Kroatischen Bauernpartei angebotene
kroatische Identifikationsmuster durchsetzten gegenüber der Idee einer „jugoslawi­
schen Nation“, die propagiert wurde von der Regierung in Belgrad und von einer
schmalen intellektuellen Schicht (die angesichts der machtpolitischen Realitäten und
unverändert desolaten Lebensbedingungen immer mehr schrumpfte).

15 Vgl. Sundhaussen, Holm, Geschichte Jugoslawiens 1918-1980, Stuttgart Berlin Köln Mainz
1982 u. ders., Experiment Jugoslawien: Von der Staatsgründung bis zum Staatszerfall, Mann­
heim, Leipzig, Wien, Zürich 1993; Der aktuelle Forschungsstand u. Literaturang. bei Kessler,
Wolfgang, Jugoslawien - Der erste Versuch. Vorgeschichte und Gründung des „Ersten Jugo­
slawien“, in: Elvert, Jürgen (Hg.), Der Balkan. Eine europäische Krisenregion in Geschichte
und Gegenwart, Stuttgart 1997, S. 91-118.
16 Vgl. Suppan, Arnold, Jugoslawien und Österreich 1918-1938. Bilaterale Aussenpolitik im
europäischen Umfeld, Wien München 1996, S. 74f.

15
Einleitung

Über die Geschichte Dalmatiens zwischen den Weltkriegen liegen kaum Untersuchun­
gen vor; in den verschiedenen Darstellungen der Geschichte Jugoslawiens der Zwi­
schenkriegszeit kommt Dalmatien nur am Rande vor.17 Die unlängst getroffene Fest­
stellung eines kroatischen Historikers, daß „die Vergangenheit dieses Teils der Repu­
blik Kroatien nach dem Ersten Weltkrieg nicht erforscht ist“ und „bis heute keine
Monographie mit der Gesamtdarstellung der wirtschaftlichen und gesellschaftlich-po­
litischen Verhältnisse Dalmatiens jener Zeit vorliegt“, trifft nach wie vor zu.18
Das chronologische Gerüst der Geschichte der Region Dalmatien nach dem Zusam­
menbruch der Donaumonarchie ist bekannt: Die Periodisierung der ereignisgeschicht­
lichen Entwicklung der Zwischenkriegszeit folgt derjenigen des Gesamtstaates. Un­
strittig scheint, daß das strukturschwache Dalmatien, genauso wie das Königreich der
Serben, Kroaten und Slowenen (1918-1929) und später das Königreich Jugoslawien
(1929-1941), dessen Teil es wurde, während des gesamten Zeitraums durch Krisen
und Konflikte geschüttelt wurde. In schneller Folge durchlief die Entwicklung auch
an der Küste verschiedene Phasen:
Das Ende des Weltkrieges und der Zusammenbruch des Staatswesens zwangen 1918
auch in der dalmatinischen Provinz zum Handeln. Die euphorische südslawische Be­
geisterung, mit der der Untergang Österreich-Ungarns und die Proklamierung des
Staates der Slowenen, Kroaten und Serben durchwegs in der veröffentlichten Meinung
begrüßt wurde, und der wichtige Anteil dalmatinischer Politiker beim Zustandekom­
men der staatlichen Vereinigung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen
vom 1. Dezember 1918 schienen darauf hinzudeuten, daß in Dalmatien zunächst die
besten Ausgangsbedingungen für den neuen Staat Vorlagen. Vor allem in den bürger­
lich-städtischen Kreisen, bei der schmalen Schicht des Bürgertums und unter der Intel­
ligenz der dalmatinischen Gesellschaft hatte die staatliche Vereinigung anfangs eine
sichere Basis. Geist und Kapital sahen den baldigen Aufschwung von Split und Dalma­
tien im südslawischen Gesamtstaat voraus; auch das Dorf, soweit es sich politisch
artikulierte, begrüßte den nationalen Staat“ und erwartete eine schnelle Agrarreform
und Verbesserung der desolaten Existenzbedingungen.
Der Einsatz dalmatinischer Politiker auf der Friedenskonferenz von Versailles führte
zu ersten Enttäuschungen angesichts der Stellung der serbischen Mitglieder der Dele­
gation, welche das Interesse der dalmatinischen Bevölkerung, nicht unter italienische
Herrschaft zu kommen, nur äußerst halbherzig vertraten. Auch der Vertrag von Ra­
pallo vom November 1920, durch den die Grenzziehung mit Italien geregelt wurde,
nährte eine wachsende Unzufriedenheit mit dem neuen Staat, dessen internationale
Stellung Schutz vor dem italienischen Imperialismus bieten sollte und eines der stärk-

17 Vgl. z.B. Bozic/Cirkovic/Ekmecic/Dedijer, Istorija Jugoslavije, Beograd 1972 od. Petranovic,


Branko, Istorija Jugoslavije 1918-1988, Bd. I Kraljevina Jugoslavija 1918-1941, Beograd
1989.
18 Mirosevic, Franko, Pocelo je 1918. Juzna Dalmacija 1918—1929. (Es fing 1918 an. Das südliche
Dalmatien 1918-1929), Zagreb 1992, S. 7.

16
Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung

sten Argumente für Jugoslawien gewesen war. Gegensätze zwischen der großen Mehr­
heit der Politiker der ehemaligen k.u.k.-Gebiete und denjenigen Serbiens traten bald
offen zutage. Die trotz kroatischen Boykotts verabschiedete St.Veitstag-Verfassung
1921 und der Kampf zwischen monarchischem Zentralismus und republikanischem
Föderalismus bzw. Konföderalismus beherrschte schnell die politischen Debatten
auch in der dalmatinischen Öffentlichkeit. Die wichtigsten organisierten Kräfte im
politischen Leben Dalmatiens, die Parteien, wurden zu nationalen Optionen. Die
Kroatische Bauernpartei stand für eine kroatische Identität, Volksrechte und Gerech­
tigkeit, sie gewann als nationale Bauernopposition auch in Dalmatien eine Massen­
basis. Die de facto politische Vertretung der serbischen Minderheit, die Demokratische
Partei, wandelte sich von der Anhängerin eines nationalen Unitarismus, die im ge­
schaffenen Staat anfangs die Verwirklichung ihrer jugoslawischen Ideale sah und jede
Opposition als Verrat verfolgte, zur Vertreterin ,gemeinsamer Interessen“ zusammen
mit der Kroatischen Bauernpartei gegen das Belgrader Machtzentrum; explizit groß­
serbische Parolen, wie sie die lokalen Politiker der Radikalen Partei vertraten, fielen
bei den Serben Norddalmatiens nicht auf fruchtbaren Boden.
Mit der sozialistischen Arbeiterbewegung trat eine neue und dynamische Kraft auf
die politische Bühne, die eine aktive und überzeugte Anhängerschaft mobilisieren
konnte. Doch deren „internationalistischer Jugoslawismus“ wandelte sich unter dem
Eindruck der Resonanz, die kroatische Autonomiewünsche auch unter der Bevölke­
rung Dalmatiens fanden. Vor allem die kommunistische und kroatische Opposition
sah sich der rigorosen Unterdrückung durch die Staatsmacht ausgesetzt.
Kompromißversuche zwischen Zentralismus- und Föderalismusanhängern scheiterten
bald auch in Dalmatien; wiederum setzte eine Belgrader Repressionspolitik ein und
die Krise des Parlamentarismus auf allen Ebenen wurde immer offensichtlicher. Das
Zusammenbrechen des parlamentarischen Zentralismus wurde durch die „Bauern-
und Demokraten-Koalition“ der wichtigsten Parteien der Kroaten und Serben der
Gebiete der ehemaligen Flabsburgermonarchie noch beschleunigt. Das Zusammenge­
hen der „precani“-Politiker (sowohl der Kroate Stjepan Radic als auch der Serbe Sve-
tozar Pribicevic aus Kroatien waren, von Serbien aus gesehen, von „preko“, jenseits
des Grenzflusses Drina) machte sichtbar, daß sich der Belgrader Zentralismus einer
fast geschlossenen Front auf dem Gebiet Kroatiens-Slawoniens-Dalmatiens gegen­
übersah. Die Folge des gesteuerten und herbeigeschriebenen Attentats auf den kroati­
schen Bauernführer im Belgrader Parlament war eine Radikalisierung der nationalen
Positionen bei den Kroaten. Der Versuch, die Staatskrise durch Diktatur und einen
Jugoslawismus von oben zu überwinden, schlug fehl. Auch die neuen Verwaltungs­
grenzen, die der Belgrader Zentralismus zog und die z. B. die historische Region Dal­
matien in einer Küstenbanschaft (Primorska banovina) aufgehen ließ, erreichten ihren
Zweck nicht. Auf allen Ebenen setzte in Kroatien und Dalmatien ein passiver Wider­
stand ein, und immer lauter wurden Forderungen, die in letzter Konsequenz auf einen
Separatismus hinausliefen. Einer Öffentlichkeit unter Konformitätszwang und Schu­
len, die Geburtsstätten einer neuen Generation von „Jugoslawen“ werden sollten,

17
Einleitung

stand Anfang der 30er Jahre auf wirtschaftlichem Gebiet die immer stärker auch in
Dalmatien spürbare Weltwirtschaftskrise gegenüber. Auch die oktroyierte Verfassung
des Königs und dessen Versuch, neue Stützen seines Regimes zu finden, sowie Wahlen
unter Polizeiterror und Einschüchterungen konnten nicht verhindern, daß die kroati­
schen Forderungen nach Föderalisierung immer lauter wurden. Die Konflikte ver­
schärften sich sogar, und die Kroatische Bauernpartei wurde auch an der Küste zur
Volksbewegung. Verhandlungen, um die „kroatische Frage“ zu lösen, wurden unver­
meidlich. Eine Konsolidierung des Staates war ohne ein Abgehen vom unitaristischen
Zentralismus nicht mehr vorstellbar.
Enttäuschte Hoffnungen in Dalmatien führten zu negativen Bilanzen und zum
Schwinden der Akzeptanz des Gesamtstaates in allen sozialen Schichten Dalmatiens.
Der „sporazum“ (Vereinbarung) über die Schaffung einer „Banschaft Kroatien“ (Ba-
novina Hrvatska), die der jugoslawische Ministerpräsident Dragisa Cvetkovic und
Vladko Macek (nach Radies Tod Führer der Kroatischen Bauernpartei), unterschrie­
ben, wurde auch von den Kroaten Dalmatiens als erster Schritt hin zur vollständigen
Föderalisierung Jugoslawiens gesehen. Die Verschärfung der Staatskrise durch die im­
mer drückendere Wirtschaftskrise und die schwierige außenpolitische Situation gaben
auf kroatischer Seite den Vertretern einer kroatischen Eigenstaatlichkeit Auftrieb. Die
angespannte außenpolitische Situation, der Beitritt Jugoslawiens zum Drei-Mächte-
Pakt und der darauf folgende Umsturz am 27. März 1941 führten zur Reaktion Hit­
lers, „Jugoslawien militärisch und als Staatsgebilde zu zerschlagen“. Der Einmarsch
der Achsenmächte bedeutete das sofortige Auseinanderfallen des Königreichs Jugosla­
wien und den Beginn der Abrechnung der verschiedenen Nationalismen auf dem Ge­
biet des ehemaligen Gesamtstaates untereinander.
Von den örtlichen „Nationalräten“, die sich 1918 bildeten, der prekären Versorgungs­
lage und der Angst vor italienischer Besetzung über permanente Verfassungskonflikte
und Parteienstreitigkeiten bis zur Ausrufung der Diktatur und schließlich den
Schrecknissen des Zweiten Weltkriegs, sind es freilich nicht die historischen Daten,
die kontrovers scheinen; eminent unterschied und unterscheidet sich die Interpretation
der Bedingungen, unter denen die Menschen in Dalmatien, wie auch im Gesamtstaat,
zwischen 1918 und 1941 lebten.
Über die Zwischenkriegszeit war nach 1945 - während der ersten zwei Jahrzehnte
nach der kommunistischen Machtübernahme - das Urteil klar: Bis Anfang der 60er
Jahre attestierten die Historiker Jugoslawiens unisono den ,Zusammenbruch der jugo­
slawischen liberalen Bourgeoisie', die den Zeitraum geprägt habe. Diese habe „in jeder
Hinsicht, sowohl auf ökonomischen als auch auf politischem Gebiet“ versagt. Noch
während der .Periode von 1929 bis 1941' habe das „jugoslawische Bürgertum“ aufge­
hört, „Träger der nationalen Einheit der Völker Jugoslawiens zu sein, da es sich als
unfähig erwies, diese Einheit zu organisieren“.19 Entsprechend war für die sozialisti-

19 Cubrilovic, Vasa, Uvod u istoriju Jugoslavije od 1918 do 1945 (Einführung in die Geschichte
Jugoslawiens) v. 1918-45), in: Dimitrijevic, Sergije, Hasanagic, Edib, Marjanovic, Jovan, Mo-

18
Ausgangstage, Problemaufriß und Fragestellung

sehe Geschichtswissenschaft „der Zusammenbruch vom April (1941, A. J.) Ausdruck


der damaligen unversöhnlichen inneren und äußeren Gegensätze“. Der Staat sei im
Moment des Angriffs schon durch die sozialen und nationalen inneren Gegensätze
„zerfressen“ gewesen. Das ganze öffentliche Leben im alten Jugoslawien habe unter
dem „beherrschenden Einfluß der ungelösten nationalen Frage“ (Hervorh. im Origi­
nal) gestanden. Die „nationalen Gegensätze“ hätten im politischen Leben einen her­
ausragenden Stellenwert besessen. Schuld daran sei „die dreiundzwanzigjährige Herr­
schaft der kapitalistisch-zentralistischen Oligarchie mit der Hof-Kamarilla an der
Spitze“ gewesen, die „die Interessen des eigenen Volkes niemals berücksichtigt“
hätte.20
Dezentralisierung und Liberalisierung in der Sozialistischen Föderativen Republik Ju­
goslawien führten besonders zwischen der serbischen und kroatischen Historiogra­
phie seit den 1970er Jahren zu äußerst kontrovers geführten Diskussionen, die sich
hauptsächlich ideen- und politikgeschichtlich mit innen- und außenpolitischen Pro­
blemen des Gesamtstaates während der Zwischenkriegszeit beschäftigten, wobei nach
wie vor die „nationale Frage“ im Vordergrund des Interesses stand.21 Zwar wurde
eine „Reduktion“ auf die Politikgeschichte und die „äußerste Intoleranz in historio-
graphischen Auseinandersetzungen“ durch eine nur zu oft in Stereotypen und gegen­
seitigen Schuldzuweisungen befangene ,nationale* Geschichtsschreibung noch wäh­
rend der Existenz des sozialistischen Jugoslawiens von manchen serbischen wie kroa­
tischen Historikern beklagt; die Tatsache bleibt aber, daß die Erforschung der ver­
schiedenen Nationalismen und Widersprüche des 1918 gegründeten Staates noch sehr
viele weiße Flecken aufweist, ganz zu schweigen von fehlenden regionalgeschicht­
lichen Konkretisierungen.22 Die Historiographie zu Zeiten des sozialistischen Jugosla-

raca, Pero (Hg.), Iz istorije Jugoslavije 1918-1945. Zbornik predavanja, Beograd 1958, S. 7-
26, hier S. 11 u. 15.
20 Vgl. Culinovic, Ferdo, Slom stare Jugoslavije (Der Zusammenbruch des alten Jugosl.), Zagreb
1958, S. 14ff.
21 Stellvertretend sei hier die Kontroverse zwischen der Zagreber Historikerin Mirjana Gross
und Milorad Ekmecic genannt; vgl. Mirjana Gross: „Ideja jugoslavenstva u XIX stoljecu u
Istoriji Jugoslavije“, in: CSP 11/1973, S. 8-14 u. dies., „Ideja jugoslavenstva u XIX stoljecu i
„dogmatski nacionalizam“, in: JIC 3-4/1975, S. 121-160, sowie Ciliga, Vera, O pogledima
Milorada Ekmecica na hrvatsku povijest, ebenda, S. 161-167 u. Boban, Ljubo, Kontroverze
iz povijesti Jugoslavije (Kontroversen aus der jugoslawischen Geschichte), Bd. 1 Zagreb 1987,
Bd. 2 Zagreb 1989 u. seine im Literaturverz. aufgef. Arbeiten. Die Auseinandersetzungen
zw. Vertetern der kroat. Historiographie mit serbischen Historikern u. Publizisten um die
Interpretation des serbisch-kroatischen Verhältnisses zw. 1918 und 1945 waren in ihrer
Schärfe und Kompromißlosigkeit ein genauer Gradmesser für den Stand dieses Verhältnisses
am Ende des „Zweiten Jugoslawien“.
22 Vgl. das Thesenpapier der Historiker Drago Roksandic, Dorde Stankovic und Zorica Stipetic
von 1985: „Velikosrpski hegemonizam i drugi nacionalizmi u protivreenostima jugoslovens-
kog drustva 1918-1941. (Großserbische Hegemonie und andere Nationalismen in den Wider­
sprüchen der jugosl. Gesellschaft 1918-41), in: Roksandic, Drago, Srpska i hrvatska povijest i

19
Einleitung

wiens ist den Nachweis schuldig geblieben, daß im dalmatinischen Hinterland, wo


Serben und Kroaten hauptsächlich zusammenlebten, stets „Brüderlichkeit und Einig­
keit“ geherrscht hätten. Folglich kam es auch zu keiner unvoreingenommenen Analyse
und Bewältigung der Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs in diesem Gebiet,
die nur hilflos damit „erklärt“ werden konnten, daß „die Ustasa ihre faschistische,
chauvinistische und verbrecherische Ideologie auch nach Dalmatien“ brachte.23
In gewisser Hinsicht stellt die Summe ideengeschichtlicher Forschungsbemühungen
zur „nationalen Frage“ im Jugoslawien der Zwischenkriegszeit die Studie von Ivo
Banac dar. Sein explizit fomuliertes Anliegen, die „nationalen Ideologien“ und damit
die „Wurzeln der tragischen Ereignisse“ freizulegen, die sich in der langen Periode
der Instabilität zwischen den Weltkriegen aufgestaut haben, hoffte er mit dem Blick
auf Geschichte, Parteien und Programme zu erreichen. Auf die ungleiche „Verteilung
von Reichtum“, so formuliert er apodiktisch, könne „die nationale Frage nicht zu­
rückgeführt“ werden. Vielmehr benennt er die „gegenseitige Ausschließlichkeit der
Nationalideologien“ als die „verantwortlichsten Faktoren“, die zu den Zusammenstö­
ßen geführt haben. Ihren Einfluß auf Einzel- und Kollektivbewußtsein hält er für
entscheidend.24 Die Konzentration auf „Nationalideologien“ bestätigte im Grunde als
wichtigstes Ergebnis der Forschung zur Zwischenkriegszeit das Urteil, daß diese
Phase, auch in Dalmatien, nachdem der ,erste Enthusiasmus“ sehr schnell zerfallen
war, durch die „Übermacht der großserbischen, unitaristisch-zentralistischen Politik“
gekennzeichnet gewesen sei.25
Doch werden durch solch einen Befund die Probleme und Schwierigkeiten deutlich
mit denen die Menschen nach dem Ende des Weltkrieges in Dalmatien zu kämpfen
hatten? Oder läßt sich die Geschichte der Region nach 1918 wirklich auf bündige

,Nova historija“ (Serbische und kroatische Geschichte und ,neue Geschichtsschreibung“), Za­
greb 1991, S. 213-226, hier S. 215
23 Vgl. Gizdic, Drago, Dalmacija 1941. godine, in: Zbornik Instituta za historiju radnickog po-
kreta Dalmacije 2, Split 1972, S. 65-84, hier S. 70f. Seit dem Juni 1941 setzten Massaker an
Serben in der Gegend um Knin und Drnis ein. Größtenteils seien die Verbrechen von Ustasa-
Anhängern verübt worden, die nicht aus der Region stammten.
24 Vgl. Banac, Ivo, The National Question in Yugoslavia. Origins, History, Politics, Ithaca and
London (2. Aufl.) 1992. 1. jug. Ausgabe, Zagreb 1988, hier zit. nach der erw. kroat. Neuauf­
lage: „Nacionalno pitanje u Jugoslaviji. Porijeklo, povijest, politika“ (Die nationale Frage in
Jugoslawien. Ursprung, Geschichte, Politik), Zagreb 1995, hier, S. 9.
25 Vgl. Mirosevic, S. 8. Durchgehend wird das „Erste Jugoslawien,“ dieses „serbisch dominierte,
in gesellschaftlicher und nationaler Beziehung reaktionäre Gebilde“ als „durch nationale und
soziale Gegensätze zerrissen“ beschrieben; ebenso bei Macan, Trpimir Povijest hrvatskoga
naroda (Geschichte des kroatischen Volkes), Zagreb 1992, S. 390f., Tudman, Franjo, Hrvatska
u monarhistickoj Jugoslaviji 1918.-1941. (Kroatien im monarchistischen Jugoslawien 1918—
41), 2 Bde. (Neuauflage) Zagreb 1993 od. Boban, Ljubo, Dr. Tomo Jancikovic - HSS izmedu
zapadnih saveznika i jugoslavenskih komunista (Die HSS zwischen den westlichen Verbünde­
ten und den jugoslawischen Kommunisten), Zagreb 1996, bes. Kap. I 1. „Kroatien zwischen
den Weltkriegen“, S. 11-19, aber auch Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 172ff.

20
Ausgangstage, Problemaufriß und Fragestellung

Formeln bringen, wie die daß das dalmatinische „Bürgertum“, welches „schon damals
ein kroatisches nationales Bewußtsein hatte und in der Politik des Zentralismus und
Unitarismus eine Gefahr für die nationale Eigenheit und territoriale Integrität Kroa­
tiens sah“, der „serbischen Dominanz“ Widerstand entgegensetzte, weil es sich natio­
nal unterdrückt sah? Ist die Schaffung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slo­
wenen, „in denen die Serben die absolute Übermacht besaßen“, nur zu interpretieren
als „ideale Gelegenheit“, die sich „den Serben bot, ihre Absichten zu verwirklichen
und das Kroatentum im südlichen Dalmatien zu vernichten“ - so eine heute unter
dem Eindruck der jüngsten Vergangenheit gängige Sichtweise der heutigen kroatischen
Historiographie?26 Werden so nicht aus einer ahistorischen Expost-Perspektive gerade
die 1918 im städtisch-dalmatinischen Milieu weitverbreiteten Hoffnungen übersehen,
die sich mit der Vereinigung verbanden? (Wobei sich freilich die schmale Schicht aus
Anwälten, Händlern, Gewerbetreibenden, wenigen wohlhabenden Grundbesitzern
und noch weniger Industriellen nur schwer als „Bürgertum“ im mittel- oder westeuro­
päischen Sinne beschreiben läßt.) Und blendet solch eine Sichtweise nicht ganz die
übergroße Mehrheit derjenigen aus, die sich nicht aktiv an öffentlichen Debatten be­
teiligten?
Andererseits scheint es nicht überzeugender, den Spieß nur umzudrehen, und alle
kroatischen Klagen über nationale Benachteiligung und politische Unterdrückung im
Zwischenkriegsjugoslawien pauschal als „old myth of Serbian hegemony“ abzutun
und die „sogenannte serbische Hegemonie“ nur zum Produkt falscher Unterrichtung
des Auslands durch separatistische und kommunistische Agitatoren zu erklären. Die
in den zeitgenössischen Quellen bald ziemlich einmütige kroatische Kritik an ,Bel­
grad' und die zähen zwanzigjährigen nationalpolitischen Auseinandersetzungen lassen
sich wohl kaum durch „the fear of Serbian dominance (which) had been employed by
Austria-Hungary to scare the south Slav inhabitants“ erklären.27 Nicht nur die bit­
teren Nationalitätengegensätze, welche die Zwischenkriegsjahre vergiftet hatten,28
scheinen in den unterschiedlichen Interpretationen durch, sondern Frontstellungen
der Gegenwart.
Bei dem Versuch, geschichtliche Vorgänge und Zusammenhänge zu erklären, die zur
verhängnisvollen Entwicklung des serbisch-kroatischen Verhältnisses geführt haben,

26 Mirosevic, S. 8 od. Obad, Stijepo, Dalmacija u Ozanicevo doba (Dalmatien zur Zeit Ozanics),
in: Zadarska smotra 1-2 (Ozanicev zbornik), 1994, S. 29-36.
27 Dragnich, Alex N., The Anatomy of a Myth: Serbian Hegemony, in: Slavic Review 50, no.
3/1991, S. 659-662, hier S. 659.
28 Vgl. Wehler, Hans-Ulrich, Nationalitätenpolitik in Jugoslawien: Die deutsche Minderheit
1918-1978, Göttingen 1980, S. 7. Das vergiftete innenpolitische Klima hat der Belgrader
Historiker Branko Petranovic klar auf den Punkt gebracht mit seiner Feststellung, daß die
serbischen Politiker an der Macht für ihre Gegner Politiker ohne Ehre und Moral waren, und
die Vertreter der kroatischen Opposition für die „carsija“ und deren Presse Ausländer, von
deutsch-österreichischem Geist durchdrungen und einem „Franz-Joseph-Bürokratismus“
verhaftet (Istorija Jugoslavije, S. 174).

21
Einleitung

und nachzuvollziehen, warum die Menschen im instabilen Jugoslawien zwischen den


Weltkriegen sich so verhielten, wie sie es taten, welche Konflikte daraus entstanden
und wie sie zu lösen versucht wurden, scheint die heterogene doch überschaubare
dalmatinische Gesellschaft geeignet. In vorliegender Arbeit wird die These vertreten,
daß es nicht zuletzt das Bewußtsein der eigenen Unterentwicklung war, welches die
nationale Emanzipation als Uberwindungsstrategie ( zuerst unter den Gebildeten) her­
vorbrachte. Exemplifiziert werden soll das an einer der Haupthoffnungen des Bürger­
tums der dalmatinischen Peripherie, die sich auf den Eisenbahnbau richtete.
Generell scheint die Region Dalmatien geeignet, um aufzuzeigen, wie - bei aller Pro­
blematik des Begriffs - moderne nationale Identitäten unter Krisenbedingungen ge­
schaffen und stabilisiert werden.29 Am dalmatinischen Beispiel ist auch der „Kern­
punkt der serbo-kroatischen Konflikte im 20. Jahrhundert“ besser zu verstehen. Auch
hier zeigte sich nämlich bald der Antagonismus zwischen staatlich-serbischer Politik
und Nationalideologie, die „konsequent die kroatische Staatlichkeit bekämpfte“ und
der ihr gegenüberstehende „Anspruch der kroatischen Seite auf eine eigene Staatlich­
keit“.30 In keinem südslawischen Gebiet war der Wunsch nach Zusammenschluß in
einen jugoslawischen Gesamtstaat am Ende des Krieges stärker vorhanden gewesen.
Und doch setzte sich unter der katholischen Mehrheit der Bevölkerung Dalmatiens
eine moderne kroatische Nationalidentität durch. Unter den aktiven Vertretern so
verstandener national-kroatischer Politik wurde jener Flügel übermächtig, der als
Folge nicht erfüllter politischer Forderungen einen eigenen Staat anstrebte.
Wie kam es zu Mobilisierung und Massenbasis, die den politischen Forderungen der
Kroatischen Bauernpartei in der Zwischenkriegszeit politische Kraft verliehen und
Identitäten prägten? War etwa der monströse Ustasa-Staat zwischen 1941 und 1945,
der als „Wiederauferstehung“ des kroatischen „Nationalstaates“ ausgegeben wurde,
in den Erfahrungen der mißlungenen jugoslawischen Staatskonstruktion angelegt?
Tatsächlich war es, was sich auch für Dalmatien zeigen läßt, in der Zwischenkriegszeit
zu einer weitgehenden kroatischen nationalen Homogenisierung und zu einem ge­
meinsamen Widerstand gegen den Belgrader Zentralismus gekommen. Doch wie kam
es - über alle Parteigrenzen hinweg - zum überwältigenden Konsens innerhalb der
kroatischen Gesellschaft, eine ethnisch, historisch, konfessionell und kulturell defi­
nierte Individualität der Kroaten vor dem Aufgehen in einem „jugoslawischen“ Unita-
rismus bzw. ,integralen Jugoslawismus' zu bewahren?31

29 Zur Problematisierung des Identitätsbegriffs vgl. Niethammer, Lutz, Konjunkturen und Kon­
kurrenzen kollektiver Identität. Ideologie, Infrastruktur und Gedächtnis in der Zeitge­
schichte, in: Werner, M. (Hg.), Identität und Geschichte, Weimar 1997, S. 175-203.
30 Dzaja, Srecko, Bosnien-Herzegowina in der österrichisch-ung. Epoche (1878-1918), Mün­
chen 1994, S. 222.
31 Vgl. Sundhaussen, Holm, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im nationalsozialistischen Groß­
raum 1941-1945. Das Scheitern einer Ausbeutungsstrategie, Stuttgart 1983, S. 11 u. 61f. bes.
Kap. 2 „Die Genesis des kroatischen Staates von 1941“, S. 56-91, wo der fanatisierte, irratio­
nal verformte zum Chauvinismus gesteigerten Ustasa-Nationalismus auf den Begriff gebracht

22
Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung

Ein genauer Blick auf „nationale Identität“ zeigt das historisch Bedingte und Wechsel­
hafte dieses Begriffes und was sich mit ihm jeweils verband. Die Geschichte der Kroa­
ten Dalmatiens während der abschließenden Phase der kroatischen Nationsbildung
belegt die von Holm Sundhaussen aufgestellte These, daß die „entscheidende Phase
der kroatischen Nationsbildung nicht in das 19. Jahrhundert, sondern erst in die 20er
Jahre unseres Jahrhunderts zu verlegen ist.“ Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde
der Nationalismus zu einem Massenphänomen und hörte auf, nur eine Ideologie der
Eliten zu sein.32 Die Wichtigkeit des alle nationalen Territorien umfassenden Rah­
mens, wie ihn das Königreich SHS darstellte, für die „Integration zur modernen kroa­
tischen und zur modernen serbischen Nation“ und die Überwindung der verschiede­
nen Regionalismen steht dabei außer Frage.33 Zu den entscheidenden Gründen für die
Beschleunigung und den Abschluß der modernen kroatischen Nationsbildung wäh­
rend der Zwischenkriegszeit gehörten sicher auch, wie Holm Sundhaussen analysiert
hat, daß die Erfahrungen des Weltkrieges bis in die untersten sozialen Schichten hinein
als Mobilisierungsfaktor bisher unbekannten Ausmaßes gewirkt hatten. Die Menschen
wurden mit neuen Ideen und neuen Feindbildern konfrontiert. Die Auflösung der
Habsburger Monarchie ließ einen Freiraum entstehen, der durch einen ungeheuren
Erwartungsdruck ausgefüllt wurde. Doch die durch den Zusammenbruch der alten
Ordnung geweckten Hoffnungen wurden in der Folgezeit rasch und in nahezu jeder
Hinsicht enttäuscht. Da das „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ ein
zentralistisch verwalteter, multinationaler Staat mit einem ausgeprägten Wohlstandsge­
fälle von Norden nach Süden war, bot sich die Verquickung von nationaler, politischer

ist; vgl. auch ders., Das Ustasa-Syndrom. Ideologie - historische Tatsachen - Folgen, in:
Lauer, R. u. Lehfeldt, W. (Hg.), Das jugoslawische Desaster. Historische, sprachliche und
ideologische Hintergründe, Wiesbaden 1995, S. 149-187. Die, wissenschaftlich unhaltbare,
kroatisch-nationalistische Gegenposition z.B. in der Dissertation von Marijan Rogic (Die
Idee des kroatischen Staates bei Ante Pavelic unter Berücksichtigung besonderer historischer
Tatsachen sowie des Staats- und des Selbstbestimmungsrechts (Auseinandersetzung mit dem
Kommunismus), München 1983. Für den Verf. bestand die „Ustascha-Bewegung bei den
Kroaten“ (...) „einzig und allein in der Bestrebung (...) nach Selbstständigkeit, freier Entfal­
tung, Identität, Unabhängigkeit“ (S. 255). Dabei hätte die Ustasa „sehr sensibel auf die Reak­
tion eines Teils der serbisch-orthodoxen Bevölkerung“ reagiert, wobei die „Schärfe ihres Vor­
gehens, die in den revolutionären Zeiten stets aufkommt (...) leider auch Unschuldige“ getrof­
fen hätte, aber von „einer Rassendiskriminierung oder gar Rassenwahn in der Ustasa-Bewe-
gung“ könne nicht die Rede sein: „dies war ihr fremd“ (S. 230).
32 Vgl. Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 166 u. die vom selben Verf. zusammengest. Auswahlbi­
bliographie in seinem paradigmatischen Artikel zu Nationsbildung u. Nationalismus: „Na­
tionsbildung und Nationalismus im Donau-Balkan-Raum“, in: Forschungen zur Osteuropäi­
schen Geschichte 48 (1993), S. 233-258; vgl. auch Stokes, G. (Hg.), Nationalism in the Bal­
kans. An Annotated Bibliography, New York London, 1984.
33 Kessler, Wolfgang, Programme und Politik der nationalen Integration in den kroatischen Län­
dern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Jugoslawien: Integrationsprobleme in
Geschichte und Gegenwart hg. v. Klaus-Detlev Grothusen, Göttingen 1984, S. 151-163, hier
S. 163.

23
Einleitung

und wirtschaftlich-sozialer Frustration wie von selbst an. Schließlich bedeutete die
Ausweitung des Wahlrechts auf alle erwachsenen Männer den Beginn einer neuen
kroatischen Offentlichkeitskultur und veränderte somit die politische Bühne Kroa­
tiens von Grund auf.34
In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, wie der Wandel des „nationalen Be­
wußtseins“ innerhalb der katholisch-kroatischen Bevölkerung Dalmatiens im einzel­
nen verlief, und es soll der Abschluß der modernen kroatischen Nationsbildung an­
hand der Entwicklung in dieser Region nachgezeichnet werden.
Neben der Frage, was nationales Bewußtsein bzw. nationale Ideologie konstituiert, ist
entscheidend für das Verständnis des Nationalisierungsprozesses, was dazu geführt
hat, daß große Teile der Bevölkerung bereit waren, sich national homogenisieren zu
lassen.35 Die Notwendigkeit einer „Begriffssprache und Theoriebildung von begrenz­
ter Reichweite“ angesichts der epochen- und regionenübergreifenden Erscheinungs­
vielfalt des Nationalen ist dabei in der neueren Forschungen überzeugend begründet
worden. Das gilt auch und gerade im Hinblick auf die komplexe und kleinräumige
südosteuropäische Entwicklungsvielfalt. Es wurde gefragt, ob es so etwas wie eine
notwendige, quasi „natürliche“ Abfolge bestimmter Teilphasen der Entfaltung des
Nationalen, der politisch-staatlichen Herausbildung kollektiver „nationaler“ Identität
gebe und ob im Nationalen als Teilelement des Modernisierungsvorgangs gewisserma­
ßen eine „vorprogrammierte Dynamik mit der Zielstellung ,Nationalisierung der ge­
sellschaftlichen Kommunikation und autarker Nationalstaat'“ enthalten sei? Jede pro­
blembezogene Regionalgeschichtsschreibung steht dabei vor dem Problem, daß es erst
wenige Grundlagenstudien gibt, die es unternommen haben, Fragestellungen der For­
schung zu „gemeineuropäische(n) Phänomene(n) von sozialem Wandel und Massen­
politisierung, von nationaler Integration und Staatenbildung“ auf die regionale Vielfalt
Südosteuropas anzuwenden und in den Kontext ,großer' europäischer Themen wie
wirtschaftlich-gesellschaftlichem Strukturwandel und Nations-/Staatsbildung zu stel­
len.36 Im Falle Dalmatiens war es erst etwa seit der Jahrhundertwende möglich, dauer-

34 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 247.


35 Vgl. Moritsch, Andreas, Einleitung, in: ders. (Hg.), Die slawische Idee. Beiträge am Matija
Majar-Ziljski-Symposium vom 6. bis 10. Juli 1992 in Tratten/Posice (Kärnten), Bratislava
1993, S. 12, vgl. darin auch seinen Beitrag „Die nationale Differenzierung in Kärnten in der
Zeit des Matija Majar-Ziljski“ (S. 128-143) u. den von ihm hrsg. Sammelband „Vom Ethnos
zur Nationalität. Der nationale Differenzierungsprozeß am Beispiel ausgewählter Orte in
Kärnten und im Burgenland, Wien - München, 1991.
36 Vgl. Schödl, Günter, Die Dauer des Nationalen. Zur Entwicklungsgeschichte des „neuen“
Nationalismus im östlichen Europa, in: Winkler, H. A./Kaelble, H. (Hg.), Nationalismus -
Nationalitäten - Supranationalität, (2. Aufl.) Stuttgart 1995, S. 123-155, hier S. 129f. u. ders.,
Kroatische Nationalpolitik und „Jugoslavenstvo“: Studien zu nationaler Integration und re­
gionaler Politik in Kroatien-Dalmatien am Beginn des 20. Jahrhunderts, München 1990, S. 9,
wie auch ders., Formen und Grenzen des Nationalen. Beiträge zu nationaler Integration und
Nationalismus im östlichen Europa, Erlangen 1990, der aufzeigt, daß bei der Untersuchung
temporaler und kausaler Wechselwirkungen zwischen Nations- und Nationalstaatsbildung

24
Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung

hafte politische Aktivität auch außerhalb der städtischen Führungsschichten in Gang


zu setzen. Im Zwischenkriegsjugoslawien wurde deutlich, daß sich die kroatische Op­
position gegen den serbischen Zentralismus bald auf „national ansprechbare bäuerli­
che Massen“ und ein „politikgeübtes Bürgertum“ stützen konnte.37 Doch was stand
hinter den nationalen Forderungen?
Miroslav Hroch hat formuliert, daß die „Entscheidung, sich für die nationale Sache
einzusetzen, (...) nicht nur durch die Einwirkung einer Idee, sondern ebenso durch
konkrete Interessen bestimmt“ war und die nationalen, kulturellen, linguistischen etc.
Forderungen (...) mithin als verschlüsselte Äußerungen sozialer Bedürfnisse interpre­
tiert werden“ können. Diese Überlegungen erwiesen sich auch in bezug auf Dalmatien
in der Zwischenkriegszeit als weiterführend.38
Vor dem Hintergrund einer „Strukturkrise“ in Südosteuropa vor und nach dem Ersten
Weltkrieg,39 die von der Forschung schon bald erkannt worden war, erschütterte eine
„periodisch krisenhafte Entwicklung“40 während der gesamten Zwischenkriegszeit
den agrarisch geprägten Staat mit einer durchschnittlich zu 80 % aus Bauern bestehen­
den Bevölkerung. Das galt auch für das von Armut gezeichnete Dalmatien.41 Das
Problem einer unproduktiven Landwirtschaft, deren Ertrag nicht ausreichte, die Be­
völkerung zu versorgen, wies auf große strukturelle Defizite im Agrarbereich. Die
traditionell gewachsene Lebenswelt wurde auch in Dalmatien von den Folgen der
Transformationsprozesse einer in weiten Teilen noch vorkapitalistischen Subsistenzö­
konomie überrollt. Die Zwänge einer sich zunehemd kapitalisierenden Ökonomie
wurden bis ins letzte Dorf im dalmatinischen Hinterland spürbar. Wie in ganz Südost-

und gesellschaftlicher Modernisierung in Südosteuropa eine bloßer Übertragung von Model­


len und Theorien zu verzerrten Untersuchungsergebnissen führt. Das Fehlen unabdingbarer
„Bezugsgrößen wie Bürgertum und Liberalismus, Industrialisierung und ausdifferenzierte(r)
Massengesellschaft“, die weithin nicht gegebene „soziale Basis von Marktkonkurrenz und
(...) kompakt-homogene(n) Ethnien“ in diesem Raum bedingten im 19. und 20. Jahrhundert
einen anders verlaufenden Prozeß bei der Herausbildung ,moderner“ Nationen.
37 Lemberg, Unvollendete Versuche, S. 597.
38 Hroch, Miroslav, Nationales Bewußtsein zwischen Nationalismustheorie und der Realität der
nationalen Bewegungen, in: Schmidt-Hartmann (Hg.), Formen des Nationalbewußtseins,
S. 39-52, hier S. 40.
39 Vgl. Conze, Werner, Die Strukturkrise des östlichen Mitteleuropas vor und nach 1919, in:
Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1, 4 (1953), S. 519-538. Seton-Watson, Hugh, Osteuropa
zwischen den Kriegen 1918-1941. Paderborn 1948; Jelavich, Charles and Barbare (Hg.), The
Balkans in Transition, Berkeley, Los Angeles 1963.
40 Zach, Christa, Agrarsozialer Wandel in Rumänien und Jugoslawien als Beispiel einer Moder­
nisierung in Südosteuropa (1918-1980), in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 36 (1988),
S. 504-529, hier S. 505.
41 Vgl. Calic, Marie-Janine, Sozialgeschichte Serbiens 1815-1941. Der aufhaltsame Fortschritt
während der Industrialisierung, München 1994. In der von ihr herausgearbeiteten „Typologie
des serbischen Entwicklungsweges“ („Fazit“, S. 441-451) analysiert sie exogene und end­
ogene Merkmale des manifesten „Rückständigkeitssyndroms“, von denen sich etliche un­
schwer auf Dalmatien übertragen lassen.

25
Einleitung

europa während des Übergangs zur Moderne wirkten zahlreiche Entwicklungshinder­


nisse auch in der dalmatinischen Landwirtschaft der Zwischenkriegszeit nach. Die
weithin „äußerst primitive“ Technik der Landnutzung, die unzureichende Düngung
des Bodens oder die Behinderung jeglichen Innovationsstrebens durch die Dorfge­
meinschaft lassen sich aber ebensowenig ausschließlich ökonomisch erklären wie die
Abneigung traditionell wirtschaftender Bauern gegen Veränderungen, wie die For­
schungsergebnisse von Holm Sundhaussen nahelegen. Der traditionell an der „Be­
darfsdeckung“ ausgerichtete Arbeitseinsatz der Bauern, die sehr ungleichmäßige Aus­
lastung der Arbeitskraft während des Jahres oder die abergläubisch-fatalistische Ein­
stellung gegenüber Naturphänomenen lassen sich auch noch nach 1918 vor allem im
dalmatinischen Hinterland beobachten. Was das Dorf belastete - Kapitalarmut, Ab­
satzprobleme, rückständige Produktionsmethoden etc. - läßt sich im Befund einer
„gescheiterten Modernisierung“ zusammenfassen.42
Doch Bauernfrage und Agrarproblematik standen im neugegründeten Königreich
SHS ganz im „Zeichen innenpolitischer Spannung“ und wurden „total vernachläs­
sigt“.43 Nationale Parolen übertönten andere Diskurse. Warum entwickelten sie Über­
zeugungskraft?
Nationalismus und Nationsbildung erwachsen aus kollektiven Haltungen, die nur er­
klärbar sind durch Kenntnis der materiellen Grundlagen von Politisierungsprozessen.
Nach der (weithin übernommenen) Selbsteinschätzung der allermeisten südslawischen
Politiker seien konkurrierende zentralistische oder föderalistische Entwürfe, wie der
gemeinsame Staat aufgebaut sein sollte, Ausdruck nationaler Unterschiede, gerade
zwischen Serben und Kroaten. Diese Ansicht ist genauso hinterfragbar wie die Sicht­
weise, daß es besagte südslawische Politiker waren, die die authentischen Interessen
der einzelnen Nationalitäten vertraten.44 Es ließen sich mit Blick auf Dalmatien durch­
aus Anhaltspunkte dafür finden, daß das „Nationale“ im Sinne wechselnder nationaler
Positionsbestimmungen aus manifesten Interessen abzuleiten ist.
Die Zustimmung der großen Mehrheit der Wähler zu jeweils „ihren“ nationalorien­
tierten Parteien, die für die überragende Bedeutung der „nationalen Frage“ zu spre­
chen scheint, wird durch Hinweise wie den untermauert, daß beispielsweise die serbi­
sche Unabhängige Demokratische Partei (SDS) die meisten Stimmen in jenen Gebieten

42 Sundhaussen, Holm, Die verpaßte Agrarrevolution. Aspekte der Entwicklungsblockade in


den Balkanländern vor 1945, in: Schönfeld, R. (Hg.), Industrialisierung und gesellschaftlicher
Wandel in Südosteuropa, München 1989, S. 45-60, hier S. 59 u. ders., Die Transformation des
Dorfes und der Landwirtschaft im Balkanraum vom 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Welt­
krieg, in: Südosteuropa-Mitteilungen, 1996/4, S. 319-335, hier S. 320.
43 Zach, S. 513.
44 Über den Primat der „nationalen Frage“ sind sich durchgängig auch neuere ,westliche' Arbei­
ten wie z.B. Irvine, Jill A., The Croat Question. Partisan Politics in the Formation of the
Yugoslav Socialist State, Boulder 1993, S. 57 u. Fogelquist, Alan, Politics and economic policy
in Yugoslavia, 1918-1929, (=Diss), Los Angeles 1990, S. 331 einig.

26
Ausgangstage, Problemaufriß und Fragestellung

bekam, in denen die serbische Bevölkerung lebte.45 Doch bei einem genaueren Blick
auf sozial-politische Inhalte und praktische Politik (auch der SDS, deren Koalition
mit der Kroatischen Bauernpartei gegen ,Belgrad“ schließlich bis 1941 hielt), die in
national-politischer Verpackung von den Politikern ihren dalmatinischen Wählern an-
geboten wurden, relativiert sich der vermeintliche Primat des Nationalen.
In vorliegender Untersuchung soll versucht werden, die verschiedenen Lebenswelten
in Dalmatien und ihre Stellung zur „nationalen Frage“ in den Blick zu bekommen.
Mit dem Begriff „Lebenswelt“ ist die „Schnittstelle“, in der sich Subjektives und Ob­
jektives, Individuum und System bündelt,46 gemeint, wie auch die Vorstellung, die die
Zeitgenossen von ihrer Wirklichkeit hatten. Der Prozeß wechselseitiger Prägung geht
dabei sicher über die bewußte Annahme oder Ablehnung von Ideologieangeboten
hinaus. Der „handlungsleitende Charakter des Bewußtseins und bewußtseinsleitende
Charakter der politischen Handlungen und sozialen Strukturen“ (Rudolf Vierhaus)47
sind miteinander verschränkt. Ob auf dem Dorf, das nach dem auch in dieser agra­
rischen Region bemerkbaren Strukturwandel nicht mehr alleiniger Mittelpunkt der
Welt für seine Bewohner war, oder in den dalmatinischen Städten, wo sich die Pro­
bleme des sozialen Wandels verdichteten:48 die unterschiedlichen nationalen Identifi­
kationsangebote prägten den öffentlichen Diskurs, wie aus zahlreichen Quellen her­
vorgeht. Doch nur vor dem Hintergrund der sozialen Verfaßtheit und der gesellschaft-

45 Vgl. Matkovic, Hrvoje, Svetozar Pribicevic i Samostalna Demokratska Stranka do sestoja-


nuarske diktature (S. P. und die Unabhängige Demokratische Partei bis zur Diktatur des 6.
Januar), Zagreb 1972, S. 93.
46 Unveröffentl. Arbeitspapier von Heiko Haumann. Vgl. auch ders./Schaffer, Martin, Überle­
gungen zur Arbeit mit dem Kulturbegriff in den Geschichtswissenschaften, in: uni nova.
Mitteilungen aus der Universität Basel 70 (1994), S. 18-21; ders., Rückzug in die Idylle oder
ein neuer Zugang zur Geschichte? Probleme und Möglichkeiten der Regionalgeschichte, in:
Alemannisches Jahrbuch 1984/86 (1988). Zu der aktuellen Diskussion, in der individuelle,
lokale, Regional-, Alltags- und Kulturgeschichte zugleich als Gesellschaftsgeschichte verstan­
den wird, vgl. auch: Daniel, Ute, Clio unter Kulturschock. Zu den aktuellen Debatten der
Geschichtswissenschaft. Teil 1. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 48 (1997),
S. 195-219; Teil 2, in: ebenda, S. 259-278; Lüdke, Alf, Alltagsgeschichte: Aneignung und
Akteure. Oder - es hat noch kaum begonnen! In: WerkstattGeschichte 6 (1997) H. 17, S. 83-
91; Lüdke, Alf (Hg.), Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und
Lebensweisen, Frankfurt/M., New York 1989; Zang, Gert, Die unaufhaltsame Annäherung
an das Einzelne. Reflexionen über den theoretischen und praktischen Nutzen der Regional-
und Alltagsgeschichte, Konstanz 1985.
47 Vgl. Vierhaus, Rudolf/Chartier, Roger, Die Rekonstruktion historischer Lebenswelten, in:
Bd. 1 Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft hrsg. v. Hartmut Lehmann, Göttingen
1995.
48 Vgl. Castells, Manuel, The City and the Grassroots. A Cross-Cultural Theory of Urban
Social Movements, London 1989. Einen Überblick zur Urbanisierungsforschung bietet Mat­
zerath, Horst, Lokalgeschichte, Stadtgeschichte, Historische Urbanisierungsforschung?, in:
Geschichte und Gesellschaft 15 (1989), S. 62-88.

27
Einleitung

liehen Grundlage lassen sich Funktion und Reichweite von Identitätskonzepten be­
stimmen.
Wie und vor welchem Hintergrund die konkurrierenden nationalpolitischen Orientie­
rungen in Dalmatien nach 1918 miteinander rangen, soll durch nebeneinandergestellte
verschiedene Ebenen der Betrachtungsweise deutlich werden: Soziale und ökonomi­
sche Fragen wurden zu nationaler Politik, was an einigen zentralen Fragen gezeigt
werden kann, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen in Dalmatien wichtige Themen
waren. Bei der Untersuchung der dalmatinischen Gesellschaft zeigt sich, daß das Ra­
tionale' in den verschiedenen Schichten dieser Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg
aus unterschiedlichen Gründen identitätsstiftend wurde.
So wurde der Politisierungsprozeß der dalmatinischen Bauern in weit höherem Maße
durch soziale als durch nationale Momente angetrieben und geformt. Das Land gehöre
„Gott, und demjenigen, der es bestellt“, davon waren die dalmatinischen „tezaci“
(Landarbeiter, Bauern) seit jeher überzeugt. Den Zusammenbruch der alten Ordnung
1918 nutzten sie, um die Abgaben an die Eigentümer größtenteils einzustellen. Die
Versprechungen der neuen Macht in den Städten, daß nun ein neuer, ein eigener,
nationaler Staat, in dem die Regierenden dieselbe Sprache wie die Bauern sprächen,
eine Agrarreform durchführen werde, wurde freudig begrüßt. Es wurde den Bauern
aber bald klar, daß die Reform mehr oder weniger darin bestand, daß sie die Möglich­
keit bekamen, den Eigentümern das Land abzukaufen. Die Folge war eine immense
Verschuldung. Die Hoffnungen der übergroßen Mehrheit der kroatischen Bauern la­
gen daher auch bald bei der Kroatischen Bauernpartei, deren Agitation darauf hinaus­
lief, daß eine „gerechte Agrarreform“ nur bei Erfüllung nationaler kroatischer Forde­
rungen möglich sei. Wie sehr diese Argumentation im dalmatinischen Dorf geteilt
wurde und daß sich die Bauern bald tatsächlich mehrheitlich als Teil einer „vorgestell­
ten Gemeinschaft“ (Benedict Anderson), einer „kroatischen Nation“ fühlten, läßt sich
ablesen an ihrem Wahlverhalten und der massiven Teilnahme an den von der Bauern­
partei ins Leben gerufenen Alphabetisierungs- und Genossenschaftsorganisationen.
Letztere waren nicht nur „Schulen des Kapitalismus“, sondern - wie zu zeigen sein
wird - auch Orte der gesellschaftlichen Durchdringung nationaler Argumentations­
muster.
Es soll versucht werden, die sozialgeschichtliche Empirie vor dem Hintergrund na­
tionalismustheoretischer Modelle in eine Erörterung des Scheiterns jugoslawischer
Integration im Sinne der nach 1918 propagierten Konzepte einer „dreinamigen“ oder
„jugoslawischen“ Nation in Dalmatien einzuordnen. Regionale Verlaufsformen des
übergeordneten Problemzusammenhangs von sozialem Wandel und nationaler Frage
sollen damit am Beispiel des Abschlusses des kroatischen Nationsbildungsprozesses in
den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts thematisiert werden. Wie sehr sozio-ökonomische
Rückständigkeit, die ja im gesamten südslawischen Bereich schon die widerspruchsvol­
len verschiedenen Ausbildungen „nationaler“ Identitätsangebote während ihrer Entste­
hung geprägt hatte, noch nach 1918 wirksam war und eine integral-jugoslawische Na­
tionsbildung verhinderte, soll am dalmatinischen Beispiel gezeigt werden.

28
Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung

Daher sollen in einem ersten Schritt die Voraussetzungen vor dem Hintergrund natio­
nalismustheoretischer Modelle skizziert werden, die wesentlich waren für die Konsti­
tuierung moderner nationaler Identifikationskonzepte und die politische Wirklichkeit
am Ende des Weltkrieges in Dalmatien (Kap. II). Der in Dalmatien enthusiastisch
begrüßte Machtwechsel und die Akzeptanz eines jugoslawischen Staates 1918 führten
zur Radikalisierung eines durchaus unterschiedlich interpretierbaren „jugoslawischen“
Zusammengehörigkeitsgefühls durch die Anhänger eines „integralen“ Jugoslawismus.
Die Dominanz der „jugoslawischen Idee“ unter den dalmatinischen Politikern und In­
tellektuellen seit den Balkankriegen, die den staatlichen Zusammenschluß aller südsla­
wischen Gebiete forderten, war nach dem Untergang der Habsburgermonarchie offen­
sichtlich geworden. Freilich wirkten unterschiedliche Prägungen exklusiv kroatischer
bzw. serbischer Art weiter, wie sich auch die unterschiedlichen Nationsbildungspro­
zesse und Nationalideologien bei Serben und Kroaten als dauerhaftes Hindernis bei der
Herausbildung eines jugoslawischen Nationalbewußtseins herausstellen sollten.
Nicht nur der außenpolitische Druck durch die „Bedrohung“ seitens eines italieni­
schen Expansionsstrebens am Ende des Weltkrieges, das danach trachtete, ganz Dal­
matien zu annektieren, sondern mehr noch die Entwicklungshoffnungen, die man mit
dem neuen Staat verband, stabilisierten aber zunächst die Zustimmung und Zuversicht
weiter Schichten der Bevölkerung auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Doch
es war nicht zu übersehen, daß sich die Schaffung des gemeinsamen Staates keineswegs
der Realisierung eines, wie auch immer gearteten Jugoslawismus verdankte und daß
serbisch-orthodoxe bzw. katholisch-kroatische Prägungen tiefer gingen als kurzfri­
stige politische Einheitsbegeisterung.
Es zeigte sich, daß soziale und wirtschaftliche Grundlagen nationaler Identität im struk­
turschwachen Dalmatien keineswegs in Richtung einer Ausbildung einer „jugoslawi­
schen Identität“ wiesen. Weder besserte sich die Lage auf dem Dorf, das unter Armut
litt und eine Agrarreform erwartete, noch wurden die in den Städten verbreiteten Indu­
strialisierungshoffnungen erfüllt (Kap. III). Das Muster der nationalen Argumentation,
im Fall der dünnen Bürgerschicht in den dalmatinischen Städten bewährt und eine Ge­
neration lang im Kampf gegen Wien eingeübt, fand seine Anwendung im Kampf um
Entwicklung. Es waren so verstandene „Interessen“, die hinter einer nationalen Ein­
heitsfassade als Mobilisierungsfaktoren wirkten, und nur in den seltensten Fällen die
Anhängerschaft an theoretische Ideen. Auch vormals explizit a-nationale politische
Kräfte wie die Linke bedienten sich bei ihrem Versuch, die soziale Frage zum Thema zu
machen, nationaler Argumentationsstrukturen. Der als Entwicklungshindernis identifi­
zierte Belgrader Zentralismus hatte in Dalmatien bald kaum noch Fürsprecher.
Die Durchsetzung kroatischen Nationalbewußtseins in Dalmatien (Kap. IV), allen in­
tegral-jugoslawischen Uberzeugungsversuchen zum Trotz, verdankte sich einer sozial
verankerten Politik der Kroatischen Bauernpartei, die überkommene Identifikations­
muster mit einer anziehenden Vision eines kroatischen Bauernstaates verband. Die
Schaffung der „Banschaft Kroatien“ im Jahre 1939 war nur der sichtbare Abschluß
einer erfolgten kroatischen nationalen Homogenisierung, die an der Unzufriedenheit

29
Einleitung

der Bevölkerung mit ihren Lebensumständen ansetzte und die serbische Dominanz
im Staat für alle negativen Erscheinungen verantwortlich machte. Die Durchsetzung
einer kroatisch geprägten politischen Kultur und mehr noch eines kroatischen Kollek­
tivbewußtseins weiter Kreise in Dalmatien war die Folge gescheiterter jugoslawischer
Entwicklungshoffnungen.

2. Zur Quellenlage

Quelleneditionen oder eine Monographie zur Geschichte Dalmatiens in der Zeit zwi­
schen den Weltkriegen liegen nicht vor.49
Als methodisch-praktikables Vorgehen bot es sich in einem ersten Schritt an, die zeit­
genössische Presse als wichtigste Primärquelle zu analysieren. Zeitungen und Zeit-

49 Allgemein ist die Gründungsphase des Staates der Südslawen mit Quelleneditionen gut er­
schlossen, vgl. Sisic, Ferdo (Hg.), Dokumenti o postanku Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca
(Dokumente über die Entstehung des Kgr. SHS), Zagreb 1920 u. Zenevska konferencija o
jugoslavenskom ujedinjenju: Dogadaji, dokumenta, komentari (Die Genfer Konferenz über
die jugosl. Vereinigung: Ereignisse, Dokumente, Kommentare), Zeneva 1918; Jovanovic, Vo­
jislav (Hg.), Rapalski ugovor 12. novembra 1920. Zbirka dokumenata (Der Vertrag von Ra­
pallo v. 12. 11. 20. Dokumentensammlung), Zagreb 1950; Mandic, Ante (Hg.), Fragmenti za
historiju ujedinjenja (Fragmente zur Geschichte der Vereinigung), Zagreb 1956; Krizman,
Bogdan (Hg.), Narodno vijece Slovenaca, Hrvata i Srba u Zagrebu i italijanska okupacija na
Jadranu 1918 (Der Volksrat SHS in Zagreb und die ital. Okuppation an der Adria 1918),
Zagreb 1956; ders. (Hg.), Grada o nemirima u Hrvatskoj na kraju 1918 (Quellen zu den
Unruhen in Kroatien Ende 1918), Zagreb 1957; ders., Zapisnici Sredisnjeg odbora Narodnog
vijeca Slovenaca, Hrvata i Srba u Zagrebu (Protokolle des Zentralausschusses des Volksrates
SHS in Zagreb), Zagreb 1958; Stulli, Bernard (Hg.), Prilozi gradi za historiju jugoslovenskog
pitanja (Beiträge zu den Quellen für eine Geschichte der jugosl. Frage), Zagreb 1959; Kriz­
man, B./Jankovic, Dragoslav (Hg.), Zapisnici sa sednica Delegacije Kraljevine SHS na Mirov-
noj konferenciji u Parizu 1919-20 (Protokolle von den Sitzungen der Delegation des Kgr.
SHS auf der Friedenskonferenz in Paris 1919-20), Beograd 1960; Matkovic, Hrvoje (Hg.), Iz
politicke korespondencije 1919-20 (Aus der politischen Korrespondenz 1919-20), Zagreb
1960; Jankovic, Dragoslav/Krizman, Bogdan (Hg.), Grada o stvaranju jugoslovenske drzave
(Quellen über die Schaffung des jugosl. Staates), 2 Bde., Beograd 1964; Krizman, B. (Hg.),
Zapisnici sjednica povjerenika Hrvatsko-slavonsko-dalmatinske vlade u Zagrebu (Protokolle
der Sitzungen der Obleute der Kroatisch-Slawonisch-Dalmatinischen Regierung in Zagreb),
Slavonski Brod 1964; Die gesamte Zwischenkriegszeit umfassen: Culinovic, Ferdo (Hg.), Do­
kumenti o Jugoslaviji. Historijat od osnutka zajednicke drzave do danas (Dokumente über
Jugoslawien. Historiat von der Gründung des gemeinsamen Staates bis heute), Zagreb 1968
u. Petranovic, Branko/Zecevic, Momcilo (Hg.), Jugoslavija 1918/1984, Beograd 1985.

30
Zur Quellenlage

Schriften sind erkannt worden als das „Tagebuch ihrer Gegenwart“.50 Die in der in der
„Naucna biblioteka“ (Wissenschaftlichen Bibliothek) in Split archivierten regionalen
Zeitungen und Periodika zwischen 1918 und 1941 spiegelten in ihrer Berichterstattung
und unterschiedlichen „nationalen“ Ausrichtung die Integrationsprobleme des Ge­
samtstaates wider und erlaubten einen Einblick in den Prozeß der Stabilisierung der
nationalen Identitäten während der Zwischenkriegszeit. Eine große Zahl von Druck­
erzeugnissen, die in den 14 Druckereien in Dalmatien hergestellt wurden,51 kommen­
tierten die großen Zäsuren - die .Haupt- und Staatsaktionen“ - höchst unterschied­
lich. Die Zeitung der Landesregierung, der zweimal wöchentlich erscheinende „Dal-
matinski glasnik“ (Dalmatinischer Bote), führte im Untertitel die Bezeichnung „Amts­
blatt der Landesregierung für Dalmatien“ (Zvanicni list Pokrajinske vlade za
Dalmaciju) und veröffentlichte alle auf Dalmatien bezogenen Gesetze und Verordnun­
gen sowie „Polizeinachrichten“.52 Das Bulletin des Genossenschaftsverbandes, die
Blätter, die der Demokratischen, der Kommunistischen, der Kroatischen oder der Ra­
dikalen Volkspartei nahestanden, schildern das Leben in Dalmatien jeweils aus der
Perspektive ihrer politischen Forderungen. Der „Splitski almanah“ für 1925/26 nennt
14 verschiedene in Split und Umgebung regelmäßig erscheinende Presseerzeugnisse,
die in den ersten Jahren nach dem Krieg eine dauerhafte Leserschaft an sich binden
konnten.53 Der Blick auf die hinteren Seiten mit Berichten aus dem Geschäfts- und
Gesellschaftsleben, Leserbriefen, Inseraten und Kleinanzeigen, den Ankündigungen
von Versteigerungen oder auf die „vermischten“ Meldungen offenbarte eine Gesell­
schaft im Umbruch. Hinter den einzelnen Zeitungen standen finanziell und politisch
in der Region und außerhalb unterschiedliche soziale Gruppen mit jeweils spezifi­
schen Interessenlagen. Das Hauptaugenmerk bei der Auswertung der publizistischen

50 Bauer, W., Quellen (Neuzeit), in: Fischer-Lexikon Geschichte hg. v. V. Besson, Frankfurt/M.
1961, S. 296.
51 In Dubrovnik: Hrvatska stamparija d.d.; Jadran u. Srpska Dubrovacka tiskara i knjigoveznica;
in Kotor: Bokeska stamparija; in Split: Hrvatska stamparija, Jugoslavenska stamparija, Leo­
nova tiskara, Zavod hrv. tiskarske zadruge, Narodna tiskara, Splitska drustvena tiskara, Trgo-
vacka tiskara; in Sibenik: Hrv. zadruzna tiskara, Nova stamparija, Srpska pucka tiskara u.
tiskara i graficki zavod Ernesto Vitaliani, vgl. Almanah Primorske banovine, S. 132 u. die im
Anhang abgedruckte Liste der Zeitungsverkaufstellen in Dalmatien.
52 Ab 1921 (4. Jg.) erschien das Amtsblatt in kyrillischer u. lateinischer Schrift, in serbischer
Terminologie; selbst die slawonische Stadt Osijek (Esseg) wurde „ekavisert“ in „Osek“; vgl.
Nr. IV/42 v. 10.08.1921.
53 Die Tageszeitungen „Novo doba“ und „Jadranska posta“, die Wochenblätter „Drzava“, „Ja­
dran“, „Pobeda“ u. die monatl. ersch. „Euharisticki Glasnik“, „Gospa Sinjska“, „Jadranska
straza", „Nase selo“, „Poljodjelski vjesnik“, „Pucki list“, „Pucka prosvjeta“, „Radnicko
pravo“, „Sokol na Jadranu“, „Vjesnik Arheoloskog muzeja“, „Zadrugar“, „Zemljoradnicka
sloga“, „Razgovor Naroda jugoslavenskog“ u. „Tezacke novine“ werden neben d. offiziellen
Publikationen „Sluzbeni glasnik“, „Zbirka okruznica Postanskih direkcija“ u. „List biskupije“
aufgezählt. Vgl. Splitski almanah za god. 1925/26, Split 1927, S. 122f.

31
Einleitung

Quellen wurde auf lokale oder regional erscheinende Zeitungen oder auf Artikel mit
lokalem Bezug zu Dalmatien gelegt.
Der Ertrag der aus gewerteten, im öffentlichen Diskurs vertretenen Meinungen und
Agitationsversuche für und wider die verschiedenen nationalen und sozialen Identifi­
kationsangebote hätte aber nur zur Darstellung einer heterogenen Presselandschaft
geführt, die die ,großen Fragen“ der Politik der Zwischenkriegszeit regional nachvoll­
zieht und eine ebenso heterogene Gesellschaft widerspiegelt. Abgesehen davon war
der Presse der „Kampf gegen die gesellschaftliche und staatliche Ordnung“ auch schon
vor der Ausrufung der Königsdiktatur im Jahre 1929 verboten, wobei polizeiliche
Vorzensur die Beachtung sicherstellen sollte. In Krisenzeiten schließlich waren nach
Art. 32 „alle Nachrichten, durch welche die öffentliche Ordnung und Ruhe oder
allgemein die Interessen des Landes“ gefährdet sein könnten, „zur Veröffentlichung
nicht erlaubt“.54 Doch die Zensur war durch die Menge des gedruckten Schrifttums,
wie sie klagte, überfordert. Die Flut von Broschüren, Büchern und Flugblättern, die
zwischen 1918 und 1941 in Dalmatien für die jeweilige nationalpolitische Orientierung
ihrer Verfasser warben, tragen Quellencharakter und belegen die Virulenz der „natio­
nalen Frage“ im - freilich kleinen - öffentlichen Raum.55
Die Auswertung der Akten der regionalen Verwaltung (die unter häufig wechselndem
Namen, von „Landesregierung für Dalmatien in Split“ 1918 bis „Expositur der Ban­
schaftsregierung der „Banovina Hrvatska“ 1939, mit wechselnden Kompetenzen Dal­
matien verwaltete), zeigte die Probleme der Region deutlich, auch wenn die „politisch
sensiblen“ Teile des Archivs in Kriegs- und Nachkriegszeiten unseres Jahrhunderts
stark dezimiert wurden. Die Korrespondenz, Erlasse, Statistiken etc. der Verwaltung
zwischen 1919 und 1941 füllen noch immer 448 Kartons im „Historischen Archiv“
(Povijesni arhiv) in Split und boten die Grundlage für die Rekonstruktion der Agrar­
reform in Dalmatien. Wo es ging, wurden die in Archiven gefundenen Angaben mit
lokalgeschichtlichen Darstellungen verglichen, die meistens von Priestern oder Leh­
rern aus den jeweiligen Orten verfaßt wurden und sich für die jüngere Vergangenheit
auf die Erinnerungen von Zeitzeugen stützen.56 In der großen Mehrzahl dieser Erin­
nerungen und Dorfchroniken wird die Agrarreform mit ihrer Verteilung von Staats­
und Kirchenland als das einschneidenste Ereignis der Zwischenkriegszeit geschildert.

54 Vgl. Zakon o stampi (Gesetz über die Presse) od 6. augusta 1925. objavljen u Sluzbene novine
br. 179-XXXIX v. 08.08.1925. (Tekst zakona sa tumacenjima i postojecim sudskim rjesenjima.
Priredio Dr. Lavoslav Hönigsbeg, in: Zbirka zakona Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca (Ge­
setzessammlung des Kgr. SHS), Hg. v. Bibliografski zavod d.d., ureduje Dr. Milorad Straz-
nicky. Prvi svezak: Zakon o stampi, Zagreb 1926.), S. 5.
55 Vgl. die im Anhang gesondert aufgeführte zeitgenössische Literatur mit Quellencharakter.
56 Vgl. z.B. Bebic, Josip, Brela, Split 1985, Fistanic, Petar, Pisak kroz vjekove (Pisak durch die
Jahrhunderte), Pisak 1989, Kvesic, Sibe, Hvar izmedu dva rata. Politicke i socijalne prilike
(Hvar zwischen den Kriegen. Politische und soziale Verhältnisse), Zagreb 1969, Vlasic,
Danko, Proslost Podstrane (Die Vergangenheit von Podstrana), Split 1988; Soldo, Josip Ante
(Hrsg.), Sumartin. Zbornik radova, Sumartin - Split 1992 etc.

32
Zur Quellenlage

Wurden obige Quellen zur Rekonstruktion der bäuerlichen Lebenswelt in Dalmatien


herangezogen, so stellten sich für den Versuch, die Entwicklung in den Städten und
Städtchen der Region besser zu verstehen, neben der zeitgenössischen Publizistik,
folgende Bestände als wertvoll heraus: Die Jahresberichte und Protokolle der Sitzun­
gen der „Handels- und Gewerbekammer“ (Trgovacko-obrtnicka komora) und späte­
ren „Handels- und Industriekammer in Split“ (Trgovinsko-industrijska komora u
Splitu), die für den größten Teil Dalmatiens zuständig war, erlaubten es, den Prozeß
der schrittweisen Aufkündigung von Loyalität zum jugoslawischen Gesamtstaat ange­
sichts enttäuschter Industrialisierungs- und Entwicklungserwartungen des „Bürger­
tums“ in den Städten nachzuzeichnen, das 1918 der stärkste Pfeiler des Jugoslawismus
in Dalmatien gewesen war. Auch lassen sich aus den Protokollen der Kammersitzun­
gen wesentliche Momente der wirtschaftlichen Entwicklung der Region erkennen. Es
gibt kaum Forschungen zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Beschäftigungs­
struktur in Split und Dalmatien während der Zwischenkriegszeit.57 Viele der nach
1945 publizierten wirtschaftshistorischen Arbeiten zum südslawischen Bereich strei­
fen die dalmatinischen Verhältnisse nur. Grundlegend für die Kenntnis wichtiger Wirt­
schaftsdaten Dalmatiens zwischen den Weltkriegen bleiben nach wie vor einige in den
20er und 30er Jahren erschienene Arbeiten.58 Von den jugoslawischen Volkszählungen
von 1921 und 1931 und den Statistischen Jahrbüchern aus den Jahren 1929 bis 1940
bis zu diversen lokalen und nationalen Jubiläumsbänden mit Statistiken, die den Fort­
schritt auf allen Gebieten des jugoslawischen Staates oder einzelner Städte wie Split
beweisen sollten, wurde zwischen 1918 und 1941 eine große Menge statistischen Mate­
rials veröffentlicht.59 Leider sind nur allzuoft die Kriterien bei der Erhebung der Da-

57 Literaturüberblick bei Kolar-Dimitrijevic, Mira, Proucavanje ekonomsko-socijalne strukture


i polozaja radnicke klase u Hrvatskoj izmedu dva rata u nasoj poslijeratnoj literaturi (Erfor­
schung der sozioökonomischen Struktur und der Lage der Arbeiterklasse in Kroatien zwi­
schen den Weltkriegen in unserer Nachkriegsliteratur), in: Casopis za suvremenu povijest, 1-
2/1969, S. 139-179.
58 Vgl. z.B. Lakatos, Jozo, Industrija Dalmacije, Zagreb 1923; Udruzenje jugoslavenskih inzen-
jera i arhitekata (Hg.), Dalmacija - Spornen knjiga Udruzenja jugoslavenskih inzenjera i arhi-
tekata, Split 1923; Siriscevic, Slavko, Nase morske luke (Unsere Meereshäfen), Split 1927;
Novak, Grga, Split u svjetskom prometu (Split im Weltverkehr), Split 1923; ders., Nase more
(Unser Meer), Split 1927; Ozanic, Stanko, Poljoprivredni problemi Dalmacije (Landwirtsch.
Probleme Dalmatiens), in: Almanah „Jadranska straza“ za 1927. godinu, S. 461-546; Rubic,
Ivo, Nasi otoci na Jadranu (Unsere Adria-Inseln), Split 1927; Radica, Bogdan, Novi Split (Das
neue Split), Split 1931; Mladina, J. A., Privredni adresar Splita (Wirtschaftsadressbuch Splits),
Split 1934; Privreda u Primorskoj banovini (Die Wirtschaft in der Küstenbanschaft), Split
1934; Juras, Ivo, Nase more i primorje (Unser Meer und Küstenland), Split 1934.
59 Vgl. die im Anhang aufgef. statistische Lit. wie z.B. Definitivni rezultati popisa stanovnistva
od 31. januara 1921. g. (Definitive Resultate der Volkszählung v. 31.01.1921), Sarajevo 1932,
Definitivni rezultati popisa stanovnistva od 31. marta 1931. g., 3 Bde., Beograd 1938 od.
Statisticki godisnjak Kraljevine Jugoslavije (Statistisches Jahrbuch des Königreichs Jugosl.) f.
die Jahre 1929-1940.

33
Einleitung

ten unklar, so daß sich zahlreiche Angaben widersprechen. Eine faktographische Be­
standsaufnahme des Standes der Industrialisierung der Region findet sich in der mono­
graphischen Reihe „Industrijska biblioteka“ des „Jugoslavenski Lloyd“. In diesem
auflagenstarksten ökonomischen Fachblatt der Zwischenkriegszeit und verschiedenen
„Almanachen“ und Statistiken wurde die industrielle Entwicklung in den historischen
Teilregionen beschrieben und zahlenmäßig erfaßt. Systematisierte Ergebnisse oder
etwa eine Monographie liegen aber bis heute nicht vor. Auch in den Handbüchern
wird nur kursorisch auf Dalmatien eingegangen.60
Schwerpunkt dieser Untersuchung ist aber die Entwicklung der nationalen Identitä­
ten: Jahresberichte, Unterrichtspläne etc. geben Aufschluß über den Stand des Bil­
dungswesens in Dalmatien und belegen den staatlichen Versuch, eine neue jugoslawi­
sche Identität zu schaffen.
Neben dem Versuch, nationale Orientierungen in den verschiedensten Quellen zu
erfassen, stand die Bemühung um eine Darstellung wesentlicher Merkmale der sozia­
len Verhältnisse in der Region während der Zwischenkriegszeit im Vordergrund, so­
wohl des Lebens der Bauern und Landarbeiter in den Dörfern als auch der Existenz­
bedingungen der entstehenden Arbeiterschaft in den Städten.
Es verwundert nicht weiter, daß die Geschichtsschreibung im sozialistischen Jugosla­
wien, wenn sie sich überhaupt mit dem Dalmatien der Zwischenkriegszeit beschäf­
tigte, hauptsächlich von „starken revolutionären Erschütterungen“ sprach, die diese
Zeit gekennzeichnet hätten, und die sozialen Bedingungen als Grund dafür nannte.
Die entsprechenden Forschungsergebnisse lassen sich einfach zusammenfassen: Eine
„große Tadition der fortschrittlichen Bewegung in Dalmatien in den breitesten Volks­
schichten“ habe in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen zu „häufigen Demonstra­
tionen, Einzel- und Generalstreiks und zahlreichen oft blutigen Kämpfen der Arbei­
terschaft und der Bauern gegen die volksfeindlichen Regime und gegen den Gendarm­
en- und Polizeiterror“ geführt. Die Kommunistische Partei habe „immer eine hohe
Zahl von aktiven Mitgliedern und Sympathisanten in Dalmatien“ gehabt, die „organi­
siert die breiten Volksmassen zum Sturz des verhaßten bourgeois-kapitalistischen Sy­
stems geführt“ hätte, da die „revolutionäre Neigung der Arbeiterklasse“ ständig ange­
wachsen sei, bis „das Verhalten von breiten Schichten revolutionäre Eigenschaften
annahm, mit dem Ziel, die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse zu stürzen.“61

60 Vgl. Höpken, Wolfgang/Sundhaussen, Holm, Jugoslawien von 1914 bis zur Gegenwart, in:
Fischer, W. (Hg.), Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 6, Stutt­
gart 1987, S. 847-915, od. Teichova, Alice, East-Central and South-East Europe, 1919-1939,
in: Mathias, P. u. Pollard, S. (Hg.), The Cambridge Economic History of Europe, Bd. 8,
Cambridge 1989, S. 887-983.
61 So z.B. Vicko Krstulovic im Vorwort (S. 7), in: Gizdic, Drago, Dalmacija 1941. Prilozi histo-
riji Narodnooslobodilacke borbe, (Dalmatien 1941. Beiträge zum Volksbefreiungskampf) Za­
greb 1957 u. Jelic, Ivan, Split uoci revolucije (Split am Vorabend der Revolution), in: Institut
za historiju radnickog pokreta Dalmacije (Hg.), Split u narodnooslobodilackoj borbi i socijali-
stickoj revoluciji 1941-1945. (Split im Volksbefreiungskampf und der sozialistischen Revolu-

34
Zar Quellenlage

So oder so ähnlich lautete zumeist der Befund in vielen bis Ende der 80er Jahre veröf­
fentlichten Arbeiten über Dalmatien zwischen 1918 und 1941.
Obwohl an Quellensammlungen und Untersuchungen zur Geschichte der Arbeiterbe­
wegung im südslawischen Bereich eigentlich kein Mangel herrscht, liegen kaum Arbei­
ten über Dalmatien vor.62 Veröffentlichungen aus der Hochzeit der KP-Arbeiterge-
schichtsförschung sind oft problematisch, da sie aus politischen Gründen viele The­
men wegließen oder teilweise sogar verfälschten.63 Die Kritik der parteilichen Proleta­
riatsforschung als „einem historiographischen Zweig, der in der sozialistischen Epoche
in erster Linie Legitimationsfunktion“ hatte, ist berechtigt. Doch die „minutiöse Do­
kumentation aller Lebensäußerungen der Arbeiterschaft (und insbesondere ihrer Pro­
testformen)“64 und die „Fülle von Lokal-, Regional- und Branchenstudien“, die diese
Arbeitergeschichtsforschung hervorgebracht hat (leider nicht für die Region Dalma­
tien), ist trotz der in der Tat oft fehlenden „abstraktere(n) Fragestellungen“ ein wert­
voller historiographischer ,Steinbruch“. Jedenfalls stünden heute weit weniger Lebens­
zeugnisse von denen zur Verfügung, die die Industrialisierung und Frühformen indu­
strieller Arbeit am eigenen Leib erleiden mußten. Unbestritten aber reflektiert die
amtliche Parteigeschichtsschreibung (gleichgültig, ob bewußt als gewählte Parteilich­

tion 1941—45), Split 1981, S. 27-38; Kolar-Dimitrijevic, Mira, Privredne prilike i struktura
stanovnistva pred drugi svjetski rat (Wirtschaftliche Verhältnisse und Bevölkerungsstruktur
vor dem Zweiten Weltkrieg), Split 1981, S. 39.
62 Vgl. die im Literaturverz. angeführten Arbeiten von Cazi, Cecic, Cvetkovic, Culinovic, Ive-
kovic, Hrabak, Lebl, Pekic, Uradin, Vidmar, Vinaver, Vrcinac etc. u. die Bibliographie von
Protic, Zarko u.a. (Hg.), Socijalisticki i radnicki pokret i Komunisticka Partija Jugoslavije
1867-1941. Bibliografija posebnih izdanja (1945-1969) (Die sozialistische- und Arbeiterbew.
und die KPJ 1867-1941), Beograd 1972; Speziell zu Dalmatien: Diana, Srecko, Prilozi doku-
mentaciji o razvoju radnickoga pokreta u Splitu 1918-1920 (Beiträge zur Dokumentation der
Entw. der Arbeiterbew. in Split 1918-20), Split 1960 und bes. Sitin, Tonci, Sindikalni pokret
u Dalmaciji 1929-1941. godine s obzirom na politiku KPJ (=Diss.) (Die Gewerkschaftsbewe­
gung in Dalmatien 1929-41 unter Berücksichtigung der Politik der KPJ), Split - Zadar 1985,
darin ausf. Literaturverzeichnis. Lokale Partei- und Gewerkschaftsgeschichte fielen oft in eins,
wobei Arbeiten mit Memoiren- oder publizistischen Charakter schwerlich Ansprüchen auf
intersubjektive Überprüfbarkeit genügen können; vgl. die Sammelbde. Cetrdeset godina -
Zbornik secanja aktivista jugoslovenskog revolucionarnog pokreta (Sammelband der Erinne­
rungen der Aktivisten der jug. rev. Bew.), 2 Bde. (1929-1935) u. (1935-1941), Beograd 1960,
in dem auch dalmatinische KP-Aktivisten, wie A. Berus, A. Bozanic, D. Gizdic, A. Roje, I.
Senjanovic, I. Amulic, M. Jakovcev, V. Srzic, S. Ivas, M. Bilobrk, J. Lelas u. I. Rafanelli ihre
Erinnerungen zu Papier gebracht haben, oder die Sammelbände d. Institutes f. die Geschichte
der Arbeiterbew. in Dalmatien (Zbornik Instituta za historiju radnickog pokreta Dalmacije
(im folg. IHRPD) 2 Bde., Split 1970 u.1972.
63 Vgl. z.B. Gizdic, Drago, Dalmacija 1941, Split 1959 od. ders., O razvoju dalmatinske ce-
mentne industrije i o klasnoj borbi u njoj do pocetka narodnooslobodilacke borbe (Über die
Entw. der dalm. Zementindustrie u. die Klassenkämpfe in ihr bis zum Anfang des Volksbefrei­
ungskampfes), in: Zbornik IHRPD Split 1970, S. 147-164.
64 Calic, Sozialgeschichte Serbiens, S. 30.

35
Einleitung

keit oder unter politischem Druck) mehr die eigene, eingeschränkte Sicht der Verfasser
als die soziale Realität jener Zeit.
An veröffentlichten Quellen, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter­
schaft in Dalmatien thematisieren, wurden, neben der Arbeiterpresse, die Statistiken
der staatlichen Sozialbehörden (Okruzni ured za osiguranje radnika)65 und die „Be­
richte der Arbeitsinspektion“ (Izvjestaji inspekcija rada) herangezogen, die zwischen
1929 und 1941 veröffentlicht wurden. Weiterhin wurde versucht, die soziale Wirklich­
keit in den Städten und die regionale Politik der KP zu erfassen durch die Auswertung
publizistischer Quellen und anhand der im Spliter Archiv lagernden Bestände der
ehemaligen Archive „Arhiv Instituta za historiju radnickog pokreta Hrvatske“ (Ar­
chiv des Institutes für die Geschichte der Arbeiterbewegung Kroatiens)66 sowie des
„Arhiv Predsjednistva Centralnog komiteta SKJ“ (Archiv des Präsidiums des Zentral­
komitees des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens) aus Belgrad67 und des „Arhiv
Instituta za historiju radnickog pokreta u Dalmaciji“ (Archiv des Institutes für die
Geschichte der Arbeiterbewegung Dalmatien) in Split; im Fall des aufgelösten „Insti­
tuts für die Geschichte der Arbeiterbewegung in Dalmatien“ im Original, ansonsten
in Kopie. Zitiert wird immer nach den im „Povijesni arhiv“ in Split gültigen Signatu­
ren. Auch wurden die Stadt- und Regionalarchive in Split, Dubrovnik, Zadar und
Sibenik konsultiert.

65 Vgl. Okruzni ured za osiguranje radnika (Hg.), Petnaest godina Sredisnjeg ureda za osiguranje
radnika 1922-1937 (15 Jahre Zentrales Arbeiterversicherungsbureau 1922-37), Zagreb 1938.
Mitarbeiter der staatlichen „Arbeitsinspektionen“ gaben, neben den Veröffentlichungen der
Behörde, auch Kompendien heraus wie z.B. Curie, Bogoljub, Privreda i radnici u Dalmaciji
(Die Wirtschaft und die Arbeiter in Dalmatien), Split 1929.
66 Besonders Kopien folgender Bestände: Gruppe III/Sindikati 1919-1941 (Gewerkschaften),
Gruppe II/Radnicke partije 1920-1941 (Arbeiterparteien), Gruppe V/Pobune, strajkovi i po-
kreti (Aufstände, Streiks, Bewegungen), Gruppe XVI/Mjere vlade i teror vladajuceg rezima
1919-1941 (Maßnahmen der Regierung und Sytemterror), Gruppe VI/Gradanske stranke
1918—1941 (Bürgerliche Parteien) u. Gruppe XVIII/Leci 1896-1941 (Flugblätter).
67 Beispielsweise aus den Fonds des CK KPJ 1919-1945, des CK SKOJ 1919-1945, des
„Drzavni sud za zastitu drzave, Hrvatska 1919-1945“ etc.

36
II. Nationale Identifikationskonzepte
und Politik in Dalmatien am Ende des
Weltkrieges

1. Nation und Nationalismus

Die kaum zu überschätzende Wichtigkeit der Rezeption von „Nation und National­
staat“ für die moderne Geschichte Südosteuropas ist offensichtlich. Wie auch dem
Urteil Holm Sundhaussens, daß die verhängnisvolle Kombination von „deutschem
Nations-“ mit „französischem Staatsverständnis“ bei tatsächlicher Nicht-Ubertrag-
barkeit der entsprechenden idealtypischen Modelle „state into nation“ bzw. „nation
into state“ bei der anvisierten Nationalstaatsbildung notwendigerweise in die Kata­
strophe führen mußte, schwerlich Plausibilität abzusprechen ist.1 Wie gebrochen die
Nationsbildungsprozesse in Dalmatien um die Mitte des 19. Jahrhundert verlaufen
sind, hat zuletzt Konrad Clewing in seiner Arbeit Staatlichkeit und nationale Identi­
tätsbildung. Dalmatien in Vormärz und Revolution' aufgezeigt. Er arbeitete „fünf na­
tionalen Identitäten“ heraus, die in der Revolution von 1848/49 in Dalmatien mitein­
ander konkurrierten: Illyristen, dalmatinische Kroaten, Serben, Slawodalmatiner und
Italodalmatiner.2 Knapp 70 Jahre später rangen in Dalmatien immer noch kroatische,
serbische und jugoslawische Identifikationskonzepte miteinander.
In diesem Kapitel soll es um die Einführung des in dieser Arbeit verwendeten Na­
tions- und Nationalismusbegriffes gehen, wie auch knapp einige wichtige Merkmale

1 Vgl. Sundhaussen, Holm, Nation und Nationalstaat auf dem Balkan. Konzepte und Konse­
quenzen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Elvert, Jürgen (Hg.), Der Balkan. Eine europäische
Krisenregion in Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 1997, S. 77-90.
2 Vgl. Clewing, Konrad, Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung. Dalmatien in Vormärz
und Revolution (= Diss.), München 1997, S. 294, bei dem ich mich herzlich für die Überlas­
sung des noch unveröffentlichten Manuskripts bedanke. Sehr berechtigt scheint seine Beto­
nung des Befundes, daß Identifikationen zu verschiedenen Epochen und bei verschiedenen
Trägern „mal nationalen, mal regionalen Charakter haben können“. Auch die von ihm be­
klagte „geringe Refexion über das Verhältnis vollendeter Nationsbildungsprozessen zu un­
vollendeten“, wie sein Nachweis des in der Literatur „chronisch ungenauen Wortgebrauchs“
von ,regional' und ,national' im südslawischen Zusammenhang, zeigen Desiderata der For­
schung auf.

37
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

des Nationsbildungsprozesses bei Serben und Kroaten in Dalmatien bis 1918 vorge­
stellt werden sollen, die für ein tieferes Verständnis der Zwischenkriegszeit unerläßlich
erscheinen. Warum sich das „jugoslavenstvo“ - wobei das Schillernde und Uneindeu­
tige dieses „Jugoslawismus“ noch ausführlich zur Sprache kommen wird - in Dalma­
tien am Ende des Weltkrieges geradezu als Oppositionsstrategie anbot, und welche
Rolle dabei der außenpolitische Druck durch Italien spielte, soll anhand der Untersu­
chung der zeitgenössischen Berichterstattung deutlich werden.
Doch wie wird nationale Identifikation überhaupt faßbar? Weithin unstrittig, zumin­
dest in der ,westlichen“ wissenschaftlichen Diskussion, scheint heute der Konstruk­
tionscharakter moderner Nationen. Die historische Bedingtheit von Nation und Na­
tionalgefühl wird mittlerweile als „geschichts- und sozialwissenschaftliche Selbstver­
ständlichkeit“ (Konrad Clewing) bezeichnet und solche Erklärungsansätze gelten als
„mainstream der Forschung“ (Stefan Troebst).
Ganz anders war freilich das Selbstverständnis der politisch Handelnden in Dalmatien
zu Anfang des Jahrhunderts, auf das zunächst ein kurzer Blick gewerfen werden soll,
bevor der Versuch unternommen wird - als Grundlage für die Untersuchung der
dalmatinischen Gesellschaft der Zwischenkriegszeit - einige nationalismustheoreti­
sche Ansätze vorzustellen und auf ihre Anwendbarkeit für unsere Fragestellung zu
überprüfen. Den ,Vorkämpfern der nationalen Bewegungen“, wie Miroslav Hroch die
Patrioten genannt hat, die auch in Dalmatien im 19. Jahrhundert darangingen, eine
„Wiedergeburt“ der eigenen Nation ins Werk zu setzen, die als überzeitlich empfun­
den wurde, erschienen beispielsweise Vorstellungen des dalmatinischen Priester Petar
Bakula, die jener 1869 äußerte, geradezu blasphemisch. Hatte dieser doch behauptet,
daß es für einen Menschen ratsam sei, bisweilen die Nationalität zu ändern, so wie
kluge Menschen ja auch ihre abgetragene Kleidung gegen neue vertauschten.3 Doch
den Siegeszug, den die Idee der Nation antrat, konnten in Dalmatien weder Petar
Bakula noch der Gastwirt Umberto Berotti stoppen. Besagter Umberto Berotti war
ein renommierter Hotel- und Kaffeehausbesitzer in Split vor dem Ersten Weltkrieg
und hatte die Vorstellung, daß Nationalität eine Erfindung sei, derer er nicht bedürfe,
noch ins 20. Jahrhundert mitgenommen.4 Doch er stand auf verlorenem Posten. In
Folge des russisch-japanischen Krieges, der im Laufe des Jahres 1904 immer mehr
auch die Gemüter der politisch-national aktiven Bewohner Dalmatiens erhitzte, verlor
er seine Kundschaft und sah sich gezwungen, sich ,national entscheiden“ zu müssen,
ohne bis zum Schluß ganz zu verstehen, was es mit der „nationalen Frage“ auf sich

3 Bakula, Petar, Politika za svakoga covika, Split 1869, S. 405. Auch bei Ekmecic, Milorad,
Kirche und Nation bei den Kroaten, in: Bremer, Thomas (Hg.), Religion und Nation im Krieg
auf dem Balkan. Beiträge des Treffens deutscher, kroatischer und serbischer Wissenschaftler
vom 05.-09. April 1995 in Freising, Bonn 1996, S. 33-77, hier S. 41f. u. bei Clewing, S. 292.
4 Bogdan Radica hat ihn in einer Erzählung im Band: Salona i Split. Episode iz proslosti (Salona
u. Split. Episoden aus der Vergangenheit), Split 1985 verewigt. Vgl. auch Radica, Bogdan,
Novi Split 1918-30 (Das neue Split 1918-30), Split 1931; „sjor“ ist die in Split gebräuchliche
Anrede für „Herr“, nach italienisch „signore“.

38
Nation und Nationalismus

hat. „Sjor Umberto“ konnte mit der Entwicklung nicht Schritt halten und wußte erst
nicht recht, wie ihm geschah. Trafen sich in seinem in Split bekannten Kaffehaus
nämlich, bis zum Ausbruch der nationalen Leidenschaften, Kroaten, Italiener und
Deutsche bunt gemischt, so begann sich dies, als sich die nationalen Parteien gefestigt
hatten, zu ändern. Gleich zu Beginn des Krieges im Fernen Osten, als „slawische
Solidarität“ die Parole der Stunde der gerade während ihrer Semesterferien in Split
weilenden Studenten war, fing jemand an, „Plakate und Reklamen in italienisch und
deutsch abzureißen“, wie tadelnd das offizielle Verlautbarungsorgan der Landesregie­
rung in einem Kommentar bemerkte. Die Revanche, das Zerstören der Anschläge, die
auf kroatisch gehalten waren, ließ nicht lange auf sich warten. Viele, die Stammgäste
bei „sjor Umberto“ gewesen waren, verließen nun, ohne große Erklärungen, sein Kaf­
fehaus. Die Italiener in Split gingen jetzt vorwiegend ins „Lose“ oder ins „Nani“, die
Kroaten in die „Zora“ (Morgendämmerung) oder das „Mulcic“ (Kleine Mole), und
im „Picoli-Trocoli“ am Herrenplatz (Gospodski trg) war ganz klar deutsch die Um­
gangssprache unter den dort verkehrenden kaiserlich und königlichen Beamten, denen
das Schicksal, ihrer Meinung nach, nicht gerade den attraktivsten Dienstort der Mon­
archie zugedacht hatte. Im Zwanzigsten Jahrhundert florierten in Dalmatien nur Ra­
tionale“ Kaffeehäuser. Den größten Bildungs- und Aufklärungseifer in slawisch-natio­
naler Hinsicht entwickelte der von allen bald „rodoljub Jankov“ (Patriot Jankov) ge­
nannte Wirt in seinem am Spliter Marktplatz unter der Turmuhr gelegenen Kaffeehaus.
Er hatte, wie sich später die Zeitgenossen erinnerten, gleich 15 kroatische Zeitungen
abonniert, die bei ihm zur Lektüre auslagen. Waren auch die meisten in ihren politi­
schen Standpunkten keineswegs radikal, so klang doch in den Kommentaren mehr­
heitlich der Wunsch nach Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien durch, und manche
Stimme plädierte gar für die südslawische Einheit schlechthin. Die ganze Auswahl
an kroatischsprachiger Publizistik, die in seinem Cafe zu finden war, die Blätter der
kroatischen Parteien und Kulturvereine machte aus den Lesern im Spliter Kaffehaus
des Patrioten Jankov Teilnehmer einer nun eigenen Kommunikationsgemeinschaft.
Auch wenn größtenteils in den in Split (und lange Zeit auch bei Jankov) zu habenden
übrigen Zeitungen, jenseits des Politikteils, nicht viel anderes stand, so machte eben
auch da, wo sich die Themen und Ansichten glichen, die Sprache den großen Unter­
schied.5
Was hatte der Wirt Umberto falsch gemacht? Seine Strategie, niemandem politisch
nahezutreten, und zu allen seinen Gästen, in allen ihm zu Gebote stehenden Sprachen,
gleich zuvorkommend zu sein, war offensichtlich gescheitert. Auch, daß er bei allen
politischen Umzügen oder Manifestationen grundsätzlich aus den Fenstern seiner
Wohnung und seines Hotels, anstelle von Fahnen, verschiedene Teppiche hängte, hatte
nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Nur an Namens- und Geburtstagen des alten

5 Vertrieben wurden in Dalmatien noch „II cittadino“, „II matino“, „Dalmata“, „Adria“, „L’il-
lustrazione italiana“, die „Neue Freie Presse“, „Politik“, „Bosnische Post“, „Neue Illustrierte
Zeitung“, die „Fliegenden Blättern“ u. das „Agramer Tagblatt“.

39
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Kaisers in Wien hing am Eingang zu seinem Hotel in Split die schwarz-gelbe Fahne
der Monarchie, was er, seiner Schanklizenz zuliebe, auch bis 1918 niemals vergaß.
Das komplizierte Rätsel, wieso man plötzlich nicht mehr politisch indifferent sein
konnte, blieb für ihn unlösbar.6 Seine Unempfänglichkeit für nationale Parolen er­
schien den aufgeklärten Zeitgenossen in Split skurril.
Die Lektüre der zeitgenössischen dalmatinischen Presse macht deutlich, welchen Stel­
lenwert Nation und „nationale Frage“ auch in Dalmatien errungen hatten. Für „natio­
nale Unentschiedenheit“ war, nach Meinung der allermeisten die sich öffentlich äußer­
ten, in Split schon vor dem Weltkrieg kein Platz mehr. Nach 1918 wurde die Frage
der nationalen Zugehörigkeit in Dalmatien nur scheinbar einfacher: Erst einmal schlug
in der Tat - von wenigen Stadtbewohnern in Sibenik und Split, die für Italien optier­
ten und von dem Italien zugeschlagenen Zara/Zadar, sowie den Inseln Lagosta/La-
stovo und Pelagosa/Palagruza abgesehen - für die allermeisten Bewohner Dalmatiens
die Stunde der „jugoslawischen Einheit“. Nationales Denken äußerte sich nun bei­
spielsweise so, daß der Staatsanwalt und langjährige Verwaltungschef (Banus) der
„Küstenbanschaft“ genannten administrativen Einheit, die auch Dalmatien umfaßte,
seinen Familiennamen änderte. Sein ursrünglicher Nachname war „Cortellazzo“, nach
1918 nahm er den Mädchennamen seiner Mutter - Jablanovic - an. Offensichtlich
wurde nach dem Ersten Weltkrieg in Dalmatien die italienische Abstammung karriere­
hemmend, die zuvor in den meisten Fällen sicheres Zeichen der Zugehörigkeit zu
„besseren Kreisen“ gewesen war.7
Eine andere Konsequenz nationalen Denkens wird beispielsweise bei dem slawoni-
schen Bauern Ignac Terihaj deutlich. Als dieser anläßlich einer von der Kroatischen
Bauernpartei organisierten Kinderlandverschickung Ende der 30er Jahre zu seinen
sieben eigenen noch ein Kind aus Dalmatien bei sich aufnahm, teilte er den Publika­
tionsorganen der Bauernpartei mit, daß er dadurch das Zusammengehörigkeitsgefühl
kroatischer Patrioten aus dem fruchtbaren Slawonien, wie er einer war, mit denen
armer, „passiver“ kroatischer Regionen wie Dalmatien demonstrieren wolle. Gleich-

6 Für seine Nachkommen löste sich die „nationale Frage“ nach dem Ersten Weltkrieg folgen­
dermaßen: Seine Tochter Ida heiratete einen kroatischen Patrioten, sie blieb in Split, ihren
Kindern brachte sie kein italienisch mehr bei. Sein Sohn Marko, der in Wien Medizin studiert
hatte, wurde als Absolvent eingezogen und desertierte als österreichischer Soldat an der
Isonzo-Front nach Italien, heiratete dort eine Italienerin, eröffnete eine Praxis und blieb bis
zu seinem Tod in Italien. Seine Nachkommen sprachen kein kroatisch mehr.
7 Josip Jablanovic/Cortellazzo war zwischen Juli 1932 und September 1938 Verwaltungschef
(Banus) der „Küstenbanschft“ (Primorska banovina); vgl. die biographischen Verzeichnisse
von Personen, Institutionen und Vereinigungen in Dalmatien: Jurisic, Simun, Dalmatinsko
iverje 1882-1941. Iz povijesti Dalmacije (Dalmatinische Splitter 1882-1941. Aus der Ge­
schichte Dalmatiens), Split 1984; ders., Iz povijesti Jadrana. Jadransko iverje 1882-1941. (Aus
der Geschichte der Adria. Adriatische Splitter 1882-1941), Split 1985; Baric, Ivan/Jurisic,
Sime, Iz povijesti Splita (Aus der Geschichte Splits), Split 1983 u. Bernath, Mathias/Nehring,
Karl (Hgg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. 4 Bde., München 1974-
1981.

40
Nation und Nationalismus

zeitig fügte er hinzu, daß es „hier bei uns viele Fremde gibt: Tschechen, Ungarn und
Deutsche (,..).“8 Dabei sprach er von Nachbarn, deren Vorfahren vor Jahrhunderten
zugezogen waren; offenbar war das nationale Bewußtsein schon so weit fortgeschrit­
ten, daß es ihm selbstverständlich vorkam, Nachbarn seit vielen Generationen als
„Fremde“ oder „Ausländer“ zu bezeichnen.
Die beiden letzten Beispiele stehen für die Wirkungsmächtigkeit des Nationalen nach
1918 in einem Staat, der ein Nationalstaat sein wollte, was mit der Existenz vieler
Nationalitäten, wie sich zeigen sollte, unvereinbar war. Keineswegs klassische Bei­
spiele für „Nationalismus“, aber, bei genauerer Betrachtung, Indizien für eine erklä­
rungsbedürftige „Nationalisierung“. Die Zeit, da Multiethnizität und Multikulturalität
als „Selbstverständlichkeit“ begriffen worden waren, war seit der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts auch in Südosteuropa offensichtlich unwiderruflich zu Ende gegan­
gen.9 Seit dem 19. Jahrhundert war in Europa die Nation Grundlage gesellschaftlicher
Organisation und Orientierung;10 der Nationalstaat wurde eines der mächtigsten Ord­
nungsprinzipien der Moderne,11 die Nation stieg auf zur „politischen Primäridentität“
(Rudolf Vierhaus). Es scheint nicht übertrieben, den Nationalismus als „stärkste ge­
sellschaftliche und politische Kraft“ des 19. Jahrhunderts zu bezeichnen. In sozialan­
thropologischer Sicht ist Nationalismus, neben Religion und Klassenideologie, von
Georg Eiwert als bestimmender Bezugsrahmen für Wir-Gruppenbildungen in der Mo­
derne definiert worden.12
Nationalismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen ist heute sicher eines der
meisterforschten Phänomene der jüngeren und jüngsten Geschichte.13 Wobei, wie An-

8 Vgl. „Na Bozic nisu imali kruha“ (Selbst an Weihnachten hatten sie kein Brot), in: Glojnaric,
Mirko, Borba Hrvata. Kronika dvaju desetljeca politicke povijesti (1919-1939) (Der Kampf
der Kroaten. Chronik zweier Jahrzehnte politischer Geschichte 1919-39), Zagreb 1940,
S. 206ff.
9 Sundhaussen, Holm, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien und Jugoslawien, in: Deutsche
Geschichte im Osten Europas. Land an der Donau hrsg. von Günter Schödl, Berlin 1995,
S. 291-348.
10 Giesen, Bernhard, Die Intellektuellen und die Nation. Eine deutsche Achsenzeit, Frankfurt/
M. 1993, S. 10; vgl. die Einl. „Die Nation als Thema von Sozialwissenschaft und Geschichte“,
S. 10-26. Zum Zusammenhang zw. Nationswerdung u. Modernisierung: Eisenstadt, S. N./
Rokkan, S. (Hg.), Building States and Nations, 2 Bde., Beverly Hills 1973; Deutsch, K. W.,
Nationalism and Social Communication, Cambridge/Mass. 1953; ders., Nationalism and its
Alterternatives, New York 1969; Rokkan, S. et ab, Nationbuilding - A Review of Recent
Comparative Research and a Selected Bibliography of Analytical Studies, in: Current Socio-
logy, 19/1971, S. 1-86; Tiryakian, E. A., Nationalism, Modernity, and Sociology, in: Sociolo-
gia Internationalis 1/1988, S. 1-17.
11 Vgl. Schieder, Theodor, Nationalismus und Nationalstaat. Studien zum nationalen Problem
im modernen Europa. Hrsg. v. Otto Dann und Hans-Ulrich Wehler, Göttingen 1991.
12 Vgl. Eiwert, Georg, Nationalismus und Ethnizität. Über die Bildung von Wir-Gruppen, in:
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 41/1989, S. 440-464.
13 Vgl. Milinkovic, Bosiljka: Bibliografija radova o nacionalnom pitanju i medunacionalnim od-

41
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

dreas Moritsch bemerkt hat, gerade den Historikern „nicht von ungefähr“ der Zugang
zur Problematik des Nationalismus erschwert ist, „waren es doch gerade sie, die we­
sentlich zur Konstituierung nationaler Kollektivität beigetragen haben“.14
Als „gemeinschaftsstiftende Merkmale“ von Nationalismus sind „z.B. das Bewußtsein
eines Anders- oder Besondersseins vor allem aufgrund ethnischer, sprachlicher oder
konfessioneller Homogenität, die Betonung der Gemeinsamkeit von soziokulturellen
Einstellungen“ erkannt worden.15 Da Identitäten aber immer auch durch die Bezie­
hung auf andere menschliche Einheiten mitkonstruiert werden, enthält das ,Wir‘ im­
mer schon mitgedacht das ,Sie‘, das ,Eigene' wird in Folge notwendigerweise vom
,Fremden“ abgegrenzt.16
Läßt sich Nationalismus in seinen verschiedenen Ausprägungen auf einen gemeinsa­
men Nenner bringen? Eugen Lemberg prägte den Begriff von Nationalismus als „Sy­
stem von Vorstellungen, Wertungen und Normen“, einem „Welt- und Gesellschafts­
bild“, welches einer sozialen „Großgruppe ihre Zusammengehörigkeit bewußt macht
und dieser Zusammengehörigkeit einen besonderen Wert zuschreibt, mit anderen
Worten: diese Großgruppe integriert und gegen ihre Umwelt abgrenzt.“ Doch alle
„Kristallisationskerne für das Zusammengehörigkeitsgefühl“ (Alter), die Lemberg mit
„Gleichheit der Sprache, der Abstammung, des Charakters, der Kultur oder der Un­
terstellung unter eine gemeinsame Staatsgewalt“ benennt,17 sind offensichtlich ex-post
Konstruktionen, auch wenn sich nationale Bewegungen wie Nationalstaaten darauf
beriefen, sie seien aus solchen Gemeinsamkeiten entstanden. Weder kommen Natio­
nalstaaten als „logische Resultate“ organisch entfalteter Nationalbewegungen zu­
stande, noch sind „nationale Bewegungen“ die notwendige Folge tatsächlich vorhan­
dener Gemeinsamkeiten von Gruppen.18

nosima (Bibliographie der Arbeiten zur nationalen Frage und zu den zwischen-nationalen
Beziehungen), Zagreb 1992.
14 Moritsch, Andreas, Einleitung und Problemstellung, in: ders. (Hg.), Vom Ethnos zur Natio­
nalität. Der nationale Differenzierungsprozeß am Beispiel ausgewählter Orte in Kärnten und
im Burgenland, Wien München 1991, S. 9-43.
15 Alter, Peter, Einleitung, in: Alter, Peter (Hg.), Nationalismus. Dokumente zur Geschichte
und Gegenwart eines Phänomens, München Zürich 1994, S. 15-36, hier S. 19; vgl. auch die
Definition der Begriffe Volk, Nation, Nationalismus, Masse, in: Geschichtliche Grundbe­
griffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. v. Otto Brun­
ner, Werner Conze u. Reinhart Koselleck, Bd. 7, Stuttgart 1992, S. 141-431.
16 Scheffler, Thomas, Ethnoradikalismus: Zum Verhältnis von Ethnopolitik und Gewalt, in: See­
wann, Gerhard (Hg.), Minderheiten als Konfliktpotential in Ostmittel- und Südosteuropa,
München 1995, S. 9-47, hier S. 41f.
17 Vgl. Lemberg, Eugen, Nationalismus, Bd. 2, Reinbeck b. Hamburg 1964, hier zit. nach Alter,
Peter, Nationalismus, Dokumente, S. 60ff.
18 Was nun aber besonders die jüngere Geschichte Südosteuropas und ihre Erforschung anbe­
langt, so läßt sich leider eine stärkere Berücksichtigung der Ergebnisse der komperativen
Nationalismusforschung momentan in den verschiedenen Historiographien südosteuropäi­
scher Länder nicht feststellen. Zu Ende unseres Jahrhunderts ist auch und gerade im südslawi-

42
Nation und Nationalismus

Die neuere vergleichende Nationsforschung hält die Nation für eine „zwar geschichts­
mächtige, aber keineswegs unausweichliche Form der kollektiven Identität, die nicht
naturgegeben ist, sondern als Ergebnis unterschiedlicher geschichtlicher Bedingungen
und unter unterschiedlichen kulturellen Bezügen sozial konstruiert wird“. Der „empi­
rische Blick“ auf die Vielfalt der Nationen geht einher mit der Annahme, daß „diese
Vielfalt nicht Substrat, sondern Resultat von politischem Prozeß und kulturellem Wan­
del ist (Hervorh. im Original).“19 Eine wesentliche Strömung der gegenwärtigen natio­
nalismustheoretischen Diskussion versteht, nach Benedict Anderson, Nation als kon­
struierte und imaginierte Identität. Grundlegend für den „modernen“ Nationalismus,
der sich „gegenüber anderen Formen ethnischen Gemeinschaftsgefühls“ abgrenzt,20
ist dabei das „auf vielfältige Weise durch Trägergruppen konstruierte Bewußtsein, eine
Nation sein zu wollen und der sich auf dieses Plebiszit gründende Anspruch auf
politische Selbstbestimmung“.21
Doch es soll nicht der Eindruck erweckt werden, als gebe es eine weithin geteilte
Auffassung davon, was die Nation als historisches Phänomen ausmacht. Verschiedene
Modellvorstellungen für die Entstehung moderner Nationen wurden angeboten. Nach
wie vor sind ,Nation' und der gesamte Gegenstandsbereich des ,Nationalen' umstrit­
ten, und man ist weit entfernt von einer allgemein akzeptierten Definition.22

sehen Raum die Frage nach Entstehung und Verfestigung nationaler Identität und Loyalität
aktuell wie in den zwanziger Jahren.
19 Vgl. Giesen, Bernhard, Nationale und kulturelle Identität, S. 1 lf. u. Hobsbawm, Eric J., Na­
tionen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, Dt. Übersetzung Frankfurt/M.
1991.
20 Höpken, Wolfgang, Konfession, territoriale Identität und nationales Bewußtsein: Die Mus­
lime in Bosnien zwischen Österreich-Ungarischer Herrschaft und Zweitem Weltkrieg, in:
Schmidt-Hartmann, Eva (Hg.), Formen des nationalen Bewußtseins im Lichte zeitgenössi­
scher Nationalismustheorien, S. 233-253, hier S. 237.
21 Alter, Nationalismus, S. 23; vgl. auch Reiterer, Albert F., Die politische Konstitution von
Ethnizität, in: Seewann, Gerhard (Hg.), Minderheitenfragen in Südosteuropa, München 1992,
S. 37-53, hier S. 37, der M. R. Lepsius zitiert (Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen
1990, S. 256-269), welcher zur Entstehung von Nationen, ganz im Sinne der Auffassungen,
die in vorliegender Arbeit vertreten werden, feststellt: „Die Überführung von ethnischen Völ­
kern zu politischen Nationen ist kein natürlicher Prozeß, sie ist das Ergebnis von sozialen
Prozessen der Unterdrückung, der Integration, der kulturellen Homogenisierung und der
institutionellen Prägung. Die Bestimmung der jeweiligen nationalen Eigenschaften und die
Durchsetzung dieser Kriterien sind Herrschaftsakte, die immer andere Ethnien ausgrenzen,
Minderheiten schaffen und diese ethnisch, sprachlich oder religiös diskriminieren.“
22 Vgl. z.B. Dann, Otto, Nation und Nationalismus in Deutschland 1770-1990, München 1993,
S. 12, wo Nation definiert wird als „eine Gesellschaft, die aufgrund gemeinsamer geschichtli­
cher Herkunft eine politische Willensgemeinschaft bildet“. Eine Nation verstehe sich als Soli-
dargemeinschaft, und gehe von der Rechtsgleichheit ihrer Mitglieder aus. Sie sei angewiesen
auf einen Grundkonsens in ihrer politischen Kultur. Nationen seien daher stets auf ein be­
stimmtes Territorium orientiert, auf ihr Vaterland. Ihr wichtigstes Ziel sei die eigenverant­
wortliche Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse, politische Selbstverantwortung (Souveränität)

43
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Gegen die Auffassung, daß man erst seit der Französischen Revolution von „Nation“
im modernen Sinne sprechen könne, wurde argumentiert, daß es in Europa seit jeher
Nationen gebe und die Entwicklung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nur eine
rapide Ausdehnung des Nationalbewußtseins auf die breite Masse gewesen sei.23 Und
noch mehr unterscheiden sich die Bestimmungen der Funktion von Nation in der
Gesellschaft. Manche Autoren schreiben der Nation gar ontologische Dimensionen
zu oder behaupten, die Nation kompensiere die „Vergänglichkeit der menschlichen
Dinge“ und sei „ein Refugium in einer Welt von Veränderlichkeit und Fluß“.24 Am
plausibelsten scheint noch die Vorstellung einer gemeinsamen, ererbten Kultur. Um im
südslawischen Bereich zu bleiben: Thesen, daß die „nationale Identität der Bulgaren,
Kroaten und Serben weit vor der Entwicklung des modernen Nationalismus geschaf­
fen, wenn auch nicht fest bestimmt wurde“ (Ivo Banac) gehen auf Vorstellungen ge­
meinsamer „kultureller Tradition“ zurück. Doch damit bleibt der qualitative Unter­
schied zwischen dem Auftauchen von Völkernamen in byzantinischen Urkunden,
mittelalterlichem natio-Verständnis und dem Aufkommen modernen Nationsver­
ständnisses unberücksichtigt. Eine tatsächliche gemeinsame „kulturelle Tradition“
spielte beim Prozeß der Herausbildung eines modernen Nationsverständnisses kaum
eine Rolle. Im Sinne Renans hat auch Hugh Seton-Watson betont, daß Menschen, die
sich als Angehörige einer Nation fühlen, einer gemeinsamen Kultur, einem gemeinsa­
men nationalen Bewußtsein etc. verbunden glauben, eine Nation bilden. Eine Nation
existiert demnach, wenn sich eine bedeutende Zahl von Menschen in einem Gemein­
wesen als Nation betrachtet und sich so verhält, als bilde sie eine Nation.25
Auch unter den südslawischen Intellektuellen, die die europäischen Nationalbewegun­
gen und Nationalstaatsgründungen aufmerksam verfolgten, intensivierte sich der ge-

innerhalb ihres Territoriums, ein eigener Nationalstaat“; dagegen sei „Nationalismus“ ein
„politisches Verhalten, das nicht von der Überzeugung einer Gleichwertigkeit aller Menschen
und Nationen getragen ist, das fremde Völker und Nationen als minderwertig einschätzt und
behandelt. Nationalismus tritt auf als Ideologie, als soziale Verhaltensweise und seit den
1880er Jahren auch als eine organisierte Bewegung.“ Ebenda, S. 17.
23 Vgl. Zernack, Klaus, Zum Problem der nationalen Identität in Ostmitteleuropa, in: Berding,
Nationales Bewußtsein und kollektive Identität, S. 176-188.
24 So z. B. James, Harold, Die Nemesis der Einfallslosigkeit — Die Nation galt als erfunden, nur
die Gesellschaft als real: Warum die Revolution die deutschen Historiker unvorbereitet traf,
in: F. A. Z. v. 17.09.1990, S. 36.
25 Alter, Nationalismus, S. 25; Vgl. auch Seton-Watson, Hugh, Nations and States. An Enquiry
into the Origins of Nations and the Politics of Nationalism, London 1977. Banac dagegen
geht in seiner Darstellung zurück bis zu Konstantin Porfirogenet (905-959), den byzantini­
schen Kaiser-Historiker (als denjenigen, der uns mit seinem Werk „De administrando imperii“
die wichtigste Quelle über die „Anfänge südslawischer Staatsbildung hinterlassen“ habe), zur
byzantinischen Kirchenprovinz Dalmatien, zu den Slawenaposteln Kyrill und Method und
dem in Dalmatien geborenen und später von der katholischen Kirche heiliggesprochenen
Hyronimus; vgl. Banac, Nacionalno pitanje, Kap. „Schicksale, Mentalitäten, unsichtbare
Grenzen“, S. 13-112, hier S. 13ff.

44
Nation und Nationalismus

sellschaftliche Kommunikationsprozeß und die Diskussion der Themen Staat und Na­
tion im 19. Jahrhundert ungemein. Generalisierend läßt sich durchaus für den gesam­
ten südosteuropäischen Raum sagen, daß es durchgängig die Gebildeten waren, die
die Idee der Nation in die Bevölkerung transportierten. Nach und nach entstand ein
Geflecht von Literatur und Zeitungen, Parteien und Assoziationen, Kaffeehauszirkeln,
Vereinen und Verbindungen, in denen sich die gesellschaftliche Kommunikation ver­
dichtete, wo die Schlagworte und Programme der Nationalidee die Köpfe der Mitglie­
der und Anhänger besetzten, durch die die Gesellschaft nationalisiert wurde. Dabei
ist es das Bewußtsein zusammenzugehören, aus einer gemeinsamen Vergangenheit zu
kommen, gemeinsame Gegner zu haben und gemeinsame Ziele für die Zukunft zu
besitzen, was Nationen zusammenhält. Belege der vermeintlich gemeinsamen Vergan­
genheit sind die gemeinsamen „kulturellen Komponenten“. V.a. die Wichtigkeit der
gemeinsamen Sprache, als wichtigstes Kommunikationsmittel, ist dabei immer wieder
betont worden.
Dieser Prozeß vollzog sich vor dem Hintergrund tiefgreifender gesellschaftlicher Um­
wälzungen in Europa. Als gesellschaftliches Phänomen lieferte der Nationalismus je­
denfalls „den Konsens, den die Gesellschaft (...) benötigte, um die Auflösung der
alten, agrarisch-ständisch geprägten Lebenswelten und die Verwirrungen und Häß­
lichkeiten des heranbrechenden industriellen Zeitalters zu verkraften.“26 Wenn auch
in den südslawisch besiedelten Gebieten der Vormarsch einer marktvermittelten und
industriell geprägten Wirtschaftsweise (im Vergleich zu West- und Mitteleuropa) zeit­
verzögert und regional in höchst unterschiedlicher Intensität das Alltagsleben erfaßte:
ein auf Subsistenzproduktion basierendes und sich ausschließlich im engen dörflichen
Rahmen abspielendes Dasein der bäuerlichen Mehrheit geriet unter Wandlungsdruck
und gleichzeitig begannen seit dem Vormärz unter den Südslawen in nationalen Kate­
gorien denkende politische Bewegungen Anhänger um sich zu scharen. Im selben
Maße, wie der Staat eine zunehmende Rolle im gesellschaftlichen Reproduktionspro­
zeß übernahm, und beispielsweise ein Schulwesen schuf, verstärkten sich auf der einen
Seite Homogenisierungsprozesse und gleichzeitig vergrößerte sich die Schicht national
ansprechbarer Bürger. War es in vormodernen Gesellschaften gleichgültig, ob Herr­
schende und Beherrschte sich im gleichen kulturellen Horizont bewegten, so ging
moderne Staatlichkeit mit der Tendenz zu verbindlicher Normierung einher. Der Ein­
druck des französischen Vorbilds, wo sich ein mächtiger Staat auf die Nation und
seine revolutionäre Legitimität berief, wirkte überall in Europa.
Gab es beispielsweise unter vormodernen Bedingungen keine für alle Untertanen ver­
bindliche Landessprache, und war das soziale Funktionieren durch die Tatsache, daß
die Bauern verschiedenste Dialekte sprachen und die Gebildeten sich im Verkehr un­
tereinander vorzugsweise einer dem gemeinen Volk unverständlichen, sakral besetzten
transnationalen Sprache bedienten, nicht gefährdet, so schrieb der moderne Staat die

26 Schulze, Hagen, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, München 1994, S. 203 u.
277.

45
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Einführung verbindlicher Amtssprachen vor. Dieses markierte einen neuartigen


Zwang zur Anpassung an eine innerhalb staatlicher Grenzen bald tendenziell allgegen­
wärtige Monopolkultur. Dieser Zwang zur Anpassung wiederum induzierte bei den
kulturell ausgegrenzten Gebildeten eine als Rückbesinnung auf das eigene Erbe miß­
verstandene Hinwendung zu einer aus dem eigenen religiösen und sprachlichen Hin­
tergrund extrapolierten „nationalen Kultur“. Der Assimilationsdruck traf dabei im
südosteuropäischen Raum zunächst vor allem die dünne Schicht der einheimischen
Beamten und die von aufklärerischen Ideen beeinflußten Geistlichen. Diese waren
auch die einzigen, die „universalistische“ Werte so weit verinnerlicht hatten, daß sie
überhaupt in der Lage waren, ein alternatives kulturelles Bezugssystem für die ihrer
Meinung nach anstehenden Modernisierungsaufgaben und die Formierung einer eige­
nen Staatlichkeit zu imaginieren und zu formulieren. Die Nation wurde zum mythisch
verklärten Bezugspunkt und „bestimmte fortan die Zielvorstellungen der Eliten, die
sich aus einigen Gelehrten sowie aus sozialen Auf- oder Absteigern zusammensetzten.
Die ersten Vorkämpfer der Nationsbildung stammten vornehmlich aus jenen Gebie­
ten, wo die Kontakte mit den abendländischen Ideen am intensivsten und die sozialen
Mobilisierungsprozesse als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung am stärksten wa­
ren, also aus den Provinzen der Habsburger Monarchie (nördlich von Save und Do­
nau). Unter den Protagonisten befanden sich Gelehrte, Geistliche, Repräsentanten des
Adels oder Vertreter der aufstrebenden städtischen Schichten (z.B. Händler oder Leh­
rer). Sie verglichen die Ideale der Französischen Revolution und der Aufklärung
(Volkssouveränität, Nationalstaat, Begeisterung für das ,einfache Volk“, für Volksspra­
che, Volksliteratur u.a.) sowie die wirtschaftliche Entwicklung in den westeuropäi­
schen Ländern mit ihrer eigenen Wirklichkeit und beschlossen, letztere von grundauf
zu ändern.“27
Der Nationalismus brachte demnach die Nation hervor, nicht umgekehrt, er ist, nach
Ernest Gellner, seinem Wesen nach eben historisch die allgemeine Durchsetzung einer
Hochkultur in einer Gesellschaft. An die Stelle der früheren komplexen kleinräumigen
Gruppenbeziehungen trete eine „anonyme, unpersönliche Gesellschaft aus austausch­
baren atomisierten Individuen“, zusammengehalten vor allem anderen durch eine ge­
meinsame Kultur. Diese neue, entlokalisierte Kultur durchzusetzen, sei die Aufgabe
des Nationalismus. Er homogenisiere die Gesellschaft kulturell, grenze sie dadurch
nach außen ab und fixiere sie auf den Nationalstaat. Denn nur der Staat könne die
hochdifferenzierten, teuren Bildungssysteme unterhalten und die Verbindlichkeit der
von ihnen erzeugten Hochkultur durchsetzen. Und nur der Nationalstaat garantiere
seinen Angehörigen, daß sie allein Zugang zu diesem neuen gesellschaftlichen Macht­
kern erhalten. Deshalb wurde die Übereinstimmung von Kultur und Staat zum „natio­
nalistischen Imperativ“. Nationalismus ist also „nicht das Erwachen einer uralten,
latenten, schlafenden Kraft, wenn er sich auch selbst gerne so darstellt. Er ist in Wirk­
lichkeit die Konsequenz einer neuen Form der sozialen Organisation, die sich auf

27 Sundhaussen, Experiment Jugoslawien, S. 21.

46
Nation und, Nationalismus

zutiefst verinnerlichte, von schulischer Ausbildung abhängige Hochkulturen gründet,


von denen jede von ihrem eigenen Staat beschützt wird.“28
Nationalismus steht somit für die Errichtung einer „modernen“ Gesellschaft, die ganz
anders zusammengehalten wird, als die frühere komplexe Struktur lokaler Gruppen
und Volkskulturen, die sich lokal und nach ihren eigenen Traditionen innerhalb dieser
Mikro-Gemeinschaften selbst reproduzierten. Das ist das genaue Gegenteil dessen,
was der Nationalismus behauptet und was die Nationalisten mit aller Überzeugung
glauben. Der Nationalismus tritt seinen Siegeszug für gewöhnlich im Namen einer
vorgeblichen Volkskultur an. Doch es sind eben nur „Symbole“, die er aus dem „ge­
sunden, unverfälschten, prallen Leben der Bauern, des Volkes“ bezieht.29 Will man
also von „historischer Funktion“ des Nationalismus sprechen, dann liegt sie wohl
tatsächlich, wie Ernest Gellner formuliert hat, darin, die Gesellschaft den Bedingungen
der Moderne anzupassen. Dieses Erklärungsmodell scheint auch weiterzuhelfen beim
Versuch die Funktion der verschiedenen südslawischen Nationalideologien zu analy­
sieren.
Das Bild einer südslawischen Vergangenheit und die daraus abgeleiteten politischen
Vorstellungen beispielsweise, die der dalmatinische Franziskanerpater Andrija Kacic
Miosic in zahlreichen der Volksdichtung nachempfundenen Liedern und in Büchern
für sein lesendes Publikum im 18. Jahrhundert entwarf und ungemein popularisierte,
war nicht mehr und nicht weniger konstruiert als andere romantische Nationsvorstel-
lungen in Europa zu jener Zeit. Doch es sollte sich erweisen, daß eine Nationalisierung
im modernen Sinne im südslawischen Bereich auf zahlreiche Hindernisse stieß. Theo­
retisch handelte es sich aber um das gleiche historische Phänomen.
Bei einem Zustand „ethnischer Kleinteiligkeit“ (Reiterer) in Südosteuropa war es auch
dort ein Imperativ der nationalen Bewegungen (der mit dem Zustand den die „Vor­
kämpfer“ der nationalen Bewegungen vorfanden eben nichts zu tun hatte), ein allge­
meines Symbolsystem, in erster Linie eine gemeinsame Hochsprache, für die postu­
lierte Nation zu schaffen.30 Dabei wurde zwar an ältere, ethnische Loyalitäten und
den ursprünglich politischen Nationsbegriff, der sich auf die mittelalterliche „natio“
berief, angeknüpft. Qualitativ, um es noch einmal zu betonen, handelte es sich aber
um etwas ganz anderes. Eine Nationalisierung auf ethnischer Grundlage jedoch, wie
sie sich auch im südslawischen Bereich im 19. Jahrhundert durchsetzte, mußte not­
wendigerweise zu Konflikten führen. In dem Maße, wie sich nämlich der politische zu
einem ethnischen Nationsbegriff gewandelt hatte und die Sprache von einem bloßen

28 Gellner, Ernest, Nationalismus und Moderne, Berlin 1991, S. 76 u. 88.


29 ebenda, S. 89f.
30 Vgl. den Reisebericht des Hamburgers Johann Georg Kohl von 1850 (Reise nach Dalmatien
und Montenegro, Neuaufl. Berlin (Ost) 1987), den auch Reiterer anführt, der in Dalmatien
neben Montenegrinern, Kroaten („Illyrer“) und Serben noch „Morlacken, Kriwoschianer,
Grachowen, Poglizzianer“ entdeckt und dazu neigt „beinahe jede Ortschaft ethnisch zu ver­
selbständigen“. Dies spiegelt den höheren Stellenwert lokaler Loyalität vor der Durchsetzung
der modernen Nationsideee und folgender Nationalisierung der Bevölkerung wider.

47
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

regionalen und/oder professionellen beziehungsweise ständischen Kommunikations­


mittel zu einem „ethnonationalen Definitionsmerkmal“ wurde, verlor auch der politi­
sche Nationsbegriff seine vormalige Bedeutung und spielte schließlich, zumindest was
den südslawischen Bereich anbelangt, keine Rolle mehr. Der allenthalben aufkeimende
Sprachnationalismus spielte im Prozeß der ethnischen Ab- und Ausgrenzung eine
Schlüsselrolle: „Nun wurde unter Volk eine auf gemeinsamer Abkunft und Sprache
beruhende Gemeinschaftsbildung verstanden, die geschichtliche Dauerhaftigkeit und
Größe implizierte und dem politisch-etatistischen „Nations-“ und „Nationalstaatsprin­
zip“ gezielt entgegengesetzt wurde“. Damit kam, wie auch für Südosteuropa gezeigt
worden ist, jenes Wir-Gruppenverständnis zum Zuge, das „ Volk“ als Abstammungsge­
meinschaft verstand, als genetisch-biologische Gruppe und geschlossene Gesellschaft, in
die man weder ein- noch austreten kann, ohne damit gegen die „natürliche“ Ordnung
zu verstoßen. Für die Zugehörigkeit zum „Volk“ war daher nicht das subjektive Be­
kenntnis, sondern das objektive Kriterium der Abstammung ausschlaggebend. (Her-
vorh. A. J.)31
Doch in beiden Fällen, gleichgültig ob Nation als „politische Bekenntnisgemeinschaft“
oder als „Schicksals- und nicht Willensgemeinschaft“ definiert wird, war sie aber ein
bewußt ins Werk gesetzter Vorgang, angestoßen von Intellektuellen, deren Ziel die
politische Selbstbestimmung im Staat oder überhaupt erst die Errichtung eines eigenen
Staates in Ablösung von fremder Herrschaft war. Die Nation, und das zeigte sich auch
bei der Beschäftigung mit diesem historischen Phänomen in Südosteuropa nach dem
Ersten Weltkrieg, mobilisierte - egal wie sie definiert wurde (und es wird am regiona­
len Ausschnitt zu zeigen sein, wie unterschiedlich die Identität der Nation während
der Zwischenkriegszeit in Dalmatien durch Propaganda, Geschichtsschreibung, Schul-
und Bildungswesen bestimmt wurde) - enorme emotionale Bindungskräfte und inte­
grierte Menschen, die an sie glaubten, zu einer Handlungsgemeinschaft.
Doch zurück zum Versuch der theoretischen Klärung des modernen Nations- und
Nationalismusbegriffs: „Nationalismus“ läßt sich also in dem „Koordinatensystem
von Mobilisierung, Integration und Modernisierung“ verorten, wobei seine primäre
„Funktion als Integrationsideologie einer Großgruppe“ zu beschreiben ist: „Dabei ist
nicht nur der ideell-programmatische Ausdruck eines Großgruppenbewußtseins bis
hin zu egoistisch-ethnozentrischer Selbststilisierung gemeint, auch nicht nur der Hin­
weis auf sprachlich-kulturelle Inhalte dieses Selbstverständnisses. Vielmehr der Um­
stand, daß Zusammengehörigkeitsbewußtsein einer Gruppe und dessen mehr oder
weniger symbolische Inhalte lediglich einen bestimmten gesellschaftlichen Integra-
tionsbedarf (Hervorh. A. J.) zum Ausdruck bringen. Dieser wiederum hängt ab von
dem besonderen Stand von Massenmobilisierung und -konsolidierung unter den Be­
dingungen eines beschleunigt-krisenhaften Wandels gesamtgesellschaftlicher Art. In­
sofern kann Nationalismus funktional als - zunächst weder gutes noch böses, richti­
ges und falsches - Mittel zu Mobilisierung und Konsolidierung, insgesamt Integration

31 Sundhaussen, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien und Jugoslawien, S. 317 u. 325.

48
Nation und Nationalismus

einer Großgruppe aufgefaßt werden.“32 Angestoßen und geformt wird er dabei von
den Intellektuellen, deren „besondere Bedeutung“ erkannt worden ist. Fragen nach
Herkunft und Zusammensetzung der „Intelligenz“, nach Anliegen und Eigeninteres­
sen, nach der gesellschaftlichen Stellung wurden aufgeworfen, ihre Rolle als Träger
und Vermittler von Wertideen im Modernisierungsprozeß beleuchtet und ihr Verhält­
nis zur jeweiligen Herrschaftsordnung und politischen Machtelite analysiert.33
Beim Versuch, die Durchsetzung bzw. das Scheitern von Identitätsentwürfen im Dal­
matien der Zwischenkriegszeit aufzuzeigen, werden die von dem Ethnologen und So­
ziologen Georg Eiwert vorgeschlagenen Definitionen von Ethnie, Nationalismus und
Nation zugrundegelegt,34 die auch von der neueren Forschung aufgegriffen wurden.35
Ethnien werden demnach bestimmt als „familienübergreifende und familienerfassende
Gruppen, die sich selbst eine (u.U. auch exklusive) kollektive Identität zusprechen.
Dabei sind die Zuschreibungskriterien, die die Außengrenze setzen, wandelbar.“
Nationalismen können beschrieben werden als „soziale Bewegungen mit kommunika­
tiven und ideologischen Bezügen oder auch mit ökonomisch relevanten Gemeinsam­
keiten, welche sich auf die Herstellung, Festigung oder Verteidigung einer eigenen
Nation nach gemeinsamer Definition beziehen“, wobei dem Kriterium der Selbstzu­
schreibung entscheidende Bedeutung zukommt.36 Mit Stefan Troebst soll darüberhin-
aus Nationalismus gleichzeitig als politisches Programm einer sozialen Bewegung ver­
standen werden, welche „eine imaginierte Trias von „Volk“, „Land“ und „Geschichte“
zur Deckung zu bringen sucht“.37
Nationen schließlich sind „lockere oder festgefügte soziale Organisation(en), welche
überzeitlichen Charakter beanspruch(en), von der Mehrheit ihrer Glieder als (imagi­
nierte) Gemeinschaft behandelt (werden) und sich auf einen gemeinsamen Staatsappa­
rat bezieh(en)“.38

32 Vgl. Schödl. Einführung, in: ders. (Hg.), Land an der Donau, S. 17.
33 Vgl. Seton Watson, Hugh, „Intelligentsia“ und Nationalismus in Osteuropa 1818-1918, in:
Historische Zeitschrift, Bd. 195, München 1962, S. 331-345; Sterbling, Anton, Strukturfragen
und Modernisierungsprobleme südosteuropäischer Gesellschaften, Hamburg 1993, S. 15.
34 Vgl. die Auswahlliteratur zur Nationsbildung in Südosteuropa im Anhang des paradigmati­
schen Artikels von Holm Sundhaussen: Nationsbildung und Nationalismus im Donau-Bal­
kan-Raum, in: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 48/1993, S. 233—258.
35 Vgl. Troebst, Stefan, Ethnien und Nationalismen in Osteuropa. Drei Vorüberlegungen zur
vergleichenden historischen Forschung, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissen­
schaft, 5. Jg. 1/1994, S. 7-22, hier S. 8 (ergänzter Nachdruck aus: Südosteuropa-Mitteilungen
33/1993, S. 146-156); Steinbach, Peter, Nationalstaatsbildung und innergesellschaftliche Kon­
flikte im Mittelmeerraum. Vergleichende Perspektiven, in: Lüsebrink, Hans-Jürgen (Hg.), Na­
tionalismus im Mittelmeerraum. Eine Vortragsreihe im Wintersemester 1991, Passau 1994,
S. 130-164, „Zur begrifflichen Klärung“, S. 137.
36 Vgl. Eiwert, Georg, Nation/Nationalismus, in: Nohlen, D./Waldmann, P./Ziemer, K. (Hg.),
Lexikon der Politik, Bd. 4, Die östlichen und südlichen LänderMünchen 1997, S. 390-399.
37 Troebst, Nationalismus und Gewalt, S. 278 u. Eiwert, Nationalismus und Ethnizität, S. 446ff.
38 Vgl. Eiwert, Georg, Nationalismus und Ethnizität. Uber die Bildung von Wir-Gruppen, in:

49
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Eine ganze Reihe von Forschern hat sich sehr kritisch zur „Erfindung der Nation“
und zur „Karriere“ dieses „folgenreichen Konzepts“ geäußert.39
Doch wie Holm Sundhausssen festgestellt hat: „Nation und Nationalismus (...) sind
Realitäten, sehr wirksame und oft genug gefährliche Realitäten. (...) Nationen existie­
ren, weil Menschen an sie glauben (bzw. man sie gelehrt hat, daran zu glauben), weil
Menschen sich mit ihnen identifizieren,“40 (Hervorh. A. J.) Dabei spielt es eben keine
Rolle, daß die Inhalte der Nationalismen, wie eine vorgestellte gemeinsame Abstam­
mung, Sprache oder Geschichte „Mythen oder „junge Artefakte“ sind.
In Südosteuropa fielen Kultur und Staat nirgendwo territorial zusammen. Als Natio­
nalstaaten entstanden waren, wurden sofort fremde Kulturen als Gefährdung identifi­
ziert. So definierte Minderheiten wurden (und werden) unter dem Diktat des neuen
nationalistischen Imperativs „als Skandal empfunden.“41 Ihn zu beseitigen, begreife
die Nation, so zerklüftet sie politisch oder sozial im Inneren ansonsten auch sein mag,
als eine Aufgabe der kollektiven Selbsterhaltung. Folgt man Gellners sozialanthropo­
logischer Nationalismustheorie, so fordert Nationalismus, schon seiner inneren Logik
gemäß, daß das Fremde entweder eingeschmolzen werden, nationalisiert oder aber
abgetrennt, ausgestoßen, vertrieben werden muß. Dieter Langewiesche hebt zu recht
hervor, daß die Nation als Partizipationsgemeinschaft ihre Identität „stets in der Ab­
grenzung gegen das als fremd Empfundene erzeugt“. Damit ist auch die Situation in
Südosteuropa in unserem Jahrhundert beschrieben. Oben skizzierte nationalistische
„Logik“ führte dazu, daß Vertreter verschiedenener Nationalismen das vermeintliche

Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 41 (1989), S. 440-464, hier 447, 446
u. 449. „Die Definitionen von Nationalismus, Nation, Ethnie und ähnlichen Begriffen“ stellt
Eiwert fest (S. 450), „müssen immer formal und damit unbefriedigend bleiben, weil hinter
ihnen außerordentlich unterschiedliche soziale Prozesse stehen können, wie etwa Reaktionen
auf zunehmende soziale und ökonomische Unsicherheit, Verlust individueller Identität und
Wettbewerb um neue Revenuen. Diese sozialen Prozesse verursachen allerdings keineswegs
nur Nationalismus und Ethnizität. Sie können in gleicher Weise andere, z.B. religiöse, Bestre­
bungen nach imaginierten Gemeinschaften tragen (...).“
39 Vgl. den Titel der dt. Übersetzung des Buches von Benedict Anderson „Imagined Communi-
ties. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983“: Die Erfindung der
Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Frankfurt/M., New York 1988. Kritische,
m.E. nur z.T. zutreffende, Einwände bei Clewing, S. 31 lff.
40 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 235; Weiter heißt es dort: „Die Selbstzuschreibung (d.h. die
Tatsache, daß sich ein Individuum einer Wir-Gruppe zurechnet) und die Fremdzuschreibung
(d.h. die Zuschreibung oder Anerkennung dieser Mitgliedschaft durch Fremde) sowie der
Glaube - nicht das Faktum! -, daß gewisse Elemente von Gemeinschaft alle Mitglieder einer
Nation in einer sozialen Struktur verbinden, sind weitaus wichtiger als eine faktisch nachweis­
bare gemeinsame Abstammung oder eine faktisch nachweisbare Gemeinschaft in der Vergan­
genheit.“
41 Vgl. Langewiesche, Dieter, Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert: zwischen Partizipation
und Aggression. Vortrag vor dem Gesprächskreis Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in
Bonn am 24. Januar 1994, Bonn 1994, S. 22ff.

50
Nation und Nationalismus

Lebensrecht ihrer Nation in letzter Konsequenz vermeinen in blutigen Kriegen aus-


fechten zu müssen.
Dabei soll freilich, wie schon angedeutet, nicht bestritten werden, daß Nation und
Nationalismus als historische Phänome mehr waren und sind als reine Schreibstuben­
konstrukte von Intellektuellen: kollektive Emotionen müssen als ein bedeutender Fak­
tor mit einbezogen werden. Der Blick allein auf Interessen, Propagandaapparate und
Strukturen reicht nicht aus. Warum ist gerade die Nation eine so bewegende Idee?
Nationalismus kann daher als „emotionale Massenmobilisierung“ und „Gruppeniden­
tifikation mit Ausschließlichkeitsanspruch“42 bestimmt werden. Das Bekenntnis zur
Nation wurde, wie erkannt worden ist, in den Lebenswelten, den Leitbildern und
Verhaltensnormen der Menschen verankert. Diese Nationalisierung von Werten und
Lebensformen begleitete den Prozeß der Nationsbildung und war mit der Begründung
von Nationalstaaten keineswegs abgeschlossen. Denn nicht alle Mitglieder einer zur
Nation gewordenen Großgruppe wurden von diesem Prozeß der Nationalisierung in
gleicher Stärke und zur gleichen Zeit erfaßt. Doch letztlich konnte sich kaum jemand
entziehen, da die Nation als ein Wertesystem mit Absolutheitsanspruch entstand.43
Das „nationalistische Ethos“ beruhe auf einem „Gefühl der Solidarität und Verpflich­
tung“ gegenüber einem „souveränen Kollektiv“, das sich als Staat organisiere oder
dies beabsichtige. Der Einzelne identifiziert sich mit diesem Kollektiv, der Nation,
indem er die Nation nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten sucht und zu­
gleich sein Selbstbild nach ihrem Bilde formt. Die „Nationalisierung des Ethos und
Empfindens“, wie Elias diesen Vorgang nannte, in dem ein nationales Wir-Gefühl
entsteht - diese Nationalisierung von Lebenswelten und Verhaltensnormen hat sich
in allen Gesellschaften vollzogen, die im 19. und 20. Jahrhundert vom Modernisie­
rungsprozeß erfaßt worden sind.
Nationalismus tritt also, will man diesen sozialpsychologischen Überlegungen fol­
gen,44 immer dann auf, wenn eine Gesellschaft unter Modernisierungsdruck gerät.

42 Vgl. Bruckmüller, Ernst/Linhart, Sepp/Mährdel, Christian, Einleitung. Nationalismus und


Staatenbildung, in: dies., (Hg.), Nationalismus. Wege der Staatenbildung in der außereuropäi­
schen Welt, Wien 1994, S. 9-17 u. Bruckmüller, Nationsbildung als gesellschaftlicher Prozeß,
in: ebenda, S. 17-50.
43 Norbert Elias würdigte deshalb den Nationalismus als „eines der mächtigsten, wenn nicht
das mächtigste soziale Glaubenssystem des 19. und 20. Jahrhunderts“, vgl. Elias, Norbert,
Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhun­
dert, Frankfurt/M. (4. Aufl.) 1990, S. 194ff.
44 Vgl. Langewiesche, S. 22ff. Alle sozialpsychologischen Erklärungsversuche der Nation heben
ein menschliches „Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit“ hervor, das auf einer emotionalen
Ebene nach Identität strebe, wobei ideologische und sozialpolitische Integrationselemente
eine wichtige Rolle spielen (vgl. Bloom, William, Personal identity, National Identity and
International Relations, Cambridge u.a. 1990, v.a. Kap. 2, hier S. 150). Der Nationalismus
biete „vielen Menschen, die durch den Wegfall traditioneller verwandschaftlicher, aber auch
weltanschaulicher und schichtspezifischer Stützen sozusagen schwerelos in einem riesigen
Kontinuum von sich widersprechenden Werten, Meinungen, Ideologien, aber auch unstabilen

51
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Nationalismus ist mithin keine Entgleisung einer ansonsten positiven Entwicklung,


Nationalismus setzt vielmehr nach Elias „einen erheblichen Grad an Demokratisie­
rung (im soziologischen, nicht politischen Sinn des Wortes) voraus“.45 Die Gesell­
schaft muß demnach in Bewegung geraten sein, muß sich aus ihren Traditionen, ihren
ständischen Ordnungen lösen. Nationalismus ist also eine Ideologie, die Zerfall und
Zerstörung der überlieferten Ordnung legitimiert und an deren Stelle etwas Neues
setzen will - vom Anspruch her, dieses Neue, eine Gesellschaft mit einer egalitären
Wertordnung, verfaßt als Staat mit einem kollektiven, also ebenfalls egalitären Souve­
rän. Das ist der Grund, warum Nationalismus historisch als Befreiungsideologie ent­
standen ist und bis heute, trotz aller nationalistischen Greuel, immer wieder so wirken
konnte.46
Es war auch in Dalmatien die Nation, die sich 1918 nach dem Zusammenbruch der
alten Ordnung, in einer Zeit raschen Wandels und angesichts großer wirtschaftlicher
und sozialer Unsicherheit als ein fester Bezugspunkt von Identifikation und Loyalität
anbot.47 Lange vor dem Zusammenbruch der übernationalen Habsburgermonarchie
lassen sich die nationalen Bewegungen auf ihrem Gebiet als eine Reaktion auf die tiefe
Krise des alten Regimes verstehen: „Aus dem Zerfall der alten Identitäten“ erwachse
die „Suche nach neuen Identitäten und Werten“ formulierte Miroslav Hroch.48 Im
Prozeß der Konstruktion dieser neuen Identitäten verband sich bei den ,Vorkämpfern
der nationalen Bewegungen“ im südslawischen Bereich der Donaumonarchie Emanzi­
pationswille, der Versuch, die eigenen Interessen durchzusetzen mit der enttäuschen­
den Erfahrung eigener Machtlosigkeit.
Im Unterschied zu „traditionellen, „segmentären“ Gemeinschaften“ erweist sich die
moderne Nation „als zunehmend komplexes und anonymes Gebilde. Die in Dorfge­
meinschaften organisierte traditionelle Agrargesellschaft war territorial überschaubar

persönlichen Kontakten und sozialen Netzen, umhertreiben, eine Art Krücke oder ein Orien­
tierungsgeländer, um nicht in die Tiefe zu fallen (Jäggi, Christian J., Nationalismus und ethni­
sche Minderheiten, Zürich 1993). Er befriedige „das Bedürfnis nach positiven Wir-Gefühlen,
nach Selbstachtung, die von der Identifikation mit einem Kollektiv getragen ist (Wilterdink,
Nico, Nationalitäten im alltäglichen Gegen- und Miteinander. Nationale Identität in einer
internationalen Organisation, in: Blomer, Kuzmics, Treibei (Hgg.), Transformationen des Wir-
Gefühls, S. 118-155, hier S. 154).
45 Elias, S. 196 u. 200 u. Langewiesche, S. 13f.
46 Langewiesche, S. 14. Benedict Anderson hebt hervor, daß die Nation als Gemeinschaft ausge­
geben wird, weil sie unabhängig von real existierender Ungleichheit und Ausbeutung, als
„kameradschaftlicher“ Bund von Gleichen verstanden wird. „Und es war diese fiktive „Brü­
derlichkeit“, die es in den letzten zwei Jahrhunderten ermöglichte, daß Millionen von Men­
schen nicht nur für die Nation getötet haben, sondern auch bereitwillig für sie gestorben
sind“; Anderson, S. 17; vgl. auch Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 166 F 28.
47 Vgl. Brenner, Christiane, Integrations- und Desintegrationsprozesse in multinationalen Ge­
sellschaften. Einige Überlegungen zu den Theorien Otto Bauers und Karl W. Deutschs, in:
Schmidt-Hartmann (Hg.), S. 113-125, hier S. 124.
48 Vgl. Hroch, Miroslav, Nationales Bewußtsein, S. 51.

52
Nation und Nationalismus

gewesen und gemeinsame Werte und Normen wurden als direkt einsichtig und ver­
bindlich erlebt; und das Wir-Gruppen-Bewußtsein orientierte sich an einer überschau­
baren Gemeinschaft.“49 Der Nationalismus ist demnach eine „Ersatzkonstruktion ge­
sellschaftlicher Einheit“, nachdem mit der „Formierung der komplexen modernen
Gesellschaft“ nicht nur „neue Möglichkeiten im Streben nach Macht und Wohlstand,
sondern auch neue Formen der Einsamkeit“ eingekehrt sind. Die Sozialbeziehungen
gestalteten sich in zunehmenden Maße unüberschaubar und anonym, das Bewußtsein
sozialer Einheit und Gemeinschaft wurde zerstört, und der Verlust erzeugte Gefühle
der Entfremdung, der Unsicherheit und latenter Angst. Nationalismus wird so ein
neues sozialpsychologisches Bindeglied und stellt gewissermaßen die verlorenge­
gangene Einheit des traditionellen Normen- und Wertesystems auf neuer, breiterer
Grundlage wieder her und trägt mit seinen simplen Erklärungsmustern zur (vermeint­
lichen) Reduzierung von Umweltkomplexität bei.50
Die gegenwärtige Nationalismusforschung beschäftigt sich nicht mehr vorrangig mit
Fragen der Typologien, sondern hat, seit den Arbeiten Karl Deutschs, mehr Fragen
nach den Aspekten der Kommunikation und des Umgangs mit Konflikten, unter­
schiedliche Formen sozialer Identifikation und ihre Funktionsweisen oder Regeln der
Konsensfindung in den Vordergrund gerückt.51 Die Wichtigkeit des Kommunika­
tionsprozesses bei der Konstruktion kollektiver Identität wird in der sozialwissen­
schaftlichen Diskussion kaum mehr bestritten.52 Soziale Identität und Orientierung
werden kommunikativ gebildet, soziale Welten konstituieren sich durch Prozesse
kommunikativer Interaktion, und eine einmal erlangte Identität wird immer wieder
kommunikativ bestätigt. Die Verbreitung „national relevanter Informationen“
(Hroch) wurde dabei erst möglich, als die soziale Kommunikation den notwendigen
Standard erreicht hatte. Dazu gehörten nicht nur das Informationssystem, sondern
v.a. die Bereitschaft und Fähigkeit der Bevölkerung, die Botschaften der nationalen
Agitation aufzunehmen. Voraussetzung war ein Mindestmaß an Schulbildung und so­
zialer Mobilität, wobei die nationale Agitation erfolgreich wurde, als sie an Interessen­
gegensätze anknüpfen konnte.53
Es wird deutlich werden, wie beim Diskurs der verschiedenen Schichten der dalmati­
nischen Gesellschaft nicht inhaltliche Kongruenz, sondern formaler Konsens schließ-

49 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 239f.


50 Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 170f.
51 Vgl. Schmidt-Hartmann, Eva, Einleitung, in: dies. (Hg.), Formen des Nationalbewußtseins
im Lichte zeitgenössischer Nationalismus-Theorien, München 1994, S. 7-13, hier S. 12: „Ob
unterschiedliche nationale Gruppen in einem Staat Zusammenleben und ob unterschiedliche
Völker und Staaten ihre Probleme miteinander ohne destruktive Auseinandersetzungen lösen
können, hängt von politischen Mentalitäten und nicht von nationaler Zugehörigkeit ab.“
52 Vgl. Weiser, Thomas, K. W. Deutschs Modell der Nationswerdung und sein Beitrag für die
historische Nationalismusforschung, in: Schmidt-Hartmann (Hg.), S. 126-143, hier S. 134,
der detailliert die Forschungsdiskussion nachzeichnet.
53 Hroch, Miroslav, Nationales Bewußtsein, S. 51.

53
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

lieh zur kroatischen nationalen Gemeinsamkeit eines Großteils der Gesellschaft


führte. Diejenigen, die sich zum „hrvatski narod“, zum kroatischen Volk, zugehörig
fühlten, waren durch ein gewachsenes Netzwerk sozialer Kommunikation verbunden,
wobei einem abstammungs- und/oder sprachbezogenen Zusammengehörigkeitsbe­
wußtsein, wie es die nationalen Bewegungen propagiert hatten, eine besondere Rolle
zukam. Zudem sorgten die Machtmechanismen im neuen Staat dafür, daß der Appell
an gemeinsame kroatische Interessen auf fruchtbaren Boden fiel. Die politisch denken­
den Kroaten empfanden es als Diskriminierung und Unterdrückung, daß sie, - wie
ihre politischen Verteter nicht müde wurden zu betonen - von der Teilnahme an der
politischen Macht im Staat ausgeschlossen waren. Soziale Distanz gegenüber den als
privilegiert und herrschend empfundenen „Groß-Serben“, erzeugte ein Gefühl der
moralischen Überlegenheit, der Würde und Selbstachtung, das noch genährt wurde
durch ein kulturelles Überlegenheitsgefühl, das die eigene Machtlosigkeit besser zu
verarbeiten half. Dieses kroatische Sonderbewußtsein stellte die Legitimität der gege­
benen politischen und staatlichen Verhältnisse in Frage und hatte mit diesen keine
gemeinsame Wertbasis. Der von den kroatischen politischen Parteien gepflegte natio­
nale Populismus der Zwischenkriegszeit, der seinen Mobilisierungszweck erfüllte,
kann durchaus als nationalismusverstärkender „Abwehrmechanismus“ interpretiert
werden.54
Historische Erfahrung ist ohne Sprache nicht vorstellbar. Denkweisen und Anschau­
ungen werden durch die Analyse der Sprache deutlich, ideologische Schlagwörter wer­
den zu Herrschaftsmitteln. Es ist gezeigt worden, daß zur Voraussetzung von Verzeit-
lichung, Ideologisierung und Politisierung der Begriffswelt ein wesentliches Moment
neuzeitlichen Strukturwandels gehört: die Entstehung einer potentiell allgemeinen,
demokratischen Öffentlichkeit. Die Begriffe werden demokratisiert, allseitig verfügbar
und manipulierbar, aber auch kritisierbar und korrigierbar. Begriffswandel und Be­
griffskonstanz werden zu sicheren Zeichen für Wandel und Beharren sozialer Struktu­
ren.55 Eine so verstandene Öffentlichkeit existierte in Dalmatien bis zum Beginn des
20. Jahrhunderts nur in Ansätzen. Unter diesem Vorbehalt sind die politischen Aus­
einandersetzungen der Vertreter verschiedener Nationskonzepte zu betrachten. Ein
Leitbegriff in dieser Debatte um Identität, im Kontext wirtschaftlicher Modernisie­
rung und kultureller Emanzipation im kroatischen (und in anderer Form für den
südslawischen) Bereich war „jugoslavenstvo“, das „Südslawentum“ oder „Jugoslawis-
mus“. Im Folgenden soll versucht werden die Grundlinien dieser Diskussion im
19. Jahrhundert nachzuzeichnen.

54 Darstellung versch. psycho-sozialer Erklärungsmuster bei Loewenstein, Bedrich, Eine alte


Geschichte? Massenpsychologie und Nationalismusforschung, in: Schmidt-Hartmann, Eva
(Hg.), Formen des Nationalbewußtseins, S. 87-101, hier S. 90 u. 101.
55 Vgl. Brunner, Otto, Conze, Werner, Koselleck, Reinhart (Hgg.), Geschichtliche Grundbe­
griffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1-7 Stuttgart
1973-1993.

54
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

2. Nationsbildung bei Kroaten und Serben


in Dalmatien bis 1918

Hier soll und kann nicht das ,lange 19. Jahrhundert“ und der keineswegs von Anfang
an zielgerichtete oder notwendige komplizierte Prozeß der südslawischen Nationsbil­
dung (im Sinne oben skizzierter nationalismustheoretischer Modellvorstellungen) von
traditioneller Interethnizität zur modernen nationalen Exklusivität nachgezeichnet
werden. Für ein Verständnis des Scheiterns jugoslawischer Integration nach 1918 in
Dalmatien scheint es aber unerläßlich, die wesentlichen Grundlagen der konkurrieren­
den Nationsentwürfe, wie sie sich im 19. Jahrhundert herausbildeten, dem For­
schungsstand folgend zu rekapitulieren.
Auch bei Kroaten und Serben setzte im Verlauf des 19. Jahrhunderts der Nationsbil­
dungsprozeß ein. Es waren die Anhänger der illyrischen Bewegung, die in den 30er
Jahren „gedanklich und politisch den .qualitativen Sprung“ von der Adelsnation zur
modernen Nation einleiteten“. Damit verband sich die Forderung nach Integration
der Kroaten mit der Idee überregional-gesamtsüdslawischer Einheit zumindest in kul­
tureller Hinsicht. Die integrative Wirkung des Illyrismus war dabei vorrangig auf den
Kulturbereich, d. h. vor allem auf die intellektuellen Kreise, im Gebiet des Dreieinigen
Königreiches, also Kroatien, Slawonien und Dalmatien, beschränkt.56 Die zwei wich­
tigsten unterschiedlichen Ideologien über die Zukunft ihrer Nation, die die „kroati­
sche Intelligentsia“ in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts vertrat, die jugoslawistische
und die kroatische, sind dargestellt und auf den Begriff gebracht worden.57 In den
Worten von Mirjana Gross: „Yugoslavism was the integrationist ideology of the Croa-
tian nation, as well as a supranational concept: there was therefore an unstable rela-

56 Vgl. für die Südslawen innerhalb Österreich-Ungarns Kann, Robert, A., Das Nationalitäten­
problem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen
vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918, 2 Bde. Graz Wien 1964 u. Mari-
nelli-König, Gertraud, Die Südslaven in den Wiener Zeitschriften und Almanachen des Vor­
märz (1805-1848). Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme der Beiträge über Bosnien,
Bulgarien, Dalmatien, die Herzegowina, Istrien, Krain (Kärnten, Steiermark), Kroatien, das
Küstenland, die Militärgrenze, Montenegro, Serbien und Slawonien, Wien 1994.
57 Stand d. Forschung in der Studie von Günter Schödl, Kroatische Nationalpolitik und „jugo-
slavenstvo“, Kap. I. 3. „Jugoslovjenstvo“: die jugoslawistische Idee als kroatische Integrations­
ideologie, S. 47-56; 4. „Zwischen „Jugoslawismus“ und kroatischem Nationalismus: die Ent­
faltung nationaler Politik in Kroatien-Slawonien und Dalmatien, S. 57-68 u. 5. Der „Neue
Kurs“: jugoslawistische Nationalpolitik in der Habsburgermonarchie am Vorabend des Ersten
Weltkrieges, S. 68-81, bes. zum Prozeß kollektiver nationalpolitischer Willensbildung in Dal­
matien S. 71 - 81. Auf Dalmatien bezogen nun auch Clewing, Staatlichkeit und nationale Iden­
titätsbildung.

55
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des "Weltkrieges

tionship between the two components of this ideology.“58 Der Jugoslawismus war
Konzept politisch-gesellschaftlicher Modernisierung, kollektive Haltung und natio­
nalpolitische Praxis gleichzeitig, „sowohl Antriebsquelle wie auch Ergebnis wirt­
schaftlich-gesellschaftlicher Innovation. Im Kern kann er als Einheitsstreben der Süd­
slawen verstanden werden - der Kroaten und Serben, nicht durchgehend auch der
Slowenen und anderer. (...) Die endgültige Formulierung war das Werk herausragen­
der kroatischer Intellektueller wie Josip Strossmayer und Franjo Racki.“59 Seit den
frühen vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts kam es zu einer allmählichen Einengung
des südslawischen Einheitsgedankens, während der sechziger Jahre des 19. Jahrhun­
derts dann zu seiner Kroatisierung. Als vages südslawisches Zusammengehörigkeits­
bewußtseins „in die weite, offene Form des unitarischen ethnischen und kulturellen
Jugoslawismus, also des „Illyrismus“, gefaßt, konnte es faktisch nur die Funktion eines
„kulturellen Kroatismus“ ausüben. Durch seine späteren Entwicklungsbedingungen
bestimmt, wurde das „jugoslavenstvo„-Konzept der Illyrer in seiner nationalpoliti­
schen Bindekraft als kulturell-gesamtsüdslawischer Erziehungs- und Einigungsge­
danke erschüttert.60
Mitte des 19. Jahrhunderts war der Gedanke einer gemeinsamen Schriftsprache der
Slowenen, Kroaten und Serben, teilweise gar aller Slawen aufgekommen. Der sloweni-

58 Vgl. Gross, Mirjana, The Union of Dalmatia with Northern Croatia: A Crucial Question of
the Croatian National Integration in the Nineteenth Century, in: Teich, Mikuläs/Porter, Roy
(Hgg.), The National Question in Europe in Historical Context, Cambridge 1993, S. 270-
292, hier S. 280; dies., Zur Frage der jugoslawischen Ideologie bei den Kroaten, in: Wand-
ruszka et al. (Hgg.), Die Donaumonarchie und die südslawische Frage von 1848 bis 1918,
Wien 1978, S. 19-39; Korunic, Petar, Jugoslavizam i federalizam u hrvatskom nacionalnom
preporodu 1835-1875: studija o politickoj teoriji i ideologiji (Jugoslawismus und Föderalis­
mus in der kroatischen Wiedergeburtsbewegung 1835-1875: Eine Studie über politische
Theorie und Ideologie), Zagreb 1989 u. Stancic, Niksa, Hrvatska nacionalna ideologija prepo-
rodnog pokreta u Dalmaciji: Mihovil Pavlinovic i njegov krug do 1869 (Die kroatische Natio­
nalideologie der Wiedergeburtsbewegung in Dalmatien: M. P. und sein Kreis bis 1869), Zagreb
1980.
59 Schödl, Dauer des Nationalen, S. 136; vgl. Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten,
Kap. V/2,3. Zu den Modernisierungsprozessen in Kroatien-Slawonien: Gross, Mirjana, Poceci
moderne Hrvatske (Die Anfänge des modernen Kroatien), Zagreb 1985; dt. Zusammenfassung
der Autorin unter d. Titel „Die Anfänge des modernen Kroatien, Neoabsolutismus in Zivil-
Kroatien und Slawonien 1850-1860, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs, No.
40, 1987, S. 237-269; dies./Szabo, Agneza, Prema hrvatskome gradanskom drustvu. Drust-
veni razvoj u civilnoj Hrvatskoj i Slavoniji sezdesetih i sedamdesetih godina 19. stoljeca (Auf
dem Weg zur kroat. bürgerl. Gesellschaft. Die gesellsch. Entw. in Zivil-Kroatien und Slawo­
nien in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jh.), Zagreb 1992.
60 Vgl. Stancic, Niksa, Nacija izmedu fetisizacije i antropoloskog shvacanja historije. Problem
oblikovanja jugoslavenskih nacija u 19. stoljecu (Die Nation zwischen Fetischisierung und
anthropologischem Begreifen der Geschichte. Das Problem der Schaffung der jugoslawischen
Nationen im 19. Jh.), in: Istoriografija, marksizam i obrazovanje. Zbornik, Beograd 1986,
S. 45-53.

56
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

sehe Panslawist Matija Majar veröffentlichte 1848 sogar eine Grammatik einer südsla­
wischen Kunstsprache, die „für Slowenen und gleichzeitig Kroaten und Serben leicht
zu verstehen“ sein sollte und führte eine lebhafte Korrespondenz in diesem selbster­
fundenen Idiom.61 Doch all diese Versuche blieben in den verschiedensten Varianten
romantische Träume und Utopien einer kleinen Gruppe Herder rezipierender gebilde­
ter panslawistischer Schwärmer. Zu dem Zeitpunkt, da Ljudevit Gaj 1835 mit seinem
illyrischen Programm vor die Öffentlichkeit getreten war, bestand schon mehr als ein
Jahrzehnt die Matica srpska als kultureller Mittelpunkt der Serben. Serbien selbst
besaß den Status eines verfassungsmäßig gesicherten autonomen Fürstentums mit ei­
ner in ihrem Erbrecht bestätigten fürstlichen Familie. Folgerichtig wurde die ableh­
nende Haltung gegenüber der Illyrischen Bewegung im Letopis, der Zeitschrift der
Matica srpska, „als Ausdruck eines entsprechenden Selbstbewußtseins“ gedeutet. Aus
Angst vor einer Katholisierung der Serben „unter dem Deckmantel des Illyrismus“
schrieben viele serbische Literaten und Publizisten gegen die aus Kroatien kommen­
den Vorstellungen einer südslawischen Einheit an. Die kyrillische Schrift wurde bei­
spielsweise als „Ausdruck der serbischen Identität“ gesehen und heftig wurde gegen
das „Eindringen von Kroatizismen“ protestiert.62 Zu recht stellt Konstantinovic je­
doch fest, daß die Einstellung in den einzelnen serbischen Gebieten differierte und
die Serben der Militärgrenze und in Dalmatien „dem Illyrismus gegenüber viel aufge­
schlossener“ waren. Doch bleibt sein Gesamturteil festzuhalten, wonach letztlich der
Illyrismus „im Serbentum eine endgültige Absage“ erfuhr.
Anders sah es im kroatischen Bereich aus: Im Laufe der siebziger und achtziger Jahre
des 19. Jahrhunderts war der Jugoslawismus, als Folgeerscheinung des Illyrismus, zur
kroatischen nationalen Integrationsideologie geworden. Dieser letztlich „jugoslawi­
sche Kroatismus“, der sich im Laufe der Zeit inhaltlich mehrmals wandeln sollte, blieb
„stets in die überlieferte, klassisch jugoslawistische Zielvorstellung eingebunden: sein
Anliegen war weder machtpolitisch-zentralistischer Natur wie der insofern „sekun­
däre“ Jugoslawismus ,Belgrads“, noch ging es um integral jugoslawistische Identitäts­
bildung, also Verschmelzung gewachsener südslawischer Individualitäten.“63
Was den politischen Charakter des jugoslawistischen Konzepts betraf, so enthielt es
so viele Unklarheiten, daß, wie Srecko Dzaja feststellte, „bis heute kein wissenschaftli­
cher Konsens“ zwischen kroatischen und serbischen Historikern erreicht werden
konnte.64 Der mehrschichtige Begriff des „jugoslavenstvo“, der das Südslawentum

61 Vgl. Konstantinovic, Zoran, Matija Majar und die slawische Idee bei den Serben, in: Moritsch,
Andreas (Hg.), Die slawische Idee. Beiträge am Matija Majar-Ziljski-Symposium vom 6. bis
10. Juli 1992 in Tratten/Posice (Kärnten), Bratislava 1993, S. 80-90, hier S. 82f.
62 ebenda, S. 84f.; Schon der Kunstname „Illyrer“ stießen bei Vuk oder dem bedeutendsten
Dichter der serbischen Romantik, Branko Radicevic, auf Kritik. Nach der Gründung des
Königreichs SHS 1918 wurde der Illyrismus aber „als Vorläufer des Jugoslawentums gefeiert“
(S. 85).
63 Vgl. Behschnit, Nationalismus, S. 160, Schödl, Nationalpolitik S. 27 u. 331.
64 „Während prominente serbische Historiker in diesem Bereich, z.B. Vasilije Krestic, im kroati-

57
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

„gleichzeitig als politische, staatsbildende und übernationale/internationale Kategorie“


(Dzaja) auffaßte, ließ offen, ob es um das Ziel einer südslawischen Kulturnation oder
darüber hinaus um Staatsbildung gehen sollte. Beides war eben in dem verschwomme­
nen Konzept angelegt. Einerseits ging es um Definition und Festigung der kroatischen
Identität. Doch gleichzeitig, was später von Verfechtern einer exklusiv-kroatischen
Nationalstaatsbildung versucht wurde zu verdrängen, blieb doch ein wesentliches
Kennzeichen kroatischer Nationalpolitik während des Nationsbildungsprozessses,
daß die kroatische illyrische Bewegung „anders als die Emanzipationsbestrebungen
der Serben und diejenigen der Slowenen schon im Ansatz (auch, A. J.) eine übernatio­
nale Perspektive auf(wies), ein wirklich „jugoslawistisches“ Moment. Der „Jugosla-
wismus“ (“jugoslavenstvo,,), sei es als kulturelles oder als staatlich-politisches Ein­
heitsstreben, sei es nur als kroato-serbische oder weiterreichende südslawische Inte­
gration, stellte bis zur staatlichen Vereinigung 1918 eine Konstante kroatischer Politik
überhaupt dar. Niemals kam es zu einer allgemein akzeptierten Definition des „jugo­
slavenstvo“ und entsprechend schwankte auch seine politische Bedeutung.65 Festzu­
halten bleibt, daß keine politisch einheitliche Nationalbewegung der Südslawen ent­
stand.
Die Vorkämpfer und Verfechter des kroatischen Nationsgedankens seit dem ersten
Drittel des vorigen Jahrhunderts wählten über viele Jahrzehnte hinaus wechselhafte
Kriterien für die nationale Selbstidentifikation.66 Kriterien, die als Merkmale der kroa­
tischen Nation akzeptiert wurden und die später zur Abgrenzung gegenüber den „an­
deren“ (zunächst hauptsächlich gegenüber Deutschen, Ungarn und Italienern, später
auch den Serben) taugten, waren Konfession, Abstammung, Vergangenheit und Spra­
che. Wie unscharf solche Kriterien waren und sind, ersieht man aus der Tatsache, daß
es im 20. Jahrhundert zur bewußten Abgrenzung einer eigenen kroatischen von der
serbischen Sprache gekommen ist, obwohl es gerade das Sprachkriterium gewesen
war, das die Verfechter des illyrischen Gedankens ursprünglich für ein eindeutiges
gemeinsames nationales Bestimmungsmerkmal für Kroaten und Serben vorgesehen
hatten, da sich kroatische und serbische Sprachreformer auf beiden Seiten (Ljudevit
Gaj u. Vuk Stefanovic Karadzic) auf das Stokavische (nach dem Fragepronomen „sto“)
als Grundlage einer normierten Schriftsprache geeinigt hatten.

sehen Jugoslawismus einen verkappten Großkroatismus verspürten (vgl. seine Studie „Srpsko-
hrvatski odnosi i jugoslovenska ideja 1860-1873“ (Die serbisch-kroatischen Bez. u. d. jug.
Idee), Beograd 1983), wiesen kroatische Historiker, wie Petar Korunic (vgl. dessen Rezension
v. Krestics Buch in CSP 16, 1 (1984), S. 83-107 u. ders., Jugoslavenska ideologija u hrvatskoj
i slovenskoj politici. Hrvatsko-slovenski politicki odnosi 1848-1870, Zagreb 1986) eine solche
Bewertung, nach Untersuchung „auf einer breiteren Quellenbasis“ (Dzaja) zurück.
65 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 21 u. 23 m. Verw. auf Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft
in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 271ff.
66 Vgl. Behschnitt, Wolf D., Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830-1914. Analyse und
Typologie der nationalen Ideologie, München 1980.

58
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

Es war nicht verwunderlich, daß die Anhänger jugoslawistischer Gedanken die


Grundlage für eine dynamische Gemeinsamkeit im Dialektkontinuum der südslawi­
schen Sprachen sahen. Im Herderschen Sinne wurde Sprache dabei als privilegierter
Ort der Volksseele betrachtet. Eine gemeinsame Sprache ließ die Idee eines gemeinsa­
men Ursprungs plausibel erscheinen und sie stellte ein Steuerungsprogramm für die
Gestaltung einer angestrebten gemeinsamen kulturellen und politischen Zukunft dar.
Der kroatische Jugoslawismus in der Praxis vor dem Hintergrund austroslawistischer
föderalistischer Vorstellungen ging stets von einer kroatischen Staatlichkeit als Start­
position aus, hatte aber de facto keinerlei politische Gestaltungsmacht.67
Im Kreis der slawisch sprechenden Intellektuellen Dalmatiens litt man an der fakti­
schen staatsrechtlichen und wirtschaftlichen Isolierung vom Hinterland, die als Ent­
wicklungshindernis und Ursache der Rückständigkeit empfunden wurde. Alle Bemü­
hungen kroatischer Politik konnten Zeit der Existenz der Doppelmonarchie daran
nichts ändern. Es war bitteres „gemeinsames Schicksal der Südslawen“ der Monarchie,
gesamtstaatlich in eine bloße Objektrolle gedrängt zu werden. Als „kalkulierbare
reichspolitische Manövriermasse und wirtschaftlich peripherisierter ,Ergänzungs­
raum'“ waren sie bei allen regionalen Besonderheiten „samt und sonders einer nach­
haltigen Marginalisierung ausgesetzt“. Diese Erfahrungen in Dalmatien waren es, die
dem nach 1918 propagierten integralen Verschmelzungs-Jugoslawismus einen anfäng­
lichen Elan gaben, allen tatsächlichen Erfahrungen im 19. Jahrhundert zum Trotz.
Hatte sich doch gezeigt, daß selbst die Kroato-Serbische Koalition, wie sie sich zwi­
schen 1903 und 1905 herausgebildet hatte, nicht Auftakt einer „jugoslawischen“ Na­
tionalbewegung wurde, sondern eher als Versuch vorrangig großbürgerlicher kroati­
scher und serbischer Führungsgruppen zu verstehen war, die Krise der Doppelmonar­
chie für eine Erweiterung der eigenen Entfaltungsmöglichkeiten und Autonomie­
rechte zu nutzen.68 Tatsächlich war das „jugoslavenstvo“ im kroatischen politischen
Raum eben längst zu einem „jugoslawistischen Kroatismus“ geworden, der sich, zu­
mindest vorerst, mit der Existenz des österreich-ungarischen Staates abgefunden hatte
und sich mit den verschiedenen Reformodellen vereinbaren ließ, die alle um eine Auf­
wertung des ,slawischen Elements' in der Doppelmonarchie kreisten.

67 Dzaja, Intelligentsia und südosteuropäischer Raum, S. 157.


68 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 39 u. 276. Zum Begriff „Peripherisierung“ im Kontext der
Modernisierungsdiskussion: Berend, Ivan; Ränki, György, The European Periphery and Indu-
strialization 1780-1914, Budapest 1982 u. Senghaas, Dieter (Hg.), Kapitalistische Weltökono­
mie, Frankfurt/M. 1979. Zur Entw. Dalmatiens im 19. Jh. vgl. Stancic, Hrvatska nacionalna
ideologija; Petrovic, Nacionalno pitanje; Enciklopedija Jugoslavije, 3. Bd., Zagreb 1984,
S. 360-367; Milutinovic, Kosta, Vojvodina i Dalmacija 1760-1914, Novi Sad 1973.

59
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

a) Slawische Nationalisierung im 19. Jahrhundert

Neuere Quellensammlungen69 und Literatur zur sog. „nationalen Wiedergeburt“, dem


„narodni preporod“70 in Dalmatien lassen Interpretationen, in denen das „südslawi­
sche Risiorgimento“ nur als „geistige Vorgeschichte des südslawischen Staates“ be­
schrieben wurde, obsolet erscheinen.71 Der oben skizzierte Illyrismus entfaltete in
Dalmatien, wo neun Zehntel der Bevölkerung slawisch sprachen, die stärkste Wir­
kung. Vorreiter war der serbische Händler Bozidar Petranovic aus Sibenik. Er gab ab
1835 eine Zeitschrift unter dem Titel „Freund der Aufklärung Serbisch-dalmatinischer
Almanach“ (Ljubitelj prosvjestenija Srbsko-dalmatinski almanah) heraus, die ab 1838
„Srbsko-dalmatinski magazin“ hieß. Doch erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde
in Dalmatien, ganz im Sinne der nation-building Modelle, eine national ziemlich
gleichgültige bäuerliche Bevölkerung durch ihre an den Universitäten von Padua und
Wien mit den Ideen des Nationalismus in Berührung gekommene akademisch gebil­
dete Jugend stärker mit nationalen Parolen konfrontiert.72 Die Abgesandten der Illyri­
sten aus Zagreb, die Dalmatien als Teil des dreieinigen Königreiches Kroatien rekla­
mierten, stießen im Revolutionsjahr 1848 noch „auf ungläubiges Achselzucken“ in
den venezianisch geprägten Städten Dalmatiens. Nedjeljko Fabrio drückte das so aus,
daß es damals in Dalmatien nur so viele bewußte Kroaten gab, „daß sie auf einer

69 Vgl. Historijski Arhiv u Zadru (Hg.), Dokumenti o hrvatskom narodnom preporodu u Dal-
maciji (Dokumente über die kroatische nationale Wiedergeburt in Dalmatien), Bd. I, Zadar
1991.
70 Vgl. die Bibliographien von Keckemet, Dusko, Bibliografija narodnog preporoda u Dalmaciji
(Bibliographie der nationalen Wiedergeburt in Dalmatien), in: Keckemet, D. (Hg.), Hrvatski
narodni preporod u Splitu, Split 1984 u. Anzunovic, Neda, Bibliografija radova o narodnom
preporodu (Bibliographie d. Arb. über die nat. Wiedergeburt), Mogucnosti 1984.-1995., Split
1995; Darstellung bei: Sidak, Jaroslav, Gross, Mirjana, Karaman, Igor, Sepie, Dragovan, Povi-
jest hrvatskog naroda g. 1860.-1914., (Geschichte des kroatischen Volkes 1860-1914) Zagreb
1968. Auch in ihren übrigen, im Literaturverzeichnis aufgeführten Arbeiten, kommen Gross,
Stancic u. Petrovic immer wieder auf diese Problematik zurück.
71 Seit Hermann Wendel (Aus dem südslawischen Risorgimento, Gotha 1921 od. ders., Der
Kampf der Südslawen um Freiheit und Einheit, Frankfurt/M 1925), der in so verschiedenen
Persönlichkeiten und Bewegungen wie „Dositej Obradovic, Ljudevit Gaj, der Omladina, Jo-
sip Juraj Stroßmayer, Svetozar Markovic und Janez Krek“ Vorläufer eines südslawischen Na­
tionalstaates sehen wollte und dem „die südslawische Nationaleinheit als Ergebnis der glei­
chen natürlichen Entwicklung“ erschien, „der Deutsche und Italiener ihre Staatlichkeit ver­
danken“, war diese Sichtweise teilw. auch in der wissenschaftl. Literatur zu finden.
72 Vgl. Petrinovic, Ivo, Predgovor (Vorwort), in: Natko Nodilo — Izabrani spisi, Split 1982,
S. 7—42, hier S. 9 u. D. Keckemet im Vorwort zu Kortsek, Josip, Dujam Mikacic, Split 1963.
Zur Politikergeneration Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. in Dalmatien: Peric, Ivo, Politicki
portreti iz proslosti Dalmacije (Politische Portraits aus der Vergangenheit Dalmatiens), Split
1990, mit biographischen Skizzen von Bozidar Petranovic, Luka Botic, Duro Pulic, Rafo
Pucic, Gajo Bulat, Duje Rendic-Miocevic, Niko Nardelli und Frane Bulic.

60
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

Messerspitze Platz“ gehabt hätten.73 Wie die dünne Schicht der Intellektuellen „natio­
nal erwachte“ und „zu bewußten Kroaten und Serben“ wurde, ist anhand der Biogra­
phien der Vorkämpfer der Nationalpartei (Narodna stranka) gut zu studieren.74 Auch
der Jugoslawismus als Integrationsideologie der Kroaten in seiner kroatisch-dalmatini­
schen Gestalt während der kroato-serbischen Allianzenbildung zu Zeiten seiner Ent­
faltung ist dargestellt worden.75 Die nationalpolitische Diskussion wurde unter den
Südslawen Österreich-Ungarns aber nur innerhalb der kleinen intellektuellen Schicht
geführt, der ihre Machtlosigkeit von den maßgeblichen politischen Faktoren des Rei­
ches immer wieder schmerzlich vor Augen geführt wurde. Der Jugoslawismus eines
Bischof Josip Juraj Strossmayer (1815-1905) und die pan-kroatischen Auffassungen
Ante Starcevics bezeichneten dabei die Spannbreite der Debatte, die sich nicht selten
auch im Irrealen und in utopischen Zukunftsentwürfen verlor. Strossmayer und Star-
cevic wurden dabei zu Führungsgestalten einer Nation stilisiert, die nach Symbolge­
stalten für ihre noch nicht gesicherte kollektive Identität suchte.
Ein besonders wichtiges Merkmal gemeinsamer Identität aller Anhänger der Wieder­
geburts-Ideen war dabei die oft beschworene gemeinsame Muttersprache.76 Der
„Kampf um die kroatische Sprache“ wurde dabei nur allzu oft anfangs von Intellektu­
ellen geführt, die die Sprache des Volkes erst richtig lernen mußten.77 Die Vorkämpfer
der Nationsbildung mußten auch in Dalmatien „beträchtliche Mobilisierungsanstren­
gungen“ leisten, um „die höchst abstrakte Idee der Nation“ zu vermitteln. Vor allem
in den ländlichen Gemeinschaften des agrarischen Dalmatien, das in vielem noch der
traditionellen Agrargesellschaft entsprach, deren gesellschaftlicher Bezugspunkt eben
„nicht die Nation, sondern jene überschaubare Gruppe von Personen (war), die be­
stimmte Merkmale miteinander teilten, die einander persönlich kannten und gemein­
sam in der bäuerlichen Lebenswelt verhaftet waren“, konnte die Nationsidee nur sehr
langsam Fuß fassen.78
Die Mischung aus liberalen Auffassungen, all-slawischen Ideen, die zwischen Pan-
und Austroslawismus pendelten und schließlich in den städtisch-gebildeten Kreisen

73 Vgl. Fabrio, Nedjeljko, Berenikina kosa, Zagreb 1988 (2. Aufl. 1990); dt.: Das Haar der Bere­
nice. Familienfuge. Aus dem Kroatischen von Klaus Detlef Olof, Klagenfurt 1992 (Zit. S. 113)
u. die Bespr. v. Reinhard Lauer „Das Haar der Berenice. N. Fabrios Roman: Geschichtsbuch
und Kunstwerk von Rang“, in: F. A. Z. v. 19.01.1994, S. 28.
74 Vgl. z.B. Korunic, Petar, Natko Nodilo i narodni preporod u Dalmaciji do 1867 (Natko
Nodilo u. die dalm. Wiedergeburt), in: Historijski zbornik, god. XXVII, XXVIII, 1974-1975.
75 Vgl. Stancic, Niksa, Hrvatska nacionalna ideologija preporodnog pokreta u Dalmaciji. Miho-
vil Pavlinovic i njegov krug do 1869. (Die kroat. Nationalideologie der Wiedergeburtsbew. in
Dalmatien. M. P. und sein Kreis bis 1869), Zagreb 1980.
76 Vgl. Clewing, Kap. IV „Staatlichkeit, Muttersprache, Nationsprinzip. Das Beispiel Dalma­
tien“, S. 291ff.
77 Novak, Grga, Povijest Splita (Geschichte Splits), 3. Bd., Split 1985, S. 89ff. u. Grgic, Ivan, Iz
doba narodnog preporoda (Aus der Zeit des preporod), in: Zadarska revija 9/1960 u. 4/1961.
78 Sundhaussen, Deutsche in Kroatien und Slawonien, S. 321.

61
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Dalmatiens mehrheitlich einen jugoslawistischen Weg einschlugen; all die zeitgebun­


denen Konstruktionen von einem „Natur- und Volksrecht“, die die städtischen
„Volkstümler“ (narodnjaci) bemühten, um ihren Wunsch nach dem Zusammenschluß
mit Kroatien und anderen Südslawen zu bekräftigen, lassen aber durchgehend die
Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen durchscheinen. Die 1861 gegrün­
dete „Narodna stranka“, die erste moderne politische Partei in Dalmatien, wurde für
die oben umrissene Schicht zur „einheitlichen politischen Organisation“. Die These
von Rade Petrovic, daß sie dies „für den größten Teil der dalmatinischen Slawen“
geworden sei, scheint aber schwer belegbar.79 Die große bäuerliche Mehrheit in Dal­
matien, wie auch aus zahlreichen Zeugnissen nationaler ,Vorkämpfer' zu ersehen ist,
kümmerte sich nicht um Parteigründungen. Aber, daß während der Anfänge einer
breiteren Politisierung in Dalmatien die Trennungslinie nicht zwischen Kroaten und
Serben verlief, ist belegbar. Empirisch fundiert wurde nachgewiesen, daß anfangs die
orthodoxe Bevölkerung Dalmatiens „die sicherste Basis der Narodna stranka war“.80
Hauptsächlich die zahlenmäßig zwar kleine, aber homogene und dynamische serbisch­
orthodoxe Schicht der Händler und Kaufleute spielte anfangs eine wichtige Rolle
bei der Verbreitung slawisch-nationaler Emanzipationsforderungen. Da die serbischen
Händler, Lehrer und Geistlichen nicht zur ansonsten in Dalmatien ökonomisch und
politisch den Ton angebenden Oberschicht des städtischen Patriziats oder zu den
großen Landbesitzern gehörten, waren ihre nationalen Forderungen in sehr viel gerin­
gerem Maß von der konservativen Besitzstand- und Interessenwahrung geprägt, als
die der kroatisch-katholischen Gebildeten. Die Formierung einer Nationalideologie
unter den Serben Dalmatien verlief daher homogener, als es unter der katholischen
Bevölkerung der Fall war.81
79 Vgl. Petrovic, Rade, Nacionalno pitanje u Dalmaciji u XIX stoljecu. Narodna stranka i nacio-
nalno pitanje 1860.-1880.(Die nationale Frage in Dalmatien im 19. Jahrhundert. Die Volks­
partei und die nationale Frage 1860-80), Sarajevo 1968., Kap. II: „Die Volkspartei - Entste­
hung, Zusammensetzung, Organisation und Programm“, S. 129-250, u. Kap. III: „Die Volks­
partei und die nationale Frage“, S. 251-418, hier S. 129 u. 187.
80 ebenda, S. 188.
81 Vgl. Stancic, Niksa, Nacionalna integraciona ideologija dalmatinskih narodnjaka 1860/61. go-
dine (Die nationale Integrationsideologie der dalmatinischen Volkstümler 1860/61), in: Radovi
Instituta za hrvatsku povijest 11 (1978), S. 263 u. Prpa-Jovanovic, Branka, Srbsko-dalmatinski
magazin 1836—1848, Split 1988, S. 21ff., die die „serbische nationale Wiedergeburt“ in Dalma­
tien in vielen Elementen als Phase II des Hroch sehen Stufenmodells einordnet. Einschrän­
kend spricht sie jedoch von der „Existenz von Grundformen von nationalem Bewußtsein bei
breiteren Volksschichten“ unter den Serben, schon vor der propagandistischen Tätigkeit der
Wiedergeburtier. V.a. die konfessionelle Identität habe dabei dazu geführt, daß sich die serbi­
sche nationale Identität unter den dalmatinischen Serben schneller entwickelte. Ihre inhalt­
liche Analyse des „Serbisch-dalmatinischen Magazins“ ergab, daß die propagierte serbische
Nationalideologie auf „geschichtlicher Erinnerung und Erfahrung, traditioneller ethnischer
Identität, orthodoxem Glauben und der serbischen Sprache“ beruhte, „aber auch auf den
modernen europäischen Fortschritts- u. Naturrechtsideen und der Notwendigkeit sozialen
Aufstiegs und Volkswohlstands“ (S. 95 u. 99).

62
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

Seit den serbischen Aufständen und dem Entstehen eines serbischen Staates konnten
national denkende Serben auf einen existierenden Kristallisationspunkt verweisen, der,
wie die Zugehörigkeit zur gemeinsamen orthodoxen Konfession, viel zur exklusiv­
serbischen nationalen Solidarisierung beitrug. Die slawische Einheitsfront in Dalma­
tien hielt nicht zuletzt aus diesem Grund nicht lange. Spätestens seit 1863 formierten
sich innerhalb der „Narodna stranka“ Dalmatiens ausgeformte „eigene“ nationale ser­
bische und kroatische Ideologien.82 Bis dahin hatten serbische und kroatische Wieder-
geburtler gemeinsam ihren Kampf um die Vereinigung Dalmatiens mit Banal-Kroatien
und die Einführung der „Volkssprache“ ins öffentliche Leben, gegen das Italienische
und Deutsche, geführt.
Der Kampf um slawische Nationalisierung des Landes fand einen gewissen Abschluß
in den Wahlsiegen der „Narodna stranka“, die 1887 bis auf Zara/Zadar in allen wichti­
geren Gemeinden Dalmatiens an der Spitze der Verwaltung stand. Der politisch-ge­
sellschaftliche Wandel führte zu einer Ausdifferenzierung, die der Nationalpartei nicht
länger mehr die Rolle einer Einheitsorganisation erlaubte. Am Ende der siebziger
Jahre zerbrach die kroatisch-serbische Solidarität des Kampfes um Dalmatiens slawi­
schen Charakter. Es kam zur Gründung einer eigenen „Serbischen Volkspartei“ (Srp-
ska narodna stranka). Doch im langwierigen Prozeß des Wandels der dalmatinischen
Slawen (sowohl der Anhänger der Narodna stranka, als auch der Autonomisten) in
„bewußte Kroaten und Serben“, der sich in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts
intensivierte, entstand die Basis für das moderne kroatische und serbische Nationalbe­
wußtsein. Nun erst konnten kroatische und serbische Nationalidentitäten im moder­
nen Sinne entstehen.83
Die Betonung des „Slawischen“ gegenüber dem „Italienischen“ zu Anfang der Wie­
dergeburtsbewegung sollte die Vorurteile unterlaufen, die gegen die Sturmtruppen
der Gegenrevolution seit 1848 mit dem Namen „Kroaten“ in der liberal eingestellten
dalmatinischen Intelligenz vorherrschten. Der Kampf um den öffentlichen Stellenwert
der ,slawischen Sprache“, die „slavjanski, slovinski od. slavenski jezik“ genannt wurde,
war zu Anfang des „preporod“ entscheidend. Die Grundmuster der politischen Wer­
bung der jugoslawistischen Politiker nach 1918 entstanden damals: Die Südslawen, so
erfuhr das lesende dalmatinische Publikum in den 1860er Jahren, seien „eine große
Familie“ und „ein Volk“, von der Donau bis zur Ägäis und von der Adria bis zum
Schwarzen Meer, wie Natko Nodilo schrieb. Auch die dalmatinischen Slawen seien
demnach wie Serben, Bosnier, Montenegriner, Kroaten, „slawischer Nationalität“.84
Die Namen, die dalmatinische Schiffseigner in den sechziger Jahren ihren Seglern

82 Vgl. Artukovic, Mato, Ideologija srpsko-hrvatskih sporova (Die Ideologie der serbo-kroati-
schen Konflikte) (Srbobran 1884-1902), Zagreb 1991, S. 185ff.
83 Vgl. Petrovic, S. 252.
84 Vgl. Natko Nodilos Polemik gg. Tomazeo, in: „II Nazionale“, Zadar, Nr. 36/2. VII 1862.
Nodilo unterschied vier slawische Völker: das russische, tschechische, polnische und südsla­
wische.

63
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

gaben, sprechen für die Durchsetzung des ,slawischen Gedankens' in Dalmatien.85


1882 besiegte die Narodna stranka die Autonomisten bei den Gemeindewahlen in
Split, was für die nach Italien orientierten Kreise ein Schlag war, von dem sie sich
nicht mehr erholen sollten.86 Kroatische Historiker haben betont, daß je geringer die
Gefahr der „Italianisierung“ von den Anhängern der Wiedergeburtsbewegung einge­
schätzt wurde, desto mehr hätten sie sich des kroatischen Namens bedient und das
politische Hauptziel, den erstrebten Zusammenschluß mit Banal-Kroatien, in den Vor­
dergrund der politischen Aktion gerückt.87 Die Umformung kroatischer Identitätssi­
cherung in überkroatisch-„jugoslawische“ Nationsbildung jedenfalls mißlang. Die
ethnisch-nationalen und konfessionellen Hindernisse im gesamtsüdslawischen Raum
überwogen und führten zu konfliktträchtigen Konstellationen konkurrierender natio­
nalpolitischer Entwicklungstendenzen.

b) Merkmale moderner kroatischer und serbischer


Nationsbildung

Von vornherein verschränkten sich subjektiv-politischer und objektiv-ethnischer Na­


tionsbegriff auf dem Gebiet Kroatiens. Die Gemeinsamkeit von Wertvorstellungen,
Institutionen und politischen „Überzeugungen“88 konstituierten auch im kroatischen
Fall die Nation. Das spezifische Amalgam verschiedener Elementen beider unter­
scheidbarer Nationsverständnisse kennzeichnete den kroatischen Nationsbildungs­
prozeß. Einerseits wurde hervorgehoben, daß das Territorium des historischen kroati­
schen Staates Heimstatt der politischen kroatischen Nation sei (die ethnische Zuord­
nung spielte dabei keine Rolle), doch gleichzeitig vertrat ein Teil der entstehenden
Nationalbewegung Vorstellungen einer genetisch-abstammungsmäßigen Einheit des
kroatischen Volkes. Daß die Vorkämpfer der nationalen Bewegung keine einheitliche

85 Vgl. Zlokovic, Boka i narodni preporod na primorju (Die Bucht von Kotor und die nationale
Wiedergeburt an der Küste), in: Godisnjak Pomorskog muzeja, Kotor, 1962, X, S. 188, der
anhand der Schiffsregister und der Namen, die dalmatinische Eigner ihren Schiffen gaben
(„Slavjan, Mladi Slavjanin, Slavljanin, Slavjanski etc.) die „Slawisierung“ des Bewußtseins
zeigt; vgl auch O. Fijo, Narodni preporod u Damaciji i pomorstvo, in: Radovi JAZU, Zadar
1961, S. 173ff.
86 Vgl. Biankini, Juraj, Narodni preporod u Dalmaciji, in: Almanah Jadranske straze za 1927,
Beograd 1927. Sidak, Jaroslav et. al., Hrvatski narodni preporod. Ilirski pokret, Zagreb 1988.
87 Petrinovic, Ivo, Predgovor (Vorwort), in: Natko Nodilo - Izabrani spisi, Split 1982, S. 7-42,
bes. S. 29ff.
88 Vgl. Heckmann, Friedrich, Ethnos, Demos, Nation, oder: Woher stammt die Intoleranz des
Nationalstaats gegenüber ethnischen Minderheiten?, in: Seewann, Gerhard (Hg.), Minderhei­
tenfragen in Südosteuropa, München 1992, S. 29.

64
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

Normsprache oder Kultur vorfanden (die Kultur des Adels stand vielmehr in einem
scharfen Kontrast zur Kultur der erbuntertänigen Bauern) und daß sich, was die po­
stulierte gemeinsame Abstammung anbelangte, darüber „bestenfalls spekulieren“ ließ,
hielt die Verfechter der „Nationalen Wiedergeburt“ und ihre Nachfolger freilich auch
im kroatischen Fall keineswegs ab.89
Grundsätzlich lassen sich zwei Richtungen in diesem Prozeß der Erfindung einer
Nation unterscheiden. Die einen beriefen sich vorwiegend auf staatlich-territoriale
und rechtliche, die anderen vorwiegend auf kulturelle Kriterien. Die Verfechter des
etatistischen und kulturellen Nationsbegriffs bei den Kroaten, so hat Holm Sundhaus­
sen die Situation zusammengefaßt, blockierten sich wechselseitig, so daß es in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu einer Stagnation im kroatischen Nations­
bildungsprozeß kam. Kompliziert wurde die Entwicklung durch die politischen Be­
dingungen. Kroatische Nationsbildung vollzog sich bis 1918 im Rahmen der multi­
ethnischen Habsburger Monarchie bzw. ab 1867 im Rahmen Österreich-Ungarns und
ab 1918 im „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“. Innerhalb Österreich-
Ungarns bildete Kroatien niemals eine administrative Einheit, sondern war zwischen
den beiden Reichshälften der Doppelmonarchie aufgeteilt. Dalmatien gehörte dabei
zur Cisleithanischen Reichshälfte. Auf dem Territorium des „Dreieinigen Königreichs
Kroatien-Slawonien-Dalmatien“ lebten nicht nur Kroaten, sondern auch Serben. Be­
sonders kompakt siedelten Serben im Gebiet der Militärgrenze und in Dalmatien.
Gleichzeitig gab es außerhalb des „Dreieinigen Königreichs“ Kroaten, in Bosnien und
der Herzegowina sowie der heutigen Vojvodina.
Bei dem Versuch, den Abschluß der kroatischen Nationsbildung in Dalmatien nach
dem Ersten Weltkrieg zu verstehen soll eine Warnung von Stefan Troebst berücksich­
tigt werden, der zutreffend feststellte, daß die Konzentration auf „nationale Bewegun­
gen und Nationalstaaten“ zwar „angesichts der gerade Osteuropa entscheidend prä­
genden Rolle der Nationalismen (...) durchaus berechtigt“ sei, aber leicht dazu führe,
daß „die schiefe nationale Optik gängigen Begriffen wie „Minderheitenfrage“ oder
„Nationalitätenproblem“ gleichsam implementiert ist.90 Bezogen auf Dalmatien in der
Zeit zwischen 1918 und 1941, deren Darstellung mit dem Ende des Weltkrieges in
dieser Region, und den Hoffnungen, die sich damit verknüpften, einsetzen soll, bedeu-

89 Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 168 F 30. Stand der wiss. Forschung über „kroatische Eth-
nogenese“ (mit zahlr. Lit.-ang.) bei Pohl, Walter, Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleu­
ropa 567-822 n. Chr., München 1988, S. 261-268. Problematisch dagegen Muzic, Ivan, Po-
drijetlo Hrvata. Autohtonost u hrvatskoj etnogenezi na du rimske provincije Dalmacije (Die
Abstammung der Kroaten. Autochthone kroatische Ethnogenese auf dem Boden der röm.
Provinz Dalmatien), Zagreb 1989.
90 Vgl. Troebst, Ethnien und Nationalismen, S. 13: „In dieser Perspektive sind es nicht die von
außen an einzelne Ethnien gerichteten Ansprüche, die diese zu konfliktträchtigen Reaktionen
veranlassen, sondern es ist umgekehrt die bloße Existenz von devianten „Minderheiten“, die
„Fragen“ aufwirft, allein das Vorhandensein von „Nationalitäten“ bereitet aus solch national­
staatlicher Sicht nichts als „Probleme“.“

65
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

tet das, die vorhandene Gemeinsamkeiten von Kroaten und Serben nicht zu überse­
hen, allen mental-kulturellen Unterschieden zum Trotz. Ohnehin lagen die größten
Barrieren in der Ausschließlichkeit der gleichzeitig entwickelten exklusiv-kroatisch
bzw. serbischen Nationsdefinitionen. Das Großkroatentum der Rechtspartei Ante
Starcevics91 - von seinen Anhängern „Vater des Vaterlandes“ genannt - erging sich
in leidenschaftlicher Verneinung des Serbentums92 auf dem Gebiet eines gedachten
Groß-Kroatien und fand auch in Dalmatien unter Klerikern oder im Kleinbürgertum
Anhänger. Der kroatische Ustasa-Nationalismus später griff auf Starcevics Ideologie
zurück.
Die Nationsbildungsprozesse, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Dal­
matien die Grundlagen für die Entstehung eines modernen Nationalbewußtseins bei
Kroaten und Serben legten, lassen sich nicht isoliert von den gesellschaftlichen Wand­
lungsprozessen beschreiben. Es ist gezeigt worden, daß es der krisenhafte soziale Wan­
del seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war, der diesen Prozeß initiierte. Die Ablösung
bzw. Umformung des italienisch orientierten Stadtadels durch eine slawisch/kroatisch
Rationalisierte' städtische Führungsschicht von Grundbesitzern, Geistlichen und
Rechtsanwälten, begann das politische Leben in Dalmatien zu prägen. Die wachsende
politische Dynamik ist überzeugend als Ausdruck eines Wandels der wirtschaftlich­
gesellschaftlichen Grundlagen gedeutet worden. Im Zusammenwirken von alten, un-
bewältigten mit neuen Krisenfaktoren struktureller und konjunktureller, wirtschaftli­
cher und sozio-kultureller Art brach sich der mit dem Wort „Fundamentalpolitisie­
rung“ beschriebene Prozeß auch in der dalmatinischen Gesellschaft Bahn. Wirtschaft­
lich-gesellschaftliche Unzufriedenheit schlug schließlich um in politische.93
Die „allgegenwärtige Unterentwicklung“ in den südslawisch besiedelten Gebieten
Österreich-Ungarns im 19. Jahrhundert ist aufgezeigt worden. Mehr noch als für die
anderen kroatischen Länder galt für Dalmatien, daß es bis 1918 nicht „über das Ent­
wicklungsniveau einer nur ansatzweise durchkapitalisierten, urbanisierten und politi­
sierten, letztlich kleinbürgerlich-bäuerlichen Gesellschaft“ hinausgelangte, und daß
sich die wirtschaftliche und politische „Marginalisierung“ des südslawischen Raumes
dort besonders manifestierte. Auch war - in der Begrifflichkeit einer komperativen
Modernisierungsforschung - das Fehlen einer „gewachsenen Trägerschicht forcierten
gesamtgesellschaftlichen Wandels“ zu bemerken. Von „nationaler Elite und moder­
nem' Bürgertum im Sinne West- und Deutschmitteleuropas“ konnte zu Beginn der
Entfaltung kroatischer Nationalpolitik in Dalmatien im 19. Jahrhundert angesichts ei-

91 Vgl. Gross, Mirjana, Povijest pravaske ideologije (Geschichte der Ideologie der Rechtspartei),
Zagreb 1973; dies., Die nationale Idee der kroatischen Rechtspartei und ihr Zusammenbruch
(1861 bis 1895). Zum Nationalitätenproblem der Donaumonarchie, in: Österreichische Ost­
hefte 6 (1964), S. 373-388.
92 Behschnitt, S. 172-186.
93 Schödl, Nationalpolitik, Bürgerlich-städtische Politik und „Neuer Kurs“, S. 187-233 u.
„Fundamentalpolitisierung“ als Existenzbedingung nationaler Politik, S. 178-186.

66
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

nes kleinen venezianisch-italienisch geprägten städtisch-dalmatinischen ,Patriziats'


nicht die Rede sein. Entsprechend konnte es kein bestimmtes nationalpolitisches Kon­
zept sein, das von Intellektuellenzirkeln ausgehend allmählich in das politische Be­
wußtsein aller sozialen Schichten eingedrungen wäre und eine nationale Einheitsbewe­
gung ausgelöst und mobilisiert hätte. Es existierte, wie oben bereits angedeutet, keine
allgemein akzeptierte Vorstellung von kroatischem oder „jugoslawischem“ National­
staat, die als Orientierungspunkt hätte dienen können. Nicht nur der „generell ge­
gebene, verschieden große Entwicklungsrückstand der kroatischen Bevölkerung“,
sondern, wie von Günter Schödl gezeigt wurde, „vor allem ihre ungewöhnlich weitge­
hende Zersplitterung in kultureller, sozialer und politisch-staatlicher Hinsicht vereitel­
ten die Entfaltung einer nationalen, womöglich gesamt-südslawischen Nationsbil­
dung“.94
Auch die Entwicklung in Dalmatien vor 1918 macht das deutlich. Die wenigen dalma­
tinischen Intellektuellen waren mit den Patrioten, die in Zagreb Politik machten, an­
fangs kaum verbunden. Agneza Szabo konnte nur ein Mitglied aus Dalmatien ermit­
teln, welches zu den führenden Kreisen' der „Trägergruppen“ des kroatischen politi­
schen und kulturellen Lebens in Zagreb in der „entscheidenden Phase“ (Wolfgang
Kessler) der modernen kroatischen Nationalbewegung gehört hätte.95 Doch zu Beginn
des 20. Jahrhunderts hatten sich die Verhältnisse endgültig im Sinne des Verschwin­
dens autonomistischer dalmatinischer Konzeptionen und einer Gegenüberstellung
kroatischer, serbischer und südslawischer Ausrichtungen und einer kleinen italieni­
schen Minderheit, mit Rückhalt fast nur noch in Zadar, polarisiert. Die kroatische
und serbische Nationalidentität prägte sich dabei maßgeblich vor dem Hintergrund
konfessioneller Unterschiede aus.
In Dalmatien führten Unterschiede zwischen Küste und Hinterland, soziale Distan­
zen, mental-kulturelle Traditionen und der konfessionelle Gegensatz zwischen Katho­
liken und Orthodoxen seit den 1870er Jahren zu einem politischen Gegensatz von
Parteien, die national bewußte Kroaten und Serben vertraten. Dabei war der Übergang
zu jugoslawistischen Auffassungen fließend. Der ehemalige Führer der Wiederge­
burtsbewegung in Dalmatien, Don Mihovil Pavlinovic, war überzeugt, daß es einen
Jugoslawismus nicht geben könne, wenn nicht „zuerst die (kroatischen bzw. serbi­
schen, A. J.) geschichtlichen und natürlichen Eigenheiten gefestigt und gesichert“ wä­
ren. Dies sei eben von besonderer Wichtigkeit in Dalmatien, wo die jugoslawische Idee
immer mehr Anhänger finden würde, um alle Kräfte im Kampf gegen den österreich-

94 ebenda, S. 345.
95 Insgesamt erfaßte sie 4545 nationale Aktivisten mit ihren Mitgliedschaften in der Zeit zwi­
schen dem Oktoberdiplom 1860 und der Revision des ungarisch-kroatischen Ausgleichs 1873;
vgl. Szabo, Agneza, Sredisnje institucije Hrvatske u Zagrebu 1860-1873. Drustvena struktura
nosilaca kulturnih institucija i clanova vodece grupe (Kroatische Zentralinstitutionen in Za­
greb 1860-73. Gesellschaftl. Zugehörigkeit der Träger der Kulturinstitutionen u. Mitglieder
der Führungsgruppe), Zagreb 1988.

67
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

ungarischen Imperialismus und die italienischen Ansprüche zu vereinen. Doch gleich­


zeitig rufe der Jugoslawismus auch Widerstand hervor wegen der Leugnung des Kroa-
tentums durch serbische Politiker gerade in Dalmatien, welches die „Wiege des kroati­
schen Staates96 und die Mutterzelle des kroatischen Volkes“ sei.97 Endgültig war somit
die Weichenstellung für die Entwicklung exklusiver Nationsvorstellungen bei Serben
wie Kroaten in Dalmatien erfolgt.
Die Gegensätze zwischen dem exklusiv serbischen und kroatischen Nationalismus
verschärften sich im Hinblick auf die Zugehörigkeit Dalmatiens, das zu einem „serbi­
schen Land“ erklärt wurde und als solches auch auf einer „ethnographischen Karte
der serbischen Länder“ eingezeichntet war, die beweisen sollte, daß „dem serbischen
Volk alle Länder vom Balkan bis zur Adria und von Saloniki bis Pest gehören“.98
Eine Kommunikationsgemeinschaft „national“ denkender Serben, auch außerhalb des
existierenden Staates Serbien war gegen Ende des 19. Jahrhunderts längst etabliert.99

96 „Koljevka hrvatske drzave“ (Wiege des kroatischen Staates), war eine von kroatischen Politi­
kern gern gebrauchte Bezeichnung für Dalmatien, vgl. z. B. Stjepan Radies Verurteilung aller
Bestrebungen seitens serbischer Politiker vor 1905, die gegen die erwünschte Vereinigung
Dalmatiens mit Slawonien und Banal-Kroatien gerichtet waren: „Dalmatien, als Wiege des
kroatischen Staates, und vom rechtlichen Standpunkt aus betrachtet auch heute noch sein
fester Bestandteil; Dalmatien als reinstes kroatisches Land und als Heim des klassischen kroa­
tischen Buches kann nicht für das Slawentum bewahrt werden ohne Einigkeit mit dem, was
Oberes Kroatien oder Banovina genannt wird, der heutigen Mutterzelle des kroatischen Staa­
tes, der Heimstatt unserer neuen literarischen und nationalen Wiedergeburt.“ Hier zit. nach:
Sto vi zapravo mislite o srbskom pitanju (Was denken Sie wirklich über die serbische Frage?),
in: Hrvatska misao (Der kroatische Gedanke), IV/1905, 4, S. 179.
97 Vgl. Stancic, Hrvatska nacionalna ideologija u. Pavlinovic, Marin (Hg.), Studie, eseji, prikazi,
Zagreb 1930.
98 Vgl. z. B.:„Für Volk und Schule - die serbische Welt in Wort und Bild“ (Za narod i skolu -
srpski svet u reci i slici), 3. Aufl., Beograd 1890. Diese und ähnliche Schriften alle zit. (unter
Berufung auf Pilar) bei Tucfman, Franjo, Hrvatska u monarhistickoj Jugoslaviji 1918.-1941.
(Kroatien im monarchistischen Jugoslawien), 2 Bde. Zagreb 1993, S. 61ff.
99 Zur serbischen Intelligenz vgl. Dzaja, Intelligentsia und südosteuropäischer Raum, S. 145,
besond. F 39; vgl. Dordevic, Dimitrije, Die Serben, in: Wandruszka/Urbanitsch 3/1 (1980),
S. 734 - 774. Blätter wie der wie Srpski narodni vestnik (Der serbische Volksbote), Zemun
1852, Srpska sloboda (Die serbische Freiheit), 1865 in Genf oder die Srpska Zora (Der sebi-
sche Morgen), die erstmals in Wien 1876 erschien, wie zahlreiche andere Zeitungen und Zeit­
schriften, die in Novi Sad, dem Mittelpunkt des politisch-kulturellen Lebens der Serben in
der Doppelmonarchie, oder anderswo, wie Srpska rec (Das serbische Wort) in Sarajevo, oder
Srpski dnevnik (Das serbische Tagebuch), 1888 in Budapest, Srbobran (Verteidiger der Serben)
1884 in Zagreb herauskamen, erfüllten, wie das in Dalmatien erscheinende „Serbische Blatt“
(Srpski list, Zadar 1880), sein Nachfolger Srpski glas (Die serbische Stimme) 1888 in Zadar
oder Srpski magazin (Das serbische Magazin) ab 1896 in Dubrovnik diese Funktion. Manche,
wie die in Belgrad 1888 erscheinende „Velika Srbija“ (Großserbien) führten ihr Programm
unter Berufung auf Garasanin und sein „Nacertanije“ schon im Titel. Einen Eindruck von
Themen und Sichtweisen der serbischen Intelligenz vermittelt der „Überblick über die litera­
rische Arbeit der Serben in Kroatien“ von Stanko Korac (Pregled knjizevnog rada Srba u

68
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

Für die Serben Dalmatiens, so meinte Miroslav Krleza, „die sich bis zu den 80er
Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch „die Unsrigen“ (“nasijenci,,) nannten und
durch die Jahrhunderte ohne besondere Bezeichnung ihrer nationalen Zugehörigkeit
Untertanen der venezianischen und österreichischen Provinzen waren, die „naski“
(unsere Sprache) sprachen und schrieben, d.h. slawisch oder illyrisch“ spielten die
Zeitung „Srbobran“ (Verteidiger der Serben) und die „Srpska knjizevna zadruga“ (Ser­
bische Buchgenossenschaft) die Rolle des nationalen Erweckers“, die auf „reaktionäre
Weise“ das nationale Bewußtsein in breiteren Schichten verankert hätten.100
Auf das politische Leben der etwas über hunderttausend Serben in Dalmatien hatte
das weitreichende Auswirkungen.101 Trotz der Unterschiede in sozialer wie auch in
politischer Hinsicht zwischen den serbischen Siedlungsgebieten überwogen im Be­
wußtsein der serbischen Politiker schließlich die Gemeinsamkeiten zwischen den Ser­
ben der Donaumonarchie und denen im serbischen Staat. Je mehr sich die Vorstellung,
einer eigenen, eben serbischen Nation anzugehören, verfestigte, desto deutlicher
prägte das politische Denken auch der orthodoxen Bevölkerung in Dalmatien die
Vorstellung, einer Minderheit anzugehören. Diese Prägung der serbischen Nationalbe­
wegung ließ sich auch später zur Zeit gemeinsamer Oppositionspolitik gegen Wien
und Budapest zusammen mit der Kroatischen Partei nicht mehr ungeschehen machen.
Damit wurde der Grundstein des modernen Bewußtseins der Verschiedenheit gelegt.
Das auf der anderen Seite in der Zwischenzeit der exklusiv-kroatische Nationalismus
der Rechtspartei unter Ante Starcevic entstanden war, der eine serbische Nationalität
auf dem Gebiet Kroatiens grundsätzlich nicht anerkannte, verstärkte dabei die Ab­
grenzungsprozesse. Auch das Streben serbischer Politiker, trotz vorangegangener „ju­
goslawischer“ Initiativen von kroatischer Seite, immer wieder ihre serbische nationale
Individualität offensiv hervorzukehren (eine Neigung, die sich mit den zunehmenden
außenpolitischen Erfolgen des serbischen Staates steigerte), verstärkte die „bipolare
Verhärtung des südslawischen Nationalismus“, die, wie sich zeigen sollte, irreversibel
war.102
Zusätzlich vergiftete eine „divide et impera-Politik“ Habsburgs, die die orthodoxe
Bevölkerung in Kroatien favorisierte, das Verhältnis zwischen nationalbewußten
Kroaten und Serben. Die Einigkeit und Zusammenarbeit, die sich zu Zeiten der natio­
nalen Wiedergeburt im gemeinsamen Kampf gegen deutsche und magyarische Hege­
monie entwickelt hatten, waren dahin. Die Existenz von serbischen Politikern, die

Hrvatskoj, Zagreb 1987). In vielen Fällen geht deutlich hervor, wie fest das serbisch-nationale
Bewußtsein unter den sich als Serben fühlenden Schriftstellern, die der Verf. mit ihren wich­
tigsten Werken vorstellt, seit Anfang des 20. Jahrhudert war.
100 Krleza, Miroslav, Deset krvavih godina. Politicki eseji (10 blutige Jahre. Politische Essays),
Zagreb 1957.
101 Djordjevic, Die Serben, in: Wandruszka; Urbanitsch, Habsburgermonarchie III/l, Kap. IX.
102 Schödl, Nationalpolitik, S. 216f. u. Roksandic, Drago, Hrvati i Srbi u hrvatskim zemljama
godine 1861. izmedu etnosa, naroda i nacije (Kroaten u. Serben in den kroat. Ländern 1861
zwischen Ethnos, Volk und Nation), in: ders., Srpska i hrv. povijest, S. 159-184.

69
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

sich in jener Zeit zu „politischen“ und „orthodoxen“ Kroaten erklärt hatten und teil­
weise an führender Stelle im kroatischen preporod und selbst in Starcevics Rechtspar­
tei mitgewirkt hatten, war danach nicht mehr vorstellbar.103
Selbst der Höhepunkt kroato-serbischer Zusammenarbeit, die Schaffung der sog.
„Kroato-Serbischen Koalition“, belegt das: Auf der Grundlage der beiden Resolutio­
nen von Rijeka und Zadar fanden am 14. November 1905 in Zadar die Landtagsklubs
von Kroatischer Partei und Serbischer Nationalpartei zu weitgehender Verständigung.
In der gemeinsam verabschiedeten Deklaration wurden Kroaten und Serben als eine
Nation bezeichnet. Der in dieser Erklärung auftauchende logische Widerspruch, daß
„Kroaten und Serben ein Volk sind, und eines dem anderen gegenüber gleichberech­
tigt“, macht deutlich, daß die Voraussetzung des „Neuen Kurses“, daß es überhaupt
zu kroato-serbischer Solidarisierung kommen konnte, „so paradox es auch erscheinen
mag - die beidseitige Absage an gemeinsame, „jugoslawische“ Identitätsbildung“ war.
Kroatischer und serbischer Prozeß nationaler Identitätsbildung schien zu diesem Zeit­
punkt, zumindest in den ,Politik machenden“ Kreisen, „im wesentlichen abgeschlos­
sen“.104 Wie gezeigt wurde, war es „nicht die Dynamik einer gemeinsamen Vorstellung
von einem „jugoslawischen“ Staat und von einer homogenen kroato-serbischen Na­
tion“, welche die Kroaten mobilisierte. Statt dessen entfalteten interessenpolitische
Motive „eine gewisse solidarisierende Wirkung zwischen Kroaten und Serben.“105
Doch zurück zur ideengeschichtlichen Ausgangslage: es bleibt, gerade auch im Hin­
blick auf die Entwicklung nach 1918, festzuhalten, daß den Varianten kroatischer Na­
tionalpolitik zwischen den Polen von Jugoslavenstvo und exklusivem kroatischem
Nationalismus gemeinsam war, daß sie in ihrem „unkoordinierten Neben- und Gegen­
einander keine überzeugende Zielformulierung für nationale Solidarisierung und
Staatsbildung“ boten - sie waren „ohne die massenbewegende, natürliche“ Autorität
einer klaren Nationalstaatsvorstellung. Ein Jugoslavenstvo, welches territoriale Aus­
dehnung, Ausmaß staatlicher Souveränität und Zugehörigkeit nicht-kroatoserbischer
Südslawen offenließ, konnte ebensowenig integrierend wirken wie ein Großkroatien-

103 Vgl. Tudman, Hrvatska u monarhistickoj Jugoslaviji, S. 66ff., der namentlich Nikola Kokoto-
vic, Ivo Malin, Stjepan pl. Miletic, Dimitrije Demetar, Spiro Dimitrovic Kotoranin, Dusan
Kotur, Vladislav Nikolic, Danijel Medic, Makso Prica, Nikola Krestic, Dane Stanisavljevic
und andere anführt, die sich noch Ende des 19. Jahrhunderts, trotz orthodoxen Glaubens, als
Kroaten verstanden hätten. Auch die Adresse der Krajina-Abgeordneten des kroatischen Sa-
bor 1861, in der nur von „Krajina-Kroaten“ die Rede ist, und von der Krajina als dem „bluti­
gen Glied des kroatischen Volkes“, und die von Nikola Ralf, Josip Trbovica, Jovan Omcikus,
Janko Klucec, N. Kajganovic, Petar Vukelija, Vaso Maravic, Marko Bozikovic und Simo Ber-
kic als „Abgeordnete(n) des kroatischen Volkes der Militärgrenze“ unterzeichnet wurde, dient
ihm als Beleg für die These, daß, bevor „die Serben im Dienste der Wiener/Pester Politik
gegen die kroatischen Bestrebungen“ instrumentalisiert wurden, sie mehrheitlich von einem
„kroatischem Nationalgefühl“ im dreieinigen Königreich beherrscht gewesen wären.
104 Zum „Neuen Kurs“ Schödl, Nationalpolitik, S. 234-298, hier S. 75.
105 ebenda, S. 344.

70
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918

Projekt, das reale Hindernisse wie die Existenz einer umfangreichen serbischen Min­
derheit und die Abwehrhaltung der österreichisch-ungarischen Großmacht nicht
nüchtern in ihr Kalkül einbezog.“ Auch wirkten die unterschiedlichen Entstehungsbe­
dingungen des „jugoslavenstvo“-Konzepts bei Serben und Kroaten dauerhaft nach.
Die unterschiedlichen politisch-historischen Wurzeln blieben während der gesamten
Existenz des jugoslawischen Staates sichtbar: einerseits der seit Mitte des 19. Jahrhun­
derts auf dem Balkan etablierte serbische Staat, der einen Vorherrschaftsanspruch im
neuen Jugoslawien anmeldete, und andererseits eine zunächst nur auf die Einigung
der Südslawen Österreich-Ungarns, dann seit etwa der Jahrhundertwende auch dar­
über hinaus auf die aller Südslawen abzielenden Orientierung, deren Zentrum in
Kroatien lag.
Lange vor der Diskreditierung des Begriffes „jugoslavenstvo“, der in den Augen der
Kroaten als staatlich propagiertes Ideal im Königreich Jugoslawien nur der Verschleie­
rung großserbischer Hegemonie diente, waren also die unterschiedlichen Prägungen
offensichtlich. Jugoslawismus bedeutete eben etwas anderes, je nachdem, ob er im
kroatischen politischen Kontext oder im serbischen benutzt wurde, von Anfang an
waren ihm ganz unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten immanent.
Festzuhalten bleibt, daß der Jugoslawismus im kroatischen Bereich „in der Konse­
quenz seiner Genesis“ unlöslich mit dem „Kroatismus“ verbunden war und ihm „letz­
ten Endes die ,Funktion“ einer kroatischen Integrationsideologie“ zuwuchs. Es be­
stand zwar „die Entwicklungsmöglichkeit hin zu außerkroatisch-südslawischer Soli­
darisierung zumindest in kultureller, unter Umständen auch in politischer Hinsicht“,
aber je nach den gegebenen nationalen“ und reichspolitischen Bedingungen lag auch
die Verwirklichung einer durchaus immanenten Tendenz zu „kroatischer“ Reduktion
im Bereich des Möglichen. In ihrer Konsequenz wiederum konnte es zu nationali-
stisch-hegemonialer Übersteigerung kommen oder, wie in Ante Starcevic’s Pankroatis-
mus, zur aggressiv-assimilatorischen Umkehrung der illyristisch-jugoslawistischen
Solidarisierungsbestrebungen. (Günter Schödl)
Analog verhielt es sich mit Konzeption und Praxis serbischer Nationalpolitik im
neunzehnten Jahrhundert. Folglich läßt sich die innere Sperre gegen eine wirkliche
jugoslawische Integration im Falle der Serben aus einer „nationalpolitischen Entwick­
lung herleiten“. Eine serbisch-nationalistische Reduktion des Jugoslawismus war auch
im serbischen Bereich früh zu konstatieren, von einer exklusiv-serbischen Nationali­
deologie, die sich gleichzeitig herausbildete, ganz abgesehen.106 Allen auch bei serbi-

106 Vgl. zur „serbischen Nationalideologie“ Dzaja, Bosnien-Herzegowina, S. 192ff. Ein gutes Bei­
spiel für exklusiv-serbischen Nationalismus, der kroatische Gegenreaktionen provozierte, ist
die Broschüre von Nikola Stojanovic „Srbi i Hrvati (Serben u. Kroaten) (1. Aufl.) Beograd
1902, (2. Aufl.) Novi Sad 1902. Dort wurde behauptet, daß sich die Kroaten „unaufhaltbar“
auf dem Weg befänden, sich „in die serbische Nationalität zu integrieren und es wurden
Formulierungen verwandt, die in Zagreb dann zu antiserbischen Demonstrationen führten:
„Der Kampf muß bis unserer (gemeint waren die Serben, A. J.) oder eurer (Kroaten, A. J.)
Ausrottung geführet werden; eine Partei muß unterliegen, und zwar die Kroaten. Dafür

71
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

sehen Intellektuellen (wie Rajic, Obradovic, Karadzic oder Miletic) erkennbaren Ein­
sprengseln gesamtslawischer oder gesamtsüdslawischer Einheitsvorstellungen zum
Trotz, überwogen staatlich dimensionierte Machtbelange des real existierenden König­
reichs Serbien utopische gemeinsüdslawische Zukunftsentwürfe. In mehrfacher Hin­
sicht begründete dies eine „prägende nationalpolitische Langzeitwirkung“. In der
machtpolitischen Einengung und großserbischen Übersteigerung von Zachs „Plan der
slawischen Politik Serbiens“ (1843) durch Ilija Garasanins (1812-1874) Zukunftsent­
wurf für die Nationalpolitik des Staates Serbien (“Nacertanije“ 1844) kommt dies
ebenso zur Geltung wie in Karadzics Entwicklung zu einem „sprachlich-kulturelle(n)
Großserbismus“, bei dem einfach alle Sprecher der Stokavischen Dialektvariante zu
Serben erklärt wurden107
Doch wie weit hatten theoretische Nationsentwürfe in Dalmatien gegen Ende des
Weltkrieges Massenwirksamkeit erlangt? Ist es gerechtfertigt, angesichts der Gleichar­
tigkeit der Lebenswirklichkeit serbischer und kroatischer Bauern in Dalmatien, wie
im Kapitel III. zur bäuerlichen Lebenswelt in Dalmatien deutlich werden wird, die
Mehrheit der Kroaten in Dalmatien und die serbische Minderheit gesondert zu be­
trachten? Waren nicht die Interessenunterschiede bzw. Gegensätze zwischen städti­
schem Besitzbürgertum und agrarproletarischer Bauernbevölkerung viel gravierende­
rer Natur?
Was machte den Jugoslawismus als Oppositionsplattform 1918 für Serben und Kroa­
ten in Dalmatien attraktiv? Das in den Jahren unmittelbar vor 1918 in Dalmatien unter
politisch denkenden Serben wie Kroaten zunächst die Gemeinsamkeiten dominierten,
lag nicht zuletzt am unscharfen Jugoslawismusbegriff, der sich im öffentlichen Diskurs
zunächst durchzusetzen schien.

3. „Jugoslavenstvocc als Oppositionsstrategie

In den so gut wie rein kroatisch-katholischen dalmatinischen Städten betonten Patrio­


ten in ihrem Kampf gegen die österreichische Verwaltung, seitdem die Nationalpartei
in Dalmatien an die Macht gekommen war, ihr Ideal der „slawischen Gemeinschaft“,
die für sie keineswegs im Widerspruch sondern „im Einklang mit der kroatischen
nationalen Idee“ stand. Ihr „Herz schlug für alles, was volkshaft, jugoslawisch und

spricht ihre Minderzahl, geographische Lage, Verzahnung mit den Serben, allgemeiner Evolu­
tionsprozeß, in welchem die Idee des Serbentums Fortschritt bedeutet.“
107 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 76-77 u. Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten,
S. 82.

72
Jugoslavenstvo“ als Oppositionsstrategie

slawisch war“,108 wie der Biograph den später in Vergessenheit geratenen Dujam Mi­
kacic beschreibt.109 Mikacic wurde der erste Sekretär der neuen „nationalen“ Gemein­
deverwaltung von Split, und blieb auf dieser oder ähnlichen Stellen volle 44 Jahre. Die
Bürgermeister kamen und gingen, er blieb, und stellte somit die unsichtbare Kontinui­
tät der nationalen Verwaltung dar. Von der Anfertigung zahlreicher Denkschriften,
Entwürfen und Plänen auf etlichen Gebieten bis zum Verfassen von Proklamationen,
Verwaltungsanordnungen und feierlichen Reden für die Bürgermeister reichte sein
Aufgabenfeld. Selbst zu patriotischen Gedichten und literarischen Arbeiten fand er
neben zahlreichen Artikeln in Zeitungen noch Zeit.
Männer wie er schlugen die „lange Schlacht“ für ein slawisches und nicht romanisches
Split, die der dalmatinische Politiker Josip Smodlaka in seinen Erinnerungen be­
schrieb, wo Italienisch und nicht Kroatisch lange Zeit die Sprache der „gospoda“
(Herren) war.110 Doch lange Zeit wollte die Mehrheit der Einwohnerschaft Splits, vor
allem in den Landarbeiter-Vorstädten, keineswegs „national bewußt“ sein. Für breite

108 So stellte Anfang 1914 z.B. der Slawischer Lesesaal in Selce, der 1888 unter dem Namen
„Hrvatski sastanak“ (Kroat. Treffpunkt) gegründet wurde und den Bischof Strossmajer zu
seinen Ehrenmitgliedern zählte, dem russischen Dichter Leo Tolstoj ein Denkmal auf. Vgl.
Nizetic, Branko, Spomenik Lavu N. Tolstoju na Bracu, in: Bracki zbornik 2, Split 1954,
S. 95-99; alle Slawenklischees, von der großen Seele bis zum lyrischen Gemüt, in: Trstenjak,
Davorin, Slaveni (Die Slawen), Zagreb 1900.
109 Vgl. Kortsek, Josip, Dujam Mikacic (=Izdanje Muzeja Grada Splita, svezak 15), Split 1963.
S. 29ff, der ein im slawischen Überschwang für tschechische Touristen verfaßtes Gedicht oder
die Anrufung Moskaus als „slawisches Mekka“ des unermüdlichen „nationalen Kämpfers“
Mikacic in dessen Nachlaß fand, was in seiner idealistisch- kroatisch-allslawischen Pathetik
wohl exakt die Stimmung eines großen Teils der dalmatinischen Intellektuellen jener Zeit vor
dem Ersten Weltkrieg wiedergibt. Der Glaube an die „nationale Einheit von Serben und
Kroaten“ war da natürlich besonders stark, wie zahlreiche seiner Reden und Artikel belegen.
Für die Verwaltung im Sinne der Volkstümler, war es unabdingbar, jemanden zu finden, der
ausreichend Kroatisch konnte, denn, wie sich die Patrioten in der Rückschau erinnerten,
„wenige aus der älteren Generation der Volkstümler sprachen die Volkssprache leicht und
ohne Fehler“; so war anfangs auch im kroatischen Volkslesesaal mehr Italienisch als Kroatisch
zu hören. Gajo Bulat und die Volkspartei fanden mit dem jungen Dujam Mikacic einem
begeisterten kroatischen Patrioten noch vor dem Wahlsieg 1882, der geradezu idealtypisch
den unermüdlichen Volksaufklärer verkörperte.
110 Vgl. „Duga bitka za Split“ (Die lange Schlacht um Split), in: Kostrencic, Marko (Hg.), Zapisi
Dra Josipa Smodlake (Aufzeichnungen des Dr. J. Smodlaka), Zagreb 1972, S. 11-33. Die
Spliter Bauern wie die Bürger nannten ihre Mundart „wenn sie in unserer Sprache sprachen“
Kroatisch (“arvaski“, „harvaski oder „rvaski), so schildert Josip Smodlaka die Zustände vor
der „nationalen Wiedergeburt“, wie „in ganz Dalmatien bis zum Fluß Neretva; jenseits des
Flusses sagte man einfach „naski“ (unsere (Sprache)): Aber „jene, die die Sprache Kroatisch
nannten bezeichneten sich nicht, außer den wenigen Gebildeten, als Kroaten. In Split und im
übrigen Dalmatien nannten sich die Bauern einfach Dalmatiner. Ihr Nationalismus überschritt
nicht die regionalen Grenzen. (...) Bis die politischen Kämpfe nicht anfingen, fühlten sie sich
(die Italienisch- wie die Kroatischsprechenden, A. J.) (...) als Söhne derselben Heimat, als ob
sie alle dalmatinischer Nationalität gewesen wären. Wäre Dalmatien größer und hätte die

73
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Kreise war der autonomistische Bürgermeister Bajamonti,111 der vor dem Sieg der
Voikspartei 20 Jahre lang Split regiert hatte, der „Papa“ (caca) oder gar „Moses, der
unseren Durst gelöscht hat“, weil er mit der Instandsetzung und Wiederinbetrieb­
nahme des Diokletian-Aquädukts für frisches Trinkwasser in der Stadt gesorgt
hatte.112
An Patrioten wie Mikacic oder anhand der Biographie des Anwalts Josip Smodlaka
oder seiner Mitstreiter, mit denen er 1905 die „Kroatische Demokratische Partei“
gründete, läßt sich tatsächlich exemplarisch Werdegang und Bewußtsein der dalmatini­
schen Politikergeneration zeigen, die 1918 mit allen Kräften für die Vereinigung in
einen gemeinsamen südslawischen Staat war.113 Immer waren die von ihnen selbst
oder Zeitzeugen berichteten „Grundideen“, die sie durch ihr politisches Leben geführt
hätten, die „Befreiung und Vereinigung unserer Völker“ in einen Staat „von Tirol bis
Mazedonien“ gewesen.114 Eine „antiklerikale liberale Politik“, so war diese Politiker­
generation überzeugt, sollte die serbo-kroatische nationale Einheit und das Ziel der
Vereinigung aller Südslawen in einen unabhängigen Staat erreichen. Dabei darf aber
sicher nicht übersehen werden, daß politische Aktivität und wirtschaftliche Interessen
einer vergleichsweise kleinen Zahl von Rechtsanwälten, die zugleich als Berufspoliti­
ker und als Vertreter kommerzieller Interessen agierten, nur allzuoft in eins fielen.
Daß die Inhaber der ungefähr zehn bis zwölf größten Anwaltskanzleien Dalmatiens
„Organisatoren von Politik und Wirtschaft“ waren, zeigte sich 1918 und später sehr
deutlich. In engem Zusammenhang mit der politisch-beruflichen Tätigkeit und oben
skizzierter Ideen der Leitfiguren des „Neuen Kurses“, die wie Ante Trumbic, Vinko
Milic und Vicko Mihaljevic in Split die größten Anwaltskanzleien besaßen und zeit­
weise auch Bürgermeister von Split waren, stand ihr wirtschaftliches Engagement.
Bankgeschäfte, Grundbesitz, Presse und einige industriell-gewerbliche Unternehmen
sicherten ihre Machtbasis. Presseorgane und - ohnehin nur locker organisierte -

Grundlagen für ein eigenständiges staatliches Leben, hätte es vielleicht eine zweisprachige
Nation wie Belgien oder Finnland werden können (...)“; Zapisi, S. 26.
111 Vgl. die Beschreibung Bajamontis, die Dujam Mikacic in einem Erinnerungsartikel der Jubi­
läumsnummer des „Narodni list“ (Volksblatt) in Zadar 1912 gab, wo er betont, daß „die rein
kroatische Bevölkerung der Vorstädte ihn „Papa“ (caca)“ nannte und „stolz war, wenn er eine
Patenschaft übernahm.“ Hunderte dieser Patenschaften habe Bajamonti angenommen, er habe
„auch Hochzeiten und andere Festlichkeiten der Landarbeiter besucht (...); das Volk trug ihn
dafür auf Händen und liebte ihn.“ Hier zit. nach Kortsek, S. 77. Dieselbe Bewertung bei
Smodlaka, Zapisi, S. 30f.; vgl. auch Foretic, Dinko, Borba za ponarodivanje opcina u Dalma-
ciji 1865-1900 (Der Kampf um die Nationalisierung der Gemeinden in Dalm.), in: Hrvatski
narodni preporod, S. 87-190, zu Bajamonti S. 127ff.
112 Vgl. die Erinnerungen v. Mikacic, der zahlreiche Bsp. f. diese Einstellung anführt.
113 PAS Advokatska kancelarija Dr. Ive Tartaglie, Signatura 5 PR/AKT 1919-1942. Ivo Tartaglia,
Prvislav Grisogono, Frano Pervan, Emanuel Vidovic, Manfred Makale, Ivan Mestrovic und
Bozo Lovric gehörten, neben Smodlaka, noch zu den Gründungsmitgliedern. Zu Smodlaka
u. dessen Überzeugungen vor 1914 vgl. Schödl, Nationalpolitik, S, 155ff.
H4 Yg[ Kostrencic, S. 11-20, hier S. 11.

74
Jugoslavenstvo “ als Oppositionsstrategie

Parteien dienten weithin der Artikulierung dieser Interessen. In den Augen dieser
Männer vertrugen sich ihre geschäftlichen Interessen nur zu gut mit einer Kombina­
tion von kroatischem Nationalbewußtsein mit einem kulturell, national und wirt­
schaftlich ,offenen1 Jugoslawismus. Ihnen ging es darum, ihre eingeschränkten Entfal­
tungsmöglichkeit durch den Appell an ,slawische Solidarität“ zu vergrößern. Nationale
Mobilisierung, so schien es ihnen, konnte ihnen Rückenwind geben bei der Auseinan­
dersetzung mit der kapitalstärkeren ungarischen und österreichisch-deutschen Wirt­
schaftskonkurrenz. Entsprechend war es auch nicht diese arrivierte Schicht von Lan­
deigentümern und Anwälten, die dem Jugoslawismus einen neuen Schwung verlieh,
sondern eine neue Studentengeneration, die entschlossen war, dem Vorbild der erfolg­
reichen europäischen Nationalstaatsbildungen einen südslawischen Nationalstaat
nachfolgen zu lassen.
Seit ungefähr 1910 die „Nacionalisticka omladina“ (Nationalistische Jugend) Träger
eines integralen Jugoslawismus geworden war, wandelte sich der Jugoslawismusbegriff
auch in Dalmatien. Die Forderung nach Verschmelzung zu einer einzigen „jugoslawi­
schen“ Nation erlebte vor allem unter dem Eindruck der beiden für Serbien siegrei­
chen Balkankriege 1912/13 einen Aufschwung, wenn auch natürlich die große Mehr­
heit der Bevölkerung dem sehr viel gleichgültiger gegenüberstand als ein Teil der jun­
gen Generation.115 Doch die politische Stimmung hatte 1913 nach wechselnden Pha­
sen von Auflehnung und Aggressivität, Resignation, Opportunismus und
Selbstzerstörung ein Stadium „fieberhafter Erregung“ erreicht. Nicht nur die Stadt-,
sondern - zumindest ansatzweise - auch die Landbevölkerung erwies sich 1913 als
„mobilisiert“.116 Zeitungen wie die „Zastava“ (Die Fahne), die anstelle der verbotenen
„Ujedinjenje“ (Vereinigung) seit 1914 unter dem Chefredakteur Oskar Tartaglia er­
schien, waren Organe eines kämpferischen Jugoslawismus. Die in Prag im April ge­
gründete Zeitschrift „Jugoslavija“ agitierte für eine Lösung der „Frage der Slowenen,
Kroaten und Serben“, in „jugoslawischem Sinne“.117 Dichter wie Ante Tresic Pavicic,
Ilija Despot oder Danko Andelinovic unterstützten die „nationalistische Jugend“ in
ihren Vereinigungsforderungen. Juraj Demetrovic gab in Split die Zeitschrift „Na-

115 Gross, Mirjana, Nacionalne ideje studentske omladine u Hrvatskoj uoci I svjetskog rata (Die
nationalen Ideen der studentischen Jugend in Kroatien am Vorabend des 1. WK), in: Historij-
ski zbornik XXI/XXII (1968/69), S. 75-143 u. dies., Die ,Welle“, in: Österreichische Osthefte
10 (1968), S. 65-86; Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten, S. 201-230.
116 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 156, der „ein politisch relevantes gesamtkroatisches (Hervorh.
A. J.) Zusammengehörigkeitsbewußtsein (...) auch außerhalb enger parteipolitischer Füh­
rungszirkel“ und die „irreversible“ Auflockerung des politischen Absentismus der Landbe­
völkerung um 1913 erkennt, womit „wichtige Schritte auf dem Wege zur kroatischen nationa­
len Idetitätsfindung“ getan wurden. Doch, wie zu zeigen sein wird, der Moment des Handelns
lag, schon aufgrund der faktischen Rahmenbedingungen am Ende des Krieges, bei den jugo-
slawistischen Kräften in Dalmatien.
117 Vgl. Horvat, Josip, Povijest novinstva Hrvatske 1771-1939 (Geschichte der Kroat. Publizi­
stik), Zagreb 1962, S. 374.

75
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

rodno jedinstvo“ heraus. Auf einem für den 28. Juni 1914 in Wien geplanten „nationa­
listischen Studentenkongreß“ sollten sich alle Gruppen zusammenschließen, um in
Zukunft koordiniert und organisiert das Ziel der südslawischen Vereinigung zu verfol­
gen. Die Nachricht vom Attentat in Sarajevo unterbrach den Kongreß. Daß es die
„Zastava“ wagte zu erscheinen ohne ein Wort des Beileids oder andere Trauerbekun­
dungen nach dem Mord am Thronfolger, wurde von den österreichischen Behörden
als Solidarisierung mit den Attentätern des „Jungen Bosnien“ (Mlada Bosna) gewertet.
Die Reaktion war das Verbot der jugoslawisch-nationalistischen Zeitungen. Nach dem
Verbot des „Vihor“ und von „Narodno jedinstvo“ traf es die „Zastava“ am 27. Juli
1914. Als der Krieg dann begann, wurden die Zeitungen „Dubrovnik“, „Hrvatska
rijec“ (Das kroatische Wort) aus Sibenik, und „Sloboda“ (Die Freiheit) aus Split
gleichfalls verboten. Verantwortliche Redakteure, wie Mate Drinkovic und Oskar Tar-
taglia, wurden zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt. Ein letztes Mal mobilisierte Wien
alle Kräfte, und eine Verhaftungswelle rollte über die südslawischen Gebiete der Mon­
archie. Alle oppositionellen Intellektuellen von der Küste, die konnten, suchten ihr
Heil in Flucht und Emigration.
Seit 1917 wurde der Ausgang des ,Großen Krieges' immer absehbarer, die politischen
Forderungen der südslawischen Politiker der Habsburgermonarchie immer drängen­
der. Die in einem „Jugoslawischen Klub“ organisierten 33 Vertreter der südslawischen
Länder im Wiener Reichsrat verabschiedeten am 30. Mai 1917 eine „Wiener“ oder
„Mai-Deklaration“ genannte Erklärung, die „auf Grundlage des nationalen Prinzips
und des kroatischen Staatsrechts“ die „Vereinigung aller Länder der Monarchie“ for­
derte, in denen „Slowenen, Kroaten und Serben leben“. Durchaus noch unter dem
Zepter der Habsburger Dynastie, aber ganz im Sinne trialistischer Auffassungen
strebte man eine Umformung des Staates an.118
50 Tage nach der Februar-Revolution in Rußland wurde in der Deklaration von Korfu,
die am 20. Juli 1917 von der serbischen Regierung und Vertretern des „Jugoslavenski
odbor“ (des Südslawischen Ausschusses) unterzeichnet wurde, ein Königreich der
Serben, Kroaten und Slowenen entworfen. Die zentrale Frage, ob dieses Königreich
zentralistisch oder auf föderativen Grundlagen organisiert sein sollte, blieb ungeklärt.
„Man wußte in Kroatien wenig von den Ereignissen“, bemerkte Josip Horvat, „die in
den folgenden Jahrzehnten die politischen Ereignisse wesentlich bestimmen soll­
ten.“119 Diejenigen zuhause, die von den Verhandlungen des Jugoslavenski odbor mit
der serbischen Regierung wußten und die Vereinigungsidee unterstützten, handelten:
Als mit dem Neuen Jahr 1918 die „Stimme der Slowenen, Kroaten und Serben“ (Glas
Slovenaca, Hrvata i Srba) hauptsächlich mit dem Kapital des Arztes Dr. Roko Jokovic
in Zagreb erschien, hatte die Idee der Vereinigung auf Grundlage eines unitaristisch
verstandenen Jugoslawismus ihr Sprachrohr gefunden. Die dramatischen Kriegserei­
gnisse hatten überkommene Parteiendifferenzierungen aufgehoben und das Ziel einer

118 Boban, Hrvatske granice, S. 8f.


119 Horvat, Povijest novinstva, S. 379.

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„Jugoslavenstvo“ als Oppositionsstrategie

jugoslawischen Vereinigung in greifbare Nähe gerückt.120 Die Redakteure waren sym­


bolischerweise ein Slowene (Dr. Vladimir Knaflic), ein Kroate (Dr. Ivan Novak) und
ein Serbe (Jovan Miodragovic), ehemalige Mitarbeiter des „Rijecki novi list“ und des
„Novi Srbobran“.
In Split war es im Frühjahr 1918 eine Gruppe von wohlhabenden Anwälten, die zu­
sammen mit dem Journalisten Vinko Kisic die Tageszeitung „Novo doba“ gründeten,
die die Ideen der Deklaration von Korfu propagieren sollte. Der andere politische
Schwerpunkt war die publizistische Unterstützung aller Aktionen, die gegen die italie­
nischen Aspirationen auf die östliche Adriaküste gerichtet waren.
Wie man über einen „Nationalstaat“ der Serben, Kroaten und Slowenen an der Küste
im Milieu der Händler, Rechtsanwälte, Lehrer und Pfarrer121 dachte, wird deutlich
bei der Lektüre des neuen Blattes. Für die Redaktion der neugegründeten Tageszei­
tung „Novo doba“ (Die neue Zeit; Das neue Zeitalter) war es jedenfalls 1918 keine
Frage, ob man wirklich angesichts der kulturellen, religiösen, sprachlichen und ande­
rer Unterschiede von „einem Volk der Serben, Kroaten und Slowenen“ reden konnte.
Am Sonntag, dem 9. Juni 1918, erschien die erste Nummer der neuen regionalen
Tageszeitung „Novo doba“. Die „patriotischen Intellektuellen“122 und Inhaber gutge­
hender Anwaltskanzleien, wie Vjekoslav Skarica, Milan Marusic, Pavao Perat, Prvislav
Grisogono oder Ante Stambuk, hatten die Finanzierung gesichert und boten dem
erfahrenen Redakteur des „Narodni list“ aus Zadar, Vinko Kisic, die Chefredaktion
an. Jeden Morgen konnten nun die Zeitungsleser in Dalmatien für 20 Para „unabhän­
gige Nachrichten“ in kroatischer Sprache lesen. Die Zeitung hatte es sich zum Ziel
gesetzt, wie der Leitartikel in der ersten Nummer ausführte, „durchdrungen vom
Geist der neuen Zeit“ (Hervorh. im Original) - dieser einzigen guten Frucht der
Kriegstragödie,, in einer „schicksalshaften, aber auch großen Epoche, in der die Zu­
kunft des Volkes geschaffen wird“, ihrem “engeren Vaterland“ eine „volksverbundene
und unabhängige Tageszeitung“ zu geben, die,, Sprachrohr der politischen Bestrebun-

120 Vgl. Roksandic, Drago, „Glas Slovenaca, Hrvata i Srba“ o stvaranju jugoslavenske drzave
1918. godine (Die „Stimme der SHS“ über die Schaffung des jugosl. Staates 1918), in: ders.,
Srpska i hrvatska povijest, S. 197-212, der Leserbriefe aus Dalmatien (R. B. in Nr. 13 v.
18.01.1918) anführt, die die von den österr. Behörden erzwungene „Friedhofsruhe“ an der
Küste beklagen. Gleichzeitig wurde auch im Ausland für die südslawische Vereinigung gewor­
ben. Vgl. Gmajner, Ivan, Savremeni hrvatski pokret za narodno ujedinjenje. Predavanje
drzano 28. februara 1918. u Zenevi (Die aktuelle kroatische Bewegung f. die nationale Vereini­
gung. Vortrag vom 28.02.1918 in Genf), Zeneva 1918, S. 87f. In der selben Reihe der „Biblio-
teka Prosvete“ erschienen 1918 noch mehrere Schriften, die für die „südslawische Einigung
und Befreiung“ warben, so z.B. Slepcevic, Pero, Privatna inicijativa u nacionalnom radu (Die
private Initiative in der nationalen Arbeit) u. Markovic, Bozidar, Nase narodno ujedinjenje
(Unsere nationale Vereinigung).
121 In den fortlaufend von „Novo doba“ abgedruckten Spenderlisten, von Lesern, die die Heraus­
gabe des Blattes unterstützten, dominierten eindeutig „bürgerliche“ Berufe.
122 Vgl. Baras, Frano, Glasnik novog vremena (Der Bote einer neuen Zeit), in: ders., Staro zrcalo
splitsko, Split 1994, S. 63-67, hier S. 63.

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Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

gen des einheitlichen Volkes der Kroaten, Serben und Slowenen und Sachwalter seiner
Bedürfnisse auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet“ werden sollte. Als wichtig­
ste Aufgabe wurde es bezeichnet, „die Reihen des Volkes zu sammeln“, da es nicht
die Zeit „für Parteienhader“ sei; vielmehr sei das Gebot der Stunde, sich zu „einer
Kraft“ zu vereinigen, um das „große Ziel“ (Hervorh. im Original) zu erreichen: die
staatliche Vereinigung des „einheitlichen Volkes“ (jedinstveni narod) der Serben,
Kroaten und Slowenen. Die Berufung auf die „eigenen Vorläufer“, die Vorkämpfer
der „nationalen Wiedergeburt“, die „vor mehr als einem halben Jahrhundert an der
Küste unserer Adria die reine nationale Fahne entfaltet“ hätten, ergänzte das Angebot
an „alle Patrioten, ohne Unterschied, egal welcher Partei sie angehören, an der Zeitung
mitzuarbeiten, wenn sie nur danach streben, die nationalen Ideale zu verwirklichen

1600 Exemplare der ersten Nummer wurden im Handumdrehen nur in Split verkauft.
Die Redaktion traf sich in den Räumen der Anwaltskanzlei des ehemaligen Bürger­
meisters Dr. Ante Trumbic, der als führendes Mitglied des „Jugoslawischen Ausschus­
ses“ noch im Ausland war. Die Strategie der Redaktion124 bei der Auswahl der Bei­
träge war klar. In den Worten des Chefredakteurs Kisic: „Alles, was schlecht für
Österreich ist, kommt ins Blatt; alles, was gut für die Alliierten ist und für uns, muß
noch stärker betont werden!“125
Die sich überstürzenden Ereignisse am Ende des Weltkrieges, der Zusammenbruch
Österreich-Ungarns erfüllte wohl die kühnsten Träume dieser Juristen-Journalisten-
Politiker.
Wie der gemeinsame Staat der südslawischen Völker am Ende des Ersten Weltkriegs
geschaffen wurde, ist bekannt. Durchaus umstritten ist hingegen, ob die Staatsgrün­
dung „Lebensziel ganzer Generationen aller unserer Völker, auch des (...) kroati­
schen“ und „Ergebnis der Nationalbewegung der südslawischen Völker“126 oder ein
künstliches Gebilde im Rahmen der neuen europäischen Friedensordnung von Ver­
sailles war nach der Niederlage der Mittelmächte, der Auflösung der Habsburgermo­
narchie127 und dem Verschwinden des zaristischen Rußland. Ob der „Hauptgrund für

123 Novo doba, Nr. 1 v. 09.06.1918, S. 1.


124 Neben Mate Anzulovic, Richter in Split und Sinj, der gleichzeitig in „Novo doba“ schrieb,
arbeitete auch der Spliter Anwalt Pavao Perat, einer der Mitbegründer der Tageszeitung, als
Verfasser von Artikeln mit.
125 Vgl. die Erinnerungen von Vinko Kisic, in: Baras, S. 65.
126 Vgl. Tuctman, Franjo, Stvaranje socijalisticke Jugoslavije (Die Schaffung des sozialistischen
Jugoslawien), Zagreb 1960, S. 13, u. ders., Enciklopedijski prikaz povijesti SFRJ (Encyklopä-
dische Darstellung der Geschichte der SFRJ), in: Velike ideje i mali narodi (Große Ideen und
kleine Völker), Zagreb 1990, S. 214. Der Belgrader Historiker Branko Petranovic benutzt in
seiner „Istorija Jugoslavije 1918-1988“ (Geschichte Jugoslawiens 1918-88 3 Bde., Beograd
1989) dieselben Formulierungen; vgl. ebd. S. 26. Vgl. auch Werke von nicht-südslawischen
Autoren: Bartl, Peter, Grundzüge der jugoslawischen Geschichte, Darmstadt 1985, S. 63ff. od.
Singleton, Fred, A Short History of the Yugoslav People, Cambridge et al. 1985, S. 72ff.
127 Krizman, Bogdan, Osnivanje Narodnog vijeca Slovenaca, Hrvata i Srba u Zagrebu 1918 (Die

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Jugoslavenstvo " als Oppositionsstrategie

die Entstehung der multinationalen slavischen Staaten die politischen Zwänge nach
dem Ersten Weltkrieg“ waren oder gar ein „historische(r) Irrtum“ ist umstritten.
Zweifellos waren es auch die Ängste vor der äußeren Bedrohung, die 1918 „den Slova-
ken die staatliche Einheit mit den Tschechen und den Slovenen und Kroaten den
Zusammenschluß mit den Serben als zwingend erscheinen ließen.“128
Der neue Staat, das „Königtum (später Königreich) der Serben, Kroaten und Slowe­
nen“ mit einem serbischen Monarchen aus der Dynastie Karadordevic an der Spitze,
entstand durch den Zusammenschluß der südslawischen Länder, die bis dahin Teil
Österreich-Ungarns gewesen waren (Slowenien, Kroatien - inklusive Dalmatien u.
Slawonien-, der Vojvodina und Bosnien/Herzegowina) mit Serbien und Montenegro,
die seit dem Berliner Kongreß von 1878 anerkannte selbständige Staaten waren.
Die Vorstellungen, wie der gemeinsame Staat aussehen sollte, wie die Vereinigung vor
sich gehen und die innere Struktur dieses neuen Staates sein sollte, gingen bei den
Politikern der einzelnen südslawischen Völker deutlich auseinander. Wie heterogen
der neue Staat war, dessen multinationale Bevölkerung bis zu dieser Vereinigung über
Jahrhunderte in verschiedenen Kulturkreisen gelebt hatte, ist gut dokumentiert.129
Bedingt durch die jeweils eigene geschichtliche Entwicklung unterschieden sich auch
die politischen Konzepte selbst jener Politiker, die sich für einen jugoslawischen Staat
einsetzten.
Nicht nur ein Jugoslawismus, der sich auf „romantisch-unitaristische“ Theorien berief
und eine ethnische und sprachliche Gemeinsamkeit aller Südslawen „von der Soca,
der Drau und der Adria, bis nach Saloniki und dem Schwarzen Meer“ postulierte, und
eine machtbewußte staatlich-serbische Expansionspolitik in der Tradition Garasanins
standen sich ab 1918 gegenüber.
Tatsache ist, daß die südslawischen Völker mit unterschiedlichen Konzeptionen und
national-politischen Ideologien in den 1.Weltkrieg gegangen waren. Während des 1.
Weltkriegs setzte sich der in London gegründete „Jugoslawische Ausschuß“ (Jugosla-
venski odbor130), der von kroatischen, slowenischen und serbischen politischen Emi­
granten aus den südslawischen Gebieten Österrreich-Ungarns 1915 gegründet wurde,
bei den Ententemächten für die Schaffung eines jugoslawischen Staates ein. Auch der

Gründung des Nationalrates SHS in Zagreb 1918), in: Historijski zbornik VII, 1954, S. 23-
32, u. ders., Raspad Austro-Ugarske i stvaranje jugoslavenske drzave (Der Zerfall Österreich-
Ungarns und die Schaffung des jugoslawischen Staates), Zagreb 1977. Als Quellenband vom
selben Autor zusammen mit Dragoslav Jovanovic: Grada o stvaranju jugoslavenske drzave
(1.1. - 20.12.1918), 2 Bde., Beograd 1964.
128 Vgl. Moritsch, Einleitung, in: ders. (Hg.), Die slawische Idee, S. lOf.
129 Die beste dt. Gesamtdarst. bei Sundhaussen, Geschichte Jugoslawiens 1918-1980.
130 Schon aus der Schreibung des Adjektivs „jugoslawisch“ in der kroatischen Variante „jugosla-
venski“ und nicht serbisch „jugoslovenski“ (slowenisch: jugoslovanski) wird die Dominanz
der kroatischen Mitglieder im Ausschuß deutlich. Zum Ausschuß vgl. Paulova, Milada, Jugo-
slavenski odbor. Povijest jugoslavenske emigracije za svjetskog rata od 1914.—1918. (Der jug.
Ausschuß. Die Geschichte der jug. Emigration im Weltkrieg 1914-18), Zagreb 1924.

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Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Serbe Nikola Stojanovic beispielsweise war Mitglied im Jugoslavenski odbor. 1902


hatte er noch im „Srpski knjizevni glasnik“ und im „Srbobran“ den Kampf zwischen
Serben und Kroaten „bis zu unserer oder eurer Ausrottung“ beschworen.131 Daß er
vor 12 Jahren, bevor er sich nun 1918 für einen jugoslawischen Staat einsetzte, noch
vollkommen der Idee eines Groß-Serbien anhing, warf in den Augen mancher Kroaten
von vornherein einen Schatten auf die gemeinsame Arbeit an der Schaffung eines
südslawischen Staates. Worin sich die Ausschußmitglieder jedoch einig waren, war
eine fast schon „Germanophobie“ zu nennende Angst vor dem deutschen „Drang
nach Osten“, wie sie bei Politikern wie Trumbic, Supilo, Hinkovic oder Potocnjak
deutlich zutage trat. Die herausragenden Vertreter dieses Jugoslawischen Ausschusses
waren die aus Dalmatien stammenden Politiker Ante Trumbic und Frano Supilo.
Beide kämpften vehement gegen die Weiterexistenz der Habsburgermonarchie und
gegen die im Geheimvertrag von London Italien zugesicherten Gebietserwerbungen
an der slowenisch und kroatisch besiedelten Adriaküste. Es wäre wohl aber eine Ver­
kürzung, die der vielschichtigen Realität nicht gerecht würde, reduzierte man kroati­
sche Nationalpolitik im Weltkrieg auf die Aktivitäten des Jugoslawischen Ausschuß.
Zwar führten die Ereignisse am Ende des Krieges dazu, daß den Politikern des Aus­
schusses am Ende des Krieges Gestaltungsmacht erwuchs, andere Optionen, wie die
Politik Stjepan Radies bewies, existierten aber durchgängig.
Was letztendlich den Ausschlag zu der Schaffung eines gemeinsamen südslawischen
Staates gab, ist schwer zu sagen. Vorgeschichte und Gründung des „Ersten Jugosla­
wien“ werden nach wie vor kontrovers diskutiert.132 Waren es mehr die gegen die
besiegten Mittelmächte gerichteten geostrategischen Erwägungen Frankreichs und
Großbritanniens oder die erstarkte jugoslawische Nationalbewegung, die ihre Chance
nutzte? Zweifelsohne trugen viele Kräfte und zahllose Persönlichkeiten dazu bei, daß
ein gemeinsamer Staat der Südslawen an der „Schnittstelle von Orient und Okzident“
entstand. Es herrschten jedenfalls auch unter den Siegermächten unterschiedliche Vor­
stellungen über die Neuordnung Südosteuropas. Die Schaffung, zu der es schließlich
kam, eines Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen stellte nur eine von meh­
reren verschiedenen Möglichkeiten dar, wie mit der Konkursmasse des Habsburger­
reichs umgegangen werden sollte.133

131 Vgl. Jelcic, Dubravko, Politika i sudbine: eseji, varijaeije i glose o hrvatskim politicarima
(Politik und Schicksale: Essays, Variationen und Glossen über kroatische Politiker), Zagreb
1995, hier „Do pakla i natrag (Zur Hölle und zurück): Ante Trumbic“, S. 86-108 u. „Natu-
knice o Jugoslavenskom odboru“ (Stichworte zum Jug. Ausschuß), S. 151-154. Von den 15
Mitgliedern des Ausschusses waren 9 Kroaten (Trumbic, de Giulli, Hinkovic, Marjanovic,
Mestrovic, Potocnjak, Supilo, Trinajstic, Gazzari), von ihnen war nur Hinko Hinkovic aus
dem kontinentalen Kroatien (aus dem Zagorje), alle anderen stammten von der Adriaküste.
132 Vgl. Kessler, Wolfgang, Jugoslawien - Der erste Versuch. Vorgeschichte und Gründung des
„Ersten Jugoslawien“, in: Elvert, Jürgen (Hg.), Der Balkan. Eine europäische Krisenregion in
Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 1997, S. 91-118.
133 Die neueste Zusammenfassung des Forschungsstandes bei: Dahlmann, Dittmar, Die Pariser

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Jugoslavenstvo “ als Oppositionsstrategie

Unter den Südslawen selbst war es aber, um mit den Worten des amerikanisch-serbi­
schen Historikers Aleksandar Dragnich zu sprechen, „hauptsächlich der Politik Ser­
biens bzw. des serbischen Ministerpräsidenten Nikola Pasic zu verdanken“, daß die
Idee eines jugoslawischen Staates von der Ebene „romantischer Träumereien und ver­
baler Manifestationen“134 zu politischer Wirklichkeit wurde. Dragnich hat insofern
recht, als nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bei den Südslawen nur Serbien eine
entwickelte und intakte Staatsverwaltung hatte, die das Vakuum, das nach dem Zusam­
menbruch Österreich-Ungarns in Slowenien, Kroatien und Dalmatien entstand, aus­
zufüllen vermochte. Der serbische Staat, der sich 1918 auf der Siegerseite fand, schuf
Fakten, unter tätiger Mithilfe südslawischer Politiker der untergegangenen Habsburg­
ermonarchie, die in Serbien den Kern eines zukünftigen Nationalstaates aller Südsla­
wen sehen wollten. So wurde „der Kern des neuen Staates“ der „administrative und
militärische Apparat des ehemaligen Königreichs Serbien“. Und folglich: „As a victo-
rious power which had undergone tremendous sacrifices (...), Serbia claimed the le-
ading role in the new state.“135 Diese „preußischen Doktrin“ wurde verantwortlich
gemacht für „Zentralismus“ und „Aufoktroyierung des gesamten Staatsaufbaus des
Königreichs Serbien auf den neuen jugoslawischen Staat“, was bei den nicht-serbi­
schen Völkern, v. a. bei den Kroaten, zu wachsender Ablehnung führte.136
Die Zahl historischer Untersuchungen, die sich nun damit beschäftigen, ob dieser
Anspruch Serbiens den neuen Staat notwendigerweise scheitern lassen mußte und ob
die nicht-serbischen Politiker überhaupt wußten, worauf sie sich mit dieser Vereini­
gung eingelassen hatten, sind Legion. Wendet man den Blick ab von der Achse Zagreb-
Beograd, auf der Jugoslawien beruhte und schließlich zerbrach, und schaut auf die
Provinz, dann stellen sich manche Fragen anders.
Wie genau nämlich die Machtverteilung im zukünftigen Staat aussehen sollte, ob ein
föderativer Bundesstaat oder ein zentralistischer Einheitsstaat anzustreben war, schien
im Sommer 1918 in Dalmatien nicht die drängendste Frage gewesen zu sein. Daß es
aber nicht so bleiben durfte, wie es war, läßt sich trotz strenger Zensur in Kriegszeiten

Friedenskonferenz und die Entstehung eines Staates der Südslaven, in: Potthoff, Wilfried
(Hg.), Konfliktregion Südosteuropa: Vergangenheit und Perspektiven; Vorträge der Ringvor­
lesung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Wintersemester 1995/96
und Sommersemester 1996, München 1997, S. 151-163. Nach wie vor grundlegend neben der
Studie von Ivo Lederer, Djordjevic, D. (Hg.), The Creation of Yugoslavia 1914-1918, Santa
Barbara/Oxford 180; Zivojinovic, D., America, Italy and the Birth of Yugoslavia, 1917-1919,
Boulder/New York 1972; Mitrovic, Andrej, Jugoslavija na konferenciji mira 1919-1920 (J.
auf der Friedenskonferenz 1919-20), Beograd 1969.
134 Dragnich, Alex N., Serbia, Nikola Pasic and Yugoslavia, New Brunswick, New Jersey 1974,
S. lllf.
135 Ygj Fogelquist, S. 9ff.
136 Grol, Milan, Dve godine zabluda i lutanja (Zwei Jahre der Irrtümer und des Herumirrens),
in: Misao, V 1921, S. 294, hier zit. nach Popovic, Olga, Stojan Protic i ustavno resenje nacio-
nalnog pitanja u Kraljevini SHS (S. P. und die verfassungsmäßige Lösung der nationalen Frage
im Kgr. SHS), Beograd 1985, S. 101.

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Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

aus fast jeder Nachricht, jedem Bericht der regionalen Tageszeitung „Novo doba“
herauslesen.
Die wichtigste lokale Zeitung war jedenfalls voller Gründe, die nach Meinung des
Konsortiums aus Händlern und Anwälten,137 die die Zeitung finanzierten, dafür spra­
chen, mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden zu sein. In den ersten Monaten
ihres Erscheinens fand die Redaktion keine einzige (!) positive Nachricht aus Split
und Dalmatien meldenswert. Die Korrespondenten des Blattes, von Dubrovnik im
Süden bis Zadar im Norden, von den Inseln bis zum dalmatinischen Hinterland, be­
richteten aus allen Gebieten und Städten mit demselben Tenor: „Das Leben in Dalma­
tien ist unerträglich!“138 Die österreichische Verwaltung „redet viel, aber die Getreide­
speicher werden leer sein. (...) Eine Hungerkatastrophe kommt auf uns zu.“ In einem
Bericht aus Kotor hieß es: „Nicht nur die furchtbare Situation, in der wir hungern,
sind wir leid, auch haben wir genug von den Herren, die bestimmen (...) Am schwer­
sten ist es, daß wir nicht einmal protestieren dürfen (...) Wir werden gezwungen,
Hunger zu leiden und zu schweigen“.139 Die Frage „Muß es denn wirklich so
sein...?“140 wurde immer öfters gestellt, und die zwischen den Zeilen zu lesende Ant­
wort war unmißverständlich: Würde man erst mit den anderen südslawischen Völkern
in einem eigenen Staat leben, würde alles besser werden.
Doch damit dieser entstehen konnte, mußte erst der bisherige, österreichische unterge­
hen. Denjenigen, die der Donaumonarchie immer publizistisch loyal gegenübergestan­
den waren, war ein solch revolutionäres Ansinnen nicht geheuer. Die Verteidiger der
bestehenden Ordnung des scheinbar geregelten Lebens im abgeschiedenen Kronland
der Habsburgermonarchie standen jedoch mit ihren Warnungen vor den „gefährli­
chen, staatszerstörerischen Tendenzen“ nach vier Jahren Krieg, in dem auch zehntau­
sende Menschen aus Dalmatien ihr Leben verloren hatten,141 auf verlorenem Posten.

137 Zum zahlenmäßig kleinen dalmatinischen Bürgertum gehörten ohne Zweifel die Advokaten
und Notare. Die ständigen Landstreitigkeiten, eine Folge der überkommenen Agrarverhält­
nisse, eine der übergroßen Mehrheit von Nicht-Gebildeten unverständliche Verwaltungsge­
setzgebung, zahlreiche Verordnungen etc. schufen ein breites Betätigungsfeld für Juristen. Vor
Gericht und in den Amtsstuben das komplizierte, mit viel Schreibarbeit verbunden „Recht“
zu erstreiten, brauchte man die „Herren Advokaten“, die einer angesehenen und lukrativen
Profession nachgingen. Sie vertraten Landarbeiter wie Grundbesitzer in den zahlreichen Strei­
tigkeiten über Abgabepflichen, Feldraine etc. All das sicherte ihnen eine unabhängige, materi­
ell abgesicherte Existenz, und es ist kein Zufall, daß infolge dessen zahlreiche Anwälte in der
dalmatinischen Politik eine hervorragende Rolle spielen. 48 Anwälte und vier Notare (Petar
Kamber, Bruno Katalinic, Toma Polic, Dr. Ivo Uglesic) betrieben in Split Mitte der 30er Jahre
ihre Kanzleien; vgl. Mladina, Josip A., Privredni adresar Splita (Spliter Wirtschaftsadressen­
buch), Split 1934.
138 Novo doba v. 04.07.1918, S. 3 „Bericht aus der Region: Aus Drnis“.
139 ebenda, „Bericht aus Kotor“, S. 3.
140 Novo doba v. 05.07.1918.
141 Nach Berechnungen von Jozo Tomasevich (Peasants, Politics and Economic Change in Yu-
goslavia, Stanford 1955, S. 225) forderte der Erste Weltkrieg 34.000 Todesopfer aus Dalmatien.

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Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

Nicht der Staat und schon gleich nicht der als fremd empfundene österreichische142
stand am Ende des Weltkrieges mehr im Zentrum des politischen Interesses der sich
publizistisch artikulierenden dalmatinischen Öffentlichkeit, sondern die „dreinamige
Nation“.

4. Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien:


Kampflose Kapitulation der alten Mächte

Schon lange vor dem endgültigen Friedensschluß beendeten viele k.u.k.-Soldaten aus
Dalmatien für sich den Krieg, indem sie desertierten. Mehr oder weniger jeden Tag,
bis zum endgültigen Ende der österreich-ungarischen Armee, listeten die Chronisten
von „Novo doba“ die neuesten Fälle von Fahnenflucht, Absetzen von der Truppe,
Überlaufen zu den „Feinden der Mittelmächte“ und darauf folgenden Repressions­
maßnahmen der Behörden auf. Durfte die Zeitung auch nicht die immer mehr zuneh­
menden Desertionen zustimmend kommentieren, so machte sie doch durch das Her­
ausstreichen der „ehrbaren Berufe“ und der vormaligen gesellschaftlichen Stellung der
Fahnenflüchtigen deutlich, daß sie sie keineswegs für ehrlose Gesellen hielt. Wenn
die Zeitung herausstrich, daß dem „tüchtigen Fabrikanten Antun Mardesic aus Hvar,
Reservekadett des 22. Infantriebatallions“ wegen „Überlaufens zum Feind“ von „den
Machthabern der Besitz konfisziert“ wurde,143 wurde deutlich, auf welcher Seite die
Sympathien der Redaktion lagen.
Mit den immer offensichtlicheren Erfolgen der Alliierten (und nach der Proklamation
der Wilsonschen 14 Punkte, die u. a. das „Selbstbestimmungsrecht“ für die Völker
einforderten) wuchs auch die offen anti-österreichische Stimmung in Split und Dalma­
tien. Offen artikuliert wurden die politischen Interessen und Forderungen der großen
Mehrheit der politisch denkenden dalmatinischen Bevölkerung auf einer „Volksver-

Für das ganze Gebiet des späteren Jugoslawien nennt er die Zahl von 1,9 Millionen durch
den Krieg zu Tode gekommenen (bei einer Vorkriegsbevölkerung von 12,2 Mio.). Das erste
große Schlachtfest des Todes in unserem Jahrhundert forderte den größten Blutzoll von Ser­
bien mit 811.300 Toten. Mazedonien hatte 312.500, Bosnien-Herzegowina 312.300, Kroatien
25.1000, Vojvodina 80.700, Montenegro 51.400 und Slowenien 49.900 Opfer zu beklagen.
142 Vgl. die im Museum der Stadt Split (Muzej grada Splita) aufbewahrten schriftlichen Aussagen
und Erinnerungen von Zeitgenossen; Memoarska Grada 1900-1982; davalaca izjava 1.202,
kut. 43; 4,7. A I.
143 Novo doba v. 04.07.1918, S. 3.

83
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Sammlung“ (narodni zbor) am 2. Juli 1918, bei der zwei Resolutionen verabschiedet
wurden: In der „einmütig“ verabschiedeten „Politischen Resolution“144 wurde im Na­
men aller „Kroaten und Serben aus allen Gebieten Dalmatiens, Anhänger aller dalma­
tinischen Vorkriegsparteien“ erklärt, daß „die gesamte dalmatinische Bevölkerung in
einem politischen Gedanken und einem politischen Ziel geeint“ sei. Das „ethnisch
einheitliche Volk der Serben, Kroaten und Slowenen“ habe „das unveräußerliche
Recht und die Pflicht (...), mittels seines Rechts auf Selbstbestimmung, seinen einheit­
lichen, unabhängigen Staat zu schaffen.“ Solange dieses „höchste nationale Ziel nicht
erreicht (...) oder wenigstens gesichert erscheint“, dürfe es keine Parteienstreitigkeiten
geben. Die Durchsetzung dieser Politik machte sich eine neugeschaffene „Nationale
Organisation der Serben, Kroaten und Slowenen in Dalmatien“ (Narodna organiza-
cija) zur Aufgabe, die aus 16 Personen bestand und nach Bedarf „durch Kooptierung“
vergrößert werden sollte.
Genauso „einmütig“ wurden auf derselben Versammlung „Wirtschaftliche Forderun­
gen“ angenommen, die in 15 Punkten detailliert auf die katastrophalen ökonomischen
Lebensbedingungen in Dalmatien 1918 eingingen: Es wurde in drastischen Worten
gegen die schlechte Versorgungssituation protestiert. Nach Meinung der Resolution
fehlte es an allen Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs in Dalmatien. Die
gefaßten Beschlüsse wurden umgehend, „wie die Liste der Mitglieder, die in obigen
Ausschuß gewählt wurden“, von den „Initiatoren der Versammlung der Volksvertre­
tung, der Regional-, Landes- und Staatsregierung zugestellt“.

a) Viele Probleme, eine Lösung: „Jugoslawien“

Am nächsten Tag berichtete „Novo doba“, daß die Ausgabe mit den Berichten von
der Volksversammlung den Verkäufern aus den Händen gerissen wurde. „Wir blieben
ohne ein einziges Exemplar, obwohl wir das Blatt in einer großen Auflage drucken.
Mit Freude vermerken wir diese Erscheinung, denn sie ist uns Beweis, daß die Be­
schlüsse der gestrigen Versammlung den Gedanken und Gefühlen dieser Stadt entspre­
chen.“145
In den obigen Resolutionen tauchten die drängendsten Probleme auf, die das Leben
in Dalmatien auch in der Zeit zwischen den Weltkriegen prägten: die unzureichende
Nahrungsmittelversorgung und die schlechten Verkehrsverbindungen. Die Vereini­
gung in einen „einheitlichen, unabhängigen Staat“ schien einen Ausweg aus den
Schwierigkeiten zu bieten. Nicht mehr länger wollte man vergessene Provinz sein, die

144 Vgl. „Politicka rezolucija“ (Politische Resolution) und „Gospodarske rezolucije“ (Wirtschaft­
liche Forderungen) in: Novo doba v. 03.07.1918, S. 1.
145 Novo doba v. 04.07.1918, S. 3.

84
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

sich mit (meist ergebnislosen) Petitionen und Resolutionen um Gehör bemühen


mußte. Wenn auch nicht generell, wie gesagt, von einer „südslawischen Nationalbewe­
gung“ in den Jahren vor dem 1.Weltkrieg gesprochen werden kann - bedingt durch
die allzu uneinheitliche Entwicklung der verschiedenen Regionen des späteren König­
reichs der Serben, Kroaten und Slowenen-, so wurde doch das jugoslawische Zusam­
mengehörigkeitsbewußtsein, vor allem unter der jüngeren Generation, in Dalmatien
während des Krieges immer stärker und kulminierte nach dem Zusammenbruch
Österreich-Ungarns. Obwohl es den Politikern der serbisch-kroatischen Koalition vor
dem Krieg nicht gelungen war, eine allgemein akzeptierte Vorstellung von nationaler
Identität im öffentlichen Bewußtsein zu verankern, und es demnach auch nicht zu
einer einheitlichen politischen Kultur' des „Jugoslavenstvo“ gekommen war, überwog
1918 in der dalmatinischen Öffentlichkeit die emphatisch zu nennende Begeisterung
über die staatliche Vereinigung mit den anderen südslawischen Völkern in einem ge­
meinsamen Staat.
Freilich bedurfte es dazu jenes starken Impulses von außen, wie er mit dem Zerfall
des Habsburgerreiches und der neuen internationalen Konstellation in Europa nach
dem Weltkrieg gegeben war. War auch, in den Augen ihrer Anhänger, die Verwirkli­
chung der jugoslawischen Idee im 19. Jahrhundert praktisch gescheitert durch macht­
politische Inferiorität innerhalb Österreich-Ungarns und sozio-ökonomischen Ent­
wicklungsrückstand, so schien sie nach dem Krieg nun doch umsetzbar. 1918 war der
Jugoslawismus unter dem sich politisch artikulierenden dalmatinischen ,Bürgertum'
zum zentralen Element kollektiven Bewußtseins geworden. Die Berichterstattung der
wichtigsten, und einzig durchgehend bis 1941 erscheinenden, dalmatinischen Tageszei­
tung „Novo doba“ spiegelte und formte dieses Bewußtsein in der Öffentlichkeit.
Den österreich-ungarischen Machtstrukturen jedenfalls wurde buchstäblich nichts
mehr positiv angerechnet. Als Anfang Oktober, nicht zuletzt aufgrund der ständigen
Warnungen vor der drohenden Hungerkatastrophe, „dreitausend Waggons Getreide
aus Kroatien“ von der Landesregierung für Dalmatien organisiert worden waren, und
die Zeitung auf der Titelseite verkünden konnte: „Die Ernährung Dalmatiens ist gesi­
chert!“,146 bedeutete das noch lange nicht, daß man der Landesregierung jetzt gewoge­
ner gegenüberstand. Die Schlußfolgerung des Leitartikels war eine andere: „So werden
wir faktisch zu einem Volk“, hieß es da, und es wurde betont, daß „Jugoslawen aus
Kroatien“ jetzt „Jugoslawen aus Dalmatien“ brüderlich in schwerer Not mit Getreide
aushalfen.
Die politische Zielvorstellung war formuliert, und in Flugblättern und Zeitungsarti­
keln wurde immer wieder betont „ohne Rücksicht auf Glaube und Stand“, daß man
„den Prinzipien, denen sich Dalmatien in Split auf der Volksversammlung vom 2.
Juli verschworen hat“, treu bleiben wolle.147 Trotz immer häufigerer zensurbedingter
„weißer Flecken“ in der Zeitung, schaffte es die Redaktion doch oft, die Parole „Wir

146 Novo doba v. 01.10.1918, S. 1.


147 Novo doba v. 10.10.1918 „Standpunkte der Jugoslawen“, S. 1.

85
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des 'Weltkrieges

wollen unseren Nationalstaat“ in der Berichterstattung unterzubringen. So lautete


auch die Überschrift eines abgedruckten Aufrufs, der von „Menschen aus allen Teilen
Dalmatiens“ unterzeichnet wurde: „katholischen und orthodoxen Glaubens, die einst
verschiedenen politischen Parteien angehört hatten, bis gestern politische Gegner ge­
wesen waren und heute alle vereint sind in der Liebe für das Volk unter dem Banner
der Freiheit Jugoslawiens 148
Als endlich am 14. Oktober 1918 die riesigen Schlagzeilen „Deutschland und Öster­
reich-Ungarn akzeptieren alle Bedingungen Wilsons“ und „Nama svice!“ (Unser Tag
bricht an!)149 die Leserschaft in Dalmatien aufrüttelten, schien das ersehnte Ziel zum
Greifen nah.
Ganz durfte die Redaktion ihrer Begeisterung doch noch nicht freien Lauf lassen. „Un­
sere Zensur“, hieß es zwei Tage später, „ist ohne Gewissen“. Es seien unter anderem
auch einige Passagen eines Buches, „das man in jeder Buchhandlung der Monarchie
frei erwerben kann“, aus einem Artikel gestrichen worden. Überall könne man frei
schreiben. „Nur bei uns darf das nicht sein!“150 Doch die Zeit der österreichischen
Zensur neigte sich ihrem Ende zu. Am 24. Oktober informierte die Zeitung auf ihrer
ganzen ersten Seite über die „Bekanntmachung des Narodno vijece (Volks- od. Natio­
nalrat) der Serben, Kroaten und Slowenen“ vom 29. Oktober 1918 aus Zagreb. Dieses
Gremium habe, „bevollmächtigt von allen nationalen Parteien und Gruppen, die Füh­
rung der nationalen Politik in seine Flände“ genommen.151 Der Augenblick des
Machtwechsels, in den Worten eines Zeitgenossen sogar der Revolution,152 war ge­
kommen.

b) Der unspektakuläre Machtwechsel in Dalmatien

Am 2. Juli 1918 wurde in Dalmatien eine „Nationale Organisation der Serben, Kroa­
ten und Slowenen“ gegründet, deren Mitglieder am 8. Oktober in Zagreb den Natio­
nalrat der Südslawen der Donaumonarchie konstituieren. In den Exekutivausschuß
des Nationalrates wurden der Abgeordnete des Dalmatinischen Landtags Mate Drin-
kovic und Prvislav Grisogono gewählt.153 „Novo doba“ machte seine Leserschaft aus­
führlich mit den in Zagreb gefaßten Beschlüssen und Forderungen des „Narodno

148 ebenda, S. 3 „Katolici i pravoslavci za Jugoslaviju“.


149 Novo doba v. 14.10.1918, S. 1.
150 Novo doba v. 16.10.1918, S. 3.
151 Novo doba v. 24.10.1918, S. 1.
152 Yg[ Turkovic, Vladimir, Revolucija i Kraljevstvo SHS - Opazanja (Die Revolution und das

Königreich SHS - Beobachtungen), Zagreb 1919.


153 Vgl. Horvat, Politicka povijest Hrvata, S. 85.

86
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

vijece“ bekannt, die einer Revolution gleichkamen.154 Die im Handumdrehen verkauf­


ten 7000 Exemplare der Zeitung, mehr als das dreifache der sonstigen Auflage, bewie­
sen, „wie großen Anklang unser Blatt in der Bürgerschaft gefunden hat.“155
Von nun an überschlugen sich die Meldungen. Scharenweise desertierten Soldaten
südslawischer Nationalität aus der k.u.k.-Armee, wieder rebellierten in Pula, Sibenik
und Kotor die Matrosen.156 Jeden Tag erklärte sich eine neue gesellschaftliche oder
politische Vereinigung in Dalmatien mit den Beschlüssen des „Narodno vijece“ solida­
risch. Auch die Kirchen standen nicht zurück, und sowohl die katholische, durch den
örtlichen Bischof Juraj, als auch die orthodoxe Kirche verfaßten Aufrufe, die in der
Tageszeitung erschienen. Im ersten, an die „sehr geehrte Priesterschaft“ und an die
Gläubigen, wurde unterstrichen, daß in „diesen großen Augenblicken“, die „für das
Volk, das unserer Seelsorge anvertraut ist, nahen“, nun unter allen Umständen „unse­
rem dreinamigen Volk ein eigener Staat zu sichern ist.“157
Was Ende Oktober 1918 die südslawischen Gebiete der Monarchie erfaßte, ist treffend
als „geordneter Umsturz“ bezeichnet worden.158 Auch die Übergabe der Macht in
Dalmatien verlief äußerst unspektakulär. Am 3. November 1918 wurde vom Exekuti­
vausschuß des Nationalrats in Zagreb der Anwalt Ivo Krstelj aus Sibenik als Ombuds­
mann für Dalmatien bestimmt, der auch vor Ort in Dalmatien von den „Volksaus­
schüssen“ anerkannt wurde. In allen dalmatinischen Gemeinden wurde frenetisch der
Untergang der Doppelmonarchie gefeiert.159 Auch der bis dahin in Bosnien-Herzego­
wina und Dalmatien kommandierende österreich-ungarische General Sarkotic er­
kannte auf Anfrage das „Narodno vijece“ ohne Protest die neue Führung an.160 Bauer­
nunruhen, Männer die dem „Grünen Kader“ (zeleni kadar) angehört hätten oder aus
dem bolschewistischen Rußland heimkehrende Soldaten,161 die in anderen Regionen
für Unruhe sorgten (hauptsächlich in Nordkroatien), gab es kaum in Dalmatien.162

154 Novo doba v. 24.10.1918, S. 1.


155 Novo doba v. 25.10.1918, S. 3.
156 Stulli, Bernard, Ustanak Mornara u Boki kotorskoj (Aufstand der Matrosen i. d. Bucht v.
Kotor), Split 1959.
157 Novo doba v. 24.10.1918, S. 4.
158 Dahlmann, Pariser Friedenskonferenz, S. 154.
159 Für die Berichte aus Süddalmatien vgl. Mirosevic, S. 43ff.
160 Krizman, Raspad Austro-Ugarske, S. 272f.
161 Vgl. Fogelquist:, Kap. 5 „Revolutionary stirrings in Yugoslavia 1918-1920, S. 217-244. Nach
Fogelquist (S. 220) befanden sich im zaristischen Rußland 1918 „over 100.000 prisoners of
Yugoslav origin“.
162 Widerstand gegen die Vereinigung, wie er in Zagreb am 5.12.1918 über 20 Tote gefordert
hatte, als eine organisierte Gruppe von 150 Soldaten „für eine kroatische Republik“ demon­
strierend durch die Stadt zogen und von bewaffneten Formationen des Narodno vijece am
Jelacic-Platz mit Maschinengewehrfeuer empfangen wurden, kamen in Dalmatien nicht vor.
Vgl. u.a. Zezelj, Mirko, Hrvatska 1918-1945, in: Majstorovic, Petar (Hg.), Ilustrirana Povijest
Hrvata (Illustrierte Geschichte der Kroaten), Zagreb 1971, S. 266ff. u. Macan, Trpimir, Povi­
jest hrvatskoga naroda (Geschichte des kroatischen Volkes), Zagreb 1992, S. 391 ff.

87
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

So verlief der Machtwechsel vollkommen reibungslos. Die neue Landesregierung Dal­


matiens („zemaljska vlada“) kam so quasi über Nacht zu ihrem Amt. Ivo Krstelj war
für „militärische Fragen“ (vojne poslove) zuständig, Josip Smodlaka für die Verwal­
tung und Vjekoslav Skarica für die Finanzen.163
Am 29. Oktober erklärte der kroatische Sabor die Vereinigung Kroatiens, Slawoniens
und Dalmatiens und proklamierte gleichzeitig die Unabhängigkeit und völlige Lo­
strennung von Österreich-Ungarn.164 Das kroatische Parlament bestimmte das „Na-
rodno vijece“ als Regierung des neuen Staates und beauftragte es, die Verhandlungen
zu führen, „um einen gemeinsamen Staat mit Serbien und Montenegro zu bilden“.165
Das Präsidium des Nationalrates fungierte als Regierung, die auch gleich „Landesre­
gierungen“ (Zemaljske vlade) für die einzelnen Regionen ernannte, die wiederum „Ge­
meindeausschüsse des Nationalrates“ (Opcinske odbore Narodnog vijeca) kooptier­
ten.166
„Novo doba“ veröffentlichte an jenem Tag zum ersten Mal die „Deklaration von
Korfu“, wo schon im Juli 1917 der „Jugoslawische Ausschuß“ (Jugoslavenski odbor)
der Südslawen der Donaumonarchie und Serbien den Willen bekundet hatten,167 „ei­
nen gemeinsamen nationalen und unabhängigen Staat“ des „dreinamigen Volkes der
Serben, Kroaten und Slowenen“ zu schaffen.168
In Dalmatien brachen an jenem Tag alle Dämme, die bis dahin noch nach außen
die Lebensweise einer ruhigen k.u.k.-Provinz aufrechterhalten hatten, und es kam zu
„riesige(n) nationale(n) Manifestationen in Split!“169 In den Köpfen der Menschen
hatte Österreich-Ungarn endgültig aufgehört, als Staat, zu dem man gehörte, zu exi­
stieren. „Überall große Freude und Erregung“, berichtete „Novo doba“, nachdem sich
die Nachricht der Lostrennung von Österreich verbreitet hatte. Häuser wurden mit

163 Novo doba v. 5.11.1918 „Zemaljska Vlada za Dalmaciju“(Landesregierung für Dalmatien),


S. 1.
164 Vgl. „Deklaracija Narodnog vijeca Slovenaca, Hrvata i Srba“ u. „Sabor raskida sve drzavno-
pravne odnose s Austro-Ugarskom monarhijom“ (Der Sabor löst alle staatsrechtlichen Bezie­
hungen mit der österreich-ungarischen Monarchie), in: Petar Pozar (Hg.), Hrvatske pravice,
Split -Zagreb 1990, S. 170-174. Vgl. neuerdings die Beiträge kroatischer Historiker: „Drzava
Slovenaca, Hrvata i Srba“ (Der Staat der Slowenen, Kroaten und Serben), Zavod za hrvatsku
povijest 22. svibnja 1992, in: Radovi Zavoda za Hrvatsku povijest 26/1993, S. 187-268.
165 Banac, National Question, S. 128; Krizman, Raspad Austro-Ugarske, S. 57ff.
166 Vgl. Mirosevic, Franko, Prilike u juznoj Dalmaciji za vrijeme postojanja Drzave Slovenaca
Hrvata i Srba (Die Verhältnisse im südl. Dalmatien während der Existenz des SHS-Staates),
in: Radovi 26/1993, S. 263-268; Strcic, Petar, Funkcioniranje Drzave Slovenaca, Hrvata i Srba
na primjeru otoka Krka (Das Funktionieren des SHS-Staates am Bsp. der Insel Krk), ebenda,
S. 255-262.
167 Ante Trumbic (gebürtiger Spliter) Unterzeichnete für den „Jugoslawischen Ausschuß“ und
Nikola Pasic für Serbien die Erklärung.
168 „Krfska Deklaracija“ v. 20. Juli 1917 (Die Deklaration von Korfu), hier zit. nach Petranovic/
Zecevic (Hg.), Jugoslavija 1918-1984, Beograd 1985.
169 Novo doba v. 29.10.1918, S. 1.

88
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

serbischen und kroatischen Fahnen geschmückt. Bei aller Begeisterung (die Hymne
„Hej Slaveni“ sei spontan gesungen worden, es wurden Fahnen geschwenkt und „ge-
jubelt“; „die Jugend“ habe „einen anwesenden serbischen Kriegsgefangenen mit der
Fahne“ geschmückt und ihn „auf den Schultern über den Platz“ getragen) wird als
einziger „Exzess“ erwähnt, daß von einem Laden das Schild „Hoflieferant“ abgerissen
wurde“. Ein anderer Laden hingegen, der „in der Auslage die Bilder von Dr. Trumbic
und Wilson ausgehängt hat“, sei von Käufern überrannt worden, nachdem sich „in
Windeseile die Nachricht verbreitet hatte, daß die Freiheit gekommen ist!“170
Die Mitglieder der Narodno vijece in Split: Dr. Josip Smodlaka, Dr. Prvislav Griso-
gono, und die Führung der improvisierten „Volksorganisation“ (narodna organiza-
cija): (Dr. Gajo Bulat, Ivo de Grisogono, Dr. Ivan Majstrovic, Dujam Mikacic, Rak
Simo, Dr. Vjekoslav Skarica, Dragutin Bartulica) erließen folgenden Appell an ihre
Mitbürger, der als Flugblatt in Split kursierte und am 29.10. noch einmal in „Novo
doba“ abgedruckt wurde:
„ Spliter! Das, was seit jeher euer stiller Wunsch war, was bis gestern nur ein Rosentraum war,
ist heute glänzende, herrliche Wahrheit! Unsere Freiheit wird jetzt geboren. Spliter! In dieser
unaussprechlich großen Stunde ist es nur natürlich, wenn die jahrhundertelang unterdrückten
Sehnsüchte mit elementarer Gewalt hervorbrechen. Sollen sie hevorbrechen, das ist gerecht:
das ist unser Recht, das ist unsere Pflicht. Aber, Brüder, vergeßt nicht, auch nicht für eine
Sekunde, daß die ganze zivilisierte Welt auf uns schaut und sehen will, ob wir des einzigartigen
Geschenks der nationalen Freiheit auch würdig sind. Beweisen wir, daß wir die Fundamente
jedes Rechts schätzen: Achten wir jedermanns persönliche Freiheit und Eigentum. Spliter! Un­
sere einzige und oberste Autoriät ist das „Narodno vijece SHS“. (...) Kroaten, Serben und
Slowenen, es lebe unser freies Jugoslawien/“ (Hervorh. im Original)171

Daß man entschlossen war, die Lostrennung von Österreich irreversibel zu machen,172
belegt die sofortige Schaffung einer „Volksgarde“, die hauptsächlich aus rund 200
aktiven Mitgliedern des Sokol-Verbandes und einigen Sozialdemokraten bestand. Die
sog. „jugoslawischen Gardisten“ schworen, „die Ordnung und die Sicherheit der Per­
sonen und des Eigentums“ zu schützen, und die Befehle des „Narodno vijece SHS“
zu befolgen. Wie die Zeitung weiter berichtete: „Danach setzten sich die Gardisten,
patriotische Lieder und die Marseillaise singend, über die Uferpromenade in Richtung
„Kroatisches Versammlungshaus“ in Bewegung, wo die erste Abteilung ihren Dienst
antrat. Eine Menge Volks begleitete sie, singend und die Freiheit, Trumbic, Wilson
usw. hochleben lassend“.173

170 ebenda.
171 ebenda, S. 3.
172 Die dalmatinischen Mitglieder drohten dem Narodno vijece in Zagreb sogar an, daß Dalma­
tien „sich auch alleine mit Serbien und Montenegro vereinigen“ würde, sollten die kroatischen
Politiker noch weiter zögern. Vgl. Macan, Povijest hrvatskoga naroda, S. 390.
173 Novo doba v. 29.10.1918.

89
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

So ruhig endete in Split eine Epoche.174 Dalmatien war damit, über ein Jahrhundert
nachdem es auf dem Wiener Kongreß Österreich zugeschlagen worden war, nicht
mehr ein Kronland der Habsburgerdynastie.
Auch alle alten Parteien hatten sich scheinbar in der Begeisterung über den Zusam­
menbruch Österreich-Ungarns und vor Freude über die Chance eines Neuanfangs
„aufgelöst“, wie übereinstimmend von vielen Zeitgenossen nach 1918 bemerkt wurde.
Die Mitglieder des Spliter Nationalrat führten alle Anwaltskanzleien. (Grundsätzlich
dominierten in allen diesen neugegründeten Ausschüssen die Angehörigen des dalma­
tinischen Bürgertums.)175 Auch der aus einer alten Spliter Patrizierfamilie stammenden
Publizist und Politiker Ivo Tartaglia,176 der zu den prägenden politischen Persönlich­
keiten Dalmatiens von der Jahrhundertwende bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte, war
Anwalt.177 Wie seine anderen Berufskollegen, unter ihnen auch Ante Trumbic, der
den neuen Staat auf der Friedenskonferenz vertrat, strebte er einen „nationalen Staat“
der Südslawen an.178 Später erinnerten sich diese Anwälte-Politiker, daß damals „kei­
nerlei Hilfe“ vom „Narodno vijece“ (Nationalrat) aus Zagreb bei der Konsolidierung
nicht nur der finanziellen Schwierigkeiten zu erwarten gewesen sei. Mehr noch: die
„Anordnungen“ und „seltsamen Befehle“, die aus Zagreb kamen, erwiesen sich vor
Ort nur allzuoft als nicht umsetzbar. So landeten etliche dieser Telegramme „im Pa­
pierkorb“ und man versuchte, selbst zurechtzukommen.179

174 Vgl. auch Domazetovic, Kosta, 30 dana 1918 (devetstoosamnaeste) gledanih iz Zagreba (30
Tage des Jahres 1918 aus Zagreb gesehen), Zagreb 1938, wo auf Grundlage der zeitgenössi­
schen Berichterstattung die ^evolutionären“ Ereignisse des Monats Oktober in allen südslawi­
schen Gebieten geschildert werden. Das von ihm gezeichnete Bild von überschäumender Be­
geisterung an der Küste, nachdem die Entscheidung des Sabor bekannt wurde, deckt sich
vollständig mit der Berichterstattung von „Novo doba“ und mit Erzählungen von befragten
Zeitzeugen.
175 Vgl. Stanic Grisa, Josip, Na izvorima povijesti Omiske, Poljicke i Krajiske opcine 1911 —
1941 (An den Quellen der Geschichte von Omis, Poljica u. Krajina), Omis 1972, S. 38f.; Das
„Narodno vijece“ in Omis z. B. bestand aus dem Gerichtspräsident Dr. Ante Fabrio, dem
Händler Jerko Skrivanic, dem Anwalt Dr. Stjepo Vukusic, Jakov Tomasovic (Schreibwaren­
händler), Petar Franceschi (Apotheker), dem Arzt Dr. Duro Mimica, dem Priester Miroslav
Skrivanic, dem (nun ehemaligen) k.u.k.-Staatsbediensteten Josip Velic, dem Großgrundbesit­
zer Jakov Pesic, sowie einem Vertreter der örtlichen Arbeiterschaft, Nikola Buljevic; vgl.
Novo doba v. 20.11.1918.
176 Die Familien Tartaglia und Grisogono gehörten zum nach wie vor begüterten und einflußrei­
chen dalmatinischen Adel; vgl. J. Siebmacher’s grosses Wappenbuch, Bd. 29: Der Adel in
Kärnten, Krain und Dalmatien von 1873 (unveränderter Nachdruck Neustadt a.d. Aisch
1980).
177 Machiedo-Mladinic, Norka, Zivotni put dr. Ive Tartaglie (Der Lebensweg von Dr. Ivo Tartag­
lia), in: Radovi Zavoda za Hrvatsku povijest 26/1993, S. 281-288.
178 Vgl. Tartaglia, Ivo, Uspjesi i zadaci Narodne organizacije za Dalmaciju (Die Erfolge und
Aufgaben der Volksorganisation für Dalmatien), in: Novo doba v. 18.07.1918.
179 Vgl. Smodlaka, Zapisi „U privremenoj vladi za Dalmaciji“, S. 56-66, hier S. 57. Plastisch
beschreibt er dort die Schwierigkeiten bei der Schaffung einer neuen Verwaltung.

90
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

Tatsächlich gelang es, ohne Blutvergießen die Lage bis zum 20. November, als serbi­
sche Truppen in die Stadt kamen, stabil zu halten.180 Bei aller Begeisterung, die damals
herrschte, erwähnt Josip Smodlaka aber auch „eine erste Unstimmigkeit“, die die jugo­
slawische Stimmung trübte, als „in Dalmatien nicht gefragt wurde, wer Kroate und
wer Serbe ist“, weil „ein junger Anwalt aus Norddalmatien, demonstrativ sein Serben-
tum in einem besonderen Gruß herausstrich, was sowohl die Armee, als auch die
Bürgerschaft als unpassend und überflüssig empfand.“181 Nichts illustriert wohl deut­
licher die 1918 herrschende Stimmung, als Smodlakas Begrüßung der serbischen Ar­
mee:
„Gesegnet sei die Stunde, als wir euch erblickten! (...) Willkommen unsere ruhmbedeckten
Brüder, unsere Rächer und jetzt auch Wächter unseres blauen Meeres! (...) Heldenhafte Söhne
des heldenhaften Landes, die ihr nach sechs schweren Kriegsjahren an unsere für euch ge­
schmückte Küste kommt, schon lange habt ihr die Grenzen des kleinen und des großen
Serbien überschritten. In dieser Stadt steht ihr heute weit jenseits innerhalb der Grenzen des
Feindesreiches. Ihr schafft ein neues und mächtigeres Reich, Jugoslawien, unseren gemeinsa­
men Staat und unsere Mutter. Unsere Wiedergeburt, und jetzt unsere Auferstehung, ist zum
größten Teil euer Werk, das Werk der serbischen Armee. Deshalb lieben wir euch, serbische
Soldaten, deshalb feiern wir euch, deshalb heben wir euren Namen hoch in den Himmel.“182

Die Demonstrationen für den neuen Staat verliefen in Dalmatien ohne größere rekon­
struierbare Mißklänge. Und als ob ein Kaisergeburtstag gefeiert würde, berichtete

180 Wie sehr sich die serbische Armee als „Siegermacht“ in Dalmatien nach 1918 gebärdete, ist
bislang noch unzureichend erforscht, genauso ist die Rolle des „Splitski puk“, der Ende No­
vember 1918 gegen Italien aufgestellt und dann von der Armee aufgelöst wurde, noch kaum
beleuchtet worden ist. Vgl. die Arbeiten v. Cekic, Smail, Revolucionarni rad KPJ u Jugosla-
venskoj vojsci izmedu dva rata, (=Diss.) (Die rev. Arbeit der KPJ in der jug. Armee zw. den
Weltkriegen), Zadar 1990, S. 91ff. bes. S. 98 u. Pribilovic, Kazimir, Ratna mornarica Kraljevine
SHS i Kraljevine Jugoslavije (1918-1941), (=Diss.) (Die Kriegsmarine des Kgr. SHS u. des
Kgr. Jugoslawien), Split 1980. Pribilovic stellt fest, daß die kroatisch-stämmigen k.u.k.-Offi-
ziere 1918 „abgesehen von sehr seltenen Ausnahmen (...) ohne besondere nationale Empfin­
dungen“ waren. Der „Kaiser war alles, die eigene Nationalität sehr wenig (...)“; ebenda, S. 29.
181 Smodlaka, Zapisi, S. 65.
182 Vgl. Grußadresse v. Josip Smodlaka an die serbische Armee, vom 20. November 1918, anläß­
lich ihrer ersten Ankunft im Spliter Hafen, unter der Führung des Majors Stojan Trnokopovic,
hier zit. nach Znamenite rijeci i znacajne izjave o Jugoslovenstvu i o Narodnom jedinstvu
(Berühmte Worte und wichtige Aussagen über den Jugoslawismus und über die nationale
Einheit). Sabrao Juraj J. Kalinic, Knjiga I., Sibenik 1936, S. 32; Muzic, S. 29, zit. einen Brief
des serbischen Diplomaten Zivojin Balugdzic v. 26.10/8.11.1918 an den Regenten Aleksandar,
der die Stimmung vieler dalmatinischer Intellektueller jener Zeit einfängt. So berichtet er von
einem Besuch des Spliter Literaten und Politikers Tresic-Pavicic und zweier weiterer Mitglie­
der des Zagreber Nationalrates auf der Insel Korfu, deren Serbophilie sogar den serbischen
Berichterstatter erstaunte. Daß die gesamte Macht in Kroatien in den Händen zweier Ser­
ben - von Svetozar Pribicevic und Dusan Popovic - läge, fänden sie richtig, angesichts der
Tatsache, daß Serbien ihnen die „Befreiung“ gebracht hätte. Auch seien sie gegen einen födera­
tiven Staatsaufbau.

91
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Novo doba von den Demonstrationen und Kundgebungen, bei denen „Feuerwehr,
Musikkapelle, Fahnen, Volksausschuß, der Sokol, der (Singverein) Zvonimir, die Da­
men und Fräulein, die Sozialdemokraten, die Schülerschaft und der Rest der Bürger­
schaft“ aufmarschierten.183 All diese Gruppen waren im Demonstrationszug in ge­
nannter Reihenfolge vertreten und hörten den Schwüren der Redner begeistert zu,
„daß wir unseren Staat, Jugoslawien, schützen und verteidigen werden wie unsere
serbischen Brüder. Zum allerersten Mal in der Geschichte wird vom Timok bis zum
Triglav eine Fahne wehen, vom blauen Meer bis zum Vardar. Es lebe das freie Jugosla­
wien! (Rede von Ivo Grisogono).“ Auch „der Führer der Sozialdemokraten Gabric“
sprach zur Menge. Er betonte, daß sich „die Sozialdemokraten mit allen Bürgern
zusammen freuen und die Schaffung des jugoslawischen Staates begrüßen, der auf
demokratischer Grundlage erbaut werden soll. Er sprach weiterhin vom Verhältnis
der Arbeiter zum neuen Staat und meinte, daß der Kampf der verschiedenen Gesell­
schaftsschichten auch in ihm nicht aufhören würde, und in diesem Kampf seien die
Arbeiter der ganzen Welt einig. Er appellierte an die Volksführer, Sorge dafür zu
tragen, daß die breiten Volksmassen nicht weiter Hunger leiden und fügte hinzu,
daß auf diesem Wege am besten „weitere Unruhen verhindert würden.“ Zum Schluß
erwähnte der Bericht noch „eine schöne Anzahl Bäuerinnen aus der Umgebung“, und
schätzte die Zahl der Anwesenden auf „über 10.000 Seelen.“184 Der „Kampf gegen die
örtliche Bourgeoisie“, den die neugegründeten Arbeiterparteien aufnahmen, muß hier
nicht interessieren. Doch wie stark in jenen Tagen der jugoslawische Überschwang an
der Küste war, wird auch aus der Tatsache deutlich, daß die Sozialdemokraten sich
sicher waren, daß ihre polemische Kritik der lokalen Machthaber als nur scheinbaren
„großen Jugoslawen“, die im Innersten „Frank-Anhänger, Klerikale, Österreicher“
geblieben seien, die Stimmung ihrer Adressaten treffen würde.185 Dieser verbindende
Jugoslawismus dauerte aber nicht lange, und die Warnungen an die „echten Falken“,
die Mitglieder des „Sokol“, häuften sich, nicht bei a-nationalen Elementen (womit die
Sozialdemokraten gemeint waren) mitzumarschieren.186
Doch in den ersten Tagen wurden noch keine Gegensätze sichtbar. Berichte von „Ju­
belfeiern in der Region“, in Sibenik, Solta, Omis, Kastela, Brac, Makarska, Dubrovnik,

183 Novo doba v. 29.10.1918.


184 ebenda.
185 Vgl. die Parteizeitung Oslobodenje v. 25.07.1919 u. v. 31.01.1920. Und tatsächlich kann man
in der habsburgtreuen Zeitung „Dan“ (Der Tag) Nr. 31 v. 31.07.1914, S. 2 die „patriotischen
Reden“ des Bürgermeisters Marusic anläßich der Verabschiedung der „kroatischen Krieger“,
die „gegen die Feinde unseres Kaisers und unserer Heimat“, in den Krieg ziehen mußten,
nachlesen, die wohl Manchem im Gedächtnis geblieben waren. Vgl. dazu Stanic, Radnicki
pokret, S. 21, 50 u. 59, der auch die Berichterstattung von Novo doba (z.B. Nr. 150 v.
06.11.1918) zitiert, wo wiederum von „anrührenden patriotischen Reden“ des immernoch
Bürgermeisters Milan Marusic berichtet wird, diesmal freilich in „jugoslawischem Geist“.
186 Zivot v. 10.01.1920, S. 1.

92
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

Knin, Zadar, Drnis usw. füllten die Zeitungsspalten,187 die sich alle sehr ähnelten. Am
1. November 1918 faßte die Schlagzeile „Wir haben unseren Staat!“ (Imamo svoju
drzavu!) die „Änderungen von größter historischer Bedeutung“ zusammen;188 ein
neues Kapitel in der Geschichte Dalmatiens hatte begonnen. In allen Teilen Dalma­
tiens wurde die Niederlage der Mittelmächte, in den Worten des Zeitgenossen Jaksa
Ravlic, „mit unbeschreiblicher Begeisterung“ begrüßt. Es bildeten sich lokale „Volks­
räte“ (Narodno vijece), die sich dem Spliter „Nationalrat für Dalmatien“ unterstellten.
Alles verlief in „tadelloser Ordnung“, wie die Zeitung unterstrich.189 Auch die Prokla-
mierung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen am 1. Dezember 1918
wurde mit Begeisterung begrüßt „im Glauben an bessere Tage“, die damit gekommen
schienen. Die „einzelnen Enttäuschungen, die einsetzten, wurden anfangs als etwas
Unvermeidliches auf dem Weg des Ausbaus und der Stabilität des jungen Staates gese­
hen.“190 Mehr noch: Gerade aus Dalmatien rekrutierten sich unter den Kroaten die
aktivsten Kräfte, die die Vereinigung mit allen Mitteln unumkehrbar machen wollten.
In den Erinnerungen des Bildhauers Ivan Mestrovic wird die in Zagreb herrschende
Vereinigungsstimmung so beschrieben: „Pribicevic führt das große Wort und hat sich
zur Hauptperson aufgeschwungen. Und Fanatiker, der er ist, hat er Fanatiker um sich
geschart, vor allem aus Dalmatien (Hervorh. A. J.), und, indem er die Vereinigungsbe­
geisterung ausnützte, durchgesetzt was er wollte, und wo das nicht ging, hat er Terror
angewendet. Der einzige, der ernsthaften Widerstand leistet, ist Radic, der nur mit
Mühe und Not sein Leben gerettet hat (...)“. Etwas weiter hieß es gar: „(...) aber die
Dalmatiner terrorisieren die ganze Stadt, alles und jeden, und sagen: „Wenn ihr nicht
wollt, gehen wir alleine nach Belgrad und verkünden die Vereinigung Dalmatiens mit
Serbien“ - denn „so hofften sie, Dalmatien vor den Italienern zu retten.“191 Schon
am 20. November sollte der Nationalrat in Zagreb, auf Antrag der „dalmatinischen
Regierung“ beschließen, daß die serbische Dynastie Karadordevic auf dem ganzen
ehemaligen k.u.k.-Gebiet anerkannt werden und eine gemeinsame Regierung gebildet
werden solle. Durch die Intervention von Stjepan Radic wurde die Entscheidung dar­
über auf den 24. 11. verschoben.192

187 Novo doba v. 31.10.1918, S. 2. In dieser Ausgabe auch der vollständige Text des Beschlusses
des Sabor. In Dubrovnik fanden gleichfalls „große pro-jugoslawische Manifestationen“ statt;
vgl. Novo doba Nr. 35 v. 14.07.1918, S. 2.
188 Novo doba v. 01.11.1918, S. 1.
189 Zanini, Juraj, Makarska u proslosti i sadasnjosti (Makarska in Vergangenheit und Gegenwart),
Mostar 1935.
190 Peric, Ivo, Pomorska banka u Dubrovniku (Razlozi osnutka, tokovi poslovanja i uzroci likvi-
dacije) (Die Pomorska banka in Dubrovnik), in: Anali Zavoda za povijesne znanosti Jugosla-
venske Akademije Znanosti i Umjetnosti, Sv. XXVIII, Dubrovnik 1990, S. 227.
191 Vgl. Mestrovic, Ivan, Uspomene na politicke ljude i dogadaje (Erinnerungen an politische
Menschen u. Ereignisse), Zagreb 1969, S. 10 u. lOlf.
192 Vgl. Radic, Stjepan, Seljacka sviest i narodna volja, S. 25, hier zit. nach Muzic, S. 29.

93
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

c) Die Adriafrage: Außenpolitischer Druck als


Stabilisierungsfaktor nationaler Identität?

Die dalmatinische Öffentlichkeit wußte in jenen Tagen noch nichts von dem Brief,
den Ante Trumbic aus Paris am 31. Oktober 1918 an Anton Korosec geschrieben
hatte. Wut und Arger über die „armselige Oligarchie, die die Macht (in Serbien, A. J.)
usurpiert“ habe, wurde darin geäußert. Bei aller nach außen zur Schau gestellten Ei­
nigkeit der südslawischen Mitglieder des „Jugoslavenski odbor“ und der serbischen
Regierung schienen die Differenzen doch größer zu sein:
„Die gesamte Opposition im serbischen Parlament, die in der Mehrheit ist, wie auch die
öffentliche Meinung des Volkes in Serbien, ist sich einig mit uns und will gleichfalls nicht,
daß Serbien in unserem Volk die Rolle Preußens spielt, sondern danach streben, daß Serbien,
wie auch unsere anderen Länder, ein integraler Bestandteil des Ganzen sein wird, auf Basis
der nationalen Freiheit und der Gleichberechtigung. (...) Auf dieser Grundlage werden wir
nicht nur unser Volk vereinen und einen starken Staat schaffen, sondern wir werden so auch
Teile unseres Territoriums an der Peripherie retten können, die bedroht sind durch die An­
sprüche der benachbarten Völker.“193

Trumbic, und mit ihm die gesamte dalmatinische Öffentlichkeit, hatten dabei die Be­
setzung großer Teile Dalmatiens durch italienische Truppen im Auge. In einer Protest­
note vom 8. November 1918, wurde die Besetzung durch den in Zagreb tagenden
Nationalrat scharf kritisiert und unter Berufung auf das „Manifest des Nationalrates
(Narodno vijece) der Slowenen, Kroaten und Serben vom 19. Oktober“ darauf bestan­
den, daß es zur Gründung eines „unabhängigen und freien Staates“ der südslawischen
Völker auf dem Gebiet der untergegangenen Habsburgermonarchie gekommen sei,
und Italien daher kein Recht hätte, seine Truppen in diese Gebiete zu schicken.194
Aufgrund dieser „italienischen Bedrohung“ startete Josip Smodlaka Mitte November
in Dalmatien eine Aktion, zusammen mit der bosnischen Regierung der „nationalen
Einheit“, um den Nationalrat in Zagreb vor die Entscheidung zu stellen: entweder die
Vereinigung sobald als möglich und die Schaffung einer gemeinsamen Regierung mit
Serbien, oder Dalmatien und Bosnien würden sich allein an das Königreich Serbien
anschließen. Offiziell wurde von den Dalmatinern am 16. November 1918 die Ent­
scheidung für den Zusammenschluß mit Serbien binnen 5 Tagen verlangt,195 drei Tage
bevor die italienischen Truppen unter Vizeadmiral Mill, der zum „Gouverneur Dalma-

193 Vgl. Paulova, Milada, Jugoslavenski odbor. Povijest jugoslavenske emigracije za svjetskog rata
od 1914.-1918. (Der Jug. Ausschuß. Gesch. der jug. Emigration während d. Weltkrieges
1914.18), Zagreb 1924, S. 552.
194 Vgl. Boban, Ljubo, Hrvatske granice 1918-1993 (Kroat. Grenzen 1918-93), (2. Aufl.), Za­
greb 1993, S. 11.
195 Paulova, S. 577.

94
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

tiens und der dalmatinischen Inseln“ ernannt wurde, am 19. November anfingen, auf
der östlichen Seite der Adria Gebiete zu besetzen.196
Insgesamt besetzte die italienische Armee das Territorium von 31 der 88 dalmatini­
schen Gemeinden (mit 379 von insgesamt 875 Ortschaften). Flächenmäßig handelte
es sich um knapp 7000 Quadratkilometer. Mancherorts setzte eine rigide Talianisie-
rungspolitik ein, während sich in anderen Teilen Dalmatiens die italienische Besetzung
nur als anwesende Militärmacht manifestierte, die im Alltag kaum in Erscheinung
trat.197 Bis Anfang Juli 1921 räumte die italienische Armee die Orte Knin, Drais,
Vrlika, Split, Trogir, Korcula, Pag und Obrovac, der Abzug aus der zweiten Zone, aus
den Kreisen Benkovac, Skradin und Sibenik, erfolgte etwas später. Im März 1923 blieb
nur noch Zadar als Enklave unter italienischer Kontrolle, das nach der Ratifizierung
eines Freundschaftsvertrages zwischen dem Königreich SHS und Italien vom 27. Ja­
nuar 1924 unter die Souveränität Italiens fiel.
Ihre Expansionsbestrebungen waren, nach Meinung der italienischen Regierung, ge­
deckt durch den Vertrag von London, in dem 1915 Italien für den Kriegseintritt auf
Seiten der Alliierten u. a. Dalmatien versprochen wurde. Der Vertrag der Siegermächte
untereinander sah, auf Dalmatien bezogen, vor, daß große Teile Norddalmatiens, von
Lisarica und Tribanj im Norden bis zum Kap Ploce südlich von Sibenik, wie auch die
meisten Inseln (bis auf Brac, Veliki u. Mali Drvenik, Ciovo, Solta), an Italien fallen
sollten.198
In Dalmatien selbst stieß die italienische Besetzung auf geschlossene Ablehnung. In
35 dalmatinischen Gemeinden wurden geheime Volksabstimmungen durchgeführt, bei
denen sich eine fast hundertprozentige Mehrheit für den Anschluß Dalmatiens an das
Königreich SHS aussprach.199 Nur weil zwischen November 1918 und September
1921 Einheiten der amerikanischen Marine ein großes Gebiet (einschließlich der In-

196 Vgl. Dahlmann, Pariser Friedenskonferenz, S. 155 mit dem Verweis auf die entsprechende
Sekundärliteratur.
197 Die Verbote der italienischen Militärbehörden slawische patriotische Lieder in der Öffentlich­
keit zu singen oder die kroatische bzw. die Fahne des SHS-Königreiches zu hissen, führte,
zumindest soweit es an den Zeitungskommentaren ablesbar ist, regelmäßig zu großen Prote­
sten. Vgl. z.B. Jadran v. 28.04.1920. Den Widerstand zeichnet detailliert nach Mirosevic, Po-
celo je, S. 50ff.
198 Der Text des Abkommens in: Temperley, H. W. V. (Hg.), A History of the Peace Conference
of Paris, 6 Bde., London 1920-1934, hier Bd. V, S. 384-393. Genaue Grenzverläufe bei Sisic,
Jadransko pitanje, S. 6-9 u. Marjanovic, Milan, Londonski ugovor iz godine 1915. Prilog
povijesti borbe za Jadran 1914-1917. (Der Londoner Vertrag aus dem Jahr 1915. Ein Beitrag
zur Geschichte des Kampfes um die Adria 1914-17), Zagreb 1960, S. 443-449.
199 Vgl. Krizman, Bogdan, Planovi talijanske vrhovne komande na Jadranu koncem 1918. (Die
Pläne des italienischen Oberkommandos an der Adria Ende 1918), in: Pomorski zbornik 6/
1968, S. 681-693; Mitrovic, Andrija, Italija i stvaranje Jugoslavije 1918. godine (Italien und
die Schaffung des jugoslawischen Staates), in: Znanstveni skup u povodu 50. obljetnice ra-
spada Austro-Ugarske Monarhije i stvaranja jugoslavenske drzave, Zagreb 1969, S. 263-275.

95
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Abb. I: Die von Italien 1918 besetzten Gebiete an der östlichen Adriaküste

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Quelle: Lederer, Ivo, Yugoslavia at the Paris Peace Conference. A Study in Frontiermaking, New
Haven and London 1963, S. 55.

sein) längs der östlichen Adriaküste kontrollierte, das sich von Istrien bis Montenegro
erstreckte, kam es wohl nicht zu größeren Zusammenstößen.200
Admiral Benson bekam von seinem Kriegsministerium den Auftrag, einen möglichen
Krieg zwischen dem SHS-Königreich und Italien zu verhindern, wobei Josephus Da­
niels, „Secretary of the Navy“, dem Admiral, der sich auf der USS Birmingham be­
fand, schrieb: „our desire (is) to show sympathy with the Slavonic government being
formed in the late Austro-Hungarian Empire“. Das generelle Ziel „the early
establishment of stable govenment in Yugoslavia friendly to ourselves“ war in einem

200 Zivojinovic, Dragoljub, The United States and its unknown role in the Adriatic conflicts of
1918-1921, in: Istorijski casopis XXXVII 1990, S. 169-196; Lederer, Ivo J., Yugoslavia at the
Paris Peace Conference. A Study in Frontiermaking, New Haven and London, 1963.

96
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

„Memorandum“ schon vorher festgelegt worden.201 Aber die Situation vor Ort kom­
plizierte sich immer mehr „due to Italians“, wie Benson befand, und Ende November
waren die Verhältnisse zwischen den italienischen und amerikanischen Verbündeten
auf einem Tiefpunkt angekommen. In verschiedenen Denkschriften und Memoranden
an Präsident Wilson wurde die italienische Politik in Rijeka und Dalmatien als „re­
pressive, cruel, reactionary and malevolent“ beschrieben, so daß es nur zu verständlich
sei, wenn 750.000 Slawen nicht in den italienischen Herrschaftsbereich fallen woll­
ten.202 Das „Schicksal Fiumes hätte auch Split ereilen können“ schreibt Zivojinovic,
„wenn den Italienern (von den Amerikanern, A. J.) erlaubt worden wäre, ihre Pläne
in die Tat umzusetzen.203
Gabriele D’Annunzio stellte mit der Landung seiner Legionäre am 14. November
1919 in Zadar die dalmatinische Regierung und Bevölkerung vor vollendete Tatsachen.
Allgemein wurde dieses Vorgehen als Versuch begriffen, nach Rijeka jetzt auch Mittel­
dalmatien erst zu besetzen und dann an Italien anzuschließen. Man erinnerte sich noch
gut in Dalmatien an die kurze Episode von 1918, als drei Lastwagen voller italienischer
Soldaten am 23. September in Richtung Split gefahren waren und kurz vor Split, in
Trogir, Station machten. Wütende Demonstrationen der slawischen Einwohner gegen
die Italiener waren die Folge, und die amerikanischen Soldaten, die schließlich kamen
und die Lage entspannten, wurden stürmisch gefeiert.204 Auch im November 1919
kam es wieder in Split und Trogir zu Unruhen und Demonstrationen gegen die italie­
nischen Truppen. Das SHS-Königreich drängte energisch über seine Botschafter in
Washington und auf der Friedenskonferenz auf tatkräftige Hilfe und Unterstützung
durch Präsident Wilson gegen die italienischen Aspirationen. Da sich D’Annunzio
nicht stark genug fühlte für eine mögliche militärische Konfrontation, die ihm zu
drohen schien, verließ er mit seinen Freiwilligen Zadar schon nach ein paar Tagen.205
Bis zum September 1921, als der letzte amerikanische Zerstörer Split endgültig verließ,
kam es nicht mehr zu so bedrohlichen Situationen, obgleich die Spannungen zwischen
den eigentlich verbündeten Amerikanern und Italienern blieben. Nur als es im Juli
1920 zum Mord an dem italienischen Kapitän Gallo in Split kam, und der italienische
Marineminister Secchi drohte, zur Vergeltung Kriegsschiffe nach Split zu schicken,
rückte der Krieg zwischen Italien und seinem neuen Nachbarn an der östlichen
Adriaküste für einen Moment lang wieder näher. Erst als der Friedensvertrag von

201 Vgl. Memorandum #63, „Proposed decisions in the event of revolution in Austria-Hungary
from a naval point of view“, Naval Records, box 571, zit. nach Zivojinovic, S. 170.
202 Vgl. Memorandum by Niblack, Paris, April 5, 1919, Box 51, MSS Library of Congress, hier
zit. nach Zivojinovic, S. 172.
203 ebenda, S. 174.
204 Andrews to McCully, September 25, 1919, Naval Records, box 682; Papers and Diary of
Frank K. Polk, Polk Diary, September 25, 1919, Sterling Memorial Library, Yale University,
hier nach Zivojinovic, S. 190.
205 Vgl. den Brief des U. S.-Admirals Knapp to Chief of Naval Operations, London, November
28, 1919, box 682, hier zit. nach Zivojinovic, S. 177.

97

»
Bayerische
Staatsbibliothek
München 1
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Rapallo geschlossen war und sich die Verhältnisse stabilisiert und der jugoslawische
Staat international anerkannt war, zogen sich die Vereinigten Staaten aus der Adria
zurück.206
Die unsichere und unstabile außenpolitische Lage war es, die Ende 1918 die dalmatini­
schen Politiker aufs höchste beunruhigte: Der neuen dalmatinischen Regierung war
die Okkupation einiger Teile Dalmatiens, einiger Inseln und Zadars, neben der desola­
ten Versorgungssituation, das dringlichste Problem, das sie zu meistern hatte. Die sog.
„Adriafrage“, womit die Grenzziehung zwischen dem Königreich SHS und Italien in
Dalmatien gemeint war, beschäftigte und emotionalisierte die Bevölkerung an der Kü­
ste in hohem Maße. Eine ganze Reihe „künstlerisch-kultureller Manifestationen“ dal­
matinischer Künstler, die ihr „jugoslawisches Fühlen“ der in Italien geäußerten Auf­
fassung, daß die dalmatinische Kunst eng mit der italienischen verbunden sei, demon­
strativ entgegensetzen wollten, spricht für die Emotionalisierung und jugoslawische
Stimmung jener Zeit unter vielen Künstlern und Intellektuellen.207 Für die kroatischen
Mitglieder der SHS-Delegation war die ,Adriafrage' die „Hauptfrage, weit wichtiger
als alle anderen, die auf der Friedenskonferenz verhandelt wurde“,208 einschließlich
der Reparationsforderungen.209
Fast die gesamte östliche Adriaküste mit „mehr als „800.000 unserer Leute (400.000
Kroaten, 300.000 Slowenen und 100.000 Serben)“ sei in Gefahr gewesen, „von Italien
annektiert zu werden“, schrieb Josip Smodlaka in seinen autobiographischen Auf­
zeichnungen, und übertrieb die Zahl der Südslawen noch im Rückblick.210 Seine Ein­
schätzung der Dramatik der Situation entsprach aber wohl dem Fühlen vieler kroati­
scher wie serbischer Dalmatiner. Es existierte sogar eine (bislang so gut wie uner­
forschte) Geheimorganisation zur Befreiung der besetzten Gebiete in Dalmatien. In
den Leitungsgremien befanden sich Ivo Tartaglia, Prvislav Grisogono, Dusan Plavsic,
Milan Marjanovic, Juraj Demetrovic, Rudolf Giunio, der Oberst Dusan Gruber, Roko
Jokovic und Ivan Mestrovic. An die 3000 Mann standen unter Waffen bereit, verbor­
gen im Dinara-Gebirge. Die Hälfte der 12 Millionen Kronen für Waffen und Muni-

206 Der Vertragstext des Abkommens vom 12. November 1920 und des sog. „Adriapaktes“, der
am 27.01.1924 zwischen Italien und Jugoslawien geschlossen wurde zur Regelung der Grenz­
frage, in: Martens, G. (Hg.), Nouveau Recueil General des Traites, 3. serie, Bd. 12, S. 821ff.
u. 906ff.
207 Vgl. Bezic, Nevenka, Likovne izlozbe Splita 1885-1945, (Die Kunstausstellungen in Split
1885-1945) Split 1962, S. 7f.
208 Der Friedensvertrag des Königreiches SHS von St. Germain-en-Laye am 10. September 1919
mit Österreich regelte die Übergabe von Dalmatien, großer Teile von Kärnten und Krain
(Slowenien) an das Königreich SHS.
209 Nach Angaben der Delegation des Königreichs SHS gegenüber der Reparationskomission
der Versailler Friedenskonferenz 1919 betrug der gesamte materielle Schaden, den Dalmatien
während des Krieges erlitten habe, 693,5 Millionen Franken; vgl. Petranovic, S. 55. Es handelte
sich um eine willkürliche Zahl; Forderungen, auch nur in annähernder Höhe, konnten nicht
durchgesetzt werden.
210 Smodlaka, Zapisi, S. 103.

98
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

tion, die der Organisation zur Verfügung standen, hatte die „Erste Kroatische Spar­
kasse“ (Prva Hrvatska Stedionica) beigesteuert. Ehemalige k.u.k.-Offiziere standen
an der Spitze des Unternehmens unter dem Kommando von Stanko Turudija. Die
Verhandlungen mit Italien und schließlich der Vertrag von Rapallo vom 12.11.1920
führten dazu, daß sich die Organisation wieder auflöste, ohne militärisch aktiv gewor­
den zu sein.211
Aktiven Widerstand gab es aber durchaus auf anderen Ebenen. Die italienischen Ver­
suche, die Besatzung eines im Hafen von Split vor Anker liegenden Kanonenbootes
an Land gehen zu lassen, riefen beispielsweise den erbitterten Widerstand einer „auf­
geputschten Menge“ hervor, trotz aller Forderungen des amerikanischen Admirals,
„alle Ausschreitungen“ unbedingt zu verhindern.212 Es kam in mehreren dalmatini­
schen Orten zu Zusammenstößen mit italienischen Soldaten, manchmal auch mit To­
desfolgen.
Ante Trumbic, als eines der führenden Mitglieder des „Jugoslavenski odbor“ während
des Krieges,213 und nach allgemeiner Einschätzung in Dalmatien der „beste Kenner
jener Fragen“, und Josip Smodlaka sahen sich auf der Friedenskonferenz als Vertreter
Dalmatiens offenen italienischen Ansprüchen auf fast rein südslawisch, zum allergröß­
ten Teil kroatisch, besiedeltes Gebiet ausgesetzt.214 Bei den Friedensverhandlungen
war daher die Grenzziehung des neugeschaffenen südslawischen Staates gegenüber
Italien das schwierigste Problem für die heterogene Delegation. Das Verhandlungs­
klima, das Kroaten und Slowenen seites Italiens entgegenschlug, wird deutlich aus der
bekannten Äußerung des italienischen Premiers Orlando im März 1919, daß er diese

211 Vgl. Mestrovic, Uspomene, S. 138f. u. die Rezension von Bogdan Krizman in: JIC 4/1963,
S. 105-116.
212 Vgl. Smodlaka, Zapisi „U privremenoj vladi za Dalmaciju“, S. 65. Wegen seiner „großen Be­
mühungen im Jahre 1919 um den Anschluß unserer Stadt an das Königreich SHS“ wurde
der U. S.-amerikanische alliierte Flottenkommandeur, Vizeadmiral Philipp Andrews, auf der
Sitzung des Stadtrates vom 26. September 1924 zum Ehrenbürger von Split ernannt; vgl.
Splitski almanah 1925, S. 55.
213 Am 1. Mai 1915 in einem Pariser Hotel gegründet gehörten ihm, unter dem Vorsitz des Spliter
Rechtsanwalts Dr. Ante Trumbic (1864-1938), noch folgende Gründungsmitglieder an: Jovo
Banjanin, Dr. Ivo de Gulli, Dr. Julije Gazzari, Dr. Gustav Gregorin, Dr. Hinko Hinkovic,
Dr. Josip Jedlovski, Milan Marjanovic, Ivan Mestrovic, Dr. Mice Micic, Dr. Franko Potocnjak,
Dr. Nikola Stojanovic, Dr. Milan Srskic, Frano Supilo, Dr. Dinko Trinajstic, Dusan Vasiljevic,
Dr. Bogumil Vosnjak u. Dr. Niko Zupancic; vgl. Paulova, Jugoslavenski odbor, Zagreb 1925;
Stojanovic, Nikola, Jugoslavenski odbor, Zagreb 1927; Trumbic, Ante, Suton Austro-Ugarske,
Zagreb 1926; Leontic, Ljubo, O Jugoslavenskom odboru u Londonu, Zagreb 1961; Jugosla-
venska Akademija (Hg.), Jugoslavenski odbor u Londonu, Zbornik radova u povodu 50-
godisnjice osnivanja, Zagreb 1966.
214 Vgl. Ekspose Dr. Trumbica pred Vijecem Desetorice dne 18. februara 1919., in: Jadransko
pitanje na Konferenciji mira u Parizu. Zbirka akata i dokumenata, sabrao ih i objelodanio
Ferdo Sisic (Die Adriafrage auf der Pariser Fiedenskonferenz. Akten- u. Dokumentensamm­
lung), Zagreb 1920, S. 23-27, hier S. 25.

99
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Völker als „Feinde“ betrachte.215 Ganz im Sinne ihrer Vorstellungen von Nationalpo­
litik hielten die dalmatinischen Politiker daher den neugeschaffenen „Nationalstaat“
für den besten Garanten und Helfer beim „Kampf“ um Dalmatien. Doch zu ihrem
Erschrecken mußten beide Politiker feststellen, daß zwischen ihnen und dem von
Nikola Pasic angeführten serbischen Teil der Delegation ein „unüberbrückbar Unter­
schied" zu bestehen schien.
„Trumbic und ich“ erinnerte sich Smodlaka später, „standen zu den Wilsonschen Grundsätzen
und verurteilten mit Gewalt gezogene Grenzen; wir waren für Plebiszite, für Minderheiten­
schutz und für die Idee der Verständigung zwischen Demokratien. Pasic, der Wilsons Ideen­
gebäude nicht ernst nahm, dachte vollkommen entgegengesetzt. (...) Wie alle Nationalisten,
überdeckte Pasic seine Eroberungsabsichten mit dem Deckmantel historischer Rechte (...),
geographischen oder strategischen Gründen. All diese Gründe wogen für ihn mehr als der
Volkswille. Von Volksabstimmungen wollte er nichts wissen. Eroberungen nannte er „Befrei­
ung“ (...) Da er so dachte, ist es verständlich, daß er ruhigen Gewissens von Bulgarien Gebiete
verlangte, wo kein einziger Serbe lebte, oder für Serbien rein albanische Gebiete oder Teile
Ungarns beanspruchte, wo Serben eine kleine Minderheit waren oder gar nicht vorkamen. So
wie er dachten beinahe alle Serben. Doch unter Berufung auf dieselben Grundsätze rechtfer­
tigten die Italiener den Raub von Görz, des kroatischen Teils Istriens und Dalmatiens.“216

Die Vorstellung, die die so zusammengewürfelte Delegation folglich im Tauziehen um


Territorien und Menschen gab, braucht hier nicht im Detail zu interessieren. Wichtig
ist, diese erste Erfahrung idealistischer Ex-k.u.k.-Oppositionspolitiker mit machtstaat­
licher Realpolitik festzuhalten.217 Auch machte das Verhalten der Großmächte auf der
Konferenz den Verhandlungspartnern aus Dalmatien klar, welchen Stellenwert ihre
Wünsche im diplomatischen Tauziehen hatten: Bei der ersten Audienz hatte Clemen-
ceau noch betont: „Heute nimmt Serbien die ganze östliche Adriaküste ein; (...) Es
werden ihm alle Inseln gegeben, es wird die ganze Küste haben, Split, Sibenik, es kann
ohne Widerspruch unsererseits auch eine Kriegsmarine unterhalten.“ Unter Bekräfti-

215 Gilbert in der Maur, Die Jugoslawen einst und jetzt, 2 Bde., hier Bd. 2, S. lOf.
216 Vgl. Smodlaka, Zapisi, S. 93.
217 Pasic hatte 1914 den politisch aktiven Emigranten aus den österreich-ungarischen Gebieten
den Namen „Kroatischer Ausschuß“ vorgeschlagen und eine diskrete Agitation empfohlen,
um die Verhandlungen der Alliierten mit Italien nicht zu gefährden. Schon damals keimte bei
dalmatinischen Ausschußmitgliedern der Verdacht auf, ob sich Serbien nicht „unter Druck“
nur mit „serbischen Zielen“ begnügen würde. Die „große Enttäuschung“, die unter den Mit­
gliedern des Südslawischen Ausschusses ausbrach, als Supilo vom Foreign Office ein „Memo­
randum“ der serbischen Regierung ausgehändigt bekam, aus dem hervorging, daß Serbien von
den Alliierten alle Gebiete Österreich-Ungarns für sich beanspruche, wo „serbische Klöster“
ständen, und dazu ein Stück von Süddalmatien, das im Londoner Vertrag nicht Italien ver­
sprochen war, sollte sich später noch steigern. Die dem Memorandum beigefügte Landkarte
sprach für sich. Vgl. die Erinnerungen von Ivan Mestrovic in seinem Vorwort zu: Smith-
Pavelic, Ante: Dr. Ante Trumbic, München 1959, S. IX f. und in seinen Memoiren, die unter
dem Titel „Erinnerungen an politische Menschen und Ereignisse“ (Uspomene na politicke
ljude i dogadaje) zuerst 1961 in Buenos Aires erschienen.

100
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

gung seitens Lloyd Georges sicherte er weiter zu, daß England und Frankreich „eure
Freunde sein und bleiben wollen“, es läge ihnen sehr am Herzen, daß „Serbien materi­
ell, territorial und moralisch erstarkt.“218 Doch unzufrieden mit der unachgiebigen
SHS-Delegation wurde am nächsten Tag gedrägt „endlich einmal zum Schluß zu kom­
men“, die Konferenz könne sich doch nicht „unendlich hinziehen“, es könne nicht
angehen, daß „alles abgelehnt“ werde vom Königreich SHS. Die Drohung in den
Worten, daß es in Europa zu einer Situation kommen könne, „deren erstes Opfer Ihr
Staat sein wird“, war unüberhörbar.
„Es scheint mir“, bemerkte Clemenceau, daß es „zwischen Ihnen zwei Einflüsse gibt,
auf der einen Seite den serbischen, auf der anderen Seite den sehr viel unversöhn­
licheren kroatischen. Doch wir sind verpflichtet, nur die Tatsache in Betracht zu zie­
hen, daß es Serbien war, das vom ersten Tag an auf Seiten der Entente stand und
unzählige Opfer gebracht hat, während Kroatien gegen uns engagiert war, auf der
anderen Seite der Barrikade.“ Im Falle weiterer Unachgiebigkeit gegenüber den italie­
nischen Gebietsforderungen würde es zur „Applikation des Londoner Vertrages (...)
in allen seinen Bestimmungen“ kommen.219
Trumbic wies auf die während des Krieges gebildeten Freiwilligenverbände von Süd­
slawen aus der Donaumonarchie hin und betonte, daß „Kroaten und Slowenen“ in
einer Situation waren, für die sie „nicht verantwortlich“ gewesen seien, „unter frem­
den Herren, unter denen sie gelitten haben“. Doch er war sich wohl der eigenen
schwachen Position auf der Konferenz bewußt. Die Unterstützung Serbiens bei den
Verhandlungen fiel, in den Augen der kroatischen Delegationsmitglieder, jedenfalls
viel zu zurückhaltend aus.
Schließlich führte das lange diplomatische Ringen auf der Pariser Friedenskonferenz
und danach letztlich am 12. November 1920 zum Vertrag von Rapallo, der die Abtre­
tung Istriens, der Kvarner-Inseln, von Lastovo und Palagruza, sowie der Stadt Zadar
an Italien vorsah. Die Stadt Rijeka (Fiume) wurde zunächst zum Freistaat deklariert,
und 1924 gleichfalls von Italien annektiert. Für Rijeka/Fiume wurde ein Sonderstatus
als Freistaat vereinbart, der aber durch die Besetzung der Stadt durch die Truppen
D’Annunzios am 12. September 1920, und die Vertreibung der alliierten Kontrollko-
mission, hinfällig wurde.220 Seitens kroatischer Politiker wurde wieder der Verdacht
laut, daß Serbien sich nicht allzu sehr für die dalmatinisch-kroatische besiedelten Ge­
biete eingesetzt hätte. Mit der bitteren Feststellung, daß die „serbischen Politiker, die
an der Macht waren, samt und sonders Imperialisten und nur ihrem Reden und Na­
men nach Demokraten waren“, war Josip Smodlaka an der Küste nicht allein, wie
auch große Protestdemonstrationen gegen Rapallo im April 1920 bewiesen.221 In den

2is prava audijencija gg. Pasica i Trumbica dne 13. januara 1920., in: Jadransko pitanje hg. v.
Ferdo Sisic, S. 82-89, hier S. 85f.
219 Druga audijencija gg. Pasica i Trumbica dne 14. januara 1920. popodne, in: ebenda, S. 89-97,
hier S. 90f.
22° Vgl. Krizman, Jadransko pitanje, S. 257ff.
221 Vgl. Mirosevic, Pocelo je, S. 55f.; Wenn z.B. es bei einer Gemeinderatssitzung in Dubrovnik

101
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Augen der dalmatinischen Öffentlichkeit war das Ergebnis des Vertrages ein „ver­
stümmeltes Jugoslawien“ und eine „Erniedrigung für die jugoslawische Nation“ und
wurde nicht akzeptiert. Ohnmächtig wurde der „Streitkolben des (Kraljevic) Marko
und das Schwert der Zrinski-Frankopan“ für den Tag der Rache beschworen, die
über Italien kommen würde.222 Die slawischen Abgeordneten der an Italien fallenden
Gebiete protestierten auf einer Konferenz am 3. Januar 1921 gegen den Vertrag, da er
ein „Verstoß“ gegen nationale Rechte“ und das „Selbstbestimmungsrecht“ darstelle.
Telegramme an den Monarchen in Belgrad, wie dasjenige der Bewohner der Italien
zugeschlagenen Insel Lastovo, in dem der König gebeten wurde, nicht zuzulassen,
daß diese „Perle der Adria (...) in den Wellen der Fremden versinkt“, waren keine
Seltenheit.223
Auf der anderen Seite dürfte der ehemalige Volkstribun der dalmatinischen Tagelöhner
wohl auch nicht verkehrt gelegen haben, wenn er vermutete: „Sie (die Serben, A. J.)
sahen in uns kroatische Chauvinisten, die nur um kroatische Interessen besorgt waren
und die serbischen Interessen außer acht ließen; sie gingen sogar so weit, uns zu
beschuldigen, auf der Konferenz direkt gegen die serbischen Interessen zu arbeiten.
Unter solchen Umständen verwundert es nicht, daß beide Seiten eine ehrliche Zusam­
menarbeit hinfort als äußerst schwierig einschätzten.224
Seit dem Vertrag von Rapallo zwischen dem Königreich SHS und Italien war Dalma­
tien auch keine eigenständige Verwaltungseinheit mehr. Das Gesetz über die Verwal­
tungsgliederung von 1922 teilte die Region in die Bezirke (oblasti) splitska, dubro-
vacka und zetska mit Kreisen (kotar) und politischen Gemeinden ein.225 Der ganze
Staat wurde in 33 oblasti eingeteilt, wobei jeder Bezirk um die 800.000 Einwohner
umfassen sollte. Die Aufteilung war nicht zuletzt ein Mittel, den staatlichen Zentralis­
mus durchzusetzen. Die Vorstellungen Serbiens, wie der gemeinsame Staat einzurich­
ten sei, stießen schon bald auf Kritik auch überzeugter Anhänger der Idee einer südsla-

hieß, daß Skadar „nicht jugoslawisch sondern albanisch“ sei und „unser Volk“ nicht „zum
Unterdrücker“ derjenigen werden dürfe, die „um ihre Freiheit kämpfen“ (Novo doba v.
13.04.1920), dann war das klar gegen die serbische Verhandlungsführung gerichtet.
222 Rad v. 13.11.1920 u. Narodna svijest v. 17.11.1920. Vgl. auch Mirosevic, Franko, Mir u Rapallu
i dogadaji vezani uz njegovu primjenu u juznoj Dalmaciji (Der Frieden v. Rapallo u. die
Ereignisse bei seiner Umsetzung in Süddalmatien), in: Radovi zavoda za hrvatsku povijest
24/1991, S. 149-169.
223 Novo doba v. 22.11.1920 u. v. 12.01.1921, vgl. auch Mirosevic, Pocelo je, S. 56.
224 Sisic, Dokumenti, S. 96f. u. 103. Zahlreiche Quellenzeugnisse belegen, daß Serbien „wegen ein
paar hundert kilometer Adriaküste“ keinen hinreichenden Grund sah, dauerhaft mit Italien
im Konflikt zu sein. Und auch wenn Smodlaka den Feldwebel aus der Sumadija in seinen
Erinnerungen erfunden haben sollte, den er 1919, da dieser zum ersten Mal im Leben die
Adriaküste sah, ausrufen gehört habe: „Warum haben wird denn das hier erobert, es ist ja
nur der nackte Fels und nichts wert! “(Smodlaka, Zapisi, S. 117), so illustriert es doch, wie
auch die jugoslawisch eingestellten Intellektuellen den Alltag der Vereinigung gegen Ende der
Zwischenkriegszeit, rückblickend, in der Erinnerung behalten haben.
225 Vgl. Zakon o oblasnoj i sreskoj samoupravi v. 26.04.1922.

102
Das Ende des 'Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

wischen Gesamtstaatsbildung. So veröffentlichte Josip Smodlaka schon am 22. März


1919, als Delegierter des Königreiches SHS, auf der Friedenskonferenz in der französi­
schen Hauptstadt eine sog. „Pariser Deklaration“, aus der die Ablehnung des serbi­
schen Zentralismus und Forderungen nach „Selbstverwaltung“ und „Gleichberechti­
gung“ herauszulesen sind.226 Ein Jahr später veröffentlichte er seinen Vorschlag einer
jugoslawischen Verfassung auf demokratischer Grundlage mit föderativen Elementen,
der aber keine Beachtung fand.227
Die Parteien, die nach der Vereinigung in Dalmatien entstanden waren (durchwegs als
Ableger der „hauptstädtischen“ Parteien aus Zagreb oder Belgrad), versuchten haupt­
sächlich durch Zeitungen, die sie herausgaben oder finanzierten, ihre Adressaten zu
erreichen.228 Auch eine „Überparteiliche Vereinigung“ (Izvanstranacko udruzenje)
verschiedener Politiker jugoslawistisch-unitaristischer Prägung agierte zeitweilig in
Dalmatien. Männer wie Josip Smodlaka oder Melko Cingrija, die bei den Wahlen 1920
als Kandidaten auf der Liste der „Überparteilichen“ aufgestellt wurden, versuchten
sich klar von großserbischen Programmen abzusetzen, betonten aber die „Unaus-
weichlichkeit“ einer jugoslawischen Synthese.229 In immer neuen Organisationen und
Presseerzeugnissen mühten sich Intellektuelle den Gedanken einer „unauflöslichen
und unteilbaren“ jugoslawischen Nation in Dalmatien zu popularisieren. Auf die, von
unitaristisch-jugoslawischen Nationalisten häufig mit Gewalt geführten, Auseinander­
setzungen der verschiedenen Optionen wird noch einzugehen sein.230 Die Angriffe
auf die „schwarz-gelben Vögel und klerikalen Krähen“, die „Verräter“ und „Feinde“

226 Der Aufruf wurde u.a. v. Jovan Cvijic, Ante Trumbic, Bogumil Vosnjak, Vasa Stajic, Ferdo
Sisic, Veljko Petrovic u. Pavle Popovic unterschrieben; vgl. Smodlaka, Zapisi, S. 88ff. Der
Verfassungsentwurf Smodlakas sah die Schaffung von 12 Einheiten vor, wobei er neben den
„Kroatien“ und Slawonien“ genannten Einheiten an der Küste „Dalmatien“, mit Split als
Hauptstadt, und „Primorje“ (Küstenland) mit Dubrovnik als Zentrum vorsah.
227 Der Entwurf Smodlakas, der für eine monarchische Staatsform und eine Aufteilung des Lan­
des in 12 Regionen plädierte, die jeweils weitestgehende Budgetrechte haben sollten, wird
meistens außer Acht gelassen. Er spiegelt den in der dalmatinischen Intelligenz zu jener Zeit
zu beobachtenden Willen zu Jugoslawien wider. Die einander entgegengestellten zentralisti­
schen bzw. föderalistischen Verfassungsentwürfe sind ansonsten in der Literatur breit disku­
tiert worden; vgl. die Studie v. Ivo Banac (m. zahlr. weiteren Lit.-Ang.).
228 Vgl. Mirosevic, Franko, Odraz politickih suprostavljanja u juznoj Dalmaciji u lokalnom tisku
nakon stvaranja jugoslavenske drzave (Reflexe der politischen Auseinandersetzungen in Süd­
dalmatien in der Lokalpresse nach der Schaffung des jugoslawischen Staates), in: Historijski
zbornik XLIV (1), S. 119—141 mit Auflistung der Dubrovniker Parteizeitungen.
229 Novo doba v. 19. u. 20.11.1920.
230 In Split demolierten Mitglieder der „Organisation jugoslawischer Natrionalisten“ (Orjuna) in
der Nacht vom 29. auf denn 30.03.21 die Redaktion der Zeitung „Jadran“, die Räume der
Druckgenossenschaft (Tiskarska zadruga) und die Druckerei Leon (Leonova tiskara) und ver­
brannten zusätzlich die Exemplare der Zeitung „Das kroatische Wort“ (Hrvatska rijec) derer
sie habhaft werden konten.; vgl. Hrvatska rijec v. 12.04.1921. In Folge kam es sogar zu Mor­
den und Mißhandlungen an denen, die, nach Meinung der „Orjuna“, zu den Feinden Jugosla­
wiens gehörten.

103
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

des neuen Staates, „Separatisten“, „Austrophilen“, „Vatikan-Hörigen“ anti-staatlichen


Elemente, wozu bald in den der Demokratischen und Radikalen Partei nahestehenden
Publikationsorganen alle politisch aktiven Kroaten erklärt wurden, die nicht auf unita-
ristischer Linie lagen, wurden immer maßloser. Eine Polarisierung auf nationaler
Grundlage schritt daher in Dalmatien voran, da sich die politischen Kräfte (ausgenom­
men die Linksparteien) auf eben dieser Grundlage homogenisierten.
Ein gutes Beispiel für Homogenisierung aufgrund äußeren Drucks auf lokalem Niveau
ist die Tatsache, daß sich mit dem im August 1921 gegründeten „Kroatischen Block“
aus Kroatischer Republikanischer Bauernpartei, Kroatischer Gemeinschaft, Kroati­
scher Rechtspartei und Kroatischem Arbeiterbund Parteien zusammentaten, die vor­
mals durchaus unterschiedliche Vorstellungen vertreten hatten. Die wütenden Angriffe
auf vermeintlich „kroatisch-separatistische Positionen“ schufen sich aber ihren kollek­
tiven Feind selber, den sie in manchen politischen Einzelpersönlichkeiten und Hand­
lungen immer schon meinten entdeckt zu haben. Organisationen wie die „Jugoslawi­
sche fortschrittliche nationale Jugend“ (Jugoslavenska napredna nacionalna omladina,
JNNO)“, dem Vorläufer der Orjuna (Organizacija jugoslavenskih nacionalista), von
denen noch ausführlich die Rede sein wird, machten es sich zur Aufgabe, alle „Er­
scheinungen von Seperatismus auf Stammes-, religiöser oder klassenmäßiger Grund­
lage auf das Entschiedenste“ zu bekämpfen.231 Neben der „Pobeda“ (Der Sieg) der
Orjuna, taten sich die in Split erscheinende Zeitung „Drzava“ (Der Staat) und „Sloga“
(Eintracht) aus Dubrovnik besonders mit maßlosen Angriffen auf alle „Separatisten“
hervor. Fast jeder Leitartikel dieser Blätter dämonisierte in einer haßerfüllten Sprache
die Politik der Linken und der Bauernpartei. Kurzum: Jedes Mittel zur Vernichtung
vermeintlicher oder wirklicher Feinde des bestehenden jugoslawischen Staates wurde
gefordert und gebilligt.232 Auf der anderen Seite führten Propaganda und erlebte Re­
pression sowie eine wohl tatsächlich in Nachfolge des „serbischen Sieges“ merkbare
„Bevorzugung der serbischen Nation und der serbischen nationalen, kulturellen und
religiösen Gefühle“, dort wo die Mehrheit Kroaten waren dazu, daß sich die Polemi­
ken über Kroaten-, Serben- oder Jugoslawentum in Dalmatien immer mehr radikali-
sierten und auch das lokale politische Klima vergifteten.233
Doch nationale Fragen im Sinne der Auseinandersetzung um den Staatsaufbau be­
schäftigten gleichwohl mehr die Politiker aller Richtungen als die Bevölkerung. Den
Alltag prägten sie in den Zwanziger Jahren in Dalmatien nicht. Viel wichtiger war

231 Vgl. Matkovic, Svetozar Pribicevic i Samostalna demokratska stranka, S. 127.


232 Den in und mit der Sprache ausgetragene „Krieg“ (jezicki rat), wenngleich nur die kroatische
Seite, untersucht Stankovic, Dorde, Nacionalizam i politicka kultura. Istorijsko iskustvo prvih
godina jugoslovenske drzave (Nationalismus und politische Kultur. Die historische Erfahrung
in den ersten Jahren des jugosl. Staates), in: Tokovi istorije 1993/1-2, S. 111-122.
233 Im ,Kampf um Dubrovnik'in der Presse (wo die Volkzählung 1921 z.B. nur 2247 orthodoxe
Einwohner registrierte), das die jugoslawischen und serbischen Nationalisten das „slawische
Athen“ (slovinska Atina) und die kroatischen als „hrvatska Atena“ feierten, wird deutlich,
daß alle Angriffe der Orjuna gegen den „zersetzenden österreichischen Geist“ die Grundstim-

104
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte

zunächst nach dem Krieg die auch nach der Vereinigung immer noch desolate Versor­
gungssituation. Die unmittelbare Nachkriegszeit war von akuter Lebensmittelknapp­
heit gekennzeichnet. Die eigene Getreideproduktion langte bei weitem nicht, um die
Bevölkerung zu ernähren. Trotz aller Bemühungen der Landesregierung, die 1919 für
1,4 Millionen Kronen Getreide aus Slawonien kaufte, und 3094 Säcken Mehl, die
im selben Jahr die USA als Lebensmittelhilfe nach Dalmatien lieferten, litten v. a. im
dalmatinischen Hinterland, im Gebiet von Imotski und auf den Inseln (wo eine Dürre­
periode die Lage verschärfte) die Menschen Hunger.234 Auch wenn die neue Macht
betonte: „Die Landesregierung hat alles getan, was möglich war, um die Ernährung
Dalmatiens zu sichern“, mußte sie doch zugeben, daß große Fortschritte noch nicht
zu verzeichnen waren. Um eine Erklärung war sie nicht verlegen: „Wenn unsere Be­
mühungen bis jetzt noch nicht vom Erfolg gekrönt waren (...), so sind die Umstände
und vor allem die feindliche Meeresblockade daran schuld“.235 Wegen der Nahrungs­
mittelknappheit wurde von der Landesregierung zeitweilig sogar ein Verbot des Zu­
zugs in die Städte beschlossen. Die Bauern sollten auf dem Dorf bleiben.236 Die soziale
Unzufriedenheit bei der großen Mehrheit der dalmatinischen Bevölkerung, den Bau­
ern, wuchs weiter. Nicht nur für die Bürger in den Städten, sondern auch für sie
hatten sich handfeste Hoffnungen mit dem neuen Staat verbunden.
Dabei fällt auf, wie wenig die Protagonisten der jugoslawischen Vereinigung, neben
ihren endlosen Debatten um diplomatische und nationalpolitische Aspekte, Wert leg­
ten auf die Konkretisierung einer Entwicklungsperspektive, die auf die wirtschaftli­
chen Grundlagen Bezug genommen hätte. Es spricht eine deutliche Sprache, wenn,
die „größte artikulierte Affinität für Fragen einer Entwicklungsstrategie und Moderni­
sierung (...) in jener Zeit unter den südslawischen Emigranten in Nord- und Südame­
rika“ herrschte. Es war also nicht zufällig, daß genau dort, im Dezember 1918 in Chile
unter hauptsächlich dalmatinischen Arbeitsmigranten, das Mitglied des Jugoslawi­
schen Ausschusses, Milan Marjanovic, einer der wichtigsten kroatischen Fürsprecher
eines jugoslawischen Unitarismus, versuchte, eine „Diskussion über Nachkriegspro­
bleme“ in Gang zu setzen.237
Seine Überlegungen gingen über die ansonsten im Mittelpunkt stehenden nationalpo­
litischen Fragen hinaus, verloren sich aber bald in Phantasien einer Baltikum-Donau-

mung, was die Sympathie der dalmatinischen Öffentlichkeit anbelangte, nicht mehr zu wen­
den vermochte. Vgl. Pobeda v. 11.12.1926 u. Mirosevic, Odraz, S. 131 ff.
234 Vgl. Mirosevic, Polozaj dalmatinskog tezaka, S. 95ff.
235 Novo doba v. 30.11.1918, S. 1.
236 Sloga v. 31.12.1919.
237 Vgl. Marjanovic, Milan, Obnova. Zbornik za inicijativu i diskusiju poratnih problema (24
clanaka, sa 17 mapa u bojama) (Der Wiederaufbau. Sammelband für die Initiative und Diskus­
sion der Nachkriegsprobleme (24 Artikel, mit 17 Farbkarten), Valparais 1918; bis jetzt wurde
darauf meines Wissens nur eingegangen von: Roksandic, Drago, Agrarne ideologije i teorije
modernizacije u Jugoslaviji od 1918. do 1929. (Agrar- und Modernisierungstheorien in Jugo­
slawien von 1918 bis 1929), in: ders., Srpska i hrvatska povijest, S. 227-256, hier S. 228f.

105
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges

Balkan-Gemeinschaft, deren Völker „immer durch die Geschichte vom Westen durch
die Germanen, vom Osten von den Asiaten“ bedroht gewesen seien, die einen „agrar­
ischen Industrialismus“ ausbilden müßten, mit staatlich vorgeschriebener „sozialer
Arbeit für die Gemeinschaft“. In allen Teilen des neugeschaffenen (unitaristisch ge­
dachten) Staates fehlte dem jegliche Grundlage. So formulierte Marjanovic im Hin­
blick auf Jugoslawien: „Unser Land ist ein agrarisches, wie unser Volk (...) Unser
Problem liegt darin, daß wir dieses unser Land so extensiv und intensiv wie möglich
bearbeiten. Dafür braucht es: Arbeitskräfte, Maschinen, Saatgut und Organisation.
(...) Traktoren in Staatsbesitz müssen die fehlenden Ochsen und Pferde ersetzen. (...)
In unserer jugoslawischen Heimat wird es Land für jeden, Platz für jeden und Brot
für jeden geben.“238 Wie utopisch solche Zukunftsentwürfe waren, zeigt ein Blick auf
die dalmatinische Gesellschaft in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Auf das Leben
von Bauern, Bürgern und Arbeitern.

Abb. II: Bauern aus dem dalmatinischen Hinterland verkaufen ihre Waren auf dem
Markt in Split (um 1930)

Quelle: Kudrjavcev, Anatolij, Vjecni Split, Split 1985.

238 Marjanovic, Obnova, S. 7, 20, 36 u. 38.

106
III. Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und
ihr Scheitern. Kulturelle und sozio-
ökonomische Existenzbedingungen als
Grundlagen nationaler Identität

1. Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

In dem Abschnitt über wesentliche Merkmale moderner kroatischer und serbischer


Nationsbildung klang bereits an, daß mental-kulturelle Traditionen und der konfessio­
nelle Gegensatz zwischen Katholiken und Orthodoxen eine wichtige Rolle bei der
Herausbildung serbischer bzw. kroatischer Nationalidentität spielten. Wie wirkte sich
in Dalmatien dieser konfessionelle Gegensatz aus? Welchen Stellenwert hatte er? Be­
vor nun das Dorf und die in Dalmatien auch in der Zwischenkriegszeit weithin prä­
gende agrarische Lebenswelt untersucht werden soll, um die These von der Gleichar­
tigkeit der Lebensbedingungen und der zentralen Rolle der Konflikte um Land und
Arbeit in der Zwischenkriegszeit zu untermauern, die dann erst auf eine nationale
Ebene transferiert wurden, ist ein Blick auf das identitätsprägende und konfliktanfäl­
lige Nebeneinander der katholischen und serbisch-orthodoxen Kirche zwischen 1918
und 1941 geboten.
Eine genaue Untersuchung über den katholisch-orthodoxen Gegensatz als Grundfak­
tor der kroatisch-serbischen Spannung steht leider noch aus. Die benutzte Quellen­
basis dieser Arbeit und die Beschränkung auf die Region Dalmatien ließen es nicht
zu, Beobachtungen zur zentralen Rolle der Konfession bei der Nationsbildung1 oder
Theoreme wie das von der südosteuropäischen Konfessionsnation und ihre Bedeutung
beim Abschluß des Nationsbildungsprozesses in der betrachteten Zeit zu überprüfen.2
Immer wieder wurde und wird argumentiert, daß den beiden Konfessionen - Katholi­
zismus und Orthodoxie - jeweils unterschiedliche staatspolitische Konzeptionen in­
härent waren, die das Zusammenleben von Serben und Kroaten in einem gemeinsamen
Staatswesen auf Dauer ausschlossen. Die auf dem Prinzip der autokephalen Staatskir­
che und der Rechtgläubigkeit, auf Expansion ausgerichtete serbische Staatlichkeit auf

1 Schilling, Heinz, Nationale Identität und Konfession in der europäischen Neuzeit, in: Giesen,
Nationale und kulturelle Identität, S. 192 -252.
2 Turczynski, E., Konfession und Nation. Zur Frühgeschichte der serbischen und rumänischen
Nationsbildung, in: Geschichte und Gesellschaft 11 (1976).

107
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

der einen und der katholisch-universalistische, auf staatsrechtliche Kontinuität und


ein konstantes Territorium gegründete kroatische Staatsgedanke auf der anderen Seite,
seien in ihrem Wesen unvereinbar gewesen. Dem folgend wurde und wird die „Kultur­
grenze zwischen dem Westen und dem Osten Europas“, die seit der Teilung des Römi­
schen Reiches in einen Ost- und einen Westteil bis heute Bestand hätte, nach wie vor
häufig als Erklärung für die nun schon zweimal gescheiterte gemeinsame Staatsbildung
der Südslawen angeführt.3 Die „unterschiedlichen historischen Erfahrungen“ und Prä­
gungen werden angeführt, um die Heftigkeit und Brutalität der Auseinandersetzungen
von Serben und Kroaten in unserem Jahrhundert zu erklären und die „jeweilige staatli­
che Zugehörigkeit, die in kultureller, zivilisatorischer und geistiger Hinsicht ihre Spu­
ren hinterließ, angefangen von Einflüssen in Architektur und Städtegestaltung über
das Wirtschaftsleben bis hin zur Mentalität der Menschen“. Auf diese Weise seien
die Spannweiten und die unterschiedlichen Erscheinungsbilder, die unterschiedlichen
Traditionen und das Bewußtsein eigener Identitäten hauptsächlich zu erklären. Zu­
rückgeführt werden Unterschiede in Denkweisen, Mentalitäten, Gesellschaftsstruktu­
ren und politischen Einstellungen, in den Vorstellungen von Staatsaufbau und -Verwal­
tung, die durch die jeweilige staatliche Zugehörigkeit geprägt wurden „letztlich bis
auf die Jahrtausendwende (...), als sich die einen für die lateinische und die anderen
für die östliche Kirche entschieden.“4
Vorweggenommen soll schon hier festgestellt werden, daß im Folgenden keine reli­
giös-zivilisatorisch prägenden Traditionslinien oder gar in letzter Konsequenz rassisti­
sche Konstruktionen bemüht werden sollen, um Reaktionen auf Krisensituationen zu
erklären.5 Das heißt nicht, daß Beobachtungen wie von Ivo Pilar, der die unterschiedli­
chen Staats- und Kirchentradition von Serben und Kroaten und den verschiedenen
Stellenwert national-religiöser Identifikation betont hat, völlig von den Hand zu wei-

3 Goldstein, Ivo, Kroatien zwischen Ost und West, in: Lottes, Günther (Hg.), Region - Na­
tion - Europa. Historische Determinanten der Neugliederung eines Kontinents, Heidelberg
1992, S. 213-228, hier S. 213.
4 Völkl, Ekkehard, Jugoslawien - trotz formal guter Ausgangslage ein Auseinanderbrechen, in:
Lottes (Hg.), S. 229-240, hier S. 232 u. 234.
5 Auch manche Konstruktionen eines „Slavic social character“ scheinen problematisch (vgl. die
Diskussion bei Mestrovic, S./Letica, S./Goreta, M., Habits of the Balkan Heart. Social Cha­
racter and the Fall of Communism, Texas A&M University Press 1993). Stammväter der
Auffassung von der Existenz einer „dinarischen Rasse“ waren der Anthropologe und Geo­
graph Jovan Cvijic und der Psychologe Vladimir Dvornikovic. Unterschieden wird „the po-
wer-hungry, aggressive Rodopian-Dinaric or Ural herdsman“ vom „peacable, rural-plains far-
mer“ und beide wiederum vom „urban-industrial cosmopolitan type. Die Hypothese lautet,
daß die Bewohner abgelegener Bergregionen des ehemaligen Jugoslawien, im Gegensatz zu
den Städtern und den Bewohnern der Ebenen, als „less conducive to democracy“ bezeichnet
werden können. Moderne anthropologische Arbeiten zu archaischen Ritualen wie der Blutra­
che (vgl. die im Literaturverz. aufgef. Arbeiten von Karan) betonen gleichfalls die Abhängig­
keit bestimmter sozialer Verhaltensweisen von sozial-kulturell geprägten Normen, die sich in
abgelegenen Gegenden länger halten würden.

108
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

sen sind.6 Doch es ist wohl auch nicht zu bestreiten, daß solche Theorien große Berei­
che der Alltagswirklichkeit ausblenden.
Tatsächlich zeigte eine Analyse der zeitgenössischen Presse und der Archive der Re­
gionalverwaltung, daß sich die Lebensverhältnisse in Dalmatien regional und sozial
stark unterschieden. Doch die Trennlinie in Dalmatien verlief keineswegs zwischen
den Nationen, sondern eher zwischen Stadt und Dorf sowie zwischen dem unmittel­
baren Küstenstreifen und dem Hinterland. Ein signifikanter Unterschied, wie zwi­
schen den mehrheitlich muslimischen Grundbesitzern und den christlichen Kmeten
(Bauern) im benachbarten Bosnien beispielsweise, war in den Lebensverhältnissen von
Serben und Kroaten, wo sie gemeinsam im dalmatinischen Hinterland lebten, nicht
zu bemerken. Wie sind die oft beschworenen „kulturellen Unterschiede“ überhaupt
zu fassen? Definiert man den Begriff „Kultur“ mit Clifford Geertz als „local produc-
tion of meaning“, also nicht im normativen Sinn, so lassen sich charakteristische Ver­
haltens- und Kommunikationsstile bestimmter Gemeinschaften unterscheiden. Unter­
schiede zwischen Serben und Kroaten in Dalmatien lagen zuallerest auf religiös-kon­
fessionellem Gebiet. Begreift man, wieder im Geertz’schen Sinne, Kulturen als ein
geschichtlich überliefertes Muster von in Symbolen verkörperten Bedeutungen, als
System ererbter Vorstellungen, ausgedrückt in symbolischer Formensprache, wird ihr
Stellenwert im Alltag, und damit auch ihre Relevanz bei der Rezeption und Internali­
sierung von verschiedenen Identifikationsangeboten, unmittelbar deutlich. Nur inner­
halb einer Kultur, in Symbolsystemen, läßt sich Wissen speichern und lassen sich
Einstellungen zum Leben entwickeln, mitteilen und festschreiben. Kultur als Gesamt­
heit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, inklusive der sie tragenden Gei­
stesverfassung und Werteinstellungen ist folglich immer auch ein Begriff der politi­
schen und wirtschaftlichen Ordnung. Kultur ist also weniger im Sinne von Kunst,
Literatur, Musik und Wissenschaft zu verstehen, als vielmehr im Sinne von Deutungs­
mustern, Lebensführung und symbolhaltigen Gebräuchen.7 Auf Basis eines so ver­
standenen Kulturverständnisses läßt sich der virulente kirchenpolitische Gegensatz,
was der unterschiedlichen Rolle der orthodoxen und der katholischen Kirche im Ge­
samtstaat geschuldet war und keinesfalls Konflikte religiöser Natur waren, übersetzen
in einen Moment, der bei der Abgrenzung von Serben und Kroaten an der Küste
Wichtigkeit erlangte. Will man überhaupt von unterschiedlicher „Kultur“ oder „Men­
talität“ von Serben und Kroaten in Dalmatien sprechen, muß also der Bezug zum

6 Leo von Südland (Ivo Pilar), Die südslawische Frage und der Weltkrieg, Wien 1918, unter dem
Titel: Pilar, Ivo, Eine Geschichte Kroatiens, Serbiens und Bosniens. Bearbeitet von Michael
Ackermann (3. Auf!.), Heiligenhof-Bad Kissingen 1995, auf Deutsch neu herausgegeben. Die
Herausgeber der „Heiligenhofer Studien zu Volkstumsfragen“ (Rudolf Grulich u. Ortfried Kot­
zian) bescheinigen dem religions-psychologischem Ansatz „brennende Aktualität“ (ebenda,
Zum Geleit, S. 9). Von denselben Herausgebern auch die dt. Übersetzung von Dominik Mandics
„Kroaten und Serben - zwei alte verschiedene Völker“, Heiligenhof-Bad Kissingen 1989.
7 Kocka, Jürgen, Einl., in: ders. (Hg.), Sozialgeschichte im internationalen Überblick, Darm­
stadt 1989, S. 1-17.

109
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

kirchlichen Hintergrund thematisiert werden. Alle Postulate mentalitätsbedingter Un­


terschiede blieben ansonsten vollends leere Konstruktionen. Gleichwohl sollten aber
die konfessionellen Unterschiede auch nicht zu hoch bewertet werden. Ohne den
zentralen Kapiteln der Arbeit, in denen die dörfliche und städtische Lebenswelt Dal­
matiens betrachtet werden soll, vorzugreifen, soll hier exkursartig versucht werden,
den Stellenwert konfessionell-kultureller Unterschiede näher zu bestimmen.
Daß die unterschiedliche Konfession bei der Schaffung der modernen kroatischen wie
serbischen Nation eine signifikante Rolle spielte, kann nicht bestritten werden. Alle
südslawischen Politiker zerbrachen sich den Kopf über taugliche Abgrenzungs- und
Definitionskriterien, was die Nation, die im Entstehen war, ausmachte. In seiner Bio­
graphie des kroatischen Bauernführers Stjepan Radic stellt Ivan Muzic fest, daß dieser
ursprünglich nicht der Auffassung war, daß ausschließlich Katholiken Kroaten seien,
vielmehr fielen bei ihm staatsrechtliche und ethnische nationale Bestimmungsmerk­
male in eins. In jenen Gebieten, die für ihn kroatisch waren, wurde, seiner Meinung
nach noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts, erst das „Serbentum durch Glaubenspro­
paganda unter den Orthodoxen ins Volk getragen“. Die Tatsache, daß auf dem Gebiet
Kroatiens Menschen lebten, die sich als Serben fühlten, erkannte er an, suchte aber
zeitlebens nach Wegen, diese dazu zu bewegen, in Kroatien und nicht im serbischen
Staat ihre politische Heimat zu sehen. Den Stellenwert vor-nationaler, religiös-konfes­
sionell geprägter Identitäten im Prozeß der Formierung moderner nationaler Identitä­
ten unter den Südslawen schätzte er in seiner Bedeutung richtig ein. Er bedauerte
zwar, daß „wir den Prozeß der nationalen Bewußtwerdung (...) so eng auf der einen
Seite mit dem katholischen, und auf der anderen Seite mit dem orthodoxen Glauben
verbunden haben“, war sich wohl aber klar darüber, wie weit diese Entwicklung An­
fang des 20. Jahrhunderts schon fortgeschritten war. Der weitere Gang unseres Jahr­
hunderts widerlegte aber mehrfach auf blutige Weise seine Schlußfolgerung, die er aus
der religiös-ethnisch-nationalen Gemengelage zog:
„Nicht lange, dann wird es keinen Orthodoxen mehr geben, der unsere Sprache spricht,
und sich nicht als Serbe fühlt, auch wenn er sogar unter dem Triglav (höchster Berg
Sloweniens, A. J.) leben würde. So werden auch die Katholiken im bosnischen Podrinje
durch die Bank zu Kroaten werden. Und wenn es schon so sein muß, dann sehe ich in
diesem Übel auch ein goßes Gutes: wir haben uns so durchmischt, daß wir uns einigen
müssen, selbst wenn wir einander auch vollkommen fremd wären. Zwischen uns läßt
sich nirgendwo eine Grenze ziehen, nicht einmal durch einen Bürgerkrieg können
wir einzelne Gebiete „säubern“, wenn wir uns nicht gegenseitig ausrotten und völlig
vernichten wollen. Die 'Versöhnung von Kroaten und Serben ist unumgänglich, wenn
wir nicht nur nicht am Bewußtsein, sondern auch am natürlichen Instinkt unserer
Leute zweifeln wollen. “8 (Hervorh. A. J.)

8 So Stjepan Radic in seinen „Gefangenenerinnerungen“ (Uznicke uspomene, Zagreb 1971,


S. 81 ff.), hier zit. nach Muzic, Ivan, Stjepan Radic u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca
(3. Aufl.) Zagreb 1988, S. 13f.

110
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

Beim Versuch, die dalmatinische Gesellschaft der Zwischenkriegszeit zu verstehen,


hilft die Vorstellung von „sozialmoralischen Milieus“ im Sinne der Annahme lebens­
weltlicher Erfahrungszusammenhänge mit jeweils spezifischen Sinnstiftungsbezügen,
wie sie in neueren sozialgeschichtlichen Arbeiten verwendet wurde.9 Milieus mit ihren
Verbindlichkeiten und deren Wandel, wie die Überlappung unterschiedlicher Milieu­
kontexte, konstituierten auch die dalmatinische Gesellschaft. Städtische und ländliche
Lebenswelten sind klar voneinander zu unterscheiden. Auf den Dörfern wiederum,
wo der weit überwiegende Teil der Menschen dieser Region während der Zwischen­
kriegszeit lebte, spielten Brauchtum und Religion immer noch eine wichtige Rolle
(auch bei der Entscheidung für nationalpolitische Optionen). Wenn es in dalmatini­
schen Dörfern hieß: „Bolje da nestane sela, nego u selu adeta!“ (Besser unser Dorf gibt
es nicht mehr, als daß im Dorf die Bräuche verschwinden), spiegelt das die Wichtigkeit
überkommener kultureller und symbolischer Handlungen in der noch traditionell ge­
prägten agrarischen Lebenswirklichkeit Dalmatiens nach dem Ersten Weltkrieg.10 Die
christliche Überformung von Traditionen, die Orientierung der Feste am katholischen
oder orthodoxen Kirchenjahr oder Heiligenkalender konnte nicht verbergen, daß die
lokale Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit einer Natur, von der sie noch in
vielem abhing, oftmals vorchristlichen Erklärungsmustern vertraute.11 Wenn beispiels­
weise in vielen Dörfern der katholische Priester an Hl. Drei Könige (6. Januar) in
einem großen Gefäß Wasser segnete, konnte die Verwendung dieses „heiligen Was­
sers“ nur mit Mühe als im Einklang mit christlichen Glaubensinhalten bezeichnet
werden. Im Haus aufbewahrt diente es als Allheilmittel, in kleinen Fläschchen in
aufgeschichteten Begrenzungsmauern von Weinbergen oder Olivenhainen deponiert,
sollte es die bösen Geister vom Feld weghalten und eine gute Ernte sichern.12
Differenzen und Identitäten von Serben und Kroaten Dalmatiens in der Zwischen­
kriegszeit speisten sich sowohl aus ihrer Erfahrungswelt als auch aus nationalpoliti­
schen Überzeugungen. Die gemeinsame katholische oder orthodoxe Konfession bil­
dete einen Fixpunkt bei der Herausbildung auch von politischer Identität. Doch kon-

9 Mallmann, Klaus-Michael, Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer


revolutionären Bewegung, Darmstadt 1996.
10 Gleichzeitig häuften sich gegen Ende der Zwischenkriegszeit, freilich in zumeist von Geistli­
chen verfaßten Dorfchroniken, die Klagen, wie sehr die „moderne Zivilisation“ die alten
Bräuche in Dalmatien schon zurückgedrängt hätte; vgl. z.B. die Chronik von Don Frane
Ivasovic: Kastel-Stari. Crtice iz njegove povijesti i zivota, Split 1940.
11 Vgl. Petrovic, Sreten, Uvod u kulturu Srba (Einführung in die Kultur der Serben), Nis 1994, der
die vorchristlichen Traditionslinien im serbischen Fall herausarbeitet. Vieles, was Untersuchun­
gen des Lebens vorindustrieller agrarischer Lebenswelten, z. B. auf dem russischen Dorf (Alt­
richter, Helmut, Die Bauern von Tver. Vom Leben auf dem russischen Dorfe zwischen Revolu­
tion und Kollektivierung, München 1984), oder anderswo in Europa (Beck, Rainer, Unterfin­
ning. Ländliche Welt vor Anbruch der Moderne, München 1993) zeigten, findet seine Entspre­
chung in Dalmatien; eine detaillierte Darstellung würde aber den Rahmen des Themas sprengen.
12 Vgl. z.B. die Dorfchronik von Petar Fistanic: Pisak kroz vjekove (Pisak durch die Jahrhun­
derte), Pisak 1989, S. 86, der diesen Brauch bis lang nach dem Zweiten Weltkrieg feststellt.

111
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

fessionelle Unterschiede allein, dies beweist die Realität vergangenen Zusammenle­


bens, hätten nicht zu solchen Konflikten geführt, wie sie während der
Zwischenkriegszeit an der Tagesordnung waren. Soziale, kulturelle und politische Un­
terschiede wurden zu Gegensätzen, da sich Erklärungsmuster durchsetzten, die die
Unterschiede in letzter Konsequenz zum Grund aller Übel erklärten. Der Unter­
schied, der in den Augen der Bauern „seit jeher“ existierte, zwischen der großen
katholischen Mehrheit und einer orthodoxen Minderheit in Dalmatien, verband sich
nun mit politischen und sozialen Konfliktlinien. Zumindest mühten sich die nationa­
len Politiker, wenn sie in ihren Reden ausführten, warum die Preise für die Produkte
der Bauern niedrig und die Steuern, die in eine weit entfernte Hauptstadt gingen, hoch
waren, um eine klare Abgrenzung, wer „zu uns“, und wer „zu ihnen“ gehörte. Das
konfessionelle Unterscheidungskriterium war somit immer dabei. Doch eine religiöse
Überformung von Konfliktlagen war eher die Ausnahme als die Regel.
Zum Tragen kam aber das Machtgefälle im 1918 neugeschaffenen Staat, von dem ein­
deutig die orthodoxe Kirche profitierte. In mehrheitlich katholischen Gebieten, wie
Dalmatien, wurden spätestens in den 30er Jahren Kirche und Pfarrgemeinde so im
Bewußtsein der Bauern zum Gegenpol staatlicher Herrschaft. In dem Moment, als -
besonders augenfällig sichtbar an der gescheiterten Agrarreform - die Hoffnungen,
die sich mit dem neuen Staat verbunden hatten, enttäuscht wurden, erleichterte das
Vorhandensein eines katholischen Milieus, das von Anfang an eine religiös grundierte
Gegnerschaft symbolisieren konnte, die Hinwendung zu einer bewußten kroatischen
Identität. Eine religiöse Verwurzelung aber im Sinne der Zugehörigkeit zu einem ,so­
zialmoralischen Geflecht“, in dem sich Sinnstiftung, Gemeinschaftsbildung und Cari­
tas verbanden, existierte hauptsächlich in den Städten. Religion war besonders dort
für „bewußte“ Katholiken mehr als bloßer individueller Glaube. Gemeinsame Wert­
vorstellungen, Heilsgewißheiten und eine so verstandene katholisch-kroatische Identi­
tät bildeten den ideellen Kitt, der das katholische Milieu zusammenhielt. Die katholi­
sche Kirche bemühte sich auch, sei es von der Kanzel herab, durch ihre Presse oder
durch ihr nahestehende Politiker, Normen, Werthaltungen, Mentalitäten und Über­
zeugungen zu prägen. Zweifelsohne waren die Voraussetzungen dafür in Dalmatien
bei keiner anderen Institution so gut wie bei der katholischen Kirche.

a) Das Kroatisch-katholische Dalmatien

Auch wenn es keinerlei offizielle Stellung der katholischen Kirche bezüglich der
Schaffung des jugoslawischen Staates gab, und der kroatische Klerus zudem verschie­
dene Strömungen aufwies,13 so läßt sich wohl mit Recht von einer festen Verankerung

13 Der Zagreber Erzbischof Antun Bauer, der zu Anfang des Jh. auch die Kroat.-Serb. Koalition
unterstützte, begrüßte 1918 die jugoslawische Einigung ausdrücklich.

112
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

kroatisch-staatsrechtlicher Argumentationen im Klerus reden.14 So begrüßte der Spli-


ter Bischof 1925 die 1000-Jahr-Gedenkfeiern zu Ehren der mittelalterlichen kroati­
schen Staatsgründung unter König Tomislav als „Feier des katholischen kroatischen
Volkes“ und betonte die westliche Sendung der Kroaten, wie sie sich in Gesellschaft,
Kultur und Staatsrecht manifestieren würde.15 Wenn auch die vom katholischen Senio-
rat aus der Taufe gehobene katholische Kroatische Volkspartei (Hrvatska Pucka
Stranka), die 1928 in der Bauernpartei aufging, keine große politische Wirkung entfal­
tete, so war der katholische Einfluß in Dalmatien natürlich trotzdem überall spürbar:

Abb. III: Katholische Gemeinden in Dalmatien

SPLITSKA METROPOLIJA
I ZADARSKA NADBISKUPIJA

Quelle: Opci sematizam Katolicke crkve u Jugoslaviji. Izdavac Biskupska Konferencija Jugosla-
vije, Zagreb 1975, S. 19.

14 Muzic, Ivan, Pavelic i Stepinac, Split 1991, S. 126, wo der Verf. den während der Zwischen­
kriegszeit amtierenden Spliter Bischof Bonefacic u. den Dubrovniker Bischof Carevic als auf
der Linie der Kroatischen katholischen Bewegung beschreibt. Zur Politik des Vatikan vgl.
Rhodes, Anthony, The Vatican in the Age of the Dictators (1922-1945), New York Chicago
San Francisco 1973, bes. Kap. 10 „The Habsburg Secession States“, S. 141-160 u. Kap. 22
„Anton Pavelitch, a Catholic Dictator“, S. 323-336.
15 Vgl. Okruznica splitskog biskupa katolickom narodu (Rundschschreiben des Spliter Bischofs
an das kath. Volk), in: Narodna svijest v. 22.10.1924.

113
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Fast in jedem größeren Dorf, das nicht ausschließlich orthodox war, gab es zumindest
einen Pfarrer, wie obenstehende Abbildung aus dem „Allgemeinen Schematismus der
katholischen Kirche“ verdeutlicht, aus der die Dichte des Netztes der katholischen
Gemeinden in Dalmatien hervorgeht.
Freilich bedeutete ein katholischer Priester im Dorf noch keineswegs das Vorhanden­
sein ganzheitlicher Eingebundenheit und Kohärenz eines katholischen Milieus. Es exi­
stierten sowohl auf dem Dorf, als auch in der Stadt überschneidende Loyalitäten.
Nichtsdestotrotz wurde die sogenannte „Kroatische katholische Bewegung“ (Hrvatski
katolicki pokret), als zusammenfassende Bezeichnung für die kirchlichen oder kir­
chennahen Laienorganisationen, ein Bollwerk kroatischen Nationsverständnisses, bei
allen Unterschieden, die innerhalb dieser „Bewegung“ bestanden. Die kirchlichen Or­
ganisationen, die zur „Kroatischen katholischen Bewegung“ gehörten, waren, wie ihre
Pendants in anderen Ländern, die Antwort der Kirche auf die scheinbar unaufhaltsam
voranschreitende Liberalisierung des öffentlichen Lebens.16 Nach 1925 ließen sich
auch offiziell zwei „Strömungen“ in der katholischen Bewegung ausmachen: Auf der
einen Seite der „Domagoj“-Flügel, den man als „national“-kroatisch eingestellt be­
zeichnen könnte, zu dem die Franziskaner sowie die akademischen und theologischen
Laienbewegungen zu rechnen sind, die zusammen mit anderen, auch liberalen, politi­
schen Kräften, die „nationale Einheit“ der Kroaten anstrebten. Der andere Flügel, der
als „integralistisch“ bezeichnet worden ist, hatte starken Rückhalt bei den Jesuiten,
und stand den Publikationen „Dan“, „Vrhbosna“, „Hrvatski dnevnik“ u. a. nahe. Er
bestand mehr auf kirchlichen Grundsätzen und dem katholisch-religiösen Charakter
der katholischen Vereinigungen. Nach 1929 sind die Bruderschaften des Kreuzes (Kri-
zarsko bratstvo) vom Vereinsverbot ausgenommen worden, infolgedessen transfor­
mierte sich auch die Orao-Bewegung, als Teil des „Gebets-Apostolates“ (Apostolat
molitve), zu einer Bruderschaft. Trotz aller Bemühungen der katholischen Hierarchie
ließen sich aufgrund der programmatischen Differenzen „Katholische Aktion“, Do-
magoj und die Bruderschaften organisatorisch nicht vereinen.17 Doch aus handschrift­
lich geführten Gemeindetagebüchern geht eine soziale und stellenweise auch explizit
politische katholische Infrastruktur in den jeweiligen Pfarreien hervor,18 die starke
soziale Prägekraft besaß,19 wobei sich alle Strömungen, wie aus ihren Publikationen
hervorgeht, in einem ausgeprägten kroatischen Nationalgefühl einig waren.20 Am Ver-

16 Die „Katholische Aktion“, von Pius XI. angestoßen, propagierte die „geistige Erneuerung“
der Gesellschaft durch geistige Mittel, unter Anleitung der kirchlichen Hierarchie.
17 Hrvatski leksikon, S. 581; Perovic, B., Hrvatski katolicki pokret - moje uspomene (Die kroat.
kath. Bew. - meine Erinnerungen), Rom 1976; Sanjek, F., Krscanstvo na hrvatskom prostoru
(Das Christentum im kroat. Raum), Zagreb 1991.
18 Vgl. z.B. im PAS „Pravilnik Bratovstine Svetog Kriza za cascenje Presvetoga Sakramenta i za
polaksanje dusa Ocistilista sa sijelom u zupskoj crkvi sv. Kriza V. Varosa u Splitu“ v. 1929.
19 Obicajnik zupa sv. Petra na Luccu - Split 1918-1941, im PAS.
20 Vgl. Blätter wie den Akvinac (hektographiert) hrsg. v. Dominikanska fil.-teol. mladez, Du-
brovnik 1938, wo die „erhabenen Gefühle des Glaubens, der Volkszugehörigkeit und der

114
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

halten ihrer Mitglieder bei demonstrativ „jugoslawischen“ Feierlichkeiten aller Art,


denen sie fernblieben und dafür eigene Manifestationen organisierten, wurde das of­
fensichtlich. Waren es 1923 noch 20 traditionelle „Bruderschaften“ (Bratovstine) ge­
wesen, so stieg ihre Zahl und die anderer katholischer Laienvereine in den 30er Jahren
stark an21 und Organisationen wie die „Mädchengesellschaft der Marientöchter“ (Dje-
vojacko drustvo kceri Marijinih), die „Armee des hl. Herzens Jesu“ (Vojska presvetog
Srca Isusova) oder Brüder- bzw. Schwesternschaften des Kreuzes (Krizarsko se-
strinstvo bzw. bratsvo) wurden auch in vielen, v. a. küstennahen Dörfern gegründet.22
Anhand der Spliter Diozöse läßt sich die Relevanz des Phänomens demonstrieren.
Die Zahl der katholischen Gläubigen zum 1. Juli 1937 in der „Dioceses Spalatensis“
gab der „Allgemeine Schematismus“ mit 279.333 an,23 von denen sich, nach Angaben
der Kirche, im Jahr 1939 insgesamt 32.262 in „Katholischen Vereinen“ aktiv engagier­
ten. Auch wenn man berücksichtigt, daß sich Mitgliedschaften in den Vereinen der
Katholischen Aktion und den „Frommen Gesellschaften“ teilweise überschnitten,
wird deutlich, wie stark die katholische Infrastruktur in Dalmatien war.24 Katholische

Freiheit“ als die „stärksten psychischen Lebensquellen jedes Volkes“ bezeichnet und verherr­
licht wurden.
21 1923 gab es in der Innenstadt vier (Svetog Duha, Gospe od Dobrica, Gospe od Zvonika und
Sv. Kate), im Stadtteil „Lucac“ drei (Sv. Petra, Sv. Roka, Gospe od Pojisana) und im „Varos“
13: „Sv. kriza, Gospe od Zdravlja, Angjela Strazara, Sv. Jerolima, Sv. Antona, Sv. Mikule,
Gospe od Soca, Sv. Petra, Sv. Mande, Gospe od Poljuda, Gospe od Spinuta, Sv. Fabijana und
Sv. Luke). Vgl. Skarica (Hg.), Splitski shematizam za godinu 1923, S. 54.
22 Vgl. z.B. Bebic, Josip, Brela, S. 113f.
23 Vgl. Draganovic, Krunoslav (Hrsg, im Namen des Episkopats Jugoslawiens), Opci sematizam
Katolicke crkve u Jugoslaviji, Sarajevo 1939, Kap. III, S. 179ff. Die „Andersgläubigen“ vertei­
len sich auf 14.508 Orthodoxe, 331 Juden, 187 Muslime und 345 „übrige“. Die Diozöse teilte
sich in 7 Dekanate, 143 Gemeinden und sechs Kaplanschaften. Das Konkordat von 1935, das
nicht in die Praxis umgesetzt wurde, hatte vorgesehen, daß Split zum Sitz eines Erzbistums
erhoben werden sollte, welches ganz Dalmatien umfassen sollte. Vorläufer dieses Schematis­
mus war: Mrkun, Anton, Crkveni prirucnik za katolicke Jugoslavene, Ljubljana, o.J.
24 Opci sematizam Katolicke crkve, S. 204; In der Diozöse Split waren aktiv: 1. Drustva Kato­
licke Akcije (Vereine der Katholischen Aktion): 10 Bruderschaften des Kreuzes (Krizarsko
bratstvo) (326 Mtgl.), 3 Schwesterschaften (Krizarsko sestrinstvo) (243 Mtgl.), 11 Gesellschaf­
ten katholischer Männer (Drustva katolickih muzeva) (536), 13 Gesellschaften kath. Frauen
(Drustva katol. zena) (642), 10 Gesellsch. der bäuerlich-katholischen Jugend (Drustva seljacke
katol. omladine SKOM) (325), 5 d. weibl. Jugend (Drustva seljacke katol. zenske omladine
SKOMKA) (243), 3 Kath. Schülerorganisationen (Dacke katol. organizacije) (215), 18 versch.
Kinderorganisationen, v.a. die sog. „Jungen Helden“ (Djecja udruzenja pod raznim naslo-
vima, vecinom „Mladih junaka“ 18 (1073), 1 Gesellsch. der kath. Arbeiterjugend (Drustva
katol. muske radnicke omladine) (65), 3 der kath. weibl. Arbeiterjugend (Drustva katol. rad­
nicke zenske omladine) (165);
2. Pobozna drustva (Fromme Gesellschaften): Bratovstine Presv. Sakramenta 68 Vereinigun­
gen (5890 Mitglieder), Bratovstine Gospe od Karmela 25 (6301), Bratovstine Gospe od
Zdravlja 7 (450), Treci red 32 (2451), Bratovstine Gospe Lurdske 2 (170), Bratovstine Gospe
od Ruzarija 16 (4236), Sonstige Marien-Bruderschaften (Gospine bratovstine) 6 (285), Mariji-

115
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Tageszeitungen, wie die in Zagreb zwischen 1929 und 1941 erscheinende „Hrvatska
straza“ (Kroatische Wache), vertraten scharf-antikommunistische kroatisch-nationale
Standpunkte.
In Erinnerungen von kroatischen „Nationalisten-Katholiken“, wie Vera Korsky die
Kreise an der Universität Zagreb bezeichnete, denen sie sich anschloß, wurde durch­
gängig die „drzavotvornost“ der Kroaten (die Fähigkeit zur Staatsbildung), wie sie
auch von einem Großteil der katholisch-kroatischen Publizistik propagiert wurde, als
das entscheidende Moment in der Überzeugung für die „kroatische Sache“ begriffen.25
Knapp 10 % aller eingeschriebenen Studenten an der Zagreber Universität während
der 1930er Jahre, insgesamt ca. 600, stammten aus der Küstenbanschaft.26 Bei der
großen Mehrheit, die sich später national-kroatisch hervortaten, fällt der enge Zusam­
menhang zwischen Katholizismus und nationalem Engagement auf. In vielen Biogra­
phien von der Kirche nahestehenden Intellektuellen in Dalmatien wird das deutlich:
Der Spliter Anwalt Stjepan Vukusic beispielsweise war einer der profiliertesten katho­
lischen Intellektuellen und kroatischen Patrioten während der Zwischenkriegszeit in
Dalmatien.27 Seine Herkunft aus einer religiösen Familie, der Besuch des Bischofs-

nih kongregacija 7 (425), Bratovstine sv. Kriza 5 (283), Bratovstine sv. Ante 15 (1296), Bratov­
stina Krscanskog nauka 32 (1066), Bratovstina u cast raznih svetaca 36 (1115). Misijskih bra­
tovstina 5 (180). Drustvo za sirenje vjere 10 (628), Bratovstina s. Obitlji 11 (327). Vojska Srca
Isusova 16 (855). Djevojackih drustava 57 (2473).
25 Korsky, Vera, O mojim pjesmama i uvjerenjima (Uber meine Lieder u. Überzeugungen), in:
Hrvatska obzorja - Casopis Matice Hrvatske-Split Nr. 3 (1994), S. 651-656, hier S. 652: „We­
der nannten wir uns Ustascha, noch wurden wir von irgendjemandem so genannt. Die Orga­
nisation der Ustascha war geheim, streng verfolgt, und für uns existierten Dr. Ante Pavelic
und die Ustascha nur als eine Art Mythos, geheimnisvolle Pesonen, die sich im Ausland
aufhielten und für die Errichtung des kroatischen Staates kämpften, mit denen wir jedoch
keinerlei Berührung hatten. National vollständig aufgeklärt wurde ich in der Universitätssek­
tion der Matica hrvatska, in erster Linie unter dem Einfluß von Professor Ivan Orsanic, und
glaubensmäßig in der „Akademischen Schwesternschaft des Kreuzes“ (Akademsko krizarsko
Sestrinstvo), wo wir vom späteren Kardinal Sejaer und den Jesuiten Grimm, Poglajen und
Kozelj geführt wurden.“ Ebenda, S. 655 Vgl. Zivkovic, Mirko, Hrvatska i njezin problem
pravoslavlje (Kroatien und sein Problem mit der Orthodoxie), in: Zadarska smotra. Casopis
za kulturu, znanost i umjetnost, Nr. 6/1993, S. 49-55, hier S. 51. Die Benachteiligungen, de­
nen orthodoxe Studenten an der Zagreber Universität seitens solcher kroatisch-national den­
kender Professoren ausgesetzt waren (z.B. durch Prof. Edo Lovric) waren allg. bekannt, ge­
nauso, daß bei „Professoren jugoslawischer Orientierung“ (z. B. Prof. Marko Kostrencic) die
Studenten, von denen sie annahmen, daß sie „kroatische Nationalisten“ seien, keine Püfung
bestehen konnte, vgl. Zivkovic, S. 51 F3.
26 Genaue Statistiken f. die 30er Jahre in: Alma mater Croatica. Glasnik Hrvatskog sveucilisnog
drustva u Zagrebu, 3. Jg., 8. April 1940, S. 352.
27 Muzinic, Zdravko, Istaknuti vjernik i rodoljub Dr. Stjepan Vukusic. Jedan u nizu nevinih
zrtava prohujalog (ne)vremena (Der hervorragende Gläubige und Patriot Dr. St. V. Einer in
der Reihe der unschuldigen Opfer vergangener (Un)Zeiten), in: Hrvatska obzorja — Casopis
Matice Hrvatske-Split Nr. 3 (1994), S. 591—594, hier S. 591; Macan, Trpimir, Mladen Kaste-

116
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

gymnasiums, Jura-Studium und spätere Tätigkeit in seiner Anwaltskanzlei in Split, die


er dann bis zu seinem Tode führen sollte, waren die Wegstationen eines exemplari­
schen Lebens solch eines katholisch-kroatischen Intellektuellen. Zahlreiche Artikel
und Kommentare als Chefredakteur des ab 1935 erscheinenden „katholischen Wor­
tes“, bis zur Einstellung 1941, legten davon Zeugnis ab. Die „Erneuerung des kroati­
schen Volkes“ (Hrvatska rijec) war dem Milieu, dem er angehörte, Hauptaufgabe. Der
Kampf gegen „Materialismus und Atheismus“, besonders gegen „Kommunismus und
Freimaurertum“ waren die Folge dieses Engagements. Heute wird er als „konsequen­
ter und kompromissloser kroatischer Patriot“ beschrieben. Dies „zu einer Zeit, als
viele Bürger dieser Stadt, vor allem Intellektuelle und auch einige seiner Anwaltskolle­
gen dies nicht waren, da Split in jenen Jahren nämlich einer der Glutherde des Unita-
rismus war, wo es sogar als schick galt, kein Kroate zu sein! In dieser Stadt also
verleugnen viele Bürger, ansonsten Kroaten, ihre kroatische Nationalität (...) sagen
sich von ihrer kroatischen Sprache los (...) nehmen serbische Bräuche an. Einige von
ihnen sind in ihrer Serbophilie sogar so maßlos, daß sie zum orthodoxen Glauben
übertreten. Und es ist seltsam und schwer erklärlich, daß auch einige offen beken­
nende Kroaten und Patrioten, ehrenhafte und zu respektierende Leute, neben ihrer
Mitgliedschaft in der HSS oder in Trumbics HFSS, in, wenn auch etwas gemäßigteren,
unitaristischen Organisationen, wie der „Jugoslavenska matica“ oder Jadranska straza
(Dr. Josip Berkovic, Dr. Josip Brkic, Prof. Ivo Juras), Mitglied werden.“28 Stjepan
Vukusic sei „einer der seltenen Bürger Splits“, und vielleicht überhaupt einer der
seltenen kroatischen Intellektuellen gewesen, die nicht die „sogenannte Vereinigung“
begrüßt hätten. Bei der Gründung von Trumbics HFSS in Split 1926 war Vukusic
unter den Gründungsmitgliedern; wie der weitaus größere Teil seiner Parteifreunde
trat er mit Trumbic an der Spitze dann zur Kroatischen Bauernpartei über. 1939 be­
grüßte er den Sporazum Cvetkovic-Macek und die Schaffung der Banovina Kroatien,
und dann 1941, „überzeugt, daß Kroatien nach Jahrhunderten der Sklaverei endlich
seine Selbstständigkeit verwirklicht hat, die Gründung des Unabhängigen Staates
Kroatien.“29 Als nach dem Abzug der Italiener Organe des „Unabhängigen Staates
Kroatien“ im September 1943 in Split die Regierung übernehmen, wird er Bürgermei­
ster. Nach der Befreiung wird er von einem Partisanengericht zum Tode verurteilt.
Dieses, vor allem in den Städten starke, katholisch-kroatische Milieu und Teile der
Bauernpartei zogen dabei an einem Strang.30 Die paramilitärischen Organisationsfor­
men der Bruderschaften konnten die Bewunderung für die faschistischen und natio­
nalsozialistischen Jugendverbände nicht verleugnen. Doch pauschal die katholischen
Bruderschaften als „Ustascha-Tribünen", von denen aus Intoleranz verbreitet wurde
und die Klöster und katholischen Schulen, wie die Franziskanergymnasien in Sinj,
lan - jedan od neznano nestalih (Mladen Kastelan - einer der unbekannt Verschwundenen),
in: ebenda, S. 595-602.
28 Muzinic, S. 592f.
29 Vgl. Macan, Mladen Kastelan.
30 Marovic, S. 83f.

117
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Siroki Brijeg, Travnik, die Seminare in Makarska, Mostar und Split oder die Theologi­
sche Fakultät in Zagreb als „stärkste Bastionen der Ustascha“ zu qualifizieren,31 wird
der Rolle der katholischen Kirche nicht gerecht.32 Festzuhalten bleibt aber, daß die
katholische Kirche in Kroatien, ihrer grundsätzlich universalistischen Ausrichtung
zum Trotz, eine der entscheidenden Instanzen für die Stabilisierung eines kroatischen
Nationalgefühls im jugoslawischen Staat war, die die Identität von katholischer Reli­
gion und Kroatentum betonte. Entsprechend verhielt es sich mit der serbisch-ortho­
doxen Kirche, mit dem wesentlichen Unterschied, daß sie sich in Dalmatien in einer
Minderheitenposition sah. Das Verhältnis beider Kirchen zueinander war belastet
durch die Vergangenheit und während der gesamten Zwischenkriegszeit gespannt.
Während seines Aufenthaltes in Moskau veröffentlichte Stjepan Radic am 19. Juli 1924
in der „Izvestija“ einen Artikel, den die Parteizeitung der Bauernpartei „Slobodni
dom“ (Das freie Heim) in kroatischer Übersetzung veröffentlichte. Dort hieß es u. a.:
„Die serbisch-orthodoxen Popen und Lehrer (...) haben eine halbe Million Serben in
Kroatien zu einem eigenen Volk erklärt, und es sogar geschafft, daß der kroatische
Sabor in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts diesen Serben alle Rechte
einer eigenständigen Nationalität anerkannt hat. Politisch war das nicht besonders
bedeutsam, aber genau deshalb entstand der Haß zwischen den kroatischen und serbi­
schen Herren, ein Haß, der schon angefangen hat in das kroatische und serbische
Bauerntum einzudringen.33
Historisch hatte die orthodoxe Kirche ein serbisch-nationales Zusammengehörigkeits­
bewußtsein in Abgrenzung zum Islam und zum Katholizismus symbolisiert und pro-

31 Petranovic, S. 277.
32 Eine sachliche Erörterung von Politik und Verhalten der katholischen Kirche in Kroatien
während des Zweiten Weltkrieges steht nach wie vor aus. Tatsächlich, wie beispielsweise an
der Diskussion über die Rolle des Erzbischofs Stepinac zu sehen ist, wird nach wie vor eine
(in beiden Extremen wohl kaum zutreffende) Verengung auf die schon im Titel von Stanojevic
Pamphlet gestellte Frage „Alojzije Stepinac: Verbrecher oder Heiliger“ gesucht. Vgl. Stanoje­
vic Branimir, Alojzije Stepinac: zlocinac ili svetac. Dokumenti o izdaji i zlocinu, 2. erw. Aufl.,
Beograd 1986; dieselbe pauschale Verurteilung der kath. Kirche in Bausch und Bogen z.B.
bei Veljo Duric (Ustase i pravoslavlje. Hrvatska pravoslavna crkva (Die Ustaschen und die
Orthodoxie. Die Kroat.-orth. Kirche), 2. Aufl. Beograd 1989, Vladimir Dedijer (Vatikan i
Jasenovac, Beograd 1987; auf dt. hg. v. Gottfried Niemietz unter dem Titel: „Jasenovac - das
jugoslawische Auschwitz und der Vatikan“, Freiburg 1988) oder Karlheinz Deschner (Mit
Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler und Pavelic,
Stuttgart 1965, od. ders., Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Die Politik der Päpste im Zeitalter
der Weltkriege, Köln 1983, darin: „Katholische Schlachtfeste in Kroatien oder „Das Reich
Gottes“, S. 210-254) Doch kirchennahe Publikationen wie die unter dem Pseuonym M. Lan-
dercy unter dem Titel „Le Cardinal Stepinac martyr des droits de l’homme, Paris 1980 (kroat.
Übers.: Kardinal Alojzije Stepinac, Dakovacki Selci 1989) oder von Ivan Muzic (Pavelic i
Stepinac, Split 1991) veröffentlichte, genügen genausowenig wissenschaftl. Ansprüchen auf
inersubjektive Überprüfbarkeit.
33 Radic, Stjepan, Hrvatski seljacki pokret u moskovskom „Izvestija“, in: Slobodni dom XVIII/
1924, 31, 1-2.

118
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

pagiert. Bezogen auf die Zwischenkriegszeit und auf die Region Dalmatien war und
ist beispielsweise von orthodox-kirchlicher Seite, als auch von Autoren, die ihre Zuge­
hörigkeit zur Orthodoxie betonen, zwar häufig von „Begegnung“, aber immer auch
vom „Zusammenstoß zweier Kulturen, zweier Mentalitäten, zweier nationaler Grup­
pen (...) zweier Kirchen“ die Rede.34 Im Extremfall wurde und wird sogar behauptet,
daß es „entscheidende Unterschiede“, bis hin zur „Lebensweise“ gäbe. Es herrsche
zwischen Kroaten und Serben ein „ethnographischer und kultureller Antagonismus“
vor, der sich national und konfessionell äußere und sich durch alle historische Epo­
chen hindurchziehen würde.35 Gab es tatsächlich, und wenn ja inwiefern, einen „clash
of cultures“, wo römischer Katholizismus und östliches Pravoslawentum in Dalmatien
aufeinanderstießen? Seit der Kirchenspaltung wird in der konfessionell geprägten Lite­
ratur von „zwei affirmierten Kulturen“ und von den „Beziehungen zwischen den
Religionen“ gesprochen, die auch und gerade in Dalmatien „in vielem durch die kultu­
rellen und ethnischen Unterschiede bedingt“ gewesen seien.36
Daß diese Vorstellung auch bei zeitgenössischen Intellektuellen und Politikern exi­
stierte, ist belegbar. Der Spliter Bürgermeister Ante Trumbic äußerte 1914/15 die Mei­
nung, daß „für die Serben Religion und Nationalität vollkommen identisch sind" und
daß sie (die Serben) leider „kulturell noch niedriger stehen als wir“, und faßte damit
eine Überzeugung in Worte, die mit zunehmender Verschärfung des Nationalitätenge­
gensatzes eine wachsende Anhängerschaft im kroatisch-nationalistischen Lager finden
sollte.37
Doch worin unterschied sich das „rechtgläubige“, serbische Dalmatien tatsächlich, vor
dem sich, wie der dalmatinische orthodoxe Bischof in seiner Anfang des Jahrhunderts
verfaßten, groß angelegten Geschichte des rechtgläubigen Dalmatien“ anführte, „die
ganze Orthodoxie (...) verbeugen“ müsse, weil das Pravoslaventum in dieser Region
alle Verfolgungen überstanden hätte?38

34 Kasic, Dusan, Srbi i pravoslavlje u sjevernoj Dalmaciji (Serben und Orthodoxie in Norddal­
matien), in: Almanah: Srbi i pravoslavlje u Dalmaciji i Dubrovniku, hrsg. v. „Savez udruzenja
pravoslavnog svestenstva SR Hrvatske“ (Almanach: Serben und die Orthodoxie in Dalmatien
und Dubrovnik, hrsg. v. Verband der orthodoxen Priesterschaft der SR Kroatien), Zagreb
1971, S. 7-30, hier S. 7; Popovic, M., Istorijska uloga srpske crkve u cuvanju narodnosti i
stvaranju drzave (Die historische Rolle der serbischen Kirche bei der Bewahrung des Volks­
tums und der Schaffung des Staates), Beograd 1933.
35 Cvijic, Jovan, Dva etnicka procesa u Dalmaciji (Zwei ethnische Prozesse in Dalmatien), in:
Almanah: Srbi i pravoslavlje u Dalmaciji i Dubrovniku, S. 141.
36 Bogovic, Mile, Pitanje pravoslavne hijerarhije u Mletackoj Dalmaciji u XVII i XVIII stoljecu
(=Dissertatio ad Lauream in Facultate Historiae ecclesiasticae Pontificie Universitatis Grego-
rianae) (Die Frage der orthodoxen Hierarchie im venezianischen Dalmatien im 17. u. 18. Jh.).
Zagreb 1982, S. V.
37 Mestrovic, Ivan, Uspomene na politicke ljude i dogadaje (Erinnerungen an politische Men­
schen u. Ereignisse), Zagreb 1969, S. 46.
38 Milas, Nikodim, Pravoslavna Dalmacija: istorijski pregled (Das orthodoxe Dalmatien. Ein
geschichtlicher Überblick); Vorw. v. Predrag Dragic-Kijuk, (1. Aufl. Novi Sad 1901) Beograd-

119
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

b) Serbisch-orthodoxes Selbstverständnis

Es gibt kaum Sekundärliteratur über die in der Zwischenkriegszeit mehrheitlich ser­


bisch bewohnten Gebiete Dalmatiens, wo die Zeit des ersten Jugoslawien behandelt
wäre,39 wie generell auch die politische Geschichte der Serben in Kroatien unzuläng­
lich erforscht ist.40 Leider scheinen nur zu oft die unversöhnlichen Nationalismen in
der Literatur durch. In diesem Sinne machte sich der ehemalige Sekretär des staatli­
chen Statistikamtes des Königreichs SHS in Belgrad, Lazo Kostic,41 in der Emigration
nach dem Zweiten Weltkrieg Gedanken über die zwischen Kroaten und Serben „um­
strittenen“ Gebiete: Nach seinem Buch „Wem gehört Bosnien?“,42 in dem er ganz
Bosnien als urserbisch nachwies, sollte in Kenntnis der „ruhmreichen serbischen Ver­
gangenheit und Kultur“ bewiesen werden, daß „Nord-Dalmatien, die Lika, ein Teil
des Gorski Kotar, Kordun, Banija und Slawonien“ gleichfalls serbisch seien. Mit „dem
Blut der Serben“ seien diese Gebiete für Europa und die Christenheit vor den Türken
verteidigt worden, und deshalb „für die Serben keineswegs umstritten, sondern ganz
eindeutig serbisch für alle Zeiten“ (Hervorh. im Original).43 Hunderte von Seiten
wendet der Verfasser auf, um die größtmögliche Anzahl von Serben in Dalmatien zu

Zemun 1989, hier S. 571f. Vgl. auch Jacov, Marko, Venecija i Srbi u Dalmaciji u XVIII veku,
Beograd 1984; Slijepcevic, D., Istorija srpske pravoslavne crkve, 2 Bde., München 1966; Srpska
pravoslavna crkva 1229—1969. Spomenica o 750-godisnjici autokefalnosti, Beograd 1962;
Strika, B., Dalmatinski manastiri (Die Dalmatinischen Klöster), Zagreb 1930; Veselinovic, R.,
Istorija srpske pravoslavne crkve s narodnom istorijom (Die Geschichte der serbisch-ortho­
doxen Kirche und die Nationalgeschichte), 2 Bde., Beograd 1966.
39 Vgl. die Arbeiten von Jakovcev, Gojko, Izbori u Sjevernoj Dalmaciji u periodu izmedu dva
rata (Die Wahlen in Norddalmatien in der Zwischenkriegszeit), in: Zadarska revija XVII/1968
6, S. 610-622; Plenca, Dusan, Sjevernodalmatinska zagora i Ravni kotari izmedu dva svjetska
rata 1921 — 1941., in: Zadarska revija XXXI/1982, 5—6, S. 472—486 u. XXXIII/1983, 1, S. 58-
72; ders., Kninska ratna vremena 1850-1946. Knin, Drnis, Bukovica, Ravni kotari, Zagreb
1986 (Die Kriegszeiten von Knin...); ders., Benkovacki kotar izmedu dva svjetska rata (Der
Kreis Benkovac zwischen den Weltkriegen), in: Zbornik „Benkovacki kraj kroz vjekove“,
Zagreb 1987, S. 301-333.
40 Vgl. Sidak, Gross, Karaman, Sepie, Povijest hrvatskog naroda, S. XI; eine Einschätzung, die
vom wohl besten Kenner serbischer Geschichte in Kroatien, Drago Roksandic, auf das 20.
Jh. ausgedehnt wird; vgl. ders., Srbi u Hrvatskoj izmedu rodoljublja i domoljublja (Serben in
Kroatien zwischen Patriotismus und Heimatliebe), in: Danas v. 16.07.1985, S. 17-19.
41 Der Verf. war Professor für „Ökonomische Politik“ an der Universität Belgrad und einer der
Mitbegründer der höheren „Wirtschafts- u. Handelsschule“ in der jugoslawischen Haupt­
stadt, die später zur Wirtschaftswissenschaft Fakultät der Belgrader Universität wurde, Verfas­
ser zahlreicher Lehrbücher, Mitglied zahlreicher internationaler Statistiker-Vereinigungen etc.
42 Kostic, Lazo, Cija je Bosna? (Wem gehört Bosnien?), Toronto 1955.
43 Kostic, Lazo, Sporni predeli Srba i Hrvata (Die umstrittenen Gebiete der Serben und Kroa­
ten), Chicago 1957, S. 13. 1990 erschien in Belgrad ein unveränderter Nachdruck des Buches
unter dem Titel: Sporne teritorije Srba i Hrvata (Umstrittene Territorien der Serben und
Kroaten).

120
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

errechnen und alle jemals veröffentlichten Thesen, daß Dalmatien seit jeher serbisch
war, minutiös aufzuführen. Seine und die „Meinungen ausländischer Wissenschaftler
über den ethnischen Charakter Dalmatiens“ sind wenig weiterführend, illustrieren aber
die Tiefe der Entfremdung zwischen „nationalbewußten Serben“, wie sich der Autor
selbst charakterisiert, und allen Formen kroatischer Politik nach den Schrecknissen
des Zweiten Weltkrieges. Eine Erklärung aber, warum z.B. ein Josip Smodlaka, Ante
Trumbic und andere „Führer der dalmatinischen Kroaten“ „Feinde der Serben“ gewe­
sen sein sollen (was sicher nicht der Wahrheit entspricht), sucht man vergebens.44
Wieviel Serben gab es nun tatsächlich in Dalmatien und nach welchen Kriterien er­
folgte ihre Zuordnung zum Serbentum? Die Probleme bei der Übernahme von Volks­
zählungsergebnissen sind bekannt: Gefragt wurde auch im Königreich SHS nicht nach
Nationalität, sondern nach der Umgangssprache, so daß Serben und Kroaten zusam­
mengezählt wurden, zudem konnte die Befragung in den von Italien besetzten Gebie­
ten Dalmatiens nicht durchgeführt werden. Wenn man bei der Berechnung von der
(gefragten) Religionszugehörigkeit ausgeht, fallen kleine Minderheiten, wie sich als
Kroaten fühlende Orthodoxe (wie es z.B. die Schriftsteller Petar Preradovic, Dimitrije
Demeter und August Harambasic im 19. Jh. waren) oder Katholiken, die sich als
Serben bezeichneten, wie es sie im Raum Dubrovnik gab, unter den Tisch. Und auch
wenn die österreichische Statistik keine Aussagen zu Volkszugehörigkeit kannte und
die jugoslawischen Serben und Kroaten nicht unterschied, da die „Umgangssprache“
gefragt war, konnte es nicht ausbleiben, daß im Zeitalter des Nationalismus durch
verschiedene mathematische Operationen versucht wurde, auch Nationalitätenstatisti­
ken zu erstellen:

Tabelle I: Bevölkerungsstruktur Dalmatiens nach Nationalität 1880-1910

1880 1890 1900 1910

Kroaten 369.531 423.536 481.499 520.073


in Prozent: 77,62 % 80,30% 81,09% 80,56%
Serben 78.852 87.160 96.466 106.308
in Prozent: 16,56% 16,53% 16,25% 16,46%
Italiener 27.305 16.000 15.279 18.028
in Prozent: 5,73 % 3,03 % 2,57% 2,79%
Sonstige 414 730 540 1.257
in Prozent: 0,09% 0,14% 0,09% 0,19%
Insgesamt: 476.102 527.426 593.784 645.666
in Prozent: 100% 100% 100% 100%

Quelle: Diklic, Marjan, Prilog strukturi pucanstva Dalmacije krajem XIX. i pocetkom XX. stol-
jeca (Ein Beitrag zur Bevölkerungsstruktur Dalmatiens Ende des 19. und Anfang des 20. Jh.), in:
Radovi zavoda za povijesne znanosti HAZU u Zadru, Zadar 1994, S. 181 — 190, hier S. 189.

44 ebenda, S. 205-212 u. 234ff.

121
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

1921 lebten, wendet man wieder das Konfessions- und Sprachkriterium kombiniert
an, nach der Volkszählung im selben Jahr, 17% Serben und 82,8% Kroaten in der
Region.45 Die seriösesten Berechnungen aufgrund der interpretations- und ergän­
zungsbedürftigen Volkszählungsergebnisse durch Drago Roksandic und Ivo Banac
ergeben die Zahl von 86.871 bzw. 105.460 Serben zu Anfang der Zwanziger Jahre in
Dalmatien, wobei die große Mehrheit der Serben vorwiegend in den wirtschaftlich
rückständigsten Gebieten Dalmatiens lebte.46

Tabelle II: Einwohnerzahlen und Konfessionsstatistik Dalmatiens


nach den Volkszählungsergebnissen 1921

Dalmatien Königreich SHS

Einwohner insgesamt: 620.432 11.984.911


orthodox 106.132 5.593.057
römisch-katholisch 513.268 4.708.657
griechisch-katholisch 32 40.338
evangelisch 64 229.517
muslimisch 478 1.345.271
Israeliten 314 64.746
andere 128 1.944
konfessionslos 11 1.381

Aufgeschlüsselt nach Nationalitäten:


Serben und Kroaten 611.323 8.911.509
Slowenen 1.048 1.019.997
Tschechoslowaken 363 15.532
Rusinen (Ruthenen) 0 25.615
Polen 71 14.764
Russen 712 10.568
Ungarn 68 467.658
Deutsche 1.068 505.790
Arnauten (Albaner) 204 439.657
Türken 43 150.322
Rumänen-Cincari 77 31.068
Italiener 4.706 12.553
Franzosen 15 1.163
Engländer 35 453
Übrige u. unbekannt 699 68.262

Quelle: Kraljevina Jugoslavija, Opsta drzavna statistika. Definitivni rezultati popisa stanovnistva
od 31. januara 1921. god., Sarajevo (Drzavna stamparija) 1932 (Die Bev. der von Italien okkup-
pierten Inseln und Zadars wurde nicht mitgezählt).

45 Petranovic, Istorija Jugoslavije 1918-1988, Bd. I: Kraljevina Jugoslavija 1914-1941, Beograd


1989, S. 33.
46 Vgl. Roksandic, Drago, Srbi u Hrvatskoj (Serben in Kroatien), Zagreb 1991, S. 122, der für

122
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

Wie bereits betont, spielte die Konfession die zentrale Rolle im Hinblick auf die natio­
nale Selbstidentifikatrion: „Womit wird ein Serbe zum Serben? Durch die Zugehörig­
keit zum Kult des Heiligen Sava (Svetoslavljem). Das ist die Wurzel und der Urgrund
unserer Volksseele“ sagte beispielsweise Archimandrit Justin zu einer in Belgrad er­
scheinenden Zeitung.47
Auch wenn die Gleichung, daß jeder orthodoxe Gläubige automatisch Serbe sei, wie
es von der serbisch-orthodoxen Kirche propagiert wurde, auch teilweise auf Wider­
spruch stieß und stößt, setzte sie sich durch.48
Im Gegensatz zu Serben und Kroaten in Dalmatien läßt sich die Stellung der orthodo­
xen Kirche von der der katholischen im jugoslawischen Staat ohne Schwierigkeiten
unterscheiden: Im neuen Staat wurde eine einheitliche serbisch-orthodoxe Kirche mit
„Serbisch als Amtssprache und kyrillischer Schrift“49 geschaffen. Auf dem Gebiet des
am 1. Dezember 1918 gegründeten Königreichs gab es vor der staatlichen Vereinigung
zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen drei autokephale orthodoxe Kir­
chengebiete im Rang einer Mitropolie: die von Karlovac, Belgrad und Montenegro-
Küstenland (karlovacka, beogradska, crnogorsko-primorska mitropolija). Außerdem
den dalmatinischen Teil der bukowinisch-dalmatinischen Mitropolie und die nationale
autonome serbisch-orthodoxe Kirche in Bosnien-Herzegowina unter Jurisdiktion der
Patriarchen von Carigrad/Istanbul. Am 26. Mai 1919 wurde in Belgrad die Vereini­
gung aller dieser Gebiete in eine serbisch-orthodoxe Kirche des Königreichs SHS
erklärt. Das „Gesetz über die serbisch-orthodoxe Kirche“ wurde 1929, die „Verfas­
sung der serbisch-orthodoxen Kirche“ am 16. November 1931 erlassen. Der Sitz der

1931 die Zahl von 97.877 Serben anführt. Zur Demographie auf dem Gebiet des ehemaligen
Jugoslawien: Stipetic, Vladimir, Jedno stoljece u brojcanom razvoju stanovnistva na danasnjem
podrucju Jugoslavije (Ein Jh. in der zahlenmäßigen Bevölkerungsentw. auf dem heutigen Ge­
biet Jugoslawiens), in: Forum, Nr. 12/1973, S. 885-915. Ustasa-Zahlen bei: Lorkovic, Mladen,
Narod i zemlja Hrvata (Volk und Land der Kroaten), Zagreb 1939.
47 Vgl. Interwiev mit dem Archimandrit Justin in Jugoslovenska posta v. 10.1.1940. Auch wenn
britische Diplomaten aus Belgrad nach London meldeten, daß „nach intensiver orthodoxer
Propaganda kürzlich eine (nicht näher bezeichnete, A. J.) Insel ganz und eine andere zur
Hälfte vom katholischen Glauben abgefallen ist“, blieben Übertritte vom Katholizismus zum
orthodoxen Glauben doch die seltene Ausnahme in Dalmatien; vgl. Bericht der britischen
Botschaft für 1926, in: Avramovski, Zivko (Hg.), Britanci o Kraljevini Jugoslaviji. Godisnji
izvestaji Britanskog poslanstva u Beogradu 1921-1938, Bd. I (1921-1939), Zagreb 1986,
S. 365-426, hier S. 380.
48 Zivkovic, Mirko, Hrvatska i njezin problem pravoslavlje (Kroatien und sein Problem mit der
Orthodoxie), in: Zadarska smotra. Casopis za kulturu, znanost i umjetnost, Nr. 6/1993, S. 49-
55, hier S. 51.
49 Zbirka zakona protumacenih i objasnjenih sudskom i administrativnom praksom (Gesetzes­
sammlung erläutert u. erkl. in der gerichtlichen u. administrativen Praxis), hg. v. Nikolaj
Pahorukov: Zakon o srpskoj pravoslavnoj crkvi od 8. novembra 1929. g. (Gesetz über die
serb.-orth. Kirche) u. Ustav Srpske pravoslavne crkve sa registrom od 16. novembra 1931. g.
(Verf. der SPC) Beograd 1932, Art. 4 Verfassung SPC, hier S. 14.

123
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

dalmatinischen Eparchie wechselte nach der Besetzung der Stadt durch Italien von
Zadar nach Sibenik. Insgesamt befanden sich im Jahr 1924 83 orthodoxe Gotteshäuser
auf dem Gebiet, und 44 Priester betreuten 88.255 „Seelen“, wie es im Schematismus
hieß.50 Anfang 1941 waren es 114.373 Pravoslaven in Dalmatien;51 unter der Führung
eines Archimandriten sorgten sich insgesamt 90 Geistliche um die orthodoxen Gläubi­
gen in der Region.52
Die Zusammenfassung aller „rechtgläubigen Gebiete im Königreich SHS zu einer
autokephalen, vereinigten, serbisch-orthodoxen Kirche“ wurde vom Königshaus ge­
fördert. Proklamationen des Regenten (und späteren Königs), die ausdrücklich „an
die orthodoxen Christen des Königreichs“ gerichtet waren, in der „die besondere und
wichtige Rolle der serbischen Kirche im Leben des Volkes“ betont wurde, machten
das besondere Verhältnis der serbischen Dynastie zu den serbisch-orthodoxen Staats­
bürgern deutlich. Die symbolische Einführung des Patriarchen Dimitri durch den
König 1924 in Pec unterstrich nur noch einmal öffentlich, daß von einer Trennung
von Kirche und Staat, wie sie die Verfassung vorsah, zumindest was die orthodoxe
anbelangte, keine Rede sein konnte.53 Auch der Religionsunterricht der „serbischen
Kirche“ war oft ein Forum der serbisch-zentralistischen Agitation.54
Für Serbiens Nationsbildung wurde mit dem Begriff der „Konfessionsnation“ eine
typologische Zwischenstufe auf dem Weg von einer primär konfessionsbezogenen
Gruppensolidarität hin zur modernen politischen Willensgemeinschaft der Nation
ausgemacht55 im „Prozeß der Neuformulierung und des Wandels von Identitäten auf

50 Sematizam SPC 1925, S. 128-134; Radeka, Milan, Dalmatinska eparhija od ujedinjenja SPC
Die dalm. Eparchie seit der Vereinigung der SPC), S. 36-42 u. Oluic, Petar, Svestenstvo epar-
hije dalmatinske (Die Priesterschaft der dalm. Eparchie), S. 43-50; dort detailliert die Kir­
chengeschichte der serbisch-orthodoxen Kirche u. Daten der orthodoxen Gläubigen in Dal­
matien während der Zwischenkriegszeit.
51 Daß auch diese Zahl von den staatlichen Statistiken abweicht, liegt daran, daß bei Kirchenzäh­
lungen alle Getauften und in den Kirchenbüchern verzeichnete mitgezählt wurden, ohne
Rücksicht, ob sie sich zum Tag der Zählung in der Gemeinde aufhielten.
52 Oluic, Svestenstvo eparhije dalmatinske, S. 48.
53 Vgl. Proklamation des Regenten Aleksandar v. 30.08.1920 anläßlich der Schaffung der „Srpska
patrijarsija“ bei der Patriarchen-Versammlung in Sremski Karlovci; zit. nach Petranovic, S. 43.
54 Vgl. Baracki, Nenad, Istorija Srpske pravoslavne crkve za vise razrede srednjih skola (Die
Geschichte der SPC für die höheren Klassen der Mittelschulen), Pancevo o.J., die mit Zustim­
mung des Unterrichtsministeriums (Nr. 8585 v. 03.04.32) auf Grundlage der Empfehlung des
Heiligen Synod (Sinbr. 1968 v. 28.06.1929) als Lehrbuch in den höheren Klassen der Mittel­
schule zugelassen war: Im Kap. „Siebente Periode“ (1918-heute), S. 72ff., wurde „unsere
nationale Vereinigung“, mit dem „1. Dezember als höchstem nationalen und staatlichen Feier­
tag“ ganz im Sinne des Regimes gefeiert. Auch in der „Dalmatinska eparhija“ (Hauptsitz in
Split), wurden die „Verdienste der Serbischen Kirche um die Aufklärung ihres Volkes und
seine Befreiung und Vereinigung“ (S. 78ff.) und der „Ruhm und die Größe unseres heutigen
schönen und weiten Vaterlandes Jugoslawien und die nationale Befreiung und Vereinigung
aller Jugoslawen“ gewürdigt (S. 80).
35 Vgl. Turczynski, Konfession und Nation.

124
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

dem Wege zu nationalen Zugehörigkeitsgefühlen.“56 Da die orthodoxe Bevölkerung


in Kreisen im dalmatinischen Hinterland konzentriert lebte, konnte die Festigung
einer eigenen politisch-kulturellen Identität unter serbischen Vorzeichen im 19. Jahr­
hundert umso leichter erfolgen. Auch gab es eine eigene serbische Publizistik, die sich
um die dalmatinischen Serben bemühte, wobei manche serbischen Verfasser „jeden
bis 1941 auf kyrillisch gedruckten Text“ als „Dokument der besonderen Kultur der
Serben dieser Region“ betrachten.57 Folgende Konfessionsstatistik dalmatinischer
Kreise zeigt, wo die Zentren orthodoxen Lebens in der Region waren.

Tabelle III: Konfessionsstatistik dalmatinischer Kreise nach den Angaben


der Volkszählungen 1890, 1900 und 1910

römisch-katholisch orthodox
Kreis 1890 1900 1910 1890 1900 1910

Benkovac 13.864 15.966 18.658 10.544 22.514 25.433


Dubrovnik 36.623 39.654 39.810 588 1.166 1.043
Hvar 25.682 27.987 26.994 8 11 39
Imotski 30.497 35.418 40.677 1.143 1.319 1.450
Knin 21.473 24.390 25.316 24.982 27.121 29.572
Korcula 24.355 27.320 29.846 13 29 52
Kotor 11.823 12.737 14.523 22.794 24.130 24.791
Makarska 23.199 25.578 27.712 12 10 16
Metkovic 11.790 13.756 15.241 363 401 487
Sinj 39.006 44.381 48.013 7.295 8.098 9.123
Split 100.655 113.477 98.124 982 1.085 1.275
Brac-Supetar - - 22.953 - - 8
Sibenik 37.251 44.478 50.434 5.962 6.786 7.837
Zadar 63.318 71.636 79.800 3.323 3.609 4.209
Insg.: 439.536 496.778 538.101 87.009 96.279 105.335

Quelle: Makale, Manfred, Zadnji popis pucanstva u Dalmaciji (Die letzte Bevölkerungszählung
in Dalmatien), Wien 1912, S. 36-37.58

56 Höpken, Konfession, territoriale Identität und nationales Bewußtsein, S. 235f.; Zu Konfession


als ethnisch-nationales Merkmal: Geliner, Ernest, Nations and Nationalism, Oxford 1986,
S. 72; Lemberg, Eugen, Nationalismus, Bd. I, Reinbeck 1964, S. 51; Reiterer, Alfred, Die un­
vermeidbare Nation. Ethnizität, Nation und nachnationale Gesellschaft, Frankfurt/M New
York 1988, S. 203.
57 Vgl. Kasic, S. 280. In Dalmatien erschien zwischen den Weltkriegen an Publikationen, die sich
an die dalmatinischen Serben richteten, die „Stimme der wirtschaftlich-kulturellen Matica
für das nördliche Dalmatien“, die versuchte die serbischen Bauern zum Zusammenschluß in
Genossenschaften zu bewegen (Matic, Lazar, (Hg.), Glas privredno-kulturne Matice za sje-
vernu Dalmaciju, Sibenik 1931-1938), sowie das „Magazin Sjeverne Dalmacije“ von Vladan
Desnica, das nach 1934 in Split herausgekam u. der „Srpsko-Dalmatinski Almanah“, den
Teodor Petranovic gegründet hatte.
58 Von den 2230 Personen, die angaben weder dem katholischen noch dem orthodoxen Glauben

125
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Die größte national-serbische Homogenität, wenn man so will, ließ sich, wie auch aus
obiger Konfessionsstatistik hervorgeht, in der Stadt Knin feststellen. 1910 waren
14,1 % der etwas über 40.000 Einwohner Kroaten und 84,1 % Serben, wobei seit 1910
die Zahl der Kroaten immer weiter abnahm.59 Die soziale Differenzierung im dalmati­
nischen Hinterland blieb noch hinter dem sonstigen dalmatinischen zurück: Noch
Ende des 19. Jahrhunderts waren mehr als 94% der Bewohner Knins und des Um­
lands Bauern oder Viehzüchter.60 Als starkes Gravitationszentrum und Anziehungs­
punkt für die umliegenden Dörfer, wie Kosovo und Kninsko polje, die Gemeinden
von Zrmanja und Srb (Kreis Gracac),61 wurde Knin auch zum Zentrum des dalmati­
nisch-serbischen Partei- und Vereinswesens. Nur dort konnten rein serbische Vereine,
wie die „Serbische nationale Jugend“ (Srpska nacionalna omladina, abgek. SRNAO),
die „Tschetnik-Vereinigung“ (Cetnicko udruzenje), der „Kreis der serbischen Schwe­
stern“ (Kolo srpskih sestara) oder der ,Serbische Kulturverein „Aufklärung1“ (Srpsko
kulturno drustvo „Prosvjeta“) mehr Mitglieder gewinnen.
Wie die Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs bewiesen, als Knin eine Hochburg
der Cetnik-Bewegung war, setzte in der Zwischenkriegszeit dort eine Entwicklung
ein, die zur Ausbildung eines serbisch-national gefärbten Loyalitätsbewußtseins im
Hinblick auf den jugoslawischen Staat führte. Trotz der im Grunde seit 1927 einhelli­
gen Opposition gegen den zentralistischen Staatsaufbau im jugoslawischen Staat durch
die politischen Vertretungen von Serben und Kroaten in den ehemals südslawischen
Gebieten der Habsburgermonarchie in Form der 1927 gebildeten „Bauern- und De­
mokraten Koalition“ durch Kroatische Bauernpartei und Serbische Demokratische
Partei, die bis 1941 hielt, radikalisierte sich ein Teil der Serben in Knin. Es überrascht
nicht, daß sich schließlich gerade die religiös aufgeladenen Nationalismen bei Serben
und Kroaten am unversöhnlichsten gegenüberstanden.
Unmittelbar vor dem Krieg 1941 gab es 76 orthodoxe Kirchengemeinden in der dal­
matinischen Eparchie:

anzugehören, waren 1910 523 jüdischen Bekenntnisses, die meisten davon im Kreis Split (160
Personen). In den Kreisen Knin und Kotor lebten mehr als 53 % aller Angehörigen des ortho­
doxen Glaubens in Dalmatien. In den vier Kreisen Benkovac, Knin, Kotor und Sinj zusammen
lebten über 80 % aller orthodoxen Einwohner der Region. In Cisleithanien waren die Ortho­
doxen am stärksten in der Bukowina (547.603 Personen, 82 % der Bev.) und in Dalmatien
(105.335 Personen, 15,8% der Bevölkerung) in der Statistik vertreten.
59 Crkvencic, Ivan, Promjene broja pucanstva Knina od druge polovice 19. stoljeca (Die Ände­
rungen der Bevölkerungszahlen von Knin), in: Kninski zbornik, Zagreb 1993, S. 27-35, hier
S. 29. Die Einwohnerzahl stieg von 39.849 im Jahr 1921 auf 45.329 bei der Zählung 1931.
60 Szabo, Agneza, Pucanstvo upravnog kotara Knin u drugoj polovici 19. stoljeca (Die Bev. im
Verwaltungsbezirk Knin in der 2. Hälfte des 19. Jh.), in: Kninski zbornik, Zagreb 1993, S. 36-
50, hier S. 39.
61 Rubic, Ivo, Gravitacija susjednih zitelja Splitu (Gravitation der benachbarten Einwohner­
schaft nach Split), Zagreb 1930, S. 126.

126
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

Tabelle IV: Orthodoxe Kirchengemeinden in der dalmatinischen Eparchie 1941

Kirchengem Kirchen Parochien Seelen

Benkovac 17 21 17 27.288
Knin 14 17 14 32.504
Sibenik 16 25 16 36.431
Split 11 15 11 18.150
Bosanski Petrovac 15 22 15 61.782
Lijevno 8 9 8 32.247
208.402

Quelle: Oluic, Petar, Svestenstvo eparhije dalmatinske, S. 47f.; zieht man die bosnischen Orthodo­
xen (94.029) ab, kommt man auf 114.373 orth. Kirchenmitgl. in Dalmatien im März 1941. (Bei
Kirchenzählungen wurden alle Getauften und in den Kirchenbüchern verzeichneten mitgezählt,
ohne Rücksicht, ob sie sich zum Tag der Zählung in der Gemeinde aufhielten.)

Es ist dem Belgrader Historiker Petranovic sicher recht zu geben, wenn er die ortho­
doxe Kirche einen „Pfeiler“ des Serbentums nennt, die in der Überzeugung feststand,
daß „die Serben eine auserwählte Nation sind, daß die Dynastie Karadorcfevic im
Volke verwurzelt ist, (und) daß die Orthodoxie der authentische Glaube und die Or­
ganisation der Kirche eine „nationale“ sei.“ Die Kirche betonte in der Tat fortlaufend
ihre Verbundenheit mit dem neuen Staat und hatte, nach Aussage des Patriarchen, „im
Verlauf vieler Jahrhunderte nicht aufgehört, zum Allmächtigen zu beten, daß er unse­
rem Stamme solch einen ruhmreichen und auf Gerechtigkeit gründenden Staat
schenkt“. Das Patriarchat verkündete, auch weiterhin für die Dynastie zu beten, damit
„Gott mit seiner mächtigen Rechten unser herrliches Vaterland (...) beschütze“.
Auch wenn mit der Diktatur formal der Status der „Staatskirche“ wegfiel, begrüßte
die orthodoxe Kirche doch die Einführung des neuen Regimes. Wie nicht schwer
auszumalen war, betrachteten die anderen Kirchen mit äußerster Skepsis das enge
Verhältnis der SPC zur Macht. Die Gegnerschaft zur katholischen Kirche kulminierte
im Kampf gegen das Konkordat 1937, welches zwischen dem Königreich Jugoslawien
und dem Vatikan schon zwei Jahre zuvor paraphiert worden war. Der heilige Synod
drohte erfolgreich allen orthodoxen Parlamentsabgeordneten, falls sie für die Ratifi­
zierung stimmen, mit Exkommunizierung. Der Vertragstext wurde zurückgezogen.
Die katholische Kirche wurde publizistisch als „inquisitorisch“, „Antipode des Evan­
geliums“ etc. bekämpft. Der Widerstand der orthodoxen Kirche endete in gewalttäti­
gen Demonstrationen.62 Man ging so weit zu erklären, daß „unter Orthodoxen und
im orthodoxen Belgrad alles, was nicht orthodox ist, fremd und ausländisch (strano i
tude)“ sei. Und der Patriarch Varnava unterstützte die „Durchführung der vollkom­
menen Einheit der Brüder eines Blutes“. Von nationalbewußten Kroaten wurde das

62 Muzic, Ivan, Katolicka crkva u Kraljevini Jugoslaviji (Die kath. Kirche im Kgr. Jug.), Split
1978, S. 148f.; Text des Konkordats in frz. Sprache: ebenda, S. 207-217.

127
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

als der unverholene Versuch einer Assimilation gewertet. Dieses „jugoslovenstvo“, das
als „nationaler Glauben aller Serben, Kroaten und Slowenen“ begriffen wurde, ging
einher mit den Bekundungen der Loyalität zu „König und Vaterland“ anläßlich von
Fahnenweihen des Sokol oder bei staatlichen Veranstaltungen.63 Theorien, wie die,
daß die „rechtgläubige Serbische Kirche“ in ihrem „innersten Wesen freiheitsliebend,
national und sozial“ dem „jugoslawischen Menschen entspreche“, die römisch-katho­
lische aber, die „in Ketten der Unfreiheit und des äußeren Diktats“ weder die Freiheit
des Gedankens noch der Aktion kennen würde, sondern nur „Unterwürfigkeit und
Gehorsam“ als Tugenden hervorbrächte, waren die radikalisierte Form dieser einander
ausschließenden religiös motivierten Nationalismen. Wenn die Kroaten hören mußten,
daß ihr Glaube einem „Verlies“ entspreche, in dem „der freie Gedanke des Menschen
eingekerkert“ sei, und „jene Völker, denen das Schicksal zugedacht war, in jenem
Käfig gefangen zu sein“, hätten sich „in der Geschichte mehr als Sklaven denn als
Herren hervorgetan, da ihnen ihre Mutterkirche dies beigebracht hat“, fachte das einen
exklusiv-kroatischen Nationalismus an. Und wie sollten pro-jugoslawisch eingestellte
Kroaten in der Zwischenkriegszeit reagieren, wenn sie lasen, daß jeder Jugoslawismus
unter den Kroaten seit Strossmayer nur ein „Manöver der römischen Kirche“ sei,
„auch jene slawischen Völker auf dem Balkan in ihr Verlies zu sperren, die diese
Sklaverei niemals wollten“. Die „Persönlichkeit Strossmayers“ sei der „einzigartige
Beweis in unserer jugoslawischen Geschichte, daß es unmöglich ist, gleichzeitig ein
guter Nationalist und ein guter Katholik“ zu sein. (...) Die gestanzte Seele des kroati­
schen Menschen, jahrhundertelang von römischer Disziplin geformt, hat die Form
und den Charakter von Kleinmütigkeit, Niedergeschlagenheit, extremer Passivität und
sklavischer Verzagtheit angenommen. (...) Zur Erringung der nationalen Freiheit ist
die Freiheit des Geistes unabdingbar“.64 Solche Positionen stellten im kroatischen
politischen Raum, eingeschlossen Dalmatien, Stellungnahmen orthodoxer Würdenträ­
ger von Anfang an unter Verdacht.
Tatsächlich griff in den Augen national denkender Kroaten z. B. das geistliche Ober­
haupt der orthodoxen Christen in Dalmatien in seiner Weihnachtsansprache im Na­
men des „durch Gottes Gnade geschützten serbisch-rechtgläubigen dalmatinischen
Patriarchats“ in die politische Auseinandersetzung ein: „Gott hat die Seele unseres
Volkes mit dem heiligen Pravoslaventum beschenkt, - dem größten Geschenk, wel­
ches bis jetzt der Himmel der Erde gemacht hat.“ (Hervorh. im Original) Und neben
dem Glauben wurde als das zweite Bewahrenswerte „unser heiliges, mit Blut erworbe­
nes Land, Jugoslawien“ den Gläubigen ans Herz gelegt. Die „Unglückseligen und
Schamlosen“, die das Vaterland zu verspielen drohten, wurden noch einmal belehrt,
daß „Jugoslawien der Traum und die Sehnsucht und das erhörte Gebet unseres Volkes

63 Petranovic, S. 44 f.
64 Vgl. Ivancevic, Ljubomir, Kritika i priznanje jednoj knjizi (Kritik und Anerkennung f. ein
Buch, anl. der Bespr. von Dvornikovics „Charakterologie der Jugoslawen“), in: Zicki blago-
vesnik, XXII/1940, 7, S. 7-16, hier zit. nach Roksandic, Srpska i hrv. povijest, S. 275.

128
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus

durch die Jahrhunderte“ darstelle. „Unser staatliches Haus ist ein großes, mit viel
Platz für jeden (...), aber sollen wir etwa jetzt zulassen, daß jeder in ihm nun machen
kann, was er will und wie er will? Sollen wir etwa ruhig Zusehen, wie Feiglinge die
heiligen Erinnerungen an unsere Flelden verlachen, wie die Gräber unserer Verdienst­
vollsten entehrt und aller mögliche Schmutz auf unsere nationale Dynastie und den
heiligen Thron geworfen wird?“ (Hervorh. im Original) Nach weiteren Elogen auf
das Königshaus, die Verpflichtung durch den Märtyrertod des „ritterlichen Vereini­
gungskönigs“ und den „wie Salz und Brot“ notwendigen Staat hieß es: „Seht in jedem
Menschen einen Bruder, solange er nicht zeigt, daß er weder Mensch noch Bruder ist
(dokle god ne dokaze da nije ni covek ni brat) (Hervorh. im Original).65
Das „Kosovo und der St. Veitstag“ würden dem serbischen Gläubigen den richtigen,
„heldenhaften“ Weg vorgeben. Der „Gott des Friedens“ und der „gute Wille zwischen
den Menschen“ wurden am Schluß zwar beschworen, aber patriotisch-orthodoxe dal­
matinische Gläubige konnten die Weihnachtsansprache auch durchaus als Aufforde­
rung verstehen, dem kroatischen Separatismus entgegenzutreten. Umgekehrt fielen bei
nationalbewußten Kroaten die seitens katholisch-nationalkroatischer Propagandisten
herausgestellten Zahlen, daß die orthodoxe Kirche, der 42 % der Bevölkerung im Kö­
nigreich angehörte, aus dem Budget des Kultusministeriums 17 Millionen Dinar er­
hielt, die katholische bei einem Gesamtanteil von 38% der Gesamteinwohnerzahl
dagegen nur 5 Millionen Dinar, auf fruchtbaren Boden.66
Die Intensivierung des katholisch-kroatischen Engagements rief bei der orthodoxen
Kirche eine noch größere Identifikation mit dem jugoslawischen Staat hervor, der
als der eigene betrachtet wurde. Die Unterschiede zwischen Kroaten und Serben in
Dalmatien auf konfessionellem Gebiet und die fundamental gegensätzlichen Positio­
nen, die die jeweiligen Kirchen zum Gesamtstaat bezogen, spielten im Bürgerkrieg
der Nationalisten beider Seiten, der 1941 seinen Anfang nahm, eine wichtige Rolle.
Doch bei einem Blick auf die im dalmatinischen Hinterland ca. 25 km nordöstlich
von Zadar gelegenen Dörfer Islam Grcki, das zum überwiegenden Teil von Serbisch-
Orthodoxen bewohnt wurde, und dem nur 4 km entfernten etwas kleineren Islam
Latinski, mit fast ausschließlich katholischer Bevölkerung, wird deutlich, daß die seit
der Türkenzeit stammenden religiösen Unterschiede zwar geblieben waren, sich aber
die Lebensverhältnisse der dalmatinischen Bauern ansonsten kaum voneinander unter­
schieden.

65 Irinej, Episkop Dalmatinski, Bozicna poslanica. Dana u nasoj rezidenciji u Sibeniku, o praz-
niku Rozdestva Boga u telu, Svetosavske Godine 1935., Sibenik 1935, S. 3 u. 6f.
66 Zahlen u. Statistiken bei Rogic, Idee des kroatischen Staates, S. 160ff., der sie gleichfalls als
Beweis für die „enorme Macht“ der serbisch-orthodoxen Kirche anführt. Gleichfalls zit. der
Verf. das „Memorandum des Erzbischofs Bauer“ (S. 166ff.), der am 25. Mai 1935 beim Prinz­
regenten Pavle gegen Verfolgung und Folter von Mitgliedern katholischer Vereine in Kroatien
seitens „einzelne(r) Organe der Gendarmerie“ protestierte.

129
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

2. Dorf und agrarische Lehenswelt

Das Lexikon beschreibt Dalmatien als einen der Hochkarstzone der Dinariden vorge­
lagerten, stark gegliederten Küstenstreifen (Ingressionsküste) des Adriatischen Meeres,
zu dem die sich küstenparallel hinziehenden Inseln gehören.67 Schon aus der unter­
schiedlichen geographischen Konfiguration ergeben sich Unterschiede zwischen dem
Küsten- und dem Hinterland. Das Meer als Nahrungsquelle muß im kontinentalen
Teil Dalmatiens den nicht sehr fruchtbaren und wegen des Karstes seltenen Acker­
boden ersetzen. Dem Wein- und Olivenanbau an der Küste stand im Hinterland, der
Zagora,68 eine nicht sehr extensive Vieh- und Getreideproduktion gegenüber. Auch
sprachlich-kulturelle Unterschiede, neben der noch Anfang des 20. Jahrhunderts zu
bemerkenden italienischen Prägung der dünnen Oberschichten in den Küstenstädt­
chen lassen sich feststellen.69 Religiös, als Folge der osmanischen Eroberungen und
der späteren Schaffung der Militärgrenze und der Ansiedlung von orthodoxen Wehr­
bauern, überwog im dünnbesiedelten kontinentalen Teil Dalmatiens, im Hinterland
von Zadar und um Knin herum, die Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche, während
jenseits der Berge, an der Küste, die Bevölkerung fast ausschließlich katholisch war.
Geprägt wird dieser Küstenstrich durch sein Mittelmeerklima, dem, wie an der ganzen
Küste und den Inseln, eine mediterrane Flora entspricht. Immergrüne Hartlaubge­
wächse (Zypressen, Pinien, Palmen, Aleppokiefern, Agaven, Kakteen, mit nach Süden
zunehmend Buschwald/Macchia) dominieren, außerdem gibt es Steineichen, Lorbeer
und Steinlinden an den Hängen. Kulturpflanzen sind u. a. Oliven-, Feigen-, Mandel-,
Johannisbrotbäume sowie Wein.70 Die noch im frühen Mittelalter bewaldeten küsten­
nahen Hochkarstflächen sind aufgrund von Abholzung für den Schiffs- und venezia­
nischen Städtebau und Viehverbiß durch Ziegen und Schafe nur spärlich bewachsen
oder kahl verkarstet. Nur in den mit Schwemmerde bedeckten Dohnen und Poljen ist
Felderwirtschaft (Obst, Getreide) möglich. Einzig im Norden Dalmatiens, zwischen
Nin und dem See von Vrana, erstreckt sich ein größeres zusammenhängendes Stück
flachen Landes (Ravni Kotari), das landwirtschaftlich von Bedeutung ist. Der frucht-

67 Vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 6 (Bibliographisches Institut) Mannheim-Wien-


Zürich 1972 (korrigierter Nachdruck 1980), Stichwort „Dalmatien“.
68 Unter d. Begriff Dalmatinska zagora od. Zagora verteht man den kontinentalen Teil Dalma­
tiens, der von Kozjak, Mosor, Dinara und Rilic-Gebirgszügen von der Küste getrennt ist.
Hauptorte sind Sinj, Imotski, Vrgorac u. Vrlika.
69 Während in der Zagora die Sprecher des (nach dem Fragepronomen so genannten) Stokavi-
schen, ob in ijekavischer oder ikavischer Variante, überwiegen, spricht man im Küstengebiet
und auf den Inseln mehrheitlich cakavischen Dialekt in der ikavischen Variante, mit Aus­
nahme des stokavisch sprechenden Dubrovnik.
70 Vgl. Ozanic, Stanko, Poljoprivreda (Landwirtschaft), in: Dalmacija - Spornen knjiga, Split
1923, S. 115-154.

130
Dorf und agrarische Lebenswelt

barste Teil erstreckt sich in Mitteldalmatien, von Trogir bis Split, das „Splitsko polje“.
Die subtropische Vegetation der mediterranen Klimazone Dalmatiens, mit den maleri­
schen Palmen, Zypressen und Pinien, ihrem Lorbeer, den Feigen, Sauerkirschen (Ma-
raska) und vor allem Oliven- und Mandelbäumen (in geschützten Lagen auch Zitro­
nen und Orangen), können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine nennens­
werte landwirtschaftliche Produktion nur der Weinbau zu verzeichnen habe, schrieb
der Landwirtschaftsminister Otto Franges in seiner Studie über die Agrarverfassung,
die er 1937 veröffentlichte. Mais, Weizen und Gerste brächten „auch in günstigen
Jahren bloß kümmerliche Ernten“.71
In den Fällen, wo Zeugnisse dörflichen Lebens in Dalmatien zwischen den Weltkrie­
gen vorliegen, in Erinnerungen und Dorfchroniken, wird durchgängig Armut und
Abhängigkeit der großen Mehrheit der Landbevölkerung betont („neimastina i
kmetstvo“), sowie das schwere Leben des dalamatinischen „tezak“ (ein fast nur in
Dalmatien gebrauchter Begriff für „Bauer“, „Landarbeiter“ oder „Tagelöhner“). Den
steinigen, karstigen Kleinparzellen wurde mit einfachsten Bearbeitungsmethoden ein
kaum das Überleben sichernder Ertrag abgerungen. Die in mühsamer Flandarbeit
aufgeschichteten Steinmauern um Weinberge und Olivenhaine, um das Wegschwem­
men des wenigen fruchtbaren Landes und Bodenerosion zu verhindern, legen heute
noch Zeugnis von vergangenem Arbeitsalltag ab. Die Unwägbarkeiten der Natur -
Dürre, Flagel etc. - hingen dabei ständig wie ein Damoklesschwert über allem Wirt­
schaften der Bauern, das auch zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch in großem Maße
durch den Wechsel der Jahreszeiten und die natürlichen Bedingungen bestimmt
wurde.72 Wenn auch Unterschiede von Dorf zu Dorf bestanden, was lokale Traditio­
nen, Hauptkulturen, Arbeitsweisen etc. betraf, so überwogen doch die gemeinsamen

71 Franges, Otto, Die sozialökonomische Struktur der jugoslawischen Landwirtschaft, Berlin


1937, S. 20.
72 Auf die Unterschiede in den Lebens- und Erfahrungswelten der dalmatinischen Bauern und
der in den Städten entstehenden Industriearbeiterschaft, und derjenigen, die zwischen diesen
beiden Sphären hin- und herpendelten, soll später noch ausführlich eingegangen werden. Es
ist gezeigt worden, wie der „Übergang vom unregelmäßigen „natürlichen“ Arbeitsrhytmus in
der Landwirtschaft (...) zum streng disziplinierten, von der Uhr und der Maschine vorgegebe­
nen in der Industrie“ den vielfach einschneidensten Bruch zwischen der Lebenswelt der Bauern
und der der Industriearbeiter darstellte. Wie die neuen Verhältnisse auch ein neues Bewußtsein
prägen, ohne jedoch die früheren Erfahrungen, die „moralische Ökonomie“ (E. Thompson)
der Bauern vollkommen überdecken zu können, ist ein Problem, dem sich ein ganzer Zweig der
Forschung gewidmet hat. Auch liegen nun erste Forschungen zu dem sehr unterschiedlichen
Verhältnis von Stadt und Land in verschiedenen europäischen Regionen zu Beginn der Indu­
strialisierung vor. Vgl. Haumann, Heiko, Stadt und Land. Bemerkungen zu einem Projekt
vergleichender Regionalgeschichte, in: ders. (Hg.), Arbeiteralltag in Stadt und Land. Neue
Wege der Geschichtsschreibung. Argument-Sonderband 94, S. 147-156 u. Scott, James, Moral
Economy of the Peasant, New Haven 1976; Thompson, Edward P., Plebeische Kultur und
moralische Ökonomie. Aufsätze zur englischen Sozialgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts.
Ausgewählt und eingeleitet von Dieter Groh, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1980.

131
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Merkmale, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, im Folgenden vom „dalmatinischen


Dorf“ zu sprechen.
Alle „modernen“, nationalen oder sozialen Programme, die versuchten, in den dalma­
tinischen Dörfern Fuß zu fassen, sahen sich ,bewährten' überkommenen Strukturen
gegenüber. Zunächst konnte das tradierte Normen- und Wertesystem der Bauern, das
auf Dezentralisierung, Gewohnheitsrecht, Basisdemokratie und lokaler oder regiona­
ler Autonomie beruhte, mit Vorstellungen, die einen wie auch immer gearteten Natio­
nalstaat propagierten, wenig anfangen. Doch die sich ändernde äußere Welt war in
vielfacher Hinsicht seit dem 19. Jahrhundert in das relativ geschlossene System des
Dorfes eingebrochen. Die staatliche Durchdringung brachte es mit sich, daß sich auch
das Dorf in Dalmatien zum Umbruch 1918 verhalten mußte. Funktionsträger der
neuen Macht, oder wenigstens die Berührung mit solchen, gab es fast in jedem Dorf.
Doch politische Differenzierungen im Dorf waren etwas anderes als in der Stadt. Oft
paßten neue Loyalitäten innerhalb des Dorfes sehr gut zu den bisherigen. Nicht selten
spiegelten politische Konflikte, die Unterstützung der ,neuen Macht“ bzw. der sich
regenden Opposition, Streit zwischen „Familien“ um Land, Stellung im Dorf oder
ähnliches, die viel älter waren. Auch war es ein großer Unterschied, und wurde im
Dorf unterschiedlich aufgenommen, ob jemand, der nicht dazugehörte sprach oder
,einer von uns“. Natürlich hatte es auch ein ganz anderes Gewicht, ob der katholische
oder orthodoxe Priester, ein Mitglied einer angesehenen und ,tüchtigen“ (vridno) Fa­
milie oder jemand, der im Dorf nichts zu sagen hatte, beim gemeinsamen Trauben­
schnapsbrennen oder sonstigen kollektiven Tätigkeiten über die neuen Verhältnisse
räsonierte, die nun nach dem Krieg gekommen waren, da es keinen Kaiser mehr gab,
sondern einen König in Belgrad. Interessierten sich die Bauern auch nicht für Politik
im Allgemeinen, so hatten sie doch klare Vorstellungen von dem, was sie „gerecht“
nannten und was „ungerecht“. Um es an einem Beispiel der oben schon angesproche­
nen kollektiven Tätigkeiten zu illustrieren: Wurde, wie fast überall, eine gemeinsame
Presse oder ein gemeinamer Destillierapparat im Dorf benutzt, so zog man Lose, die
die Reihenfolge festlegten, in der von den einzelnen Familien gebrannt wurde.73 Egali­
täre Vorstellungen waren einer der Grundpfeiler, auf denen das Zusammenleben im
Dorf beruhte. Die Lebenswelt der übergroßen Mehrheit der dalmatinischen Bevölke­
rungen war eine lokale, in die von außen versucht wurde, nationale oder soziale Pro­
gramme hineinzutragen. Im vielerorts durch Mangel gekennzeichneten Alltag stande-

73 Aussagen über dörfliches Leben im Dalmatien der Zwischenkriegszeit, wenn im Einzelnen


nicht nachgewiesen durch Zitate, beruhen auf zahlreichen Geprächen und Interwievs mit
Zeitzeugen. Für die Paxis des Lösens vgl. z.B. auch Ribicic, Aleksandar, Od Brela do Zao-
stroga, Zaostrog 1993 od. Fistanic, Petar, Pisak kroz vjekove (Pisak durch die Jahrhunderte),
Pisak 1989, S. 53 u. Mimica, Mate, Kako Baskovodani love tunje (Wie die Menschen aus
Baska Voda Thunfische fangen), in: Narodni list v. 31.07.1909, auch abgedruckt in: Svjetionik.
List Zupe Bast - Baska Voda God. V-VII (1970-1973), S. 128-134. Dort werden detailliert
Öl-, Weinbau, Thunfischfang etc. und Bräuche in mitteldalmatinischen Dörfern zu jener Zeit
beschrieben.

132
Dorf und agrarische Lebenswelt

nen bäuerliche Verrichtungen im Mittelpunkt. Das Identitätsgefühl des Einzelnen ver­


band sich dabei mit dem Dorfbewußtsein.
Dabei bedeutete das abstrakte bäuerliche Gleichheits- und Gerechtigkeitsverständnis,
das sich in der dörflichen „Öffentlichkeit“ zeigte, natürlich keineswegs die Abwesen­
heit von handfesten sozialen Unterschieden der Bauern untereinander. Wenn auch in
Dalmatien traditionell relativ undifferenzierte Dorfstrukturen vorherrschten, wo viele
gesellschaftliche Funktionen zusammenfielen und ein geringerer Grad sozialer Ar­
beitsteilung, schwächer entwickelte soziale Schichtung und nur rudimentäre Berufs­
differenzierung zu konstatieren sind, so waren doch gleichzeitig zwei grundlegende
Kulturgedanken für die agrarische Lebenswelt prägend: Die Gruppierung des Dorfes
nach Alter und Geschlecht und die hierarchische Schichtung nach Besitz. Bei allen
Festlichkeiten oder Familienbräuchen kam das durch klar gesetzte Zeichen in beson­
derer Eindeutigkeit zum Tragen. Sie dienten in hervorragendem Maße der Repräsenta­
tion der Familie und der Demonstration ihrer materiellen Möglichkeiten. Ob jemand
das ganze Dorf zur Hochzeit einladen konnte oder nur die engsten Verwandten,
machte einen großen Unterschied. Altersgliederung und Besitzhierarchie bestimmte
die äußere und innere Gliederung des Dorfes. Der Besitz an Land und Vieh war dabei
entscheidend, denn der Reichtum daran war gleichbedeutend mit guter Familientradi-
tion und auch oft mit Fleiß und Leistungswillen. Im ganzen kann im Hinblick auf die
Dorfbräuche gesagt werden, daß die Dorfgesellschaft in einer sehr bewußten und nach
außen sichtbaren Weise sozial geschichtet war. Auf diese Schichtung legte sie Wert
und betonte sie, wobei die allgegenwärtige Armut jedoch gleichzeitig solidarisches
Handeln im Alltag überlebensnotwendig machte.

a) Wirtschaftliche Lage der dalmatinischen Landbevölkerung

Die dalmatinischen Zustände faßte 1910 der Abgeordnete Josip Smodlaka in einer
Rede vor dem Wiener Parlament in folgenden Worten zusammen: „Dalmatien ist ein
Bauernland (...) ohne Industrie, Brot, Fleisch, Kartoffeln, Holz; mehr als die Hälfte
der Dörfer haben kein Trinkwasser (.. .).“74 Weiter beklagte er die katastrophalen Ver­
kehrsverbindungen, die grassierenden Seuchen, die ungelöste Agrarfrage, Mißernten,
die Auswanderungswelle. In den Beschreibungen von allgemeiner Rückständigkeit
und sozialer Not waren sich Oppositionspolitiker wie Smodlaka mit Beamten und
österreichischen Beobachtern weitgehend einig.75 Alle diese Probleme waren auch
74 Abg. Josip Smodlaka im Reichsrat, Parlamentsprotokoll, 52, 1910, Prilog, hier zit. nach Obad,
Stijepo, Dalmatinsko selo u proslosti. Od sredine osamnaestog stoljeca do prvog svjetskog
rata (Das dalm. Dorf in der Vergangenheit. Von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis
zum Ersten Weltkrieg), Split 1990, S. 104.
75 Auch in den Erinnerungen des von 1902 bis Anfang 1905 als Statthalter in Dalmatien einge­
setzten Erasmus Freiherr von Handel wird die Lage der Landbevölkerung als die „denkbar

133
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

nach 1918 ungelöst. In all seinen Teilen bot das auch zu Zeiten der Donaumonarchie
„rückständige, wenig erschlossene, quasi-koloniale“ und vernachlässigte76 Gebiet des
ländlichen Dalmatien vor und nach 1918 den bedauerlichen Anblick eines wirtschaftli­
chen Notstandsgebietes. Das österreichische Kronland, von dem es lange hieß, daß
dort ,auf italienisch gedacht und gesprochen, deutsch kommandiert und slawisch ge­
folgt' würde, war die rückständigste Provinz der Monarchie.
Das neuentstandene „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ war zur Gänze
ein ausgesprochenes Agrarland. Mehr als drei Viertel der gesamten Einwohnerschaft
und der Beschäftigten waren Bauern bzw. Landarbeiter.77 Die Verhältnisse in der
Landwirtschaft unterschieden sich in den verschiedenen Regionen des Königreichs
zwar beträchtlich, die statistische Pro-Kopf-Besitzverteilung in den ehemaligen k.u.k.-
Gebieten zeigt aber, daß dem weitaus größten Teil der landarbeitenden Bevölkerung,
sofern er überhaupt eigenen Boden besaß, überall nur parzellisierte, kleine Flächen
zur Bearbeitung zur Verfügung standen.78 In Dalmatien hatten 56.539 bäuerliche Wirt­
schaften (was 62,8 % aller Höfe der Region entsprach) sogar weniger als 2 Hektar
Land zur Verfügung, was die extreme Parzellisierung an der Küste deutlich macht.79
Von Großgrundbesitz in Dalmatien konnte man nur bei 0,14% der Höfe sprechen.80

ärmlichste“ beschrieben: „Hungersnot und völliger Mangel an Trinkwasser eine alljährlich in


weiten Gegenden wiederkehrende Erscheinung, hoffnungslose Verschuldung an Agrarwuche­
rer die Regel, Wohnverhältnisse, die jeder Beschreibung spotten, in vielen Landesteilen eine
Malaria, welche die Bevölkerung physisch und psychisch entkräftete“. Vgl. auch den Beitrag
„Die wirtschaftlichen Zustände Dalmatiens“ des k.k. Sektionschefs im k.k. Handelsministe­
rium R. Riedl, in: Brückner, Ed. (Hg.), Dalmatien und das österreichische Küstenland. Vor­
träge gehalten im März 1910 anläßlich der ersten Wiener Universitätsreise, Wien u. Leipzig
1911, S. 216-246. Für die Zustände im 19. Jh. zahlreiche Belegstellen bei Schödl, Nationalpo-
litik u. Clewing, Staatlichkeit u. Identitätsbildung.
76 Obad, S. 301. Noch bei den Beratungen über „Ernährungsfragen“ Cisleithaniens im Septem­
ber 1917 kam das „Königreich Dalmatien“ nicht vor; vgl. „Protokoll über die auf Einladung
des Ministerpräsidenten Dr. Ritter von Seidler am 6., 7., 8., und 10. September 1917 im Sit­
zungssaale des niederösterreichischen Landhauses abgehaltene Besprechung von Ernährungs­
fragen“, Wien 1917.
77 Mirkovic, Miro, Ekonomska struktura Jugoslavije 1918-1941 (Wirtschaftsstruktur Jugoslawi­
ens 1918-1941), Zagreb 1950, S. 74ff. u. ders., Ekonomska historija Jugoslavije. Zagreb 1962,
S. 332ff.
78 Im Gesamtstaat hatten von rund 2 Millionen Bauernhaushalten knapp ein Drittel nur bis zu
5 Hektar Land zur Bearbeitung, ein Drittel 5-20 Hektar, während weniger als drei Prozent
über 20 Hektar besaßen. Vgl. Vuckovic, Mihajlo, Poljoprivreda stare Jugoslavije (Die Land­
wirtschaft des alten Jugoslawien), in: Iz istorije Jugoslavije 1918-1945, Beograd 1958, S. 269-
278. In Dalmatien waren es insgesamt 266.432 Hektar bearbeitbares Land, was angesichts der
Bodenqualität, der häufigen Trockenheiten und des Stands der Produktivräfte in der Land­
wirtschaft viel zu wenig war. Vgl. Agrarna reforma I, S. 225 u. Simoncic-Bobetko, Agrarno
pitanje u Dalmaciji, passim.
79 Vgl. Statisticki godisnjak u. Almanah Primorske banovine.
80 Österreichische Statistik, Bd. LXXXIII, 1, Wien 1909, S. 3 u. 31. Mehr als die Hälfte (57,4%)
des Landes wurde 1902 von den Eigentümern selbst bewirtschaftet, 37,7% teilweise durch

134
Dorf und agrarische Lebenswelt

564,9 Menschen kamen statistisch auf einen Quadratkilometer Ackerland in Dalma­


tien (das ansonsten eine Bevölkerungsdichte von 48,8 pro km2 aufwies). Dies war ein
Verhältnis, wie es nicht einmal die am dichtesten besiedelten Gebiete Europas aufwie­
sen. Vor diesem Hintergrund kann die hohe Auswanderungsrate nicht verwundern.
Die katastrophale Agrarsituation in Dalmatien und die „langwährende Krisensituation
seit der Jahrhundertwende“ sind analysiert worden im Kontext der Frage der Entste­
hung einer dauerhaften politischen Mobilisierung einer zuvor weitgehend apathischen
Bauernschaft.81 Der atomisierte Kleinbesitz konnte oft nicht einmal die kinderreichen
Bauernfamilien richtig versorgen. Zur Mechanisierung zwecks Ertragssteigerung kam
es nicht, hauptsächlich wegen Kapitalmangel und eines „funktionalen Analphabetis­
mus“ der Bauern, wie später noch zu zeigen sein wird. Eine Untersuchung der lokalen
Verlaufsformen und Auseinandersetzungen im Hinblick auf die letztlich niemals zur
Zufriedenheit der Bauern realisierten Agrarreform, verspricht einen Einblick in die
Gründe, die dazu geführt haben, daß sich die große Mehrheit der dalmatinischen
„tezaci“ mit dem jugoslawischen Experiment auf Dauer nicht identifizieren konnte
und wollte.82
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges befand sich die auch in Dalmatien bei weitem
zahlenmäßig stärkste Gesellschaftsschicht, die Bauern, in der denkbar schlechtesten
Lage. Die durchgeführte Mobilisierung entzog den auf dem Dorf verbliebenen Fami-

Eigentümer und teilweise durch abgabepflichtige Bauern. 4018 Besitzungen (4,8%) aus­
schließlich durch Kolonen oder durch Bauern unter ähnlichen Vertragsverhältnissen.
81 Vgl. Schödi, Nationalpolitik, Die Agrarkrise als Voraussetzung von Politisierung, S. 114-178.
Zur Bevölkerungsstruktur vor 1914 vgl. Foretic, Dinko, O ekonomskim prilikama u Dalma-
ciji u drugoj polovici XIX stoljeca do prvog svjetskog rata (Uber die wirtschaftl. Verhältnisse
in Dalm. in der zweiten Hälfte des 19. Jh. bis zum 1. WK), in: Hrvatski narodni preporod u
Dalmaciji i Istri, Zagreb 1969, S. 9-71. Zur Lage der Landwirtschaft vor dem Ersten Welt­
krieg auch Karaman, Problemi ekonomskog razvitka u. Tomasevich, Peasants, Politics and
Economic Change, bes. Kap. 3, 4 u. 9.
82 Eine eigene Studie zur Agrarreform in Dalmatien liegt bislang nicht vor. Zdenka Simoncic-
Bobetko, die wohl beste Kennerin der Materie, geht in ihrer postum publizierten Studie
„Agrarna reforma i kolonizacija u Hrvatskoj 1918.-1941.“ (Agrarreform und Kolonisierung
in Kroatien 1918-41), Zagreb 1997, fast nur anhand von Sekundärliteratur auf Dalmatien ein.
Für unser Thema wichtig war ihre Arbeit „Agrarno pitanje u Dalmaciji“, in: Povijesni prilozi
8/1989, S. 91-141. In manchen Lokalmonographien und Artikeln wird auf den jeweiligen
lokalen Verlauf der Agrarreform eingegangen, immer mit der Betonung, daß es sich dabei für
die Bauern um das wichtigste Ereignis gehandelt habe; vgl. z.B. Grabovac, Viktor Vito, Prolo-
zac kroz prostor i vrijeme (P. in Raum und Zeit), Prolozac 1995, S. 102-126; Radovanovic,
Robert, Gdinj - Geografsko povijesni prikaz (Gdinj. Geographisch-geschichtliche Darstel­
lung), Hvar 1972; Kvesic, Sibe, Hvar izmedu dva rata. Politicke i socijalne prilike (Hvar
zwischen den Kriegen. Politische und soziale Verhältnisse), Zagreb 1969; Salamunic, Niko,
Agrarna reforma i socijalno-ekonomska situacija na Hvaru izmedu dva rata (Die Agrarreform
und die sozio-ökonomische Situation auf Hvar zwischen zwei Kriegen), in: Hvarski Zbornik
6 1978, S. 173-183.

135
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

lien die dringend benötigten Arbeitskräfte.83 Folge des Arbeitskräftemangels war ein
weiteres Absinken der ohnehin geringen Erträge, zunehmende Engpässe in der
Lebensmittelversorgung auch der Städte und schließlich Hunger. Die deprimierenden
Lebensbedingungen auf den dalmatinischen Dörfern und in den von Landarbeitern
bewohnten Vorstädten während der Zwischenkriegszeit finden sich in Memoiren und
lokalen Chroniken beschrieben.84 Die Gemeinden Benkovac, Drnis, Imotski, Knin
Obrovac, Sinj und Vrgorac in der Zagora, gehörten dabei, genauso wie die Inseln, zu
den unterdurchschnittlich entwickelten Regionen Dalmatiens.85 Die in den zerstreuten
Dörfern lebende bäuerliche Bevölkerung war schlecht ernährt und so gut wie ganz
von ihrer Subsistenzproduktion86 abhängig.87 Auf dem wenig ertragreichen Boden88

83 Vgl. Juras, Ivo, Kastela u godinama rata. Ekonomski i demografski prikaz (Kastela in den
Kriegsjahren. Ökonomische u. demographische Darst.), Split 1920, der den „Arbeitskräfte­
mangel“, die „schlimmste Folge des Krieges“ nennt. Schon im ersten Kriegsjahr mußten mehr
als 10% der Gesamteinwohnerzahl einrücken, 1915, als Italien in den Krieg eintrat, wurde
dann in Dalmatien „alles mobilisiert“ (vgl. S. 9f.), ab 1917 berichtet er davon, daß zahlreiche
Deserteure wieder zurück ins Dorf kamen.
84 Vgl. Kovacic, Ivan, Smij i suze starega Splita (Lachen und Tränen des alten Split), Split 1971.
Der Autor, Jahrgang 1897, beschreibt (im cakavischen Spliter Dialekt) seine Kindheit in einer
Landarbeiter-Familie; für die Dörfer Vranjic u. Povlja z.B. vgl. Javorcic, Ivo, Vranjicka kro-
nika (1918-1941) (Die Chronik von Vranjic), in: Keckemet, Dusko/Javorcic, Ivo, Vranjic
kroz vjekove (Vranjic durch die Jahrhunderte), Split 1984; Ostojic, Ivan, Povlja - povijesni
prikaz (Povlja - Geschichtliche Darst.), Split 1968.
85 In Novo doba finden sich häufig Artikel und Leserbriefe über die „herzzerreißenden“ Zu­
stände in der Zagora. Vgl. z.B. Novo doba Nr. 8 v. 11.01.1923.
86 Vgl. die Diskussion zum Begriff der „Subsistenzökonomie“ bei Plaggenborg, Bauernwelt,
S. 144ff. u. Groh, Dieter, Anthropologische Dimensionen der Geschichte, Frankfurt/M. 1992.
Dort bes. den Beitrag über die zentralen Kategorien, S. 54-113. „Betont man die kulturelle
und soziale Seite des Lebenszusammenhangs Subsistenzökonomie, so fielen alle Wirtschafts­
formen darunter, in denen sozialregulative Ideen vorherrschen, die primär auf Erfüllung von
sozialkulturell definierten Bedürfnissen ausgerichtet, aber noch nicht auf das Wachstumspara­
digma hin orientiert sind.“ Groh, S. 66 u. die Erweiterung von Plaggenborg: „über die von
ihr gesteckten Grenzen hinaus ist gezielte Überschußproduktion (wenngleich nicht kapitali­
stische Mehrwert-Schaffung) als integraler Bestandteil der „sozialkulturell definierten Bedürf­
nisse“ anzusehen.“ Ebenda, S. 145.
87 Culinovic-Konstantinovic, Vesna, Tradicijski zivot i razvoj porodice u selima Muckog po-
drucja (Traditionelles Leben und Entwicklung der Familie in den Dörfern der Gegend von
Muc), in: Adrias Zavoda za znanstveni i umjetnicki rad Jugoslavenske Akademije Znanosti i
Umjetnosti u Splitu, Svezak 2, Split 1988, S. 267-298 u. Erlich, Vera, Family in Transition: a
study of 300 Yugoslav villages, Princeton 1977.
88 Verschiedene Qualitätsstufen der Erde wurden von den Bauern unterschieden: Das beste
Land, hieß es bsp. auf der Insel Hvar, war das sog. Ackerland (njivska zemlja), worunter man
fruchtbare rote Erde ohne Steine, auf der Wein, Bohnen, Erbsen, Zwiebeln usw. gezogen
wurden, verstand. Die zweite Landkategorie war die sog. „grahoracina od. skadetna zemlja“,
mit deutlich mehr Steinen, in der Obst- u. Olivenbäume u. Lavendel gedeihen. Die schlech­
teste Erde wurde „busak“ oder „grmlje“ genannt, und konnte nur als Weideland für Ziegen
oder zum Brennholzsammeln genutzt werden.

136
Dorf und agrarische Lehenswelt

waren die Unwägbarkeiten der Witterung entscheidend für die Ernte, zudem setzten
sich neue Bearbeitungsmethoden nur langsam in Dalmatien durch.89 Gelebt wurde in
einfachen Steinhäusern auch in den Zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts weitge­
hend noch so, wie die Bauern ,seit je her' an der Ostküste der Adria gelebt hatten.90

Abb. IV: Ansicht und Grundriß eines dalmatinischen Bauernhauses

Quelle: Ansicht eines typischen dalmatinischen Bauernhauses mit charakteristischer Vorratskam­


mer im Unter- u. Wohnraum im Obergeschoß im Dorf Vranjic, In: Javorcic, Vranjic kroz vjekove,
S. 253, daneben Grundriß des Hauses eines „tezak“ (Bauer, Landarbeiter) im Stadtviertel „Veli
Varos“ in Split, in: Siriscevic (Hg), Zbornik, S. 533.

89 Vgl. Klement, Derado, Trogirska Zagora - suvremeni tokovi razvojnog procesa geografske sre-
dine (Die Zagora von Trogir - aktuelle Entwicklungsprozesse einer geographischen Region),
in: Geografski Glasnik Nr. 38/1976, Sonderdruck. Einzelne Enthusiasten, wie der Agronom
Stanko Ozanic, bemühten sich zwar seit der Jahrhundertwende die Landwirtschaft in Dalma­
tien zu modernisieren, doch mit geringem Erfolg. Es gibt so gut wie keinen Artikel, der in Novo
doba, Jadranska straza oder Jadranski dnevnik zum Problem der Produktivitätssteigerung der
dalm. Landwirtschaft erschien, der nicht aus seiner Feder stammte; vgl. Obad, Stijepo, Dalma-
cija u Ozanicevo doba, in: Zadarska smotra 1—2 (Ozanicev zbornik), 1994, S. 29-36.
90 Dalmatinische Bauernhäuser waren meistens aus Stein und Mörtel und hatten mit Ziegeln
gedeckte Dächer. Die Häuser, die aus Trockenmauerwerk bestanden, waren mit Platten, Stroh
oder Zweigen gedeckt. Die Hausbautechnik war in den Gebieten am Meer höher entwickelt
als im Landesinneren. An der Küste und auf den Inseln gab es mehrstöckige Häuser, wobei
die Räume funktional aufgeteilt waren; vgl. Obad, Dalmatinsko selo, S. 184. Zu Brauchtum
u. Volksultur vgl. Gavazzi, M., Das Kulturerbe der Südslawen im Lichte der Völkerkunde,
in: Die Welt der Slawen 1/1965, S. 63-81; ders., Die Kulturzonen Südosteuropas, in: Südost-

137
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Besonders schwer war die Ernährungslage aufgrund langer Dürreperioden 1922 und
1928, die zu regelrechten Hungersnöten führten.91 Auf der wenigen verfügbaren Wirt­
schaftsfläche Dalmatiens lebten 1923 mehr als drei Viertel der Bevölkerung der Region
von der Landwirtschaft.92 Von der gesamten Fläche Dalmatiens, etwas über 1,2 Mio.
Hektar, waren überhaupt nur 57% zur landwirtschaftlichen Bearbeitung geeignet,93
nach neueren Berechnungen gar nur 20%.94 Das bearbeitbare Land wurde von ca.
120.000 Bauernfamilien bearbeitet, von denen die Mehrzahl ausschließlich von den
geringen Erträgen, die das Land abwarf, leben mußte.95 Daß die große Mehrheit der
dalmatinischen Bevölkerung auf dem Land lebte, wird auch aus folgender Aufstellung
der Wohnorte deutlich:

Tabelle V: Wohnorte der Bevölkerung Dalmatiens nach Größe 1912

Anzahl bewohnte unbew. Haush. Einw.


Orte Häuser Häuser

0-500 Pers. 448 19.947 6.344 20.571 115.450


500-2.000 385 58.150 17.435 60.952 366.907
2.000-5.000 37 14.946 3.089 16.477 94.304
5.000-10.000 3 3.151 993 3.901 20.954
10.000-20000 2 2.420 229 4.566 26.644
über 20.000 1 2.167 142 4.249 21.407
zus. 276 100.781 28.232 110.716 645.666

Quelle: Österreichische Statistik: Summarische Ergebnisse der Volkszählung 1910; Makale,


Manfred, Zadnji popis pucanstva u Dalmaciji (Die letzte Volkszählung in Dalmatien), (Naklada
„Adria“), Wien 1912, S. 57.

europa-Jahrbuch II. Bd., München 1958, S. 11-31; Matl, Josef, Die Kultur der Südslawen, in:
Handbuch der Kulturgeschichte neu hrsg. v. Eugen Thurnher, Lieferung 101-105, Frankfurt/
M, 1966; Schneeweis, Edmund, Serbokroatische Volkskunde, 2 Bde., Berlin 1961 (Original-
ausg. Cilli 1935); Schmaus, Alois, Südosteuropa, Münchenl964; Culina, Sime, Radanje, zivot
i umiranje djece u Pridragi (Geburt, Leben und Sterben der Kinder in Pridraga), in: Zadarska
smotra. Casopis za kulturu, znanost i umjetnost, Jg. XLII, Nr. 4-5/1993, S. 169-174.
91 Vgl. Mirosevic, Franko, Polozaj dalmatinskog tezaka i njegova borba za zemlju od 1919. do
1929. godine (Die Stellung des dalm. Landarbeiters und sein Kampf um Land von 1919 bis
1929), in: Radovi Nr. 20, hrsg. v. Zavod za hrvatsku povijest Filozofskog fakulteta u Zagrebu,
Zagreb 1987, S. 94-98.
92 Der Almanah Kraljevine SHS, Kap. 2 „Landwirtschaft“ sprach v. insgesamt 1923 715.432 ha
Nutzfläche.
93 Vgl. Novo doba v. 30.04.1921, S. 1: „Dalmatien im Übergang vom Agrar zur Industrie“, wo
die Gesamtfläche mit 1.282.257 ha angegeben wurde.
94 Simoncic-Bobetko, Zdenka, Selo u Hrvatskoj 1918.-1934. godine - gospodarski aspekti (Das
Dorf in Kroatien 1918-1941 - Wirtschaftliche Aspekte), in: Povijesni prilozi (hrsg. v. Institut
za suvremenu povijest), Nr. 13/1994, S. 139-178.
95 Auf Dalmatien entfielen im Jahr 1923 wegen der geringen Produktivität ganze 4,7% der
gesamten aus der Landwirtschaft stammenden Erträge im Gesamtstaat. Zum Vergleich: Auf

138
Dorf und agrarische Lebenswelt

Mehr als drei Viertel (75,8 % ) aller Einwohner Dalmatiens lebten also in Ortschaften bis
2000 Einwohner (95,1 % aller Ortschaften), entsprechend sah die Bevölkerungsstruktur
und Beschäftigungsstatistik der Region aus. Der Anteil der Berufsgruppen in den Sekto­
ren „Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei“ betrug auch 1910 noch über 82 %.

Tabelle VI: Bevölkerungsstruktur/Beschäftigungsstatistik im österr. Kronland Dalmatien


nach den Ergebnissen der Volkszählungen 1880-1910

1880 1890 1900 1910

Einw. insg.: 476.101 527.426 593.784 645.604

Tätigk. im Eigentümer 88.201 68.709 81.497 93.441


Agrar- Angestellte 1.153 60 38 29
Forst- Arbeiter 121.998 220.160 223.197 225.461
Fischereis. i. Haushalt 179.143 165.204 192.567 213.562
Bedienstete 3.272 81 98 763
Insgesamt: 393.767 454.214 497.397 533.256
in Prozent: 82,71 % 86,12 % 83,77% 82,60%

Tätigkeit Eigentümer 5.241 4.412 4.305 5.438


Bergbau, Angestellte 215 134 203 182
Industrie Arbeiter 5.789 6.513 9.265 9.372
Handwerk i. Haushalt 10.924 12.680 16.462 15.725
Bedienstete 710 427 499 402
Insgesamt: 22.879 24.166 30.734 31.119
in Prozent: 4,80% 4,58 % 5,18% 4,82 %

Tätigkeit Eigentümer 3.551 3.288 3.353 5.705


im Handel Angestellte 372 993 794 1.126
Bankwesen Arbeiter 2.728 4.178 4.255 6.196
u. Verkehr i. Haushalt 10.443 12.218 15.461 16.916
819 851 1.100
OO

Bedienstete
oo

Insgesamt: 17.975 21.496 24.714 31.043


in Prozent: 3,77% 4,08% 4,16% 4,81 %

Beamte Unabhängig 17.942 15.688 22.141 27.690


Pensionäre i. Haushalt 19.679 10.026 15.921 19.963
Armee, Bedienstete 3.859 1.836 2.877 2.533
Freie Ber. Insgesamt: 41.480 27.550 40.939 50.186
Schulen in Prozent: 8,71 % 5,22% 6,89% 7,77%

Quelle: Diklic, Marjan, Prilog strukturi, S. 184, nach der österr. Statistik. (Die Kategorie „Eigen­
tümer“ (vlasnici) bezeichnet „unabhängige“, d. h. nicht abhängig beschäftigte Personen; unter „im
Haushalt“ sind Haushaltsangehörige ohne eigenes Einkommen gemeint.)

die etwa genauso große fruchtbare Vojvodina entfielen 24,27%; vgl. Mirkovic, Ekonomska
historija, S. 345.

139
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Tabelle VII: Beschäftigungsstruktur nach Banschaften 1936

Banschaft Erwerbstätige Land-und Industrie Sonstige


insgesamt Forstwirtsch. u. Handwerk

Drau 100,0 60,5 21,1 18,3


Save 100,0 75,1 11,7 13,2
Präf. Belgrad 100,0 3,0 32,6 64,4
Küstenban. 100,0 84,5 5,9 9,6
Vrbas 100,0 89,4 4,8 5,8
Drina 100,0 81,8 7,7 10,4
Morava 100,0 85,9 7,1 7,0
Zeta 100,0 83,2 5,0 11,9
Vardar 100,0 79,3 8,2 12,5
Jugoslawien 100,0 76,3 10,7 13,0

Quelle: Statisticki godisnjak 1936, S. 38ff. (Unter „Sonstige“ fällt Beschäftigung im Handel, Bank­
wesen, Staatsdienst, Freie Berufe, Militär, sowie Rentner u. Arbeitslose.)

Wenn auch nach Schaffung der Küstenbanschaft96 zusätzlich noch agrarisch struktu­
rierte bosnische und herzegowinische Kreise Dalmatien angegliedert wurden und des­
halb die österreichischen Daten mit den jugoslawischen Angaben nicht direkt ver-

96 Mit dem Gesetz über Bezeichnung und administrative Aufteilung vom Oktober 1929 wurde
der nun „Königreich Jugoslawien“ genannte Staat in 9 Banschaften aufgeteilt. Sitz der sog.
„Küstenbanschaft“ (Primorska banovina), die Teile des westlichen Bosnien und der Herzego­
wina umfaßte, war Split. Der nach „neuesten Zahlen“ und den Volkszählungsergebnissen von
1931 erstellte statistische Almanach der Küstenbanschaft gab als Gesamtfläche der Primorska
banovina 19.613,91 km2 od. 7,98% des gesamten Staatsterritoriums an. Verwaltungsmäßig
war die Küstenbanschaft in 21 Bezirke (srez), 101 Gemeinde (darunter 4 Städte) und 813
Katastergemeinden aufgeteilt. Nach den Ergebnissen der Zählung vom 31. März 1931 lebten
901.660 Einwohner (6,47% der Gesamteinwohnerschaft) in 1.664 Ortschaften, mit 155.909
gezählten Haushalten in 151.459 Häusern. Die Muttersprache „Kroatoserbisch“ gaben
895.292 oder 99,30% der Befragten an. Das Slowenische, Italienische und Deutsche folgen
mit 2.155, 1.580 bzw. 739 gezählten Sprechern. Die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen
Kirche bekannten 692.496 oder 76,80 % der befragten Personen, zur othodoxen zählten sich
138.375 od. 15,35%. Durch die nicht-dalmatinischen Teile der Küstenbanschaft kamen 69.360
od. 7,69% Muslime dazu, andere Konfessionen sind, wie die 17 Personen (0,0%) die sich auf
dem gesamten Gebiet der Banschaft als konfessionslos erklärten, statistisch vernachlässigbar.
Vgl. Kraljevska Banska uprava Primorske banovine (Hg.), Upravno, sudsko i crkveno razdjel-
jenje i imenik prebivalista Primorske banovine po stanju od 1. maja 1938. Priredio Statisticki
ured u Zagrebu (Kgl. Banschaftsverwaltung der Küstenb. (Hg.), Verwaltungsmäßige, gerichtli­
che und kirchliche Aufteilung und Wohnortregister der Küstenbanschaft nach dem Stand 1.
Mai 1938 durch das Statistische Amt in Zagreb), Zagreb 1938. „Ein Volk und ein nationales
Empfinden“ würde die Folge dieser Entscheidung sein, waren sich die Vertreter unitaristischer
Positionen sicher. Doch auch die noch so häufige Betonung von „jugoslawischem nationalem
Geist“ schuf ihn nicht herbei. Vgl. Novo doba v. 5. Juli 1929 u. Zakon o nazivu i podeli

140
Dorf und agrarische Lebenswelt

gleichbar sind, so illustriert die Tabelle „Beschäftigungsstruktur nach Banschaften“


von 1936 doch, daß der überwältigende Teil der in Dalmatien lebenden Menschen
auch in der Zwischenkriegszeit im Agrarsektor beschäftigt war.
Die von der jugoslawisch gesonnenen Presse als „historische Beschlüsse des Mini­
sterrats“ gefeierte neue administrative Aufteilung des Staates in 9 Banschaften nach
Ausrufung der Diktatur sollte „definitiv Schluß machen mit den historischen Gren­
zen“. In der neugeschaffenen „Küstenbanschaft“ (Primorska banovina) lebten nach
den Volkszählungsergebnissen von 1931753.146 Menschen, oder 83,53% der Ge­
samtbevölkerung, von der Landwirtschaft; in Industrie und Handwerk waren nur
57.618 oder 6,39% tätig.97 Doch trotz des gewaltigen Bevölkerungsanteils, der im
Agrarsektor beschäftigt war, zeigt die Berechnung des Pro-Kopf-Einkommens nach
Wirtschaftszweigen (anhand der Angaben für das Jahr 1923), daß in Dalmatien nur
ein Drittel des statistischen Pro-Kopf-Einkommens im Agrarsektor erwirtschaftet
wurde.

Tabelle VIII: Pro-Kopf-Einkommen in jugoslawischen Regionen 1923 (in Dinar):

Region Pro-Kopf- Pro-Kopf- Pro-Kopf- Pro-Kopf-


Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen
aus landwirtsch. aus Industriearb. aus sonst. insgesamt
Tätigkeit Quellen

Serbien, Mazedonien
u. Montenegro 1.084,5 149,7 638,3 1.872,5
Serbien allein 1.185,5 222,7 728,4 2.136,6
Mazedonien
und Kosovo 956,2 29,9 510,0 1.496,2
Montenegro 628,3 15,6 333,0 976,9

Bosnien-Herzegowina 969,1 348,1 645,6 1.962,7


Kroatien - Slawonien 1.617,5 600,7 1.462,7 3.680,8
Dalmatien 1.006,1 882,9 972,4 2.861,3

Slowenien 1.222,6 1.549,1 1.830,9 4.602,6


Vojvodina 2.362,2 525,8 1.299,9 4.187,8
Zusammen: 1.346,2 488,2 1.034,0 2.868,4

Kraljevine na upravna podrucja (Gesetz über die Bezeichnung u. Aufteilung des Königreichs
in Verwaltungseinheiten), in: Sluzbene novine v. 5.10.1929, Nr. 233 XCI.
97 Vgl. Definitivni rezultati popisa stanovnistva od 31.03.1931, Bd. IV, Sarajevo 1940, S. VIII-
IX, Tab. III u. IV. Aus den Volkszählungsergebnissen geht auch hervor, daß es 13.488 Beamte
und Angestellte, 20.240 Arbeiter, 21.380 Tagelöhner u. Bedienstete, 2.683 Hausbedienstete
und 2.155 Lehrlinge in der Banschaft gab. 364.935 od. 84,53 % der wirtschaftl. aktiven Bevöl­
kerung war im Agrarsektor beschäftigt.

141
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Tabelle IX: Index des Pro-Kopf-Einkommens nach Wirtschaftszweigen 1923

Region Aus landwirtsch. Aus Industriearb. Aus sonstigen Index


Tätigkeit Quellen insgesamt

Serbien, Mazedonien
u. Montenegro 80,6 30,7 61,7 65,3
Serbien allein 88,1 45,6 70,4 74,5
Mazedonien
und Kosovo 71,0 6,1 49,3 52,2
Montenegro 46,7 3,2 32,2 34,1

Bosnien-Herzegowina 72,0 71,3 62,4 68,4


Kroatien-Slawonien 120,2 123,0 141,5 128,3
Dalmatien 74,7 180,9 94,0 99,8

Slowenien 90,8 317,3 177,1 160,5


Vojvodina 175,5 107,7 125,7 146,0
Zusammen: 100,0 100,0 100,0 100,0

Einkommensverteilung nach Wirtschaftszweigen 1923 in Prozent

Region Pro-Kopf- Pro-Kopf- Pro-Kopf- insgesamt


Einkommen Einkommen aus Einkommen
aus landwirtsch. Industriearb. aus sonstigen
Tätigkeit Quellen

Serbien, Mazedonien
u. Montenegro 57,9 8,0 34,1 100,0
Serbien allein 55,5 10,4 34,1 100,0
Mazedonien u.
Kosovo 63,9 2,0 34,1 100,0
Montenegro 64,3 1,6 34,1 100,0

Bosnien-Herzegowina 49,4 17,7 32,9 100,0


Kroatien-Slawonien 43,9 16,3 39,7 100,0
Dalmatien 35,2 30,9 34,0 100,0

Slowenien 26,6 33,7 39,8 100,0


Vojvodina 56,4 12,6 31,0 100,0
Zusammen: 46,9 17,0 36,0 100,0

Quelle: Duricic, V. et al., Nasa narodna privreda i nacionalni prihod (Unsere Volkswirtschaft u.
das nationale Einkommen), Sarajevo 1927; Ministarstvo trgovine i industrije (Handels- u. Indu­
strieministerium) (Hg.), Statistika industrije Kraljevine Jugoslavije (Industriestatistik des König­
reichs Jugoslawien), Beograd 1941; Stajic, Stevan, Nacionalni dohodak Jugoslavije 1923-1929
(Das Volkseinkomen Jugoslawiens), Beograd 1959; Tomasevich, Jozo, Peasants, Politics and Eco­
nomic Change in Yugoslavia, Stanford 1955, S. 225; Udruzenje vojvodanskih banaka, Izvestaj
udruzenja vojvodanskih banaka za godinu 1928 (Bericht des Verbandes der Banken aus der Voj­
vodina f. 1928), Novi Sad 1929, S. 70f.

142
Dorf und agrarische Lebenswelt

Obige statistische Angaben98 werden sicher relativiert durch die Tatsache, daß die
dalmatinischen Bauern zu einem großen Teil für den Eigenbedarf und nicht für den
Markt produzierten.99 Doch es blieb bei der Tatsache, daß Dalmatien auch nach dem
Krieg seine Bevölkerung nicht ernähren konnte und erhebliche Mengen von Körner­
früchten importieren mußte. Gleichzeitig betrug der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch
bei Körnerfrüchten (einschließlich Reis) in Dalmatien, nach Berechnungen, die im
Auftrag des österreichischen Handelsministeriums für das Jahr 1903 durchgeführt
wurden, nur 177 kg, während man ansonsten in Cisleithanien eine Verbrauchsmenge
von 250 kg pro Kopf als durchschnittlich betrachtete. Ein Vierteljahrhundert später
veröffentlichte das nun zuständige Landwirtschaftministerium in Belgrad Ergebnisse
einer statistischen Befragung aus dem Jahr 1927, die das Ministerium in einzelnen
Gemeinden durchgeführt hatte. Danach wurde durchschnittlich „zum Zwecke der
Ernährung eines erwachsenen Menschen in einer ländlichen Gemeinde“ davon ausge­
gangen, daß dieser im Jahr „137 kg Getreide, 117 kg Mais, 33 kg Weizen und 6 kg
Roggen“ zu seiner Ernährung verbrauche. Kartoffeln sah die Statistik nicht vor. Die
durchschnittliche Ernährung eines Stadtbewohners mit Lebensmitteln habe 1927
dagegen aus „145 kg Getreide, 121 kg Mais, 21 kg Hafer, 19 kg Roggen und 5 kg
Kartoffeln“ bestanden.100

98 Der Index des Pro-Kopf-Einkommens für die einzelnen Regionen des Königreichs Jugosla­
wien ergibt sich aus der Kalkulation der regionalen Einkommensverteilung für das Jahr 1923
nach folgender Methode: Die Statistiken der Regionalverteilung des Industrieeinkommens
und der -investitionen des Handels- und Industrieministeriums wurden als Grundlage für die
Prozentverteilung auf die einzelnen Regionen genommen. Die Angaben von Duricic bezüg­
lich des Einkommens aus Land- und Viehwirtschaft dienten als Berechnungsgrundlage für
die Prozentzahlen in diesem Wirtschaftszweig. Die Zahlen für den Bereich „Dienstleistun­
gen“, (im weitesten Sinne), beruhen auf den Angaben für Einkommen, das nicht aus Industrie­
arbeit oder Landwirtschaft stammt, und sind gebildet aus dem Mittel von Stajic’ Angaben des
Durchschnittseinkommens in den verschiedenen Sektoren. So ergibt die Multiplikation von
Stajic’ Angaben für das gesamte Volkseinkommen aus Industriearbeit mit der Prozentzzahl
des Industrieeinkommens von Dalmatien, geteilt durch 100 um eine Dezimalzahl zu erhalten,
die Zahl des durchschnittlichen Einkommens aus Industriearbeit in Dalmatien 1923, was dann
durch die Zahl der Bevölkerung nach den Volkszählungsergebnissen von 1921 dividiert wurde
um ein statistisches Pro-Kopf-Einkommen zu erhalten, woraus sich wiederum obiger Index
ergibt, bei dem der jugoslawische Durchschnitt als 100 gesetzt ist.
99 Vgl. auch die Angaben im „Statistischen Almanach“ für 1922-23: Die gesamte Fläche Dalma­
tiens betrug demnach 12.729 qkm (ohne Zadar). Fruchtbares Land davon 121.150 ha, Wein­
berge 30.839 ha, Olivenhaine u. Obstgärten 28.408 ha, Gärten 4.620 ha, Wiesen 8.782 ha,
Weiden 574.307 ha, Wald 342.640 ha, Berggelände 7.789 ha, unfruchtbares Land 26.828 ha.
Nach diesen wurde auf 18.776 ha Getreide angebaut, Weizen auf 22.863 ha, Futterpflanzen
8.393 ha, Roggen 2.712 ha, Mais 37.514 ha, Ölpflanzen 4.431 ha, Industriepflanzen 1.650 ha.
Vgl. auch Almanah Primorske banovine, S. 31 u. die im Anhang abgedruckte österr. Statistik.
100 Ministarstvo poljoprivrede i voda Kraljevine SHS (Hg.), Potrosnja hlebnih zita u Kraljevini
SHS (Brotgetreideverbrauch im Kgr. SHS), Beograd 1928, S. VI. Die Menschen im Königreich
lebten, nach diesen Angaben des Landwirtschaftsministeriums, hauptsächlich von Weizen und

143
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Wegen unklarer Erhebungskriterien und schwer abschätzbarer Genauigkeit sind sol­


che statistischen Ergebnisse, die zur Berechnung des notwendigen Saatgutes erstellt
wurden, nur bedingt aussagekräftig. Deutlich wird aber auch im Vergleich mit Anbau-
und Viehzählungsstatistiken zu Zeiten Österreichs, die auch schon eine Notstandssi­
tuation der Landwirtschaft widerspiegelten, wie schlecht es um die dalmatinische
Landwirtschaft im jugoslawischen Staat bestellt war. Die Ergebnisse der Zählung in
Dalmatien, die auf dem Gebiet der früheren österreichischen Provinz mit Ausnahme
der Stadt Zadar und seiner nähesten Umgebung sowie der Insel Lastovo, die nach
dem Vertrag von Rapallo vom 12. November 1920 Italien angeschlossen wurden,
durchgeführt wurde, liefern keine exakten Zahlen für das gesamte ehemalige Kronland
Dalmatien. Doch in ihrer negativen Tendenz ist sie aussagekräftig.101 Vergleicht man
die Ergebnisse mit den Angaben der „Ergebnisse der Viehzählung vom 31. Dezember
1910 in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern“,102 dann fällt auf,
daß auch der Viehbestand deutlich zurückgegangen war:

Tabelle X: Viehbestand in Dalmatien 1910 und 1921

1910 1921 Veränderung in Prozent

Kühe u. Ochsen 55.160 52.084 - 5,6


Büffel 54 31 - 42,5
Pferde 14.549 12.104 - 16,8
Mulis 8.558 4.237 - 50,5
Esel 11.511 12.042 + 4,6
Schweine 36.300 22.964 - 36,7
Schafe 427.019 273.452 - 36,0
Ziegen 141.805 116.905 - 17,6
Federvieh 227.802 182.565 - 19,9
Bienenkörbe 25.201 12.010 - 52,3

Quelle: Rezultati popisa dom. stoke, S. X u. XI, mit genauer Differenzierung u. Aufschlüsselung
nach den Kreisen Dubrovnik, Imotski, Kotor, Makarska, Metkovic, Sinj, Split u. Supetar, S. 26f.
und Kommunen, S. 264ff. u. S. 388ff.

Mais (Brot und Polenta), auf dem Dorf bestand die Ernährung zu 78,87 % daraus (wobei der
billigere Mais überwog), in der Stadt lebte die Bevölkerung, nach diesen Angaben, zu 85,25 %
davon.
101 Direkcija Drzavne Statistike u Beogradu (Hrsg.), Rezultati popisa domace stoke u Kraljevini
Srba, Hrvata i Slovenaca od 31. januara 1921. godine (Die Ergebnisse der Viehzählung im
Kgr. SHS v. 31.01.1921), Sarajevo 1927, S. VII. Teils durch italienische Okkupation, teils durch
„Schwierigkeiten anderer Art“, wie es im Vorwort hieß, wurden die Kreise Benkovac, Zadar,
Knin, Hvar, Sibenik, die Gemeinde Mljet aus dem Kreis Durovnik, die Gemeinden Blato,
Vela Luka und Korcula, das Dorf Kijevo in der Gemeinde Vrlika, Teile der Gemeinde Lece-
vica, Muc und Trogir aus dem Kreis Split nicht erfaßt. Das Vieh in den Gemeinden Janjina,
Kuna, Orebic und Trpanj (Kreis Korcula) wurde bei den Ergebnissen für den Kreis Metkovic
mitberücksichtigt.

144
Dorf und agrarische Lebenswelt

Nur der Bestand an Eseln hatte sich also, will man den staatlichen Statistiken Glauben
schenken, in Dalmatien vermehrt. Das dunkle Bild der landwirtschaftlichen Situation
Dalmatiens von vor 1914 hatte sich folglich noch verdüstert.
Die dalmatinischen Bauern sahen sich auch nach dem Ende des Weltkriegs mit inner­
halb Dalmatiens regional unterschiedlichen Abgabe- und Leistungspflichten konfron­
tiert. Als wesentlichstes Phänomen ist das Kolonat (kolonat od. tezastina) zu nennen.
Daneben gab es noch eine ganze Reihe von unterschiedlich definierten Rechtsverhält­
nissen zwischen dem Landeigentümer und demjenigen, der das Land bearbeitete. Die
Abgabepflicht des Kolonen variierte (je nach Gebiet und landwirtschaftlicher Kultur)
von einem Fünftel bis zur Hälfte des Ertrags, den der Bauer dem Eigentümer abzulie­
fern hatte. Örtlich bildeten sich starke Gewohnheitsrechte heraus, die de facto dazu
führten, daß Generationen einer Familie von Bauern immer dieselben Flächen bearbei­
teten. Weitere prägende Elemente der dalmatinischen Agrarverfassung waren die Zer­
splitterung des Grundbesitzes und die große Ausdehnung des gemeinschaftlich ge­
nutzten Gemeindelandes.103
Verschiedene quasi-feudale Relikte hielten sich bis ins 20. Jahrhundert in Dalmatien.
Der im Raum Dubrovnik „kmet“ (Leibeigene, Hörige, Fronbauer, Untertan) genannte
Bauer mußte gleichfalls oft bis zur Hälfte des Ertrages in Naturalien abliefern, was
erst nach und nach durch eine Geldrente abgelöst wurde. Im dalmatinischen Hinter­
land, der Zagora, regelte das „kmetije“ genannte Rechtsinstitut die Beziehungen zwi­
schen Eigentümer und Bauern, das von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden
konnte. Im fruchtbaren Delta des Flusses Neretva, in der Umgebung von Metkovic,
wurde das Vertragsverhältnis zwischen Eigentümer und „kmet“ auf zwanzig oder
maximal neunundzwanzig Jahre beschränkt, bei einer Abgabequote von einem Drittel
bis zur Hälfte des Ertrages. Nach Ablauf der vertraglich festgelegten Frist mußte das
Land vom Bauern dem Eigentümer zurückgegeben werden, ohne Ansprüche auf Ent­
gelt für geleistete Meliorisierungen, die in manchen Vertragsformen (z. B. im Falle von
notwendigen Trockenlegungen nach Überflutungen) in der Verpflichtung des Bauern
lagen. In der Umgebung von Split und auf der Insel Brac existierten noch zusätzliche
Unter-Kolonatsverhältnisse. Hier handelte es sich um eine Weiterverpachtung durch
Kolonatsbauern, die beispielsweise Arbeit im Zementabbau gefunden hatten. Kolonen
erhielten hier von ihren Unter-Kolonen eine festgelegte Naturalrente. Weiter nördlich
in Dalmatien hielten sich quasi-feudale Pacht- und Abgabeverhältnisse, die als „livel“
und, im Falle, daß der Vertrag auf die nächste Generation überging, als „vjecni livel“
bezeichnet wurden. Wesentliches Merkmal war auch hier die festgelegte Abgabequote
an den Landeigentümer (in Naturalien oder Geld), wobei es dem Bauern freigestellt

102 Ergebnisse der Viehzählung vom 31. Dezember 1910 in den im Reichsrate vertretenen König­
reichen und Ländern, Wien 1912.
103 Vgl. Schödl. Nationalpolitik, Kap. II 3 b) Agrarordnung und soziale Not im kroatisch­
serbischen Siedlungsgebiet, S. 123-140 m. Literaturverweisen u. Diskussion des Kolonats,
S. 124ff.

145
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

war, welche Kultur er auf dem Land anpflanzte. So existierte gleichzeitig eine ganze
Palette von ineinander übergehenden Agrar- und Vertragsverhältnissen auf dem Ge­
biet Dalmatiens, wobei eine Quantifizierung schwierig ist.104 Zdenka Simoncic-Bo-
betko zitiert eine Enquete aus dem Jahre 1925, wonach 96.953 Bauernfamilien in Dal­
matien 53.000 Hektar Land als Kolonen bewirtschafteten.105 Franko Mirosevic dage­
gen nennt für 1928 die Zahl von 36.214 Familien, die von der Bearbeitung des eigenen
Landes lebten und von 47.734 Familien, die in Kolonatsverhältnissen standen.106
Festzuhalten bleibt, daß das Kolonatsverhältnis dem Bauern eine festgesetzte Natural­
quote abverlangte, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Ernte. Der Landeigentümer
(posjednik, padrone, proprietario) lebte in den meisten Fälllen in der Stadt. Die Lauf­
zeit des Vertrages zwischen dem Landbesitzer und dem Kolonen entsprach gewöhn­
lich „der Lebensdauer der Kultur“; also im Falle von Weinstöcken etwa eine Genera­
tion (25 Jahre). Wegen der kleinen Bearbeitungsflächen und dem Mangel an Kapital
war die Produktion generell klein und rückständig, wobei es keine große Rolle spielte,
ob die dalmatinischen Bauern die eigenen kleinen Parzellen bewirtschafteten oder als
Kolonen oder Kmeten Felder und Weinberge eines Eigentümers bestellten. In Dalma­
tien gab es keine riesigen Großgrundbesitze wie in Nordkroatien, was vor allem an
den kleinräumigen natürlichen Bedingungen und der Zerstückelung von Grundbesitz
durch die praktizierte Erbteilung lag. Im gesamten ehemaligen österreichischen Kron-
land hatte es keinen Großbesitzer gegeben, der über 10.000 ha besessen hätte. Nur ein
Gut hatte überhaupt mehr als 1000 ha bearbeitbaren Boden, und zwar das ehemalige
Kirchen- und dann Staatsgut Vrana bei Biograd mit 7034 ha Land und 3001 ha Seeflä­
che.107 Ein weiteres Kennzeichen der dalmatinischen Agrarordnung war die große
Ausdehnung von Gemeindebesitz. Zu Zeiten Österreichs standen 260.000 ha anbaufä­
higem Boden, den die Bauern bearbeiteten, mehr als 650.000 ha Gemeindegrund ge­
genüber; „insgesamt über 7500 qkm, also weit mehr als die Hälfte der gesamten Fläche
dieses Kronlandes (12.830 qkm). Dieser gemeinschaftlich und unproduktiv genutzte

104 Vgl. Hribar, Alfons, Kolonat ili tezastina. Kmetski odnosi u Primorju (Kolonat oder tezastina.
Kmetenverhältnisse im Küstenland), Zagreb 1923; Obad, Sdjepo, Josip Smodlaka i agrarno
pitanje u Daimaciji uoci Prvoga svjetskog rata (J. S. und die Agrarfrage in Dalmatien ange­
sichts des I WK), in: Casopis za suvremenu povijest 1/1974, S. 64; Simoncic-Bobetko,
Agrarno pitanje u Daimaciji izmedu dva rata (1918-1941.) (Die Agrarfrage in Dalmatien in
der Zwischenkriegszeit), in: Povijesni prilozi 8/1989, S. 123 — 124; dies., Agrarna reforma i
kolonizacija, S. 79.
105 An anderer Stelle spricht sie für das Jahr 1926 von 43.000 Kolonenfamilien in Dalmatien, von
denen 10.000 ausschließlich fremdes Land bearbeiteten und 32.000 neben der Bearbeitung
von fremden auch noch eigenes Land besaßen. Vgl. Simoncic-Bobetko, Agrarno pitanje, S. 83
u. 212, leider ohne weitere Quellenangabe.
106 Mirosevic, Polozaj, S. 77.
107 Almanah Primorske banovine, S. 31. Dort die Angabe, daß noch zu Anfang der 1930er Jahre
74.300 Höfe in Dalmatien (von insgesamt ca. 83.000), nur zwischen 0,1 und 5 Hektar Land
zur Verfügung hatten.

146
Dorf und agrarische Lebenswelt

Grund bestand zu ungefähr 430.000 ha größtenteils aus Karstweiden schlechtester


Qualität, ansonsten aus weithin devastierten Wäldern und bestockten Weiden.“108
Die Agrarreform war das zentrale politische Thema vor allem für die Bauern auf
den Inseln und an der Küste nach dem Krieg (und, um das Fazit dieses Kapitels
vorwegzunehmen, die Nicht-Lösung des Landproblems ein wichtiger Grund, warum
sich diese, in ihrer übergroßen Mehrheit kroatisch-katholischen Bauern nicht mit dem
jugoslawischen Staat identifizierten).
Im dalmatinischen Hinterland waren die Dorfarmen nach 1918 genauso wie vor dem
Krieg auf die Nutzung gemeinschaftlicher Weiden und Wälder angewiesen, und daher
besonders an der Aufteilung von Gemeindeland interessiert. Alle zeitgenössischen
Quellen zeigen, daß der Druck seitens der dalmatinischen Bauern am Ende des Ersten
Weltkrieges, eine Agrarreform ins Werk zu setzen, enorm gestiegen war. Die „Ausbrü­
che der sozialen Unzufriedenheit des Landvolks“ im „Bettlerland Dalmatien“ waren
in den Zwanziger Jahren selbst ein Thema für die europäische Presse.109 Die Intensi­
vierung des Politisierungsprozesses, die die gescheiterte Kolonenbewegung unter der
dem „Bauerntribun“ genannten Anwalt Josip Smodlaka in Mitteldalmatien vor 1914
anstieß, stellte die Grundlage für die Bauernbewegung nach dem Ersten Weltkrieg in
Dalmatien dar.110 Auch wenn eine landesweite Durchsetzung der Ziele der Kolonen­
bewegung vor 1914 nicht erreicht wurde, so waren die Forderungen nach einer Agrar­
reform nie verstummt und wurden nach 1918 zum wichtigsten Anliegen der dalmati­
nischen Bauern.111

108 Schödl, Nationalpolitik, S. 137f. mit dem Hinweis auf die osmanische Agrarverfassung, die
zwischen dem 15. u. 17. Jahrhundert alles unbebaute Land als Eigentum des Sultans dekla­
rierte; Zu Zeiten Venedigs überließ die Republik den Gemeinden die betreffenden Weide-
u. Waldgebiete nur gegen Entrichtung eines Weidezinses zur Nutzung. Urbarmachung oder
Umwandlung in Privatbesitz bedurften ausdrücklicher Genehmigung.
109 Vgl. Wendel, Hermann, Die Agrarfrage in Dalmatien (geschr. 1922), in: ders., Aus der Welt
der Südslawen. Politisches, Historisches, Sozialistisches, nebst zwei Südslawienfahrten und
Nachdichtungen südslawischer Lyrik, Berlin 1926, S. 97-100. Zu Wendel vgl. die Untersu­
chung: Bauer, Roswitha, Hermann Wendel als Südosteuropa-Publizist, München 1985.
110 Vgl. Milutinovic, Kosta, Josip Smodlaka i jugoslavensko pitanje u Habsburskoj Monarhiji
(J. S. und die jugosl. Frage in der Habsburgermonarchie), in: RAD Nr. 359, Zagreb 1971,
S. 163-289, hier S. 202.
111 Daß das Projekt einer umfassenden Agrarreform vor Kriegsbeginn nicht realisiert wurde, sei
nicht „aus der angeblichen Untätigkeit der Wiener Zentralstelle oder aus einer ,Komplicen­
schaft“ von Regierung und dalmatinischer ,herrschender Klasse“ zu erklären“, wichtigster
Grund dürfte vielmehr der Widerstand im Lande selbst gewesen sein, da die führenden Mit­
glieder des Neuen Kurses selbst Land durch Kolonen bewirtschaften ließen. Vgl. Schödl,
Nationalpolitik, S. 157-178, hier S. 163 u. 180.

147
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

b) Die Agrarreform

Nicht nur in Dalmatien waren die Bauern davon ausgegangen, daß mit dem neuen
Staat auch endlich ihr Wunsch nach eigenem Land erfüllt werden würde. Schon in
der Proklamation des Nationalrates in Zagreb vom 14. November 1918 wurde „jeder
Familie“ auf dem Gebiet des SHS-Staates „genügend fruchtbares Land“ versprochen.
Auch die „Entschließung zur Agrarreform“ vom 26. November 1918, in der die Ab­
schaffung aller feudalen Überreste, bei „gerechter Entschädigung“ der früheren Eigen­
tümer, verkündet wurde, zeigte die Dringlichkeit des Problems, dessen Lösung noch
vor der staatlichen Vereinigung mit dem Königreich Serbien, zumindest in Worten, in
Angriff genommen wurde.112 Während des Zusammenbruchs Österreich-Ungarns
war es hauptsächlich in Kroatien und Slawonien zu Plünderungen von Landsitzen
von Großgrundbesitzern und zu spontanen Land- und Viehenteignungen durch den
sog. „Grünen Kader“ (zeleni kadar) gekommen. Unmittelbar nach der Gründung des
Königreichs reagierte nun auch der neue Regent Aleksandar auf den immer stärker
werdenden Druck der Bauern. Am 6. Januar 1919 erließ er folgende Proklamation, in
der es hieß:
„Ich wünsche, daß sofort eine gerechte Lösung der Agrarfrage in Angriff genommen wird
und daß die Leibeigenschaft (kmetstvo) und der Großgrundbesitz abgeschafft werden. In
beiden Fällen wird das Land unter den armen Landarbeitern verteilt werden bei gleichzeitiger
gerechter Abfindung der bisherigen Eigentümer (...). Deshalb habe ich meine Regierung da­
mit beauftragt, unverzüglich eine Kommission ins Leben zu rufen, die die Lösung der Agrar­
frage vorbereiten wird, und die Bauern-Leibeigenen (seljake-kmetove) rufe ich dazu auf, daß
sie im Vertrauen auf mein königliches Wort ruhig abwarten, daß ihnen unser Staat auf gesetzli­
chem Wege ruhig das Land übergibt.“113

Am 27. Februar 1919 wurden die „Vorläufigen Bestimmungen für die Vorbereitung
der Agrarreform“ (Prethodne odredbe zu pripremu agrarne reforme) veröffentlicht.114
Nochmals betonte der Monarch im März in einer Thronrede die Dringlichkeit der
Agrarreform:

112 Dabei wurde vom Nationalrat (in dem kein einziger Bauer saß) betont, daß die Agrarreform
durchgeführt werden müsse, ohne „irgendjemandem Gewalt, Ungerechtigkeit oder Schaden“
zuzufügen. Alles müsse „gesetzlich vor sich gehen“, ansonsten drohe „Mord und Totschlag
und letztlich werden Gewalttäter alles an sich reißen, so daß die Anständigsten, Ruhigsten
und Fleißigsten wiederum ohne alles dastehen werden“. Vgl. „Poslanica Narodnog vijeca
Slovenaca, Hrvata i Srba“ u. „Zakljucak o agrarnim reformama“, in: Sisic, Dokumenti, S. 247
u. 256f.
113 Proglas v. 6.1.1919, veröffentlicht in: „Sluzbene novine“ (Amtlicher Anzeiger) am 28.01.1919.
114 Im Gesetzblatt waren sie auf den 25. Februar 1919 datiert. In manchen Arbeiten (wie bei
Culinovic, Slom stare Jugoslavije, S. 43) wird für die „Prethodne odredbe za pripremu agrarne
reforme“ der 20. Februar genannt.

148
Dorf und agrarische Lebenswelt

„Besonders hebe ich die eilige Notwendigkeit hervor, daß der Landarbeiter nach tausend
Jahren schweren Lebens von den Bindungen befreit wird, die ihn noch abhängig halten vom
Besitzer des Landes, das er bearbeitet, und daß er Herr seiner Scholle wird, die er mit seinem
Schweiße tränkt.“115

So wurde auch in Dalmatien die Agrarreform durch die Anordnung des Landwirt­
schaftsministeriums vom 25. Februar 1919 „Uber die vorläufigen Maßnahmen zur
Vorbereitung der Agrarreform“ eingeleitet. § 7 der Verordnung besagte, daß „das Ko-
lonatsverhältnis und alle ihm ähnlichen Kmetenverhältnisse zwischen Grundbesitzern
und Bauern (...) aufgelöst“ werden. Außerdem sollten alle während des Krieges zu
Gunsten der Grundbesitzer gefällten Urteile für nichtig erklärt und der Vorkriegszu­
stand wieder hergestellt werden. Die endgültige Regelung blieb der späteren Gesetzge­
bung überlassen.116 Kein innenpolitisches Thema bewegte die Menschen in Dalmatien
mehr. Der oben bereits zitierte Josip Smodlaka hatte schon im Oktober 1918 auf einer
„Versammlung der Landarbeiter und Sozialdemokraten“ in Split versprochen: „Der
neue jugoslawische Staat wird in erster Linie ein Staat der Landarbeiter sein (tezacka
drzava), weil neun Zehntel unseres Volkes Land bestellen.“ Er warb dafür, „unseren
neuen Staat zusammen mit unseren Brüdern einzurichten, von denen es, vom Meer
bis zur Donau, viele gibt; mehr als 12 Millionen.“117
Für die Bauern war die Sache einfach und klar; sie erwarteten eine schnelle Aufteilung
des Großgrundbesitzes und Eigentumsrechte an den Parzellen, die sie bewirtschafte­
ten. Die lokalen Landeigentümer dagegen schäumten vor Wut nach der Veröffentli­
chung der „Vorläufigen Bestimmungen“ und sprachen in ihren Broschüren und Zei­
tungsartikeln von „derselben Dummheit“, wie sie beim „Wiener Bürokratismus“ gang
und gäbe gewesen sei, „als sie die Gesetze in Wien gemacht haben, ohne Dalmatien
auch nur vorher zu Gesicht bekommen zu haben.“118 Alte Frontstellungen wurden

115 Novo doba v. 17.03.1919, S. 1.


116 Agrarna reforma u Dalmaciji, in: Obzor LXII Nr. 54/1924.
117 Novo doba v. 29.10.1918, S. 3.
118 Vgl. Grossi, Nikola, Agrarno pitanje Dalmacije prema novoj osnovi ministra gosp. dra Pol-
jaka. Zakon o osnovnom uregjenju agrarnih odnosa osobitim pogledom na poglavlje II. Razr-
jesenje kolonata i kolonatu slicnih odnosa u Dalmaciji i t. d. Nemoralnost zakonskog pro-
jekta. - Nedostaci, mane, pogreske sa pravnoga, historickoga i socijalnoga pogleda (Die
Agrarfrage Dalmatiens nach der neuen Grundlage des Ministers Herrn Dr. Poljak. Das Gesetz
über die grundsätzliche Regelung der Agrarverhältnisse unter besonderer Berücksichtigung
des Kapitels II. Die Aufhebung des Kolonats und der kolonatsähnlichen Verhältnisse in Dal­
matien usw. Die Unmoral des Gesetzesentwurfes. - Seine Unzulänglichkeiten, Mangelhaftig­
keiten, Fehler, betrachtet vom rechtlichen, historischen und sozialen Blickwinkel), Mostar
1919, hier S. 4. In dem Pamphlet werden alle Standpunkte der Landbesitzervereinigungen aus
der Vorkriegszeit wieder aufgenommen, die weithin auch bis 1941 hartnäckig vertreten wur­
den. Schon 1909 hatte es in einer „Erklärung des Spliter Landbesitzervereins“ (Vgl. Izjava
Udruge Vlasnika Zemalja u Splitu o Tezackom Pokretu, Spljet 1909) geheißen, daß nur „Agi­
tatoren“ behaupten könnten, dalmatinische Kolonen seien quasi „Leibeigene“. Die Verhält­
nisse seien vielmehr das „Ergebnis der geschichtlichen und ökonomischen Entwicklung“ und

149
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

sichtbar, wenn gegen „unsere Dalmatiner mit Doktortitel“ polemisiert wurde, „die
heute die Gelegenheit“ hätten, „ganz Dalmatien zu verteilen, wie weiland, als sie ganze
Besitzungen während langer Studien in Wiener Kaffeehäusern vertrunken haben“. Die
Rede war von „Wahnsinn“, „Aufhetzung der Massen“ und den Zumutungen einer
„Gnade des Staates und des Schätzers“, der die Landeigentümer nun überlassen wür­
den. Die „Grundlage dieser Idee“ der Agrarreform wurde „in Rußland“ vermutet und
in Zusammenhang gebracht mit „Lenins Ideen über den Frieden auf Erden, die sich
in Terror, Korruption, Diebereien, Massentötungen, Sozialisierung von Frauen, der
Zerrüttung des ganzen Staatsorganismus verwandelt haben“.119
Doch auch die Landeigentümer bildeten keineswegs eine einheitliche soziale Schicht.
Neben dem reichen padrone gehörten höhere Angestellte und Beamte aus der Stadt,
Anwälte, Professoren oder Händler zu jenen, die ihr Land außerhalb der Stadt durch
Bauern bewirtschaften ließen. Zdenka Simoncic-Bobetko ist Recht zu geben, wenn
sie feststellt, daß es gerade die große Spannbreite der Unterschiede war, zwischen
jenen, die die Grundrente, welche sie erhielten, buchstäblich zum Überleben brauch­
ten, und jenen, die auf ihre Einkünfte aus der Verpachtung nicht angewiesen waren,
die vor und nach 1918 eine einheitliche und radikale Lösung der Agrarfrage verhinder­
ten. Die Frage rüttelte an den Fundamenten der gesamten gesellschaftlichen Struktur
des agrarisch geprägten Dalmatien. Eine Lösung der Agrarfrage im Sinne der armen
Bauern hätte einen Großteil der gebildeten Mittelschichten in den Städten und Städt­
chen Dalmatiens mit einem Schlag ihrer Einkünfte beraubt. Die erwartete Agrarre­
form wurde dementsprechend ein „langwieriges, inkonsequentes, unvollständiges,
kompromißhaftes, kompliziertes“120 Unterfangen, das schließlich keine Seite befrie­
digte.
gäben dem Landarbeiter die „besten Bedingungen für Stabilität und Dauerhaftigkeit“. Nur
durch „Aufhetzung“ und die „illusorische Idee“, es könne zu einer industriellen Entwicklung
(in Dalmatien, A. J.) kommen und die Landarbeiter könnten dann in Industriebetrieben arbei­
ten, hätte die vorher „friedlichen und patriarchale Loyalität und Sympathie“ gestört, die zwi­
schen Landbesitzern und Landarbeitern geherrscht habe. Jetzt, bei der Ernte 1909, hätten sich
„die vereinten Landarbeiter (...) in ihrer Aufsässigkeit sogar erfrecht, ohne jegliche Genehmi­
gung oder vorheriger Ankündigung die Weinlese zu beginnen, und auch den Teil des Besitzers
mitzunehmen, um dann nach solchen Handlungen, die eigentlich unter das Strafgesetzbuch
fallen, es auch noch zu wagen herumzujammern, daß die entsprechenden Besitzer, die ihre
große Geduld verloren haben, ihre Rechte mit Hilfe des bürgerlichen Gerichts verteidigen.“
119 Grossi, S. 11 u. 15f.
120 Petranovic, Istorija, S. 62. Zur Agrarreform in Jug. allg. nach wie vor aufschlußreich die zeit-
gen. Literatur: Vgl. Bruck, Zdenko, Die Agrarreform des Königreichs der Serben, Kroaten
und Slowenen, Bern 1927; Ristic, Teofan: Agrarne borbre i agrarna reforma (Agrarkämpfe
u. -reform), in: Ek.-fin. zivot, VIII 1938, Nr. 83, S. 14-25; ders., Borba za zemlju i nasa
agrarna reforma (Der Kampf um Land und unsere Agrarreform), Beograd, (8. Aufl.) 1938;
ders., Rezultati agrarne reforme u Jugoslaviji, in: Ek.-fin. zivot, VIII 1938, Nr. 85, S. 77-82;
ders., Uzroci i osnove nase agrarne reforme (Gründe und Ursachen unserer Agrrreform),
in:Ek.-fin. zivot, VIII 1938, Nr. 84, S. 59-66; ders., Zadaci nase agrarne reforme u svetlosti
postignutih rezultata (Aufgaben unserer Agrarref. im Lichte der erreichten Resultate), in: Ek.-

150
Dorf und agrarische Lebenswelt

Wie verlief nun die Agrarreform in Dalmatien? Mit dem 25. Februar 1919 sollten, laut
besagter Verordnung, alle Kolonats- und Pachtverhältnisse zwischen Grundherrn und
Landarbeitern (Kolonen) in Dalmatien als aufgelöst gelten. Die Landarbeiter sollten
zu Eigentümern werden, aber entschädigungspflichtig sein, wofür der Staat bürgte.
Die Höhe der Entschädigung sollte von lokalen Kommissionen festgelegt werden, die
gleichfalls vom Staat bestimmt werden sollten.
Artikel 31 definierte: „Als Kolonatenverhältnisse i.S. des vorherigen Artikel, ohne
Rücksicht auf Eintrag in die Grundbücher, gelten Landarbeiterverhältnisse in folgen­
den Fällen:
a) wenn zwischen dem Landbesitzer und dem Landarbeiter ein zeitlich nicht begrenzter
Pachtvertrag geschlossen wurde,
b) wenn die jetzigen Mitglieder der Landarbeiterfamilie oder ihre Vorfahren, die den Besitz
des Landes neben der Verpflichtung zu Landarbeiterabgaben innehaben, das Land selber
bestellen, pflügen, oder auf ihm Weinberge, Obstplantagen, Olivenhaine angebaut haben, un­
ter Maßgabe, daß dieses Land zur freien Verfügung des Herrn übergeht, wenn die Ernte
verfällt;
c) wenn das Landarbeitsverhältnis durch ununterbrochenes Bestellen bei Abgabepflichten
während der letzten 10 Jahre nachgewiesen werden kann; auch wenn die Bearbeitung während
dieses Krieges ausblieb, wird gerechnet, als ob es nicht unterbrochen wurde;
weiterhin wird, außer in den Fällen a), b), c), davon ausgegangen, daß es sich um Kolonaten­
verhältnisse handelt, wenn der Nachweis eines Landarbeiterverhältnisses an andere Bedingun­
gen gebunden ist, die nachträglich durch königlichen Erlaß mit Gesetzteskraft bestimmt wer­
den.“

Der bereits angeführte „padrone“ Grossi und seine Standesgenossen sahen dadurch
ihre Interessen in Gefahr und klagten, das „Grundrecht der Vertragsfreiheit, das von
allen Gesetzgebungen der Welt garantiert wird“, sei verletzt und verurteilten dies als
„Unmoral“.121 Sahen sie doch „die Landeigentümer (...) in viel schlimmeren materiel­
len Verhältnissen als die Landarbeiter.“ Wer anderes behaupten würde, sei „ein Dem­
agoge vom Spliter Marktplatz.“ Ein „kolonatsähnliches Verhältnis“, das „reine Kolo-
nat als Feudalverhältnis“ gäbe es sowieso nicht mehr, sei „nichts anderes als ein (...)
freiwilliges Vertragsverhältnis“. Die Forderungen der Landarbeiter seien unverschämt;
innerhalb von 5 Arbeitstagen pro Saison sei die Bestellung eines Weinbergs zu schaf­

fin- zivot, VIII 1938, Nr. 86/87, S. 114-122 u. weiter unten angeführte Literatur. Standard­
werke zum Thema sind immer noch Tomasevich, Peasants, S. 350 ff; Brasich, Ranko M., Land
Reform and Ownership in Yugoslavia, 1919-1953, New York 1954.
121 ebenda, S. 16ff.; Die Polemik gegen die Forderungen der Landarbeiter war zudem gespickt
mit kultur-pessimistischen Beschreibungen einer als bedrohlich erlebten Gegenwart von 1919:
„Früher“, hieß es da, „in der goldenen“, der guten alten Zeit, hätte es auch „keine Mode“
gegeben. „Das Weibsvolk hat Zuhause gestrickt und gehäkelt, so daß jedes Haus eine kleine
Fabrik war. Die Menschen haben auch weniger verbraucht (...) Man lebte patriarchal.“ Die
„Massen“ ließen sich „leicht durch Phrasen aufhetzen und verführen.“ Die „Französische
Revolution und der heutige Bolschewismus“ seien die Folge der ins schier Unermeßliche
gestiegenen Ansprüche; ebenda, S. 36.

151
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

fen, die „Unwissenheit“ sei „das größte Problem der dalmatinischen Landarbeiter“,
die nicht „mit Weinstock und Boden“ umzugehen wüßten.122
Tatsächlich schienen auf den ersten Blick diese Bestimmungen für Dalmatien eindeutig
die Auflösung der bestehenden und das Verbot von neuen Kolonats- und Kmetenver-
hältnissen zu bedeuten. Von den übrigen Bestimmungen waren die wichtigsten, die
Aufteilung des Großgrundbesitzes bei Entschädigung für die bisherigen Eigentümer,
die entschädigungslose Konfiskation des ehemaligen Besitzes der Habsburgerdynastie,
der Übergang aller größeren Waldkomplexe in Staatseigentum und die beabsichtigte
Gründung einer staatlichen Agentur für die Agrarreform.123
Doch die Anwendung der „Vorläufigen Bestimmungen“ in Dalmatien wurde im Juni
1919 vom amerikanischen Kommandanten der alliierten Truppen in Dalmatien bis
zur endgültigen Entscheidung der Versailler Friedenskonferenz über die territoriale
Zugehörigkeit der Region untersagt. Auf Drängen der italienischen Seite sollten die
Beschlüsse der Friedenskonferenz abgewartet werden, die über die Zugehörigkeit Dal­
matiens entscheiden sollte.124 Die Enttäuschung war groß, als die Landesregierung mit
Rundschreiben vom 6. September 1919 mitteilte, daß die „Vorläufigen Bestimmungen“
auf Dalmatien vorerst keine Anwendung finden sollten.125 Die Bauern kümmerten
sich jedoch nicht um diese Anordnung, sondern stellten unter Berufung auf die „Vor­
läufigen Bestimmungen“ die Zahlungen an die Landeigentümer ein.126 Um die stei­
gende Unzufriedenheit etwas zu dämpfen, erließ die Landesregierung für Dalmatien
(Pokrajinska vlada) eine „Verordnung über die Regelung der zu leistenden Abgaben“
vom 24. August 1920, nach der einige bis dahin fälligen Abgaben an die Kirche, den
Staat und die Gemeinden wegfielen und andere verringert wurden.127 Es blieb aber
weiterhin ein Massenphänomen, daß Bauern die Abgaben verweigerten. Der dalmati­
nische Landarbeiterbund (Pokrajinski tezacki savez za Dalmaciju) organisierte De­
monstrationen und Kundgebungen. Anfang 1920 wandte man sich auch mit einer
„Denkschrift“ (Spomenica) an die Regierung in Belgrad, in der bittere Worte dafür
gefunden wurden, daß die gemachten Versprechungen bei der staatlichen Vereinigung
nicht eingehalten werden.128

122 ebenda, S. 26 u. 29.


123 Eric, Milivoje, Agrarna reforma u Jugoslaviji 1918-1941. godine (Die Agrarreform in J.
1918-1941), Sarajevo 1958, S. 155ff.
124 Mit der Unterschrift unter die Konvention von Nettuno 1925 erkannte die jugoslawische
Regierung die Feudalrechte der italienischen Staatsbürger an. In zahlreichen Prozessen ver­
suchten nun die italienischen Landeigentümer Dalmatiens von den kroatischen Bauern die
rückständigen und fälligen Zahlungen einzutreiben.
125 Vgl. den Dokumentenband Agrarna reforma. Uredbe, naredbe i raspisi I, S. 226.
126 Dimitrijevic, Sergije, Privredni razvitak Jugoslavije od 1918-1941. godine (Wirtschaftliche
Entwicklung Jugosl. 1918-1941), Beograd 1962, S 51.
127 Novo doba v. 25.08.1920, S. 1.
128 Deutlich radikaler als der Landarbeiterbund war die im Januar 1919 gegründete dalmatinische
„Allgemeine Landarbeitergemeinschaft“ (Opci tezacki skup), die sich aber nicht unter den
Bauern durchsetzen konnte. Sie propagierte die Lösung der Agrarfrage auf sozialistischer

152
Dorf und agrarische Lebenswelt

Hinter dem Landarbeiterbund, der sich nach seiner Gründung im Oktober 1919
Landarbeiterpartei nannte (Zemljoradnicka stranka, Savez zemljoradnika) und als ge­
samt-südslawische Bauernpartei agieren wollte, stand der serbische Genossenschafts­
bund mit Mihajlo Avramovic an der Spitze. Die Gründungsversammlung des unitari-
stisch orientierten „Landarbeiter-Bund Dalmatiens“ (Poljoprivredni tezacki savez
Dalmacije) unter der Führung von Jozo Zelic fand am 21. Dezember 1919 in Split
statt.129 Bald gab es 18 Ortsverbände der „Landarbeiter-Eintracht“ (Tezacka sloga)
mit ca. 1500 eingeschriebenen Mitgliedern, wobei jeweils nur das Familienoberhaupt
in den Mitgliederlisten geführt wurde. Der Landarbeiterbund forderte die sofortige
Abschaffung des Kolonats und schnellstmögliche Durchführung der Agrarreform.
1920 vereinigte er sich mit Avramovics Bund der serbischen Landarbeitergenossen­
schaften (Glavni savez Srpskih zemljoradnickih zadruga). Bald schon kristallisierten
sich in Dalmatien zwei sich heftig befehdende Flügel innerhalb der Partei heraus.
Der sog. „rechte“ Flügel wurde von Josip Smodlaka und Ljubo Leontic repräsentiert,
während der sog. „linke“ sich an Belgrad und den Vorgaben des „Hauptausschusses
des Landarbeiterbundes“ unter Avramovic orientierte und Smodlaka als „politischen
Greis“ beschimpften, der das Geschäft der Landeigentümer und Händler besorge und
dessen Ziel es sei, die Landarbeiter „ins Joch der kapitalistischen Herren und der
verfaulten bürgerlichen Parteien“ zu zwingen.130 Es gelang zwar, bis 1922210 Ortsver-
bände in Dalmatien zu gründen, Funktionäre und Abgeordnete der Partei131 waren
aber nur in den allerseltensten Fällen Bauern.132 Der Versuch, am 24. Februar 1923 in
Split alle Strömungen des Landarbeiterbundes mit den entsprechenden Jugendgruppen
noch einmal zusammenzubringen, um gemeinsam bei den Wahlen anzutreten, schei­
terte.133 Der Kampf um Mandate und das Vorbeireden an ihren Adressaten führten
dazu, daß sich die Bauern der Kroatischen Bauernpartei zuwandten.
Das Maß an Politisierung eines Großteils der dalmatinischen Bauern nach 1918 wird
aber deutlich an den vielfältigen Aktivitäten der Tezacka sloga. Zeitungen, Flugschrif-

Grundlage. Immer wieder wurde eine schnelle und gerechte Durchführung der Agrarreform
gefordert und die Bestrafung derjenigen staatlichen Organe, die anstatt die Reform durchzu­
setzen sie sabotieren und den dalmatinischen Landarbeiter schikanieren würden. Alle Zahlun­
gen an die Kirche als Grundbesitzer wurden entschieden abgeleht u. Steuerbefreiung und
kostenlose Krankenversicherung für die Bauernschaft gefordert. Vgl. „Zemljoradnicki borac“
(Der Landarbeiterkämpfer) v. 3.11.1923. Zum Landarbeiterbund: Eric, Agrarna reforma,
S. 380 u. Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 214.
129 Auch der Name „Pokrajinski tezacki savez za Dalmaciju“ taucht in der Presse auf. Neben
dem Präsidenten Zelic spielten sein Stellvertreter Roko Pederin sowie die Sekretäre Stjepan
Roca und Roko Culic eine wichtige Rolle. Vgl. Primorski glasnik Split v. 12.11.1922.
130 Primorski glasnik v. 23.02.1923 u. 05.03.1923.
131 In der Konstituante in Belgrad vertraten die Abgeordneten Ante Franic aus Vrgorac, Jure
Vrsalovic von der Insel Brac und Ivan Lovricevic von der Halbinsel Peljesac die Wähler des
Landarbeiterbundes.
132 Tezacka sloga v. 01.04.1922.
133 Tezacka sloga v. 05.02.1923.

153
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

ten und immer wieder öffentliche Versammlungen brachten stets ein- und dieselben
Forderungen vor: Schluß mit den Abgaben an die Landeigentümer! Das Land gehört
denen, die es bearbeiten!
Auch wenn die Gerichte, unter Berufung auf den Vertragscharakter der Agrarbezie­
hungen, durchwegs den padrones Recht gaben, weigerten sich die Landarbeiter, die
Urteile zu akzeptieren. In vielen Fällen konnten nur mit massivem Polizeieinsatz und
Gewalt Abgabepflichten durchgesetzt werden. Der Ministerrat in Belgrad sah die Si­
tuation auch in Dalmatien, während seiner Sitzung vom 30. März 1920, außer Kon­
trolle geraten. Wie entschlossen ein Teil der Bauern war, macht folgende Entscheidung
deutlich: Auf einer Versammlung der Landarbeiter vom Juni 1920, an der mehrere
Tausend tezaci aus Split und der Umgebung teilnahmen, wurde beschlossen, daß die
Weinberge derjenigen Bauern zerstört werden sollten, die weiterhin an den Landeigen­
tümer Abgaben leisten.134 Die Situation eskalierte. Immer häufiger kam es auch zu
physischen Zusammenstößen. Ein Richter am Kreisgericht von Trogir wurde wegen
eines Urteils, in dem er einem Eigentümer die Abgabeverpflichtung bestätigte, von
einem aufgebrachten Bauer umgebracht. Schließlich wußte sich die Landesregierung
nicht mehr anders zu helfen, als durch eine Verordnung am 24. August 1920, die zwar
prinzipiell weiterhin an der Abgabeverpflichtung an den Landeigentümer festhielt,
aber die Abgabenlast minderte. So sollte in Zukunft bei jenen Verträgen, die die Ablie­
ferung der Hälfte der Ernte vorsahen, nur noch ein Drittel des Ertrags an den Eigentü­
mer gehen. Dort wo es sich um ein Drittel gehandelt hatte sollte es nun nur noch ein
Viertel sein, bei einem Viertel in Zukunft ein Fünftel. Um jeweils ein „Recht“ (prav)
sollten die Abgaben verringert werden. Bei Großgrundbesitzen mit über 50 Hektar
Ackerland mußten sich die Eigentümer mit zwei „Rechten“ weniger, also statt der
Hälfte mit ein Viertel der Ernte, begnügen. Mindestens genauso wichtig in der Verord­
nung war, daß die Abgabepflichten bei Kirchen-, Staats- und Gemeindeland ausgesetzt
wurden.135 Doch die Erleichterungen, die die Verordnung der Landesregierung
brachte, waren den dalmatinischen Bauern nicht mehr genug. Abermals wurde auf
einer großen Versammlung in Split, am 5. September 1920, die Regierung angeklagt,
daß sie die Agrarfrage nicht löse. Die Verordnung der Landesregierung wurde vom
Vorsitzenden des Landarbeiterbundes, Josip Ruskovic, als „undemokratisch“ gebrand­
markt.
Nach der Unterzeichnung des Vertrags von Rapallo am 12. November 1920, in dem
die Grenzziehung mit Italien festgesetzt wurde, häuften sich wieder die Proteste der
Bauern gegen die noch verbliebenen zu leistenden Abgaben an die Landbesitzer und
der Druck wuchs wieder an, endlich die versprochene Landaufteilung ins Werk zu
setzen. Auch war es nach den „Vorläufigen Bestimmungen“ zu vielen Gerichtsverfah­
ren zwischen Bauern und Landbesitzern gekommen, und die Bauern hofften auf Ur-

134 Vgl. Mirosevic, Polozaj, S. 81f; Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 214.


135 Das bezog sich auf Abgabeverpflichtungen, die vor dem 25. Februar 1919 bereits bestanden;
vgl. Mirosevic, Polozaj, S. 82; Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 215.

154
Dorf und agrarische Lebenswelt

teile, die sie von allen weiteren Verpflichtungen befreien und ihnen das Land, welches
sie bearbeiteten, endgültig zusprechen würden. Doch der Ministerrat in Belgrad setzte
mit der Anordnung vom 5. März 1921 alle anhängigen Gerichtsverfahren und im
Zusammenhang mit der Agrarreform schon ergangenen Urteile, bis zur endgültigen
„gesetzlichen Klärung“ aus. Diese zog sich hin.
Zahlreiche Gesetzesentwürfe von wechselnden Komission wurden immer wieder ab­
gelehnt, weil die Belastungen für den Staatshaushalt (für den Teil der Entschädigungen
an die Landbesitzer, der nicht von den Bauern selbst aufzubringen war), als zu hoch
eingeschätzt wurden oder wegen des heftigen Widerstands der Landbesitzer. Auch in
Dalmatien protestierten nicht nur die Bauern, sondern auch die Landbesitzer, mit
Resolutionen und Eingaben. Ab 1921 gab die Landbesitzervereinigung auch ein Blatt
unter dem Titel „Unser Land“ (Nasa zemlja) heraus, das v.a. gegen entschädigungslose
Enteignungen Sturm lief. Immer wieder brachten sie ihre Argumente vor, daß die
Agrarreform ein Angriff auf das Privateigentum und vollkommen wirtschaftsfeindlich
sei. Erst am 19. Oktober 1930 wurde das Gesetz über die Regelung der Agrarfrage in
Dalmatien endlich verabschiedet. Mit Änderungen und Ergänzungen wurde es erst
vom 6. März 1931 an umgesetzt.136 Bis dahin herrschte ein „provisorischer Zustand“
(provizorno stanje).
Der Einfluß der Lobby der Großgrundbesitzer in den verschiedenen Parteien wird in
den ersten zwei Bestimmungen über die Ausführung der Agrarreform (vom
21.07.1919 und vom 30.09.1920) deutlich.137 Was wurde als „großer Besitz“, den es
eigentlich in Zukunft nicht mehr geben sollte, definiert? Anfangs war das sog. Land­
maximum, abhängig von der Bodenqualitätt, auf 57 bis 288 ha festgesetzt. Dann galt
ein sog. „weiteres Maximum“, schließlich ein „Supermaximum“. Letztendlich wurde
eine schwammige Formulierung beschlossen, wonach „der Besitz von jener Größe
sein kann, daß er am besten der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes dient“. Das
bedeutete praktisch, daß jegliche Größenbegrenzung des Landbesitzes aufgehoben
war.138
Für die Bauern in Dalmatien waren diese Ausführungsbestimmungen eine herbe Ent­
täuschung. Hatte es im Aufruf des Regenten, „Meinem Volk der Serben, Kroaten und
Slowenen“ nicht geheißen, die „gerechte Lösung der Agrarfrage“ stünde kurz bevor?
Sollte nicht „jeder Serbe, Kroate und Slowene Herr auf seinem Land sein“ und es „in
unserem freien Staat (...) nur freie Landbesitzer geben“?
„Kein Zweifel, daß die Botschaft des Regenten den Landarbeiterstand enorm freuen
wird“, hatte damals die Tageszeitung „Novo doba“ trocken kommentiert.139 Auch

136 Sluzbene novine Nr. 254 v. 5.11.1930 u. Nr. 58 v. 14.03.1931.


137 Vgl. u.a. Novo doba v. 04.03.1919, „Zur Agrarfrage: Eine Stimme aus Landbesitzer-Kreisen“,
S. 1.
138 Vuckovic, Mihajlo, Poljoprivreda Stare Jugoslavije (Die Landwirtschaft des alten Jugoslawien),
in: Iz istorije Jugoslavije 1918-1945, Beograd 1958, S. 276.
139 Novo doba v. 08.01.1919, S. lf.

155
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

hatte keine patriotisch-jugoslawisch gesinnte Gruppierung versäumt, den großen Nut­


zen, den gerade die Bauern aus der Vereinigung ziehen würden, zu betonen. Die
zeitgenössischen Broschüren, in denen hervorgehoben wurde, daß „außer und nach
der Vereinigung“ das „größte nationale Werk“ die Proklamation „Seiner Hoheit“ ge­
wesen sei, als der Regent Aleksandar feierlich versprochen hätte, daß „jeder Serbe,
Kroate und Slowene auf seinem Land nur noch sein eigener Herr und das Land nur
noch des Landarbeiters und Gottes“ sein solle, machen deutlich, welche Wichtigkeit
man der Frage beimaß. Tausendfach wurden die Aussagen der „historische(n) Prokla­
mation“, in dem die „ökonomische Befreiung“ angekündigt worden sei, in Dalmatien
verbreitet, und fanden den Weg in jedes Dorf. „Jedem das seine, und dem Landarbeiter
das Land“ schloß zum Beispiel der Verfasser einer patriotischen Erbauungsschrift über
die „Volkseinheit“ sein Traktat an die „Brüder, die sich aus italienischer Sklaverei
befreit haben“. Dieser Gedanke fiel bei den Bauern durchaus auf fruchtbaren Boden,
waren sie doch seit jeher der Meinung gewesen, daß es nur ihr natürliches, altes Recht
sei, wenn sie den Boden, den sie bearbeiteten, forderten.140
Für die liberalen Zeitungen wie „Novo doba“ war die „wichtige und brennende
Agrarfrage“ immer wieder Anlaß, zu einer „gerechten und maßvollen“ Lösung aufzu­
rufen.141 Besonders da es zu Protestaktionen der Bauern kam, die die „Vorläufigen
Bestimmungen“ wörtlich auslegten und sich weigerten, weiter Abgaben an ihre „pa-
drones“ zu leisten. Das galt auch für Kirchenland, was in vielen Fällen in den kirchli­
chen Archiven gut dokumentiert ist.142 Hatte vor dem Weltkrieg die antiklerikale
Haltung von städtischen ,Bauerntribunen' wie Smodlaka tiefverwurzelte, emotional
abgesicherten Treuegefühle der Agrarbevölkerung gegenüber der Kirche verletzt und
gläubige Landarbeiter abgestoßen, so taten nun nach 1918 viele Kolonen den lange
herausgezögerten politischen Schritt von der Einsicht in die Natur ihrer wirtschaftli­
chen Abhängigkeit zur Aufkündigung der patriarchalisch bestimmten Gemeinschaft
mit ihren padrones. Dabei war die katholische Kirche in Mitteldalmatien eine Art
„Über-Padrone“ (Günter Schödl). Nicht weniger als zwei Drittel des im Kolonatsver-
hältnis bewirtschafteten Grundes vor dem Weltkrieg war in kirchlichem Besitz gewe­
sen.143 Für bischöfliche Mensa und Seminar, Domkapitel, Wohltätigkeitsanstalt, meh­
rere Kirchen, Klöster und Benefizien bewirtschafteten ca. zwei Drittel der Kolonenfa-
milien von Split insgesamt fast ein Drittel der bebaubaren Fläche. Nun sah sich die
Kirche allerorten der Verweigerung der Abgaben durch die Kolonen ausgesetzt. Der
Spliter Bischof Caric erkannte die Brisanz der Situation 1919 und schlug die Grün-

140 Roca, Stjepan, Narodno jedinstvo - Rijec braci koja su se oslobodila talijanskog ropstva (Die
nationale Einigkeit. Ein Wort an die Brüder, die sich aus italienischer Sklaverei befreit haben),
Split 1921, S. 26.
141 Vgl. den symptomatischen Artikel v. J. Kapic „Agrarno pitanje“ (Die Agrarfrage) in: Novo
doba v. 06.12.1922, S. 2.
142 Vgl. ASS Zupni spisi, fase. IX, (Widerstand der Bauern von Sumartin) u. Soldo, Sumartin,
S. 59.
143 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 163 u. 178f.

156
Dorf und agrarische Lehenswelt

düng von Komissionen auf Kreisebene vor, zur Durchführung der Agrarreform und
zur Bestimmung von Landmaxima. In der Zeitung „Jadran“ (Adria) äußerte er sogar,
daß auch das Kirchenland nicht von der Agrarreform ausgenommen bleiben sollte.
Der Staat sollte durch Kredite den Bauern einen Abkauf des Landes ermöglichen.144
Andernorts sind jedoch auch Drohungen seitens des Klerus belegt, wo Bauern, die
ihre Abgaben verweigern, keine Sakramente mehr gespendet werden sollten, ja ihnen
sogar ein christliches Begräbnis verweigert wurde. Solche Priester brachten in man­
chen Dörfern Bauern gegen die Kirche auf.145
Als Reaktion, wenn zwischen Kolonen und Landeigentümer kein Kompromiß gefun­
den werden konnte, kam es zu häufigen gerichtlichen Beschlagnahmungen und Pfän­
dungen von Wein wegen ausstehender Zahlungen. Gerichtsurteile ergingen auch ohne
Zeugenaussagen oder die Anwesenheit der tezaci, die aus Protest den Ladungen nicht
Folge leisteten. Die Gendarmerie griff hart durch gegen die aufsässigen Bauern und
„schützte das Privateigentum“ (wie es in den entsprechenden Zeitungsartikeln hieß).
Justiz- und Innenministerium gaben in einem Rundschreiben vom 5. September 1922
den dalmatinischen Bauern bekannt, daß die vor Gericht erwirkten Urteile der Lan­
deigentümer uneingeschränkte Rechtskraft besäßen. Die nicht abgabewilligen Bauern
wurden mit dem Strafrecht und dem Gesetz über den Schutz der öffentlichen Ord­
nung bedroht, falls sie auch weiterhin keine Abgaben zahlten. Zusammenstöße mit
Gendarmerie und Polizei waren die Folge dieser Verschärfung und vielerorts taten
sich ganze Dorfgemeinschaften zusammen, um sich gegen die Abgabeverpflichtungen
aufzulehnen, die sie nicht nur nicht willens, sondern auch in den meisten Fällen wegen
Dürre und des Ausfalls von Arbeitskräften auch nicht in der Lage waren zu erfüllen.
Doch Beschlagnahmungen und Verhaftungen brachen den Widerstand.
In Süddalmatien, in Dörfern bei Dubrovnik (Konavle) und Ston, kam es im Juni 1919
zu einer regelrechten Rebellion der Bauern. Bereits im Mai 1919 verschickten die
Behörden den Angehörigen des Jahrgangs 1885 Einberufungsbefehle für eine zweimo­
natige Militärübung. Das volle Ausmaß an Unverständnis, das den dalmatinischen
Bauern von der Belgrader Staatsmacht entgegengebracht wurde, offenbarte sich hier.
Kurz nachdem diejenigen, die den Weltkrieg überlebt hatten, von den Fronten der
Bukowina, Galiziens oder Norditaliens in ihre Dörfer zu den brachliegenden Feldern
und unbearbeiteten Weinbergen zurückgekehrt waren, sollten sie nun, wo auf dem
Feld am meisten zu tun war, wieder einrücken. Die Männer der Dörfer Lisac, Tocio-
nik, Podimoca, Doli, Zaton, Metohija und Cepikuca waren sich einig, sich dagegen
zu wehren. Was diesen Fall von vielen anderen ähnlich gelagerten unterschied, war,
daß es den Bauern hier gelungen war, Waffen aus einem Militärlager zu plündern.
Bewaffnete Wachen zum Schutz von Polizei und Militär wurden vor den einzelnen
Dörfern aufgestellt und aus dem Schriftverkehr der lokalen Behörden läßt sich deren

144 Jadran, Nr. 114-119/1919, hier nach Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 212ff.
145 Tezacka sloga v. 28.08.1921; vgl. auch die Schilderungen bei Kvesic, Hvar izmedu dva rata,
S. 50ff.

157
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Angst herauslesen, der Aufruhr könnte auch auf die übrigen Bauern Dalmatiens über­
greifen. Vermittlungsbemühungen von besonnenen Lokalpolitikern und Ortsvorste­
hern, bei zugesicherter Amnestie für alle an dem Aufstand beteiligten, führten dazu,
daß die Bauern ihre Waffen abgaben. Allein, in den Worten des Historikers Franko
Mirosevic, „sie wurden verraten“. Starke Polizeikräfte umzingelten die Dörfer, die
Aufständischen wurden verhaftet und an das Militärgericht (Veliki vojni sud) in Bel­
grad überstellt. Die große Mehrheit wurde am 31. Oktober 1919 zu verschärften
Zuchthausstrafen zwischen zwei und zehn Jahren verurteilt.
In fast allen dalmatinischen Kreisen gab es solche oder ähnliche Vorfälle. Dort, wo es
den Bauern gelungen war, sich Ende 1918 von den in Auflösung befindlichen österrei­
chischen Armeeeinheiten Waffen zu besorgen (v. a. im Konavle-Gebiet), entschlossen
sie sich oft zum bewaffneten Widerstand gegen Einberufungen und Pfändungen wegen
ausstehender Abgaben. Im Dorf Ljuto gelang es beispielsweise 30 Bauern, vier Gen­
darmen in ihre Gewalt zu bringen und die Freilassung verhafteter Bauern zu errei­
chen.146 Doch auch hier triumphierte nach Verhandlungen letztenendes die Militärge­
walt. Oftmals wurden die aufständischen Bauern von den lokalen Militärgerichten der
in Dalmatien stationierten Divisionen viel milder verurteilt als vom Militärgericht in
Belgrad, das, im Fall der Bauern von Ljuto, einer vom Militärstaatsanwalt geforderten
Revision des Urteils zustimmte und die Bauern zu je acht Jahren Zuchthaus verur­
teilte. In letzterem Fall setzten sich alle politischen Parteien in Dubrovnik für eine
Begnadigung der verurteilten Bauern ein. Kurz vor dem Inkrafttreten der St. Veitstags-
Verfassung 1921 wurden die Bauern, ausgenommen Ivan Pista und Blaz Burazer, die
für Kommunisten gehalten wurden, durch den König begnadigt.147
Auch an dieser Stelle sei noch einmal betont, daß bäuerlicher Widerstand der geschil­
derten Art nicht durch Klassenkampfschemata und revolutionäre Situationen erklär­
bar ist, wie das früher versucht wurde, und auch nicht als Widerstand gegen ein groß­
serbisches Belgrader Regime. Den Bauern ging es in den Jahren nach 1918 bei ihrem
Widerstand nicht um den Kampf gegen ein Gesellschaftssystem, noch lehnten sie sich
gegen serbische Dominanz auf. Sie hätten sich damals gewiß auch gegen die Einberu­
fung zum Dienst in einer kroatischen oder italienischen Armee gewehrt. Vielmehr
sahen sie unmittelbar ihre Rechte und ihre Existenz bedroht und versuchten, sich mit
den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu wehren. Der Preis für Widerstand war
hoch. In den „Kerkern von Split und Sibenik gefangen“, so schrieb die in Dubrovnik
erscheinende sozialistische Zeitung „Rad“ (Arbeit) 1922, seien „Hunderte von Bauern
aus dem Gebiet der Neretva, Brac, Hvar und Split“. In ganz Dalmatien seien die
Bauern „in Aufruhr“.148 Auf dem Höhepunkt der Protestwelle in Dalmatien kam es

146 HAD, Fond Kotarskog poglavarstva Dubrovnika, br. 8515 u. 8480 v. 22. u. 23.06.1919; Miro­
sevic, S. 52.
147 Kapovic, Radnicki pokret, S. 187; HAD, Fond Kotarskog poglavarstva Dubrovnika, br. 6929
v. 19.06.1919, hier zit. nach Mirosevic, Pocelo je, S. 51ff.
148 Rad 147/1922, hier zit. nach Mirosevic, Polozaj, S. 85. Auch nach bäuerlichem Widerstand in

158
Dorf und agrarische Lehenswelt

1923 zu zahlreichen Demonstrationen, bei denen es immer wieder zu gewalttätigen


Auseinandersetzungen mit der Gendarmerie kam, die brutal gegen die Landarbeiter
vorging. Infolge des Polizeivorgehens auf der Insel Hvar kam es zu einem richtigen
Aufruhr, in dem auch Weinberge, Obstgärten und Feldhäuschen von Landeigentü­
mern durch aufgebrachte Bauern verwüstet wurden. Die Kämpfe eskalierten immer
mehr, es kam zu zahlreichen Verhaftungen.149
Mancherorts wurde nach lokalen aufstandsartigen Unruhen die Polizeistunde einge­
führt; zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang durfte niemand auf die Straße.
Als erste Modernisierungsmaßnahme, derer z.B. das Dorf Zastrazisce auf der Insel
Hvar teilhaftig wurde, wurde eine Polizeistation gebaut. Es sollte ein Exempel statu­
iert werden für alle Dörfer der Insel. Auch hier wollte der Gerichtsvollzieher in Be­
gleitung von zwei Gendarmen einen Pfändungsbeschluß wegen nicht geleisteter Abga­
ben durchsetzen. Unter der Führung von Tomo Barbaric gelang es den Bauern, die
Pfändung zu verhindern. Drei Tage später versuchte die Polizei, nun mit Verstärkung
aus der Polizeistation in Bogomolje, den „Rädelsführer“ zu verhaften. Doch da das
ganze Dorf aufstand und geschlossen Parolen wie „Nieder mit dem betrügerischen
König“, „Nieder mit den Landeigentümern, den Blutsaugern“, „Wir geben keine Ab­
gaben“ u. a. skandierte, zogen sich die Polizisten unverrichteter Dinge zurück.
Die Kreisverwaltung entschied aber, ein Exempel zu statuieren, daß nicht das Verhal­
ten der Landarbeiter von Zastrazisce den Bauern in anderen Dörfern ein Vorbild
liefere. An die 200 Bauern mit ein paar Jagdgewehren und alten k.u.k. Handgranaten
und ansonsten nur mit Sensen und Dreschflegeln bewaffnet waren sogar zum bewaff­
neten Widerstand entschlossen. Doch angesichts der schwerbewaffneten Polizeiein­
heiten die aus der Richtung Bogomolje und Gdinj anrückten, entschieden sie sich,
keinen offenen Widerstnd zu leisten. Am 14. Juni rückten die Einheiten in Zastrazisce
und ins benachbarte Poljica ein. Mit Gewehrkolbenschlägen wurden Männer, Frauen
und Kinder zusammengetrieben. Stjepan Barbaric und Ante Andrijasevic starben an
Ort und Stelle an den erlittenen Verletzungen. In Vierer-Reihen, mit Ketten und Seilen
gefesselt, wurden 96 Bauern aus Zastrazisce (unter ihnen Lucija Fistanic als einzige
Frau), durch die Orte Poljica, Jelsa und Vrbanj nach Stari Grad getrieben. Dort wur­
den sie von Untersuchungsrichtern aus Split verhört. Neun der 96 wurden als Rädels­
führer identifiziert und nach Split überstellt. Tomo Barbaric wurde zu 5 Monaten
Zuchthaus verurteilt, Stjepan und Bartol Barbaric, Stjepan Kuzmicic, Toma Bucat und

Vrisnik, Vrboska, Pitva, Svirce wurden mehrmonatige Gefängnisstrafen verhängt; vgl. Novo
doba v. 13.11.1922 u. Tezacka sloga v. 30.09. sowie 06. u. 30.10.1922.
149 Uber die Protestaktionen der Bauern auf der Insel Hvar berichtete Novo doba am 22. No­
vember 1922 unter der Überschrift „Ausnahmezustand im Kreis Hvar“. Bei Zusammenstößen
mit der Polizei wurden Kampflieder gesungen wie das vom Josip Smodlaka gedichtete „Padaj
silo i nepravdo“ (Die Gewalt und Ungerechtigkeit muß fallen) und selbstgedichtete Strophen
skandiert: „Mi dohotka ne dajemo, vec ga kuci gonimo. Jer je pravo i posteno da za sebe
radimo“ (Die Abgabe geben wir nicht her, sondern bringen sie nach Haus. Denn es ist nur
recht und billig, daß wir für uns selber arbeiten). Vgl. Salamunic, S. 177.

159
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Nikola Rubin zu 3 und Stjepan Barbaric-Macola, Ivan Kuzmicic und Lucija Fistanic
zu einem Monat. So gelang es letztendlich auch, den Bauernprotest zu unterdrücken.
Bei den Wahlen stimmten die Bauern zwar immer geschlossen für die Oppositionspar­
teien, doch damit konnte die Macht leben.
Die größte Tageszeitung in Dalmatien, Novo doba, hatte sich der Argumentation der
Landeigentümer angeschlossen und brachte für bäuerlichen Widerstand kein Ver­
ständnis auf. In Leitartikeln wurde betont, daß es in Dalmatien „weder feudale noch
Kmeten- noch Kolonatsverhältnisse“ gebe, vielmehr seien das alles nur „privatrechtli­
che“ Vertragsverhältnisse. Folglich müsse Dalmatien von der Agrarreform ausgenom­
men werden, „denn hier gibt es nichts Wesentliches zu reformieren“. „Niemals“ hätte
sich früher in Dalmatien ein Landarbeiter beschwert, „war es doch viel rentabler für
den Bauern, fremdes fruchtbares Land zu bearbeiten, als eigenes unfruchtbares. Die
Landarbeiter und Kleinbesitzer lebten überall in schönster Eintracht und Liebe, bis
der Feind kam und unseren gemeinsamen Weizen verdarb. Die Landarbeiter in Dal­
matien fingen an, auf die Aufwiegler zu hören (...), Abgaben zu verweigern, gegen
die Gerichte aufzubegehren (...). Jetzt haben sie angefangen, wieder nüchterner zu
werden. (...) Hier sieht man, wohin die Demagogie der Heiden führt! Anstatt ungebil­
dete Landarbeiter zu ermuntern, sich fremdes, ehrlich erworbenes, Eigentum unter
den Nagel zu reißen, hätte ihnen besser geraten werden sollen, sich von den Eigentü­
mern Hilfen für die Anschaffung von Düngemitteln auszubeten, die ihnen sicher ge­
währt worden wäre“. Etwas versöhnlicher hieß es dann zum Schluß: „Den ganz armen
Landarbeitern, die überhaupt keinen oder wenig eigenen Boden besitzen, sollte man
Dorf-, Gemeinde oder Staatsland zuteilen.“150 Die Zeitung konnte sich bei ihren An­
griffen der Unterstützung der Wirtschaftskammer sicher sein, die die „Eigentums­
rechte“ als „konservative Institution“ bei jeder sich bietenden Gelegenheit betonte;
der Auffassung der Gewerbetreibenden nach war „diese Agrarreform“ falsch und
schädlich.151
Eine „offene Wunde“ blieb das Agrarproblem gleichwohl; auch und gerade im Be­
wußtsein aller wohlmeinenden Patrioten, die zeitlebens die Lösung der „nationalen
Frage“ für vordringlich gehalten und den jugoslawischen Staat als Lösung aller Pro­
bleme begrüßt hatten.152 Auf beiden Seiten, bei den landhungrigen Bauern wie den
ihre Besitzstände verteidigenden Eigentümern, konnte man nun die zu Zeiten Oster-

150 Kapic, J., Agrarno pitanje“ (Die Agrarfrage) in: Novo doba v. 6.12.1922, S. 2.
151 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I. redovite sjednice 17. marta 1927 (Han­
dels- und Gewerbekammer in Split. Protokoll der I. ordentlichen Sitzung v. 17.03.1927), S. 54.
152 Ein Beispiel dafür ist der Politiker Dujam Mikacic. In seiner Artikelfolge „Otvorena agrarna
rana“ (Die offene Agrarwunde), in: Novo doba v. 1.-5.4.1926, kritisierte er den Entwurf d.
Agrargesetzes des damaligen Landwirtschaftsministers Stanko Sibenik. Er ist auch der Verf.
eines „Appells der dalm. Kleinbesitzer an die Regierung“ v. 28.10.1926 u. machte mehrere,
folgenlos gebliebene, Vorschläge für eine „Gesunde Lösung des dalmatinischen Agrarpro­
blems“.

160
Dorf und agrarische Lebenswelt

reichs gemeinsam den „nationalen Kampf“ vorantreibenden jugoslawischen Patrioten


finden.
Nicht nur der Demokratischen Partei, wie sie in einer Broschüre über die Agrarreform
betonte, galt die Lösung des Agrarproblems als „soziale und Staatsnotwendigkeit“
sowie „politische Frage ersten Ranges“. Die Agrarreform sollte „Beweis dafür sein,
daß Jugoslawien tatsächlich Heimat freier Bauern sein wird“, wobei „auf der nationa­
len Befreiung die soziale aufbauen“ sollte. Große Worte wurden bemüht:
„Serben, Kroaten und Slowenen, oder mit einem Namen Jugoslawen“, seien „ein Volk, un­
tereinander gleich und gleichberechtigt. Sie teilen ihr Schicksal: entweder werden sie unterein­
ander zerstritten zu Sklaven fremder Kaiser und Großgrundbesitzer, oder sie werden einig
und vereinigt zu eigenen Herren in ihrem freien und nationalen jugoslawischen Staat, wo nur
der Land besitzen wird, der es bearbeitet. Die nationale Intelligenz, die die Fahne der natio­
nalen Einheit vorangetragen hat, hat jetzt im befreiten Vaterland die Demokratische Partei
gegründet.“153

Geschickt appellierte die Wahlpropaganda der DP an die Ängste der Bauern, wenn
sie betonte, daß sich alle anderen Parteien in einer bunten Koalition zusammengefun­
den hätten, „um die Großgrundbesitzer zu retten“. Die „rückständigen Konservati­
ven“ würden die Reform hintertreiben und offenen und geheimen Widerstand leisten.
„Jugoslawien wird wahrhaftig Heimat der freien Bauern sein“, betonte der Verfasser
der in Dalmatien verteilten Broschüre, so daß „unsere nationale Einigung von un­
schätzbarer Wichtigkeit für jeden Bauern-Landarbeiter sein wird.“ Das Land gehöre
„jenen, die es bearbeiten“, „auf der nationalen Freiheit“ gründe auch die soziale Be­
freiung, d.h. daß die Rechtlosen ihre Menschenrechte erhalten“. Und immer wieder
tauchte der Schlüsselsatz auf, nur derjenige solle in Jugoslawien “Land haben, der es
auch bearbeitet.“ (Hervorh. im Original). (...) Wir machen keine Unterschiede zwi­
schen Kroaten, Serben und Slowenen; es ist uns gleich, wer welchem Glauben ange­
hört; wir kämpfen für soziale Gerechtigkeit (...) Das ist unser Jugoslawismus“.154
Außer den innenpolitischen Gegnern wurde seitens der jugoslawistischen Parteien
und Verbände auch „Italien“ für „die „Schwierigkeiten unseres Staates bei der Auflö­
sung des Kolonatsverhältnisse in Dalmatien“ verantwortlich gemacht. „Italien“ habe
„auch verhindert, „daß in jenem Teil Dalmatiens, wo unser Staat die Macht hat, das
Kolonat abgeschafft wird. Offensichtlich fürchte sich Italien vor einem Aufstand in
den besetzten Gebieten, wenn die Bauern in den freien und benachbarten Teilen Dal­
matiens vom Kolonat befreit würden und diejenigen unter ihrer Herrschaft nicht.
Und man sollte auch nicht vergessen, daß dieses Kolonat, was dem kmetstvo ähnlich
ist, aus Italien stamme, d. h., daß die Venezianer es eingeführt haben, während sie über
unser Dalmatien herrschten.
153 Demetrovic, Juraj, Agrarna reforma i Demokratska stranka. Sve uredbe i naredbe o agrarnoj
reformi u Jugoslaviji, izdao sekretarijat Demokratske stranke u Zagrebu (Die Agrarreform
und die Demokratische Partei. Alle Verordnungen über die Agrarreform in Jug., hg. v. Sekre­
tariat der DP in Zagreb), Zagreb 1920, S. 3f.
154 ebenda, S. 3, 9 u. 12.

161
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

“So ist auch dieses Kolonat, wie auch das kmetstvo und die Feudalherren, ein Werk von
Fremden (Herv. im Original), uns aufgepreßt, um unser Volk noch stärker zu versklaven.
Und solange wir uns nicht von der italienischen Pest befreien und uns von den italienischen
Herren an unserer Küste des Adriatischen Meeres nicht befreien, d. h. solange wir nicht unsere
Grenzen gegenüber allen unseren Nachbarn sichern, werden sie es nicht zulassen, daß wir
innerhalb unserer Grenzen gegenüber dem Bauernstand volle Gerechtigkeit üben. Aber auch
diese Prüfung wird vorübergehen, und sie wird umso eher Vorbeigehen, wenn unser Volk klar
und deutlich allen zu verstehen gibt, daß es sich nicht mehr in Kroaten, Serben und Slowenen
spalten läßt; daß es sich nicht mehr gegeneinander ausspielen läßt, sondern immer bereit sein
wird seine Einigkeit und den einigen Staat Jugoslawien gegen den inneren und äußeren Feind
zu verteidigen.“ (Hervorh. im Original).155

Auch die „Standesvereinigung der dalmatinischen Landarbeiter“, die sich bemühte,


die Spliter Landarbeiter und Kleinbesitzer gegen den Gesetzesvorschlag zur Agrarre­
form zu mobilisieren, versuchte die Agrarfrage mit jugoslawisch-patriotischem Pathos
zu grundieren, was ihr jedoch in noch geringerem Maße als der Demokratischen Partei
gelang. Das Verhältnis zwischen padrones und Bauern war in ihren Augen keineswegs,
wie das die Landeigentümer behaupteten, nur eine „Rechtsfrage“, betonte der Verein
in seiner Denkschrift an das Parlament, sondern müsse als „soziale und politische
Frage“ betrachtet werden. Die „schweren und anachronistischen Agrarverhältnisse in
Dalmatien“ müßten „aus sozialen, ökonomischen und humanen, und vor allem aus
nationalen Gründen“ geändert werden. Die Verfasser der Denkschrift vom Dezember
1923 betonten: „Die dalmatinischen Landarbeiter, deren patriotische Orientierung
außer Frage steht, müssen wieder den Glauben an den Staat bekommen, den solch
ein Gesetz in der Lage ist zu erschüttern“.156
Der Gesetzentwurf zur Durchführung der Agrarreform schien dem Verband dabei
viel zu sehr an den Interessen der Landeigentümer orientiert. Auch der Verband ver­
säumte es nicht, auf die Worte „Seiner Majestät des Königs, des damaligen Regenten“
hinzuweisen, der „unserem vereinigten Volk der Serben, Kroaten und Slowenen den
Grundsatz kundgetan hat, daß das Land jenen zufallen muß, die es bearbeiten.“ Auch
erinnerten die Landarbeiter immer wieder an den damaligen fast revolutionären Kon­
text, als seinerzeit die „Vorläufigen Bestimmungen“ verabschiedet worden waren.
Durch das Versprechen der Landaufteilung sei der Staat für die Landarbeiter, die sei­
nerzeit unter italienischer Okkupation standen, „noch attraktiver“ geworden. Es
wurde die italienische Besetzung evoziert und daß auch im unbesetzten Teil Dalma­
tiens ständig die Gefahr bestanden habe, ebenfalls okkupiert zu werden. Nur aus der
patriotischen Befürchtung heraus, daß eine Verweigerung der Abgaben zum „Anlaß
einer erweiterten italienischen Besetzung“ hätte genommen werden können, hätten
die meisten dalmatinischen Bauern überhaupt weiterhin Abgaben geleistet. Der größte

155 ebenda, S. 55.


156 Spomenica „Pokrajinskog tezackog saveza“ u Splitu Narodnoj skupstini Srba, Hrvata i Slove-
naca o dalmatinskom agraru u Splitu (Gedenkschrift des regionalen Landarbeiterverbandes in
Split an das Parlament), Decembra 1923., Split 1924, S. 4f.

162
Dorf und agrarische Lebenswelt

Teil der Landarbeiter habe nicht genug eigenes Land, um sein Existenzminimum zu
sichern. „Das Erste, was die dalmatinischen Landarbeiter von ihrem nationalen Staat
erwartet haben (Hervorh. im Original)“, sei gewesen, daß ihnen Eigentum am Land,
welches sie und ihre Vorfahren jahrhundertelang im Schweiße ihres Angesichts bear­
beitet haben“, zusprechen würde oder „wenigstens ein existenznotwendiges Landmi­
nimum“ (Hervorh. im Original). Immer wieder betonten die Verfasser, „soziale Ge­
rechtigkeit und das Staatsinteresse“ würden das erfordern. Würde nun aber der einge-
brachte Gesetzesvorschlag angenommen, ginge es dem dalmatinischen Landarbeiter
„sogar schlechter, als es ihm heute ohnehin geht“.157
Die Klage der Landarbeitervertretung war nicht leicht von der Hand zu weisen: Zwar
verkündete Art. 2 des Entwurfes, daß „Kmeten“ oder „Landarbeiter, die Land in einer
dem Kmeten ähnlichen rechtlichen Stellung bearbeiten“, ohne Entschädigung für die
vormaligen Eigentümer, „zu Eigentümern dieses Landes“ werden. Doch nach Lektüre
der Artikel 3 und 4, in denen definiert wurde, was unter „Kmeten“ und „Landarbei­
tern), die Land in einer dem Kmeten ähnlichen rechtlichen Stellung bearbeiten“, im
Sinne des Gesetzes verstanden wird, wurde deutlich, daß die übergroße Mehrheit der
dalmatinischen Landarbeiter nicht darunter fiel. Nach Artikel 3 wurden als „Kmeten-
Verhältnis“ nur Feudalbeziehungen erachtet, bei denen der Landarbeiter zu persönli­
chen Diensten verpflichtet war, oder zu Abgaben, die den Charakter persönlicher
Abhängigkeit in Bezug zum Landeigentümer hatten. Solche Agrarbeziehungen waren
in der Tat in Dalmatien kaum anzutreffen. Nach Artikel 4 war ein „Kmetenähnliches
Verhältnis“ dagegen definiert durch die Eigenschaften, daß ,,a) dieselbe Landarbeiter­
familie das in Frage stehende Land länger als 30 Jahre bestellt; b) deren Existenz ganz
an dieses Land gebunden ist; c) das Landarbeiterverhältnis an keinerlei Frist gebunden
ist und schließlich wurde in Absatz d) verfügt, daß auf dem in Frage stehenden Land
einst persönliche Dienste oder Feudalabgaben zu leisten waren (wie in Art. 3 beschrie­
ben)“. Letztere konnte aber nur in den seltensten Fällen von den Landarbeitern auch
nachgewiesen werden, deshalb die scharfe Gegnerschaft des Landarbeiterverbandes
gegen den Entwurf. Nur „das Recht, vom Herren Land abzukaufen (Hervorh. im
Original)“, so die Landarbeitervereinigung aus Split in ihrer Denkschrift, sei den Bau­
ern gegeben worden. Ein Recht, das die Ärmeren niemals ausnutzen könnten. Das sei
nicht die Agrarreform, auf die so lange gewartet worden sei. Von solch einer „Lösung
der Agrarfrage“ hätte der Landarbeiter keinerlei Nutzen. Abkaufen hätten sie den
Eigentümern das Land ja auch schon früher gekonnt. Jetzt stände noch zu befürchten,
daß die Landpreise besonders hoch ausfallen würden, da in der 3-Mann-Kommission,
die im Gesetzentwurf für die Preisschätzung vorgesehen war, nur einer auf Vorschlag
des Landarbeiters ernannt würde.
Auch die in Artikel 45 des Entwurfes vorgesehene Änderung der bisherigen Praxis,
daß in Zukunft die einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen österreichischen

157 ebenda, S. 3. (Darin auch „Vladin Nacrt Zakona o likvidaciji Agrarnih odnosa u Dalmaciji“,
S. 12-22.)

163
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Gesetzbuches Verträge betreffend in Anwendung kommen sollten, barg einige Härten


für die Landarbeiter. Die alten Stadtstatuten, und vor allem das Gewohnheitsrecht,
das die Willkür des Landeigentümers beschnitten hatte, sollten bei Rechtsstreitigkeiten
nämlich nicht mehr gelten. Solange „der Boden durch Arbeit des Landarbeiters (Knie­
ten oder Kolonen)“ (bzw. nach dessen Tod seine Erben) nämlich „Frucht gab“, war
es den Eigentümern in Dalmatien so gut wie unmöglich gewesen, „den Landarbeiter
davonzujagen“, wie es in der Denkschrift hieß. Nun sah der Spliter Landarbeiterver­
band bei Annahme des Entwurfes die „Proletarisierung des Landarbeiterstandes“ in
Dalmatien voraus.158
Waren also für die Landarbeiter die Aussichten auf eine Landaufteilung das stärkste
Argument für einen jugoslawischen Staat und die größte Hoffnung gewesen, so sah
der spätere Landwirtschaftsminister Franges im Rückblick davon „Wirtschaftsleben,
aber auch die Moral und das Rechtsgefühl der Bevölkerung“ verletzt. Mehr noch:
„Die gutwilligen, durch Jahrzehnte mit ihren „Herren“ verbundenen Bauern durften
ihren Pflichten dennoch nicht nachkommen, weil demagogische Hetzer ungestraft auf
dem Lande die Einstellung aller Abgaben predigten und Zuwiderhandelnde bedroh­
ten“, behauptete er.159 Welcher Art das Verständnis des Landwirtschaftsministers für
die Forderungen der landlosen Bauern war, spricht aus folgenden Worten:
„So sehr die Agrarreform nun von allen unbemittelten, entwurzelten und existenzlosen Ele­
menten begeistert begrüßt wurde, so sehr befremdete sie die konservativen, in einer gewohn­
ten Rechtsordnung eingelebten Kreise (...). Nur die Geringstgeachteten, das Dorfproletariat,
die Nichtstuer, die herabgekommenen schlechten Wirte, die Wichtigtuer und Schreier be­
mächtigten sich der Sache, aus ihrer Mitte wurden die ersten „Agrarkomitees“ gebildet, sie

158 ebenda, S. 4 u. 7. „Kolonat“, „tezastina“ oder „tezacki odnos“ seien in Dalmatien immer als
Synonyme gebraucht wurden, stellte die Spliter Landarbeitervereinigung fest, und dürften
deshalb jetzt auch im neuen Agrargesetz nicht künstlich als unterschiedliche Formen der
Landeigentümer-Landarbeiter-Beziehung genommen werden. Jahrzehntelang war noch zu
Zeiten Österreichs darüber gestritten worden, ob nicht doch, nach Meinung der Landeigentü­
mer, das Vertragsrecht auch im Agrarbereich in Dalmatien gelten müsse. Schließlich, und um
keinen Widerstand der Bauern heraufzubeschwören, verfügte die österreichische Verwaltung,
daß Kolonats-Verhältnisse eben kein normaler Arbeitsvertrag waren.
159 Franges, Sozialökonomische Struktur, S. 222; bes. Kap. III, 3 „Die Agrarreform in Jugosla­
wien“, S. 159-231, speziell „Die Durchführung der Agrarreform in Dalmatien“, S. 221-225.
Seine (zutreffende) Einschätzung war, daß die „Ideologie, die den ersten Maßnahmen (...)
in Bezug auf eine neue Regelung der Bodenbesitzverteilung zugrunde lag“ von kroatischen
Studenten aus Prag von der tschechischen Bauernpartei Antonin Svehlas herstammte. Die
dort von den „Realisten“ vertretenen Ideen fanden, seiner Meinung nach, um so leichter
Eingang in die jugoslawische Politik, als „das eigentliche Gebiet Serbiens“ von der Agrarre­
form nicht betroffen war. „Das Problem bezog sich nur auf die neu hinzugekommenen Ge­
biete, und da überließen die Serben ohne weiteres die Lösung der ihnen vollkommen fremden
Frage den Vertretern der Gebiete von Kroatien-Slawonien, des Banates, Dalmatiens, Slowe­
niens, Bosniens und der Herzegowina und Südserbiens (gemeint ist Mazedonien, A. J.)“,
ebenda, S. 160.

164
Dorf und agrarische Lehenswelt

erbrachten die Vorschläge für die Art der Aufteilung der Großbesitze, für das jeweilige Aus­
maß der Zuteilung an die Einzelnen, für das Ausmaß der eventuellen Entschädigung für
„übernommenes“ Vieh, Getreide, Geräte usw.“160

Während des Intermezzos der Koalition der Kroatischen Bauernpartei mit den Serbi­
schen Radikalen vom 18. Juli 1925, als der Neffe Stjepan Radies, Pavao, Minister
mit Zuständigkeit für die Agrarreform wurde, wurden Anstrengungen unternommen
Forderungen der Bauernpartei in der politischen Praxis durchzusetzen.161 Im Endef­
fekt liefen aber auch die Vorschläge der HSS nur auf die Möglichkeit des Kaufs von
Großgrundbesitz durch Mittelbauern hinaus. Arme landlose Bauern und Tagelöhner
profitierten so gut wie überhaupt nicht von den verabschiedeten Gesetzen, die sich
jedoch auf Kroatien und Slawonien, nicht auf Dalmatien bezogen. An der Küste hatte
das Versprechen, die Agrarfrage zu lösen der Bauernpartei einen gewaltigen Zuwachs
an Popularität eingebracht. Da hier aber der vom Minister Stanko Sibenik einge-
brachte Gesetzestext vom Parlament in Belgrad abgeleht wurde (unter Federführung
der serbischen Anhänger des dalmatinischen Ablegers der Radikalen Partei und der
Demokraten), kam es in Dalmatien nicht zum Praxistest. Die Klage des HSS-Ministers
Sibenik, daß das Land „nach Regionen und Interessensphären der einzelnen Parteien“
verteilt werde und auch die Frage der Ansiedlung von Kolonisten im höchsten Maße
politisiert sei,162 läßt sich dort, wo die Bauernpartei politische Gestaltungsmacht hatte,
durchaus auch gegen sie selbst erheben.
Erst am 19. Oktober 1930 wurde das Gesetz über die Regelung der Agrarfrage in
Dalmatien endlich verabschiedet. Mit Änderungen und Ergänzungen wurde es erst
vom 6. März 1931 an umgesetzt.163 Das Land sollte jenen zufallen, die es bearbeiten,
doch nur in dem Fall, wenn das Pachtverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Gesetzes älter als 30 Jahre war. Weiters sollte die maximale Fläche nicht größer als 10
Hektar sein. Falls die Familie mehr als sechs Mitglieder hatte, konnte noch je ein
halber Hektar pro Familienmitglied hinzugegeben werden. Die Entschädigungs­
summe für die ehemaligen Eigentümer betrug 10.000 Dinar pro Hektar, wenn es sich
um Eigentumsrechte von vor 1878 handelte, 20.000 Dinar pro Hektar sollten gezahlt
werden wenn das Pachtverhältnis nach diesem Termin zustande gekommen war. Für
den ersten Fall zahlte der Staat die Entschädigung in Staatsobligationen mit einer

160 ebenda, S. 168.


161 Pavle Radic war vom 18.07.1925 bis 18.05.1926 und noch einmal v. 24.12.1926 bis zum
01.02.1927 Minister für die Agrarreform. Gleichfalls aus den Reihen der Bauernpartei amtier­
ten noch während dieser Koalition Benjamin Superina und Stanko Sibenik in diesem Ressort.
Das Ministerium selbst wurde 1931 abgeschafft und in das Landwirtschaftsministerium inkor­
poriert.
162 Vgl. Govori hrvatskih seljackih zastupnika u beogradskom parlamentu 6. travnja 1926 (Reden
der kroatischen Bauernabgeordneten im Begrader Parlament am 6. April 1926), in Dom, hier
nach Simoncic-Bobetko, Agrarno pitanje, S. 97.
163 Vgl. Zakon o likvidaeiji agrarnih odnosa na podrueju ranije pokrajine Dalmacije, in: Sluzbene
novine Nr. 254 v. 5.11.1930 u. Nr. 58 v. 14.03.1931.

165
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Laufzeit von 30 Jahren, welche mit 6% verzinst waren. Selbst diese zaghafte Reform
verursachte an die 400 Millionen Dinar Kosten für den Staat.164 Gleichzeitig wurden
mit der endlich in Kraft tretenden gesetzlichen Regelung zahlreiche Gerichtsurteile
der Nachkriegszeit in Frage gestellt. Die Regelung, daß innerhalb einer Frist von sechs
Monaten die Wiederaufnahme von Gerichtsverfahren beantragt werden konnte, führte
zur hoffnungslosen Überlastung der dalmatinischen Gerichtsbarkeit.165 Bis zum Zeit­
punkt der rechtsgültigen Übertragung des Eigentumstitels blieben die Bauern freilich
verpflichtet, wenn auch verringerte, Abgaben zu leisten.
Am umstrittensten war natürlich die Höhe der Entschädigung für die ehemaligen
Eigentümer. In Fällen, wo Feudalbeziehungen noch nach dem 11. Januar 1878 einge­
gangen wurden, wie in manchen Fällen, in denen die Maximal-Entschädigung von
30.000 Dinar pro Hektar gezahlt wurde, mußten die Bauern die Hälfte der Entschädi­
gung tragen. Gleichfalls wurde von den Bauern gefordert, daß sie Entschädigungen
für alle nach obigem Stichtag errichteten Wohn- und Wirtschaftsgebäude zahlen soll­
ten. Auch sollten sie die Hälfte von eventuell unbezahlten Steuerschulden, die auf
das Land entfielen, tragen. Für Kirchenland wurde die Entschädigung noch um 10%
angehoben. Nach sofortiger Auszahlung des Betrages durch den Staat an den vorheri­
gen Eigentümer, sollte der Anteil des Nutznießers der Agrarreform (also des Bauern)
durch speziell ausgegebene Staatsobligationen (obveznice) beglichen166 werden, die
mit 6 % verzinst waren und in 30 Jahren getilgt werden sollten.
Mit dem zweiten Gesetz vom 19. Juni 1931 sollte die Aufteilung der Großgrundbe­
sitze geregelt werden. In Dalmatien war es v.a. die Kirche, die von diesem Gesetz
profitierte, da ihre patrimonialen Rechte anerkannt wurden und Kirchenland wie ge­
wöhnlicher Grundbesitz behandelt wurde. Die Entschädigung an die vormaligen Ei­
gentümer übernahm auch hier zunächst der Staat, dann die geschaffene „Privilegovana
agrarna banka“, mit vom Staat garantierten 6 %-Schuldverschreibungen. Die von den
Bauern (Kriegsfreiwillige, die Land bekommen hatten, ausgenommen167) jährlich zu
leistenden Abzahlungen beinhalteten nicht nur die Raten für das Land, sondern auch
hier ging der Wert der Wohn- und Wirtschaftsgebäude, rückständige Pachtzahlungen

164 Ristic, Teofan, Borba za zemlju i nasa agrarna reforma (Der Kampf um das Land und unsere
Agrarreform), Beograd 1938, S. 78; vgl. auch Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 316ff.
165 Alle Rechte waren aber dort erloschen, wo Bauern vom Landeigentümer vor dem 25. Februar
1919 nach Zahlung einer Entschädigung das Land zunächst aufgegeben, es dann aber wieder
in Besitz genommen hatten. In diesen Fällen konnte auch nicht mehr prozessiert werden.
166 Insgesamt wurden für 800 Millionen Dinar Staatsobligationen ausgegeben; vgl. Dimitrijevic,
Privredni razvitak, bes. „Likvidacija agrarne reforme“ S. 140-144, hier S. 141.
167 Die Landzuteilung an Kriegsfreiwillige spielte in Dalmatien keine Rolle. Hatten doch, nach
den Angaben des Kriegsministeriums, von ca. 30.000 Freiwilligen insgesamt, nur 2076 Männer
aus Dalmatien auf Seiten der serbischen Armee mitgekämpft. Zudem eignete sich Dalmatien,
von der Besitzstruktur her (ganz im Gegensatz zur fruchtbaren slawonischen Ebene), auch
nicht zur großflächigen Kolonisierung. Vgl. Simoncic-Bobetko, Zdenka, Kolonizacija u
Hrvatskoj 1919-1941., in: Povijesni prilozi 9 (1), Zagreb 1990, S. 85-164, hier S. 94.

166
Dorf und agrarische Lebenswelt

und Entschädigungen für Pflügen, Säen und Saatgut (im Falle, daß sie schon be­
pflanzte Flächen erhielten) und Zahlungen für expropriiertes lebendes und totes In­
ventar usw. in die Summe mit ein. Dividiert man die insgesamt veranschlagte Entschä­
digungssumme, die von den Bauern aufzubringen war (800 Millionen Dinar), durch
die Zahl der Nutznießer, so wird deutlich, daß es eine für die meisten Bauern kaum
zu tragende Belastung war. Auch mußten die Bauern nun alle bisher rückständigen
Abgaben dem ehemaligen Grundherrn derart ersetzen, daß ihr Wert zu gleichen Teilen
vom Staat und vom Verpflichteten getragen wurde. Nun waren viele Landarbeiterfa­
milien in Dalmatien dem Staat bzw. dessen Agrarbank, Geld schuldig, das sich dieser
bei Säumigkeit auch mit Zwangsmitteln wie Eintreibungen holte. Die genaue Höhe
der Entschädigung der vormaligen Grundherren wurde durch Kommissionen bemes­
sen, die aus je einem Vertreter der Nutznießer und der Grundherren mit einem land­
wirtschaftlichen Bezirksreferenten als Vorsitzenden gebildet wurden. Diese Kommis­
sionen hatten ihre Schätzungen in den Grenzen von je vier Bonitätsklassen für jede
Kulturart durchzuführen, innerhalb welcher die Entschädigungen zu bestimmen wa­
ren.168
Schließlich wurden in Dalmatien als zu enteignender Großgrundbesitz 50 ha bebauba­
res Land (Ackerfläche, Gärten, Weinberge) verstanden oder über 100 ha Wald oder
Weideland.169 Bei der Durchführung in den 30er Jahren pendelte das Landmaximum
dann, je nach Region, zwischen 174 bis 869 Morgen Land, und unter bestimmten
Umständen hatten die Besitzer auch das Recht auf ein sog. „Supermaximum“.170 Alle
Nutznießer der Agrarreform, die serbischen Kriegsfreiwilligen ausgenommen, für die
der Staat die Kosten übenahm, mußten das ihnen zugeteilte Land bezahlen. Verteilt
wurden 50.000 bis 60.000 ha Land in Dalmatien, das bis 1941 aus halb-feudalem Besitz
in die Hände der Bauern überging.171 Offizielle Schätzungen gingen von ca. 50.000
Familien aus, die von der Auflösung der Kolonatsverhältnisse in Dalmatien profitier-

168 Alle feudalen Besitze sowie alle sonstigen Grundstücke, die vor dem 11. Januar 1878 von den
derzeitigen Nutznießern (Kolonen) in Gebrauch genommen waren, wurden mit maximal
10.000 Dinar je Hektar entschädigt. Betrug die Gesamtfläche der unter die beiden vorstehen­
den Kategorien fallenden Grundstücke weniger als 5 ha, d.h. war der Besitzer selbst als „arm
und bedürftig“ anzusehen, so betrug die maximale Entschädigung 30.000 Din. je Hektar. Nur
bei „Ablösung von Feudal- und Altansässigkeiten“ zahlte der Staat die Entschädigung allein;
ansonsten wurde die Summe zwischen Staat und Nutznießer geteilt. Die Entschädigung für
Gebäude mußte der Nutznießer allein tragen. Für Grundstücke, welche in der unmittelbaren
Nähe von Städten oder Fabrikansiedlungen oder Badeorten liegen, wurde keine Entschädi­
gung gezahlt, sondern sie sollten mit Rücksicht auf ihren besonderen Wert in natura zwischen
dem Grundherrn und dem Nutznießer geteilt werden.
169 Vgl. Ministarstvo za agrarnu reformu Kraljevine SHS (Hg.), Agrarna reforma - Uredbe,
naredbe, raspisi, Bd. I, Zagreb 1920; Bd. II Zagreb 1925. Das Gesetz schließlich v. 5.12.31 u.
24.06.1933, in: Ministarstvo poljoprivrede Kraljevine Jugoslavije (Hg.), Agrarna reforma,
Bd. III, Beograd 1933.
170 Almanah Kraljevine Jugoslavije, IV., Jubilarni svezak 1929-1931, Zagreb 1932, S. 350f.
171 Simoncic-Bobetko, S. 153.

167
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

ten.172 Andere Quellen sprechen davon, daß bis 1941 an die 100.000 Bauernfamilien
in Dalmatien zwischen 50.000 und 60.000 Hektar Land erhielten. Bis zur italienischen
Okkupation 1941 wurde über 85.000 Anträge auf Landzuteilung entschieden, über ca.
45.000 Anträge auf Verteilung von weiteren 20.000 Hektar war bis zu diesem Zeit­
punkt noch nicht entschieden worden.173
Fiktive Verkäufe oder Schenkungen von Land waren Strategien der Landeigentümer,
um möglichst Flächen unter 5 Hektar zu erhalten, für die die höchsten Entschädi­
gungszahlungen geleistet wurden. Auch war das Land in Industrie-, Bade- und städti­
schen Zonen174 von den Bestimmungen des Agrargesetzes ausgenommen.175 Dort, wo
es möglich war, wurde das Land auch als einem italienischen Eigentümer gehörend
gemeldet, um der Agrarreform ganz zu entgehen.176

172 ebenda, S. 143. Vgl. auch Eric, M., Agrarna reforma u Jugoslaviji, Sarajevo 1958; Ivsic, M.,
Les problemes agraires en Yougoslavie, Paris 1926; Komadinic, M., Problem seljackih dugova
(Das Problem der Bauernschulden), Beograd 1934.
173 Mihletic, Ante, Agrarna reforma i kolonizacija u Hrvatskoj, Zagreb 1952, S. 6; Simoncic-Bo-
betko, Agrarna reforma, S. 322. Ebenda, S. 354 spricht sie aber davon, daß Ende März 1941 von
102.072 eingegangenen Anträgen in Dalmatien 87.675 rechtskräftig entschieden waren, 1751
Entscheidungen hatten noch keine Rechtskraft erlangt und 12.646 eingegangene Anträge noch
nicht bearbeitet waren. Der Godisnjak banske vlasti Banovine Hrvatske (Zagreb 1940, S. 137)
nennt „an die 50.000 Anträge“, die 1940 in Dalmatien noch auf ihre Entscheidung warteten.
174 Vgl. die Verordnung über die ausgewiesenen „Zonen“ durch den Landwirtschaftsminister
Franges v. 18.07.1931. In diesen Zonen sollte das Agrargesetz keine Geltung haben. Der
Kampf zwischen den Verbänden der Landeigentümer und den Interessenvereinigungen der
Bauern um die Größe dieser „Zonen“ dauerte, auf allen Ebenen, bis zum Untergang des
Staates 1941. Die Gerichte fällten bzgl. der nachträglichen Ausweitung dieser Zonen unter­
schiedliche Urteile. Simoncic-Bobetko (HDA, Santic, 3.1.2., in: Agrarna reforma, S. 319) führt
ein Urteil des Spliter Berufungsgerichts v. 24.07.1940 an, in dem eine solche Ausweitung mit
dem Argument abgeleht wurde, daß auf den in Frage stehenden Flächen eine große Zahl
Bauern nach dem Agrargesetz bereits Land zugeteilt bekommen hätte. Diese Landarbeiter
würden sich diesen Boden nun nicht mehr nehmen lassen. „Jede Schmälerung ihrer Rechte,
die sie nach dem Agrargesetz erhalten haben, würde zu einer Revolte unter den Bauern füh­
ren“ und jegliches Vertrauen in das Recht ins Wanken bringen. Würde man nun aber die
Zonenregelung nur auf jene anwenden, deren Verfahren nach dem Agrargesetz nur „zufällig“
noch nicht beendet sind, dann würde das „berechtigte Verbitterung gegen die Regierung, wie
gegen die Eigentümer hervorrufen, was unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen könnte“.
175 Auch hier eröffnete sich ein weites Feld potentiellen Mißbrauchs, da sich die Landeigentümer
nach Kräften bemühten die entsprechenden Zonen auszuweiten. In der Stadt und im Kreis
Split beispielsweise waren nicht nur die engeren Stadt- bzw. Gemeindeterritorien, sondern
auch mehr oder minder alle gewerblich genutzten (und damit wertvollen) Flächen, wie die
Mergelabbaugruben (bei Kastei Gomilica, Solin, Split und Omis) und der Boden auf dem die
Zementfabriken (Dalmacija d.d., Adria-Portland, La Dalmatien, Lavoro & Companie) stan­
den, von der Durchführung der Agrarreform ausgenommen.
176 Erst mit dem Artikel 75, Absatz 2 des Finanzgesetzes von 1936/37 wurde die Veräußerung
von Land während das Verfahren lief ohne die ausdrückliche Genehmigung des Landwirt­
schaftsministers verboten, wie auch der Verkauf an fremde Staatsangehörige untersagt wurde;
HDA, Santic, 3.1.1.10; 3.11.6, hier zit. nach Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 319.

168
Dorf und agrarische Lebenswelt

Konflikte waren an der Tagesordnung und das Gesetz, wie auch seine Durchführung,
blieb umstritten. Nicht nur die Bauern, auch die Eigentümer verbanden dabei gewisse
Hoffnungen mit der Reform. Voraussetzung, um nachträglich die nach dem Krieg
vorenthaltenen Abgaben in Form einer Entschädigung zu bekommen, zur Hälfte vom
Staat und zur Hälfte vom (ehemaligen) Pächter, waren rechtskräftige Gerichtsurteile.
War das Urteil endlich erstritten, so zahlte der Staat, bei Entschädigungssummen von
über 500 Dinar, nicht in Bargeld sondern in Obligationen.177 Diese staatlichen Schuld­
scheine, zum nominalen Nennwert von 500, 1000 und 5000 Dinar wurden mit dem
Datum 1.1.1931 ausgegeben, galten als Zahlungsmittel und waren mit 6% verzinst.
Sie konnten jeweils nach Ablauf einer Jahresfrist verkauft werden. Die Gesamtlaufzeit
war auf 30 Jahre festgelegt und sollte 1962 enden. Auch die Bauern konnten mit den
Obligationen ihren Teil der Entschädigungssumme zahlen, wobei sie die Obligationen
auf Kredit vom Staat kaufen konnten, wozu sie Land, das sie bekamen, als Sicherheit
verpfänden konnten. Bei jährlichen Ratenzahlungen, die zusammen mit der Steuerzah­
lung geleistet werden sollten, waren sie verpflichtet, die Gesamtschuld bis zum Jahr
1962 zu tilgen.
Alles in allem läßt sich feststellen, daß die Agrarreform in Dalmatien keine Seite be­
friedigte. Die damit befaßten Verwaltungsinstanzen waren heillos überfordert, klagten
über zuwenig Personal und zuwenig Geld, und auch die Gerichte kamen mit den
Entscheidungen nicht hinterher. Das Zugeständnis des zuständigen Landwirtschafts­
ministers Svetozar Stankovic vor dem Belgrader Parlament, daß auch für 1936/37
wegen „Schwierigkeiten gesetzlicher und personeller Natur nicht mit der Durchfüh­
rung der Agrarreform in Dalmatien und Bosnien-Herzegowina“ zu rechnen sei, wobei
er aber beruhigend zusätzliche staatliche Finanzhilfen ankündigte, zeigt das Scheitern
des Projekts auf der ganzen Linie.178 1 939 arbeiteten 58 Mitarbeiter in der Verwaltung
in Split an der Durchführung der Reform. Neben den Beamten im Büro auch noch
eine wechselnde Zahl von „agrarni dnevnicari“ genannten Mitarbeiter, die durch die
Dörfer fuhren, um die in den schriftlichen Eingaben gemachten Angaben zu überprü­
fen und Zeugenaussagen zu Protokoll zu nehmen.
Wie wird das Agrarproblem und die Durchführung der Reform in Dalmatien, und
was sie für die Bauern bedeutete, jenseits von Gesetzestexten, politischen Stellungnah­
men und statistischen Angaben, quellenmäßig faßbar? Die „Interessen der Landwirt­
schaft“ sollten „durch das Ministerium für Landwirtschaft, (...) Abteilungen bei den
Banschaftsverwaltungen und durch besondere, akademisch ausgebildete landwirt­
schaftliche Referenten bei den Bezirken“ vertreten werden.179 Das im Historischen

177 ebenda, S. 316ff.


178 Glasnik Ministarstva poljoprivrede, Beograd März 1936, S. 69-70.
179 Die verschiedenen Verwaltungsreformen während der Existenz des monarchistischen Jugosla­
wien führen zu immer neuen administrativen Grenzziehungen. So waren die mit der Agrarre­
form befaßten Instanzen (agrarni uredi) auch jeweils den zuständigen Verwaltungskörper­
schaften, zunächst dem Komitat/der Gespanschaft (zupanija), dann dem Bezirk (oblast), zwi­
schen 1925 und 1930, sowie nach der Proklamation der Königsdikatur der Küstenbanschaft

169
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Archiv in Split zugängliche Aktenmaterial der Banschaftsverwaltung über die „Liqui­


dierung der Agrarreform“ legt schon quantitativ (es handelt sich um den bei weitem
zahlenmäßig größten Aktenbestand) Zeugnis ab von der Wichtigkeit, die diese Frage
im Dalmatien der Zwischenkriegszeit besessen hat.
Eingaben von Landeigentümern, privaten wie Institutionen, an die Bezirksregierung
in Split, die über die Einstellung der bäuerlichen Pachtzahlungen klagten, finden sich
ab 1919. Dies betraf, wie gesagt, auch die katholische Kirche, die in Dalmatien großen
Landbesitz besaß.180 Die Ermahnungen aus Belgrad, die die lokale Verwaltung weiter­
leitete und öffentlich machte, daß „die Verweigerung der Abgaben“ in jedem Fall
„Gerichtsverfahren und Kosten, für die Landarbeiter werden aufkommen müssen“,
nach sich ziehen würde“,181 veranlaßten die Verwaltung häufig zum Einschreiten. Be­
sonders nach Ausrufung der Diktatur 1929 wurden, „um präventiv öffentliche Ruhe
und Sicherheit“ zu schützen, die staatlichen Gewaltmittel eingesetzt. Immer wieder
wies z.B. der Verwaltungschef (Banus) der Küstenbanschaft, Ivo Tartaglia, in Rund­
schreiben und Zeitungsartikeln182 darauf hin, daß die Entscheidung, den Landeigentü­
mern keine Pacht oder Abgaben zu entrichten, „für beide Seiten schädliche Verluste“
nach sich ziehen würde. Nach Absatz eins und zwei des Agrargesetzes, so stellte er
klar, blieben „alle Abgabeverpflichtungen (...) in Kraft“ bis zur gerichtlichen Klärung
der Eigentumsfrage. In den Rückmeldungen aus den verschiedenen Teilen Dalmatiens
wurde jedesmal betont, daß „die Gendarmeriestation“ und Polizeikräfte in Kenntnis
gesetzt worden seien.183
Mit Eingaben aller Art und einer regen öffentlichen Tätigkeit versuchten beispiels­
weise die „posjednici“ (Eigentümer) der Gemeinde Bogomolje von der Insel Hvar
eine „gerechte Entschädigung“, wenn „eine Reform schon unumgänglich sei“, zu be­
kommen.184 Zum Erschrecken der Landbesitzer würden sich nun die „Landarbeiter“

(Primorska banovina) zugeordnet. Schließlich, nach dem „sporazum“ 1939, fiel die Durchfüh­
rung der Agrarreform in den Kompetenzbereich der „Banovina Hrvatska“.
180 Vgl. PAS, Brief des Bischöflichen Ordinariats v. 4.03.1931, Nr. 872/31, in dem über die Land­
arbeiter geklagt wurde, die „in den vergangenen 12 Jahren“ teilweise „die Pacht für Kirchen­
land“ nicht entrichtet hatten. Nachforschungen des Ordinariats hatten ergeben ( vgl. Elaborat
v. 28.02.1931, in Abschrift in der Akte), daß der Einnahmeausfall die Summe von „über
800.000 Dinar“ betragen habe. Vom Staat sei bis jetzt nur eine Entschädigung von 56.000
Dinar geflossen; vgl. I 6286, BH 20/1.
181 Telegramm v. 24.07.31 (Anordnung Nr. 3172), BH 20/1.
182 Vgl. I 12638 v. 24.07.1931, BH 20/1. Rundschreiben an alle Bürgermeisterämter in Dalmatien
und an die Presse (aufgeführt: Jadranska posta, Sluzbeni glasnik (Erlaß erschien in Nr. 59 v.
28.07.31), Pucki list, Primorska rijec, Novo doba), die unter dem Aktenvermerk „sofort“ zu
informieren waren..
183 Vgl. PAS, Antwortschreiben aus Metkovic (31.08.31), Biograd (26.07.31), Hvar (26.07.31),
Benkovac (28.07.31), Preko ( 28.07.31) Sibenik (27.07.31) Knin (27.07.31), Supetar (27.07.31)
etc.
184 Vgl. Eingabe der „untertänigsten Untertanen Seiner Majestät“, der „Landbesitzer der Ge­
meinde Bogomolje von der Insel Hvar“, an den Königlichen Hof. Ihre „Beschwerde“ über

170
Dorf und agrarische Lebenswelt

auf Grund und Boden der Eigentümer „in wahnsinniger anarchistischer Manier“ ver­
halten, „als ob ihnen jetzt alles Land gehören würde“. Sie würden jetzt „keine Abga­
ben mehr leisten“ und „den Eigentümern nicht einmal erlauben, einen Blick auf ihr
Land zu werfen“, in einigen Fällen hätten sich die Landbesitzer sogar „in ihren Häu­
sern in Sicherheit bringen müssen“. Trotz „bewaffneter Staatsmacht“, die sie beschützt
hätte, seien sie „angegriffen worden“. Ihr „gesamtes Eigentum“, und v.a. „unsere eige­
nen Wälder“ würden von den Bauern geplündert. Getrost könne man das als „echten
Bolschewismus“ bezeichnen, meinten die „armen, kleinen Grundbesitzer“ (bijedni
mali zemljoposjednici) in ihrer Eingabe an „das Kabinett Seiner Majstät“, die an die
lokale Verwaltung zurückgeleitet wurde. Obwohl die Landbesitzer als „treueste und
opferbereiteste Untertanen“ sich bewußt wären, daß man „es nicht jedem Recht ma­
chen“ könne, sei doch „das Agrargesetz für uns Besitzer ein harter Schlag“, und die
„Landarbeiter“ hätten „viel mehr als sie verdienten“ bekommen.
Hauptärgernis waren in ihren Augen die Paragraphen 12 und 43, die die Höhe der
Entschädigung regelten. „5000 Dinar und in den meisten Fällen gar nur 2000 Dinar
für den Hektar, oder sogar noch weniger“, seien ungerechte Preise. Und, „bei einem
Zinssatz von 15-20%“ wären „nur 6% für die Staatsanleihen“, mit denen sie ausbe­
zahlt würden, viel zu wenig und geradezu Betrug. „Ohne Geld und ohne Land“ seien
sie so geblieben. Ob die „Nutzung der Wälder“, die „Beweidung der Wiesen“ oder
die „Bezahlung der auf Kosten des Besitzers gesetzten Weinstöcke“, vieles hatten die
Landbesitzer am Agrargesetz auszusetzen. Die „schnelle Hilfe“, die sie nun aus Bel­
grad erbaten, sollte folgendermaßen aussehen: „a) ein sofortiger Vorschuß“ (...), ,,b)
die Schätzungskommission“ solle „mild und entgegenkommend“ zu den Landbesit­
zern sein und „c) die Höhe der Entschädigung“ solle noch einmal überdacht werden.
„Seit der Gründung unseres lieben Staates“ hätten sie sich ja als „treue Untertanen“
gezeigt. Sie seien auch „weiterhin bereit, unsere Adria-Grenze zu schützen und zu
bewachen“, und man müsse auch „in Betracht ziehen“, daß an ihrer Seite „die Intelli­
genz“ stände, die „für den Staat, obwohl in der Minderheit, viel mehr als unsere
kulturlose Masse beitragen“ könne.
Doch im Archiv der Banschaftsverwaltung finden sich auch zahlreiche Eingaben, die
in Orthographie und Schriftbild nicht von denen schreibkundiger Landarbeiter zu
unterscheiden sind, die tatsächlich von „kleinen, armen Kleinstbesitzern“ stammen,
die nicht von der Verpachtung gelebt hatten, sondern vom Land, das sie selbst bestell­
ten. Solche wurden in der Tat nun schwer von der Reform getroffen.185 Auch diejeni-

das „Agrargesetz v. 5.11.1930“ wird am 6.4.31 an die Verwaltung der Küstenbanschaft weiter­
geleitet. Vgl. Kr. bansk. upr. PB - Poljoprivr. odj. BH 20/I-VIII u. Iskaz predstavnici zemljo-
vlasnika upucenih Ministarstvu zbog likvidacije agrarnih odnosa i dr. spisi 1931. BH 22/1;
Spisi u svezi zakona o l.a.o. 1931., predstavka kralju s otoka Hvara BH 23/11;
185 Vgl. Briefe von Marko Kuvek aus dem Dorf Gizdavac Gemeinde Muc in der Zagora o.
Datum, eingegangen 15.3. u. 2.4.1931, BH 20/1 1930.-1931. An der Küste gab es zahlreiche
ähnliche Fälle, vgl. Br. v. Marin Aljinovic aus Zrnovnica bei Split im Namen seiner ganzen
Familie v. 21.2.1931 an den „gnädigsten Herrscher und König Aleksandar“. Auch er bekam

171
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

gen, die wie z.B. Nikola Melvan, um dem Kriegsdienst in der österreichischen Armee
zu entgehen, in die Vereinigten Staaten emigriert waren und mit etwas Geld nach dem
Krieg in die „befreite Heimat“, in ihr Dorf zurückgekehrt waren und dort Land ge­
kauft hatten, standen jetzt vor Problemen. Im vorliegenden Fall ging es um „zwei
Stück gutes Ackerland“, für die die Pächter-Landarbeiter keine Abgaben mehr ent­
richteten, nachdem sie von der Agrarreform erfahren hatten. Der Kleinbesitzer aus
dem Dorf Gizdavac in der dalmatinischen Zagora führte an, daß er „jetzt im Alter“186
nicht mehr arbeiten könne und „nicht wieder im Ausland sein Brot suchen“ wolle. Ob
„so etwas denn möglich“ sei, wollte er vom „Herrn Minister“ wissen und erwartete
„Gerechtigkeit“. Das Agrarministerium leitete den Brief an die Verwaltung in Split
mit der Auskunft weiter, daß sich der Antragsteller an das zuständige Kreisgericht
wenden solle.
Generell betrug die Entschädigung für die Kleinbesitze in Dalmatien nur ca. „1/30
des echten Verkehrswertes“, was ungefähr „einer Jahresabgabe“ entsprach.187 Das
würde allen Grundsätzen des „Rechts und der sozialen Gerechtigkeit“ Hohn spre­
chen, wie es in zahlreichen Eingaben hieß. Auch die Betonung, was „die Kleinbesitzer
alles auf dem nationalen Gebiet getan“ hätten, was „jedem in die dalmatinischen Ver­
hältnisse Eingeweihten bekannt sei“, half da nicht viel weiter. Die Beschwerden häuf­
ten sich, daß den „italienischen Optanten“ das Land, das sie durch die Agrarreform
an die Landarbeiter abgeben mußten „nach dem reellen Wert bezahlt werden soll“,
während hingegen „unsere jugoslawische Regierung (...) unsere Leute“ leer ausgehen
lassen würde.188 Es kam zwar aus Belgrad vom Landwirtschaftsministerium abermals

von der Verwaltung die Auskunft seine Einwände dem Gericht vorzutragen; Akte I 3743 BH
20 I u. II.
186 Vgl. Brief v. Nikola Melvan aus Gizdavac v. 25.3.1931, BH 20/1, der anführte, daß ihn die
„lebensgefährliche Arbeit in den Bergwerken Amerikas im 50. (Lebens-)Jahr“ erwerbsunfähig
gemacht habe.
187 Vgl. die Eingabe der „Kleinbesitzer“ (maloposjednika) der Orte Jelsa, Vrboska, Pitava, Vris-
nika, Sviraca u. Vrbanja, alle auf der Insel Hvar (104 Unterschriften), eingegangen 10.01.1931,
BH 20/1. Darin wird die „Pauperisierung“ und „Verschuldung“ beklagt, denen die „Kleinbe­
sitzer“ durch die Agrarreform ausgesetzt seien, da ihnen „kein Fußbreit Land“ gelassen
würde, obwohl auch sie „im Schweiße ihres Angesichts“ Land bearbeiten würden. Auch sie
vergaßen nicht, stets, wie es in den Eingaben hieß, ihren „langjährige Kampf gegen die italieni­
schen Renegaten um die nationale Bewußtwerdung und die Wiedergeburt in Dalmatien“ zu
betoten. Überall hätten die Landeigentümer „fest und unerschütterlich“ zur „nationalen und
staatlichen Einheit“ gestanden Nun sei aber „bittere Enttäuschung“ eingetreten, weil die loya­
len „Bauern, Fischer, Seeleute und Handwerker“, die eigenes Land besäßen, „im eigenen na­
tionalen Staat“ nicht als „gleichberechtigte Bürger“ behandelt würden. „2 Hektar Landbesitz“
sei „das Minimum“, was den „Kleinbesitzern“ verbleiben müsse, ansonsten sei „der Unter­
gang unvermeidlich“.
188 Vgl. Schreiben mit der Bitte um „Gerechtigkeit“ v. M. Borcic aus Split v. 11.02.1931 an den
General Zivkovic, desgleichen v. Josip Vlasiö aus Podstrana v. 12.02.31, die „den guten König
und Jugoslawien“ hochleben lassen und sich, wie Anka Borcic aus Split (Br. v. 9.02.31), „nicht
vorstellen“ können, daß „euer Hochwohlgeboren in Kenntnis dieser schweren Ungerechtig-

172
Dorf und agrarische Lehenswelt

die Versicherung, daß „das Land denen zufallen soll, die es bearbeiten“,189 aber auch
das half den Antragstellern nicht. Gleichfalls trösteten sie Ausführungen nicht, daß die
„dalmatinischen Besitzer verglichen mit jenen in Bosnien-Herzegowina favorisiert“
worden seien, „im Hinblick auf die Dauer (der Pachtverhältnisse, A. J.), wie auch der
Höhe der Entschädigungen“ (Hervorh. im Original).
Unter das Gesetz fielen landwirtschaftliche Nutzflächen in Dalmatien, die vom Eigen­
tümer selbst die letzten 30 Jahre nicht bearbeitet worden waren, sondern Dritten zur
Nutzung verpachtet wurden. Regelmäßig bekamen die dalmatinischen Kleinbesitzer,
vom Minister persönlich unterschrieben, die Auskunft: „Wenn jemand sein Land 30
Jahre lang nicht bearbeitet, sondern es für eine Rente jemandem verpachtet, kann er
im Hinblick auf dieses Land nicht als Landarbeiter (tezak) betrachtet werden und fällt
somit unter das Gesetz. Die Entschädigungen in Dalmatien sind dreimal höher als in
Bosnien, dehalb sind Beschwerden über die Höhe nicht angebracht. (...) Die Aufhe­
bung der „Kmeten und kmetenähnlichen Abhängigkeitsverhältnisse“ sei sofort in die
Wege zu leiten. Die „Frage der Entschädigung“ sei nach den „finanziellen Möglichkei­
ten des Staates“ zu regeln.
Vor Ort hatte die Verwaltung große Mühe, auch nur die notwendigsten Kreditmittel
für die Entschädigung der Landbesitzer aufzutreiben.190
Die Besetzung der Schätzungskommissionen, die die Höhe der Entschädigung bzw.
den Verkaufswert des Landes bestimmen sollten, entwickelte sich zu einer äußerst
langwierigen und zähen Angelegenheit.191 In fast keinem dokumentierten Fall konn­
ten sich Landeigentümer und Bauern sofort mit dem von der Verwaltung vorgeschla­
genen Kommissionsmitglied anfreunden. Manchmal lehnte auch die Verwaltung vor-

keiten“ ist. BH 20/1. Tatsächlich war es eine Privilegierung der italienischen Landeigentümer,
die ungefähr 13.000 Hektar Land in Dalmatien besaßen, daß nur mit Zustimmung des italieni­
schen padrone ein Verfahren im Sinne der Agrarreform eingeleitet werden konnte. Erst nach
einer Vereinbarung mit Italien vom 19. Mai 1939 wurden auch solche Besitze von der Reform
erfaßt. Im Falle der italienischen Besitzungen in Dalmatien lagen im März 1940 noch über
10.600 ungelöste Anträge vor, die meisten davon bezogen sich auf Ländereien bei Biograd,
auf der Insel Ugljan, in Split und in Sibenik. Der Druck auf die Banovina seitens des Außen­
ministers Aleksandar Cincar-Markovic, aus Rücksicht auf die Beziehungen zum Nachbarstaat
die Entschädigungszahlungen an die vormaligen italienischen Eigentümer zu beschleunigen,
führte dazu, daß zu diesem Zweck eine halbe Million Dinar zusätzlich aufgewendet wurde.
Dank eines in diesen Fällen verkürzten Verwaltungsverfahrens waren bis Mitte Dezember
1940 ca. 90 % der Entschädigungsansprüche italienischer Bürger gelöst, während auf der ande­
ren Seite die Landverteilung an die übrigen Bauern weiterhin nach dem alten Verfahren lief.
189 Ministarstvo Poljoprivrede Ministarstvu unutr. poslova Nr. 5904/VIa v. 12.02.1931 (BH 20/11).
190 Anordnung des Banus v. 18.11.1930 (Nr. 22049), Schreiben d. Agrarmin. v. 26.11.1930
(Nr. 67376).
191 Insgesamt waren es bis Anfang 1931 allein im Kreis Biograd über 2100 Anträge auf „Auflö­
sung des Agrar-Verhältnisses“, davon waren bis zum Februar 1931 nur „251 gelöst“. Ohne
„zusätzliche Kräfte für die Verwaltung“ sei an eine schnellere Beantwortung und Entschei­
dung der Anträge „nicht zu denken“. Vgl. Nacelstvo sreza biogradskog Kr. banskoj upravi -
Split Nr. 579/31 v. 12.02.1931 BH 20/1.

173
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

geschlagene Kandidaten ab.192 Grundsätzlich wurde Parteilichkeit für die eine oder
andere Seite unterstellt.193
Sogar mit Schreibmaschine geschriebene anonyme Drohungen erreichten die Verwal­
tung, deren Absender anonyme „Kleinbesitzer aus der dalmatinischen Zagora“ waren.
Darin war die Rede davon, daß man sich „mit allen Mitteln“ gegen den „Diebstahl“
des „mit Blut und Schweiß erworbenen Landes unserer Väter und Großväter“ wehren
würde. Der „Herr Banus“ solle zur Kenntnis nehmen, daß „alle Kleinbesitzer - Mär­
tyrer der Zagora mit dem Revolver in der Hand ihr Eigentum verteidigen werden“.
Im „freien Jugoslawien“ könne man ihnen „nur über unsere Leichen“ das Land steh­
len. „Wie unsere Väter an den verschiedenen Fronten gestorben sind, damit unser
liebes Jugoslawien verwirklicht wird“, so werden „jetzt auch ihre Kinder auf ihrem
Eigentum, von dem sie ausschließlich leben, sterben“. Als „bewußtester und stärkster
Pfeiler“, vielleicht sogar „der einzige“, drohten die Verfasser dem Staat an, ihm „den
Rücken kehren“ und ihn „den destruktiven Elementen zu überlassen.“ Das Schreiben
schloß mit den Worten: „Unsere Augen und Herzen waren immer in Richtung Bel­
grad gerichtet, und jetzt müssen wir erleben, daß wir beraubt und versklavt wer­
den!“194
Doch die Ungeduld der dalmatinischen Bauern war zu groß, als daß die Verwaltung
den Klagen der Kleinbesitzer hätte nachgeben können, obwohl sie deren patriotischer
Argumentation bestimmt viel abgewinnen konnte. Sofort nach Verabschiedung des
Agrargesetzes stapelten sich die Eingaben von „Kmetenfamilien“ in den Akten der
Banschaftsverwaltung,195 wie die der „Familie Gamulj aus Donji Muc“ in der dalmati­
nischen Zagora. In diesem Fall war es eine 34-köpfige Großfamilie, die in ihrer offen­
sichtlich von einem schreibkundigen Familienmitglied selbstverfaßten Eingabe for-

192 Vgl. die Beschwerden v. Milutin Pericic aus Sukoisan v. 24.4./10.8.1931 u. 6. 4.1932 (BH 20/
I), der schon im Briefkopf aufführt, daß er „Gemeinderat, Gemeinde-Revisor, Vorsitzender
des Wohlfahrtsvereins, Mitglied der Volksverteidigung und des „Jugoslovenski Sokol“, und
in den Leitungsgremien des örtlichen Sokol-Verbandes aktiv sei. Seine Wahl in die Schät­
zungskommission würde von der Verwaltung in Split angefochten, nur weil er „1904, was bei
uns Brauch ist, ein Frauenzimmer mir als Frau entführt habe.“ Seine „Strafe“ habe er 1905
abgebüßt und er sei „1919 rehabilitiert“ worden. Als „treuer Staatsbürger“, der „mit Herz
und Seele“ bereit sei, „wenn es nötig ist, men Blut für Seine Majestät und die Heimat zu
vergießen“ hoffe er darauf, daß ihm vom Hof „Gerechtigkeit“ widerfahren werde.
193 Vgl. Akten I 14274, 53490, BH 20/1. In den meisten Fällen mußte dann das Ministerium in
Belgrad ein Machtwort sprechen.
194 Auf dem Schreiben befindet sich in der Handschrift des Banus Jablanovic der Vermerk: „Be­
zieht sich auf § 54 der Reform 1933/34 1“, in: BH 20/1.
195 Vgl. Kraljevska banska uprava Primorske banovine - Poljoprivredno odjeljenje (III). Molbe
za dodjelu drzavnog zemljista 1933.-1940. BH 14/11, Rjesenja o isplati odstete bivsim vlasni-
cima u 6 % obveznicama za likvidaciju agrarnih odnosa 1932.-1939. BH 14/III-IV, likvidacija
agrarnih odnosa 1931.—1938. BH 15/I-IV, 1935.-1939. BH 16/I-IV, BH 17/I-V, BH 18/I-II,
BH 19/I-IX, BH 20/1-VII, Povjerenstvo za l.a. ref. Spisi 1931. -1937. BH 32/11-VII, 1940.-
1941. BH 23/VI; BH 33/VIII; Rjesenja za odstetu 1934.-1940. BH 34/I-III;

174
Dorf und agrarische Lebenswelt

derte, „keine Abgaben mehr leisten zu müssen“. 12 Unterschriften trägt die Eingabe
und neben 22 Namen bezeugte jeweils ein Fingerabdruck die Hoffnung, in Zukunft
von der Abgabepflicht an den vormaligen Landeigentümer befreit zu werden.196 Die
Verwaltung in Split wurde auch mit Telegrammen und Briefen der verschiedenen Ort­
schaften auf dem Gebiet der Banschaft eingedeckt, wie genau dieses Agrargesetz nun
konkret umzusetzen sei.197 Auch Organisationen, wie die „Jugoslavenska privredna
zajednica“, drängten die Verwaltung, „im Interesse der Landarbeiter vor der nächsten
Ernte“ die Anträge zu bearbeiten.198
Die königliche Banschaftsverwaltung als erstinstanzliche Verwaltungsbehörde hatte
über Entschädigungsansprüche ehemaliger Landeigentümer zu entscheiden, die teil­
weise schon seit 1919 aktenkundig waren.199 Auch die an die dalmatinischen Gerichte
adressierten Anträge zur Auflösung von Abgabepflichten, schnellten nach Verkün­
dung der Agrarreform in die Höhe.200 Die Verwaltung versuchte in Zusammenarbeit
mit den Gerichten planvoll und systematisch vorzugehen. So wurden Formulare ver­
teilt, in die Katasterangaben und Qualität des Bodens, bzw. Art des Landes vom
Antragsteller einzutragen waren, ebenso, wie lange er, bzw. seine Vorfahren, das Land
schon bearbeiteten. Konkret sah das so aus, daß beispielsweise ein Ante Vukman in
seinem und im Namen seiner Brüder Nikola, Cvitko und Ivan angab, daß sie zusam-

196 Podnesak v. Familie Gamulj aus Donji Muc, archiviert unter Nr. 12164 v. 17.07.31, BH 20.
197 Vgl. Telegramm des Bürgermeisters Jerkunica aus Kastei Sucurac v. 11.05.31, der Tartaglia als
einen „Kenner der Verhältnisse Kastelas“ um „Lösungen für die armen Bauern“ und „Aus­
weisung von Zonen nach § 48“ bittet. BH 20/III (In Akte I 4385, BH 20/1 auch ähnlich
lautende Telegramme aus Biograd, Preko, Benkovac, Sibenik, Knin, Sinj, Imotski, Supetar,
Hvar, Makarska, Metkovic). Andere, wie der Bürgermeister von Sinj (Nr. 5188/31 v. 6.5.31,
ebenda) beschwerten sich über die „Usurpation von Gemeindeland“, „gewöhnlich“ seitens
„der reicheren Bauern“, was zu „großer Unzufriedenheit“ in seiner Gemeinde geführt hätte.
Ob es denn angehen könne, daß „nach dem Agrargesetz (...) diese sich so angeeigneten Flä­
chen jetzt in deren Eigentum übergehen könne“? Diejenigen, die sich bis jetzt „kein Gemein­
deland unter den Nagel gerissen hätten“, hätten nämlich jetzt „in voller Hast angefangen
dieses zu tun, ohne auf Ermahnungen, die sie von den Beamten und der Staatsmacht (sa strane
vlasti) bekämen zu hören“. Die „Gemeinde hätte keinerlei Mittel das zu verhindern“ und
sich am „14. März mit Schreiben Nr. 2840 schon einmal in gleicher Sache an die Banschafts­
verwaltung gewandt“ in dieser „wichtigsten Frage“. „Einziges Mittel“ gegen das Unwesen
sei, nach Meinung des Gemeinderats von Sinj, „die Verteilung von Gemeindeland“. Die Ant­
wort der Verwaltung bestand im Hinweis auf § 22 des Agrargesetzes, in dem die Frage voll­
ständig geregelt sei. Vgl. Nr. 8104/31 v. 23.6.1931.
198 Brief der Jug. privredna zajdnica an d. Ministerium in Belgr. u. an den Banus v. 28.04.31, BH
20/1.
199 Der „große Streit unter den Bauern um Land“, mit „unübersehbaren Folgen“ war direkt nach
dem Krieg ausgebrochen. Vgl. Akte Martin Malic aus Visice, Nr. 5119/20 v. 30.6.20
200 Vgl. z.B. Kotarski sud Trogir. Zahtjeve za razrjesenje agrarnog odnosa po zakonu o likvidaciji
agrarnih odnosa na podrucju ranije pokrajine Dalmacije 1931., in: BH 14/1 od. Kr. banska
upr.- Poljoprivredno odjeljenje (III): Prijave Kotarskom sudu Imotski za razrjesenje agrarnog
odnosa 1931, in: BH 21/1, BH 22/11, BH 23/1;

175
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

men „mehr als 30 Jahre, gerechnet vom 5. November 1930 an“ das in den Grundbü­
chern als Parzellen 2508/1 und 2068/1 bezeichnete Land in der Gemeinde Seget bear­
beiteten. Der Flurname in Seget sei seit jeher „Musa“ gewesen, offizieller Eigentümer
sei die „Steuergemeinde Seget, nachdem der vorherige Eigentümer für Italien optiert
habe und sich nach 1918 nicht mehr gemeldet“ hätte. Drei Zeugen aus dem Dorf
bestätigten mit ihrer Unterschrift diese Angaben auf dem Antragsformular. Der An­
trag ging am 27. Februar 1931 beim Gericht in Trogir ein, laut Eingangsstempel, am
7. Januar 1932 überstellte das Gericht die Akte der Verwaltung, nachdem es zuvor
zugunsten des Antragstellers entschieden hatte.201
„Weinberge und Weiden“ waren es zum allergrößten Teil, die die Antragsteller nach
ihren Angaben schon „vor 1900“ bearbeitet und „der Gemeinde dafür keinerlei Steu­
ern oder Abgaben“ entrichtet hatten.202 Oft findet sich das Kreuz neben einer hinge­
malten Unterschrift, was den Schluß zuläßt, daß der Anwalt, der den Antrag für den
Bauern einbrachte, für seinen Mandanten unterschrieben hatte. In Fällen, wo das in
Frage stehende Land, zum überwiegenden Teil Weideland, „ohne Vertrag, eigenmäch­
tig vom Antragsteller schon vor dem Krieg in Besitz genommen wurde“, war „nach
§ 11 Agrargesetz“ die Banschafts-Verwaltung in Split zuständig und die Akten wurden
ihr überstellt.203
Schon bald stellte sich aber heraus, daß die Durchführung der Agrarreform doch
erheblich mehr Schwierigkeiten nach sich ziehen würde als gedacht. Es zeigte sich
nämlich, daß sich Dorfnachbarn und Verwandte zwar gegenseitig alle Angaben be­
zeugten und bestätigten, wenn es um die Aneignung von Staats- bzw. Gemeindeland
ging, sobald jedoch Konflikte zwischen den Dorfbewohnern oder verschiedenen Ge­
meinden auftauchten, die Verwaltung heillos überfordert war und sich nur schwer zu
einer Entscheidung durchringen konnte. Ein plastisches Beispiel dafür war der Streit
um die Aufteilung des Staatsgutes am Vrana-See bei Biograd. Vrana lag in den Gemar­
kungen der Katastergemeinden Biograd, Filip Jakov, Pakostane, Rastane, Turanj, Ban-
jevac, Polaca, Radasinovac, Tinj, Vrata und Murter.
Die Verhältnisse dort waren verwickelt. Zuständig für die Durchführung der Agrarre­
form war der „Agrarno-pravni odsjek“ der Küstenbanschaft in Split. Das Land um
den Vrana-See war entweder im Privatbesitz oder wurde mit Jahrespachtverträgen
oder als Kmetenland bearbeitet. Zusätzlich bestanden diverse Weide- und Flolzrechte
auf 639 Hektar.204 Insgesamt gehörten 7262 Hektar mehrheitlich äußerst fruchtbaren

201 Vgl. Agr. 1597/31 BH 14/1. Die Flut von Anträgen, die einsetzte, weckte bei Verwaltung und
Gerichten in Split den Verdacht, daß von den Antragstellern oftmals fingierte quasi-feudale
Agrarbeziehungen behauptet wurden, um eine Entschädigung zu bekommen, so daß das Ge­
setz von 1930 dahingehend geändert wurde, daß Rechtsbeziehungen innerhalb einer Familie
ausgenommen wurden bei der Durchführung der Agrarreform.
202 Antrag von Ante Palada, Agr. 3942/31 aus Marina bei Trogir BH 14/1.
203 Vgl. Agr. 2206/31 Antrag v. Mate Mitar aus Seget v. 2.03.1931, für den wiederum Ivan und
Marin Vukman bezeugt hatten, daß er das Land schon seit 1878 bearbeitet hatte.
204 Hrvatski drzavni arhiv, fond Agrarne reforme veleposjeda, kut..5, svez „Vrana“.

176
Dorf und agrarische Lebenswelt

Landes in 11 Katastergemeinden zu dem Staatsgut, das bis 1925 größtenteils von


Bauern in halb-feudalen Abhängigkeiten bewirtschaftet wurde, wobei die Bauern ein
Viertel bzw. ein Fünftel des jeweiligen Ertrags abgeben mußten. 1923 wurde es in ein
Gestüt namens Aleksandrovo umgewandelt. Als Staatsgut wurde es auch nach dem
Agrargesetz belassen, wozu der See Vrana, mit 30001 Hektar Fläche, und mit 740
Hektar Ackerland, Weiden und Wiesen sowie 260 Hektar Wald und sonstiges nicht
bebaubares Land gehörte. Der übrige Boden wurde als Großgrundbesitz behandelt.
Eine spezielle Durchführungsverordnung für das Staatsgut, zusätzlich zum ansonsten
angewandten Gesetz vom 19. Juni 1931, sollte die gerechte Verteilung gewährleisten.
Vorrang hatten die landlosen Bauern, die als Pächter bereits Vrana-Land bearbeiteten,
danach sollten solche ohne eigenes Land und schließlich diejenigen früheren Pächter
mit eigenem Land bei der Verteilung berücksichtigt werden. Doch wie die Verteilung
des Landes im fruchtbaren Neretva-Delta, war auch die Verteilung des Vrana-Bodens
ein Quell nicht endenwollender Streitigkeiten.205
Die Bauern des Dorfes Turanj schrieben dem „Königlichen Banus der Küstenban­
schaft zu ehrenhaften Händen“ am 20. Mai 1934.206 Kollektiv verlangten die 44 unter­
zeichnenden Familienoberhäupter des Dorfes die „gerechte Verteilung“ des „Luzina“
genannten Landes.207 Vor „13 Jahren“ hätte das Dorf „einig und einvernehmlich“ das
ans Dorf angrenzende Land des ehemaligen „staatlichen Gestüts in Vrana“ aufgeteilt.
Jene gerechte Aufteilung würde jetzt von einigen Unzufriedenen, „denen die Gerech­
tigkeit übel riecht, wie dem Teufel der Thymian“ in Frage gestellt. Die Unterzeichner
hätten „keine Schaufel Land mehr“, weil der Dorfälteste (staresina sela) und ein paar
andere sich das Meiste „unter den Nagel gerissen“ hätten. Es würde sich um Leute
handeln, die seit über 30 Jahren „keinerlei Steuern“ zahlen würden, also „weder Gott
noch Teufel unterscheiden“. Dagegen meinten die Unterzeichner, daß man „dem Kö­
nig, was des Königs, und Gott, was Gottes“ geben müsse. Der „ruhmreiche Banus“
(sein Name taucht in den zahlreichen Anrufungen nicht auf, weil die Bauern seinen
Namen höchstwahrscheinlich gar nicht kannten) solle nun das Unrecht, das durch die
niedrigeren Instanzen nicht aufgehoben worden sei, wieder gutmachen. Ihm würden
sie „wie Gott vertrauen“, daß er ihrem Leid „ein Ende“ machen würde. Denn es sei
„nicht gerecht“, daß manche „zu zweit 12-15 Morgen Land hätten“, und andere mit
„10-12 Familienmitgliedern im Haus gar nichts“. In Erwartung einer „schnellen und
gerechten Landaufteilung“ verblieben die Unterzeichner.
In diesem und ähnlichen Fällen entschied die Verwaltung, daß eine Kommission unter
Vorsitz des obersten Beamten der Agrarabteilung, Nikola Morovic, zusammen mit
den Staatsbediensteten Petar Bonetti,208 Josip Roje und Dimitri Mihaljevic an Ort und

205 Vgl. auch Simoncic-Bobetko, Dalmacija, S. 115ff.


206 Vgl. BH 16/1-IV, 1931.-1936.
207 Das Kreuz vor den allermeisten Namen und die gleiche Handschrift zeigen, daß der Verfasser
der Bittschrift, Timotej Santini, für die meisten im Dorf unterschrieben hatte.
208 Bonetti, als dem Banus direkt unterstellter Berater (savjetnik) wurde öfters auch nach Belgrad
geschickt, z.B. am 8.5.31, „um dem Landwirtschaftsminister Bericht zu erstatten“ über den

177
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Abb. V: Übersichtskarte des Staatsgutes „Vrana“

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Quelle: PAS, BH 16; Die Parzellen wurden in den Jahren 1936 u. 37 mit folgenden Kulturen
bepflanzt: 1) Erbsen u. Mais; 2) Mais u. Weizen; 3) Gemüsegarten u. Kartoffeln; 4) u. 5) Mangold
u. Kartoffeln; 6) Kartoffeln; 7) Kartoffeln u. Mais; 8) Mais; 9) Kartoffeln u. Gerste; 10) Kartoffeln,
Mais, Weizen; 11) Weizen; 12) Mais, Kohl; 13) Weizen; 14-16) Wiese; 17) Mais; 18) Hafer; 22)
Klee u. Hafer; 23-25) Wiese u. Weide; 26) Hafer; 27) Weizen; 28) Weide; 29) Klee; 30) Gerste u.
Mais; 31) Gerste u. Klee; 32) Mais; 33 u. 34) Klee; 35) Mais.

Stelle die Sachlage klären sollte.209 § 10 des Gesetzes über die Liquidierung der Agrar­
verhältnisse in Dalmatien sah ja tatsächlich vor, daß Staatsland in Privateigentum
übergehen konnte. In diesem Fall handelte es sich um nord-westlich vom Vrana-See
gelegene knapp 2000 Hektar „freies Land“, das zur Verteilung anstand. In einem
11-seitigen Elaborat für den Banus kam die Kommission zum Schluß, daß, nach Ab­
zug des in Staatseigentum zu verbleibenden Landes, nur 1755 Hektar Land zur Verfü­
gung ständen, davon 255 Hektar Ackerland. Dabei kämen als Nutznießer die Bauern
der umliegenden Dörfer „Pakostane, Filip-Jakov, Turanj, Rastane, Tinj, Polaca, Jago-

Fortschritt bei der „Liquidierung der Agrar-Verhältnisse in der ehemaligen Provinz (bivsa
pokrajina) Dalmatien“; vgl. I 6863, Anforderung des Ministeriums v. 16.04.31 (Nr. 24641) BH
20/1.
209 Vgl. Rjesenje Kraljevske banske uprave III, Nr. 11421/33 v. 14.12.33; der Ortstermin war für
21.-27. März 1934 festgesetzt.

178
Dorf und agrarische Lebensweh

dinja Gornja i Donja, Vrana, Radosinovac, Banjevci, Tkon und Pasman“ in Frage. Die
Komission schlug vor, Parzellen von maximal 2.500 m2 zu verteilen, bzw. „bis zu
einem Morgen Land“,210 so daß eine möglichst große Zahl von Interessenten befrie­
digt werden könne. „Freiwillige und Invaliden“ seien bevorzugt zu berücksichtigen,
dann Landarbeiter, die „überhaupt kein eigenes Land zur Bearbeitung haben“, danach
„die übrigen Bauern“, vor allem „aus den umliegenden Dörfern, die auch bis jetzt
Staatsland gepachtet hatten.“ Als „bedürftig“ seien die Bauern anzusehen, die weniger
als den „Duchschnittsbesitz im betreffenden Dorf“ zur Verfügung hätten, wobei die
„Zahl derjenigen, die in einem Haushalt von dem Land leben“ müßten, zu berücksich­
tigen sei. In der Region sei „ungefähr ein Hektar bearbeitbares Land“ pro Familie die
Regel, bei einer durchschnittlichen Anzahl von fünf Familienmitgliedern. In diesem
Sinne sollte man es den Bauern ermöglichen, begründete Anträge auf Zuteilung von
Staatsland zu stellen.
Die lokalen Verwaltungsinstanzen nun waren mit solch einem Vorgehen nicht einver­
standen. So schrieb der Kreis Biograd, daß „die einzige Lösung“ sei, für „jedes Dorf
in seinen Grenzen die zur Verteilung stehende Fläche zu bestimmen“.211 In „Dorfver­
sammlungen“ (seoski zborovi) müßten die Dorfbewohner selbst, ohne Rücksicht dar­
auf, wer früher das Land bearbeitet hat, das jedem Dorf zuzuteilende Staatsland unter
sich aufteilen. Nur „bei solchen Versammlungen wird jegliche Ungerechtigkeit ver­
mieden“. Die Praxis, daß „Direktoren (der Verwaltung des Staatsgutes, A. J.) nach
persönlicher Sympathie das Land verteilen“, an solche die schon „im Überfluß“
Grund und Boden hätten, könne einzig auf diese Weise vermieden werden. Biograd
sei überhaupt bis jetzt leer ausgegangen und bittet nun um die Gemarkungen „Novak“
und „Sudsko“ bis zur Brücke „Bastiun". Von der Brücke ab könne das Nachbardorf
Pakostane das Land bekommen, so „müßten die Bauern aus einem Dorf nicht über
die Grenze zum anderen Dorf gehen.“ Der Brief vom 27. Februar 1936 schließt mit
der dunklen Drohung: „Jede andere Aufteilung wäre ungerecht und würde zu Blut­
vergießen führen“. Schon vorher, am 16. Februar, hatte die Dorfversammlung von
Betina sich an den Banus gewandt und „einstimmig und einmütig“ hervorgehoben,
daß ihr Dorf „dieselben Rechte, wie die anderen Dörfer“ erhalten müsse und ihren
Lösungsvorschlag unterbreitet, wie das zu bewerkstelligen sei.212 Die Dorfversamm­
lung von Betina betonte, daß „unsere Alten dieses Land schon bearbeitet haben, als
das Vrana-Land noch der Adelsfamilie Borelli gehört hat und auch Abgaben für den
Fischfang im See an sie zahlen mußten“. Auch als „Österreich“ das Land übernommen
hatte, hätte sich nichts geändert. Detailliert wird aufgezählt, wo die 300 Haushalte des
Dorfes überall Land besitzen, das zum Dorf gehört, wie der größte Teil des Sees.
Doch leider wäre das Meiste nur „wilder Karst“, der „Hunger der Bauern nach Land“

210 1 Morgen (jutro, ral) entsprach 5754,64 m2 = 0,575 ha.


211 Sresko Nacelstvo Biograd n/m za Kr. bansku Upravu Primorske Banov. - Split, Nr. 638/36
v. 27.02.1936.
212 Vgl. Rezolucija mjesnog odbora sela Betine Kraljevskoj Banskoj Upravi u Splitu v. 16.02.36.

179
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

darum so groß, daß sie „Land aus den Tälern auf die Hügel schleppen um dort einen
Feigen- oder Olivenbaum zu pflanzen“. Es folgten Vorschläge, daß jede Familie einen
halben Hektar bekommen sollte, der einer „Bearbeitungspflicht“ unterliegen sollte,
ansonsten müsse ihnen das Land wieder genommen werden etc. Die „Kinder des
Dorfes“, schloß die Resolution, „hungerten nach Brot“ und das Dorf könne sie „we­
der nach Amerika noch auf die Schule schicken“ und bittet deshalb um eine schnelle
Lösung, wie vorgeschlagen.
Auch im benachbarten Pakostane wurde freilich auf die Ankündigung des Landwirt­
schaftsministeriums vom 7. Dezember 1935 bzw. der Kreisverwaltung Biograd rea­
giert.213 Die 31 Unterzeichner des Briefes vom 10. Februar 1936 hatten wiederum ihre
eigenen Vorstellungen, wie das Land des „Gestüts Aleksandrovo“ (Ergela Aleksan-
drovo) in Vrana aufgeteilt werden sollte. Vor allem wurde dagegen protestiert, daß
„1000 ha des fruchtbarsten Landes“ in Staatsbesitz verbleiben sollte, während das
„größtenteils unfruchtbare Macciabewachsene Land“ unter den umliegenden Dörfern
verteilt werden sollte. „Sozial und rechtlich“ sei das unhaltbar. Es seien v. a. Kmeten
aus Pakostane gewesen, die nun schon „über 32 Jahre“ dieses Land bearbeiteten, wo­
für „auch schriftliche Beweise“ vorliegen würden. In den Fluren „Bus“, „Bastijun“,
„Sudski“ u. a. hätten demnach nur abgabepflichtige Bauern aus ihrem Dorf gearbeitet.
Mit „Blut und Schweiß“ hätten sie das Land urbar gemacht, es sei ihnen auch heute
noch die Existenzgrundlage und sie sollten „nun davon vertrieben werden“? Würden
die Vorstellungen der Kommission realisiert wäre „die größte soziale Armut“ die un­
abwendbare Folge und die „Staatsmacht müßte sich doch darum kümmern, die Bauern
zu schützen und ihr Recht zu sichern, d. h., daß ihnen rechtmäßig zusteht und ihnen
bleiben muß, was sie durch ihren Schweiß erworben haben“.
Auch das Dorf Rastane, dessen Bewohner „zu den ärmsten in der Umgebung“ gehö­
ren würden, bat gleichfalls wiederholt um Berücksichtigung bei der Landzuteilung.214
In der Zwischenzeit erreichten die Banschaftsverwaltung in Split immer mehr Bitt­
schreiben auch von einzelnen Kleinbesitzern, wie das von Ante Orlovic aus Stanko-
vac,215 gleichfalls am Vrana-See, gelegen. Unter Berufung auf seinen guten Leumund,

213 Vgl. BH Nr. 17302 u. 30157/35.


214 Vgl. Molba sela Rastane za zemlju pri diobi Vrane. Ispostavi banske vlasti - Poljopr. odjelj.
v. 20.03.1940.
215 Vgl. Molba Orlovic Ante pok. Jure iz Stankovaca v. 3.3.1936, BH 16/I-IV, 1931.-1936. Zahl­
reiche Bittschriften der „untertänigsten, bis zum Grab treuen Diener“ finden sich in den
Akten der Agrarabteilung der Banschaftsverwaltung (vgl. III Nr. 8184/31, BH 20/1—III). Der
„Ehrenwerte Herr Minister“ oder der „Ruhmreiche Banus“, so hieß es in diesen Schreiben,
würden doch „die Armen und die Landarbeiter lieben“ (vgl. Brief v. Ante Marasovic aus dem
Dorf Kostajne, Gemeinde Poljica, o. Datum, BH 20/1) und könnten das „Elend“ nicht zulas­
sen. Ausführlich werden die Gründe geschildert, warum man in der Vergangenheit das wenige
Land, das man besaß, nicht hat selbst bearbeiten können (es handelte sich grundsätzlich um
Flächen, die kleiner als 1 ha waren). Ob die späte Geburt eines Sohnes (vgl. Brief v. Simun
Skarica aus Podgrade v. 2.3.1931) oder Krankheit (vgl. Brief v. Luka Fistonic aus Rogoznica
v. 3.3.1931), wenn ihnen ihr Land nun durch die Agrarreform genommen würde, würden sie

180
Dorf und agrarische Lebenswelt

seine 11-köpfige Familie und die kümmerliche Ausstattung mit nur „3 Tagwerk Ak-
kerland“ bat er um Zuteilung aus dem Bestand des Staatslandes. Manchen Bittschrei­
ben sind die Mühen anzusehen, die ihre Verfasser mit der ungewohnten Tätigkeit
des Schreibens gehabt haben müssen.216 Auch meldeten sich immer mehr ehemalige
Kriegsfreiwillige mit derselben Bitte.217 Bei der Aussicht, daß nun Land zur Verteilung
ansteht, kam es sogar zu Streitigkeiten unter Brüdern. So beschwerte sich Luka Saric,
daß sein Bruder Marko ohne sein Wissen einen Antrag auf Landzuteilung gestellt
hätte, obwohl sie in „familiärer und wirtschaftlicher Gemeinschaft“ Zusammenleben
würden. Er sei „der ältere Bruder im Haus“ und „alles Eigentum“ gehöre ihnen ge­
meinsam. Als Beweis wird eine „Bestätigung des seoski glavar“ beigefügt. Deshalb sei
das Land am Vrana-See, welches eventuell verteilt würde, „nur beiden zusammen“
zuzuteilen.218 Das „Dorfoberhaupt“ (seoski staresina) Sime Barbarosa aus dem ne­
benan hegenden Filipjakov erhob Anspruch, im Namen aller Dorfbwohner, auf 40 ha
in der Gemarkung „Novak“. Die „Bevölkerung“ wachse „jedes Jahr“, und mit ihr
„die Armut.“219 Dazu kamen noch die Eingaben von Kriegsfreiwilligen, die gleichfalls
Staatsland beanspruchten. Grundsätzlich bekam die Verwaltung in Split von den dal­
matinischen Kreisen und Gemeinden auf ihre Anfragen nach Gemeindeland, das an
Kriegsfreiwillige verteilt werden könnte, eine Antwort, wie die folgende aus Supetar
von der Insel Brac: „In Bezug auf Ihr Telegramm vom 3. August (Nr. 10221) teilen
wir mit, daß es in diesem Kreis kein freies Gemeindeland gibt.“220 Ende 1931 mußte
die Verwaltung der Küstenbanschaft dem Agrarministerium in Belgrad mitteilen, daß
„trotz Anordnung 70833“ in Sachen „Ansiedlung von Kriegsfreiwilligen“ im Laufe
des vergangenen Jahres „in dieser Banschaft niemand angesiedelt“ wurde. Die Freiwil­
ligen der „ehemaligen pokrajina Dalmacija“ hätten Anträge gestellt, auf dem Staatsland
„Vrana“ angesiedelt zu werden, doch für eine Landaufteilung gäbe es noch kein Ver­
fahren. Optanten gäbe es auf dem Territorium dieser Banschaft nicht.221

in „Schulden und Armut versinken“ (vgl. Br. v. Mate Kuzmanic v. 27.3.1931 Rogoznica) und
zu „Sklaven und Bettlern“ werden (vgl. Br. v. Pavo Jercic aus Podgrade v. 19.2.1931).
216 Vgl. die Bitte des nach eigener Aussagen „bitterarmen“ Sime Sulina v. 22.2.1936, der „ewige
Dankbarkeit“ gelobte, wenn ihm und seinen fünf Kindern „Vrana-Land zugeteilt würde“. In
diesem, wie in so vielen anderen Fällen, wurden die Eingaben in einer Mischung aus gespro­
chenem regionalem Dialekt und Phrasen, die für „vornehme und ehrerbietige“ Hochsprache
gehalten wurden, in eigenwilliger Orthographie zu Papier gebracht. Die ganz des Schreibens
Unkundigen nahmen sich einen Schreiber oder Anwalt und setzten ihr Kreuz unter die Bitte.
217 Schreiben von Bilic Mate pok. Nikole, Jadresic Frane pok. Ante, Bare Tomas pok. Jose aus
Betina v. 1.3.1936, die darauf hinweisen, daß sie schon seit 1922 erfolglos Anträge gestellt
hätten.
218 Bitte von Saric Luka pok. Sime aus Medvigja, Gemeinde Obrovac, Kreis Benkovac v.
10.03.1936.
219 Brief v. Sime Barbarosa aus Filipjakov v. 12.11.1933, BH 20/1.
220 Sresko Nacelstvo Supetar, Nr. 9045 v. 9.8.1932, BH 19,1931.-1940.; vgl. auch Dodjela dobro-
voljacke zemlje „Narodne Jagme“, popisi dobrovoljaca 1931-1940. BH 23/III;
221 Kr. banska upr. PB-Poljopr. odj. III Nr. 35113/31 v. 16.11.1931, BH 19/1.

181
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Die Banschaftsverwaltung in Split stand also im Kreuzfeuer der verschiedenen Interes­


sen und sah sich außerstande, eine Entscheidung zu fällen und durchzusetzen. Im
Archiv der Verwaltung finden sich noch 1940 Bitten von Einzelpersonen und Dörfern
in dieser Sache.222 Erst 1940 setzte endlich auch auf dem Gut Vrana die Agrarreform
ein, nachdem so gut wie alle angrenzenden Dörfer anhand der Frage der Weiderechte
und der Landverteilung zerstritten waren. Letztlich betraf die Reform 1189 Hektar
Kmetenland, 639 Hektar Land, auf dem Weide- und Holzrechte lagen, und 2205 Hek­
tar „freies“ Land. Verpachtet waren ca. 600 Hektar. Nach Abschaffung und Auflösung
der Feudalbeziehungen wurden die Bauern Eigentümer von 2123 Hektar vormaligen
Staatslandes. 1461 Hektar wurde an die Bauern von Biograd und der Dörfer Pako-
stane, Pakostanska Draga, Filip Jakov, Turanj, Sikovo, Rastane, Tinj, Lisane, Polaca,
Vrana, Jagodnje Gornje u. Donje, Zapuzane, Tkon, Pasman, Kraj und Rastevic verteilt.
Die von den Bauern zu leistende Entschädigungszahlung war etwas geringer als im
übrigen Dalmatien.223 Die Bauern in der Umgebung von Biograd erhielten 2132 Hek­
tar Staatsland, die sog. „Agrar-Interessenten“ aus weiter entfernten Dörfern 1461
Hektar, wobei die Bauern pro Hektar 10.000 Dinar Entschädigung zahlen mußten.224
Doch letztlich konnte die Frage der „gerechten“ Aufteilung des Staatslandes am
Vrana-See bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht geklärt werden.
Mindestens genauso schwierig wie in obigem Fall die Verteilung von Staatsland erwies
sich die Agrarreform auch sonst. Die Landbesitzter waren dabei in der besseren Situa­
tion. Manche der „untertänigsten Bitten“ der „Kleinbesitzer“, den drohenden Land­
verlust durch die Agrarreform zu verhindern, die direkt an den „Svemozni General
Pera Zivkovic“ als Vertreter der „svemozna vlast“ in Belgrad gerichtet wurden, und
von dort zurück an die dalmatinische Verwaltung geleitet wurden, schien doch Wir­
kung gehabt zu haben.225 In vielen Fällen stellte die Verwaltung dann in Schreiben an
Antragsteller, die Land zugeteilt bekommen wollten, das sie bearbeiteten, fest, daß es
sich „nur um ein „servitutno pravo“, ein Kmeten gewährtes Recht in der Vergangen­
heit gehandelt habe, wo das Agrargesetz nicht anwendbar sei. Das galt oft auch für
Anträge von Dorfgemeinden, die Staatsland, auf dem die Dorfbewohner kollektiv ihr
Vieh weiden ließen, beanspruchten.226 Doch die genauen Entscheidungskriterien las­
sen sich aus den Akten oftmals nicht genau rekonstruieren. Warum dem Zeugnis des
Dorfältesten und anderer Dorfbewohner in manchen Fällen geglaubt wurde, in ande­
ren nicht, ist nicht ganz ersichtlich. Grundsätzlich ging es immer um den Nachweis,

222 Vgl. Schreiben der Dörfer Jagodinje, Tinj u.a. wg. Zuteilung von Weideland, worauf ein „hi­
storisches Recht“ des Dorfes bestünde v. 8.07.1940.
223 Godisnjak banske vlasti Banovine Hrvatske, Zagreb 1940, S. 137; Simoncic-Bobetko, Dalma-
cija, S. 135f., dies. Agrarna reforma, S. 356.
224 Vgl. Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 320f.
225 Vgl. Briefe v. Mate, Jago, Jure, Ivica, Ivan u Pavo Jercic (unterschrieben von allen ihren Fami­
lienmitgliedern) aus Podgrade v. 18./19.02.31, BH 20/1.
226 Vgl. den Fall des Dorfes Glavice bei Sinj, das die Gemarkung „Gale“ erfolglos beanspruchte.
Entsch. Nr. 7507/37 v. 26.1.38 BH 23/1.

182
Dorf und agrarische Lebenswelt

seit wann genau ein bestimmtes Grundstück vom Antragsteller genutzt wurde.227 In­
terne Fraktionsbildung im Dorf spielte eine große Rolle dabei, wie energisch gegen
die Nutzung von Gemeindeland vorgegangen wurde.228
Typisch scheint das Beispiel der im Hinterland von Sinj gelegenen Dörfer Maljkovo
und Potravlje. Die „seoski glavari“ Ivan Bilandzic und Marijan Vidosavljevic stellten
im Namen aller Dorfbewohner Anträge auf „Land, welches uns zusteht“. Das Proto­
koll vermerkte: „Nach dem Krieg wurde stark bemerkbar, daß einzelne Bauern sich
im großen Stil unbearbeitetes Gemeindeland aneignen, also wurden mehrere Dorfver­
sammlungen abgehalten, um zu einer Lösung zu kommen.“ In beiden Dörfern, Malj­
kovo und Potravlje, wurde in den Jahren 1919-1922 beschlossen, daß den „Usurpan-
ten zur freien Nutzung nur bearbeitbare Ackerflächen gelassen werden, während alles
andere Land, ob Weideland oder Forst, umzäunt oder nicht, ohne Unterschied dem
Dorf zu gemeinsamer Nutzung zurückgegeben wird, wie es vorher gewesen ist.“ Um
das ganze „offiziell zu bestätigen“, wurde nun die Gemeindeverwaltung in Sinj gebe­
ten, alle, die sich Land angeeignet hatten, einzubestellen, daß sie noch einmal das vor
der Dorfversammlung gegebene Einverständnis schriftlich wiederholen. Aus Malj­
kovo sei „einzig Luka Bilandzic nicht bereit gewesen, die Beschlüsse der Dorfver­
sammlung anzunehmen.“ Der Wald, um den es in diesem Fall ging, und den Luka
Bilandzic als den seinen betrachtete, wurde zum Gegenstand eines langwierigen Pro­
zesses zwischen dem Dorf Maljkovo und ihm. Die entstandenen Anwalts- und Ge­
richtskosten erforderten in der Zwischenzeit sowohl die Abholzung des Waldes und
den Holzverkauf als auch die Veräußerung von Gemeindeland.
Im Dorf Potravlje ging es ähnlich um die Grenzziehungen zwischen einzelnen Parzel­
len. Auch hier stand am Anfang ein Beschluß der Dorfversammlung aus dem Jahr
1923. Alle „neuerrichteten Zäune und Mauern um usurpiertes Gemeindeland“ sollten
niedergerissen werden, andernfalls sollte das „unter Assistenz der Gendarmerie“ erfol­
gen. Doch nach diesem Beschluß „wechselten die glavari, und so fingen Einzelne
wieder damit an, Zäune zu errichten und sogar weiter sich Gemeindeland anzueig­
nen“. Eine Dorfversammlung von 1927 suchte das Problem durch eine an das Dorf
zu zahlende Geldabgabe zu lösen, aber „bis jetzt“ habe „hier niemand irgendetwas
bezahlt“, denn das Agrargesetz „wurde erwartet“. All diese Sachverhalte gehen aus
einem Protokoll der Agrarverwaltung hervor, die am 22. April 1938 zum wiederholten

227 Im Fall Jandrijevic Nikola gegen die Gemeinde Glavice wurde beispielsweise nach § 9 zugun­
sten der Landarbeiterfamilie entschieden, daß das Land „entschädigungslos und hypotheken­
frei“ in das Eigentum der Antragsteller übergeht. Vgl. Nr. 9634/38, BH 23/1.
228 Vgl. die Antr. v. Radanovic Ivan, Milun Petar, Zuro Pero, Karetic Franjo u. Capeta Jure aus
Kraj b. Sinj, die sich seit 1931 hinzogen (Nr. 1030/31 v. 4.03.31.) und bis 1938 nicht entschie­
den werden konnten, weil sich die Vorsitzenden des Gemeinderats Ante und Pavao Gabrilo
mit immer neuen Argumenten sperrten (vgl. Rasprava v. 16.04.38). Erst 1941 (Nr. 225/41 v.
5.03.41, BH 23/1) wurde im Fall von Jure Capeta entschieden, daß er die „84.500 m2 Weide­
land“ zugeteilt bekommt, ohne der Gemeinde eine Entschädigung zahlen zu müssen.

183
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Mal mit den Dörfern Majkovo und Potravlje befaßt war.229 Die Verwaltung als höhere
Instanz sollte auf Antrag der im Namen ihrer Dörfer auftretenden Vertreter entschei­
den 230 Viele seien nämlich durch die wilde Aneignung geschädigt. Die „Verteilung
sollte so bald als möglich stattfinden“, und „jede Familie Land besserer und schlechte­
rer Qualität bekommen“. Die „schwächeren Familien“ dürften nicht „mit leeren Hän­
den“ Zurückbleiben. Doch ohne den Einsatz von Gewaltmitteln gaben die stärkeren
Familien' das von ihnen in Besitz genommene Land nicht mehr her. Immer erfolgte
der Verweis, daß man sich damals nur genommen hätte, was einem seit jeher schon
gehört hätte. Schon die Vorfahren hätten das Land oder den Wald genutzt. Mit 183
Fällen dieser Art allein in Maljkovo und Potravlje war die Verwaltung konfrontiert.
Dabei hatte die Verwaltung versucht, durch „Ortstermine“ (rasprave), die in den Ge­
meinden stattfanden, die Entscheidung letztenendes wieder ins Dorf zurückzuverla­
gern. So reiste eine Kommission mit den Anträgen und Akten auf Landzuteilung von
Split in die nächstgrößte Gemeinde an und nahm die Aussagen von „Dorfvertretern“
zu Protokoll.231 Meistens war es der „seoski glavar“ und einige ältere Dorfbewohner
(seoski starci), die sich die Anträge aus dem Dorf anhörten und dann ,Recht anerkann­
ten' (priznajemo mu pravo) oder auch nicht. Hauptkriterium war dabei, wenigstens
offiziell, ob der Antragsteller schon vor 1914 das Land in Besitz genommen hatte.
Doch noch im Februar 1941 mußte die nun in „Povjerenstvo za likvidaciju agrarne
reforme u Splitu“ umbenannte Abteilung zahlreiche Beschwerden bearbeiten.232 Es
forderte unverdrossen das Dorf zum Beispiel in Privateigentum abgegebenes Weide­
land zurück, weil es der neue Eigentümer nicht umzäunt hatte,233 oder einzelne Bau­
ern versuchten, mit neuen Eingaben und neuen Zeugen alten Ansprüchen doch noch
zum Erfolg zu verhelfen und Gemeindeland zugeteilt zu bekommen. Dabei unter­
schieden sich die dalmatinischen Fälle234 kaum von denen in bosnischen oder herzego-
winischen Gebieten, für die die Verwaltung der Küstenbanschaft ebenfalls zuständig

229 Vgl. Protokoll v. 22.4.38, BH 23/1.


230 Bilandzic Ivan und Marko sowie Grgo Budimir waren für Maljkovo u. Marijan Vodosavljevic,
Ivan Kotromanovic u. Andrija Bandic für das benachbarte Potravlje nach Sinj gekommen.
231 Rasprava odrzana dana 20.08.1938 god. u uredu opcine Vrlicke po predmetu saslusanja pre-
stavnika sela Podosje na ocitovanju pojedinih prijavitelja u pogledu dosudjenja opstinskog
odn. seoskog zemljista, BH 23/1.
232 Vgl. die sieben Beschwerden der Gemeinde Brnaze gegen die Entscheidungen der Banschafts­
regierung in Zagreb: „Sedam zalbi opcine Brnaze protiv prvomolbenih odluka o prihvatu
opcinskog zemljista banskoj vlasti Banovine Hrvatske, odjel za seljacko gospodarstvo, odsjek
za agrarno pravne poslove“, Nr. 350/40 v. 4.02.1941, BH 23/1.
233 Vgl. Entsch. Nr. 10.738 v. 27.02.1941, BH 23/1.
234 Vgl. z.B. Prijave Kotar Imotski po zakonu o l.a.o. 1931., Sibenik 1931.-1940., Tijesno 1931.,
Vrlika 1938.-1939., Makarska 1931.-1939 BH 24/I-VII, BH 32/I-; Prigovore Kr. Kotors-
kom sudu u Vrgorcu radi rjesenja agrarnih odnosa 1931.-1939. BH 31/1; Imotski, BH 33/1—
V, Spisi Kotarskog suda Benkovac o likvidaciji dalmatinskog agrara 1931.-1937 BH 15, 29/1,
III, Izvjestaji Ministarstvu 1933.-1939. BH 29/11; Prijave za razrjesenje kmetskog odnosa
Kotarski sud Biograd 1931. BH 29/1.

184
Dorf und agrarische Lebenswelt

war.235 Es lassen sich auch keinerlei Unterschiede zwischen serbischen und kroati­
schen Bauern in Dalmatien erkennen, sieht man von der Ausstattung der wenigen
Kriegsfreiwilligen mit Land ab, die in ihren Eingaben ihre serbische Nationalität be­
tonten, von der sie sich Vorteile für ihre Sache versprachen. Auch wo hauptsächlich
Serben lebten, wie in der Umgebung von Benkovac, die Anträge auf Land stellten,
welches sie vorher schon als Kmeten bearbeitet hatten, läßt sich kein nationaler Ge­
gensatz beobachten. Gestritten wurde auch hier meistens darum, seit wann das Land
vom Antragsteller bearbeitet wurde, bzw. seit wann es brach lag. Da sich die Bauern
aber gegenseitig immer als Zeugen anführten, gab es kaum Anträge, die abschlägig
beschieden wurden, wenn es zwischen ihnen keinen Konflikt gab. An den Anträgen
aus den benachbarten Dörfern Islam-Grcki, in dem fast ausschließlich Serben lebten,
und dem kroatischen Islam-Latinski, kann man eindeutig die Gleichheit der Lebens­
bedingungen, wie sie sich in der Landausstattung spiegelt, sehen. Und es ist auch
Anfang der 30er Jahre nicht selten, daß ein „Ivan“ für einen „Jovan“ und ein „Stevan“
für einen „Stjepan“ oder „Stipe“ als Zeuge aufgeführt ist. In hunderten von Fällen, in
denen meist gegen den Staat prozessiert wurde, der die Nachfolge der oft italienisch­
adeligen Landeigentümer, die nach dem Krieg das Land verlassen hatten, angetreten
hatte, war man sich einig. Manchmal ging es durch mehrere Instanzen. Malentila
Draca aus Islam-Grcki wandte sich an alle nur möglichen Berufungsinstanzen, und
bekam schließlich das Land, das er und seine Vorfahren, nach Aussage von Zeugen,
„seit jeher“ bearbeitet hatten. Allein sein Fall füllt einen ganzen Ordner. Offensicht­
lich handelte es sich um Grundstücke, die die Gemeinde für sich beanspruchte und
auf dem sie vorhatte zu bauen. Gerichtskommissionen, die bei einem Ortstermin in
Augenschein nahmen, ob und wie die in Frage stehenden Grundstücke bearbeitet
waren, entschieden in solchen Fällen. Doch die von Draca gesetzten Weinstöcke gaben
schießlich den Ausschlag und er bekam das Land nach jahrelangem Rechtsstreit doch
zugesprochen.236

235 Vgl. Kotar Stolac 1934-1939. BH 21/11, Rjesenja na potrazivanje odstete za kmetske sume,
sikare i pasnjake u Kotaru Mostar 1936-1940. BH 21/III; Kotar Konjic 1934-1940. BH 21/
IV; Kotar Prozor 1940. BH 21/V, Srez Tomislavgrad 1921.-1922. BH 24/1; Srez Ljubuski,
Prozor, Konjic 1932.-1935, Zahtjeve za odstetu, l.a.o. Konjic, Ljubuski, Stolac, Mostar 1940.,
BH 25/1-IV, BH 28/V-VIII, BH 30/I-III; Likvidacija a.o. Kotar Mostar 1935.-1940., Konjic
1934.-1940., Livno 1939.-1940. BH 26/1—III; Mostar 1935.-1940. BH 27/1, 1934.-1940 BH
28/III, BH 31/II-IV; Rjesavanje a.o. Stolac 1934.-1939. BH 28/1; Tomislavgrad 1935.-1939.
BH 28/11; Bugojno 1935. BH 28/IV-VI; Ljubuski 1935.-1940. BH 28/VII; in diesen Kreisen
waren es v.a., den Namen nach zu urteilen, muslimische Großgrundbesitzer. Tausende von
Entschädigungsanträgen und die dazugehörigen Akten mit Grundbuchauszügen etc. belegen
dies.
236 Gleich gelagert waren z.B. die Fälle von Jovan Baijak aus Islam-Grcki oder Todor u. Pavla
Vidic aus Karin, Pavle Oluic aus Bilisane, Dusan, Simo u. Spasenije Gugleta aus Bilisane, -
Djuro u. Danijel Skoric aus Medvjedje, Grga u. Nikola Knez aus Medvjedje, Jandrija, Bogdan
u. Petar Kubat aus Zegar, Todor Nanic aus Zegar, Lazo Komazec aus Zegar u. noch hunderte
anderer, alle aus dalmatinischen Gemeinden, in denen überwiegend Serben lebten.

185
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Für „Agrar-Beamte“ wie Ivan Seman, der beim „Povjerenstvo za likvidaciju agrarne
reforme“ in Split arbeitete, bedeutete das viel Arbeit. Wie aus seinen offiziellen „Ar­
beits-Tagebüchern“ hervorgeht, war er in mehreren hundert verschiedenen Fällen in
den 30er Jahren in Dalmatien unterwegs. V.a. im Hinterland von Sibenik, zwischen
Biograd und Benkovac, so geht aus seinen Arbeitsnachweisen hervor,237 ging er über
die Dörfer und überprüfte vor Ort die von den Bauern in ihren Anträgen gemachten
Angaben. Aus jedem Dorf kam er mit einer neuen Liste zurück, aus der hervorging,
wer alles einen Antrag gestellt hatte oder stellen wollte. Das Reisen war langwierig und
beschwerlich, aber man kann sicher von einer herzlichen Aufnahme bei den Bauern
ausgehen, die bestimmt das Beste anboten, was sie in der Vorratskammer hatten, wenn
der Staatsbedienstete kam. In den allermeisten Fällen blieben aber einzig sichtbares
Resultat der Bemühungen des „Vertrauensmannes“ und der Verwaltung die Listen mit
den, im Laufe der Jahre, tausenden von Namen von dalmatinischen Bauern, die auf
Landzuteilung hofften und hunderte von unerledigten Anträgen auf Entschädigung
oder Zuteilung von Staatsland.238
Die Verwaltung war in jeder Hinsicht überfordert. Die Zahl der Grundbuch-Ämter
in Dalmatien fiel in der Zwischenkriegszeit von 22 auf 14 und die fest angestellten
20 Landvermesser waren ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Nach 1931 wurden zwar
Neueinstellungen vorgenommen, die Kapazität reichte aber weiterhin nicht aus 239
Nur im Zuständigkeitsbereich des „Agrarno-pravni otsjek“ gab es im Juni 1937 immer
noch über „9000 ungelöste Fälle“, die von der Verwaltung noch bearbeitet werden
mußten.240 Als der Zweite Weltkrieg Dalmatien erfaßte und das Königreich Jugosla­
wien innerhalb weniger Tage unterging, waren noch Tausende von Bauerneingaben
zwecks Landzuteilung nicht bearbeitet. Erst nach dem Krieg, mit dem „Gesetz über
die Abschaffung der feudalen Agrarverhältnisse auf dem Gebiet Dalmatiens und des
kroatischen Küstenlandes“ („Zakon o ukidanju agrarnih odnosa feudalnog karaktera
na podrucju Dalmacije i Hrvatskog primorja“) vom 20. November 1946 wurde die
entschädigungslose Enteignung des noch verbliebenen Großgrundbesitzes verfügt.
Die Klagen über die „Schwierigkeiten, die aus der Unverhältnismäßigkeit zwischen
den Einnahmen, die der Küstenbanschaft zur Verfügung stehen, und den notwendigen
Ausgaben“ waren Gegenstand zahlreicher „Exposes“ und „Memoranden“, die die

237 Vgl. BH 15 1931-1941.


238 Vgl. Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Poljoprivredno odjeljenje III. BH
11/1, Povjerenstvo za likvidaciju agrarne reforme. (Molbe za uknjizbu dobrovoljackog zemlji-
sta i povrat spisa po ekspediciji isplatnih naloga) 1939.-1940. BH 11/11, Isplata odstete za
kmetovske sume i sikare 1934-1937. BH 13/1, Rjesenja na odstetni zahtjev bivsim vlasnicima
kmetskih suma, sikara i pasnjaka 1936.-1940. BH 13/1—II.
239 Ungarov, Bruno, Katastar u Dalmaciji, in: Zbornik Drustva inzenjera i tehnicara u Splitu 1958
hg. v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 685-687.
240 Vgl. Schreiben des „Chefs der Agrarabteilung“ Osojnik v. 15.6.37, Nr. 7629/37 (BH 21/1), in
dem er um zusätzliche Ausstattung seines Referats nachsucht.

186
Dorf und agrarische Lebenswelt

Verwaltung anfertigte.241 Die „Ausgaben“, so die Weisung des Banus angesichts der
desolaten Finanzlage, sollten „auf das Allernötigste beschränkt“ werden.242 Davon,
daß in Dalmatien „die Lösung der Agrarfrage“ zwar „sehr viel Mühe gekostet“ habe,
„aber schließlich erreicht wurde“, wie es in Propagandabroschüren hieß, konnte keine
Rede sein. Glaubte man den Verfassern solcher Schriften, war alles in Ordnung in der
dalmatinischen Landwirtschaft: Knapp 100.000 Familien hätten um die 50.000 Hektar
Land zugeteilt bekommen, wobei auf jede Familie ca. ein halber Hektar Land entfallen
sei. Der Verkaufspreis für das Land habe zwischen 2-30.000 Dinar, oder im Durch­
schnitt bei 8.000 Dinar, pro Hektar gelegen. Dafür habe der Staat Schuldverschreibun­
gen in Höhe von 400 Millionen Dinar mit 6% Zinsen aufgelegt. Die Familien, die
dieses Land bekommen hatten, zahlten die Hälfte der Entschädigung, die andere
Hälfte der Staat.243 Doch die Wirklichkeit sah anders aus, ganz abgesehen davon, daß
an der Desintegration der Besitzstrukturen und der Tatsache, daß die meisten Bauern
in Dalmatien zu wenig Boden besaßen, um sich und ihre Familien zu ernähren, alle
Reformversuche und Bemühungen um Intensivierung der Landwirtschaft auch an der
Küste substantiell nichts änderten. Nach dem „sporazum“ 1939 übernahm die Verwal­
tung der Banovina auch was die Agrarreform anging, alle Probleme und tausende
ungelöste Fälle von ihren Vorgängern.244 Die autonome Einheit „Banovina Hrvatska“
ab 1939 wollte ein „Bauernstaat“ sein, das war das erklärte Ziel der Kroatischen Bau­
ernpartei. Konkrete Auswirkungen verspürten die Bauern in Dalmatien kaum. Die
Abteilung der Verwaltung zur Durchführung der Agrarreform Split wurde nun Za­
greb unterstellt und am 22. Januar 1940 in Komission zur Durchführung der Agrarre­
form (Povjerenstvo za likvidaciju agrarne reforme) umbenannt. Als übergeordnete
Beschwerde- und zugleich letzte Instanz wurde die Abteilung für Bauernwirtschaft
(Odjel za seljacko gospodarstvo) der Banovina Hrvatska in Zagreb eingerichtet.245
Ihre Arbeit nahm die Komission aber erst am 10. Juni 1940 auf, was bedeutete, daß
bis zum April 1941 kaum rechtskräftige Entscheidungen gefällt wurden. Hauptpro­
blem war weiterhin das Fehlen finanzieller Mittel für die Entschädigungen. Anträge,
wie der des Berufungsgerichts Split (Apelacioni sud) von 1940/41, an die Finanzver­
waltung der Banovina für Entschädigungszahlungen 2.308.000 Dinar zur Verfügung
zu stellen, wurden im Prinzip zwar als berechtigt akzeptiert, Geld kam aber bis zum

241 Vgl. das 76-seitige „Expoze k budzetu rashoda i prihoda Primorske Banovine za godinu 1931/
32“v. Abt. I, in: BH 34; im selben Karton auch alle Exposes, Etatentwürfe etc. bis 1933/34.
242 Vgl. Anordnung des Banus Nr. 40.482 v. 20.10.1931, BH 38.
243 Zecevic, Sekula, Siromastvo Jugoslavije. Predlog za uvodenje i organizaciju obavezne radne
sluzbe, Beograd 1936, S. 24.
244 Vgl. Naredba Bana o osnivanju Povjerenstva za likvidaciju agrarne reforme u Splitu od 22.
sijecnja 1940. g. br. 49147/VII-1939, in: BH Zakoni, Bd. XVI, Zagreb 1940, die sich auf § 73
des Gesetzes v. 19.06.1931 über die Liquidierung der Agrarreform, Art. 33 berief.
245 Narodne novine v. 30.08.1939 „Uredba o Banovini Hrvatskoj 26. kolovoza 1939“ und v.
09.01.1939 „Uredba o prenosu poslova poljoprivrede sa drzave na BH od 28. studenoga
1939“.

187
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Zusammenbruch im April 1941 keines an.246 So paßten Gerichte wie Verwaltung die
Geschwindigkeit ihrer Urteile bzw. Entscheidungen den vorhandenen finanziellen
Mitteln an. Ab Ende 1940 wurde praktisch jegliche Tätigkeit des Gerichts, so sie nicht
von den Antragstellern selbst finanziert wurde, eingestellt. Die Lage der dalmatini­
schen Landbevölkerung hatte sich durch die Agrarreform nicht gebessert.

c) Wirtschaftskrise und Verschuldung der dalmatinischen


Bauern

Das Bild, daß die Wirtschaft biete, sei „kein bißchen rosig“ und biete „Anlaß zu
großer Sorge“, wurde schon zu Beginn der Wirtschaftskrise, Anfang der 30er Jahre,
auf Kongressen von Gewerbetreibenden festgestellt.247 Alle Wirtschaftszweige Dalma­
tiens traf die Krise hart, wie auch die Berichte der Verwaltung konstatierten.248 Mit
dem Konjunktureinbruch strömten von den verschiedensten Seiten Bitten um Sub­
ventionen auf die Verwaltung ein,249 die ebenso wie die Stipendienanträge und Bitten
um finanzielle Unterstützung stark anstiegen.250 Die Zeitungen schrieben über die
„schwere Wirtschaftskrise“, die Dalmatien durchlebe und die an der Küste viel stärker

246 Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 353; Eine neue Emission von Staatsanleihen des Fi­
nanzministers im September 1939 in Höhe von 440 Millionen Dinar, wobei die Obligationen
wieder mit 6% verzinst sein sollten und eine Laufzeit bis 1981 vorgesehen war, führte für
das Berufungssgericht in Split zu einem Kredit von knapp 1 Million Dinar. Damit sollte die
Arbeit der Durchführung der Agrarreform dann in „unverändertem Umfang“ weitergeführt
werden. Vgl. Uredba o izdavanju nove emisije obveznica za likvidaciju dalmatinskog agrara,
in: Politika v. 30.09.1939.
247 Vgl. Mohoric, Ivan, Pregled nase spoljne trgovine, zakljucci koji nam se namecu, i buduci
pravci nase trgovinske politike. Referat podnesen na VIII. kongresu privrednih komora i vazni-
jih privrednih organizacija Kraljevine Jugoslavije, u Beogradu dne 13. septembra 1930 (Über­
blick über unseren Außenhandel, Schlußfolgerungen, die sich daraus ergeben und zukünftige
Richtung unserer Handelspolitik. Referat auf dem VIII. Kongreß der Wirtschaftskammern
und der wichtigeren Wirtschaftsorganisationen des Kgr. Jugoslawien), Zagreb 1931, S. 7.
248 Vgl. Izvjestaj (Bericht) 1-39913/31 v. 10.11.1931.
249 Vgl. die Briefe der „Dobrotvorna zenska zadruga Srpkinja, Hrvatica i Slovenkinja“ aus Knin
v. 8.3., 25.4., 24.6., 9.7., 15.7 u. 13.11.1930, die um „Hilfe für die überaus armen Dörflerinnen“
baten, damit diese weiterhin der „schönen und einträglichen Heimindustrie“, i.e. der Herstel­
lung von Gehäkeltem und Nationaltrachten nachgehen könnten und ihnen die Genossen­
schaft die Wolle und das Garn bezahlen und dann die fertigen Produkte abkaufen könne. BH
37/11.
250 Wie Petar Hristic, kgl. Straßenwächter aus Vrlika f. seinen Sohn bittet, der „seinem Volk“
durch seine elektrotechnische Ausbildung „nützlich sein möchte“, er ihn aber wegen „Armut“
nicht unterstützen könne (Bittschr. v. 19.05.1932, BH 37), füllen hunderte von solchen zu
Verwaltungsvorgängen gewordene Schicksale die Kartons und sind ein weiterer Indikator für
die Folgen der Weltwirtschaftskrise in Dalmatien.

188
Dorf und agrarische Lebenswelt

durchschlage, als in anderen Teilen des Staates. Grund dafür sei „weil wir ärmer sind
und eine zusätzliche Verschlechterung nicht mehr aushalten können, und weil alle
unsere landwirtschaftlichen und industriellen Produkte im Preis verfallen sind und
keine Käufer mehr finden“.251 Die periodischen Berichte der Wirtschaftsabteilung der
Verwaltung kommentierten die sich verschlechternden „wirtschaftlichen und finan­
ziellen Bedingungen“ immer besorgter, bis 1932 der Tiefpunkt erreicht war. Nach
„Gerüchten“, die die Tageszeitungen kolportierten, daß es zu einer „Konversion der
Landarbeiterschulden“ kommen solle, sei das Kreditwesen zusammengebrochen: „Die
Bauern sind deshalb in einer äußerst schweren Lage, denn die Preise ihrer Güter sind
katastrophal gefallen, und sie finden manchmal gar keine Abnehmer. Er (der Bauer,
A. J.) steht ohne Geld da, und hat alle Kreditwürdigkeit verloren. Damit ist seine
Kaufkraft zerstört, was den Handel, die Industrie und das Handwerk in eine noch
schwerere Lage gebracht hat“, hielt der Referent der Landwirtschaftsabteilung fest.252
Immer wieder appellierte man aus Split nach Belgrad, „schnelle staatliche Hilfe“ zu
leisten, da „die wirtschaftliche Lage unserer Bevölkerung schon in das Stadium echten
Unglücks, Armuts und Hungers eingetreten ist, und keinen Aufschub der Hilfe mehr
duldet“.253
Bereits 1924 war z.B. von den 25.337 Bauern im Kreis Korcula ein Viertel verschuldet,
bei Zinssätzen zwischen 10-30% (während die Banken auf Guthaben Zinsen von 4-
6% zahlten).254 Die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse fingen schon 1925 an
zu fallen. In der Austauschrelation Industriewaren gegen landwirtschaftliche Produkte
öffnete sich die Preisschere immer mehr zu Ungunsten der Bauern. Produktionsrück­
gang, Preisverfall, Rückgang der Ausfuhr und ein weiteres Absinken des Rentabilitäts­
niveaus kennzeichneten die Agrarkrise in weiten Teilen des Königreichs. Besonders
stark wurden die „passiven Regionen“ wie Dalmatien davon betroffen. Steuern, Ge­
bühren, Geldentwertung und Wucherkredite mit bis zu 120 % Zinsen, die den Bauern
von privaten Kreditgebern abgefordert wurden, die das nackte Überleben in schlech­
ten Erntejahren sichern sollten, stürzten viele in einen Strudel der Verschuldung, aus
dem sie bis zum Untergang des Staates nicht mehr herauskamen.255 Die Verschuldung
der dalmatinischen Bauern wurde zum massenhaften Phänomen. Der Rückgang der
Bodenpreise und das Ausbleiben der Geldsendungen aus Übersee an die zu Hause
verbliebenen Angehörigen hatte seit Beginn der Devalvation des Pfundes (20. Septem­
ber 1931) und der Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika die Situa­
tion noch verschärft.256 Problematisch war von Anfang an auch die Steuerpolitik des

251 Novo doba v. 05.02.1931.


252 Vgl. Izvjestaj odsjeka za trgovinu, obrt i industriju Primorske banovine an: Kraljevskoj bans-
koj upravi Prim. ban. BH 1-36149/32 v. 08.07.1932.
253 Vgl. Rezolucija banskog vijeca Primorske banovine, in: Jadranska posta, Nr. 293 v. 21.12.1931.
254 Radnicka borba 4/1924, hier zit. nach Mirosevic, Polozaj, S. 97.
255 ebenda, S. 24.
256 Die Geldsendungen sanken allein in der „Ersten Kroatischen Sparkasse“ von 1931479 Millio­
nen Dinar auf 33 Millionen 1933.

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Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

neuen Staates, die sich negativ auf Dalmatien auswirkte. Die bis 1918 geltende österrei­
chische Steuergesetzgebung wurde mit der serbischen kombiniert. Grund-, Haus- und
Verbrauchststeuern, sowie die diversen Gemeindesteuern zusammengenommen, bela­
steten den Bauern nun mehr als zu Zeiten Österreichs. V.a. als der Staat nach 1925
verstärkt versuchte, Steuerrückstände einzutreiben, kam es nicht selten zu rücksichts­
losen Pfändungen von Vieh und Hausrat.
Als Versuch, die „Kreditnot der Bauern“ staatlicherseits zu lindern, wurde ein „Gesetz
über den landwirtschaftlichen Kredit“ vom 12. Juni. 1925257 beschlossen, welches die
Möglichkeit einer billigeren Kreditbeschaffung für Bauern auf genossenschaftlicher
Grundlage schaffen sollte.258 Eine staatliche Behörde (Direkcija za poljoprivredni kre-
dit) verteilte öffentlich finanzierte Kredite an neu zu errichtende Kooperativen, die
unter ihrer Kontrolle stehen sollten. Mitte 1928 existierten bereits 580 derartige Insti­
tutionen. Als das Projekt 1928 aus Finanzmangel scheiterte, übernahm 1929 die Privi­
legierte Agrarbank seine Erbschaft. Aber alle Maßnahmen, einschließlich des Ver­
suchs, durch Steuersenkungen (am 25. März 1932 von 12 auf 10% auf Landbesitz)
die Landwirtschaft zu stimulieren, schlugen fehl. Zwar wurde eine Zentrale Genossen­
schaftsbank in Belgrad gegründet, welche unter dem starken Einfluß der Regierung
Kredite an angeschlossene Genossenschaften zu verleihen hatte, aber von den vorgese­
henen 500 Millionen Dinar Kreditmittel wurden im Ganzen nur 120 Millionen zur
Verfügung gestellt. Bis August 1929 schlossen sich aber 1220 Genossenschaften an,
welche in Kreisgenossenschaften vereinigt waren. Nach Einführung der Diktatur trat
eine „Privilegierte Agrarbank“ an die Stelle der bis dahin geschaffenen fünf Kreiszen­
tralen.259 Die PAB sollte alle Arten landwirtschaftlicher Verbände kreditieren. Zwi­
schen 1929 und 1935 zahlte sie rund 29 Millionen Dinar aus, in deren Genuß jedoch
nur ein Drittel aller Kooperativen kamen, von denen allein 38 % nach Serbien und
weitere 32 % in die Vojvodina flössen.260 Die Hindernisse schon bei der Gründung
dieser Zentralbank waren nationaler, nicht wirtschaftlicher Natur. Es gab kaum Ko­
operation zwischen den slowenischen und kroatischen Banken auf der einen und den
serbischen Kreditinstituten auf der anderen Seite. Zudem existierte bei der Kreditver­
gabe gleichfalls ein nationales Gefälle.261
Tatsächlich entfiel von den gewährten Darlehen der allergrößte Teil (77,89 %) auf die
Gebiete des früheren Königreichs Serbien. Die hinzugekommenen ehemaligen öster­
reich-ungarischen Regionen bekamen von der PAB „fast gar keine Darlehen.“262 Die

257 Vgl. Bajkid, V., Seljacki kredit (Bauernkredit), Beograd 1928.


258 Vgl. Tomasevich, Peasants, S. 411 ff.
259 Für dieses Gesetz v. 16. April 1929 zeichnete Franges als Landwirtschaftsminister verantwort­
lich. Vgl. die Geschäftsberichte der „Privilegovana Agrarna Banka a.d.“ und die „Bulteni
Privilegovane Agrarne Banke, odeljenje za studije“, Jg. 1923-1936.
260 Vuckovic, S. 79 u. 81, hier zit. nach Calic, Genossenschaften, S. 73.
261 Vgl. Lampe, Belated, S. 32. u. Jackson/Lampe, The Evidence of Industrial Growth in Southe­
astern Europe before the Second World War, in: East European Quarterly, XVI, 4 (Jan. 1983),
S. 392-398; ders., Balkan Economic History, S. 500-503, der zusätzlich die große Rolle des

190
Dorf und agrarische Lebenswelt

Bank war gegründet worden, um „die Bauern von den großen Schulden an die Wuche­
rer“ zu befreien, und die „Produktion anheben“, hatte dafür aber viel zu wenige
finanzielle Mittel.263 Nach den Angaben des staatlichen Amtes für Statistik betrugen
1931 die Schulden der Bauern in ganz Jugoslawien über 6 Milliarden Dinar, wobei die
kleineren Höfe durchschnittlich stärker belastet waren:

Tabelle XI: Verschuldung der Bauernhöfe im Königreich Jugoslawien 1931

Hofgröße Zahl der verschuldeten Höfe Schulden in Mio. Dinar

0,1-10 ha 573.342 4.201,2


10-30 ha 65.395 1.425,4
30-75 ha 7.201 455,4
75-100 ha 854 60,9
gesamt: 646.792 6.142,9

Quelle: Komadinic, M., Problem seljackih dugova (Das Problem der Bauernschulden), Beograd
1934, S. 61.

Ein Jahr später (1932) betrug!m die Schulden, nach einer Aufstellung der Gläubiger-
banken exakt 6.879.969.058 Dinar:

Tabelle XII: Forderungen der Gläubigerbanken 1932

Forderungssumme in Din. in Prozent

Staatliche Hypothekenbank 203.945.965 2,29


Privilegierte Agrarbank 499.173.178 7,15
übrige Banken 2.231.534.934 32,42
Landarbeitergenossenschaften 831.164.574 12,09
Private Gläubiger 3.114.150.408 45,26
Gesamtschulden: 6.879.969.058 100,00%

Quelle: Culinovic, Slom Stare Jugoslavije, S. 48.

Nach einer Rechnung der PAB vom April 1933 hätten die Bauern im Jahr mehr als 1
Milliarde an Zinsen zahlen müssen! Zählte man da noch die steuerlichen Belastungen
aller Art dazu, summierte sich das zu einer Belastung in Höhe von 75 % aller verfüg­
baren Einkünfte, die ein bäuerlicher Haushalt für Zinsen, Tilgung und an Steuern
1932 zu entrichten gehabt hatte.264 Mahnende Stimmen wurden laut, die vor einer
völligen Verarmung der Bauernschaft warnten. So wurde am 19. April 1932 das „Ge-

Staatssektors (15% d. Industriekapitals war in Staatshänden) u. die wirtschaftliche Bedeutung


der jug. Rüstungsausgaben betont.
262 Franges, S. 266.
263 Novo doba v. 17.8.1929.
264 Vgl. Bilten PAB v. 1.4.1933, S. 13, hier zit. nach Culinovic, Slom stare Jugoslavije, S. 49.

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Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

setz über den Schutz der Landarbeiter“ beschlossen, das ein Schuldenmoratorium für
sechs Monate verfügte.265 Geplant war eine „Konversion der Bauernschulden“, zu der
es aber niemals kam. Das am 25. September 1936 verabschiedete Gesetz über die
„Liquidierung der Bauernschulden“ verpflichtete die Bauern, ihre Schulden innerhalb
von 12 Jahren in Jahresraten zu bezahlen (Art. 6), es kam also nicht, wie häufig in der
Literatur zu lesen ist, zu einer Streichung der Schulden.266 Da die Banken durch diese
gesetzliche Regelung die Altschulden der Bauern, solange die gesetzlich vorgeschrie­
benen Jahresraten entrichtet wurden, nicht mehr fällig stellen und eintreiben konnten,
flössen neue Kredite entsprechend spärlich. Auch konnten die Gläubigerbanken unter
Berufung auf das Bauernschutzgesetz die Auszahlung von Spareinlagen einstellen, falls
sie durch das Gesetz unliquid geworden waren. Letzlich stand die PAB, an der sich
die Geschäftsbanken schadlos halten konnten, und damit der Steuerzahler, für die
Altschulden ein.267
Die Tabelle zu der prozentualen Schuldenhöhe nach Besitzgröße zeigt, wieviel
Prozent der Höfe einer Besitzklasse in einer Region verschuldet waren. Am stärk­
sten war der Kleinbesitz in den sog. „passiven Gebieten“ von der Schuldenlast
betroffen.

Tabelle XIII: Verschuldung der Höfe nach Besitzgröße (in Prozent)

0-2 ha 2-5 ha 5-10 ha 10-20 ha 20-50 ha über 50 ha

Serbien 17,36 33,82 27,56 16,30 4,57 0,39


Mazed. - 4,23 22,53 60,56 11,27 1,41
Kroatien 55,70 39,56 3,61 0,57 0,28 0,28
Slow. 15,86 19,66 23,79 27,93 12,41 0,34
Vojvod. 36,12 27,69 20,68 11,31 3,61 0,59
Dalmatien 77,25 14,90 5,10 2,75 - -

Monten. 51,41 41,37 6,43 0,80 - -

Bosn.-H. 51,88 31,35 12,36 3,97 0,44 -

Quelle: Stojsavljevic, Bogdan, Seljastvo Jugoslavije, 1918.-194L, Zagreb 1952, S. 81.

Die „Grenze der Leistungsfähigkeit der Agrarbank“ und der im Zuge der Weltwirt­
schaftskrise268 erfolgte Zusammenbruch vieler bäuerlicher Existenzen verschärften die
soziale Situation der Bauern auch in Dalmatien. Die Krise erfaßte gegen Ende 1932

265 Vgl. Sluzbene novine, Nr. 91 v. 20.4.1932.


266 Sieht man vom Erlaß der Hälfte der Schulden ab, die geringer als 25.000 Dinar waren.
267 Culinovic, Slom Stare Jugoslavije, S. 49ff.
268 Sundhaussen, Holm, Die Weltwirtschaftskrise im Donau-Balkan-Raum und ihre Bedeutung
für den Wandel der deutschen Außenpolitik unter Brüning, in: Benz, W. u. Grand, H., (Hg.),
Aspekte deutscher Außenpolitik im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1976, S. 121-164; ders., Ge­
schichte Jugoslawiens, S. 84ff; Schönfeld, Roland, Die Balkanländer in der Weltwirtschafts­
krise, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 62 (1975), S. 179-213; vgl.

192
Dorf und agrarische Lebenswelt

auch den Bankensektor in Dalmatien mit voller Wucht. Im vertraulichen „Bericht über
die Geschäftstätigkeit der Stadtsparkasse in Sibenik“ berichtete der dortige Direktor
Iljadica-Grbesic davon, daß es seit September 1931 ständig bergab gehe. Die „Anleger“
seien „beunruhigt durch die allgemeine Wirtschaftsentwicklung und die alarmanten
Gerüchte, die sich in Windeseile verbreiten. Bei allen Filialen wurde angefangen, die
Sparguthaben abzuheben (...) Die Panik ist allgemein.“269
Der Höhepunkt der ,Geldnot der Bauern' ist eindrücklich für Serbien von Marie-
Janine Calic beschrieben worden. Hier seien nur die, nach Daten der Privilegierten
Agrarbank, gemachten Angaben über die „Vermögens- und Schuldverhältnisse der
Bauern in den einzelnen Banaten (1933)“ für die Küstenbanschaft (Primorska bano-
vina) aufgeführt:

Tabelle XIV: Vermögens- und Schuldverhältnisse der Bauern in der Küstenbanschaf (1933)

Küstenbanschaft Gesamtes Königreich

Zahl der landwirtsch. Betriebe insgesamt 146987 2517044

davon verschuldet 64644 701199


in Prozent 44% 27,86%

Durchschn. Betriebsgröße d. Schuldners 2,64 ha -

davon kultivierter Bod. 1,72 ha -

Zahl der Hausmitglieder 5-9 -


davon arbeitsfähig 2-3 -
Gesamtschuld in Tsd. Dinar 829014 6952239
Verschuldung je Betrieb 12976 Din. 9915 Din.
Verschuld, je Hektar Betriebsfläche 4914 Din. -

Verschuldung je ha kultivierten Bodens 7528 Din. -


Von den Schulden entfallen auf solche
bei Geldinstituten in Tsd. 241059 3 828497
bei Privaten in Tsd. Dinar 597954 3123832
bei Geldinstituten in % 28,73% 55,07%
bei Privaten in % 71,27% 44,93 %
Zahl der privaten Geldverleiher 3491 -
Von den bäuerl. Betrieben reichen m. ihrer
eigenen Erz. nicht bis zur nächsten Ernte 73,78% -

Quelle: Franges, Die socialökonomische Struktur der jugoslawischen Landwirtschaft, S. 270.

Kap. 5 „Serbien in der Weltwirtschaftskrise (1930-1935) bei Calic, Sozialgeschichte Serbiens,


S. 351-401.
269 Vgl. Brief u. „Izvjestaj o poslovanju Gradske Stedionice u Sibeniku“ v. 10.10.1932 v. Iljadica-
Grbesic an die „Kraljevska banska Uprava Primorske Banovine, Odsjek za trgovinu i indu-
striju. Split“, BH 39/11.

193
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Die „Verschuldung der Bauern“ aus Mitteldalmatien bei den Spliter Geschäftsbanken
betrug zum 15. November 1934 über 60 Millionen Dinar.270 Noch düsterer sah die
Statistik der PAB aus. Danach beliefen sich die Schulden bei den Bauern auf dem
Gebiet der Küstenbanschaft (1932) auf sage und schreibe 839.014.707;- Dinar.
Aufgeschlüsselt nach Gläubigern schuldeten die dalmatinischen Bauern:

597.954.753 Din. Privatleuten = 71,3 %


136.250.244 Din. Geschäftsbanken = 16,2%
45.273.254 Din. Staatliche Hypothekenbank = 5,4%
38.620.173 Din. Landarbeitergenossensch. = 4,6%
20.916.283 Din. Privilegierte Agrarbank = 2,5%
839.014.707 Din. Insgesamt = 100%

Quelle: Trgovinsko-industrijska komora u Splitu (Hg.), Zapisnik 1. redovite komorske sjednice


odrzane dneva 16. maja 1935, Split 1936, S. 123.

Nach diesen Zahlen waren die dalmatinischen Bauern mit durchschnittlich 12.977
Dinar verschuldet, und die Schuldenlast pro Hektar Boden betrug 4.914 Dinar, was
„die höchste Belastung pro Hektar im Staate“ war. Und das angesichts einer Situation,
wo die Bauern ihre Erzeugnisse zu „Schleuderpreisen“ verkaufen mußten.271 Das 1932
erlassene allgemeine Schuldenmoratorium, das den Bauern einen Zahlungsaufschub
gewährte und schließlich die Halbierung der Schulden und bessere Rückzahlkonditio­
nen durch die neugegründete staatliche Landwirtschaftsbank 1936, entspannte zwar
die Situation etwas, konnte aber wenig an der privaten Verschuldung ändern. Es ver­
wundert jedenfalls nicht, und wirft ein bezeichnendes Licht auf die wirtschaftliche
Situation in Dalmatien, daß die „gesamten Steuerrückstände“ der Küstenbanschaft
Anfang 1933 die imposante Summe von 134.305.602 Dinar erreicht hatten!
Die Bitten an die „Zuständigen“, die Steuerlast zu mildern - die Landbevölkerung
zahlte an direkten und indirekten Steuern bis zur Hälfte ihres jährlichen Bareinkom­
mens - stieß angesichts leerer Haushaltskassen in Belgrad auf taube Ohren.272 Die

270 Vgl. Trgovinsko-industrijska komora u Splitu (Hg.), Zapisnik 1. redovite komorske sjednice
odrzane dneva 16. maja 1935 (Protokoll der 1. ordentl. Kammersitzung), Split 1936: Zadu-
zenje zemljoradnika (Landarbeiterverschuldung), S. 122ff. Von „insgesamt 35 Kreditinstitu­
ten“ auf dem Kammergebiet, hatten sich 32 an der Umfrage beteiligt. Rechnete man noch die
Wechsel, so schuldeten die Bauern den Geschäftsbanken gar 56.533.766 Dinar, dazu rechnete
die Kammer noch ca. 8 Millionen bei den übrigen drei Geldinstituten.
271 ebenda, S. 123 u. 140. Berücksichtigt werden muß allerdings bei der Schuldenlast und der
errechneten Pro-Kopf-Verschuldung, daß bei den Daten der PAB die gesamte Fläche und
Einwohnerzahl der Primorska banovina zugrundegelegt wurde, die auch einige herzegowint-
sche Kreise, wie Konjic oder Mostar umfasste. Tomasevich hat eine gesamtjug. Durchschnitts­
verschuldung je Bauernhaushalt v. 9.800 Dinar errechnet, dem ein Jahresbareinkommen von
3.800-4.300 Dinar gegenüberstand; vgl. Tomasevich, Peasants, S. 671ff.
272 Zapisnik TOK 1935, S. 130ff. Dort die genaue Auflistung nach Arten der Steuern und Gebüh­
ren. Das komplizierte Steuersystem wurde allgemein in Dalmatien als ungerecht empfunden.

194
Dorf und agrarische Lebenswelt

höchste Verschuldung je Flächeneinheit im Gesamtstaat fand sich in der Primorska


banovina (7528 Dinar je Hektar). 97% der Gesamtzahl der verschuldeten Betriebe
und 89% aller Schulden entfielen auf die kleinsten Betriebe, mit 0,1-10 Hektar Flä­
che. Im Problem der „Entschuldung der Landwirtschaft spielt der Großbetrieb in
Jugoslawien keine irgendwie beachtliche Rolle“, stellte Franges fest. Insofern kann
man die Situation in Dalmatien als symptomatisch für die gesamte Landwirtschaft im
Königreich sehen. „Bedenklich“ konnte die Höhe der Verschuldung auch gemessen
an dem Wert des für die Abzahlung der Schuld als Sicherung dienenden Vermögens
stimmen. Hier erreichte die Primorska banovina mit einer Verschuldung von 216%
des Wertes der Sicherstellung einen Spitzenwert. Daß „in den Karstbanaten“ die Bau­
ern überhaupt Kredite erhielten, führte Franges auf die „Zuschüsse, welche die ausge-
wanderten Familienmitglieder aus Ubersee senden“, zurück, die als Sicherheit dienten.
„Auf Grund dieser Sicherheiten borgt der Dorfkrämer der Familie des Auswanderers
alle Lebensmittel, und diese Schulden sind es, welche auf die Flächeneinheit bezogen
den hohen Prozentsatz der Privatdarlehen gegenüber den Bankdarlehen im Küsten­
land“ (71,27%) ausmachten. Als „Ursache der Verschuldung“ und „traurigste Tatsa­
che“ wird die „relativ große Zahl der Bauernwirtschaften, welche mit ihren selbst
erzeugten Nahrungsmitteln nicht bis zur nächsten Ernte durchhalten können, sondern
auf den Zukauf von Lebensmitteln angewiesen sind“ angeführt. In der Küstenban­
schaft entfielen gar 73,78 % aller Wirtschaften auf diese Kategorie! Deshalb sei es
„vollkommen verständlich“, daß 41,4% aller Darlehen, welche die Besitzlosen und
52,2% der Darlehen, welche Bauernwirtschaften in der Größe von 2-10 ha aufnah-
men, der „Beschaffung von Lebensmitteln dienten.“273
Die Abhängigkeit vom Lebensmittelhändler, bei dem Waren auf Kredit genommen
wurden, der dann durch die Ernte bezahlt werden mußte, stürzte viele Bauern in den
Teufelskreis der Verschuldung, da sie schon wegen der hohen Zinsen nicht in der Lage
waren, die aufgenommenen Kredite zu tilgen.274 Wie sich die immense durchschnitt­
liche Verschuldung der dalmatinischen Bauern konkret auswirkte, zeigt fügendes
Schreiben möglicherweise plastischer als alle Statistiken. Aus dem Begleittext der Zah­
lungsaufforderung des Lebensmittelhändlers wird die Lebenssituation der vielen dal­
matinischen „tezaci“ und ihrer Familien deutlich. Dort hieß es:
„Lieber Freund! Ihnen ist gut bekannt, daß ich, trotz Einstellung aller Kredite für Landarbei­
ter, auch weiter massenhaft Landarbeitern Kredite gewährt habe.
Die Landarbeiter haben sich gehenlassen und tilgen die neuen Schulden nicht. Wundern Sie
sich nicht, wenn Sie auch bei mir Ihren Kredit verlieren, der ich mit Ihrer Mittellosigkeit
mitfühle. Falls meine Rechnungen nicht gezahlt werden, kann ich keine (Waren) mehr geben,

Vgl. die Resolutionen der Kammer, die die Regierung aufforderten „die Belastungen der Bür­
ger in Einklang mit ihren steuerlichen Möglichkeiten zu bringen“; ebenda, S. 199ff.
273 ebenda, S. 272ff.
274 Bereits 1924 beliefen sich die Schulden auf 100 Millionen Dinar, vgl. Mirosevic, Polozaj,
S. 98.

195
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

und bin auch gezwungen, die Bezahlung auf gerichtlichem Wege zu fordern, womit ich erfolg­
reich sein werde, da es ja Neuschulden sind. Im Falle, wenn ich Sie verklage, werden sie
schwere Kosten zu tragen haben und außerdem keinen Kredit bekommen können. Ihnen ist
gut bekannt, daß ich wieder gebe, wenn mir meine Forderungen bezahlt werden. Stellen Sie
sich nur vor, was es für eine Wohltat ist, wenn ein Bauer in den schwersten Wintertagen,
wenn der Flunger am Größten ist, zum Händler kommt und sicher sein kann, daß er Getreide
und übriges bekommt, was er braucht, weil er seine Schulden vom vorigen Jahr bezahlt hat,
und wie es jenem geht, der sie nicht bezahlt hat, und dem die Türen verschlossen sind, und
zahlen muß er obendrein gezwungenermaßen, weil er verklagt wurde. Wer bei mir nicht
bezahlt, den werde ich ohne Rücksicht verklagen und meine Forderungen eintreiben. Wenn
ich das nicht täte, würde ich bankrottgehen, und wenn es den Leuten darum nicht leid ist,
daß ich in Konkurs gehe, wieso soll ich sie denn bedauern.
Wer bei mir seine alten Schulden bezahlt hat, dann war es noch nie der Fall, daß ich ihn
wieder auf die Liste genommen habe und daß er kein Getreide bekommen hat; wenn ich
Ihnen gegenüber gut bin, dann müssen auch Sie mir gegenüber so sein.
Ich nehme getrocknete Sauerkirschen und Insektenpulver zum Tagespreis und zur Schulden­
zahlung, wie als Tauschgut für Getreide und Mehl an.
Soviel Ihnen zur Kenntnisnahme und daß Sie Ihr Verhalten danach ausrichten können. Hoch­
achtungsvoll Unterschrift für Juraj Jurisic.“

Abb. VI: Zahlungsaufforderung des Lebensmittelhändlers Juraj Jurisic aus Makarska


v. 30. Mai 1935
JURAJ JURlSlC - MAKARSKA - V t. ij i v . i „ j 5 ; 1 j a .
SKLADlSTE NA VELIKO: KOLONIJALNE ROBE I ZlVOTNIH NAMIRNiCA
2m n(M ko*i OnplünM ItMloalM. yomum ■ tutor*». - »«SOJAVIi JUBlfaC • mmam*
j* dccr-J di. _.-c j;. uapik.v.
kraUiti ••iaraijcrat.nl! i.a n fcijclio krt-lie
niviioa i riaije.
oradnici :u ce c-:i zupuu-ili, s>.cur.o?JlJ:.v
placor.J i.ia ocvih te se cuaiti, ozo i.sgu.-
krodit i -u uer.e koji a csjetiauc na -
KNJIOO VODSTVO jbI ne bu.-u pli-.ceni rauuni jasr.c jo, da yuk ..e_;c*A. da^a
■a oaco da 7im r.eaogu , r.egc za.v, priai.ijen pule.; oacUi
tra2iti ni.platu ,koju du dofciti jer Jp nwi dug, d t.-...
■7JUJ £.lu3iju kad Yaa tuzic irx-deta truSkova koji au tu.
a k ton», neuozeto deftiti kredita. Vanu Je dabro pczr.a:
da J'i>. kad oi ae platt du«, jjponovno dZanlslite tc.
ku Je to blagodat* katT jedan seljek U naj\esira aicskir.
daniica, kc.da naJ-vlSe vlr.oa glad.dolazi kod trgovce. i 3-
gurur. je da 6e dobiti zito i oetalo cto r.u Je potreba
Jer je platio «iwj dug iz proSle godine, a knko je or.z
kaJi ga nlje platio I vrate eu au zatvorena, a jsdnakc
icora da plati Bilora, Jer gb. se tuzi. Tko. jni ne piati i
o'-zim £u ga tuziti audu i a&platiti evöje. iüu-, ‘.cko
Pregltdortv mojlh knjlga, nalazim na Vaiem vr.raiuna nlU ozHa- uiiinlcr, anda bi je. prj.;uv, a ijudi ia »c
Um fakturt a btndsu od p&unr.:«, jd kuda da ja njih zeli.
Tko oi Je platio tufoj ‘*tari dug, joä nije r.J^nt .-
bio slucaj, da eam ga poyrajSi%A du»nije dobla Üto, _
»an Ja sprais Vus dobar, da budte l .Vi n&c'.o,
^rimao euhe Tiinje ifloSE Iz dnemu cijenu za m
nepodmlrtne. — Potto je UrmärMjMnfovet! prekoraUn, to Vas moUm platu dugora kao 1 zaraj%PU^(Qrfenicu i braune. ,- .
za btzodvlaäno Izravnanje^^^VYgpt , ' ■iroliko eaza Vita 8Ckv 1 enanja i' raynanja»
y- lMollm za Vaie daljnjf natogß. bUJeilm

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V ! JURAjTCimiÖ

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vT
Quelle: Privatbesitz. Die Aufforderung erging an Frau Manda Bekavac, Witwe des verstorbenen
Nikola aus Brela, „unverzüglich bis zum 15. August 1935“ die Schulden von 460 Dinar zu beglei­
chen.

196
Dorf und agrarische Lebenswelt

Festzuhalten bleibt, daß die meisten Bauern in Dalmatien von den Erträgen ihrer
„Zwergwirtschaften“ nicht leben konnten, und daß die wegfallenden Verdienstmög­
lichkeiten in Übersee die Lage noch verschärfte. Die „sozialen Motive als Ursache der
Verschuldung“, Sitte und Brauch, die „Normen schaffen auf dem Lande, welche stär­
ker sind als irgendeine (vernünftige) Überlegung“, fallen demgegenüber weniger ins
Gewicht, obwohl diese in der zeitgenössischen Literatur beliebte Erklärungsmuster
waren. Unbestritten ist, daß die Ausgaben für Hochzeiten, Mitgift, bei serbischen
Familien Hauspatronsfeier, Taufe, Totenmahl und Begräbnis „unter allen Umständen
beschafft werden“ mußten, „wenn die Familie in ihrem Ansehen, in ihrem sozialen
Range innerhalb ihres Lebensraumes nicht sinken will“. Doch „entscheidend in der
Problematik der Bauernverschuldung“, wie die dalmatinischen Ökonomen meinten,
waren solche Faktoren nicht.275
Wichtiger war sicher die 1932 einsetzende Krise der Geldinstitute. Vom Tag der Ein­
stellung der Goldeinlösung des englischen Pfundes an bemächtigte sich der Einleger
der jugoslawischen Banken eine panische Furcht und sie begannen, in Massen ihre
Einlagen abzuheben. Zwischen 1930 und 1934 sank der Stand der Einlagen um fast
die Hälfte, bis die Regierung die Zahlungspflicht für Banken vorübergehend aufhob.
Eine Kreditgewährung war zu dieser Zeit gänzlich ausgeschlossen und die verbliebe­
nen Einlagen waren für die Sparer nicht verfügbar. Dadurch stellte sich eine Kreditnot
auch bei ansonsten wohlhabenden Bauern ein, die gezwungen waren, sich Geld unter
schwierigsten Bedingungen anderwärts zu beschaffen. Die „Liquidierung der Bauern­
schulden“, die vom Staat in Angriff genommen wurde,276 konnte an den Ursachen
der Schwierigkeiten nichts ändern. Ertragsfähigkeit und Verkaufspreise für landwirt­
schaftliche Produkte blieben nach wie vor niedrig, ebenso wie oftmals deren Quali­
tät.277 Auch die „Verordnung über den Schutz von Bauernbesitz vor Zwangsversteige­
rung“ vom 12. Oktober 1939, die den Bauern der Banovina, somit auch Dalmatiens,
ein nicht-pfändbares Minimum von 20 Ar, samt Haus und Hof und einen halben
Hektar „bearbeitbares Land“ pro Familienmitglied, mindestens jedoch 3 Hektar, ga­
rantierte, löste nicht das Problem der geringen Produktivität.278
Der Geschäftsführer der Spliter Arbeiterkammer, der Sozialist Jerko Dorbic, drückte
die Situation, in der sich die dalmatinische Landwirtschaft der Zwischenkriegszeit
befand, 1929 im Telegrammstil fogendermaßen aus: Die Situation in Dalmatien sei

275 Zapisnik TOK 1935, S. 274f.


276 Vgl. „Gesetz über die Förderung der Landwirtschaft“ v. 6.9.1929; Dt. b. Franges, S. 280ff.
277 So sollte z.B. die Verwendung von Zucker bei der Weinherstellung durch ein Gesetz etwas
eingedämmt werde. 1934 wurden in Dalmatien 177.000 hl Weiß- und 507.500 hl Rotwein
hergestellt; vgl. Jugoslovenski Lloyd v. 8.2.1935. 1933 waren es 551.870 hl gewesen. Man ging
von einer Anbaufläche von ca. 40.000 ha aus, so daß der Durchschnittsertrag um die 17 hl
betrug.
278 Vgl. „Uredba o zastiti seljackog posjeda od ovrhe“ (Verordnung über den Schutz von Bauern-
besitz vor Pfändung) vom 12. Oktober 1939, in: Banovina Hrvatska (Hg.), Zakoni, uredbe,
naredbe itd., Svezak II., (Nr. 2729 Tisak i naklada knjizare St. Kugli Zagreb), Zagreb 1939.

197
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

gekennzeichnet durch „Relikte des Feudalismus (...); wenig Land, schlechtes Land,
schlecht bestelltes Land“. Von Ausnahmen abgesehen, lange es „weder für die Ernäh­
rung der Eigentümer noch der Landarbeiter; der wichtigste Zweig der Landwirtschaft,
der Weinbau,279 mit vielen Mängeln behaftet; hohe Produktionskosten, (die Produkte)
nicht attraktiv für den einheimischen Markt, keine Auslandsmärkte; primitive Viehhal­
tung, keinerlei Agrarindustrie.“280 Die ärmsten Gebiete Dalmatiens im Hinterland von
Trogir, die Gemeinden Lecevica, Muc, Biskupija, die Gegend um Drnis und Bukovica
waren akute, auch offiziell als solche gesehene, Notstandsgebiete, in denen öfter Hun­
gersnöte ausbrachen.281 Selbst aus den offiziösen (und oft geschönten) zeitgenössi­
schen Statistiken geht das hervor.282 Durchschnittliche Lebenshaltungskosten wurden
berechnet,283 Getreidepreise analysiert284 und das bäuerliche Wirtschaftsverhalten un­
tersucht. In jedem Fall wurde deutlich, wie schlecht im Zwischenkriegs-Jugoslawien
vor allem die ärmeren Bauern von der Landwirtschaft lebten. Es war allgemein be­
kannt, daß in vielen Regionen, u.a. in Dalmatien, „auch Bauern, die ihren eigenen
Grund und Boden besitzen, (...) nur allzuoft darauf nicht mehr ernten als so viel, daß
sie bis Weihnachten genügend Brot haben; darüber hinaus müssen in Dalmatien, in
der Herzegowina und auf den Inseln Ziegen und Schafe (Rinder haben nur besser
gestellte Landwirte), Kuhkohl, Kraut, allerlei wildwachsende Pflanzen, kurz alles Eß­
bare herangezogen werden, um durchzuhalten.“285 Die Zahl der besitzlosen ländlichen
Familien in Dalmatien wird in der zeitgenössischen Literatur mit 2.796 ohne Haus,
5.650 ohne Boden und 45.536 ohne Vieh angegeben.286 Wo lagen die Ursachen?
Das Problem der ländlichen Übervölkerung wurde als besonders drückend empfun­
den und für die Misere verantwortlich gemacht. Autoren, die zumeist der Kroatischen
Bauernpartei und deren Programm nahstanden, verwiesen darauf, daß auf dem Gebiet
der Küstenbanschaft 1931 auf 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche (Ackerboden,
Weiden, Obstgärten, Weinberge) 172 Personen entfielen, die allein von der Landwirt­
schaft lebten.287 Verglichen mit westeuropäischen Vergleichswerten (50 Bauern pro
100 ha) waren es in manchen Gebieten Dalmatiens mehr als 6 Mal soviele Bauern pro
100 Hektar. Am Schlechtesten in den ländlichen Gebieten sah es diesbezüglich in
Metkovic aus, wo statistisch 296 Bauern einen Hektar fruchtbaren Bodens zur Verfü­
gung hatten, in Sibenik kamen 240 und in Split sogar 323 Bauern auf 100 Hektar

279 „Entweder Weinanbau oder Auswanderung“ hieß die in Dalmatien oft gebrauchte bündige
Formel. Ein Höchststand der Weinproduktion ca. 775.000 hl wurde 1938 erreicht.
280 Dorbic, Jerko, Socijalna struktura Dalmacije, in: Privreda i radnici u Dalmaciji, S. 130.
281 Babic, Ivo, Prostor izmedu Trogira i Splita (Der Raum zw. Trogir u. Split), Kastei Novi 1991,
S. 196.
282 Savic, M., Nasa industrija, zanati, trgovina i poljoprivreda, Beograd 1933, S. 436f.
283 Dubic, S., Prilog istrazivanju seljackog gospodarstva, Krizevci 1933.
284 Franges, S. 85 u. 108.
285 ebenda, S. 116f.
286 Komadinic, M., Problem seljackih dugova (Das Problem der bauernschulden), Beograd 1934.
287 Bicanic, Agrarna prenapucenost, Zagreb 1940, S. 7.

198
Dorf und agrarische Lehenswelt

landwirtschaftlicher Nutzfläche. Damit lag die Region fast doppelt über dem gesamt­
jugoslawischen Durchschnitt. Noch ungünstiger war das Verhältnis, wenn man sich
nur die Relation zum verfügbaren reinen Ackerland ansieht. Auf 100 Hektar Acker­
land kamen im Kreis Split 486 Personen, in Sibenik sogar 651. Auf dem Dorf herrschte
ein eklatanter Arbeitskräfteüberschuß. Doch die Produktion blieb in einigen Gebieten
hinter den Konsumerfordernissen zurück. Arbeitskraft auf dem Dorf blieb auch zu
einem großen Teil ungenützt, weil nicht genug bearbeitbares Land vorhanden war.288
Wenn man obige Zahlen umrechnet, bei einer Gesamteinwohnerschaft der Küstenban­
schaft von 901.660 Einwohnern, von denen 753.164 in der Landwirtschaft beschäftigt
waren, was 83,5 % entsprach, kommt man bei einer Fläche von 19.653 km2, von der
1.203.031 ha produktives und 250.154 ha unproduktives Land war, auf folgendes Ver­
hältnis:289 Auf 1 Quadratkilometer (100 ha) entfielen 45,9 Einwohner; auf dieselbe
Fläche (100 ha) bearbeitbaren Landes waren es 62,7 und auf Ackerland sogar 301,2
Einwohner.290 Land- und auch Wassermangel kennzeichneten die Verhältnisse auf
dem Dorf.291
Es handelte sich bei der Überbevölkerung (bezogen auf das Produktionsniveau) um
ein generelles Problem im Königreich Jugoslawien: Im Zeitraum von 1918-1941
wuchs die Bevölkerung in ganz Jugoslawien viel schneller als die Anzahl neuer Ar­
beitsplätze außerhalb der Landwirtschaft; sie wuchs zehnmal schneller als Arbeits­
plätze in der Industrie geschaffen werden konnten, stellte Mijo Mirkovic fest.292 Die
allgemeine Folge dieser Entwicklung war auch im Falle Dalmatiens eine Überbevölke­
rung des Dorfes. Immer mehr Menschen mußten vom Ertrag der rückständigen Land-

288 Simoncic-Bobetko, Zdenka, Selo u Hrvatskoj 1918.-1934. godine - gospodarski aspekt (Das
Dorf in Kroatien 1918-1934 - Wirtschaftliche Aspekte), in: Povijesni prilozi (hrsg. v. Institut
za suvremenu povijest), Nr. 13/1994, S. 139-178, hier S. 139.
289 Die Gesamtfläche an produktivem Land in Dalmatien betrug demnach 1.232.371 ha. Sie ver­
teilte sich auf 137.167 (11%) ha Ackerland, 70.701 ha (5,5%) Weinberge, 33.460 ha (3,5%)
Olivenhaine, 4.860 ha (0,5%) Gärten, 10.832 ha (1%) Wiesen, 594.476 (50%) Weiden und
380.884 ha (30 %) Wälder. Doch wie Zdenka Simoncic-Bobetko richtig bemerkt, gab und gibt
es in Dalmatien außer auf den Inseln Mljet, Lastovo und Korcula kaum Wälder. Was die
Statistik als „Wald" bezeichnete, waren die Maccia-bewachsenen Karsthügel des dalmatini­
schen Hinterlandes. Schon die Arbeiterkammern bemerkten in ihren Berichten in den 20er
Jahren, daß auch die karstigen „Weiden“ in Dalmatien dem Vieh nicht ausreichend Futter
sichern würden. Man kann daher wohl davon ausgehen, daß das gesamte bearbeitbare Land
nur 246.188 ha umfaßte, was 20% der Gesamtfläche entsprach.
290 Vgl. Simoncic-Bobetko, S. 140 u. Franges, Otto, Problem relativne prenapucenosti u Jugosla-
viji, Beograd 1938. Danach war die allgemeine Durchschnittsdichte in der Primorska Bano-
vina 40,9 Ew. auf 1 km2. In Damatien kamen statistisch auf 1 km2 Ackerland 564,5 Einwohner.
291 Vgl. Bicanic, Rudolf, Agrarna prenapucenost - Gospodarska struktura Banovine Hrvatske/
Die agrarische Überbevölkerung - Die wirtschaftliche Struktur der BH), Nr. 3, Zagreb 1940
u. ders./Macan, Zeljko (Hg.), Kako zivi narod (Wie lebt das Volk), Bd. II, Zagreb 1939 od.
Herakovic, S., Provedba agrarne reforme (Die Durchführung der Agrarreform), Zagreb 1927.
292 Mirkovic, Mijo (Hg.), Grada za gospodarsku povijest Hrvatske (Quellen für die Wirtschaftge­
schichte Kroatiens), Knjiga 14, Zagreb 1962, Einleitung, S. V.

199
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Wirtschaft leben.293 Ein ökonomisch-agrarischer Teufelskreis entstand: Die wachsende


Dorfbevölkerung verlangte nach mehr landwirtschaftlichen Produkten, also Nah­
rungsmitteln. Die Rücklagenbildung wurde so erschwert, da weniger zum Verkauf
angeboten werden konnte. Die Folge war, daß kein Geld für Mechanisierung und
Spezialisierung der Produktion akkumuliert werden konnte. Daraus resultierte eine
sich ständig vergrößernde Kluft zwischen dem Modernisierungsbedarf der agrarischen
Produktion und dem steigenden Bedürfnis nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
Dazu kam die Tatsache eines größer werdenden Angebots an Arbeitskräften, was
durch die Konkurrenz der Landarbeiter untereinander zu stagnierenden und teilweise
sogar sinkenden Löhnen führte. Und zu all dem kam noch, daß die in Dalmatien
angebauten Produkte nur schlecht mit den in anderen Gegenden des Königreichs oder
vom Ausland importierten, rationeller erzeugten Nahrungsmitteln konkurrieren
konnten.
Entsprechend war der Stand der Mechanisierung extrem niedrig. In der Primorska
banovina waren drei Viertel der benützten Pflüge noch aus Holz, und mehr als die
Hälfte der Wirtschaften hatten weder eigenen Pflug noch Pflugsterzen. Von landwirt­
schaftlichen Maschinen ganz zu schweigen.294 Insgesamt wurden nur 9117 Eisen- und
27.339 Holzpflüge auf dem Gebiet der Küstenbanschaft gezählt, die Hälfte der Höfe
besaßen überhaupt keinen Pflug, vielmehr gruben sie die Erde mit einfachsten Grab­
werkzeugen um. Auch der geringe Einsatz von Düngemitteln verdeutlicht den Ab­
stand zwischen den modernisierten und mechanisierten Landwirtschaften der mittel-
und westeuropäischen Staaten mit derjenigen, wie sie an der Ostküste der Adria in
der Zwischenkriegszeit betrieben wurde.295 Auch im Hinblick auf die Zahl der Zug-

293 In nur einem Jahrzehnt, von 1921-1931, stieg auf dem Gebiet des neuentstandenen König­
reichs der Serben, Kroaten und Slowenen die Zahl der landwirtschaftlichen Bevölkerung, der
in der industriellen Produktion Beschäftigten und der abhängigen Personen um 1.445.000,
was 15,8% entsprach, und die Zahl der landwirtschaftlichen Haushalte wuchs um 222.000
oder um 12,7% an. Auf 100 ha Ackerland kamen, in ganz Jugoslawien, 130 in der Landwirt­
schaft erwerbstätige Bewohner (zur selben Zeit in Dänemark 36, in Deutschland 52, in Oster-
rreich 64, in Ungarn 72), vgl. Mirkovic, ebenda.
294 Simoncic-Bobetko, S. 145. Daten dazu bei Milosevic, B.D., Poljoprivredne sprave i oruda u
nasoj Kraljevini (Landwirtschaftliches Gerät und Werkzeuge in unserem Königreich), in:
Glasnik Ministarstva poljoprivrde i voda, Nr. 17, sijecanj-ozujak 1927., S. 44-58; Im Kgr.
SHS wurden 1920 u. 1925 statistische Erhebungen über die Ausstattung der Bauernhöfe
durchgeführt. Auch Franges (Socialökonomische Struktur, S. 81f.), Figenwald, Vladimir, Polo-
zaj seljastva u staroj Jugoslaviji (Stellung der Bauern im alten Jugoslawien), Zagreb 1952 od.
Postic, Stjepan, Nekoja fakta i uzrocnici poljoprivredne krize (Einige Fakten und Ursachen
f. die Landwirtschaftskrise), Zagreb 1927 bestätigen diese Befunde. Einen Überblick über
landw. Gerät gibt Bratanic, Branimir, Orace sprave u Hrvata (Pflugwerkzeug bei den Kroa­
ten), Zagreb 1939.
295 Fiegenwald, Vladimir, Polozaj seljastva u staroj Jugoslaviji (Stellung der Bauernschaft im alten
Jugoslawien), Zagreb 1952, S. 27f. Vgl. auch Sostaric-Pisacic, Karlo, Upotreba umjetnih gno-
jiva kod nas i u ostalim zemljama (Der Einsatz von Kunstdünger bei uns und in den übrigen
Ländern), in: Ekonomist, Nr. 1, Zagreb 1940, S. 1-11, wonach 1935/36 der Verbrauch von

200
Dorf und agrarische Lebenswelt

tiere oder den Einsatz von Kunstdünger blieb die kroatische Landwirtschaft weit
hinter der westeuropäischen zurück. Selbst wenn man den Weinbau als wichtigen
Landwirtschaftszweig an der Küste in Rechnung stellt, der keinen Ackerboden erfor­
derte, bleibt doch festzuhalten, daß beim Stand der Produktivkräfte in der Landwirt­
schaft in Dalmatien an eine Ernährung der Bevölkerung auf westeuropäischen Niveau
nicht zu denken war.296 Erschwert wurde die Situation noch durch den vorherrschen­
den Klein- und Kleinstbesitz (0-2, bzw. bis 5 ha), die schon von ihrer Größe (abgese­
hen von der Bodenkonfiguration) eine rationelle Bewirtschaftung nicht zuließen.
In Artikeln, die die „schwere Krise Dalmatiens“ Anfang der 30er Jahre beschrieben,
wurde errechnet, daß für die Ernährung der Bevölkerung um die 21.000 Wagen Ge­
treide benötigt, aber nur 8000 in ganz Dalmatien produziert würden.297 Entsprechen­
des galt auch für alle anderen Nahrungsmittel. Auch die 1930 registrierten 15.000
Menschen in Dalmatien, die Fischfang betrieben, davon keine 10% professionelle
Fischer, konnten die Bilanz nicht ins positive wenden.298 Tatsache war, daß nach allen
verfügbaren statistischen Daten die in der Landwirtschaft beschäftigten 3/5 der dalma­
tinischen Bevölkerung schlechter lebten als die 5 % in Handwerk, Handel, Industrie
und freien Gewerben Beschäftigten. Die „Angestellten und Bediensteten“ hätten
„trotz ihrer kleinen, nicht einmal für ein mittleres Leben genügenden Gehälter die
größten und sichersten Einnahmen“, befanden die Ökonomen.299 Die ländlichen dal­
matinischen Gemeinden „schafften es nicht, ihre Lethargie zu überwinden (...) und

Kunstdünger im jugosl. Durchschnitt für 1 ha bei 250 g lag, während z. B. für dieselbe Fläche
in den Niederlanden 109 kg und in Deutschland 72,7 kg aufgewendet wurden.
296 Franges, Otto, K problemu prenapucenosti u Hrvatskoj, in: Ekonomist, Nr. 1 -2/1942, S. 2-6.
297 Der Agronom Stanko Ozanic bemühte sich zeitlebens die Prouktivität der dalm. Landw. zu
erhöhen; vgl. seine Schriften: Vinogradarstvo na nasem primorju (Der Weinbau in unserem
Küstenland), in: Almanah Jadranske straze za 1926. godinu, Beograd 1926, S. 390-397; ders.,
Poljoprivredni problemi Dalmacije (Die landwirtschaftlichen Probleme Dalmatiens), in: Al­
manah Jadranske straze za 1927, Beograd 1927, S. 461-463; ders., Znacaj naseg Primorja za
drzavu (Die Bedeutung unseres Küstenlandes für unseren Staat), in: Almanah Jadranske straze
za 1928/1929, Beograd 1928, S. 637-712; ders., Put do slobodnog zadrugarstva (Der Weg zur
freien Genossenschaft), in: Jadranski dnevnik, Nr. 10, Split 1934, S. 21-22; ders. Poljopriv-
redne organizacije u Dalmaciji (Landwirtschaftsorg, in Dalmatien), in: Jadranski dnevnik,
Nr. 50, Split 1934, S. 10-11. Über sein Wirken informiert Zadarska smotra 1-2 (Ozanicev
zbornik), 1994.
298 Tatsächlich waren noch 1940 von insgesamt 6.900 Fischerbooten an der gesamten kroatischen
Adriaküste nur 345 mit einem Motor ausgestattet, während die anderen noch mit Rudern
oder per Segel betrieben wurden, daher war der Ertrag äußerst gering. Vgl. Soljan, Tonko,
Morsko ribarstvo (Meeresfischerei), in: Dugacki, Zvonimir (Hg.), Zemljopis Hrvatske (Geo­
graphie Kroatiens), 2 Bde., Zagreb 1942, S. 532-538, hier S. 534.
299 Dulibic, B., Teska kriza Dalmacije (Die schwere Krise Dalmatiens), in: Socijalna misao, Nr. 2
v. 01.11.1931, S. 37-42 u. Sitin, Tonci, Karakteristike gospodarskog stanja u Dalmaciji tridese-
tih godina 20. stoljeca (Charakteristika der Wirtschaft in Dalmatien in den 30er Jahren des
20. Jh.), in: Radovi Filozofskog fakulteta u Zadru- razdio povijesnih znanosti (20) 1993/1994,
Zadar 1994, S. 183-195, hier S. 184.

201
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

vegetierten weiter in Resignation vor sich hin“, um das traurige Fazit Otokar Lahmans
über die Entwicklung des Küstenstrichs um Makarska zu zitieren,300 obgleich auch
dort mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Schaffung des gemeinsamen Staates
ein neuer Aufschwung erwartet worden war.301 Aus den Zahlen der statistischen Jahr­
bücher geht jedoch hervor, daß in den nicht-urbanen Regionen auf keinem Gebiet
während der Zwischenkriegszeit größere Zuwächse erzielt werden konnten. Alle ge­
nerellen Kennzeichen der Agrarkrise im Gesamtstaat ließen sich auch in der Region
ausmachen.302
Die Frage, warum die dalmatinische Landwirtschaft so unproduktiv und die Lebens­
verhältnisse für die große Mehrheit der kleinen Landwirte so schlecht war, stellte sich
also auch schon den Zeitgenossen. Nicht nur der Landwirtschaftsminister Otto Fran-
ges forderte „eine intensive Tätigkeit auf dem Gebiet der Melioration, der Karstauffor­
stung und der Rationalisierung der Produktion“, „um auch diesen Landesteil zu befä­
higen, seinen Bewohnern auskömmliche Nahrung und Arbeitsgelegenheiten zu ge­
ben.303 Ausländische Gutachten zur strukturellen Verbesserung der Landwirtschaft,
wie es z.B. Hermann Gross 1937 im Auftrag der jugoslawischen Regierung erstellte,
empfahlen eine „schrittweise Entwicklung der Industrie“ und ergänzend „Struktur­
verbesserungen in der Landwirtschaft“. Diese sollten „der Bodenzersplitterung entge­
genwirken und das regionale Nord-Süd-Gefälle allmählich durch eine „ausgleichende

300 Lahman, Otokar Suvremena drustvena transformacija Makarske (Aktueller Wandel in M.),
in: Zbornik, Makarska 1970, S. 519-544, hier S. 525f.
301 Tudor, Gordana, Prilozi za povijest pomorstva na Makarskom primorju u razdoblju izmedü
dva svjetska rata (Beiträge zur Geschichte des Seewesens im Küstenland von M. während
der Perioden zwischen den Weltkriegen), in: Makarsko primorje Nr. 1/1990, S. 197-207, hier
S. 197.
302 Jackson, Marvin R., National Income and Product in Southeastern Europe before the Second
World War, in: ACES Bulletin, XXIV, 3 (1982), S. 73-103 u. ders., Agricultural Output in
Southeastern Europe, 1910-1938, in: ACES Bulletin, XXIV, 4 (1982), S. 49-87, hier zit. nach
Lampe, Belated Balkan Modernization, S. 31. An spezifischen endogenen Krisenursachen
führt Lampe an: „The expansion of grain cultivation and export in the Western and northern
land just after the war lost much of its rationale when the Hungarian and Austrian economies
began to recover. Nor should we minimize the problems of putting together a national market
for labor and Capital as well as for goods from territories whose economic relations with each
other had previously ranged from limited to non-existent. But the first Yugoslavia’s political
stalemate also played an important retarding role.“
303 Vgl. Franges, Sozialökonomische Struktur, S. 225. In seinen Ausführungen über den, seiner
Meinung nach bitter nötigen, „landwirtschaftliche Unterricht“ (S. 253-260) schildert der
Verf., daß „das Überbrücken der geschilderten Schwierigkeiten schier unmöglich erscheint“.
Er beklagt die schlechte Umsetzbarkeit der Lehrinhalte auf dem Dorf und bedauert, daß der
Unterricht „nach dem Kriege nicht mehr fortgesetzt wurde“. Sein Vorschlag lautete: „Es sollte
die Schule zum Bauern und nicht der Bauer zur Schule kommen, d.h. es sollte der Bauern­
junge in seinem gewohnten Milieu verbleiben, aber doch geschult werden. Zu diesem Zwecke
müßten erst Lehrbauern nach Religion und Nationalität getrennt (Hervorh. A. J.) erzogen
werden (...)“.

202
Dorf und agrarische Lebenswelt

Agrarverfassung“ überwinden. Auch wurde zum Einsatz „agrotechnischer Mittel“ zur


Verbesserung der Ertragslage und zur „Neulandgewinnung“ geraten.304 Sehr wenig
wurde davon in der Zeit zwischen den Weltkriegen in Dalmatien vorangebracht, um
die schwere soziale Lage der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung zu verbessern.
Für die Bauern selbst war es nicht erklärlich, warum sie „in der neuen Zeit“ nicht
mehr von ihrer Arbeit leben konnten. „Geld, alles und überall dreht sich alles nur
noch um Geld“ hieß es verzweifelt in einer Broschüre der Bauernpartei. Der Bauer
habe keines, noch bekomme er von irgendwem welches. Die „neue Ordnung“ habe
das Dorf „verändert, überschuldet, verseucht und in Streit und Hunger gestürzt und
wenn sie noch länger andauern sollte, wird sie das Dorf sicher auch vernichten.“305
In der wissenschaftlichen Diskussion findet sich schon damals der Verweis auf die
Erklärungsversuche von Aleksandr Cajanov306 und die Thesen des „Vaters des serbi­
schen Genossenschaftswesens“, Mihailo Avramovic,307 die die neuere Forschung
aufgenommen hat.308 Bei genauerem Hinsehen wurde deutlich, daß die Bauern ihr
Land „nicht als Kapitalanlage, sondern einfach als Arbeitsstätte und Grundlage der
Existenz“ ansahen.309 Auch Jozo Tomasevich führte die Unproduktivität der Land­
wirtschaft im Jugoslawien der Zwischenkriegszeit zurück auf die Dominanz subsisten­
zwirtschaftlicher Betriebsformen, Kapitalmangel, ungenügende Mechanisierung, un­
zureichende Kenntnisse bei der Anwendung moderner Bearbeitungsmethoden, einsei­
tige Anbaustruktur und Ineffizienz der Arbeitsleistung im System der Familienwirt­
schaft.310
Wie krisenverschärfend es gewirkt hat, daß „weder die Intensivierung noch die Exten-
sivierung der Landwirtschaft mit dem Bevölkerungswachstum Schritt“ gehalten hat,

304 Vgl. Zotschew, Theodor, Die Industrialisierung Südosteuropas, in: Südosteuropa-Jahrbuch 1


(1956), S. 141-156, hier S. 146; vgl. auch Zach, S. 524f. u. Calic, Sozialgeschichte Serbiens,
S. 75ff.
305 Vgl. Pavlek-Miskina, Mihovil, Zasto hrvatski seljak nije komunist (Warum der kroatische
Bauer kein Kommunist ist), Zagreb 1938, hier S. 12.
306 Vgl. Tschajanow (=Cajanov), Alexander, Die Lehre von der bäuerlichen Wirtschaft, Berlin
1923 (Nachdruck unter d. Titel: Die Lehre von der bäuerlichen Wirtschaft: Versuch einer
Theorie der Familienwirtschaft im Landbau, Frankfurt a. M./New York 1987).
307 Avramovic, Mihailo, Agrarna reforma i zemljoradnicki pokret (Die Agrarreform u. die Land­
arbeiterbewegung), in: Nova Evropa 2. Jg., Nr. 7 v. 21.05.1921 u. ders., Nase seljacko gaz-
dinstvo (Unsere Bauernwirtschaft), Beograd 1928.
308 Vgl. zuletzt Calic, Marie-Janine, Sozialgeschichte Serbiens 1815-1941. Der aufhaltsame Fort­
schritt während der Industrialisierung, München 1994, S. 67ff. m. Literaturangaben. Für den
dalmatinischen Bereich hat sich (bei einigen regional bedingten Besonderheiten) kein prinzipi­
eller Widerspruch ausmachen lassen zu den Befunden bezügl. bäuerlicher Ökonomik, Popu-
lärkuhur, Arbeits- und Freizeit und bäuerlichen Verhalten in den Forschungsarbeiten von
Hamza Alavi, Helmut Abrichter, Natalie Davis, Robert Redfield, James Scott, Keith Thomas,
Eric Wolf, Aristide Zolberg und vielen anderen.
309 Franges, Jugoslawischen Landwirtschaft, S. 76f.
310 Tomasevich, Peasant, S. 431ff.

203
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

ist eindrücklich zuletzt von Marie-Janine Calic am Beispiel Serbiens gezeigt wor­
den.311 Holm Sundhaussen hat darauf hingewiesen, daß die Landwirtschaft in ganz
Jugoslawien zwischen 1926 und 1956 (unter Ausklammerung der Kriegsjahre und
Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums), keinerlei Zuwächse zu verzeichnen
hatte. Vielmehr ergibt sich für diesen Zeitraum sogar ein „Minuswachstum“ von
0,5%.312 Auch ist bekannt, daß die Flächenerträge im jugoslawischen Durchschnitt
„in der ersten Hälfte der 1930er Jahre um 31 %, die Arbeitsproduktivität der männli­
chen Erwerbspersonen im Agrarsektor sogar um 57 % unter dem gesamteuropäischen
Durchschnitt“ lag.313
Stand der Forschung ist mittlerweile, daß sich ländliche Unterentwicklung und gerin­
ges Produktionsniveau mit Bodenknappheit und Kapitalmangel allein nicht erklären
lassen. Der „Mangel an Motivation und Kompetenz bei den Bauern, deren Wirt­
schaftsweise sich jeglichen kapitalistischen Rentabilitätskriterien entzog“, rückt dage­
gen immer mehr als Erklärung in den Vordergrund.314 Es scheint sehr plausibel, die
schlechten Lebensverhältnisse der Landbevölkerung in den südosteuropäischen
Agrarstaaten, „wesentlich auf ihr geringes Bildungsniveau“ zurückzuführen.315 Die
wichtige Rolle der Bildung im Prozeß gesellschaftlicher Entwicklung wird zunehmend
betont, und der Zusammenhang von Alphabetismus und Bruttosozialprodukt kann
inzwischen als nachgewiesen gelten. Wie der „funktionale Analphabetismus“ mit nied­
rigem „bäuerlichen Fertigkeitsniveau“ zusammenhängt, ist von Holm Sundhaussen
herausgearbeitet worden: „Nicht Bodenknappheit“ und auch nicht „ungleicher
Tausch“ zwischen Zentren und Peripherien des „Weltsystems“ oder „Abhängigkeit
vom internationalen Finanzkapital“, sondern Mangel an Kompetenz und ein am tradi­
tionellen „Bedarfsdeckungsprinzip“ orientierter Arbeitseinsatz der Bauern hätten ei-

311 Calic, Sozialgeschichte Serbiens, S. 237ff. Legt man bei der Berechnung der landwirtschaftli­
chen Bevölkerungsdichte ausschließlich Ackerböden zugrunde, so kommt sie zum Ergebnis,
daß sich im statistischen Mittel 1931 151,5 Bauern in Jugoslawien einen Quadratkilometer
Ackerland teilen mußten; 1937 waren es dann 156,8. Vgl. Franges, Otto, Problem relauvne
prenapucenosti u Jugoslaviji (Das Problem der relativen Überbevölkerung in Jug.), in: Arhiv
Ministarstva poljoprivrede 5 (1938), 11, 2-46, hier S. 7; zit. nach Calic, S. 237.
312 Sundhaussen, Holm, Die verpaßte Agrarrevolution. Aspekte der Entwicklungsblockade in
den Balkanländern vor 1945, in: Schönfeld, R. (Hg.), Industrialisierung und gesellschaftlicher
Wandel in Südosteuropa, München 1989, S. 45-60, hier S. 46f.
313 Moore, Wilbert E., Economic Demography of Eastern and Southern Europe, Geneva 1945,
S. 35.
314 Zur kontroversen Forschungsdisk. vgl. Calic, Marie-Janine, Bildung als Entwicklungsproblem
in Jugoslawien (1918-1941), in: Reiter/Sundhaussen (Hg.), Allgemeinbildung als Modernisie­
rungsfaktor, S. 103ff., die zurecht auch betont, „wie stark sich gerade die Vermittlung von
elementaren Bildungsinhalten auf die landwirtschaftliche Produktivität auswirkt“, ebenda,
S. 113.
315 Mayer, Martin, Elementarbildung in Jugoslawien (1918-1941). Ein Beitrag zur gesellschaftli­
chen Modernisierung?, München 1995, hier (mit Verweis auf Carlo Cipolla u. H. Sundhaus­
sen) S. 14 u. 212.

204
Dorf und agrarische Lebenswelt

nen breiten Entwicklungsschub über den Rahmen einer vorwiegend extensiven Wirt­
schaftsentfaltung hinaus verhindert.316 Mit guten Argumenten ist der „kapitalistische“
Charakter der „Jahrzehnte zwischen Feudalismus und Sozialismus“ in den Balkanlän­
dern in Frage gestellt worden, von dem in der „wirtschaftsgeschichtlichen Literatur
(...) wie selbstverständlich“ ausgegangen wird, der sich aber „in weiten Bereichen von
Wirtschaft und Gesellschaft“ der südosteuropäischen Agrarstaaten „nur ansatzweise,
partiell oder gar nicht nachweisen“ läßt. Die weit überwiegende Mehrheit der Gesell­
schaft, die Bauern, und darüber hinaus auch Teile des zahlenmäßig schwachen „Bür­
gertums“, standen dem „kapitalistischen Geist“ in der Zwischenkriegszeit nach wie
vor fremd gegenüber.317
Marktorientierung, Erwerbsprinzip, Kapitalverwertung und einen darauf basierenden
ökonomischen Rationalismus findet man auch auf dem dalmatinischen Dorf zwischen
den Weltkriegen kaum. In vergleichenden entwicklungsgeschichtlichen Studien ist be­
tont worden, daß erfolgreichen und breitenwirksamen Industrialisierungsprozessen in
der Regel eine Modernisierung der Landwirtschaft vorausgegangen sei.318 Wo eine
Modernisierung des primären Sektors ausblieb, kam auch die Industrialisierung nur
schleppend in Gang bzw. geriet - über kurz oder lang - in eine erneute Entwick­
lungsblockade. Die Balkanländer generell und auch die Region Dalmatien bieten dafür
reichhaltiges Anschauungsmaterial. Noch in der Zwischenkriegszeit befand sich der
agrarische Sektor in einer entwicklungsgeschichtlich bedingten Sackgasse. Ein ganzes
Jahrhundert, zwischen 1850-1950, des „annähernden Stillstands in der Entwicklung
der landwirtschaftlichen Produktivität“ auf dem Gebiet des jugoslawischen Staates
zeugt, in den Worten von Holm Sundhaussen, von der „verpaßten Agrarrevolution“
in diesem Bereich.319
Die strukturellen Defizite der Agrarwirtschaft in den Balkanländern, wie extrem ein­
seitige Nutzung des Ackerlandes zugunsten des Mais- und Weizenanbaus, primitive
Bewirtschaftungsweise, die nur in Ausnahmefällen über die Technik der Dreifelder­
wirtschaft hinausreichte, extensiv betriebene Viehwirtschaft, die von fortgesetzten
Qualitätsverlusten gekennzeichnet war, Fehlen jeglicher Ansätze für eine marktorien­
tierte Milch- und Molkereiwirtschaft und die fehlende bzw. mangelhafte Verflechtung

316 Sundhaussen, Holm, Historische Statistik Serbiens 1834—1914. Mit europäischen Vergleichs­
daten, München 1989, Einleitung, S. 21 -44, hier S. 28. Zu d. versch. Theorien vgl. die bibliogr.
Ang., in: ders., Neue Literatur zu Problemen der Industrialisierung und der nachholenden
Entwicklung in den Ländern der europäischen Peripherie, in: Südost-Forschungen 43 (1984),
S. 287ff.
317 Sundhaussen, Verpaßte Agrarrevolution, S. 45.
318 Senghaas, Dieter, Von Europa lernen. Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen, Frankfurt/
M. 1982, S. 27; Sundhaussen, S. 46.
319 Sundhaussen, Agrarrevolution, S. 46f, der sich auf Daten bei V. Stajic (Realni nacionalni doho-
dak Jugoslavije u periodima 1926-1939 i 1947-1956, in: Ekonomski problemi. Zbornik ra-
dova, Beograd 1957, S. 44) und Vladimir Stipetic (Poljoprivredna proizvodnja na danasnjem
podrucju FNR Jugoslavije 1929-1955, in: Ekonomski problemi. Zbornik radova, Beograd
1957, S. 124) stützt.

205
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

zwischen primären und sekundären Wirtschaftssektor, kennzeichneten auch die


Agrarproduktion in Dalmatien.320 Nur Bodenzersplitterung bzw. ländliche Überbe­
völkerung als Ursache für die Entwicklungsblockade im agrarischen Sektor zu benen­
nen, stellt Sundhaussen fest, komme einer Tautologie gleich. Ländliche Übervölkerung
vermag Rückständigkeit nicht zu erklären, sondern ist eben ihrerseits eine Folge bzw.
eine Erscheinungsform von Rückständigkeit. Sie ist nicht die unabweisbare Konse­
quenz einer wachsenden Bevölkerung, sondern Ausdruck eines Mißverhältnisses zwi­
schen dem Wachstum der Bevölkerung auf der einen und dem Wachstum an gesell­
schaftlicher Kompetenz und Produktivität auf der anderen Seite. Ist das Stadium der
Überbevölkerung allerdings einmal erreicht, so wirkt sich die relative Bodenknappheit
(zumeist verbunden mit starker Parzellierung der Höfe) kumulativ erschwerend auf
die Überwindung der Rückständigkeit aus.321
Trotz des konstatierten Arbeitskräfteüberschusses auf dem Balkan in Millionenhöhe
sieht Sundhaussen im „Knappheitsfaktor Arbeit“ den entscheidenden Grund für die
gescheiterte Agrarmodernisierung und weist das auch am serbischen Beispiel nach.322
Der „Mangel an Motivation und Kompetenz“ verhinderte nicht nur in Serbien einen
„Entwicklungsschub“. Auch im armen Dalmatien, wo die Böden weder reichlich vor­
handen noch besonders fruchtbar waren, wurde der Arbeitsaufwand durch die beiden
Faktoren Motivation und Kompetenz gesteuert. Seinen Weinberg oder Olivenhain
bestellte man, wie man es von seinem Vater gelernt hatte und wie auch alle anderen
im Dorf ihre bestellten. Außerhalb des Einzelnen existierte ein kulturelles System.
Bei diesem System handelt es sich um „strukturell sehr stabil verankerte Formen des
gesellschaftlichen Handelns, Denkens und Fühlens, die langfristig gewachsen und
auch nur langfristig sowie aufgrund intensiver kollektiver Anstrengungen veränderbar
sind.“323 Dabei läßt sich „die Steuerung des Arbeitseinsatzes (...) zweifellos nicht mit
den Kategorien der modernen Nationalökonomie fassen“, was aber nicht bedeutet,
daß das Verhalten dieser Bauern „irrational“ gewesen wäre. Nach Cajanov bemißt
sich der Grad der „Selbstausbeutung“ nur eben nicht an kapitalistischen Rentabilitäts­
kriterien, sondern ausschließlich an der Gegenüberstellung subjektiver Bewertungen
gemäß dem traditionellen „Bedarfsdeckungsprinzip“.324 Die von Holm Sundhaussen

320 Sundhaussen, Die verpaßte Agrarrevolution, S. 49 u. ders., Historische Statistik, Abschnitt


Landwirtschaft.
321 ebenda. Der Verweis auf die Studie des International Institute of Agriculture: Population and
Agriculture, with Special Reference to Agricultural Overpopulation, Geneva 1939 (Technical
Documentation for League of Nations, European Conference on Rural Life, 1939, Publica-
tion No. 3) und zahlreiche Studien, wie z. B. Moore, S. 55ff; Bicanic, Agrarna prenapucenost,
Zagreb 1940; Mirkovic, Die Bevölkerungsentwicklung Jugoslawiens und das Problem der
agrarischen Überbevölkerung, in: Weltwirtschaftliches Archiv 50 (1939), S. 98ff; Tomasevich,
Peasants, S. 308ff., macht deutlich, wie verbreitet dieser „gedankliche Zirkelschluß“ war.
322 Sundhaussen, Verpaßte Agrarrevolution, S. 52ff.
323 ebenda; vgl. Dürkheim, Emile, De la division du travail social, Paris 1893.
324 Tschayanoff (=Cajanov), A., Zur Frage einer Theorie der nichtkapitalistischen Wirtschaftssy­
steme, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 51 (1924), S. 577ff.

206
Dorf und agrarische Lebenswelt

angeführte Analyse der „ökonomischen ratio der Familienwirtschaft“ von Hans Me-
dick trifft auch auf die durchschnittliche dalmatinische Bauernfamilie, v. a. in den abge­
legeneren Dörfern, zu:
„Als zentrales Merkmal der eigentümlichen ökonomischen ratio der Familienwirtschaft er­
scheint es, daß ihre Produktionstätigkeit nicht von einem Interesse an der Erzielung eines
monetären Surplus und eines Nettogewinns bestimmt ist. (...) Ihr Produktionsziel ist es statt-
dessen, die ökonomisch und sozial-kulturell normierten Grundbedürfnisse familiärer Subsi­
stenz mit dem familiären Arbeitsaufwand in einer „labour-consumer-balance“ (D. Thorner)
zum Ausgleich zu bringen. Auch wenn die von der Familie produzierten Güter objektiv als
Waren in - durch das Handelskapital vermittelte - Markt- und Geldbeziehungen eingingen,
verhält sich die Familienwirtschaft zum Tausch wie ein Produzent von Gebrauchswerten. Es
zählen für sie Brutto-Erträge, keine Netto-Gewinne.“325

In einem Modell für die „kognitive Ordnung traditioneller Bauerngesellschaften“, das


der Anthropologe George Foster entwickelt hat, beschreibt er eine „vormoderne“
bäuerliche Mentalität, die auch bei den dalmatinischen Bauern, vor allem bei denen
aus der Zagora, anzutreffen war. Jedenfalls lassen sich viele Klagen der bäuerlichen
„Rückständigkeit“ seitens städtischer Aufklärer oder von Aktivisten der politischen
Parteien über den „Fatalismus“ und die „Gleichgültigkeit“ der Bauern so verstehen.
Foster spricht von der „Vorstellung eines begrenzten Gutes“. Er vermeint in der bäu­
erlichen Mentalität den Zug zu erkennen, daß Bauern von allen Dingen, die für ihr
Leben Wichtigkeit hatten, wie Land, materieller Reichtum, aber auch sozialer Status,
Macht, Einfluß, Sicherheit, wie auch nicht-faßbare Güter, wie Gesundheit und sogar
Gefühle, annahmen, daß sie nur “in finite quantity “ existieren und immer Mangelware
seien. Aus dem Bewußtsein heraus, daß es nicht in seiner Macht liege, die gegrenzten
Mengen“ zu vergrößern, erfolge dann der Schluß, daß auch jeder Versuch eines Einzel­
nen oder einer Familie ,mehr“ zu bekommen, auf Kosten von anderen gehen muß.
Daraus resultiere die Vorstellung, daß jede Veränderung bzw. Verbesserung gleichzei­
tig eine Bedrohung aller anderen darstellt, die, in solch einem geschlossenen Weltbild,
dann notwendigerweise ,weniger“ haben. Entsprechend bestimme sich auch die bäuer­
liche Stellung zu Reichtum: „One works to eat, but not to create wealth. Wealth like
land, is something that is inherent in nature. It can be divided up and passed around
in various ways, but within the framework of the villagers’ traditional world, it does
not grow.“326

325 Medick, Hans, Zur strukturellen Funktion von Haushalt und Familie im Übergang von der
traditionellen Agrargesellschaft zum industriellen Kapitalismus: Die protoindustrielle Fami­
lienwirtschaft, in: Conze, W. (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas,
Stuttgart 1976, S. 262f., hier zit. nach Sundhaussen, Verpaßte Agrarrevolution, S. 53. Auch
Ernst Wagemann (Der neue Balkan. Altes Land - junge Wirtschaft, Hamburg 1939) vertrat
eine ähnl. Auff. v. balkanisch. Bauern; vgl Sundhaussen, Transformation, S. 332.
326 Foster, George, Peasant Society and the Image of Limited Good, in: American Anthropologist
67 (1965), S.296f.

207
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Es ist plausibel dargelegt worden, daß sich die Modelle von Cajanov und Foster un­
schwer auf die „Ökonomik“ der südslawischen Hauskommunion, der Zadruga, über­
tragen lassen. Es blieb bei der „vormodernen Wirtschaftsweise der ehemaligen Haus­
genossen, die sich nach wie vor nicht an den Postulaten der Volkswirtschaftslehre,
sondern am Bedarf, nicht am kapitalistischen Gewinnstreben, sondern an der vorkapi­
talistischen „Idee der Nahrung“ (Sombart) ausrichteten. Eine vorteilhafte Agrarkon­
junktur wurde von den balkanischen Bauern nicht etwa durch Steigerung der Produk­
tion, sondern eher durch Einschränkung der Erzeugung und partiellen Rückzug vom
Markt, also durch Reduzierung der Arbeitskraftanspannung, beantwortet. Auch in
Dalmatien wäre es in den Zwanziger Jahren sicher kaum einem Bauern eingefallen,
nach einem guten Jahr neue Vorratskeller zu bauen, geschweige denn darüber nachzu­
sinnen, wie ein guter Ertrag noch gesteigert werden könnte.
Die „qualitative Dimension“ des Faktors Arbeit steht in „Wechselbeziehung mit der
Verbesserung des Bildungs- und Informationsniveaus. Ohne entsprechendes know-
how bleibt eine erhöhte Arbeitsleistung zwar nicht wirkungslos, unterliegt aber früher
oder später dem Gesetz des abnehmenden Arbeits- und Bodenertrags. Die Ablösung
der primitiven Brandrodewirtschaft und des Zwei- oder Dreifeldersystems durch eine
geregelte Fruchtfolge, die Verwendung organischen Düngers, die Einführung neuer
Kulturen oder die einfache Bearbeitung landwirtschaftlicher Produkte (wie etwas das
Dörren von Pflaumen) erforderten nur verhältnismäßig wenig flüssiges Kapital, dafür
aber einen Kenntnis- und Informationsstand, der den balkanischen Bauern des vorigen
Jahrhunderts erst vermittelt werden mußte.“327
Das ist gemeint, wenn die Rede davon ist, daß diese Agrargesellschaften nicht nur mit
einem literarischen, sondern auch mit einem funktionalen Analphabetismus zu kämp­
fen hatten.
Ausschlaggebend für die Konservierung rückständiger Bewirtschaftungsmethoden
war der Umstand, daß die in Gewohnheit und Sitte verankerten gesellschaftlichen
Verhaltensweisen nicht aufgebrochen werden konnten. Um es in den Worten Holm
Sundhaussens zu sagen: „Die politischen Führungsschichten auf dem Balkan haben -
von wenigen Ausnahmen abgesehen - die Bedeutung des Agrarsektors für die ge­
samte Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft grob unterschätzt. Die Überwin­
dung des traditionellen sozio-kulturellen Systems auf dem Lande erforderte eine in­
tensive Aufklärungs- und Bildungsarbeit, bei der mit schnellen Erfolgen nicht zu rech­
nen war. Und dazu fehlte den Regierungen sowohl der Wille als auch die Geduld. Die
Bauern blieben deshalb, was sie unter den fremden oder einheimischen Grundherrn
seit jeher gewesen waren: die misera plebs contribuens.“328 So sehr leider das düstere
Fazit Holm Sundhaussens zutrifft, daß das traditionelle Dorf als multifunktionale
Institution im Modernisierungsprozeß restlos zerstört wurde, so hielten sich doch
noch manche Refugien der Subsistenzproduktion, wo es eine Anzahl der dalmatini-

327 Sundhaussen, Verpaßte Agrarrevolution, S. 56.


328 ebenda, S. 60.

208
Dorf und agrarische Lebenswelt

sehen Bauern schaffte wenigstens den eigenen Lebensmittelbedarf zu decken und den
Mühlen entfremdender Industriearbeit zu entgehen. Doch grundsätzlich ließ auch an
der Adriaküste und ihrem Hinterland die Transformation der vorkapitalistischen Pro­
duktionsverhältnisse eine von den Führungsschichten verratene, weitgehend hilflose,
unzulänglich gebildete Masse von Klein-, Zwerg- und Parzellenbauern zurück, die in
der Erfüllung nationaler Forderungen nun versucht waren ihre Rettung zu sehen.329
Doch das Bild der abergläubischen und rückständigen Bauern im dalmatinischen Hin­
terland, die der Meinung waren, daß „Alkohol vorbeugend und heilend bei Malaria
wirkt“, ist sicher ergänzungsbedürftig, ohne dadurch einem „romantisierenden Bild“
vom Dorf und Landleben anhängen zu wollen.330 Viel zu selten wird jedoch hervorge­
hoben, daß die Bauern, und das gilt mit Sicherheit auch für Dalmatien in der Zwi­
schenkriegszeit, nicht nur passive Objekte sich vollziehender gesellschaftlicher Verän­
derungen waren, sondern sehr wohl eigene Vorstellungen und Interessen mit einzu­
bringen versuchten.331 Die Selbstorganisation der Bauern in Genossenschaften zum
Beispiel war, trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten, der Versuch der dalmatinischen
Bauern, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Damit soll nicht bestritten werden,
daß die Genossenschaften auch in Dalmatien natürlich nicht ersetzen konnten, was
fehlte oder knapp war, wie Unternehmertalent, Kapital, Erfahrung im Umgang mit
der Markt- und Geldwirtschaft oder betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Wie andere
südosteuropäische Regionen auch, war Dalmatien, wie dargestellt, von vormodernen
Familienformen, Armut und mangelnder Bildung der Bevölkerung, v. a. aber geringer
Ausrichtung auf die Marktproduktion gekennzeichnet.
Als Haupthindernis für die Einführung produktiverer Anbaumethoden erwies sich
der niedrige Stand der Ausbildung. Schon was die Elementarbildung anbetraf, waren
die Defizite gerade im Elementarschulwesen in Jugoslawien bei extremen regionalen
Entwicklungsunterschieden immens.332 Wo lediglich die Hälfte der schulpflichtigen
Kinder zur Schule ging, wovon wiederum nur ein Bruchteil eine weiterführende
Schule besuchte, war an eine Umsetzung moderner agrotechnischer Erkenntnisse
nicht zu denken.333 Dalmatien repräsentierte auch im Hinblick auf das Schul- und
Ausbildungswesen etwa gesamtjugoslawischen Durchschnitt.
Mit Bezug auf die Vermittlung nationaler Bildungsinhalte läßt sich fragen, wie sich
die Erhöhung von „geistiger Mobilität“ durch Bildung und die postulierte „Individua­
lisierung und (...) größere Unabhängigkeit des Einzelnen gegenüber den überlieferten

329 Vgl. Sundhaussen, Transformation des Dorfes, S. 335 u. Stipetic, Vladimir, The Development
of the Peasant Economy in Socialist Yugoslavia, in: Stojanovid, Radmila (Hg.): The Functio-
ning of the Yugoslav Economy, New York 1982, S. 166-199.
330 Mayer, S. 211 u. 213.
331 Karaman, Igor, Tradicionalne seoske institueije u procesima modernizaeije (Traditionelle dörf­
liche Institutionen im Modernisierungsprozeß), in: Nase teme 33 (10) 1989, S. 2635-2652.
332 Vgl. Calic, Bildung als Entwicklungsproblem in Jugoslawien (1918-1941), S. 104f.
333 Zu Dalmatien vgl. Mayer, S. 43; die Analphabetenquote (über 6 Jahre) gibt er für die Region
mit 72,2% an für das Jahr 1900, bei 457 Elementarschulen im Jahr 1908, was bedeutet, daß

209
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Werten und Gewohnheiten der Gemeinschaft“ (Mayer) im Hinblick auf politische Ori­
entierung auswirkte. Die Folge von Bildung und Aufklärung waren in Dalmatien nicht
nur höhere Hektarerträge, sondern anscheinend auch eine wachsende Neigung zur An­
nahme bestimmter Ideologieangebote. So erreichte die Genossenschaftsidee und die von
der Kroatischen Bauernpartei propagierte „Bauernideologie“ ihre Adressaten im dalma­
tinischen Dorf, im Gegensatz zu jugoslawistisch-unitaristischen Anschauungen oder
sozialistischer Agitation. Im Vergleich zu der Entwicklung und Rezeption sozialisti­
schen Gedankengutes in den Küstenstädten - vor allem unter den Industriearbeitern
von Split und Sibenik - läßt sich wohl für das dalmatinische Dorf feststellen, daß es von
marxistischen Strömungen so gut wie unberührt blieb. Zwar blieb der ,Kampf um ein
eigenes Stück Land“ auf dem Dorf ständig aktuell, besonders seit dem Auftauchen und
der Entwicklung der politischen Parteien in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahr­
hunderts, doch mit Klassenkampf im Sinne der organisierten Kommunisten hatte das
nichts zu tun. In den Gerichtsakten der Prozesse von Landbesitzern gegen nicht abgabe­
willige Kolonen begründeten die Bauern ihren Standpunkt oft auch weiterhin damit,
daß das Land Gott gehöre und demjenigen, der es bearbeitet.

d) Politisierung und Selbstorganisation auf dem dalmatinischen


Dorf nach 1918

Es läßt sich schwer bestreiten, daß die Bauern in Südosteuropa überwiegend nur „pa-
ternalistisch instrumentalisiertes Objekt der Politik (und) nie wirklich eingebunden in
den Partizipationsprozeß“ waren. Doch sie nur als „Manipulationsmasse“ in den Hän­
den der Führungscliquen zu sehen, wird zumindest den dalmatinischen Bauern nicht
ganz gerecht.334 Seit der Jahrhundertwende war es in Dalmatien möglich geworden,
dauerhafte politische Aktivität auch außerhalb der städtischen Führungsschichten in
Gang zu setzen, wie das Beispiel der Kolonenbewegung vor 1914 bewies. Eine zu­
nehmende Dichte sozialer Kommunikation, wirtschaftlicher Modernität und sozialer
Differenzierung hatte die Bauern im modernen Sinne politisch ansprechbar werden
lassen. Zwischen Jahrhundertwende und Erstem Weltkrieg fand ein wesentlicher Um­
formungsvorgang statt, wie gezeigt worden ist, und machte „den Bauern zu einem
politisch präsenten Faktor“.335 Endgültig mit der Einführung des allgemeinen Män-

im Schnitt 1 Schule auf 1.360 Einwohner kam; die Zahl der Sekundarschulen betrug im selben
Jahr 7, was 1 Schule pro 88.786 Ew. entsprach; ebenda, S. 54.
334 Sundhaussen, Transformation, S. 329, mit d. Verweis auf Lange, Klaus, Versuch über südost­
europäische Politik. Studien zum Problem des historischen Subjekts in der politischen Theo­
rie, München 1979.
335 Schödl, Nationalpolitik, S. 157-178 u. „Fundamentalpolitisierung“ als Existenzbedingung na­
tionaler Politik, S. 178-186, hier S. 181.

210
Dorf und agrarische Lebenswelt

nerwahlrechts wurden die Bauern, bzw. deren politische Vertretung, in Kroatien zur
maßgeblichen Kraft.
Das ,Einsickern“ neuer Ideen in das dalmatinische Dorf vollzog sich unmerklich. Nach
1918 mühten sich die Vertreter aller politischen Parteien Anhänger auf dem Dorf zu
gewinnen, was aber (bis zum Siegeszug der Bauernpartei in den Zwanziger Jahren)
keineswegs in dem Maße gelang, wie sich das v. a. nationale Aufklärer aus den Städten
vorgestellt hatten.
Das galt auch, allen Stilisierungen zwischen 1945-1989 zum Trotz, für die Kommuni­
stische Partei. Selbst den „tiefen Eindruck der Oktoberrevolution auf die kroatischen
Länder“336 unterstellt, läßt sich doch eindeutig sagen, daß das dalmatinische Dorf für
kommunistische Agitation unempfänglich blieb. Der kroatische Bauer sei kein - und
könne auch kein - Kommunist sein, war die feste Überzeugung der Aktivisten der
Bauernpartei - er müsse „svoj na svom“ (sein eigener Herr auf seinem Eigentum) sein,
wie es die Gebrüder Radic gelehrt hätten. Dieser Glaubenssatz wurde in zahlreichen
Broschüren und Vorträgen immer wieder wiederholt und fand Anklang unter den
Bauern.337 Die Politik der KPJ dagegen stand im großen und ganzen den Problemen
des Dorfes verständnislos gegenüber.338 Die Anleitung des CK der KPJ „Wie man auf
dem Dorf arbeiten muß“, half den Aktivisten vor Ort wenig weiter. Zwar wurde die
„systematische Arbeit auf dem Dorf“ zur „wichtigsten Aufgabe“ erklärt. Der Klassen­
kampf auf dem Dorf, der angeführt von in „Zellen“ organisierten „armen Bauernmas­
sen“ gegen die „Wucherer“ und „Kulaken“ geführt werden sollte, kulminierte aber
nicht in Aufruhr und Revolution, wie das die Kommunisten erhofften.339 Die resigna-
tive Feststellung in der Parteizeitung „Der Proletarier“, daß „ohne starkes Netz an
Parteiorganisationen und Zellen auf dem Dorf die sozial und national unterdrückten

336 Vgl. Bozic, Cirkovic, Ekmecic, Dedijer, Istorija Jugoslavije, Beograd 1972, S. 432.
337 Vgl. Pavlek-Miskina, Mihovil, Zasto hrvatski seljak nije komunist (Warum der kroatische
Bauer kein Kommunist ist), Zagreb 1938, hier S. 24. Die bekannten Wahlsprüche der Bauern­
partei waren „Vjera u Boga i seljacka sloga!“ (Glauben an Gott und bäuerliche Eintracht) u.
„Svoji na svom, sretan ce biti nas hrvatski dom“ (Eigener Herr auf eigenem Grund, dann
wird unser kroatisches Heim glücklich sein). Ebd., S. 26 u. 27.
338 Das, was die spätere offizielle sozialistische Geschichtsschreibung in Jugoslawien dazu geäu­
ßert hat, lohnt kaum die Auseinandersetzung. Vgl. Jovanovic, Zarko, KPJ prema seljastvu
1919-1941 (Die KPJ und ihr Verhältnis zur Bauernschaft 1919-41), Beograd 1984, S. 5ff., wo
von „Spezifika der landwirtschaftlichen Produktion und der Entwicklung der Produktions­
verhältnisse in ihr“ die Rede ist, die die Politik der KPJ zur authentischen Interessenvertre­
tung der Bauern gemacht habe.
339 Die in der Broschüre „Die Kommunisten für das Wohl des Dorfes“ auf sechzehn Seiten
ausgeführten Parolen erinnerten in vielem an die Agitation der Bauernpartei. Der darin ange­
sprochene „Bauer unter dem Regime der großserbischen militärisch-faschistischen Diktatur
unter den Bedingungen der Agrarkrise“ konnte mit dem Ziel einer „Arbeiter-Bauern-Revolu-
tion“ aber nur wenig anfangen. Vgl. Proleter, 8-9, Sept.-Okt. 1934, S. 14 u. die Resolution
„Uber die Aufgaben der Arbeit unter den Bauern und national unterdrückten Massen“ v. 25.
u. 25.12.1934 bei Jovanovic, S. 20ff.

211
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

bäuerlichen Massen nicht zu erobern“ seien, machte deutlich, wie tief die Lücke zwi­
schen Anspruch und Realität klaffte.340 Doch sicher wirkte es politisierend, daß sie
mit solch radikal oppositionellen Anschauungen gegen ,die Macht', wie die Bauern
unterschiedslos alle Regierungsformen bezeichneten, in Berührung kamen. Mit der
beginnenden Industrialisierung und Entstehung der Arbeiterbewegung in Dalmatien
erfuhren dalmatinische Landarbeiter und Bauern etwas über Gedanken, die glauben
machen wollten, den Weg zur endgültigen Abschaffung des empfundenen Unrechts
weisen zu können. Die Bauern, die vom Dorf in die Stadt kamen, um als ungelernte
Arbeiter in der Zement-, Karbid- oder Fischkonservenfabrik von Split oder in den
Salzereien von Pag oder beim Schienenverlegen Lohnempfänger zu werden, kamen in
Berührung mit dem Leben in der Stadt, mit Agitatoren, die für die Gewerkschaften,
für den Sozialismus warben. Für sie stand die soziale Frage in der Stadt, der Klassen­
kampf zwischen Kapitalistenklasse und Proletariat, im Zentrum ihrer politischen Vor­
stellungen. Daher soll vor dem Versuch, die national bestimmten Politisierungsim­
pulse nach dem Ersten Weltkrieg auf dem dalmatinischen Dorf zu skizzieren, zunächst
kurz auf die sozialistische Agitation eingegangen werden.341
Die Januar 1919 gegründete dalmatinische „Allgemeine Landarbeitergemeinschaft“
(Opci tezacki skup) propagierte die Lösung der Agrarfrage auf sozialistischer Grund­
lage. Immer wieder wurde eine schnelle und gerechte Durchführung der Agrarreform
gefordert und die Bestrafung derjenigen staatlichen Organe, die anstatt die Reform
durchzusetzen sie sabotieren und den dalmatinischen Landarbeiter schikanieren wür­
den. Alle Zahlungen an die Kirche als Grundbesitzer wurden entschieden abgeleht,
was unter den dalmatinischen Landarbeitern populär war, genauso wie die Forderun­
gen nach Steuerbefreiung und kostenloser Krankenversicherung für die Bauern­
schaft.342 Ein Engagement auf Seiten der Linken rief es aber nicht hervor. Nach der
Gründung der Kommunistischen Partei rückte die Landfrage für die Kommunisten
ohnehin erst einmal in den Hintergrund. Die KPJ verabschiedete zwar auf ihrer III.
Landeskonferenz 1923 in Belgrad eine Resolution, in der die entschädigungslose „Ex­
propriation der Großgrundbesitzer“ gefordert wurde und die Verteilung des Landes
(mit Inventar) an die ärmsten Bauern, und der III. Parteitag der KPJ 1926 in Wien
blieb bei dieser Position, doch blieb das Dorf in der praktischen politischen Arbeit
außen vor. Die städtischen Sozialisten“, das merkten die Bauern bald, interessierten
sich recht wenig für die Zustände auf dem Dorf, und hätten sie den Antagonismus
von Bauer vs. Landbesitzer auch ernster genommen, so wäre es trotz allem schwierig
gewesen, ins Dorf vorzudringen. Sowohl die Regierung als auch die anderen Parteien,
vor allem die Kroatische Bauernpartei, wurden nicht müde, den Bauern ständig vor

340 Vgl. Proleter, 2-3, Febr.-März 1935, S. 8-9 u. Resolution des CK KPJ v. März 1935 bei
Jovanovic, S. 226.
341 Vgl. Janjatovic, Bosiljka, Povijesna literatura o sindikalnom pokretu u Hrvatskoj izraedu dva
rata (Historische Lit. zur Gewerkschaftsbew. in Kroatien zw. den Kriegen), in: CSP 1/1970,
S. 149-159.
342 Vgl. „Zemljoradnicki borac“ (Der Landarbeiterkämpfer) v. 3.11.1923.

212
Dorf und agrarische Lehenswelt

Augen zu halten, daß die Kommunisten ihnen das Land nicht verteilen, sondern im Ge­
genteil wegnehmen wollten, um es zu kollektivieren, und daß das Ziel der Kommunisten
die Errichtung einer Diktatur der Arbeiterklasse über die Bauernschaft war. Im allge­
meinen waren die Kommunisten in Orten nahe industrieller Zentren am erfolgreichsten
unter den Bauern, wo sie eine starke Basis unter den Arbeitern hatten. Doch daß die
Bauern deshalb mit ihrem Los zufrieden gewesen wären, läßt sich gewiß nicht aus der
Tatsache schließen, daß sie keine Anhänger der sozialistischen Revolution wurden.
Es ist schwierig, zu allgemeinen Aussagen für die ersten Jahre nach dem Krieg zu
gelangen, was Zustimmung oder Ablehnung nationaler Argumente auf dem Dorf be­
trifft, die von den Parteien vertreten wurden. Broschüren und mehr noch Auftritte
von Rednern der Parteien versuchten den serbischen wie den „kroatischen Bauer im
neuen Staat“, so der Titel eines unitaristischen Pamphlets von Milivoj Jankovic von
1919, auf ihre Seite zu ziehen.343 Der Wahlsieg der Kroatischen Bauernpartei in Dal­
matien, wo „das jugoslawische Bewußtsein am stärksten“ gewesen war, wie Josip
Smodlaka in seiner Analyse der Wahlergebnisse bei den Wahlen von 1923 schrieb,
schockierte die Anhänger des jugoslawischen Staates in den Städten.344 Die Enttäu­
schung über die Stimmung der dalmatinischen Bauern im Hinterland ist Smodlaka
anzumerken, wenn er von einem Besuch in einem Dorf vor dem Wahltag berichtet.
Dort, „auf den Wahlversammlungen, bei einem ansonsten ruhigen und zahmen Men­
schenschlag“, wie es der Bauer der Zagora ansonsten sei, hätte er erlebt, „wie die
Dorfjugend wie verrückt auf den Versammlungen schrie: Entweder alle für Radic,
oder wir zünden alle Häuser an und hacken alle Weinstöcke ab. Zu mir, der ich ihr
alter Bekannter und Freund bin, sprachen sie: Laß’ nicht zu, daß wir unter die Serben
kommen, dann sind wir alle für dich, aber du willst uns nicht von der Soldateska
befreien, und Radic schon“. Weiter berichtete Smodlaka: „Sogar die schwer Kranken
trugen sie einige Stunden lang auf Bahren, um keine einzige Stimme zu verlieren. Was
man noch nie zuvor gesehen hatte: in den entlegensten und verstreutesten Bergdörfern
nahmen an den Wahlen 90, und mehr als 90 Prozent der Wähler teil, während in den
Städten nur zwischen 60 und 70 von Hundert zur Wahl gingen. Hunderte Dörfer
stimmten wie ein Mann für vollkommen unbekannte Kandidaten von Radies Liste;
Leute, die in Dalmatien, nachdem sie gewählt wurden, niemand kennt und nach deren
Namen keiner fragt. (...) In keinen Wahlen bisher war dieses Volk so begeistert und
so einig (...) wie es bei diesen Wahlen einig für Radic war.“345
In den serbisch besiedelten Gebieten Dalmatiens dagegen, wo zu Anfang der 20er
Jahre die unitaristische Demokratischen Partei relativ stark gewesen war, schaffte es

343 Vgl. Jankovic, Milivoj, Hrvatski seljak u novoj drzavi (Der kroatische Bauer im neuen Staat),
Zagreb 1919.
344 Smodlaka, Josip, Znacaj Radiceve pobjede u Dalmaciji (Die Bedeutung von Radic’ Sieg in
Dalmatien), in: Srpski knjizevni glasnik IX/1923, 5, S. 371-378.
345 ebenda; vgl. auch die Analyse von Radic: Hrvatski seljacki republikanski plebiscit od 18.
ozujka 1923., (Das kroatische bäuerlich-republikanische Plebiszit vom 18. März 1923) in:
Slobodni dom XVII/1923, 13a, S. 2-3.

213
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

diese, mancherorts serbische „Bauernräte“ zu initiieren. Die „seljacka veca“ entstan­


den bereits 1920 durch eine Initiative Milan Pribicevics (des Bruders von Innenmini­
ster Svetozar) und des „Srpsko kolo“ v. a. in der Lika, der Banija, Slawonien und im
westlichen Bosnien. Diese Räte sollten Foren und Institutionen zur Politisierung der
serbischen Bauernmassen sein. Eindeutig waren sie gegen Radies Bauernbewegung
gerichtet. Ihnen war die Rolle eines .Bewahrers der staatlichen Einheit“ zugedacht, als
eine Art fester Mauer gegen Radies föderalistische Forderungen. Es war der offen­
sichtliche Versuch der Demokratischen Partei, dem kroatischen nationalen Interesse
die serbischen nationalen Interessen in Kroatien entgegenzusetzen.346 Vor allem nach
den ersten Wahlsiegen der Bauernpartei in den kroatischen Gebieten wurde versucht,
die serbische Minderheit auf nationaler Grundlage auch in Dalmatien zu mobilisie­
ren.347 Schon damals wurden Drohungen laut, man werde ein „kroatisches Irland“
schaffen, „falls die kroatische Frage“ von der HSS „auf die Tagesordnung gesetzt“
würde.348 Mit verschiedenen Mitteln bemühte sich die Demokratische und die Ra­
dikale Partei, die serbischen Bauern zu politisieren. Es vollzog sich eine analoge
Entwicklung zu der von der Kroatischen Bauernpartei in den übrigen Gebieten Dal­
matiens unterstützten Genossenschaftsbewegung, nur unter anderen nationalen Vor­
zeichen. In Norddalmatien sollte „ökonomisch und kulturell“ das „Niveau des serbi­
schen Volkes angehoben“ werden, in diesem Fall durch ein serbisches Genossen­
schaftswesen. Dasselbe, nur deutlich erfolgreicher, versuchte die Bauernpartei in den
kroatischen Dörfern.349 Doch auch national denkende Serben in Dalmatien zogen
nach 20 Jahren Jugoslawien eine negative Bilanz: Die „20 Jahre der neuen Ara“, seit
1918, seien „20 Jahre Trauer und Verzweiflung“ gewesen, hieß es. Der orthodoxe
Bischof (episkop) Irenej Dordevic unterstützte die serbische Genossenschaftsbewe­
gung nach Kräften, und die orthodoxen Pfarrer bildeten in den serbischen Dörfern
deren stabilsten Pfeiler.350 Staatliche Angebote für die Bauern gab es ohnehin kaum:
In Dalmatien gab es nur die Landwirtschaftsschule (Poljodjelska skola i kusaonica) in
Split mit einer Filiale in Glavica bei Knin, eine Musteranlage beim Staatsbesitz Vrana,

346 Vgl. Gligorijevic, Neki aspekti, S. 361f., der auch Pribicevics Drohung anführt: „Diejenigen,
die ein kroatisches Irland in Jugoslawien schaffen, müssen wissen, daß sie ein serbisches Irland
in Kroatien schaffen; denn ohne die Berücksichtigung des Willens einer halben Million serbi­
scher Bauern in Kroatien, läßt sich in Kroatien kein Frieden schaffen“.
347 Vgl. die zahlreichen Artikel wie z. B. in der Radikalen-Zeitung „Samouprava“ (Selbstverwal­
tung) v. 01.04.1923 oder Vreme (Die Zeit) III/1923 Nr. 462, S. 1.
348 Im „Obzor“ war schon 1919 der Vergleich mit Stellung und Forderungen Irlands und der
Iren mit den Kroaten beliebt, vgl.: U cemu je Hrvatska sliena Irskoj? (Worin gleicht Kroatien
Irland?), in: Obzor v. 02.07.1919; im Parlament gebrauchten slowenische und kroatische Op­
positionsabgeordnete öfter diesen Vergleich, vgl. Popovic, Stojan Protic i ustavno resenje,
passim. Nun griff der unitaristische Innenminister in Bezug auf die Serben in Kroatien dieses
Argument auf. Vgl. auch Krolo, Pregled literature, S. 627.
349 Vgl. Matic, Lazar, Glavna zadruga za narodno prosvjescivanje (Hg.), Severna Dalmacija nekad
i sad, Beograd 1939.
350 Radeka, S. 276f.

214
Dorf und agrarische Lebenswelt

Rebenstationen in Cibaca bei Dubrovnik, Kastei Sucurac und Sibenik, sowie Muster­
farmen in Kamenmost und Denovic in der Boka kotorska und eine Landwirtschafts-
Station in Sinj.351
Eine Analyse der Angebote, die die Kroatische Bauernpartei den Bauern in Dalmatien
machte, ist für das Verständnis der nationalpolitischen Orientierung der überwältigen­
den Mehrheit der dalmatinischen Bauern unerläßlich. Stjepan Radic hatte noch in der
letzten Sitzung des „Sabor“ zu Zeiten der Habsburgermonarchie, am 29. Oktober
1918, ganz im Masarykschen Sinne betont, daß der „Weg zur Freiheit über die Aufklä­
rung“ des Volkes, also der bäuerlichen Massen führe.352 Wie stand es um das Ausbil­
dungswesens in Dalmatien?

e) Die Bekämpfung des Analphabetismus als Hebel nationaler


Agitation

Der Bildungsstand der verschiedenen ethnischen Gruppen und Regionen Dalmatiens


hatte vor 1918 deutliche Unterschiede aufgewiesen. Die Analphabetenraten der italie­
nischen Minderheit in den Städten lag signifikant unter derjenigen der serbischen Be­
völkerung im Landesinneren. In den ,zurückgebliebensten“ Bezirken im dalmatini­
schen Hinterland - Benkovac, Knin, Sinj und Imotski erreiche die Analphabetenquote
bis zu 85%, nach anderen Angaben sogar bis zu 95%. Berücksichtigt man dieses
niedrige Ausgangsniveau noch 1880, wo sogar in den „urbanen“ Zentren wie Split die
Analphabetenquote noch um die 90 % betrug und im Hinterland noch darüber lag,
bleibt doch festzuhalten, daß die offiziell festgestellte Analphabetenquote seit 1880
kontinuierlich gesunken war.353 Ein Blick auf die folgenden Tabellen macht das deut­
lich:

Tabelle XV: Analphabeten in Dalmatien nach den Volkszählungsergebnissen 1880-1910


(in Prozent)

1880 1890 1900 1910

Kroatien 73,9 66,9 54,4 45,09


Slawonien
Dalmatien 87,4 82,9 72,9 62,91
Istrien 73,9 65,3 53,9 40,03

351 Für die Verbreitung neuer agronomischer Erkenntnisse sollte ein, wenig gelesener, „Poljodjel-
ski vjesnik“ (Agrar-Bote) sorgen.
352 Kulundzic, Zvonimir (Hg.), Stjepan Radic, Politicki spisi. Autobiografija, clanci, govori, ra-
sprave (S. R., Politische Schriften. Autobiographie, Artikel, Reden, Abhandlungen), Zagreb
1971, S. 313.
353 Gross, Mirjana, The Union of Dalmatia with Northern Croatia, S. 279.

215
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Nach Geschlecht unterschied sich die Fähigkeit, Lesen und Schreiben zu können
folgendermaßen (in Prozent):

1880 1890 1900 1910

männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich männlich weiblich


Kroatien 67,8 79,9 60,1 73,5 46,8 61,8 37,6 53,7
Slawonien
Dalmatien 82,0 92,6 75,7 89,9 64,8 80,6 52,6 72,7
Istrien 69,1 78,5 60,5 69,9 48,8 58,8 33,7 44,6

Quelle: Lecek, Suzana, Pokusaji smanjivanja nepismenosti u Banskoj Hrvatskoj pocetkom 20.
stoljeca, in: Radovi Zavoda za Hrvatsku povijest 26/1993, S. 123-150, hier S. 133 u. 135.

Nach Bezirken aufgeschlüsselt wurde 1910 in der Verwaltungshauptstadt Zadar (mit


bezeichnenderweise italienischer Sprachmehrheit) die geringste und im mehrheitlich
von Serben besiedelten Knin im Hinterland die höchste Analphabetenquote festge­
stellt. Auch wird aus folgender Statistik der gewaltige Rückstand zu den entwickelte­
ren Gebieten Österreichs deutlich:

Tabelle XVI: Analphabetenquote der dalmatinischen Bevölkerung (über zehn Jahre)


1910 nach Bezirken

Bezirk bzw. Land Bevölkerung Analphabetenanteil


an gesamter, männlicher, weiblicher
Bevölkerung

Dalmatien 462.117 62,82 % 52,65 % 72,75%


1900: 73,37%
Minimum: 13,19 26,49
Zadar (Stadt)
Maximum: Knin 77,10 92,13
Kotor 29,79 68,57
Dubrovnik 38,68 61,89
Split 54,89 69,63
Sibenik 55,38 79,45
Benkovac 72,13 90,77

Istrien 292.857 40,19 33,76 46,63


Krain 378.632 12,23 12,77 11,69
Niederösterr. 2.796.166 2,42 2,09 2,75

Quelle: Rom, Adalbert, Der Bildungsgrad der Bevölkerung in den österreichischen Alpen- und
Karstländern nach den Ergebnissen der letzten vier Volkszählungen 1880-1910, in: Statistische
Monatsschrift, N. F. XVIII (1913), S, 769-814, hier bes. 785, 805, 814, zit. nach Schödl, National­
politik, S. 141.

216
Dorf und agrarische Lehenswelt

Die Unterversorgung Dalmatiens mit weiterführenden Schulen vor 1914 war eklatant.
Die Schlüsselfunktion, die das Schulwesen bei der ,kulturell-politischen Identitätsfin­
dung' hatte, war in Dalmatien dadurch beeinträchtigt, daß die erdrückende südslawi­
sche Bevölkerungsmehrheit erst eine ,Ent-Italianisierung‘ des Schulwesens durchset­
zen mußte. In den Erinnerungen der Aktivisten der Wiedergeburtsbewegung (prepo-
rod) wurde das als „Kampf um die kroatische Sprache“ stilisiert. Um die Jahrhundert­
wende war dieser Prozeß abgeschlossen.354 Die Zahl der Grundschulen war von 157
im Jahr 1861 auf insgesamt 401 im Jahr 1918 in Dalmatien gestiegen, wobei in allen
Schulen, bis auf eine in Zadar, wo italienisch die Unterrichtssprache war, auf kroatisch
unterrichtet wurde. Bei den Mittelschulen (1861 neun an der Zahl) gab es nach dem
Weltkrieg 21, in denen der Unterricht ausschließlich auf kroatisch abgehalten wurde,
drei zweisprachige Schulen und in Zadar je eine auf deutsch und auf italienisch.355
Ende der 30er Jahre war die Zahl der Grundschulen in der Region auf 574 gestiegen,
in denen 70.000 Schüler von 350 Lehrkräften unterrichtet wurden. Es existierten zu­
dem noch 24 staatliche Mittelschulen mit 1.873 Schülern, eine technische Mittelschule,
drei Handelsakademien, zwei Mittelschulen des musischen Zweiges und einige berufs­
bildende Handwerks- und Lehrlingsschulen. Zwei Lehrerausbildungsanstalten mit
531 Referendaren, sieben staatliche Gymnasien und vier private, die zusammen von
5.228 Schülern besucht wurden, ergänzten das dalmatinische Ausbildungssystem.356
Unübersehbar gab es ein starkes Gefälle zwischen dem Küstenland und der dalmatini­
schen Zagora. Von den 21 Schulen im hauptsächlich serbischen Norddalmatien waren
vier staatlich, die übrigen 17 in kirchlich-orthodoxer Trägerschaft.357 Damit lag in

354 Schödl, Nationalpolitik, S. 142. Dort die Angabe, daß 1910 ca. 28.000 Kinder überhaupt keine
Schule besuchten u. es noch 1912/13, bei einer dalm. Gesamtbev. von ca. 650.000, nur 1233
Gymnasial- u. 777 Realschüler gab; vgl. auch Foretic, Drustvene prilike, S. 61 -64 u. v. a. Peric,
Ivo, Borba za ponarodenje dalmatinskog skolstva 1860-1918 (Kampf um die Nationalisie­
rung der dalm. Schulen), Zagreb 1974.
355 Kunicic, Petar, Spomenica starigradske zenske pucke skole, Sarajevo 1925, S. 30, hier zit. nach
Peric, Borba za ponarodenje, S. 149 u. 151.
356 Vgl. Ogrizovic, Mihajlo, Skolstvo i prosvjeta u Dalmaciji za vrijeme narodnooslobodilacke
borbe (Schul- u. Bildungswesen zur Zeit des Volksbefreiungskampfes), Zagreb 1984, Uvod
(Einleitung). Der Autor gibt die Einwohnerzahl für 1941 mit 721.000 bei einer Analphabeten­
quote von ca. 57%, in manchen Gebieten, wie den Kreisen Benkovac, Vrlika, Muc, Sinj u.
anderen sogar mit 80-90% an.
357 Vgl. Radeka u. Lezaic, Mirko, Proslost i sadasnjost osnovne nastave u Dalmaciji (Vergangen­
heit u. Gegenwart des Grundschulunterrichts in Dalmatien), Split 1922, wo der Verf. „das
Damoklesschwert des katholischen Prosyletismus über dem rechtgläubigen-orthodoxen Teil
unserer Rasse“ schweben sah, als vor der Vereinigung, „der serbische Teil unseres Volkes
wegen seines Glaubens bittere Prüfungen überstehen und das wahnsinnige Anstürmen des
römischen Fanatismus überstehen“ mußte (S. 6). Nur durch den „vollen und weit aufgefaßten
jugoslawischen Nationalismus“ (S. 7) sei das nun überwunden. Er führt für 1922 die Zahl von
insgesamt 898 Unterrichtskräften (399 Lehrer, 499 Lehrerinnen) in Dalmatien an. An den
Grundschulen 802 (338 m. 464 w.); an den städtischen 59 (34 m., 25 w.), Referendare 30 (26
m, 4 w.).

217
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Dalmatien im Kleinen vor, was auch den Gesamtstaat kennzeichnete. Wie ausgeprägt
das regionale Entwicklungsgefälle im Grundschulwesen in ganz Jugoslawien war, wird
deutlich aus folgender Aufstellung, die die Verteilung im Schuljahr 1931/32 zeigt:

Tabelle XVII: Schülerzahlen im Königreich Jugoslawien 1931/32

Schülerzahl pro Einwohner pro


Banschaft 1000 Einw. Volkssch. Klasse 100 qkm Schule

Drau 133 172 43 943 1289


Save 109 164 60 758 1503
Vrbas 53 137 66 260 2584
Küstenbanschaft 86 136 61 394 1532
Drina 67 158 59 374 2358
Zeta 70 88 42 215 1253
Donau 112 207 54 846 1853
Morava 90 136 61 500 1507
Vardar 71 100 47 302 1398
Belgrad 69 297 42 8336 1290
Gesamt: 92 150 54 513 1639

Quelle: Tujkovic, N. S., Statistika skola pod Ministarstvom prosvete na dan 15. maja 1932. god.,
Beograd 1933, S. 50f., hier zit. nach Calic, Bildung als Entwicklungsproblem in Jugoslawien,
S. 125.

Die „Bekämpfung des Analphabetentums - eine aktuelle Frage“ lautete die Schlag­
zeile von „Novo doba“ im Oktober 1920 also mit gutem Grund, als sich die Verhält­
nisse in Dalmatien scheinbar zu stabilisieren begannen.358 Die Zeitung ging dabei
davon aus, daß 64 % der Einwohner der Region weder des Lesens noch des Schreibens
kundig waren. Eine Aktion des „Bildungsbundes“ (Prosvjetni savez), von der Regie­
rung initiiert, wurde lebhaft begrüßt. Der 1. November wurde zum „Tag der Bekämp­
fung des Analphabetismus“ erklärt. In Dalmatien waren der Genossenschaftsverband
und der „Jugoslawische Klub der Akademiker, wie die patriotische Intelligenz und
die Wohlhabenden“ aufgerufen, diese Aktion durchführen.359 Rhetorisch fragte die
Zeitung: „Werden die Wahlen dabei nicht hinderlich sein? Nein, ganz im Gegenteil!
Gerade jetzt kommen die gebildeten Herren (gospoda) mehr als je in Kontakt mit den
Bauern, dann können sie auch ein paar Augenblicke, neben anderem, von der Bildung
sprechen. Richtige Volkspolitik (narodna politika) kann es ohne sie nicht geben“.360

358 Novo doba v. 27.10.1927. In den letzten 20 Jahren des 19. Jh., so schrieb die Zeitung, sei die
Analphabetenrate in Dalmatien von 89,3 % auf 78 % gefallen. Für Kroatien war von 47 % die
Rede, für Bosnien 88 % und der jugoslawische Durchschnitt wurde mit 75 % angegeben.
359 Zur Erwachsenenbildung Mayer, S. 145-173, der feststellt, daß diese zum allergrößten Teil
„von privaten Kulturorganisationen“ getragen wurde (ebenda, S. 146).
360 Novo doba v. 27.10.1927.

218
Dorf und agrarische Lebenswelt

Doch „Form und Inhalt“, sowohl der Erwachsenenbildung361 als auch solcher Aktio­
nen, entsprachen nur allzuoft „nicht dem Erfahrungshorizont der Bauern“.362 Diese,
wie sich die städtischen Zeitungen auszudrücken pflegten: „für unser ungebildetes
Volk, vor allem den weiblichen Teil, lobenswerten und wahrlich notwendigen“ Alpha­
betisierungskurse änderten bis zu den 30er Jahren nicht viel an der Misere. Der erste
Alphabetisierungskurs in Dalmatien war 1906 in Drnis angeboten worden. Doch nach
dem Krieg wiederholte sich in den städtischen Zeitungen oft dieselbe Klage: Organi­
sationen, wie der in der Stadt gegründeten „Volksfrauengenossenschaft“ („Narodna
Zenska Zadruga“) gelang es nicht, das Dorf zu erreichen; die von ihr angebotenen
Kurse stießen auf geringe Resonanz.363 Untersuchungen über die bürgerlichen Aufklä­
rungsgesellschaften in Kroatien-Slawonien haben auf den belehrenden, manchmal so­
gar ins Beleidigende gehenden Ton hingewiesen, den die „Aufklärer“ den Bauern ge­
genüber anschlugen, die sie, wegen deren angeblicher Faulheit und Unwissenheit für
„schuldig an dem schlechten Zustand der Nationalökonomie“ hielten.364 Nicht anders
drückten sich die Bürger an der Küste aus, wenn sie zum „ungebildeten Volk“ spra­
chen. Und der Analphabetismus war auch noch zu Beginn der 30er Jahre zweifelsohne
hoch:

361 Das galt aber auch für die Stadt; vgl. Narodno sveuciliste (Hg.), Narodno sveuciliste u Splitu
1925-1955 (Die Volkshochschule in Split 1925-1955), Split 1955. Auch der im September
1925 gegründeten Volkshochschule in Split gelang es nicht, ein größeres Publikum anzuspre­
chen. Deren Gründer kamen aus der „Jugoslavenska matica“ und wollten etwas für den
„kulturellen Fortschritt“ in der Stadt und der Umgebung tun. Es wurden Vorträge aus den
verschiedensten Gebieten der Wissenschaften und Künste angeboten. Einmal die Woche,
Sonntag Vormittags, versuchten die Aktivisten der Volkshochschule fortan, von November
bis Juni, Referenten zu gewinnen, die, wie es im Eröffnungsvortrag hieß, „zum Volke hinab­
steigen und in leicht faßlicher Form die Resultate ihrer Wissenschaft und die Errungenschaf­
ten der Zivilisation“ erläutern sollten. Durchschnittlich kamen 87 Hörer pro Vortrag. 1929/
30 waren es nur noch 10 Vorträge im Jahr, 30/31 nur noch fünf. Die Zeitungen kritisierten
die Unverständlichkeit so manches Vortrages, deren Gegenstände die Spliter nicht interessie­
ren würden. Bis zum April 1940 fand nur noch ein Vortrag statt. Vielleicht war es aber doch
mehr die erstickende Atmosphäre der monarchischen Diktatur nach 1929, die neben den
Geldproblemen der VHS die Vortragstätigkeit zum Erliegen brachte.
362 Martin Mayer führt als Bsp. auch eine erfolglose Plakataktion zwecks Gesundheitspropa­
ganda in Dalmatien an (S. 148), wo „die leseunkundigen Bauern zwischen dem auf dem
Plakat dargestellten und der beabsichtigten Botschaft keinen Bezug hersteilen konnten“.
Vgl. auch Petkovic, Ivo, Zdravstvena Propaganda u Dalmaciji (Gesundheitspropaganda in
Dalm.), in: Glasnik Ministarstva narodnog zdravlja 1921/7, S. 315. Hinweis auch b. Mayer,
S. 150.
363 Novo doba v. 21.05.1921, S. 3.
364 Vgl. „Gradanska prosvjetna drustva“ (Bürgerliche Aufklärungsgesellschaften), in: Lecek, Su-
zana, Pokusaji smanjivanja nepismenosti u Banskoj Hrvatskoj pocetkom 20. stoljeca (Versu­
che das Analphabetentum in Banal-Kroatien Anfang des 20. Jh. zu verringern), in: Radovi
26/1993, S. 123-150, hier S. 143ff.

219
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Abb. VII: Analphabeten über 7 Jahre in der Küstenbanschaft nach den


Volkszählungsergebnissen vom 31. März 1931

Quelle: Kraljevska Banska uprava Primorske banovine (Hg.), Upravno, sudsko i crkveno razdjel-
jenje i imenik prebivalista Primorske banovine po stanju od 1. maja 1938. Priredio Statisticki
ured u Zagrebu, Zagreb 1938, S. 3. (Je dunkler die Flächen schraffiert sind, desto größer die
Analphabetenquote in den entsprechenden Bezirken.)

Von den 713.196 Einwohnern der „Primorska banovina“ über 7 Jahren konnten, nach
den Angaben der Volkszählung vom 31. März 1931, demnach „lesen und schreiben
307.973 oder 43,18%“, „nur lesen 3.121 oder 0,44%“, während als „Analphabeten“
402.102 oder 56,38% in der Küstenbanschaft geführt wurden. Im Mittel der Städte
war der Analphabetismus mit durchschnittlich 28,3 % deutlich geringer.
Eine andere, und wie sich zeigen sollte, erfolgreichere Methode der Bekämpfung des
Analphabetismus als sie die staatlichen Stellen versuchten, initiierte die Kroatische
Bauernpartei mit ihren Kulturvereinen: Die 1925 von Rudolf Herceg gegründete „Sel-
jacka sloga“ (Bäuerliche Eintracht) bot nur in der Stadt die üblichen Alphabetisie­
rungskurse an. Auf dem Dorf dagegen sollten die Bauern sich anhand einer von Her­
ceg entwickelten Fibel selbst gegenseitig lesen und schreiben beibringen.365 Jeder, der
lesen und schreiben konnte oder es gerade gelernt hatte, sollte dann wiederum als
Lehrer für die anderen fungieren. Die „Seljacka sloga“ setzte also auf die Eigenverant­
wortung und das Engagement der Bauern. Bei einer Kampagne Ende der dreißiger

365 Vgl. Herceg, Rudolf, Nova Abecedarka za poucavanje odraslih nepismenjaka (Neue ABC-
Fibel zum Unterricht erwachsener Analphabeten), Zagreb 1926.

220
Dorf und agrarische Lebenswelt

Jahre wurden innerhalb eines Jahres über 76.000 Fibeln verkauft und verbreitet. Nach
Schätzungen des Vereins sollen damit etwa 100.000 Personen lesen und schreiben
gelernt haben, hebt Martin Mayer in seiner Untersuchung über die Elementarbildung
in Jugoslawien hervor.366 Doch nicht nur das lernten sie. Kroatisches Nationalbewußt­
sein wurde gleich mit vermittelt.367
Sicher war der Optimismus, den der Vorsitzende der Kroatischen Bauernpartei, Vladko
Macek, im September 1937 verbreitete, etwas hochgegriffen, als er betonte, daß die
Seljacka sloga dazu aufrufe, „überall, in jedem Dorf das Analphabetentum zu bekämp­
fen und die Lese- und Schreibfähigkeit weiter auszubauen. Jeder Mann und jede Frau,
die lesen und schreiben können, sollen es noch dreien beibringen, und diejenigen
dann wieder dreien.“ Er war sich sicher, „daß auf diese Weise in fünf Jahren keine
Analphabeten mehr unter den Kroaten sein werden“.368 Die Aktion, die mit diesem
Apell begann, rief „alle Kroaten“ zur Mitwirkung „an diesem wichtigsten modernen
Kulturprojekt“ auf. Die einen, um zu lernen, die anderen zu lehren und die dritten
(„v. a. Bürger“), um die Bewegung zu finanzieren. Dem dokumentierten Spendenauf­
kommen nach (bis Ende 1939 insgesamt knapp 2 Millionen Dinar) war die Aktion
durchaus ein voller Erfolg. Das ambitionierte Ziel, das einer der Vordenker und Ver-
fassser vieler Lehrfibeln, Rudolf Flerceg, vorgab, lautete: „Bis zur nächsten allge­
meinen Volkszählung (die 1941 geplant war) muß die Analphabetenrate bei den Kroa­
ten unter 10% fallen.“369
Nach dem „sporazum“ forderte die Regierung der „Banovina Hrvatska“ die ihr unter­
stellte dalmatinische Verwaltung in Split dazu auf, die Alphabetisierungsaktionen der
„Seljacka Sloga“ und des „ABC Klub“ stärker zu unterstützen“, um sicherzustellen,
die Analphabetenquote „bis zur nächsten Zählung 1941 auf 10% zu senken“. Alle
Schulen in Kroatien sollten sich an der Aktion beteiligen.370 Zweifellos war der Alpha­
betisierungsfortschritt, der erzielt wurde, erheblicher, als der statistisch erfaßte Rück­
gang des Analphabetismus um durchschnittlich ca. 1,5 % in der Küstenbanschaft. Wie

366 Mayer, S. 152f.


367 Vgl. Seljacka sloga Klub ABC Napredak (Hg.), Pokret za pismenost 1937-1939. Podatci o
sabranim prinosima i njihovoj upotrebi do 31.XII.1939. (Bewegung zur Alphabetisierung.
Daten über die gesammelten Beiträge und ihre Verwendung bis zum 31.12.1939), Zagreb 1940.
Vertrieben wurden billige Broschüren wie: „Sto je i sto hoce Seljacka Sloga“ (3 Din.) (Was ist
und was will die Bauern-Eintracht); Sabrana djela dra A.Radica (Gesammelte Werke A. R.),
Hercegova Abecedarka (5 Din.) (ABC-Fibel von Herceg), Hrvatska narodna pjesmarica
(Kroatische Volksliedsammlung), historische Romane „Matija Gubec“ (5-20 Din.), Miskina:
Zasto hrvatski seljak nije komunist (Warum der kroatische Bauer kein Kommunist ist) etc.;
vgl. auch die im Anhang abgedruckte Spenderliste, die belegt, welche Massenwirkung die
Bauernpartei, bzw. ihre Unterorganisationen, entfalteteten.
368 Seljacka sloga Klub ABC Napredak (Hg.), Pokret za pismenost 1937-1939, S. 3.
369 ebenda, S. 4. Vgl. die im Anhang dokumentierte Aufstellung der geleisteten Alphabetisie­
rungshilfen.
370 Schreiben Banska Vlast Banovine Hrvatske u Zagrebu - Odjel za prosvjetuNr. 64173-11-1939
v. 6.10.1939.

221
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

oben bereits ausgeführt, existierte ein Gefälle innerhalb Dalmatiens zwischen Küste und
Hinterland, und noch einmal zwischen Dalmatien und den bosnischen und herzegowi-
nischen Kreisen, die gleichfalls verwaltungsmäßig zur Küstenbanschaft gehörten.
Tabelle XVIII: Alphabetisierungsgrad nach Banschaften in Prozent im Jahr 1939

können lesen u. schreiben nur lesen weder noch

Save-Banschaft 71,60 0,73 27,67


Küsten-Banschaft 42,08 0,46 57,46
Drina-Banschaft 37,49 0,40 62,11
Vrbaska-Banschaft 27,09 0,71 72,60

Quelle: Pavlakovic, V. (Hg.), Banovina Hrvatska, S. 45.

Auch wenn, insgesamt betrachtet, die außerschulische Alphabetisierung, auf ganz Ju­
goslawien bezogen, weitgehend scheiterte und „größere Teile der Landbevölkerung“
nicht erreichte,371 sollte man die Auswirkungen der durch die „Seljacka sloga“ ange­
botenen Kurse in Kroatien auf die kroatische Bauernschaft nicht unterschätzen. Schon
vor dem „sporazum“ wurde die ganze Phalanx der Parteiorganisationen und Gliede­
rungen der Bauernpartei, die „Kroatische Frau“ usw. aufgefordert, die „Volksbildung“
zu intensivieren. Genaue Literaturempfehlungen und der Abdruck zahlreicher Zitate
der „großen Lehrer“ der Bauernbewegung sollten allen Lesern und Sympathisanten
die „Ideologie der kroatischen Bauernbewegung“ nahebringen.372
Nach 1918 hatten auch die integral-jugoslawischen Kräfte versucht, auf dem Dorf für
ihre Auffassungen zu agitieren. Die „richtige Stellung der Intelligenz zum Bauerntum
in unserem neuen Staat“ wurde zu „einer der wichtigsten Fragen“ erklärt, da der
Bauer „das breite und feste Fundament unseres staatlichen Hauses“ sei. Dabei müsse

371 Mayer, S. 160 u. 173.


372 Dalmatinska Hrvatska Nr. 3 v. 20.03.1941. Zum propagierten Kanon gehörten die Zeitungen:
Seljacki dom, Dalmatinska Hrvatska, Seljacka sloga, Gospodarska sloga, Hrvatski radnik,
sowie folgende Bücher: Sabrana djela dr. Antuna Radica tiskana u 19 knjiga (Gesammelte
Werke von A. R. in 19 Bde.), Djela Stjepana Radica (Werke S. R. 16 Bde.); Godisnjake pro-
svjetno-politickog zbornika „Bozicnica“, „Seljacka prosvjeta“, Vladko Macek: Bit hrvatskog
seljackog pokreta, Clanci i govori (Das Wesen der kroat. Bauernbewegung. Artikel u. Reden);
Josip Predavec, Selo i seljaci, (Das Dorf und die Bauern) Rudolf Herceg, Seljacki pokret u
Hrvatskoj (Die Bauernbew. in Kroatien), ders., Seljacki socijalni pokret jedina demokracija
(Die bäuerliche Sozialbewegung - die einzige Demokratie), Cim je hrvatsko seljastvo preraslo
skolovanu gospodu, radnistvo i gradanstvo (Womit hat das kroat. Bauerntum die gelehrten
Herren, die Arbeiterschaft und das Bürgertum überflügelt), Hrvatska politika mora biti sel­
jacka (Die kroat. Politik muß eine bäuerliche sein), Izlaz iz svjetske krize (Ausgang aus der
Weltkrise); Klub ABC (Hg.), Svjetski mir na novim socijalnim temeljima (Der Weltfriede auf
neuen sozialen Grundlagen), Miskin, P., Pocetak hrv. seljackog pokreta (Anfänge der kroat.
Bauernbewegung), Bicanic, Jancikovic, Tomasic, Matonic, Barca, Vukovic, Todorovic: Hrvat­
ski seljacki pokret brace Radica (Die kroat. Bauernbew, der Gebrüder R.); Mahmud Konjhod-
zic: Seljacki pokret u Hrvatskoj (Die Bauernbewegung in Kroatien).

222
Dorf und agrarische Lebenswelt

„unser Bauer geistig und moralisch auf ein höheres Niveau“ gehoben werden.373 Die
um die Zeitschrift „Nova Evropa“ versammelten Intellektuellen jugoslawistischer
Provinienz erhoben „das Ersticken aller lokalen und provinziellen Tendenzen und
Traditionen, soweit sie noch existieren“, gar zum „Programm“.374 Alle „Aufklärer“,
egal welcher Couleur, waren davon überzeugt, daß Unbildung und Rückständigkeit
der Bauern das größte Hindernis auf dem Weg zur Einheit seien:
„Unser Bauernstand kennt keinen größeren Feind als die Unwissenheit und Unbildung. Ich
sage nicht, daß jeder von unseren Bauern daran glaubt, daß es Meerjungfrauen gibt. Aber
wieviele gibt es, die daran glauben, daß die Kuh wieder gesund wird, wenn er in Krapina
oder Marija Bistrica (Kath. Wallfahrtsorte in Kroatien, A. J.) ein „Gotteskälblein“, d.h. einen
Kalbshuf aus Wachs für einen Groschen kauft und auf den Altar legt! Wieviele von ihnen
werden dem Erkrankten im Haus irgendein Kräuterweiblein rufen (selska baba), die ihren
Medizinzauber mit Kräutern, Schnaps und Petroleum ausführt (...) Ist es da ein Wunder, daß
es so viele kroatische Bauern gibt, die (....) noch immer Franz Joseph und Karl nachtrauern,
und nicht sehen, daß die Serben unsere Freunde und Brüder sind. (...).“375

Aufrufe, daß sich Bauern weltweit zusammenschließen müßten, da sie, als Nahrungs­
mittelproduzenten die wichtigste gesellschaftliche Schicht in allen Völkern seien,376
mögen den dalmatinischen Bauern wohl gefallen haben, nur: ein politisches Engage­
ment riefen sie nicht hervor. Die Vorschläge der Landarbeiterpartei, „das Dorf auf
eine höhere Kulturstufe“ zu heben und zu diesem Zweck „Dorfräte“ (seoska veca) zu
gründen, schien den Bauern überflüssig, da sie ohnehin alle Fragen, die das Dorf
betrafen, gemeinsam besprachen. Aber „Räte“, die aus Mitgliedern einer Landarbeiter­
partei bestehen und die „Grundorganisationsform“ dieser Partei sein sollten, kamen
ihnen nicht in den Sinn. (Wenn solche Räte gegründet wurden, dann standen Landar­
beiter- oder Demokratische Partei, bzw. deren Aktivisten dahinter.)
Auch den „Grundgedanken“, den die Landarbeiterpartei zu popularisieren versuchte,
daß „die Rettung der Bauern einzig in deren wirtschaftlichem (in Genossenschaften)
und politischem (eben dem „Bund der Landarbeiter,,) Zusammenschluß“ liege,377 bra-

373 Vgl. den Arikel „Seljacka demokratija“ (Bauerndemokratie) von Tihomir Ostojic in „Nova
Evropa“, Nr. 1 v. 16.09.1920.
374 ebenda, „Iz naseg programa“ (Aus unserem Programm).
375 Vgl. Jankovic, Milivoj, Hrvatski seljak u novoj drzavi. Razgovori za seljacki puk (Der kroati­
sche Bauer im neuen Staat. Gespräche für das Bauernvolk) (Pucka prosvjetna knjiznica, br.
1), (Split, Dezember 1918), S. 53.
376 Medjunarodni Agrarni Biro - Jugoslovenska sekcija (Hg.), Idejno obrazlozenje zemljorad­
nicke medjunarodne solidarnosti (Die ideelle Begründung der intern. Bauernsolidarität), Prag
1921, S. 3f.
377 Pravila Saveza Zemljoradnika (Zemljoradnicke stranke). (Statuten des Landarbeiterbundes.
(Landarbeiter-Partei)), Sarajevo 1922, Art. 2, 4, 5 u. Art. 10.; vgl. auch Sorokin, P. A., Ideolo-
gija agrarizma (Ideologie des Agrarismus), Zagreb 1924; Ilic, M., Ekonomsko-socialni pro­
gram Jugoslovenske Republikanske Stranke, Beograd 1922; Dokic, R. M., Poslanica zemljo-
radnickom narodu (i) Ustav (Statut, Nacela i Program) Zemljoradnicke Stranke, Beograd
1925; Predlog Ustava Zemljoradnicke Stranke, Beograd 1928 etc.

223
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

chen sich nur langsam Bahn, und da auch nur, was die Gründung von Genossenschaf­
ten anging. Die Landarbeiterpartei des Jovan Jovanovic, die einen „Genossenschafts­
staat“ (zadruzna drzava) auf unitaristischer Grundlage forderte, mußte sich selbst in
den Gebieten, wo sie Stimmen bekam (hauptsächlich Serbien und in der überwiegend
von Serben bewohnten sog. Bosanska krajina) als ,in der Hauptstadt ackernde Landar­
beiter“ verspotten lassen. Erst recht hatten sie in Dalmatien mit Vorträgen über die
„nationale Idee“, die nun 1918 unter den Südslawen gesiegt habe und „eine der Haupt­
komponenten des Agrarismus“ sei, einen schweren Stand. „Heimat", so erfuhren die
dalmatinischen Bauern, sei „die Verkörperung der Idee des Nationalismus. Denn
wenn die Volksbräuche, die Sprache und die Schrift die Verbindung sind, die die
verschiedenen Mitglieder eines Volkes untereinander bindet, dann ist das Land die
zentrale Verbindung (Hervorh. im Original), die alles zusammenhält. Denn ohne
Land gibt es keine Heimat, keinen Staat“, das solle der „jugoslawische Bauer“ erken­
nen.378 Nur gibt es keinerlei Zeugnisse, daß sich die Bauern in Dalmatien „jugosla­
wisch“ gefühlt hätten. Auch die Landarbeiterpartei aus Belgrad schien damit konfron­
tiert gewesen zu sein, wenn sie betonen mußte, daß nur sie in der Lage sei, „die
Landarbeiter aus unserem ganzen Land zu vereinigen“ und „die nationalen Streitigkei­
ten unseres Volkes zu lösen“.379
Auch der Kampf gegen „Trunksucht, Kartenspielen, Faulheit und alle anderen
schlechten Gewohnheiten, die Gesundheit, Familie und Besitz ruinieren“, wofür sich
der Bund einsetzen wollte, wurde auf dem dalmatinischen Dorf nicht populär.380 Die
Flut von Broschüren, Pamphleten und Schriften, die versuchte, das „Bewußtsein“ der
Bauern zu wecken und sie „aufzuklären“, arbeitete gerne mit Schreckensmeldungen
und drastischen Schilderungen der bäuerlichen Rückständigkeit. Doch ob Daten, wie
daß die „Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahr 15,8%“ betrage, es „60.000 Tbc-
Tote im Jahr“ auf dem Gebiet des Gesamtstaates gebe, während „mehr als 2 Milliarden
Dinar jährlich für Alkohol ausgegeben“ würden und „ganze Provinzen unter Ge­
schlechtskrankheiten leiden“, ihren Zweck erreichten, bleibt fraglich. Allzugroße
Hoffnungen mögen sich wohl auch die Aktivisten der Landarbeiterpartei nicht ge­
macht haben, hatte doch der gern zitierte Parteivorsitzende Mihailo Avramovic, „Vater
unserer Genossenschaftsbewegung“ davon gesprochen, daß sich „nur 3 % der serbi­
schen Landarbeiter aus Zeitungen informieren“ würden. Das materielle und kulturelle
Niveau des serbischen Landarbeiters, und das galt nach Meinung des Verfassers der
Broschüre auch für alle anderen Gebiete Jugoslawiens, sei „erbärmlich“.381 Durchgän­
gig mußten sich die als „Brüder Bauern“ angesprochenen in den Broschüren des Ver­
bandes sagen lassen, daß schon ihre Ernährung „eine echte Schande für das Zwanzigste

378 pravila Saveza Zemljoradnika, S. 7 u. 9ff.


379 Jonic, V., Eticki znacaj zemljoradnickog pokreta (Ethische Bed. der Landarbeiterbew.), Beo­
grad 1924, S. 5.
380 ebenda, Art. 11.
381 Popovic, M. D., Buduca zadruzna drzava (Der zukünftige Genossenschaftsstaat), Beograd
1922, S. 3, 5, 9 u. lOff.

224
Dorf und agrarische Lehenswelt

Jahrhundert sei“, woran „nicht nur die Armut, sondern eben die Unwissenheit“
schuld sei. Die „Frauen können nicht einmal kochen“, wo doch „die halbe Lebens­
freude“ im Essen läge. Auch sei „die Moral auf dem Dorf sehr niedrig“, „Vater und
Mutter reden vor den Kindern über alles mögliche. Dort kann man die schamlosesten
Worte hören.“ In diesem Ton ging es weiter. Vom Hof über den Stall bis zur Feldar­
beit; die Rückständigkeit sei: „eine Schande für Volk und Staat (...). 80 von hundert
unserer Bauern“ hätten „keine Ahnung“ von modernen Anbaumethoden, dem Einsatz
von Kunstdünger und Maschinen. Die ängstliche und untertänige „Persönlichkeit des
Bauern“ sei auch noch 70 Jahre nach Abschaffung der Leibeigenschaft durch die
Rückstände der Leibeigenschaft gezeichnet. Auch Nord-Dalmatien zählte der Verfas­
ser unter die Gegenden, wo der Bauer besonders lebensunwürdig vor sich hinvege­
tiere, und illustrierte das durch eigene Beobachtungen in verkommenen Dörfern, die
er bereist habe. Die „Sünden und schlechten Angewohnheiten des Volkes“ werden
von ihm in der Manier eines Abraham a Sancta Clara gegeißelt. Doch sein Bild vom
Dorf war mit Sicherheit ein verzerrtes, wenn er überall nur „Alkohol und Dorfka­
schemmen“ entdeckte und „Frauen, die keine Mütter mehr sein wollen“, die abtreiben
und verschwenderisch in Dorfläden einkaufen würden, um irgendwelchen Firlefanz
zu erstehen, anstatt „alles, was sie brauchen, selbst herzustellen, aus eigenem Flachs
und Hanf“, wie es „herrlicher und nützlicher Brauch unseres Volkes war.“382
Doch der „aufklärerische Geist“, der „unserer Bauernschaft“ eingehaucht werden
sollte, damit diese an der „Schaffung und am Ausbau unseres Staates teilnehmen und
mitarbeiten“ könne, wirkte nur langsam,383 wie sich aus der Resonanz auf die zahlrei­
chen Broschüren und Flugschriften, die verteilt wurden, ersehen läßt. Pamphlete, die
gegen den „unbäuerlichen Marxismus und Liberalismus“ gerichtet waren, in denen
versichert wurde, daß „nur die Bauernbewegung (...) der Menschheit, neben den
Früchten des Feldes - Brot und Nahrung, auch die „teuersten Früchte des Lebens“,
nämlich „Liebe und Frieden, Kultur des Herzens und Kultur des Geistes“ bringen
könne,384 stießen dabei auf geringeres Interesse als praktische Ratschläge zur Erhö­
hung der Produktivität. Unter der Überschrift „Was müssen Bauern und Genossen­
schaftler lesen“, bot der Genossenschftsverband daher in günstigen Ausgaben den
Roman „Bauernaufstand“ von August Senoa neben etlichen Fachbüchern des Typs
„Die Konservierung von Oliven“ an. Darunter stand die Mahnung: „Genossenschaft­
ler! Gründet in jedem Dorf eine Genossenschaftsbuchhandlung, denn ohne Aufklä­
rung gibt es keinen Fortschritt.“385

382 Vukmir, Mladen, Predavanje o zadrugarstvu (Vorträge über das Genossenschaftswesen),


Knjiznica Hrv. slav. gospodarskog drustva kao sredisnje zadruge u Zagrebu, Zagreb 1920,
S. 5, 11, 14f. u. 17.
383 Grubic, Lazar, Smisao Agrarizma. Prvi dio (Der Sinngehalt des Agrarismus. 1. Teil), Zagreb
1922; Grkovic, Milan, Smernice nase privredne politike (Richtlinien unserer Wirtschaftspoli­
tik), Zagreb 1923.
384 Grubic, Smisao Agrarizma, S. 3.
385 ebenda.

225
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Die Sprache der kroatischen Verfechter der Genossenschaftsidee war von Anfang an
(nicht nur linguistisch) etwas anders. In ihrer Agitation wurden anti-intellektuelle
Ressentiments leichtverständlich, und für viele Leser und Zuhörer wohl auch plausi­
bel, bedient, was v. a. gegen die jugoslawisch orientierten städtischen Intellektuellen
ausschlug, die sowieso als der Bauernschaft feindlich gesonnen gezeichnet wurden.386
Der enorme Einfluß der Kroatischen Bauernpartei ging auf deren Verwurzelung im
Dorf zurück. Ein ganzes Netz von Kultur- und Wirtschaftsorganisationen schuf die
Basis. Ob Gesangs- und Folkloreverein387 oder Alphabetisierungskurse: die Mobilisie­
rung des Dorfes war das Anliegen der HSS. Die Bedeutung von Genossenschaftsorga­
nisationen der HSS, wie der „Gospodarska sloga“, die beispielsweise den Verkauf von
dalmatinischem Gemüse und Kartoffeln in Zagreb organisierte und für billigeres Saat­
gut und Düngemittel sorgte, war immens. Ende 1937 organisierte sie bereits 157.000
Mitglieder.388 Dabei nahm die „aufklärerische“ Tätigkeit, und zwar mehr noch im
nationalen, als im technisch-bildungsmäßigen Sinn, den ersten Platz bei allen Aktivitä­
ten der Bauernpartei ein.389 In zahlreichen Büchern und Broschüren bemühten sich
die HSS und ihr nahestehende Publizisten, dem Dorf ihre ausformulierte sozial-utopi­
sche Agrarideologie anzubieten.390 Dabei prallten Kritiken, wie die von Veselin Vuki-
cevic in „Nova Evropa“, an den Aktivisten der Bauernbewegung ab. Seit der Staats­
gründung attestierten sozialistisch-integralistisch gesonnene Intellektuelle den bäuerli­
chen kroatischen „Kleineigentümern“ eine „konservative, kleineigentümerische wan­
kelmütige Psyche“, die „ihren Besitzstand bewahren“ wolle. Die kroatischen Bauern
würden „gewissenlosen und ihrer Aufgabe nicht gewachsenen Politikern“ nachlaufen
und ihre Hoffnungen auf ein „'tausendjähriges’ historisches Kroatien“ setzen, obwohl
dieses für die Bauern „nur Erniedrigung und Unglück“ bedeutet hätte. Diese Bauern
würden „Ideologen, die noch immer Utopisten sind“, vertrauen, die die „zeitgenössi­
sche Struktur des modernen Kapitalismus“ nicht begriffen und kein wissenschaftliches
Programm hätten. Die „Ideologen“ der Bauernpartei seien „weder Gelehrte noch
Männer der Tat. Ihr Leben besteht in der Negation der industriellen Gegenwart und
in der Rückkehr zu einer patriarchalen Vergangenheit, was sie gleichzeitig revolutionär
und reaktionär“ mache.391 Immer wieder tauchte als Erklärungsmuster für den Erfolg

386 Sarinic, Ivo, Ideologija Hrvatskog seljackog pokreta (Ideologie der Kroat. Bauernbew.), Za­
greb 1935.
387 Peran, Srecko, Ivan Bansin (u povodu 100-godisnjice roctenja), in: Kastelanski zbornik 2,
Kastela 1989, S. 106-109.
388 Vgl. Calic, Genossenschaften, S. 72.
389 Sarinic, S. 239-247 u. 248-254.
390 Vgl. ebenda; Alle Biographien der „Führer und Vorkämpfer der kroatischen Bauernbewe­
gung“ im Anhang (S. 175-189) strichen heraus, daß HSS-Politiker allesamt „Bauernsöhne“
seien, von Stjepan Radic über Antun Radic, Juro Valecic, Josip Predavec, Duro Basaricek,
Pavle Radic, Ivan Pernar bis Vladimir Macek, obwohl letzterer mittlerweile einen der größten
Schweinemastbetriebe im Zagorje besaß.
391 Vukicevic, Veselin, Ideologija i ideolozi seljacke klase. Mojsije - Tolstoj - Hriscanski socijali-

226
Dorf und agrarische Lebenswelt

der Bauernpartei unter den kroatischen Bauern der Vorwurf auf, sie seien „von dem
Demagogen Radic“ verführt, wie auch der Spliter Dichter Ante Tresic-Pavicic über­
zeugt war, bevor er wieder zu kroatischen Staatsrechtspositionen zurückkehrte. Als
Botschafter des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen in Washington, der
sich als „serbischer Botschafter“ vorstellte und in seinen Briefen gegen die „primitiven
dalmatinischen Bauern, größtenteils aus Dalmatien, die emigriert sind und ansonsten
so geblieben sind, wie sie waren“, wetterte, weil sie auch in den Vereinigten Staaten
die Forderung nach einer kroatischen Bauernrepublik unterstützen, ist auch Tresic ein
Beispiel für die Kluft, die sich zwischen Intellektuellen und den von ihnen als „wirr“
apostrophierten Ideen der Bauernbewegung auftat, bevor sich viele beeindruckt von
dem enormen Erfolg der HSS der „kroatischen nationalen Bewegung“ unter der Füh­
rung der Bauernpartei in den 30er Jahren anschlossen.392
Auch wenn man wohl davon ausgehen kann, daß die meisten Sympathisanten, die
sich bei den unermüdlich organisierten Kundgebungen der Bauernpartei als Zuhörer
einfanden, die propagierte „bäuerliche Wissenschaft“ und „Ideologie“ von der natio­
nalen und sozialen Befreiung nicht bis in die letzten Verästelungen studiert hatten,
waren der großen Mehrheit doch die Hauptparolen eingängig und nachvollziehbar.393
Wenn Miroslav Krleza, der dem impulsiven Radic ansonsten kritsich gegenüberstand,
davon sprach, daß dessen Thesen z.B. über eine eigene kroatische Konstituante „prin­
zipiell und formal demokratisch, überaus lapidar, eindeutig und den Massen leicht
verständlich (waren), weil sie logisch waren und weil 99 % der Bevölkerung über diese
Frage so dachten“, drückte er damit genau diese instiktive Zustimmung aus, die sich
bis 1939/40 in Wahlergebnissen spiegeln sollte, die nur den Schluß zulassen, daß es
die Kroatische Bauernpartei geschafft hatte, zur unumschränkten Vertretung der Na­
tion zu werden.394
Tatsächlich konnte man aber der Ideologie der Kroatischen Bauernpartei eine gewisse
Nebelhaftigkeit bescheinigen. Neben der Idealisierung des ermordeten Stjepan Radic,
des „großen und unsterblichen Lehrers und Führers des kroatischen Volkes“, wurde
den „Millionen, die instinktiv dieser Bewegung folgen“, aber eine verständliche und
faßbare „Ideologie der kroatischen Bauernbewegung“ an die Hand gegeben, die es
offensichtlich schaffte für die Bauern zentrale Punkte anzusprechen und eine beträcht­
liche Mobilisierungsenergie freisetzte 395 Obwohl sicher die meisten nichts genaues

sti - Stj. Radic Ideologie und Ideologen der Bauernklasse. Moses - Tolsoj - die christlichen
Sozialisten - S. R.), in: Nova Evropa, III. Jg., Nr. 6 v. 01.10.1921.
392 Mestrovic, Ivan, Uspomene na politicke ljude i dogadaje (Erinnerungen an politische Men­
schen u. Ereignisse), Zagreb 1969, S. 165 u. Korrespondenz v. Tresic im „Historischen Archiv
Split“ (PAS) B ATP.
393 Vgl. Herceg, Rudolf, Die Ideologie der Kroatischen Bauernpartei, Zagreb 1923.
394 Krleza, Miroslav, Deset krvavih godina (Zehn blutige Jahre), Zagreb 1937, S. 544.
395 Bislang ist dieem Themenbereich keine große wissenschaftliche Beachtung geschenkt worden.
Vgl. Boban, Branko, Shvacanja Antuna i Stjepana Radica o mjestu i ulozi seljastva u gospodar-
skom, drustvenom i politickom zivotu (Die Auffassungen v. A. u. S. R. über die Rolle des

227
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

über Begriffe wie „Bauernstaat“, „Bauernkultur“ oder „Volk“ wußten, was die Eck­
punkte der „Lehre“ der Bauernpartei waren, überzeugte doch augenscheinlich die
Behauptung ihrer Aktivisten, daß keinerlei „künstliche Ideen“, wie „Sozialismus,
Kommunismus, Faschismus oder Technokratie“ die Probleme des Dorfes lösen könn­
ten, sondern einzig die „Idee der Bauerndemokratie“.396
Zu bezweifeln ist aber, ob viele der sogenannten „stolzen Söhne ihrer 1000-jährigen
kroatischen Volkskultur“ die in manchen Publikationen der Bauernpartei gezeichnete
Idylle des bäuerlichen Lebens als solche empfanden. Auch wenn Sarinic in seiner
„Ideologie der Bauernpartei“ es als „Unwahrheit“ bezeichnete, „daß unsere nationale
Bauernwirtschaft rückständig und konservativ ist“ und auf die „modernsten Pflüge“
hinwies, die benutzt würden, ließen sich die Zustände auf dem Dorf doch nicht schön­
reden.397 Deswegen hieß es schon fünfzig Seiten später vom selben Verfasser, daß „die
Armut“ ein großes Problem sei und es werden Armut, Krankheit, Alkoholismus und
Analphabetismus auf dem Dorf geschildert.398 Am meisten beklagte er die „Apathie“
auf dem Dorf, das Fehlen jeglicher Initiative, was oft mit Armut entschuldigt würde,
wo mehr die Faulheit schuld sei.399
So wurde für ein aktives Genossenschaftswesen plädiert, das die eingeforderten „wirt­
schaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bauernrechte“400 helfen sollte durch­
zusetzen. Die These der „Schwäche der Gesellschaft“ (W. Höpken), die mit dem Ver­
weis auf die marginalisierte Rolle aller intermediärer Organisationen und Interessen­
vereinigungen versucht wurde zu belegen, die eher „Transmissionsriemen“ des Staates
als autonome pluralistische Interessenvertretungen gewesen seien, relativiert sich et­
was mit Blick auf die Mikroebene der Gesellschaft in Dalmatien.401 Was die aus dem
Bedürfnis nach nicht-staatlicher Selbstorganisation entstandenen Genossenschaften
anbelangt, so läßt sich zwar nicht leugnen, daß sie „schnell dem Zugriff politischer
Parteien oder des Staates“ erlagen,402 doch läßt sich der Gedanke auch umkehren.
Die Bauern sahen in der Bauernpartei eben ihre politische Interessenvertretung. Die
Genossenschaften in Dalmatien waren, auch wenn ihre Mitgliederschaft „ökonomisch

Bauerntums im wirtsch., gesellsch. u. politischen Leben), in: Radovi 12 (1979), Zagreb 1981,
S. 265-301; Fischer-Galati, S., Peasantism in Interwar Eastern Europe, in: Balkan Studies 8
(1967), S. 103ff; Moritsch, Andreas, Bauernparteien.
396 Sarinic, Ideologija, S. 8f.
397 ebenda, S. 63.
398 ebenda, S. 156f.
399 ebenda, S. 160.
400 Unter den wirtschaftlichen Rechten wurde das „Recht auf ein Heim (...), auf Land, auf Wald
(...) wirtschaftliche Freiheit und staatliche Hilfe für die Entwicklung der Bauernwirtschaft“
verstanden (ebenda, S. 74 ff); die geforderten politischen Rechte waren „allgemeines und ge­
heimes Wahlrecht“ und die Beteiligung an allen Staats- und Verwaltungsaufgaben (S. 77f.);
unter „gesellschaftlichen Rechten“ wurden „ungeschriebene Gesetze oder Bräuche“ und
„Achtung des Bauernstandes in der Gesellschaft“ verstanden (S. 78).
401 Vgl. Höpken, Demokratiepotential, S. 121 ff. u. Sundhaussen, Institutionen, S. 47f.
402 Höpken, Demokratiepotential, S. 123.

228
Dorf und agrarische Lebenswelt

schwach war und der Staat die Genossenschaften mit seiner Kreditpolitik relativ be­
nachteiligte“,403 Ausdruck bäuerlicher Selbstorganisation und Fundament der nationa­
len Überzeugungsarbeit der Kroatischen Bauernpartei in Dalmatien. Die „Gospodar-
ska sloga“ der HSS, gesetzlich erst 1935 zugelassen, organisierte nach zwei Jahren
(!) schon über 4.500 dörfliche Untergliederungen. Die „Unabhängige Demokratische
Partei“ (Samostalna demokratska stranka), die politische Vertretung der Serben in
Kroatien, versuchte sehr viel weniger erfolgreich, im „Seljacko kolo“ die serbischen
Bauern zu mobilisieren.404
Zum Leidwesen der Propagandisten der Genossenschaftsidee405 in Dalmatien, die sich
von der Gründung von Genossenschaften die Überwindung der Krise versprachen,
waren die dalmatinischen Landarbeiter unmittelbar nach dem Krieg „ziemlich konser­
vativ und „Neuerungen“ gegenüber reichlich unzugänglich.“406 Deshalb hätte die dal­
matinische Genossenschaftsbewegung „am Anfang mehr wie eine nicht gelungene
Nachahmung dessen“ gewirkt, „was anderenorts von allein und original entstanden
war“ 407 Anhänger der Genossenschaftsidee sahen aber gerade „im armen Dalmatien“
dringenden Handlungsbedarf.408 16 verschiedene Genossenschaftsverbände existierten
1920 im gesamten Königreich SHS.409 Die Zahl der Genossenschaften in der Region
(die erste wurde 1896 gegründet) nahm kontinuierlich zu.410 Eine große Rolle in der
Entwicklung der Genossenschaftsbewegung in Dalmatien spielte dabei der „Genos­
senschaftsbund“ (Zadruzni savez) mit Sitz in Split.
Er war 1907 als Zusammenschluß hauptsächlich von Genossenschaften verarmter
Bauern aus Bezirken im Landesinneren wie Benkovac und Knin entstanden, und hatte

403 Die Nationalbank gab 1923 bis 1932 nie mehr als 1,5% ihrer Kreditsumme an die Genossen­
schaften aus, meist lag sie erheblich darunter. Vgl. Lakatos, Jozo, Jugoslovenska privreda,
Zagreb 1933, S. 207, hier zit. nach Calic, Genossenschaften, S. 74.
404 Vgl. Bakovic, M., Gospodarska sloga i njeno djelovanje (Die G. S. und ihr Wirken), in: Pre-
gled XIII/163 — 164, S. 501-506, hier zit. nach Roksandic, Agrarne ideologije, S. 256. 1926
fanden in verschiedenen serbisch-orthodoxen dalmatinischen Klöstern Kurse statt, die zu­
künftige Leiter von Genossenschaften ausbilden sollten; vgl. Cimbur, Pero, Slovo o dalmatins-
kim manastirima. Krka na Krki, Krupa na utoku Krupe i Dragovic ukraj Dragovica (Zajednica
Srba u Hrvatskoj), Zagreb 1996, S. 47ff. Nach der Mißernten 1928 u. 1929 organisierte die
serbisch-orthodoxe Kirche Klosterspeisungen für Kinder im Kloster Krka.
405 Vgl. Calic, Marie-Janine, Zur Geschichte der Genossenschaften in den jugoslawischen Ländern,
von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Oberländer, E./Lemberg, H./Sundhaussen,
H. (Hg.), Genossenschaften in Osteuropa - Alternative zur Planwirtschaft?, S. 63-78.
406 Vgl. Milicic, Drag., Nase zadrugarstvo (Unser Genossenschaftswesen), hgg. v. Primorska priv-
redna i zadruzna biblioteka, Split 1935, S. 7ff.
407 ebenda, S. 17.
408 Novo doba v. 11.12.1922.
409 Vukmir, Mladen, Predavanje o zadrugarstvu (Vorträge über das Genossenschaftswesen),
Knjiznica Hrv. slav. gospodarskog drustva kao sredisnje zadruge u Zagrebu, Zagreb 1920,
S. XII.
410 Vgl. die Jahresberichte Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Poslovni izvjestaj Upravnog vijeca
Zadruzne Matice u Splitu o stanju i poslovanju.

229
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

1910 bereits 180 Genossenschaften umfaßt. Nach der Fusionierung 1913 mit 68 dalma­
tinischen Zweigorganisationen, die vorher zum „Genossenschaftsverband“ (Zadruzna
zveza) in Ljubljana gehört hatten, war der Genossenschaftsverband in Split die eindeu­
tig stärkste Dachorganisation der dalmatinischen Genossenschaften.411 Auch wenn
das bloße zahlenmäßige Anwachsen nicht zwangsläufig für eine entsprechende Ver­
besserung der Kreditversorgung und Intensivierung des Wirtschaftslebens spricht,
sind sie als wichtige bäuerliche Organisationsformen, über ihre wirtschaftliche Bedeu­
tung hinaus, in ihren nationalpolitischen Ausrichtungen eine gute Quelle für die Stim­
mungslage unter den dalmatinischen Bauern.
Ganz in der Tradition ihrer Entstehung dominierten auch im Königreich SHS zuerst
Kreditgenossenschaften, deren Ziel es war, die bäuerlichen Subsistenzwirtschaften
durch die Versorgung mit Kapital mehr an den Markt zu binden. Erst in den dreißiger
Jahren gab es mehr Erzeuger- als Kreditgenossenschaften. Produktionsgenossenschaf­
ten aller Art, die die Anschaffung von Geräten, Saatgut etc. kreditierten und sich auch
um den Absatz der Produkte kümmerten, gab es bald in fast jedem dalmatinischen
Dorf. Die dem Spliter Genossenschaftsverband angeschlossenen Genossenschaften be­
ruhten alle auf dem „Raiffeisen und Schulze-Delitzsch-Prinzip“. Vorträge mit den
Titeln „Genossenschaftsarbeit für die Wiedergeburt des Dorfes“, „Der Ausweg aus
der Wein-Krise“412 oder „Bringen wir den Garten- und Obstbau voran!“ etc. wurden
gehalten, und dann auch in Broschürenform gedruckt und den einzelnen Genossen­
schaften zugeschickt.413 Punkt 2 des Jahresberichts „Zadruzna Propaganda“ betonte
(von „ein paar Fällen, wo der genossenschaftliche Geist noch nicht so verbreitet“ sei,
abgesehen) das „hohe genossenschaftliche Bewußtsein“ der Mitglieder. Der monatlich
zugehende „Genossenschaftsbote“, mit Mustervorträgen „für die Vorsitzenden“,
schuf eine feste genossenschaftliche Infrastruktur in den dalmatinischen Dörfern.414

411 Zudem bestand seit 1908 ein „Bund serbischer Landarbeiter-Genossenschaften“ (Savez
srpskih zemljoradnickih zadruga) mit Sitz in Dubrovnik, der 1914 an die 60 Genossenschaften
organisierte.
412 Gemeint war damit, daß neben der italienischen Besetzung von knapp der Hälfte des Gebietes
des ehemaligen Kronlandes, sich besonders der Wegfall des vormaligen österreich-ungarischen
Marktes für die dalmatinischen Produkte, v. a. für Wein, negativ bemerkbar machte. Produk­
tion und Verkauf des dalmatinischen Weins halbierten sich. Wurden 1913 noch 1.023.200
Hektoliter produziert, so waren es 1922 erst wieder 535.345 Hektoliter. Entsprechend sank
auch der Exportumsatz, der bis 1927 nicht das Vorkriegsniveau erreichen sollte.Vgl. Bicanic,
Rudolf, Ekonomske promjene u Hrvatskoj izazvane stvaranjem Jugoslavije 1918. godine. Pri-
lozi za ekonomsku povijest Hrvatske (Wirtschaftliche Änderungen in Kroatien, hervorgeru­
fen durch die Schaffung Jugoslawiens 1918. Beiträge zu einer Wirtschaftsgeschichte Kroa­
tiens), Zagreb 1967, S. 82-87.
413 Vgl. Poslovni izvjestaj 1930, S. 4.
414 Die Titel der verteilten Mustervorträge für die Mitgliedsgenossenschaften lauteten: „Die Not­
wendigkeit der Organisierung der Landarbeiter“, „Bilanz der Jahreshauptversammlung“,
„Rede anläßlich der Feier des Genossenschaftstages“, „Über die Agrarkrise“, das „Neue
Agrargesetz“, „Die Aufklärungsarbeit im Winter in den Genossenschaften“, „Wieso sind die

230
Dorf und agrarische Lebenswelt

Wie gleichfalls aus den Jahresberichten hervorgeht, wurden all diese Vorträge im Na­
men der „Zadruzna matica“ von insgesamt sechs Personen verfaßt.415
Regionale Ungleichgewichte blieben aber unverkennbar: Zu den „jährlichen Genos­
senschaftskursen“ hätten einige „Genossenschaften aus der Zagora niemanden ge­
schickt“, obwohl bekannt wäre, daß „sie niemanden haben, der fähig ist, Bücher zu
führen“. Andererseits hält der Bericht fest: „mußten einige Teilnehmer (aus der Za­
gora, A. J.) gleich zu Beginn den Kurs wieder verlassen, weil sie keinerlei Grundlagen­
wissen mitbrachten.“ Die „Rückständigkeit mancher Mitglieder“, die „große Zersie-
delung in der Zagora“ und „das Fehlen guter und arbeitswilliger Führer“ werden
herangezogen für die Erklärung der Schwäche des Genossenschaftswesens im dalmati­
nischen Hinterland.416 Die regionale Verteilung belegt das:

Tabelle XIX: Geographische Verteilung der Genossenschaften in der Küstenbanschaft 1936

Kreis Kreditgen. Konsumg. Produktionsg. Übrige Insgesamt

Benkovac 1 1
Biograd 3 2 5
Hvar 8 5 25 1 39
Imotski 2 1 3
Knin 3 1 2 6
Korcula 1 1 2
Livno 1 1
Ljubuski 1 1
Makarska 2 6 6 14
Metkovic 2 3 3 8
Mostar 2 2
Preko 2 8 9 19
Sinj 7 2 2 11
Split 10 6 10 7 33
Supetar 6 4 7 1 18
Sibenik 1 9 1 11

Insgesamt: 174

Quelle: Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o
stanju i poslovanju u god. 1937., Split 1938, S. 9.

Preise für Landarbeiterprodukte so gering?“. Die Zentrale in Split sparte auch nicht mit
„praktischen Handreichungen“ für die Arbeit „im Feld, auf der Weide, im Olivenhain, bei
der Ölverarbeitung, im Obstgarten, Weinberg, Weinkeller, Garten, Stall usw.“, ebenda, S. 8.
415 Die „verdienten Agrarfachleute“ Mato Bobanovic und Ivo Kuljevan, den Angestellten im
Dachverband, „Ingenieur Franjo Tabain“ und „Dr. Vjekoslav Boglic“, sowie den Vorsitzenden
Dr. Tripo Ciko und seinen Stellvertreter „Don Jerko Vodanovic“ belieferten die Mitgliedsge­
nossenschaften mit entsprechendem Schrifttum.
416 Poslovni izvjestaj 193, S. 9 u. 16.

231
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Im Jahresbericht von 1933 des in Belgrad ansässigen „Zentralen Genossenschaftsver­


bandes“ (Glavni Zadruzni Savez) wurden insgesamt 8.287 Genossenschaften mit
1.008.000 Mitgliedern auf dem jugoslawischen Staatsgebiet geführt.417 1938 waren es
bereits 10.832 Kooperativen mit 1,4 Mio. Mitgliedern auf dem Gebiet des Gesamt-
Königreichs. Dies bedeutete, daß am Vorabend des Zweiten Weltkriegs jeder zweite
Haushalt Mitglied einer Genossenschaft war, mit freilich extremen regionalem Ent­
wicklungsgefälle und erheblichen Struktur- und Leistungsdifferenzen zwischen den
Einzelverbänden.418 Zehn Jahre zuvor waren es erst 5412 Genossenschaften mit
579.448 Genossen gewesen. Es war also ein gewaltiger Anstieg in sehr kurzer Zeit.
An der Küste waren nach zeitgenössischen Schätzungen fast die Hälfte der Bauern in
festeren oder weniger festen Bindungen zu einer Genossenschaft.419 Doch Aktivisten
beklagten immer wieder wortreich die geringen landwirtschaftlichen Kenntnisse der
Bauern in Dalmatien. Es wurde bedauert, daß es „bei uns an der Küste nur eine
einzige landwirtschaftliche Schule gibt, und zwar in Knin, obwohl in Dalmatien und
an der ganzen Küste 80% der Bewohner ausschließlich in der Landwirtschaft tätig
sind.“ Doch jegliche Agitation würde nur auf fruchtbaren Boden fallen, wenn sie
„nicht aus der Schreibstube, sondern ausschließlich im direkten Kontakt mit den
Dorfbewohnern-Genossenschaftlern erfolgt.“ Man müsse „häufige Versammlungen
auf den Dörfern organisieren, öffentliche Kundgebungen, Vorträge, Belehrungen was
neue Produktionsmethoden angeht, gemeinsame Ausflüge, Ausstellungen etc.: „Ge­
nossenschaftspropaganda“ sei das Gebot der Stunde.420
Daß die Bauern nicht aus der Schreibstube heraus und durch Theoriekonzepte für
Neues gewonnen werden konnten, hieß keineswegs, daß sie jedem, der ins Dorf kam,
geglaubt hätten. Das Mißtrauen gegen die Städter war noch in den 20er Jahren stark
verbreitet. So schrieb beispielsweise „Nase selo“ (Unser Dorf):
„Oft kommen in unsere Kreise die verschiedensten Agitatoren und reden zu uns über alles
mögliche; am meisten über irgendeine Gleichberechtigung, und stellen sich in diesem Sinne
als gute Menschen vor. Ich verstehe nicht, wie sie über Gleichberechtigung reden können,

417 Die 8287 auf dem Gebiet des Gesamtstaates registrierten Genossenschaften teilen sich auf in:
4624 Kreditgenossenschaften u. 1566 Beschaffungs- u. Konsumgen., 470 Agrar-, 368 Vieh-
züchtungs-, 170 Milch- u. Käse-, 124 Getreid-, 116 Kleinproduzenten-, 90 Winzer- u. Wein-,
88 Gesundheit-, 88 Wohnungs- u. Bau, 58 Fischerei-, 27 Öl-, 12 Rosmarin- sowie 145 übrige
landwirtschaftliche und 281 sonstige Genossenschaften; Der Verband der Genossenschaften
für Dalmatien in Split zählte im selben Jahr 208 Genossenschaften mit 18.349 Mitgliedern,
die sich aufgliederten in: 69 reine Kreditgenossenschaften, 20 Konsumgen., 119 Landarbeiter­
gen., 53 Fischereigen., 14 Ölgen., 14 Winzergen., 10 Rosmarin- und Imkergen., 6 Gartengen.
und 4 Milchgenossenschaften, und das ohne sog. „wilde“ Genossenschaften, deren Zahl auf
ca. 200 geschätzt wurde. Der Verfasser meinte aus seiner Kenntnis der dalmatinischen Gege­
benheiten heraus, es müßten in dieser Region sogar 10 mal so viele sein; vgl. Milicic, S. 21.
418 Statisticki godisnjak Kraljevine Jugoslavije 1940, S. 332, hier zit. nach Calic, Genossenschaf­
ten, S. 70.
419 Milicic, S. 23.
420 ebenda, S. 31 u. 34.

232
Dorf und agrarische Lebenswelt

Quelle: Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju i poslovanju u god. 1937. za
glavnu godisnju skupstinu 14. studenog 1938. (Bericht des Leitungsrates des Genossenschaftsver­
bandes in Split über die Geschäftstätigkeit 1937 für die Jahreshauptversammlung am 14.11.1938),
Split 1938, S. 60f.

wenn es gerade zwischen den Leuten vom Dorf und den Städtern keinerlei Gleichberechti­
gung gibt bei uns in Dalmatien. (...) In der Stadt, wo sie unbeschreiblich viel reicher sind,
müssen sie den Popen und den Klosterbrüdern keine Abgaben (redovina) geben, aber der
Bauer aus der Zagora muß alles geben, und wenn er nicht gibt, dann schickt die Macht den
Eintreiber. Ist das wohl Gleichberechtigung?“421

Genossenschaften schienen ein Weg der Selbstorganisation, der ohne zu große Ein­
griffe in überkommene Strukturen Vorteile versprach. Trotz der Krise, da der dalmati­
nische „Küstenbauer-Weinbauer um die nackte Existenz kämpfen muß“ und viele
Genossenschaften auch wegen der Absatzkrise in Konkurs gingen, nahm ihre Zahl
doch kontinuierlich zu.422

Tabelle XX: Zunahme von Genossenschaften in Dalmatien 1928-1937

1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937

Kreditgen. 22 37 42 44 45 45 45 48 48 48
Konsumgen. 5 7 8 11 15 23 25 31 36 44
bäuerl. Produktionsgen. 7 20 28 39 47 51 57 60 75 92
Handwerkergen. 1 3 3 4 4 5 5 5 5 6
Übrige - 1 1 3 5 6 8 10 10 12
Ges.: 35 68 82 101 116 130 140 154 174 202

421 Nase selo, Nr. 7 v. 15.04.1926, S. 6.


422 ebenda, S. 10.

233
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Mitgl. männlich weiblich können lesen & Analphabeten


schreiben

Kreditgenossen- 9.569 8.788 781 7.203 2.366


schäften
Konsumgen. 2.856 2.653 203 2.423 433
Produktionsgen. 4.626 4.228 398 4.151 475
Übrige 1.137 1.001 136 1.117 20
Gesamt: 18.188 16.670 1.518 14.894 3.294
in Prozent 91,6% 8,4% 81,9% 18,1%

Quelle: Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju i poslovanju u god. 1937. za
glavnu godisnju skupstinu 14. studenog 1938., Split 1938, S. 60f.

Verglichen mit den Zwanziger Jahren ließ sich ein Wachstum bei weiblichen Mitglie­
dern feststellen, doch waren Frauen noch immer deutlich unterrepräsentiert. Nur in
der Milchgenossenschaft auf der Insel Silba überwogen Frauen. Auch ist ein kontinu­
ierliches Sinken der Analphabetenrate, von 1935 bis 1937, von 27,7 % auf 18 % festzu­
stellen. Im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt war das ein hoher Alphabetisie­
rungsgrad unter den Genossen, die in ihren Jahresberichten dann auch stolz die An­
alphabetenquoten der Kreise Split (54%), Imotski (63%), Sinj (64%) und Mostar
(73 %) als Kontrast anführten.423
Nach Berufsgruppen gliederte sich die Mitgliederstruktur 1936/37 in Dalmatien fol­
gendermaßen:

Tabelle XXI: Gliederung Mitgliederstruktur der dalmatinischen Genossenschaften 1936/37

Bauern (tezaci) Handwerker Priester Lehrer Übrige

Kreditgenossen- 8.477/ 8.389 267/272 161/308 43/ 33 577/ 567


schäften
Konsumgen. 1.862/ 2.266 219/275 37/ 36 30/ 21 222/ 258
Produktionsgen. 3.553/ 4.271 76/122 38/ 32 22/ 30 154/ 171
Übrige 250/ 333 166/ 93 152/136 91/ 40 416/ 535
Gesamt 14.142/15.259 728/762 388/512 186/124 1.369/1.531
in Prozent 84,8/84,1 4,3/4,1 2,3/2,8 1,1/0,6 8,5/8,4

Der Besitz der Genossen in Dalmatien 1936/37 geht aus nachfolgender Statistik her­
vor:
Es überwog auch bei den Genossenschaftsmitgliedern der Kleinbesitz bei weitem. Das
spiegelt einerseits die allgemeine Besitzstruktur in Dalmatien wider (in der gesamten

423 Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju i poslovanju u god. 1937. za
glavnu godisnju skupstinu 14. studenog 1938., Split 1938, S. 61.

234
Dorf und agrarische Lebenswelt

Tabelle XXII: Besitzstruktur der Genossenschaftler in Dalmatien 1936/1937

ohne Land bis 2 ha bis 5 ha bis 10 ha bis 20 ha

Kreditgen. 472/ 628 7.137/ 7.068 1.380/1.352 480/464 54/ 54


Konsumgen. 141/ 364 1.960/ 2.189 263/ 241 49/ 55 7/ 7
Produktionsgen. 172/ 332 2.352/ 2.834 902/1.032 284/298 119/122
Übrige 669/ 739 388/ 353 15/ 39 2/ 6 1
Gesamt 1.460/2.063 11.837/12.444 2.560/2.664 815/824 181/183
in Prozent 8,6/11,4 70/68,4 15,1/14,5 4,8/4,6 1,5/1,1

Quelle: Zadruzna Matica u Splitu (Hrsg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o
stanju i poslovanju kroz god. 1936., Split 1937, S. 31 u. Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice
u Splitu o stanju i poslovanju u god. 1937. za glavnu godisnju skupstinu 14. studenog 1938., Split
1938, S. 61.

Küstenbanschaft gab es nur 3903 sog. „mittlere Besitzer“, die zwischen 10 und 20 ha
Land zur Verfügung hatten, während es in der Donaubanschaft beispielsweise 38.172
waren), als auch die Tatsache, daß es v. a. die kleinen Landwirte waren, die sich in
Genossenschaften zusammenschlossen. Die Genossenschaften waren Katalysator und
Initiator der Modernisierung auf dem dalmatinischen Dorf. Die Elektrifizierung, um
nur ein Beispiel zu nennen, der Inseln Brac und Hvar konnte durch einen langfristigen
Kredit der Postsparkasse und die Gründung von „Elektro-Genossenschaften“ ver­
wirklicht werden. Bei den Inselbewohnern, die finanziell von ihren ausgewanderten
Verwandten aus Ubersee unterstützt wurden, weckte der Elektrifizierungsplan durch
ein auf dem Meeresgrund verlegtes Fernleitekabel große Begeisterung.424 Überall galt
„als Genossenschaftszweck und Vorteil unserer Genossenschaft“, daß „durch die
Elektrifizierung das kulturelle, soziale und ökonomische Niveau der Bevölkerung zu
heben“ ist, „um v. a. die Entwicklung des Tourismus, des Handwerks und aller anderen
Wirtschaftszweige zu ermöglichen.“425
Die zahlreichen „Lesesäle“, die die Genossenschaften in ihren Gebäuden einrichteten,
zeugten vom Bestreben, wirtschaftliche Aktivitäten kulturell zu ergänzen. Doch sol­
che Aktivitäten beschleunigten auch die Spaltung der Genossenschaften auf nationaler
Grundlage. So wurden festliche Eröffnungen von Lesegesellschaften, je nach Gebiet,
besonders einmal von der „Serbischen Kreditgenossenschaft“, ein anderes Mal von
kroatischen Genossenschaftlern begrüßt.426 Ab 1935 wurden viele dalmatinische Ge­
nossenschaften kollektiv Mitglied in der Gospodarska sloga (Wirtschafts-Eintracht)
der Kroatischen Bauernpartei. Auch aus den Jahresberichten des Genossenschaftsver-

424 Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju
i poslovanju u god. 1939., Split 1940, S. 29ff.
425 Pravilnik zadruga za elektrifikaciju otoka Braca i Hvara, Split 1937, S. 3.
426 Novo doba v. 15.11.1929. Der „Almanah Primorske banovine“ verzeichnet an die 50 „Serbi­
sche Landarbeitergenossenschaften“; ebenda, S. 86.

235
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Abb. IX: Die Elektrifizierung der Inseln Brac und Hvar

EkONOMSKI RAZVI TA K NASlH OTOKA U5U>-


VUEN JE PLANSKOM I RACIONALNOM EU#*'
TRIflKAClJOM.
PoOlZAKJE INDUSTRIJE I ZAORUGARSTVA
OMOOUCUJE BOLJE ISKORISCAVANJE'OCMA-
dlH PRODUKATA.POOIZE STANOAR ZIVOTA. :
D08RA RASVJETA PREOUVJET JE NAPRCD-
KA,KULTURE I ZORAVUA SELA.
Bracani-hvarani PROPAGIRAJTE PLAH-
SKU ELEKTRiriKACIJU NA§IH OTOKA RAZA
SIUANJEM OOPISNICA SlROM SVIJETA.- . .
SvLCSM OTOCAMI ISPUNITE 5V0JU DUZHOSl
PR1MJERNM OOU§EVLJENJEM I FANATIZMOM

•V ELEKTRiriKACIJU-

Quelle: Zadruzna Matica u Splitu (Hrsg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o
stanju i poslovanju u god. 1939., Split 1940, S. 30. Der Text lautet: „Die wirtschaftliche Entwick­
lung unserer Inseln hängt von der planvollen und rationalen Elektrifizierung ab. Die Hebung der
Industrie und des Genossenschaftswesens ermöglicht die bessere Ausnützung heimischer Pro­
dukte und hebt den Lebensstandard. Gute Beleuchtung ist die Voraussetzung des Fortschritts, der
Kultur und der Gesundheit des Dorfes. Bewohner von Brac und Hvar! Propagiert die planmäßige
Elektrifizierung unserer Inseln durch das Schicken von Postkarten in alle Welt. - Bewußte Insel­
bewohner! Erfüllt eure Pflicht mit angemessener Begeisterung und Fanatismus. Die Elektro-
Genossenschaft.“

eins geht die Durchsetzung kroatischer Selbstidentifikation im Dalmatien der 30er


Jahre hervor.
An der weitgehenden Akzeptanz der Ideen der Kroatischen Bauernpartei auf dem
dalmatinischen Dorf in jener Zeit ist nicht zu zweifeln: „Unser Nationalstolz verlangt,
daß wir regelmäßig so vollständig wie möglich Daten über den Zustand unserer Ge­
nossenschaften und ihrer Tätigkeit zur Kenntnis bringen, denn wenn diese Daten
mangelhaft sind, ist es kein Wunder, daß diejenigen, die unsere Genossenschaftsbewe­
gung mit der anderer Völker vergleichen, die Arbeit des kroatischen Genossenschafts­
wesens gering schätzen, obwohl seine Arbeit allseitig und erfolgreich ist.“427 Und

427 Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju
i poslovanju u god. 1937., Split 1938, S. 30.

236
Dorf und agrarische Lebenswelt

1940 hieß es: „Unsere Genossenschaften waren auch in schwersten Zeiten starke Fe­
stungen, die dem Ansturm der verschiedenen Regime getrotzt haben. Deshalb haben
sie auch mit höchster Freude die Gründung unserer Banschaft Kroatien (Hervorh. im
Original) als schrittweise Verwirklichung der jahrhundertelangen Bestrebungen des
kroatischen Volkes begrüßt.“ Die Genossenschaften „erwarten von der Banschaft
Kroatien Schutz und Hilfe, so daß sie mit noch größerem Erfolg ihre Aufgabe erfüllen
und aufholen können, wo sie die Gegner der kroatischen Genossenschaftsbewegung
zwei Jahrzehnte lang behindert haben. (...) Auf die Banschaft Kroatien warten viele
wichtige Aufgaben der wirtschaftlichen Erneuerung unseres Dorfes, die Steigerung
der dörflichen Produktion und des Verkaufs, generell der Schutz der Interessen der
Bauern. Im kroatischen Bauernvolk kann auch gar keine andere Politik betrieben wer­
den, als eine bäuerliche.“428
Daß der Bauer „Subjekt“ und Gestalter seiner Gegenwart und Zukunft werden müsse,
wurde von der Bauernpartei unermüdlich vertreten.429 Die zu diesem Zweck gegrün­
dete „Seljacka sloga“ (Bauerneintracht) entfaltete eine immense Wirkung. Sie war wohl
die bei weitem wichtigste Organisation der Bauernpartei.430 In ihren Statuten wurde
als Vereinszweck die „Beförderung und Verbreiterung der bäuerlichen Kultur durch
Bildungs- und Freiwilligenarbeit“ angeführt, was durch die Gründung von Ortsglie­
derungen, Lesesälen und Büchereien, die Herausgabe von Zeitschriften und die Abhal­
tung von Alphabetisierungs- und Weiterbildungskursen erreicht werden sollte. Allge­
mein war die Rede von „Hilfe für bäuerliche Familien durch Rat und Vermittlung,
die Verbreitung der Genossenschaftsidee“ und alles, was zur „Erleichterung und Ver­
schönerung des bäuerlichen Lebens“ dienlich ist. Genauer wurde in den Statuten der
Ortsgliederungen ausgeführt, daß die Gründung von Lesesälen, Büchereien, die Ab­
haltung von gemeinsamen Lesekursen, Vorträgen, Alphabetisierungskursen, Rechen­
kursen neben den verschiedensten künstlerischen Sektionen (wie Gesang-, Tamburica-,
Laienspielgruppen etc.) und sozialen Aufgaben das Ziel der „Seljacka sloga“ sei.431
Als wichtigstes Aufgabenfeld wurde zunächst die Bekämpfung des Analphabetismus

428 Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju
i poslovanju u god. 1939., Split 1940. S. 3.
429 Vgl. Herceg, Rudolf, Tesko je covjeku u mraku (Schwer hat es der Mensch im Dunkeln),
Zagreb 1919; ders., Svrha, zadaca i rad „Seljacke sloge“ (Zweck, Aufgabe und Arbeit der „Selj.
Sloga“), in: Seljacka prosvjeta 1/1926, S. 5ff. u. ders., Etnografija i etnologija kao znanost.
Seljacka sloga kao pokret (Ethnographie und Ethnologie als Wissenschaften. Die Selj. Sloga
als Bewegung), Zagreb 1941.
430 Vgl. Lecek, Suzana, Organizacija i oblici djelovanja „Seljacke sloge“ (1925.-29.) (Die Organi­
sation und die Aktivitäten der „Bauerneintracht“ (1925-29)), in: Casopis za suvremenu povi-
jest (1997), 3, S. 357-378; dies., „Seljacka sloga“. Osnivanje i prestanak djelovanja (1920/
1925-1929), in: Spomenica Ljube Bobana, Zagreb 1996, S. 285-295. Diese Aufsätze sind ne­
ben der Magisterarbeit von Anthony M. Sraka (“Peasant Concord“ between the wars: an
examination of the cultural wing of the Croatian Peasant Party with special reference to
the 1920s“, McGill University, Montreal, 1992) die einzigen, mir bekannten, Versuche, sich
intensiver mit der Rolle der Seljacka sloga auseinanderzusetzen.

237
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

gesehen. Schlußendlich sollten alle Aktivitäten jedoch auf eine Hebung des bäuerli­
chen Selbstbewußtseins hinauslaufen, ganz im Sinne der Verteter der sog. „Bauerni­
deologie“ der HSS. Die gegründeten Organisationen sollten eine Art „Übungsfeld“
für spätere verantwortliche öffentliche Aufgaben sein, die die Bauernschaft in einem
zukünftigen Bauernstaat übernehmen sollte. Rudolf Herceg, einer der Vordenker der
Bauernpartei, an der Spitze der Sloga, sah die Arbeit der Bauern in den Untergliede­
rungen als „Vorbereitungen für die Arbeit in den Gemeinden, im Kreis und auch im
Parlament.“432 Seit 1926/27 wurden auch in Dalmatien Untergliederungen in verschie­
denen Dörfern gegründet. Zentrum der Entwicklung, die in den Zwanziger Jahren
schon zur Gründung von 217 Ortsgliederungen führte, die 1929 schon mehr als 9300
registrierte Mitglieder umfaßten, war jedoch eindeutig Zagreb und das nordwestliche
Kroatien.433
Die wichtigsten Aktivitäten der Bauernpartei und ihrer Nebenorganisationen wie der
Seljacka sloga begannen erst Anfang November und fielen hauptsächlich in die Win­
termonate, also nicht in die Vegetationsperioden, wo die Arbeit auf dem Feld und
der Besuch von Alphabetisierungskursen oder Vorträgen nur schwer zu vereinbaren
gewesen wären. Auch an der Anzahl der eingesandten Beiträge in der Verbandszeit­
schrift „Seljacka prosvjeta“, läßt sich der Lebensrhytmus auf dem Dorf bemerken.434
Suzana Lecek hat die enge Verzahnung von bestehenden Ortsgruppen der Bauernpar­
tei und Neugründungen von Ortsverbänden der „Seljacka sloga“ nachgewiesen. In
172 Orten ging die Existenz einer Parteiuntergliederung der Gründung einer lokalen
Filiale der „Seljacka sloga“ voraus. Zumal die Parteipresse der Bauernpartei regelmäßig
Werbung für die Idee veröffentlichte und in fast jeder Nummer des „Dom“ Aufrufe
zu finden waren, in jedem Dorf Gliederungen der „Sloga“ zu gründen. Daneben er­
wies sich natürlich auch die finanzielle Unterstützung durch die HSS (sofern die poli­
tischen Verhältnisse und die Finanzlage der Partei dies zuließen) als äußerst wichtig.
Das Verbot für einige Jahre nach Ausrufung der Diktatur konnte den Wachstumspro­
zeß nur bremsen, nicht verhindern, der durch hunderte von Absolventen der Alphabe-
tisierungs- und übrigen Kurse initiiert wurde.

431 Vgl. Pravila „Seljacke sloge“ hrvatskoga prosvjetnoga i dobrotvornoga drustva u Zagrebu
(Statuten der „Selj. Sloga“), Zagreb 1925, hier zit. nach Lecek, Seljacka sloga, S. 359ff.
432 Vgl. Prva glavna skupstina „Seljacke sloge“, tajnicki izvjestaj R. Hercega (Erste Hauptver­
sammlung der Selj. sloga, Bericht d. Sekretärs R. Herceg), in: Seljacka prosvjeta 1/1926, S. 5-
8 u. 107f. u. die Broschüre „Sto je i sto hoce „Seljacka sloga“ (Wer ist und was will die Selj.
Sloga), (2. Aufl.), Zagreb 1938.
433 Vgl. die Auflistung m. Gründungsdaten bei Lecek, Seljacka sloga, S. 372-377 u. S. 364. Jede
der Untergliederungen umfaßte in der Praxis mehrere benachbarte Dörfer, manchmal sogar
bis zu 15.
434 Vgl. Druga glavna skupstina „Seljacke sloge“, tajnicki izvjestaj R. Hercega, in: Seljacka pro­
svjeta 2/1927, S. 3 u. 62; hier zit. Lecek, Seljacka sloga, S. 362.

238
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

2. Städtische Lehenswelt und


Industrialisierungshoffnungen

Hochfliegende Hoffnungen und scheinbar nüchterne Wirklichkeitseinschätzungen


führten unter den städtischen Intellektuellen nach dem Ersten Weltkrieg in Dalmatien
stets zur selben Folgerung: Es gab keine Alternative zur Industrialisierung.435 Ivo
Belins Zustandsbeschreibung im Jahr 1928 war unumstritten, derzufolge Dalmatien
mit den Früchten, die seine Landwirtschaft abwarf, seine Einwohner nicht ernähren
könne. Der „wirtschaftliche Fortschritt, wahrer Fortschritt“ sei für Dalmatien nur
durch stärkere Entwicklung seiner Industrie möglich. Mergelkalk, Bauxit und Zement
seien die Hauptindustrien Dalmatiens, man könne sogar sagen „die einzigen“. Die
Zukunft Dalmatiens liege nur in der Industrie. Der Region bliebe nur die Wahl: „ent­
weder Förderung der Industrie oder Auswanderung in noch größerem Maße als bis
jetzt.“436
Und in der Tat war die Entwicklung im ersten Jahrzehnt nach 1918 unübersehbar:
Ende Juni 1919 wurde zum ersten Mal die Möglichkeit diskutiert, in der Nähe Splits
ein Wasserkraftwerk zur Stromgewinnung zu errichten.437 Am 19. Februar 1921 war
es soweit: Der „erste elektrische Motor fing an, in Split zu arbeiten“. Die Tageszeitung
betonte die Wichtigkeit des Datums „in der Hoffnung, daß das der Anfang einer
schnelleren Entwicklung und Blüte der Industrie in unserer Stadt ist“.438 Am 12. Juli
1920 erstrahlte die Hafenpromenade von Split zum ersten Mal im Licht elektrischer
Glühbirnen. Schon 1921 mußte ein neues E-Werk mit der Leistung 150 kW den gestie­
genen Bedarf decken.439 1 926 ging ein Wasserkraftwerk am Fluß Cetina in Betrieb,
das die Stadt und die Zementfabriken zusätzlich mit Energie versorgte. Mit der Aus­
weitung der Zementproduktion stieg auch die verfügbare Elektrizität. Die drei Fabri-

435 Zur Entwicklung vor dem Weltkrieg vgl. Karaman, Igor, Privreda i drustvo Hrvatske u 19.
stoljecu (Wirtschaft u. Gesellschaft Kroatiens im 19. Jh.), Zagreb 1972; Foretic, Dinko, Drust-
vene prilike u Dalmaciji pred prvi svjetski rat s osobitim obzirom na radnicku klasu (Gesell-
schaftl. Verh. in Dalm. vor dem Ersten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der
Arbeiterklasse), Zagreb 1963; ders., Ekonomske prilike u Dalmaciji u drugoj polovici XIX
stoljeca do prvog svjetskog rata (Wirtschaftliche Verh. in Dalm. in der zweiten Hälfte des 19.
Jh. bis zum Ersten Weltkrieg), in: Hrvatski narodni preporod u Dalmaciji i Istri, Zagreb 1969,
S. 9-45; Stulli, Bernard, Ekonomsko-drustvene prilike u Dalmaciji u XIX stoljecu (Wirt-
schaftl.-gesellschaftl. Verh. in Dalm. im 19. Jh.) Dubrovnik 1962.
436 Belin, Ivo, Industrijalizacija Dalmacije, in: Novo doba v. 13.01.1928, S. 3.
437 Novo doba v. 21.06.1919, S. 3.
438 Novo doba v. 22.02.1921, S. 1.
439 Jutronic, Petar, Prikaz elektrifikacije Dalmacije i energetska situacija (Darst. der Elektrifizie­
rung Dalm. u. der Energieversorgung), in: Zbornik Drustva inzenjera i tehnicara u Splitu
1958 hrsg. v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 441-466, hier S. 448.

239
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

ken Majdan, Solin und Sucurac aus den Spliter Vororten verbrauchten 1931 „mehr als
ganz Zagreb mit all seiner Industrie“.440
Durch die neue Energie schienen auch viele Intellektuelle beflügelt worden zu sein.
In zahlreichen Artikeln wurde das Bild einer gewandelten Stadt gezeichnet. Zukunfts­
entwürfe hatten Konjunktur. Marko Car schrieb 1922 über seine „Eindrücke aus
Split“: „Split ist momentan ein Ort, der hauptsächlich für die Zukunft lebt. (...) (Split)
hat für sich die Rolle des dritten kulturellen und ökonomischen Zentrums innerhalb
des Staates bestimmt. Nach Belgrad und Zagreb, so meint man hier, muß gleich Split
kommen. Und das wird auch unausweichlich so sein, sobald sich um die Stadt herum
die Anfahrtswege verbessert haben, sobald sich in ihren Hafen ein kräftigerer Strom
wirtschaftlichen Lebens ergießt.“441 In den „Spliter Impressionen“ des Schriftstellers
und Historikers Lujo Vojnovic, die in Fortsetzungen 1928 in der Tageszeitung Novo
doba erschienen, wurde die industrielle Entwicklung bilanziert und begrüßt.442 Es
hatte sich vieles geändert: Blickte man nun vom Südosten über die Stadt, sah man das
Stadtpanorama vor der Kulisse der Rauchschwaden, die aus den Schornsteinen der
Zementfabrik aufstiegen. Auch die Steinbrüche am Fuße des „Marjan“, der vorgela­
gerten bergigen Halbinsel, waren nicht zu übersehen, und auch die im Hafen angele­
genden Dampfschiffe legten Zeugnis ab von einer neuen Zeit. Es waren zwar noch
nicht die Visionen eines Milan Marjanovic verwirklicht, aber der Weg in Richtung
Industriestadt war unverkennbar. Und das nicht nur in Split. In allen Städten und
Städtchen Dalmatiens schien die erwartete „schöne Zukunft“ 1918 kurz bevorzuste­
hen.443 Die folgende Schilderung der Entwicklung Splits, als insbesondere für die

440 Gizdic, Drago, O razvoju dalmatinske cementne industrije i o klasnoj borbi u njoj do pocetka
narodnooslobodilacke borbe (Über die Entwicklung der dalmatinischen Zementindustrie und
des Klassenkampfs in ihr bis zum Beginn des Volksbefreiungskampfes), in: Zbornik IHRPD
1, Split 1970, S. 167 u. Kraljevina SHS, Almanah 1924-1925, S. 113-115.
441 Vgl. Marko Car: Utisci iz Splita (Eindrücke aus Split), der 1922 eine ganze Reihe von Beiträ­
gen in Novo doba veröffentlichte. Zahlreiche Artikel „Über die Entwicklung Splits und seiner
Umgebung“ erschienen. Die Meinung Marcel Martinis setzte sich durch, daß, „sobald Split
billige Energiequellen zur Verfügung haben wird“, es „zum Aufschwung kommen“ müßte,
da Split im Hinblick auf seine geographische und topographische Lage „bedeutende Vorteile
vor anderen Städten“ aufzuweisen hätte. Sicher sei, „daß Split als Industriestandort eine wich­
tige Rolle spielen wird (...)“; vgl. Novo doba v. 17.06.1919, S. 3.
442 Das bemerkt auch Ivo Dellala, wenn auch mit anderer Intention und Wertung — nostalgisch,
die vermeintlich alten ruhigen Zeiten erinnernd -, in seinem Aufsatz „Split koji iscezava,
kucice na obali“ (Das verschwindende Split, die Häuschen an der Hafenpromenade), in: Novo
doba v. 15.04.1924. Darin bedauert der Autor, daß „heute der Rauch der Fabriken dieses
klassische Gebiet bedeckt und daß das Reich der Technik jegliches weitere romantische Phan­
tasieren zunichte macht“. Er schließt mit den Worten: „Die Atmosphäre ist grau, jetzt kom­
men die Aktien und das Kapital, und das individuell-menschliche verschwindet.“
443 Jadran v. 10.03.1920, S. 2. Ebenso „Tezacka sloga“, Nr. 14 v. 15.03.1920. Einzelaufstellung der
verschiedenen gemeldeten Gewerbe u. Liste der Gewerbetreibenden in der Region bei Stanic,
S. 58-111. Für die 30er Jahre vgl. PAS, Fond TOK, Nr. 601/1936; 1936 sind es auf dem

240
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Wirtschaftsentwicklung wichtigstem Zentrum der Region, soll nicht in erster Linie


empirische Daten ausbreiten, sondern in der Rekonstruktion des Diskurses über die
(größtenteils nur erhoffte) Entwicklung und Rezeption der eigenen Lage ein bestimm­
tes Muster an Erwartungshaltungen darstellen, deren Enttäuschung zu einer Umorien­
tierung der Loyalitäten in der dalmatinischen Gesellschaft führte.444

a) Split nach dem Krieg: Das Gesicht der Stadt wandelt sich

Die „Wichtigkeit Splits und seine Entwicklung“ war ein Thema, dem die lokalen
Zeitungen gerne und oft breitesten Raum einräumten.445 Wenn im Vorwort des Her­
ausgebers von „Savremena opstina“ (Die moderne Gemeinde), Milorad Stojadinovic,
von Split die Rede war, als der „Stadt mit einer großen Zukunft“, deren „allseitiger
Fortschritt uns im allgemeinen nationalen Interesse ehrlich am Herzen liegen muß“,
las man das gern. Das Problem, daß „unsere Küste zweifach isoliert ist, von der übri­
gen Welt und von seinem großen nationalen Hinterland446 (Hervorh. im Original)“,
sah man freilich in Dalmatien nur zu genau. Der Diagnose des Belgrader Verfassers,
daß für die Verbindung mit der Welt „Häfen und Schiffe“ und „für die Aufhebung
der nationalen Isolation der schnellstmögliche Eisenbahnausbau“ erforderlich sei, der
„das Küstenland fest mit den übrigen Teilen des Staates verbinden würde“, schloß
man sich ohne Einschränkungen an.
An die Möglichkeit der „grenzenlosen Entwicklung dieses jugoslawischen Hamburg“
die in den leuchtendsten Farben geschildert wurde, glaubte man ja selbst nur zu gern.
Schien „die Zukunft“ nicht „zweifelsohne gesichert“, und mußte Split nicht zu einem

Gebiet der Gemeinde schon 323 angemeldete Gewerbe, vom Lebensmittelhändler, über den
Fuhrunternehmer bis zum Gastwirt.
444 Daten zur Wirtschaftsentwicklung der Region, vgl. PAS, Veliki zupan splitske oblasti. Odjel-
jenje trgovine i industrije. Izvjestaji o privrednim prilikama po srezovima: Benkovac, Biograd,
Knin, Preko, Rab, Split, Sibenik 1929. BH 7/1, Privredni periodicni izvjestaji 1929-1930,
Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Opce odjeljenje. Izvjestaji sreskih
nacelstava o privrednim prilikama 1930.-1931. BH 7/XII, Kraljevska Banska uprava Pri­
morske banovine - Split. Odjeljenje za trgovinu, obrt i industriju. Izvjestaji o privrednim
prilikama za srezove: Benkovac, Biograd, Hvar, Imotski, Knin, Korcula, Makarska, Metkovic,
Preko, Sinj, Supetar, Sibenik 1933-1940. BH 7/X, BH 7/11, Periodicni izvjestaji srezova 1933.
Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Odjel za trgovinu, obrt i industriju.
Izvjestaji o ekonomskim prilikama 1935.-1939. BH 7/IV-VIII, Ispostava Banske vlasti Bano­
vine Hrvatske u Splitu. Odjel za trgovinu, obrt i industriju. Izvjestaji o privrednim prilikama
1940. BH 8/IX
445 So die Überschrift in Novo doba v. 11.01.1923.
446 Vgl. Vorwort v. Milorad Stojadinovic, in: Bego, Krunoslav, Grad Split i njegova opcina (Split
u. seine Gemeinde), Beograd 1927.

241
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

„Welthafen und Wirtschaftszentrum“ werden? Die Schlußfolgerung des Verfassers war


Konsens in den Wirtschaftskreisen der Region und in den Büros der Verwaltung in
den Zwanziger Jahren: „Nur an Split und am Staat liegt es, daß es dazu kommt!“447
Vom „national-politischen Standpunkt aus betrachtet“, so erfuhr das angesprochene
„kulturell hochstehende und wohlhabende nationale Bürgertum“, das in Split und
Dalmatien entstanden sei, wäre es „dazu berufen, im stärksten Maße zur definitiven
Versöhnung von Serben und Kroaten beizutragen“ (da doprinese u najjacoj meri defi-
nitivnom izmirenju Srba i Hrvata). Dalmatien bestehe „vollständig aus der glücklichen
Synthese des Serben- und Kroatentums, so daß wir es Dalmatien danken können,
wenn der Stammeskampf (plemenska borba) keine schärferen Formen angenommen
hat, sondern nun schon auf dem Weg zur endgültigen Beilegung ist - zum Glück für
alle drei brüderlichen Stämme.“448 Doch wem waren nationale Fragen angesichts des
rasanten Wachstums auf allen Gebieten Anfang der Zwanziger Jahre wichtig? Sicher
gab es Stimmen, die das Auftreten der serbisch dominierten Armee in Dalmatien und
die von ihr veranstalteten „Offizierstänze“, die Feiern von Geburtstagen des Königs­
hauses etc. in geschlossenen Gesellschaften, wo fast nur Serben oder 100%-Anhänger
der serbischen Dynastie teilnahmen, ablehnten.449 Der politische Kampf zwischen An­
hängern des zentralistischen Staatsaufbaus und denen, die eine Föderation verlangten,
die den Kroaten mehr Rechte gewähren würde, war sofort nach der Staatsgründung
entbrannt. Die große Mehrheit der Bevölkerung in den dalmatinischen Städten hatte
aber damit zu tun, sich in den sich wandelnden Verhältnissen zurechtzufinden.
Natürlich bedeutete das nicht, daß nun mit einem Mal alle überkommenen Regeln
und Traditionen außer Kraft gesetzt gewesen wären. Mit neuen Gesetzen zum Beispiel
hatte sich selbstverständlich nicht automatisch das Bewußtsein geändert. Die rechtli­
chen Aspekte des Alltagslebens gehen aus den Archiven der Anwalts- und Notariats­
kanzleien in Split hervor. Kaufverträge, Testamente, Pacht- und Darlehensverträge etc.
spiegeln die soziale Struktur der dalmatinischen Gesellschaft wider.450 So legten die
letzten Willen, die u.a. der Spliter Notar Bruno Katalinic aufbewahrte, ein deutliches
Zeugnis ab von der Prägekraft alter Traditionen. Danach verpflichteten sich in zahlrei­
chen, notariell beurkundeten, „Einigungen über Einkünfte bis zum Tode“ (Pogodba
o dosmrtnom prihodu) die Nachkommen im Hinblick auf ihr Erbe, ihren alt geworde­
nen Eltern „zu essen zu geben, d. h. Nahrung und Getränke und auch alles weitere
zum Leben notwendige, d.h. sie mit Kleidern und Schuhwerk zu versorgen, ihnen
einen anständigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, im Falle von Krankheit sich

447 Siriscevic Slavko, Nase morske luke (Unsere Meereshäfen), Beograd 1927, S. 57 u. 70.
448 Bego, S. 10 u. 19.
449 Novo dova v. 18.12.1920.
450 PAS, Sumarni inventar arhivskog fonda, Javni biljeznici srednje Dalmacije (1612-1944)
(Notare in Mitteldalmatien. Inventarliste) inventar izradila Natasa Bajic Zarko, Split 1992.
Neben den Notaren, zählte das Anwaltsverzeichnis der Region (Alfabetski imenik advokata
Advokatske komore u Splitu, Split 1933) während der 30er Jahre in 25 Orten 158 Anwälte
auf, die Mitglieder der Anwaltskammer waren, davon in Split 48.

242
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

um Medizin und einen Arzt zu sorgen, auf sie aufzupassen und sie zu pflegen, mit
wahrer Sohnesliebe, und schließlich gemäß ihrer Zugehörigkeit zum Stand der Land­
arbeiter“ (prema njihovom tezackom stalisu) oder „Bürger“ (prema gradjanskom sta-
lisu) zu beerdigen.451 Deutlich geht aus vielen vom Notar aufgezeichneten Testamen­
ten, in denen durch ein Kreuzzeichen das Gehörte bestätigt wurde, eine statische
Auffassung von Gesellschaft hervor, die sich nicht wandelt und wo man in seinen
Stand hineingeboren wird.
Doch die Änderungen, die in das tägliche Leben der Menschen wirkten, waren nicht
zu übersehen, obwohl hier nur kursorisch darauf eingegangen werden kann und eine
genaue Darstellung neuer Formen gesellschaftlichen Verhaltens, wie sie sich im Ver­
halten der Stadtbewohner widerspiegelten, unterbleiben muß. Die „verrückten Spliter
Jahre“ (lüde splitske godine), unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, waren voller
Ereignisse, die das bis dahin in der tiefsten Provinz dahinschlummernde Städtchen
mit einem (für dalmatinische Verhältnisse) sensationell neuen, modernen Lebensstil
konfrontierten und viele Änderungen initiierten.452
Nicht nur das Aufblühen der Zementindustrie und die einsetzende Elektrifizierung
änderten das Leben in der größten Stadt Dalmatiens. Die Anwesenheit der alliierten
Kriegsschiffe im Hafen, die fremden Soldaten und Matrosen, die heftigen politischen
Auseinandersetzungen, die ersten Touristen,453 die Split besuchten, das (erst recht
nach der aufoktroyierten Grabesruhe der vier Kriegsjahre) enorm intensivierte öffent­
liche Leben - all das beschleunigte den Puls der Stadt, den Rhytmus des Lebens
in Split. Wahrscheinlich, wie Anatolij Kudrjavcev schreibt, war die Interferenz des
Traditionellen und des Modernen niemals so deutlich spürbar wie in jenen Jahren.
Split wollte in den zwanziger Jahren kein Städtchen „aus halbvergessenem Lande“
mehr sein, wo in den Gäßchen zwischen buckligen, nichtnumerierten Häusern zer­
lumpte, hungrige Gestalten herumlungern, wie das 1875 ein Theodor Schiff beschrie­
ben hatte, die winters ihre Wohnungen nicht heizen, wo es „schrecklich langweilig“
sei.454
Wie auch seine Vorgänger, seitdem die Narodna stranka 1882 die Wahlen gewonnen
hatte, stand der Bürgermeister (die „von oben“ eingesetzten Kommissare ausgenom­
men) im Fokus nicht nur der lokalen, sondern - auf Dalmatien bezogen - auch der
„nationalen“ Politik.455 Ob als „Vorsitzender“ der „Pucka kuhinja“ (Volksküche) oder

451 Vgl. Katalinic Bruno 1913-1944, PAS AN/LXXXI Testamente 1914-1939 u. N.s./LXXXIV
1918-1939.
452 Kudrjavcev, Anatolij, Vjecni Split (Ewiges Split), Split 1985, S. 41.
453 Vgl. den Artikel von Frane Ivanisevic „Im Land der Sonne und des Meeres - Für einen
Tourismus in Dalmatien“, in: Novo doba v. 05.03.1921, S. 1.
454 Schiff, Theodor, Aus Halbvergessenem Lande, Wien 1875.
455 An der Spitze Splits standen: 1882-85 Dujam Rendic-Miocevic; 1885-93 Gajo Bulat; 1893 —
97 Ivan Manger; 1897-99 Petar Katalinic; 1899-1906 Vinko Milic; 1906-07 Ante Trumbic;
1907-11 Vicko Mihaljevic; 1911-12 Vinko Katalinic; Nov. 1912-März 1913 als Kommissar
Teodor Sporn; 1913-Aug. 14 Vinko Katalinic; als Kommissar Aug. 1914-Okt. 17 Frano

243
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern

im „Aufsichtsrat des örtlichen Trägers der Sozialversicherung (Okruzni ured za osigu-


ranje radnika) - die Anzahl der Ämter und Ehrenämter des Bürgermeisters war er­
heblich. Aus dem Kreis der Beisitzer und Stadträte des Spliter Stadtrats in den Wahlpe­
rioden der 20er Jahre rekrutierten sich mehr oder weniger alle politischen Persönlich­
keiten, die im öffentlichen Leben Dalmatiens und einige auch Jugoslawiens während
der Zwischenkriegszeit eine Rolle spielten.456 Die Schicht der städtischen Politiker
war ganz einem ,klientelistischen‘ Politikmodell verpflichtet, das eine lange Tradition
in den dalmatinischen Kommunen hatte und schließlich auch die „nationale“ Politik
geprägt hatte. Sehen wir uns das Split der Zwischenkriegszeit etwas genauer an.
Die Gemeinde Split umfaßte 82,36 km2 und gehörte von ihrer territorialen Ausdeh­
nung her zu den mittelgroßen Verwaltungseinheiten. Das fruchtbare Umland,
„Splitsko polje“, seit der Antike als „Ager Salonitanus“ bekannt, nahm davon den
größten Teil ein.457 Im Süden vom Meer begrenzt (Bucht von Kastela), nach Norden
und Nord-Osten von den Bergen Kozjak, Mosor und seinen Ausläufern. Das davon
umschlossene Gebiet wird Splitsko polje genannt und ist das größte seiner Art an der
östlichen Adriaküste. Es zieht sich von Omis bis Trogir, und wurde seit der Antike
für die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte benutzt. Zwei Flüsse entspringen im
Spliter Umland, die Zrnovnica im Osten und der Jadro im Norden. Das Wasser des
Jadro wurde schon in den Aquädukten Diokletians in die Stadt geleitet. Das Spliter
Verwaltungsgebiet umfaßte das gesamte mittlere und nördliche Dalmatien und damit
fast 3/4 des Territoriums des ehemaligen Königreichs Dalmatien, mit ca. 450.000 Ein­
wohnen.458 Die neugewonnene administrative Stellung Splits als Hauptstadt der Re­
gion zog auch zahlreiche andere staatliche Institutionen nach Split.459

Madirazza; als Kommissar Nov.-Dez. 1917 Vicko Niseteo; als Kommissar Dez. 1917-Okt.
1918 Teodor Sporn; im Okt. 1918 Josip Smodlaka; Oktober 1918—Juli 1928 Ivo Tartaglia; als
Kommissar Juli-Nov. 1928 Petar Bonetti; Nov. 1928-Feb. 1929 Josip Berkovic; Feb. 1929-
Juni 1933 Jaksa Racic; Juni 1933 —Juni 1938 Mihovil Kargotic; Juni-Aug. 1938 Mirko Buic;
Okt. 1938-März 1939 Vlado Matosic; März-Sept. 1939 Ivan Zlatko Vrdoljak; als povjerenik
der BH Sept. 1939-Mai 1940 Stjepan Spalatin; Mai 1940-April 1941 Josip Brkic, vgl. Baric/
Jurisic (Hg.), Splitsko iverje, Split 1983, S. 45 u. Baras, S. 49f.
456 Neben dem Bürgermeister Dr. Ivo Tartaglia waren dies die Beisitzer Jakov Culic, Dr. Edvard
Grgic, Dr. Ivo Cuzzi, Dr. Jaksa Racic. Kaj Jelaska u. Jozo Zelic sowie die Mitglieder des
Gemeinderats: Bartul Barisic, Dr. Josip Berkovic, Ante Boban, Jakov Bozic, Rok Culic,
Franjo Donadini, Marin Feric, Dr. Silvestar Giunio, Dr. Prvislav Grisogono, Dujam Ivanise-
vic, inz. Vjekoslav Ivanisevic, inz. Petar Jozevic, prof. Ivo Juras, Blaz Katic, Ivan Kovacic,
Ante Kuzmanic, Dr. Ivo Majstrovic, Dr. Vlade Matosic, Neven Matulina, Marin Mihanovic,
Milan Mitrovic, inz. Petar Senjanovic, Ivan Tente, Dr. Ante Trumbic. Vgl. Splitski almanah
za god. 1925-26., Izdanje Splitske opcine, Split 1927, S. 47.
457 Vgl. Pervan, Budimir/Vekaric, Zivko, Urbanisticki razvoj Splita od antikne Salone do savre-
menog Splita (Urbanistische Entw. Splits seit dem antiken Salona bis zum modernen Split),
in: Siriscevic (Hg.), S. 25-44.
458 Grad Split 1927 (Typographisches Manuskript im Historischen Archiv in Split) Signatur 116.
459 Z. B. Direkcija Pomorskog Saobracaja, Apelacioni Sud, Drzavno Nadodvjetnistvo, Inspekto-
rat Ministarstva Narodnog Zdravlja, Inpekcija Rada za Obiasti Splitsku, Dubrovacku i

244
Städtische Lebenstedt und Industrialisierungshoffnungen

Milan Marjanovic hatte Split visionär eine Zukunft als Großstadt vorausgesagt. „Die
Zukunft Dalmatiens“, so war er überzeugt, „liegt darin, daß es ein starkes Zentrum
bekommt, eine große, verkehrsreiche Stadt. Erst dann (...) ist Fortschritt möglich,
Entwicklung im großen Stil. Split ist die Stadt der Zukunft (Hervorh. A. J.). Split ist
jenes zukünftige Zentrum Dalmatiens, der zukünftige große Hafen, die Stadt des Ver­
kehrs und des Lebens“.460 Pläne wurden geschmiedet für einen „Welthafen an der
Adria“ (svjetska luka na Jadranu), und von der Handelskammer wurden ernsthaft
drei Häfen und eine Börse geplant.461 Die Bevölkerungszahlen und Einnahmen der
Stadtkasse aus Gewerbe-, Boden- und Haussteuern, die nach dem Krieg in die Höhe
schnellten, schienen solch einen Optimismus zu rechtfertigen: In nur 50 Jahren, zwi­
schen 1890 und 1941, verdreifachte sich die Einwohnerzahl von Split. Grund dafür
war nicht eine höhere Geburtenrate,462 sondern der Zuzug aus den Dörfern. Um die
Jahrhundertwende zählte das aus den Stadtteilen Grad, Varos, Dobri, Manus, Lucac,
Bacvice, Pojisan, Primorje, Marjan,und Polje bestehende Split 18.000 Einwohner, 1918
waren es etwas über 20.000.463 Zwischen 1921 und 1931 nahm die Bevölkerung der
Stadt von 25.000 auf 43.711 Menschen zu, was einer Steigerungsrate von 57% ent­
sprach.464 Die Einwohnerzahl der Stadt hatte sich seit dem Zusammenbruch Öster-

Zetsku, Inspekcija Rada za Pomorsku Plovidbu, Radnicka Komora za Dalmaciju, Konserva­


torski Ured, Glavna Policajna Direkcija za Primorje etc., dazu Bischofssitz, 41 Schulen (hö­
here, mittlere und Grundschulen), Sitz der Handels- und Handwerkskammer, Anwaltskam­
mer und edicher anderer Vereine und Vereinigungen.
460 Vgl. Milan Marjanovic: Spljet, in: Zvono Nr. 22 (Zagreb) v. 22.10.1909, S. 584.
461 Novo doba v. 09.12.1919, S. 2.
462 Vgl. Radica, Bogdan, Novi Split, Split 1931, S. 101, wonach das „natürliche Wachstum“ 1916 —
1926 mit 799 Personen das Vorkriegswachstum (1900-1913 729 Personen) nur unwesentlich
übertraf.
463 Mit dem „Stand 15. Dezember 1922“ hatte die Stadt 27.378 Einwohner, davon 13.265 männli­
chen und 14.113 weiblichen Geschlechts. Katholiken 26.428, Pravoslaven 684, griechisch-
kath. 17, Evangelische 17, Israeliten 268, Muslime 11, übrige Religionen 2, konfessionslos 11.
Schreiben und lesen konnten 20.660, Analphabeten waren 6718. Insgesamt wurden 2366 Häu­
ser gezählt. Weiterhin gehörten zu Split (in Klammer Einwohnerzahlen): Solin (2432), sowie
die Dörfer Vranjic (881), Mravince (560), Kucine (328), Stobrec (363), Kamen (155), Zrnovnica
(1305) und Slatine (720). Vgl. Skarica, Splitski shematizam, S. 15ff.
464 Die Gemeinde Split, also die Stadt u. angrenzenden Dörfer, zählte am 31. Januar 1921 31.681
Einwohner (15.836 männl. u. 15.945 weibl.), von denen 30.529 SHS-Staatsbürger waren.
Neben 451 Ausländern weist die Statistik „804 noch unentschiedene“ aus, von denen der
größte Teil später f. Italien optierte. Neben 30.547 Katholiken wurden 934 serbisch-ortho­
doxe, 9 griechisch-orth., 5 Evangelische, 92 Muslime, 178 Israeliten, 3 übrigen Glaubens und
11 ohne Konfession gezählt. Nach dem Sprachkriterium unterschied die Statistik: „29.770
Serbo-Kroaten, 283 Slowenen, 93 übrige Slawen, 53 Rumänen, 1295 Italiener, 108 Deutsche,
10 Ungarn, 37 Albaner, 132 übrige.“ Vgl. Splitski almanah i adresar za 1925. g., S. 52 u.
Grad Split 1927, S. 4; Prethodni rezultati popisa stanovnistva u Kraljevini SHS 31.01.1921,
Sarajevo 1924, S. 250; Definitivni rezultati popisa stanovnistva 31.03.1931, Bd. I, Beograd
1937, S. 9.

245
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Abb. X: Anstieg der Einwohnerzahl von Split

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7.000
| ,____ A—. V )
& AffOA/'o v::t itf/upcjcj. untsrAmcA'
,NP CCMIKTA IVCKI HfOriCT tfOvt »O

Quelle: Siriscevic, Slavko, Zbornik, S. 28. Text unter den jeweiligen Jahreszahlen: Pest, Dürre/
Pest/Krieg, Pest/Pest/Zementindustrie, Stummelstrecke, Bahnverbindung durch die Lika, Hafen­
umsatz, Bahnverbindung durch das Una-Tal, Neue Industrien.

246
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

reich-Ungarns in nur 20 Jahren mehr als verdoppelt. Split breitete sich nach allen
Seiten aus.465
1925 wurde die Eisenbahnlinie durch die Lika endlich fertiggestellt, als erste schwache
Verbindung Splits mit seinem Hinterland und dem europäischen Schienennetz. Nun
konnten Waren aus Europa mit der Eisenbahn transportiert werden, ohne sie in Triest,
Rijeka oder Susak umladen zu müssen. Die megalomanische Euphorie, die die Stadt­
verwaltung daraufhin erfaßte: „Die ganze Bucht von Kastela kann zu einem einzigen
Hafen werden, der in der ganzen Welt nur schwer seinesgleichen fände“,466 besaß den
realen Kern, daß durch den Wegfall der Adriahäfen Rijeka/Fiume und Triest, die Ita­
lien zugeschlagen wurden, die Bedeutung des Spliter Hafens tatsächlich gewachsen
war.

Abb. XI: Geplante Spliter Hafenanlagen

KOMPLEKS SPLITSKIH LUKA.

Quelle: Grad Split 1927, S. 22.

465 Lag die Einwohnerzahl zwischen 1553 und dem Anfang des 19. Jahrhunderts konstant zwi­
schen 3-4.000, ausgenommen zu Zeiten von Pest oder Choleraepidemien, steigt sie erstmals
nach der Zeit der französischen Verwaltung auf über 10.000 und erreicht 1860 23.000. 1921
werden 25.622 Einwohner gezählt, 1926 schon über 30.000, 1941 über 40.000 und 1948 wer­
den bei der Zählung 48.248 Einwohner registiert, 1953 dann schon 75.377. Nach Novo doba
v. 15.02.1928 lebten, nach Konfession unterteilt, 1928 in der Region Split 43.416 Einwohner
katholischen Glaubens und 1358 orthodoxe, 293 Israeliten 70 Evangelische, 46 Muslime, 18
Griechisch.-Kathol., 25 ohne Konfession und 24 Einwohner anderen Glaubens.
466 Grad Split 1927, S. 22.

247
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Die zunehmende Wichtigkeit des Spliter Hafens wird deutlich an der steigenden Zahl
der beim Hafenamt beim Einlaufen registrierten Schiffe und den Nettoregisterton-

Tabelle XXIII: Zunahme des Schiffsverkehrs im Spliter Hafen 1922-1939

Jahr Registrierte Hafennutzungen Nettoregistertonnen

1922 10.366 1.951.156


1926 13.037 2.928.118
1930 20.448 5.473.423
1939 23.927 8.060.377

Quelle: Fijo, Oliver, Splitsko brodarstvo u razdoblju od 1800. do 1940. godine, in: Zbornik, hg.
v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 135-148, hier S. 144f.

Die neu in Betrieb genommene Eisenbahnverbindung initiierte den Aufschwung. Be­


trug der Warenumschlag (in „kvintali“ = 100 kg) im Jahr 1925 2.074.130 q, so war er
1927 schon bei 8.220.086 q und machte 37,2% des Warenumschlags aller jugoslawi­
schen Häfen aus. 1935 kletterte dieser Anteil sogar auf über 40%. Beim Personenver­
kehr wuchs die Anzahl der Beförderten von 273.330 Reisenden im Jahr 1926 auf
519.776 im Jahr 1939. Auch hier entfielen knapp 40% aller Schiffsreisenden auf die
Spliter Schiffahrtsgesellschaften bzw. den Spliter Hafen. Die Zahl von 18 verschiede­
nen einheimischen und ausländischen Schiffahrtsagenturen, die 1929 ihren Sitz in Split
hatten, kann daher nicht überraschen. Insgesamt waren mittel- und unmittelbar knapp
6500 Menschen in der Schiffahrt beschäftigt, davon 929 die zur See fuhren. Entspre­
chend nahm auch die Zahl der in Split registrierten Schiffe zu. Dampfschiffahrtsgesell­
schaften unterhielten monatlich oder vierzehntäglich die Verbindungen mit Marseille,
Spanien, Nordafrika, den kanarischen Inseln, Malta, der Ägäis, Argentinien und
Nordeuropa. Split war das unangefochtene Zentrum der jugoslawischen Schiffahrt der
Zwischenkriegszeit und bot sich, so die hochfliegenden Pläne, als Station der „kürze­
sten Verbindung Moskau - Belgrad - Split - Südatlantik“ an:
Stadtregulation, Elektrifizierung, Modernisierung der Wasserversorgung, Asphaltie­
rung der Straßen in der Stadt und (über Solin und Kastela) nach Trogir, sowie zahlrei­
che öffentliche Bauten prägten die Stadtentwicklung in der Zwischenkriegszeit. Auch
die Industrialisierung machte Fortschritte: eine neue Werft, schwimmende Docks, eine
Eisengießerei und verschiedene kleinere Betriebe entstanden. Die Fortschritte waren
unverkennbar seit der Elektrifizierung 1920. Mit dem Bau von hochgelegenen Wasser-

467 Vgl. „Pomorska statistika“ hrsg. v. Direkcija pomorskog saobracaja ab 1926, veröffentlicht
von der Trgovinska komora Split; Lit.: Fijo, Oliver, Splitsko brodarstvo u razdoblju od 1800.
do 1940. godine (Die Spliter Schiffahrt in der Zeit zw. 1800 und 1940), in: Siriscevic (Hg.),
S. 135-148, hier S. 144f. Die gesamte jug. Handelsflotte bestand 1941 aus 176 Schiffen mit
398.130 BRT; vgl. Ivulic, Gracijan, Split u razvitku Jugoslavenske trgovacke mornarice (Split
in der Entw. der jug. Handelsmarine), in: ebenda, S. 149-164.

248
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Abb. XII: Split als geplanter Verkehrsknotenpunkt

speichern (auf dem Berg Marjan und im Stadtteil Gripe) bekamen die höhergelegenen
Stadtteile und die oberen Stockwerke der Häuser der Innenstadt fließendes Wasser.
Ein neues Leitungsnetz, das 1932 fertiggestellt wurde, verbesserte die Wasserversor­
gung noch. Nach dem Asphaltieren der Uferpromenade 1926 wurden auch andere
städtische Straßen mit modernen Fahrbahnen ausgestattet und die bis dahin nach je­
dem Regen zu Schlammlöchern werdenden Straßen eigneten sich nun auch an Regen­
tagen für den Verkehr von Menschen und Fahrzeugen.
Die rasche Zuwanderung" habe „eine große individuelle und gesellschaftliche Aktivi­
tät in Split" hervorgerufen, die zu einer „Blüte der Stadt“ geführt habe. Deshalb seien
„in keiner anderen Küstenstadt, und in wenigen im Binnenland, solche Fortschritte
auf allen Gebieten der Kultur und der Zivilisation nach der Gründung unseres Staates
zu beobachten, wie in Split“, hieß es in der zeitgenössischen Publizistik.468 Statistische

468 Rubic, Ivo, Gravitacija susjednih zitelja Splita (Gravitation der Umlandsbevölkerung in Rich-
tung Split, Sonderdruck aus „Hrvatski geografski glasnik“ br. 2/1930), Zagreb 1930, S. 114.

249
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Daten als Gradmesser des Aufschwungs und Argument in der öffentlichen Rede er­
oberten einen wichtigen Platz in der Lokalpolitik.469
Neben den zugezogenen neuen Einwohnern der Stadt gravitierte auch das gesamte
Umland zu diesem neuentstandenen Zentrum: Ivo Rubic stellte genaue Untersuchun­
gen Ende der 20er Jahre an und zählte 1928 717 Menschen, die jeden Wochentag nach
Split pendelten. Dabei räumte er freilich eine große, nicht genau erfaßbare Schwan­
kungsbreite ein.470 Diejenigen, die nicht jeden Tag in die Stadt kämen, aber als Markt­
frauen, Anbieter von Kleinwaren oder Einkäufer regelmäßig die Stadt aufsuchten,
bezifferte er auf „wenigstens 441 und höchstens 1769“ Personen durchschnittlich pro
Tag. Das Maximum würde „bei Feierlichkeiten, sportlichen Wettkämpfen, Paraden“
etc. erheblich anwachsen.471 In Split waren 104 Tage als Markttage (pazarni dan) de­
klariert, an denen man wohl vom oben erwähnten Maximum ausgehen kann. Insge­
samt 16 Tage gehören in die Kategorie der „besonderen Tage“, also vor Feiertagen.
Im Resultat kam er auf eine Zahl von 1828 Dorfbewohnern, die mehr oder weniger
regelmäßig Split besuchten. Von insgesamt 37.972 Dorfbewohnern im Einzugsbereich
waren das 5%. Split wurde „faktisch zum Zentrum der Bevölkerung des gesamten
Küstenlandes, in dem sich aus allen Gemeinden und aus einer großen Zahl von Orten
Vertreter befinden“. Diese kämen oft zusammen „sei es auf der Straße, in den Häusern
oder Gaststätten und reden am meisten über ihre Dörfer, erneuern alte Erinnerungen,
sprechen über bekannte Personen oder schließen neue Bekanntschaften.“ Es gab auch
zahlreiche Vereine dieser Zugezogenen. Die zahlenmäßig stärkste Vereinigung war die
aus der „Zagora“ (Zagorska Zajednica), die angeblich 6000 Mitglieder hatte. Auch
deren Leitungsgremien und Aktiven trafen sich regelmäßig im Kaffeehaus, um über
ihre lokalen Fragen zu reden. Diese Vereinigung hatte auch einen eigenen Priester.472
469 Selbst ein „gesundheitlicher Zahlenspiegel“ wurde vom „opcinski statisticki anagrafski ured“
in den 20er Jahren erstellt, der von Geburt bis Tod versuchte, einen „statistischen Überblick“
über das Leben in der Stadt zu liefern. Bis hin zur Zahl der erfaßten „öffentlichen Prostituier­
ten“ (281 im Jahr 1924) und den „Kriminal- und Polizeidaten“, die auch „Anzeigen wegen
Majestätsbeleidigung“ oder die im Jahr 1924 103 Anzeigen wegen „Fluchens und Gebrauchs
unhöflicher Ausdrücke“ verzeichnete. 848 Gendarmen und Soldaten sicherten die staatliche
Gewalt. Leider wurden diese Daten nur im „Splitski almanah“ für 1925 ausführlich publiziert
und später nicht mehr. Vgl. Splitski almanah i adresar za 1925. g., Split 1926.
470 Eine Befragung unter den Schulleitern der Spliter Schulen erbrachte die Daten, daß 248 Schü­
ler täglich aus der Spliter Umgebung zum Unterricht nach Split fuhren. Die Meisten davon
aus Solin (88), Donja Kastela (25), Kastei Sucurac (23) und Trogir (23). Auch pendelten täglich
128 Arbeiter zu ihrem Betrieb nach Split. Die größte Zahl aus Dicmo (68), Kastei Sucurac
(20) und Klis (11). 303 sog. „Milchfrauen“ (mljekarice) kamen gleichfalls jeden Morgen von
den Dörfern außerhalb in die Stadt; vgl. Rubic, S. 117.
471 Am größten sei der Zustrom „in der Woche vor Weihnachten, v.a. am Heiligabend, vor
Ostern, am Tag des Schutzheiligen von Split (Sv. Duje), vor den Marienfeiertagen (Mala i
Velika Gospa (8.09. u. 15.08.)), oder am zweiten Pfingsttag“, ebenda, S. 119.
472 ebenda, S. 114. Auch fremde Staatsangehörige gründeten Vereine, wie die „Tschechisch-Jugo­
slawische Liga“ (Cesko-Jugoslavenska Liga); „Freunde Polens“ (Prijatelji Poljske), oder den
„Russischen Gesangs- und Kulturverein“ (Rusko Pjevacko i kulturno udruzenje). Während

250
Städtische Lehenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Sah man auf die steigenden Einwohnerzahlen, das immer weitere Ausgreifen der
Randbezirke, wo vorher nur Felder gewesen waren; blickte auf die Zunahme des
Schiffs- und Straßenverkehrs473 - der Hafen von Split wurde zum „größten im neuen
Staat“- so schien sich in den Zwanziger Jahren vieles vom Vorhergesagten zu verwirk­
lichen.
Der Bedarf an Wohnraum in der Stadt stieg daher auch stark an: In den ersten 15
Jahren nach der Vereinigung „wurden alle Straßen in der Stadt asphaltiert, und eine
gewaltige Anzahl moderner Häuser gebaut“, so daß Split „ein ganzes neues Stadtvier­
tel bekam.“474 Der neue Bebauungsplan, der aufgrund eines internationalen Wettbe­
werbs vom bekannten Architekten Werner Schürmann entworfen worden war, zeigte
plastisch die gewollte Stadtentwicklung.
Es wurde nicht zuletzt wegen der drängenden Wohnungsnot „sehr lebhaft gebaut“ in
Split, nach Zagreb und Belgrad „am stärksten im ganzen Staat.“475 V.a. der Zuzug aus
der vormaligen dalmatinischen Hauptstadt Zadar und deren Umgebung, die Italien
zugeschlagen wurden (die Zahl der Einwohner Zadars sank von 14.056 im Jahr 1910,
auf weniger als 9000 1925), verschärfte die Wohnungsnot. Wegen des Verlustes von
Rijeka und Triest suchten auch zahlreiche Handelshäuser, Schiffahrtsgesellschaften
und andere Unternehmen in Split Wohn- und Geschäftsräume. Die Bautätigkeit476 in
der Stadt wurde angekurbelt durch eine städtische Bau-Aktiengesellschaft, an deren
Spitze der Bürgermeister Ivo Tartaglia stand.477 Ein neuer, moderner Schlachthof,
Ozeanographisches Institut, Hauptpostamt und zahlreiche Wohnhäuser, die einer der
wichtigsten Architekten und geichzeitig Bauunternehmer in der Zwischenkriegszeit

der Zwischenkriegszeit gab es auch noch ein „Cabinetto di Lettura“ der Italiener, die auch
eine Schule und eine eigene Kirche, mit Priester aus Italien, unterhielten, aber im politischen
Leben der Stadt, vor der Besetzung durch italienische Truppen 1941, so gut wie keine Rolle
spielten.
473 Die Bedeutungszunahme Splits als Hafenstadt war v.a. begründet durch den Ausfall des
(nachher bedeutendsten) Hafens von Rijeka und den Häfen von Zadar und Lastovo.
474 Durdevic, Svetozar (Hg.), 20 godina kulturnog i privrednog razvitka Kraljevine Jugoslavije
(20 Jahre kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Königreichs Jugoslawien), Beograd
1938, S. 127.
475 ebenda.
476 Über die Architektur während der Zwischenkriegszeit in Split und Dalmatien vgl. Tusek,
Darovan, Arhitektonski natjecaji u Splitu 1918-1941. (Architektonische Wettbewerbe), Split
1994; Keckemet, Dusko, Splitska meduratna arhitektura (Architektur Splits in der Zwischen­
kriegszeit), in: Arhitektura, Nr. 156-157/1976, S. 65-79; ders., Stambena arhitektura u Splitu
u razdoblju izmedu dva svjetska rata (Wohnungsarch. in der Zeit zwischen den Weltkriegen),
in: Arhitektura, Nr. 1-3/1989-91, S. 208-210 u. 25-27; Muljacic, Slavko, Kronoloski pre-
gled izgradnje Splita u XIX. i XX stoljecu (1806-1958) (Chronologischer Überblick des Aus­
baus Splits im 19. u. 20 Jh.), in: Zbornik Drustva inzenjera i tehnicara, Split 1958, S. 61-95
u. zahlreiche Artikel über einzelne Architekten od. Bauvorhaben die auch in diese Zeitspanne
fallen von Stanko Piplovic, vgl. Bibliographie bei Tusek, S. 142.
477 Novo doba v. 5.03.1921, 7.04.1921 u. 19.04.1921. Die „Wohnungsfrage in Split“ (Artikelüber­
schrift v. 16.04.1921) wurde in „Novo doba“ häufig erörtert.

251
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

in Dalmatien, Marin Marasovic, entwarf und baute, prägen auch heute noch manche
Teile Splits.478 Allein in den Jahren 1925 und 1926 wurden 84 öffentliche und private
Gebäude in Split neu erbaut oder von Grund auf rekonstruiert. 27 große Ausschrei­
bungen in der Zwischenkriegszeit, an denen sich viele Architekten beteiligten, zeugen
für den Aufschwung in der öffentlichen Bautätigkeit, die in den Zeitungen auch breit
diskutiert wurde.479 Es entstanden Bürogebäude in Kommunaleigentum (1921-24),
eine Wetterstation (1925-26), ein neuer städtischer Friedhof „Lovrinac“ (1928), neue
Schulgebäude für die Grundschulen in den Stadtteilen Manus-Dobri und Veli Varos
(1929-30), ein Ozeanographisches Institut (1932-33), Hygieneamt (1932-33), Ar­
beitsamt (1934-35), Lagerhäuser für zu verzollende Waren und zur Vermietung
(1935-38), ein neues Hauptpostamt (1936-39), verschiedene Klinikbauten (1933 u.
1936-40), das Verwaltungsgebäude der Küstenbanschaft (1938-40), ein neues Gym­
nasium im Stadtteil Lovret (1938-40) und das Meeresfreibad Bacvice (1940-41).480
All diese neuen Bauten änderten das Gesicht der Stadt. Doch die politischen Rahmen­
bedingungen waren weit von den hochfliegenden Vorstellungen entfernt, die das dal­
matinische „Bürgertum“ 1918 erfüllt hatten.
Erste kritische Stimmen waren bald zu vernehmen. Die Bilanz von „Novo doba“ nach
einem Jahr des „gemeinsamen“ Lebens im lang ersehnten südslawischen Staat fiel
nicht gerade erhebend aus. Der Schreiber des Leitartikels mußte feststellen: „Als im
Dezember 1918 die große Tat der nationalen Vereinigung unseres ganzen Volkes voll­
bracht war, waren wir alle überzeugt, daß das Jahr 1919 ausgefüllt sein wird mit
ernsthafter und konstruktiver Arbeit, was den Ausbau und die Festigung unseres Na-

478 Piplovic, Stanko, Graditelj Marin Marasovic. U povodu 100. obljetnice rodenja, in: Hrvatska
obzorja. Casopis Matice hrvatske - Split 4/1995, S. 953-960. Auch Marasovic gehörte zu den
Architekten, die Entwürfe des Bildhauers Ivan Mestrovic umsetzten, u. a. sein Mausoleum in
Otavice, das Haus der Kunst in Zagreb, Werkstatt und Haus des Künstlers in Split. Er arbei­
tete auch am „Denkmal der Dankbarkeit für Frankreich“ am Kalemegdan in Belgrad, dem
Lovcen-Mausoleum f. Njegos in Montenegro und der Kirche „Krista Kralja“ in Zagreb mit.
479 Karaman, Ljubo, Regulacioni plan grada i Dioklecijanova palaca u Splitu. Glasnik Primorske
banovine, br. 5, 1939, S. 90-95; Dr. I. B., Buduci Split, in: Novo doba v. 29.10.1924; ders., Za
jugoslavenski Stil u graditeljstvu, in: Novo doba v. 06.02.1920; Brajevic, Vinko, Urbanisticki
problemi Splita, in: Novo doba v. 11.06.1938; Culic, Prosper, Razvitak grada Splita 1919—
1929, in: Jugoslavija na tehnickom polju - zbornik hg. v. Udruzenje jugoslavenskih inzenjera
i arhitekata, Zagreb 1930, S. 272-277; Schürmann, Werner, Ein Vorschlag zur Neugestaltung
der nördlichen Umgebung der Domkirche in Split (Spalato), in: Prilog III Vjesniku za arheo-
logiju i historiju dalmatinsku god. 1924-1925, Split 1925.
480 Eine detaillierte Auflistung der zwischen 1918 und 1941 verwirklichten Bauvorhaben in Split
findet sich bei Muljacic, S. 61-96, besonders S. 69ff. („Period izmectu dva rata“). Vgl. auch
Cicin Sain, C., Historijski razvitak grada Splita, hg. v. Muzej grada Splita, Split 1950; ders./
Pervan, B./Vekaric, Z., Direktivna regulaciona osnova Splita. Od antikne Salone do suvreme-
nog Splita, in: Urbanizam i arhitektura Nr. 5-8, Zagreb 1951, S. 5-36; Keckemet, D., Deset
stilova arhitekture jednoga grada, in: Covjek i prostor Nr. 19, Zagreb 1954, S. 2ff., Smodlaka,
J., Dioklecianova palaca i splitska obala drzavno pitanje, in: Novo doba v. 12.04.1936; Radica,
B., Novi Split 1918.-30., Split 1931.

252
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

tionalstaates und die Konsolidierung des schwer beeinträchtigten Volkslebens anbe­


langt. Doch anstelle dessen müssen wir konstatieren, daß in diesem ersten Jahr des
Lebens in unserem freien Staat alles häufiger war als positive und erfolgreiche Arbeit.
Zu früh kam es zur Parteiendifferenzierung,481 und der Kampf für Parteiinteressen
und Ziele rückte alles andere in den Hintergrund. (...) Wirklich, es ist eine traurige
Bilanz dieses ersten Jahres unseres unabhängigen politischen Lebens“.482
Daß die zahlenmäßige Mehrheit der Serben im neuen Staat ausgespielt und eine zen­
tralistische Verfassung am serbischen St. Veitstag 1921 trotz des Boykotts der überwäl­
tigenden Mehrheit der gewählten kroatischen Abgeordneten im Parlament in Belgrad
verabschiedet wurde, machte die Bilanz in den Augen unzufriedener Kroaten nicht
besser. Alle föderalistischen Vorschläge wurden von den serbisch-zentralistischen
Kräften als „Attentat auf den Staat“ begriffen und auch im Hinblick auf die Zersplitte­
rung der relativen serbischen Mehrheit kategorisch abgelehnt.483 Das, was Slowenen
und Kroaten symbolischerweise an Eigenständigkeit in der zentralistischen Vidovdan-
Verfassung gelassen wurde, vom Staatsnamen über die Nationalhymne, - deren erste
drei Strophen die jeweils erste Strophe der serbischen, kroatischen bzw. slowenischen
Hymne war (Boze pravde, Lijepa nasa domovino, Naprej zastava slave) - befriedigte
die Anhänger eines föderativen Staatsaufbaus keineswegs. Daß die offizielle Amts­
sprache des Staates nach Artikel 3 der Verfassung ein Idiom namens „serbo-kroato-
slowenisch“ sein sollte, das es nicht gab, zeugt vom Ausmaß des Wunschdenkens, das
den Unitaristen die Feder führte.
Was die Bürgerrechte im Königreich SHS anbelangte, so wurde die in der Verfassung
als noch zu regelnd vorgesehene Frage des Frauenwahlrechts beispielsweise bis zum
endgültigen Zusammenbruch 1941 „offengelassen“, d.h. Frauen blieben auch weiter­
hin von Wahlen ausgeschlossen und tauchten grundsätzlich im öffentlichen Leben
kaum auf. 484

481 Bei der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung am 18.11.1920 bekam die Kroatische
Volkspartei 27,9%, die Landarbeiterpartei 21,3%, die Kommunisten 16,2%, die Radikale
Partei 11,4% und die Demokraten 10,4% der Stimmen. Die Radikale und die Demokratische
Partei teilten die Stimmen der serbischen Minderheit in Dalmatien unter sich auf. Vgl. Novo
doba v. 23.12.1920, S. 1.
482 Novo doba v. 31.12.1919, S. 1.
483 Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 124-131.
484 Das aktive Wahlrecht für die Wahl zur Konstituante hatten alle Männer über 21 Jahren, die vor
dem 1. Dezember 1918 Staatsangehörige Serbiens und Montenegros waren oder „bis zum 1. De­
zember 1918 die Staatsangehörigkeit in Kroatien, Slawonien und Dalmatien, die Zugehörigkeit
in Bosnien-Herzegowina oder das Heimatrecht in einer Gemeinde anderer jugoslawischer Län­
der hatten, die nun zum Königreich SHS gehöre.“ Nach Artikel 9 waren als „Staatsangehörige
im Sinne dieses Gesetzes“ all jene zu betrachten, die „ihrer Stammeszugehörigkeit und ihrer
Sprache nach Slawen sind, und ihren festen Wohnsitz im Moment der Erstellung des Wählerver­
zeichnisses in einer Gemeinde des Königreiches SHS haben.“ Diejenigen, die nach dem Frie­
densvertrag „für ihre Nationalstaaten optieren dürfen“ und jene, „die vor dem November 1915
aus Südserbien ausgesiedelt sind“, waren ausdrücklich vom Wahlrecht ausgeschlossen; vgl. „Ge-

253
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Dabei bemühten sich die Kreise, die in Dalmatien publizistisch den Ton angaben,
den neugegründeten Staat im besten Licht darzustellen.485 Daß Radic in Zagreb und
Slawonien 157.669 Unterschriften gesammelt hatte, um das seiner Meinung nach mit
Füßen getretene Selbstbestimmungsrecht der Kroaten von der Pariser Friedenskonfe­
renz und eine eigene kroatische verfassungsgebende Versammlung einzuklagen, erfuh­
ren die Leser in Dalmatien keineswegs aus den jugoslawisch orientierten Zeitungen.486
Zwischen 1919 und 1925 war v. a. die Parteipresse der Demokraten am vielfältigsten.
In Zagreb erschien ihr Organ „Rijec“ und in Belgrad „Demokratija“, die gleichlau­
tende Kommentare und Parteierklärungen veröffentlichten, nachdem am 10. April
1919 auf dem Kongreß in Sarajevo Svetozar Pribicevic und seine Hrvatsko-Srpska
koalicija und die Samostalna Demokratska Stranka unter Ljuba Davidovic fusionier­
ten. In Split übernahmen sie die Zeitung „Zivot“ (Leben) und die alte „Zastava“ von
Oskar Tartaglia. „Novo doba“ war zwar nominell unabhängig, stand aber in seinem
politischen Teil der Demokratischen Partei eindeutig nahe. In Sibenik wurde 1921 die
Zeitung „Demokrat“ für Norddalmatien aus der Taufe gehoben, die aber nur zwei
Jahre lang erschien.
So sehr sich die Demokraten unter Führung ihres Parteivorsitzenden, der Innenmini­
ster war, auch bemühten, die „nationale Frage“ für inexistent zu erklären, so wenig
gelang ihnen dies. Schon Ende Januar 1919 häuften sich die Klagen über den neuen
serbisch-dominierten Staat auch in Dalmatien. Die serbisch-zentralistische Bürokratie
rufe immer mehr Unzufriedenheit hervor. Sie habe eine Stimmung hervorgebracht,
die sehr verschieden von jener sei, die vor zwei Monaten noch geherrscht habe. Das
Regime im Land sei „absolutistisch und reaktionär“, schrieb Ivan Lorkovic an Ante
Trumbic,487 und drückte damit die Sorge vieler politisch denkender Kroaten aus, daß
man unter Umständen mit dem neuen Staat nur vom Regen in die Traufe gekommen
war. Und Trumbic selbst, der sich als Vorsitzender des Jugoslawischen Ausschusses
und erster Außenminister für das Zustandekommen dieses gemeinsamen Staates einge­
setzt hatte, bemerkte im Nachhinein, daß „das kroatische Volk wirklich nicht befragt

setz über die Wahl der Abgeordneten für die verfassungsgebende Versammlung des Königreichs
der Serben, Kroaten und Slowenen“ (Zakon o izboru Narodnih Poslanika za Ustavotvornu
Skupstinu Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca) vom 02.09.1920, Art. 45ff., in: Sluzbene Novine
v. 06.09.1920, Nr. 195 mit Änderungen durch das „Gesetz über Änderungen im Gesetz auf
Grundlage dessen die Wahlen am 28. November 1920 abgehalten wurden“ (Zakon o izmjenama
u zakonu na osnovi koga su izvrseni izbori na dan 28. novembra 1920. godine“) vom 27. Juni
1922, in: Sluzbene Novine v. 10.07.1922, Nr. 150 XXV.
485 Horvat, Povijest novinstva, S. 374.
486 ebenda, S. 387.
487 Vgl. den Brief von Ivan Lorkovic an Ante Trumbic v. 26. Januar 1919, hier zit. nach Hrvoje
Matkovic: Svetozar Pribicevic i Samostalna Demokratska Stranka do sestojanuarske diktature
(S. P. und die Unabhängige Demokratische Partei bis zur Diktatur des 6. Januar), Zagreb
1972, S. 33.

254
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

worden war und diese Vereinigung niemals plebiszitär bestätigt hat und (nun) unter
einer militärischen Hegemonie, die in jeder Hinsicht türkischer Art" sei, zu leiden
hätte.488
Äußerungen, wie daß die „dringlichsten Wünsche der überwältigenden Mehrheit in
Dalmatien und Split - der Eisenbahnausbau -, vom „jetzigen Regime“ nicht beachtet
würden, tauchten in der ansonsten jugoslawisch gesinnten Tageszeitung auf; die bis­
lang völlig ungenügende Vertretung der Kroaten in Belgrad wurde zum Thema.489
Eine „falsche Einheit" würde der Führer der Selbständigen Demokraten, Svetozar
Pribicevic, anstreben; er hätte aus den Kroaten „staatsfeindliche Elemente“ gemacht;
seine Politik habe „die Kroaten keinesfalls zufriedenstellen können“. Pribicevic ver­
lange, daß die Kroaten „einfach ihre Vergangenheit und ihre Traditionen vergessen
und eine mechanische Einheit annehmen, in der sich Kroaten nicht wiederfinden kön­
nen.“ Dies könne unmöglich funktionieren, zumal ja auch die Serben ihre nationale
Individualität niemals bereit wären aufzugeben.490
Als das ehemalige Mitglied des Spliter Volksrates von 1918, Dujam Mikacic, seinen
Antrag auf Pensionierung vom Amt des städtischen Gemeindesekretärs am 5. Dezem­
ber 1925 einreichte, war auch er tief enttäuscht über den „Polizei-Zentralismus“ aus
Belgrad. Seine Denkschrift über die „Verfassungs- und andere aktuelle Probleme Jugo­
slawiens“ auf 368 Seiten fand, wie soviele andere konstruktive Vorschläge, keine Be­
achtung.491 Anläßlich des 40. Jahrestags der „Volksverwaltung Splits“ hielt Mikacic
einen Vortrag, der auch in „Novo doba“ abgedruckt wurde. In seinem Vortrag, und
auch in einem Brief an seine Tochter, beklagte er das „politische Chaos“ und warnte
mit Blick auf den italienischen Nachbarn vor „dem Unglück, in welches uns unsere
Uneinigkeit stürzen kann“.492 Die „Einigkeit zwischen Serben und Kroaten, wie sie
während des preporod in Split geherrscht“ habe, die er sich bei öffentlichen Auftritten
zurückwünschte, kam nicht mehr zustande. Seine Appelle wurden ignoriert. Nach
Meinung seines Biographen Kortsek, der ihn als Berichterstatter verschiedener Zeitun­
gen aus der Bezirksversammlung erlebt hat, war er ein „Anhänger strenger Gesetzlich­
keit“. Er verkörperte den Typ des slawischen Oppositionspolitikers im alten Oster-

488 Vgl. Ante Trumbic: Elaborat o hrvatskom pitanju (Denkschrift zur kroatischen Frage), hier
zit. nach Muzic, Ivan, Stjepan Radic u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca, Zagreb 1988, S. 36.
489 Novo doba v. 14.12.1922.
490 Vgl. den Leitartikel „Die falsche Einheit“, in: Novo doba v. 04.09.1925.
491 Vgl. Kortsek, Dujam Mikacic, S. 33ff., S. 49-57 u. S. 85 F 63. In der von ihm gewünschten
„ehrlichen Einheit aller wertvollen und fortschrittlichen Kräfte“ hätte er, neben Slowenen,
Serben und Kroaten, gerne zumindest auch die Bulgaren dabeigehabt, und war überzeugt,
daß „wir nur gemeinsam etwas in der Welt bedeuten“. Immer wieder beschwor er das
Schreckgespenst der drohenden „Fremdherrschaft“, die wieder die notwendige Folge von
„Uneinigkeit“ sein würde (ebenda, S. 34).
492 Dujam Mikacic, Narodna pobjeda u Splitu, govor odrzan u Narodnom kazalistu prigodom
proslave ustolicenja hrvatskog opcinskog upraviteljstva (Der Sieg des Volkes in Split, Rede
anl. d. Jahrestages d. Amtseinf. der kroat. Gemeindeverw. in Split), in: Novo doba, Split,
Nr. 259-262, hier zit. nach Kortsek, S. 21.

255
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

reich, dessen Zeit im neuen, von Belgrad dominierten Staat, abgelaufen war. Es gab
schlechterdings kaum eine slawisch-patriotische Vereinigung oder Organisation in
Split vor 1918, wo Mikacic nicht freiwillig aktiv geworden wäre, später blieb davon
sein großes Engagement im Genossenschaftsverband.493
In Split, wie in den anderen dalmatinischen Städten, wurde Politik traditionell von
einer kleinen Schicht materiell unanbängiger Bürger ,gemacht“. Erst Bauern- und Ar­
beiterbewegung aufgrund von Massenpolitisierung artikulierten neue politische Inter­
essen von Schichten, die vorher vom politischen Betrieb ausgeschlossen waren, wo
alle anhängigen Fragen mehr oder minder „untereinander“ im begrenzten Kreis ein­
flußreicher Stadtbürger verhandelt wurden. In Dalmatien stand auch noch nach dem
Weltkrieg, anders als in schon konsolidierten Industriegesellschaften, der parlamenta­
risch-parteipolitische Raum noch nicht unter dem prägenden Einfluß korporativ ver­
faßter Wirtschaftsinteressen. Wirtschaftliche Interessen im politischen Leben zur Gel­
tung zu bringen, war hier, wie herausgearbeitet wurde, in wesentlich höherem Maße
noch Sache selbstständig handelnder Einzelpersonen und Unternehmen. Ohne daß
die Wechselbeziehungen von Wirtschaft und Politik in verbandsmäßig-dauerhafter
Form durchorganisiert gewesen wären, konnten einzelne Politiker bzw. Unternehmer
oder kleinere Gruppen ihre Interessen verfolgen. Sowohl in der parlamentarisch-par­
teipolitischen Szene wie im Wirtschaftsleben waren daher zu Zeiten Österreichs klien­
telähnliche, locker formierte und zu häufigem Koalitionswechsel fähige Kleingruppen
weithin einflußreicher als Parteien, Vereine, Genossenschaften u. ä. gewesen.494 Dieses
Merkmal des politischen Lebens änderte sich nur langsam. Doch wenn noch zur Jahr­
hundertwende „politische Dynamik“ in engem Zusammenhang mit den Interessen

493 Vgl. Zadrugar, Nr. 9 v. 01.09.1933, der dem Andenken an den verstorbenen Präsidenten Mika­
cic gewidmet ist. Aktiv, oft an führender Stelle, war Mikacic auch im: „Slavjanski napredak“,
in den er mit 16 eintritt, (Slawischer Fortschritt), dessen Präsident er später (1899) wird, als
der Verein „Hrvatski napredak“ heißt. Am 19.01.1892 schon wird er Mitglied und Nutzer
der „Slavjanska citaonica“. Seit der Gründung des „Hrvatski sokol“ (1893) hat er auch im
Turn- und Sportverein zahlreiche Ämter inne. Gründungsmitglied der Freiwilligen Feuer­
wehr, oft auch im Vorstand. Sekretär des Vereins zur Förderung der Errichtung eines Denk­
mals für Gajo Bulat, einen der Führer des preporod in Split. Gleichfalls in zahlreichen anderen
Vereinen (Kroatischer Archäologieverein, Kulturverein „Matica Hrvatska“ (seit 1890), der
„Srpska knjizevna zadruga“ und „Matica srpska“ in Novi sad, Drustvo hrvatskih knjizevnika,
Hrvatsko novinarsko druztvo, JAZU, seit 1898 Gründungsmitglied des „Drustvo za prosvjetu
puka“ in Split. In der Bibliotheksverwaltung 1914 in Split. Seit 1910 Delegierter im „Dalmatini­
schen Eisenbahnrat“, im Ausschuß des Vereins zur Errichtung einer neuen Kathedrale in Split,
Aufsichtsratsmitglied der Dampfschiffahrtsgesellschaft „Dalmacija“ seit 1910, in etlichen
„Wirtschaftsräten“, seit 1912 im „Spliter Ausschuß zur Verschönerung der Stadt“, 1921 ist er im
Aufsichtsrat des „Zemljisno-vjeresijskog zavoda za Dalmaciju“, seit der Gründung 1907 hat er
zahlreiche herausgehobene Funktionen im „Genossenschaftsverband für Dalmatien“ inne. An
der Spitze des „Oblasni odbor“ der „Jadranska straza“ stand er bis zu seinem Tod, etc. etc.
494 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 189f. u. Gross, Mirjana, Social structure and National Move-
ments among the Yugoslav Peoples on the Eve of the First Worl War, in: Slavic Review 36
(1977), S. 628-643.

256
Städtische Lehenswelt und Industrialisierungshoffnungen

einiger weniger, in den städtischen Zentren der Küste residierender „Großbürger-


,Oligarchen'“ (Günter Schödl) stand, deren Machtbasis sich meistens auf eine der
großen Anwaltskanzleien, auf ein Landtagsmandat sowie auf Grundbesitz und Beteili­
gungen in der Bankwirtschaft, zuweilen auch im Bereich von Handel, Verkehrswesen
und Presse gründete, so sahen sich diese Eliten nun dem Druck massenhafter Unzu­
friedenheit von unten und gleichzeitig mangelnder Durchsetzungsfähigkeit auf Ge­
samtstaatsebene ausgesetzt. Bald schwenkte das dalmatinische Bürgertum um auf die
Linie der Artikulation gemeinsamer' kroatischer Wirtschaftsinteressen, die auch von
einer kroatischen Massenbewegung unter Führung der Bauernpartei vertreten wurden.
Dies hieß aber keineswegs, daß nicht immer noch ein enger Kreis einflußreicher'
Anwälte, Händler und nun auch Industrieller Politik jenseits von Parteien und Ver­
bänden machte. Noch heute erinnern sich die älteren Spliter an den „stol mudraca“
(Tisch der Weisen) im Kaffehaus am Narodni trg, an dem in wechselnder Besetzung
neben Ivo Tartaglia mehr oder weniger alle „wichtigen Persönlichkeiten“ Splits die
öffentlichen Dinge zu besprechen und nicht selten auch zu entscheiden pflegten.
Wie an der Frage der Hoffnung wirtschaftlicher Kreise Dalmatiens auf Aufschwung
durch Anschluß an den jugoslawischen Staat gezeigt werden soll, verlief die Entwick­
lung in Dalmatien vom Vereinigungstaumel im städtischen Bürgertum bis zur Ableh­
nung des jugoslawischen Staates nach und nach. Anhand der politischen Biographien
der dalmatinischen Politiker läßt sich nachweisen, wie dieser Prozeß jeweils verlief.
Ob beim langjährigem Bürgermeister von Split und späterem Banus der Küstenban­
schaft Ivo Tartaglia, Ante Trumbic, Josip Smodlaka oder vielen weniger bekannten
Politikern: bei allen ist es dieselbe Ernüchterung angesichts der Zustände im neuen
Staat, die aber jeweils anders politisch umgesetzt wird, bis in Gestalt der „Nationalen
Opposition“ unter Führung der Bauernpartei, der fast alle kroatische Parteien über­
greifende Konsens für den Kampf gegen den Belgrader Staat gefunden wurde, nach­
dem dieser als Entwicklungshindernis identifiziert worden war.495
Es ist jedenfalls gerechtfertigt, von einer wachsenden Unzufriedenheit in allen Schich­
ten der dalmatinischen Gesellschaft, wenn auch aus verschiedenen Gründen, zu spre­
chen, die im Laufe der Zeit kulminierte. „Unser Staatsproblem'', so eine Formulierung

495 Wie stark die kroatische Homogenisierung geworden war belegen auch die „Rechtfertigun­
gen“ von Josip Smodlaka gegen „Vorwürfe aus Zagreb an die Adresse der Dalmatiner“, daß
diese Kroatien mit seinem Drängen auf sofortige Vereinigung mit Serbien „ins Unglück ge­
stürzt“ hätten. Josip Smodlaka wies dies entschieden zurück mit dem Argument, daß damals
nicht „zwischen Jugoslawien und Groß-Kroatien“ zu wählen gewesen wäre, sondern „Zwi­
schenjugoslawien und Groß-Serbien“. Wie sich das kroatisch-nationale Bewußtsein durchge­
setzt hatte, ersieht man aus dem Fortgang der Argumentation: „Groß-Kroatien war nicht zu
verwirklichen, denn der größte Teil jener Länder, in denen Kroaten leben, war okkupiert von
der serbischen Armee, im Einverständnis mit den Großmächten. Kroatien hatte dagegen kein
einziges eigenes Battallion, noch einen einzigen Verbündeten in der Welt, und hätte die Serben
weder aus Osijek, Travnik oder Dubrovnik herausdrängen können.“; vgl. Smodlaka, Zapisi,
S. 74f.

257
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

von Tartaglia in einem Artikel, in dem er das „pseudoparlamentarische“ Regime und


die zentralistische Verfassung, eine „katastrophale Finanz- und Wirtschaftspolitik“
und Machtmißbrauch kritisierte, beschäftigte alle politischen Kreise. Wenn Tartaglia
„Achtung der nationalen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen, historischen und
stammesmäßigen Eigenheiten“ aller südslawischen Völker einforderte und eine gleich­
berechtigte Stellung Kroatiens innerhalb des Gesamtstaates für unabdingbar er­
klärte,496 faßte er den allerbreitesten Konsens in der dalmatinischen Öffentlichkeit in
Worte. Sein Auftritt als Vertreter Dalmatiens auf dem „Intellektuellen-Kongreß“, den
die Zeitschrift „Nova Evropa“ unter der Führung Smodlakas vom 9. September 1922
an in Zagreb abhielt,497 ist inhaltlich und von seiner Diktion her typisch für die öffent­
liche Rede in einer Region, die sich zu allen Zeiten an der Peripherie befand. Darin
strich Tartaglia die oben genannten Punkte heraus und schilderte die schlechte wirt­
schaftliche Lage der Küstenregion, die „vom Hunger bedroht“, „noch immer nicht
mit einer Eisenbahnlinie mit dem Hinterland verbunden“ und zu „einem Teil von
Fremden besetzt“ sei, in der Manier des machtlos-bittenden Provinzpolitikers. Als
Exponent des dalmatinischen Bürgertums498 vertrat er zu jener Zeit keineswegs sepa-

496 Vgl. Tartaglia, Ivo, Nas drzavni Problem (Unser Staatsproblem), in: Srpski knjizevni glasnik -
Beograd Nr. 1/1922, S. 37-39 u. in: Novo doba v. 21.11.1920; vgl. auch Machiedo-Mladinic,
S. 284.
497 Der „Kongres javnih radnika“ in Zagreb vom 10.9.1922, der von einem gemäßigt integal-
jugosl. Intellektuellenkreis um die Zeitschrift „Nova Evropa“ zusammengerufen wurde, rich­
tete seine Hoffnungen auf die nachwachsende Generation. Von den alten Politikern, die, wie
sie argwöhnten, von Groß-Serbien oder Groß-Kroatien träumten, war der Aufbau eines ge­
meinsamen Staates der Südslawen nicht zu erwarten. Auch wenn fast 3000 Intellektuelle an
diesem, bis jetzt in der Literatur so gut wie unbeachteten, Kongreß teilnahmen: viel bewegen
konnte diese Initiative tatsächlich nicht. Die wüsten Angriffe der Serbischen Radikalen Partei
von Pasic, der Kroatischen Bauernpartei von Radic und der Demokraten Pribicevics machten
deutlich, daß sie auf Unterstützung in den politischen Kreisen tatsächlich nicht rechnen konn­
ten. Den Vorsitz während des Kongresses führte Josip Smodlaka. Zu den Initiatoren zählten
die Redakteure v. „Nova Evropa“ Laza Popovic, Milan Curcin u. Marko Kostrencic. Vgl.
Vorwort v. Marko Kostrencic, in: ders.(Hg.), Zapisi dra Josipa Smodlake, S. 7f.
498 Tartaglias Lebensunterhalt war durch seine Anwaltskanzlei und Ländereien gesichert. Auch
stand er bis zum Beginn des 2. Weltkriegs z.B. der Pucka Trgovinska Banka vor und bezog
ein Direktorengehalt. Vgl. BH 49/IL Zu seiner Biographie vgl. den Aufsatz v. Machiedo-
Mladinic; dort auch Auflistung aller von T. initiierten Maßnahmen zur Verbesserung der
Spliter Infrastruktur, wie Straßenbau, Elektrifizierung, Heimgründungen etc. Die Protokolle
der Stadtratssitzungen der Zwischenkriegszeit „Zapisnici sjednica Opcinskog vijeca Splita“,
wie auch Tartaglias Privatarchiv, befinden sich in der „Naucna biblioteka“ in Split. Auch Ante
Trumbic erfreute sich solch materieller Unabhängigkeit; neben den guten Einkünften, die er
durch seine Kanzlei erzielte, sicherte ihm auch seine Druckerei große Summen. Daneben
besaß auch er noch Bankaktien und Beteiligungen. Während der Zeit seiner Emigration, zwi­
schen 1914-18, unterhielt er sich und seine Frau ohne fremde materielle Hilfe. Im genannten
Zeitraum gab er ca. 65.000 österr. Goldkronen, 1400 Pfund Sterling und 10.700 Schweizer
Franken aus, ein eindrucksvoller Nachweis seiner finanziellen Möglichkeiten; vgl. Peric,
S. 160.

258
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

ratistische Forderungen; zu Radic und seiner Bewegung pflegte er zeitlebens ein di­
stanziertes Verhältnis. Doch alle konstruktiven Vorschläge, wie größere Dezentralisie­
rung des Staates etc. verhallten ohne Wirkung. Nicht einmal die lokale „Selbstverwal­
tung der dalmatinischen Städte“, die er einforderte, wurde von Belgrad gewährt.499
Sein Aufruf nach dem Attentat auf Radic, „an diejenigen, die das Ruder des Staates
führen, daß in einem brüderlichen Staat auch brüderlich gemeinsam regiert werden
muß, daß es in ihm weder Besiegte noch Privilegierte oder Ausgebeutete geben darf,
sondern daß Kroaten und Serben das Recht haben, die gleichen Vorteile und Nutzen
für ihre Entwicklung und ihren Fortschritt aus dem Staat zu ziehen“,500 blieb gleich­
falls wirkungslos. Nachdem die Polarisierung in Split zwischen den verschiedenen
nationalpolitischen Optionen so groß geworden war, daß die Mehrheit im Stadtrat die
staatlich verordnete Feier des serbischen St. Veit-Feiertages ablehnte, trat Tartaglia
am 30. Juni 1928 als Bürgermeister zurück, blieb aber Stadtratsvorsitzender. Seine
Funktionen und Mitgliedschaften, als Direktor der Volks- und Handelsbank, Mitglied
des Aufsichtsrates der Stadtsparkasse, Mitglied des Vorstands des Fremdenverkehrs­
vereins, Vorsitzender des Verbandes der Adria-Städte, Vorsitzender der „Wacht an der
Adria“ und zahlreichen anderen Vereinigungen und Vereinen zeigen ihn als einen
Mann, der vollständig eingebunden war in die lokale politische und wirtschaftliche
Infrastruktur.
Sein Verhalten nach der Ausrufung der Diktatur am 6. Januar 1929, als er zum ersten
Banus der Küstenbanschaft wurde, aber 1932 von diesem Posten zurücktrat, ist sym­
ptomatisch für das Verhalten der Kreise, die er repräsentierte. Man wollte dem Ge­
samtstaat, und sei es auch unter der Diktatur des Königs, noch eine Chance geben.
Als Tartaglia im Artikel „Das Problem Jugoslawien“ seinen Rücktritt damit begrün­
dete, daß es Selbstverwaltung nicht einmal in geringstem Ausmaß gäbe, Beamte ge­
zwungen seien, „hegemonistische Ziele“ zu vertreten und dadurch in den „kroatischen
Gebieten“ die Unzufriedenheit mit dem staatlich verordneten Zentralismus immer
größer werde, und er diese Politik nicht mehr mittragen könne, bündelte er in seiner
Position wieder, wie in einem Brennglas, die politischen Einstellungen des dalmatini­
schen Bürgertums, was nun endgültig auf den Kurs der Bauernpartei einschwenkte.
Aussagen Tartaglias, wie daß die Kroaten „ihre Individualität, ihre Traditionen und
Errungenschaften, ihr Eigentum und Leben, ihr Recht auf Wohlstand, Fortschritt und
Entwicklung“ nicht opfern könnten noch wollten, sind von denen der Kroatischen
Bauernpartei nicht mehr zu unterscheiden. Auch sie erhob die Forderung nach einer
„freien, gerechten und auf Gleichberechtigung beruhenden Übereinkunft“, eben ei­
nem „sporazum“, als „Akt der Souveränität und Ausdruck des Volkswillens“, um
„eigene Einheiten in nationalem, politischem, kulturellem, wirtschaftlichem, verkehrs-

499 Vgl. Tartaglia, Ivo, Samouprava dalmatinskih gradova (Selbstverwaltung der dalm. Städte), in:
Nova Evropa, Nr. 3-4/1927.
500 Vgl. Tartaglias Redenentwurf in seiner Hinterlassenschaft, hier zit. nach Machiedo-Mladinic,
S. 285.

259
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

mäßigem und geographischem Hinblick“ zu schaffen.501 Daß der ehemals höchste


Funktionär der jugoslawischen Regierung in Dalmatien dann eine Petition für die
Entlassung Maceks aus dem Gefängnis unterschrieb und den ehemaligen Chefredak­
teur der HSS-Zeitung „Dom“, Serif Sehovic, als Redakteur für den von ihm herausge­
gebenen „Jadranski dnevnik“ verpflichtete, kann nicht mehr verwundern. Doch „De­
zentralisierung“, „Autonomie“ und „Föderalisierung“, für die er sich in seiner bis
1938 erscheinenden Zeitung einsetzte, sind Forderungen, die zu diesem Zeitpunkt von
den Vordenkern kroatischer Politik nur noch aus Opportunitätserwägungen erhoben
wurden.502 Die ,nationale Frage', so war nun der geheime Konsens der wesentlichen
kroatischen politischen Kräfte, mußte radikaler gelöst werden. Der eigene Staat, so
waren diese Kreise überzeugt, sei die Voraussetzung für die dauerhafte Lösung der
„kroatischen Frage“. Dabei hatte die Frage 1918 noch ganz anders gelautet. Fortschritt
und Entwicklung, so war man nach langem Kampf gegen die Wiener Bürokratie über­
zeugt, konnten nur innerhalb des jugoslawischen Gesamtstaates erwartet werden.
Doch die Fundamente dieses Staates waren zu schwach, als daß er dem Druck der
wirtschaftlichen und politischen Probleme hätte standhalten können.
Die Weltwirtschaftskrise erreichte Split etwas zeitverzögert, aber mit voller Wucht,
wie auch aus den städtischen Etatentwürfen und den verabschiedeten Haushalten
deutlich zu erkennen ist.503 Nur die im Haushaltstitel „Bildung“ aufgeführten Subven­
tionen der Stadt an jugoslawisch-patriotische Organisationen wie „Jugoslavenska Ma-
tica“ und „Jadranska straza“ blieben stabil. Die Posten für „Repatrijacije i zaprate“,
für die Aufwendungen zwecks „Rückführung und Begleitung der Stadtstreicher in
ihre Heimatgemeinden“ stiegen dagegen kontinuierlich an. Das Jahr der letzten Steige­
rung des Haushalts, von knapp 79 Millionen Dinar auf knapp 100 Millionen, war
1929, wobei der größte Einzelposten für Bauvorhaben vorgesehen war. Ab 1930
mußte überall gekürzt und gespart werden, außer bei der „öffentlichen Sicherheit“
den „Gesetzlichen Zahlungen an die staatliche Polizei“, die von 386.000 Dinar, die für
1929 bewilligt worden waren, auf 665.500 stiegen.
Man mußte sich einen 19-seitigen Gebührenkatalog ausdenken, um die Stadtkasse zu
füllen. Von den verschiedensten „Wasser- und Stromsteuern“, Gebühren und Abga­
ben, ob für Bürger allgemein oder speziell für Gewerbetreibende oder Reisende
reichte die Liste. Es waren z.B. „städtische Steuern auf öffentliche Veranstaltungen
und Vergnügungen“ (Gradski porez na javne priredbe i zabave) zu entrichten und
zusätzlich „Abgaben für Besucher von Vergnügungslokalen“ (Odredbine za posjetioce
zabavnih lokala). Auch wurden Gebühren für Fahrzeuge, Schlacht-, Stand- und

501 Tartaglia, Ivo, Problem Jugoslavije, in: Nova Evropa, Nr. 2/1934, hier zit. nach Machiedo-
Mladinic, S. 286.
502 Vgl. z.B. Tartaglia, Ivo, Hrvatsko pitanje - Jugoslavensko pitanje (Kroatische Frage - Jugo­
slawische Frage), in: Jadranski dnevnik, Nr. 155 v. 05.07.1935.
503 Vgl. Opcina Split (Hg.), typographische Manuskripte im PAS, Predracun opcine Split f. d.
Jahre 1928ff. u. Budzet opcine Split 1928ff.

260
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Marktgebühren fällig. Firmentaxen waren gestaffelt nach Lage des Firmensitzes in


besseren od. schlechteren Stadtlagen, dagegen waren Begräbnisgebühren einheitlich.
Die städtische Verwaltung wurde nicht müde, sich ständig neue Einnahmequellen zu
erschließen.504
Da schon relativ bald absehbar war, daß der Tourismus, trotz kontinuierlich steigender
Zuwächse nicht wie erhofft die Rolle des Generators des wirtschaftlichen Aufschwungs
an der Küste spielen würde, wurde die Verkehrspolitik zum Symbol aller Fortschritts­
hoffnungen.505 In Vorträgen und Artikelserien wie „Die dalmatinische Eisenbahn in Ju­
goslawien - Symbol der Freiheit und des Fortschritts“ wurde auch vor einem breiteren
Publikum die Notwendigkeit des forcierten Eisenbahnbaus betont.506 1 924 waren es
erst ganze 13 Kilometer Schienen auf 1000 Quadratkilometer, bzw. 35 Schienenkilome­
ter auf 100.000 Einwohner in Dalmatien.507 Die lokalen Wirtschaftskreise waren sich
über diesen Entwicklungsrückstand schmerzlich bewußt. Kaum eine öffentliche Äuße­
rung der lokalen Politiker oder der Verwaltung in den 20er Jahren kam ohne die Versi­
cherung aus, daß „Split ein Handelsimperium errichten und stärker und bedeutender als
Triest sein wird, wenn wir erst einmal die Verbindungen zu unserem Hinterland bekom­
men, und zwar in erster Linie die Verbindung über Sarajevo nach Belgrad und später
auch die Linie durch das Una-Tal (Knin-Bihac-Sunja).“508
Immer wieder wurde herausgestellt, wie sehr Split während der „sterilen österreichi­
schen Herrschaft (...) in wirtschaftlicher Hinsicht immer benachteiligt“ gewesen sei.
In der Zeit der Eisenbahnen sei Split ohne eine einzige richtige Verbindung mit seinem
Hinterland und der Welt geblieben. So mußte man „bessere Zeiten abwarten, für die
Stadt und unser ganzes Volk eigenen Blutes.“ Nun, „in seinem Nationalstaat“, würde
sich die Stadt, die sich seit jeher durch „tiefe kroatische und jugoslawische Gefühle“

504 Vgl. Opcina Split (Hg.), Budzet opcine Split za godinu 1932., Split 1933.
505 Die Aufklärungsschriften eines Milan Marjanovic, der sich noch zu Zeiten Österreichs be­
mühte, die „falsche Auffassung im Volke“ zu widerlegen, daß wenn „viele Fremde nach Dal­
matien kommen, sie sich hier einnisten und den Heimischen das Brot wegnehmen“, hatten
Wirkung gezeigt. Marjanovic war wohl nicht allein mit seiner Auffassung, daß „von der Re­
gierung zu erwarten, daß sie Dalmatien reich machen wird“ der „reine Wahnsinn“ sei. Er sah
eine „wirtschaftliche Wiedergeburt“ nur durch den Tourismus in Dalmatien. Nach und nach
hatte die Bedeutung des Tourismus als Wirtschaftszweig in der Region tatsächlich zugenom­
men; vgl. Marjanovic, Milan, Promet stranaca u Dalmaciji, (Der Fremdenverkehr in Dalma­
tien) Split 1909, S. 3 u. 9 u. Mastrovic, Vjekoslav, Prvi turisticki savezi u Dalmaciji g. 1899. i
1909. (Die ersten Fremdenverkehrsvereine in Dalmatien 1899 und 1909), Zadar 1960. Doch
die Versuche der lokalen Politiker in der Zeit zwischen den Weltkriegen, den Fremdenverkehr
anzukurbeln, blieben, da „ohne genügende Mittel und ohne Unterstützung des SHS-Staates“,
ohne großen Erfolg; vgl. Pederin, S. 283.
506 Vgl. den Vortrag des Ingenieurs Petar Senjanovic „Die dalmatinische Eisenbahn in Jugosla­
wien“, abgedruckt in Novo doba v. 13.,14. u. 15.03.1919.
507 Dimitrijevic, Privredni razvitak, S. 7. Im Vergleich dazu waren es in Kroatien/Slawonien im­
merhin schon 96 Schienenkilometer auf 100.000 Einwohner. Zum Bahnbau in Dalm.: Jelino-
vic, Zvonimir, Borba za Jadranske pruge i njeni ekonomski ciljevi (Der Kampf um die
Adriaeisenbahnen und seine wirtschaftl. Ziele), Zagreb 1957 (Neuaufl. 1972).

261
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

ausgezeichnet hätte, zusammen mit dem „nationalen Element der Umgebung“, ein
„aufgeklärtes, wohlhabendes und rein nationales Bürgertum“ besitzen. Split würde
„zu einem bedeutenden kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum“ werden. Aus dem
„rein kroatischen Element“ würde nun „ein jugoslawischer Typus, der in sich mit
derselben Liebe alle Elemente des Jugoslawismus, wie des Kroaten- und Serbentums
umfaßt. Das kroatische Split wird so zu einem der Zentren des nationalen Jugoslawis­
mus.“ Darum „verdiene Split die allseitige Hilfe des gesamten Staates und Volkes“,
„langsam“ dringe das auch „den maßgeblichen Faktoren im Staat ins Bewußtsein“.509
Doch das „aufgeklärte, wohlhabende und rein nationale Bürgertum“ tat sich immer
schwerer, positive Seiten an der Vereinigung zu entdecken. Hatte man nicht seit jeher
immer nur Versprechungen und Versicherungen von den Herrschenden gehört? Hat­
ten kroatische Politiker jeder Couleur nicht in den Jahren vor dem Untergang der
Habsburgermonarchie schmerzhaft gespürt, daß tatsächlich mit „Journalisten ä la Su-
pilo, mit intellektuellen Volkstribunen vom Schlage eines Smodlaka oder demagogi­
schen Bauernpolitikern wie Stjepan Radic, mit Josip Frank, dem jüdischen Wortführer
eines nationalistisch-hysterischen kroatischen Kleinbürgertums oder mit,Geldleuten“
der Balkanprovinz wie Pero Cingrija gemeinsam Politik zu machen, (...) für Franz
Joseph und seine engere Umgebung unvorstellbar“ war?510

b) Kristallisationspunkt politischer Loyalität und ihre


Aufkündigung: Der Kampf des dalmatinischen Bürgertums
um Eisenbahnanbindung und wirtschaftliche Entwicklung

Mit zahlreicher Entourage bereiste der Kaiser Franz Joseph sein Kronland Dalmatien
und weilte vom 20. bis zum 23. April 1875 auch in Split, nachdem er vorher das
dalmatinische Hinterland mit seinem Besuch beehrt hatte. Es verwundert nicht, daß
die lokalen Honoratioren seinen Besuch als den Höhepunkt ihres Beamtenlebens be­
schrieben.511 Seine Beteuerungen in Zara/Zadar, daß er „sich immer um die Entwick-

508 Grad Split 1927, S. 9.


509 Bego, S. 10 u. 26f.
510 Schödl, Nationalpolitik, S. 314.
511 Im „ehrfurchtsvollst unterthänigst“ zum „fesdichem Empfange“ des Kaisers gewidmeten Ge­
dicht des „Prof. E. S.“ des Gymnasiums von Zadar hieß es: „Nun, arme Dalmatia, Nun
hoffe!“ Vgl. Povjestni dnevnik o putovanju Nj. c. i kr. ap. vel. Franja Josip I. Cara Austrije,
Kralja Ugarske itd. itd. itd. po Kraljevini Dalmaciji u mjesecima Travnja i Svibnja 1875 (Histo­
risches Tagebuch der Reise Sr. Majestät des Kaisers und apostol. Königs Franz Joseph I.
Kaiser von Österreich, König von Ungarn usw. usw. usw. durch das Königreich Dalmatien
in den Monaten April und Mai 1875), Zadar 1878, S. 46. Der gleichfalls in Schuldiensten
stehende Priester Stjepan Buzolic dichtete auf Kroatisch seinen Dank dafür, daß „die Ent­
scheidungen der edlen Seele“ (diejenige Fanz Josephs, A. J.) den armen „Serben und Kroaten“,

262
Städtische Lebenswelt und Industrialisiemngshoffnungen

lung dieses Landes“ sorgen würde, das „wegen seiner Lage und der hervorragenden
Eigenschaften seiner Bewohner darauf wartet, einen wichtigen Platz“ unter den Pro­
vinzen seines Kaiserreichs einzunehmen, widersprachen offensichtlich der Stellung des
unterentwickelten Kronlandes in der Monarchie.512 Der Präsident der Handelskam­
mer „Herr Ritter Petar Abelic“ durfte das Wort an „Seine Majestät“ richten und
ihm die Treue der lokalen Gewerbetreibenden versichern. Doch unterließ er es nicht,
schließlich doch zu erwähnen, „wieviel noch dafür getan werden muß, das Fortschrei­
ten dieses Landes voranzubringen, das im Vergleich mit anderen, glücklicheren (Län­
dern) Eures weiten Reiches zurückbleibt“. Der Kaiser betonte in seiner Antwort seine
„ununterbrochene Sorge, die der Entwicklung des Handels und des Gewerbes in die­
ser Region“ gelte und versicherte seine Zuhörer seiner „kaiserlich und königlich apo­
stolischen Huld“.513
Vorliegende Arbeit vertritt die These, daß es nicht zuletzt das Bewußtsein der eigenen
Unterentwicklung war, welches die nationale Emanzipation als Uberwindungsstrate­
gie, zuerst unter den Gebildeten, hervorbrachte. Exemplifiziert werden soll das an
einer der Haupthoffnungen der dalmatinischen Peripherie, die sich auf den Eisenbahn­
bau richtete. Ein Blick auf die Geschichte dieser, nicht nur im Bewußtsein der Gewer­
betreibenden, „Uberlebensfrage“ der Region wird eine der Ursachen für die Generie­
rung von nationalem Denken an der Küste identifizieren.
Für die Darstellung der Entwicklung eines spezifischen Bewußtseins unter jenen, die
im Anschluß an das europäische Streckennetz die Vorbedingung jeglicher Verbesse­
rung der Lebensverhältnisse sahen, muß nicht auf die kontroverse Forschungsdiskus­
sion eingegangen werden, die die Bedeutung des Eisenbahnbaus in den südosteuropäi­
schen Ländern für deren Modernisierung durchaus unterschiedlich beurteilt.514 Für
die dalmatinischen Wirtschaftsvertreter und die Öffentlichkeit stand es außer Frage,
daß mit der Eisenbahnanbindung an das Hinterland der Aufschwung an der Küste
einsetzen würde. Ganz in der europäischen Tradition des 19. Jahrhunderts war die
Eisenbahn dem zahlenmäßig kleinen Bürgertum der dalmatinischen Städte Symbol

die „begierig nach Wissen und Wissenschaft“ dürsten, den Unterricht in der „Sprache ihrer
Mutter“ erlaubt hätte (ebenda, S. 48).
512 ebenda, S. 31.
513 ebenda, S. 34. Es wird auch das „Neue Fremdenblatt“ zitiert, daß den „Bau von Straßen,
Eisenbahnverbindungen“ und eine „wichtige Rolle“ für Dalmatien vorhersieht. (S. 69) Jeden-
fall sind als handfeste Ergebnisse des Besuches, neben den „Spenden für die Armen“ in den
Orten, die Franz Joseph besuchte, auch die verteilten Auszeichnungen und Orden für die
Gastgeber auf den 317 Seiten aufgezählt, neben den Reisestationen und der detaillierten Schil­
derung des Protokolls. Zu den eingeladenen Gästen beim Bankett in Split gehörte so z.B.
auch als „posjednik“ (Landbesitzer) der „Edle Petar Tartaglia“; vgl. S. 144.
514 Von „Fehlinvestition“ (Senghaas) bis zur Einschätzung, daß es sich um einen der wichtigsten
Industrialisierungsimpulse handelte (Berend-Ränki) gehen die Positionen, vgl. m. genauen
Literaturang. Sundhaussen, Probleme der Industrialisierung und der nachholenden Entwick­
lung, S. 299f.

263
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern

erwünschter gesellschaftlicher und politischer Veränderungen, mit dem sich die Hoff­
nung auf wirtschaftlichen Aufstieg und Fortschritt verbanden.
Der erste Vorschlag, den Bau eines Eisenbahnnetzes in Dalmatien betreffend, erschien
in der 29. Nummer der in Zadar erscheinenden Zeitschrift „La Dalmazia - Foglio setti-
manale letterario economico“ schon 1846. In einem Artikel, der die Überschrift „Eisen­
bahnen in Dalmatien“ trug, schrieb der anonyme Verfasser515 über das Projekt des ge­
planten Suez-Kanals und über die publizierten Erfahrungen mit den in Nord-Amerika
zum ersten Mal eingesetzten zugstärkeren Gebirgs-Lokomotiven. Der Autor schlug
den Bau von Eisenbahnverbindungen entlang der alten bosnisch-türkischen Karawa­
nenwege vor, auf denen vormals mit dem Osmanischen Reich gehandelt worden war.
Den zahlreichen Eingaben, Petitionen, Denkschriften und Forderungen zu Zeiten
Österreichs, den Bau einer Eisenbahnverbindung betreffend, muß hier nicht weiter
nachgegangen werden.516 Daß man sich „in Wien nicht entschließen (konnte), mit
großem finanziellen Aufwand in einer Region einzugreifen, die allenfalls unter militä­
rischstrategischen Gesichtspunkten eine gewisse Bedeutung zu haben schien“, wurde
wohl schon bald in Dalmatien erkannt.517 Wichtig ist, den überragenden Stellenwert
dieser Frage in Dalmatien festzuhalten. Schon 1897 hatte Ante Tresic-Pavicic im Über­
schwang seiner damaligen jugoslawischen Einigungsideen ein entwickelteres Split ent­
worfen, das durch die Eisenbahn mit Bosnien und Serbien verbunden sein würde.518
Unter dem bezeichnenden Namen „Zeljeznica“ (Eisenbahn) gab der Sekretär im Spli-
ter Rathaus, Dujam Mikacic, als Herausgeber und Redakteur in einer Person, am
12. Januar 1901 ein Blatt heraus, was das wichtigste Anliegen aller am Aufschwung
Dalmatiens Interessierten schon im Titel führte. Im Leitartikel wird von dem „Wun­
der“ berichtet, daß alle Parteiunterschiede, wenn die Rede auf die Eisenbahnverbin­
dung komme, vergessen seien, und diese Verbindung „Symbol der politischen Verbin­
dung, der nationalen Einheit und der Bestrebungen einer neuen Generation“ gewor­
den sei. Die Verbindung „der Donau und des blauen Meeres“ würde das „Aschenput­
tel Dalmatien“ erlösen.519 In der Nummer 22 der Zeitschrift hieß es dann schon mit
dem Unterton der Verzweiflung: „Seit 30 Jahren enden alle politischen und wirtschaft­
lichen Fragen bei uns mit dem Wort Eisenbahn (Hervorh. im Original)“.520

515 Nach Meinung von Hugo Kolb wahrscheinlich Augustin Grubisic aus Makarska; vgl. detaill­
iiert: Kolb, Hugo, Zeljeznice u Dalmaciji (Eisenbahnen in Dalmatien), in: Zbornik Drustva in-
zenjera i tehnicara u Splitu 1958 hg. v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 255-280, hier S. 255.
516 Vgl. Kap. XIII bei Seaton Watson, Hugh, The Southern Slav Question and the Habsburg
Monarchy, in dem die politischen Widerstände gegen einen Zusammenschluß Dalmatiens und
Kroatiens und jeglicher Verbindung Dalmatiens mit seinem Hinterland (wegen eines mögli­
chen wirtschaftlichen Aufschwungs) geschildert werden.
517 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 106, der zeigt, daß der nur rudimentäre Eisenbahnausbau (wie
das fehlende Engagement des großen Kapitals) als Elemente des Modernisierungsprozesses
im 19. Jahrhundert nicht voll zum Tragen kamen; ebenda, S. 106-113.
518 Vgl. Ante Tresic-Pavicic: Po moru (Über das Meer), Sarajevo 1897, S. 45.
519 Zeljeznica, Split Nr. 1 v. 12.01.1901.
520 ebenda, Nr. 22 v. 31.07.1901.

264
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Sieht man sich die Protokolle der Sitzungen der dalmatinischen Wirtschaftskammer
an, läßt sich gut erkennen, welches Bild der Situation die Vertreter der dalmatinischen
Wirtschaft während der Zwischenkriegszeit hatten und welchen Stellenwert die Frage
des Eisenbahnbaus in ihren Augen besaß.
Um Mentalität des dalmatinischen Bürgertums, Frustrationen und schließlich seine
Hinwendung zu exklusiv national-kroatischer Identifikation während der Zeit zwi­
schen den Weltkriegen besser zu verstehen, soll die Betrachtung im Jahr 1912 einset-
zen: Der dalmatinische Statthalter hatte gewechselt, und die Kammermitglieder und
ihr Sekretär Gajo Bulat beeilten sich, den „Herrn Grafen Attems“ in ausgesuchten
Worten „ehrlich erfreut“ zu begrüßen in der Hoffnung, daß „Euer Hochwohlgeboren
seine edlen Absichten zum Wohle des Landes, vor allem in Bezug auf unseren Handel
und Handwerk“ würde verwirklichen können. Man verband die Grußadresse gleich
mit der Bitte um finanzielle Hilfen.521 Auch der neue Statthalter kannte bald die
„Frage der Eisenbahnverbindungen, die gebaut werden müssen zum Zwecke der An­
bindung Dalmatiens und Splits mit Bosnien“, die die Kammer in Resolutionen, Einga­
ben und Protokollen aufwarf.522 Die Klage über die industrielle Rückständigkeit, un­
genügende Verkehrsanbindung und niedriges Ausbildungsniveau der Arbeitskräfte
hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg in Dalmatien Tradition.523 Die Geschichte des
Ausbaus der dalmatinischen Eisenbahn war, in den Augen ihrer lokalen Befürworter,
zu diesem Zeitpunkt bereits eine traurige. Selbst die lokalen dalmatinischen Klein­
bahn-Streckenabschnitte waren sehr langsam verwirklicht worden. Am 1. April 1873
hatte nach jahrzehntelangem Drängen der Reichsrat in Wien das Gesetz über den
Bau einer Eisenbahnverbindung von Split über Knin bis zur dalmatinischen Grenze
beschlossen. 1877 wurde die Strecke nach Zadar und Sibenik für den Verkehr freigege­
ben, im selben Jahr die Strecke Split - Siveric mit der Abzweigung nach Sibenik, 1888
die Verbindung Siverics mit Knin. 1903 wurde die Strecke Split - Sinj eingeweiht,
und dabei blieb es dann auch, bis 1913 auf Drängen des österreichischen Generalstabes
und aus militärstrategischen Gründen mit dem Bau der Eisenbahnstrecke durch die
Lika begonnen wurde. Auf dalmatinischer Seite gingen die Bauarbeiten auch während
des Krieges weiter, bis am 31. Januar 1918 Knin von italienischen Truppen besetzt
wurde.524 Eine richtige Verbindung mit dem Hinterland war also am Ende des Welt­
krieges immer noch nicht hergestellt. Immer wieder wurde der „vollkommene ökono­
mische Verfall Dalmatiens“ in zahlreichen Sitzungen von den Kammermitgliedern be­
schworen. Grund dafür seien die „Schikanen der ungarischen Regierung“ und weil

521 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Spljetu. Zapisnik I. redovite sjednice obdrzavane 3. aprila
1912, S. 6f.
522 Vgl. TOK u Spljetu Zapisnik II. redovite sjednice obdrzavane dne 16. studenoga 1913, S. 6.
523 Vgl. Juras, Ivo, Pregled gospodarstva i trgovine u Dalmaciji (Übersicht über Wirtschaft u.
Handel in Dalmatien), Zadar 1910.
524 Kolb, S. 256ff. u. Milenkovic, Petar, Istorija gradenja zeljeznica i zeljeznicka politika kod nas
(1850-1935) (Geschichte des Eisenbahnbaus u. der Eisenbahnpolitik bei uns), o.O o.J. (Split
1936).

265
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

alle „Interpellationen“ an Wien, die die Anbindung an das bosnische Streckennetz


forderten, bislang erfolglos geblieben waren.525
Nach dem Ausbruch des Krieges wurde die „allgemeine Nahrungsmittelknappheit in
Dalmatien“526 immer schlimmer. Im Telegramm an die „Hoheitliche Kabinettskanzlei
seiner Majestät des Kaisers und Königs Karl“ vom 8. Dezember 1916 hieß es: „Als
Vertreterin der Wirtschaft dieser Region von unerschütterlichen Treuegefühlen zur
Heimat und zum Thron durchdrungen, unterbreiten wir anläßlich der Thronbestei­
gung Eurer Apostolischen Majestät und Ihrer Hoheit der Kaiserin und Königin die
Gefühle der untertänigsten Verbundenheit und tiefsten Loyalität, unterz.: Handels­
und Handwerkskammer in Split.“527 „Unerschütterliche Treue“ etc. wurde gelobt, auf
dem Weg, der „unsere Heimat zu neuen, glänzenden Unternehmungen“ führen
würde. Auch die Kranzniederlegung der treuen dalmatinischen Kammermitglieder vor
dem neuen Franz-Josephs-Denkmal vor dem Theater in Split erwähnte das Protokoll
der Sitzung.528 Ansonsten verzeichnete es die alten Klagen, was und woran es alles
fehle in Dalmatien. Noch auf der II. ordentlichen Sitzung am 20. Oktober 1918 ließ
dem Protokoll nach nichts auf einen baldigen Wechsel schließen; die Appellationen
an die Instanzen der Monarchie bildeten auch weiterhin den Schwerpunkt der Tages­
ordnung, auch die „Franz-Joseph-Stipendien“ in Höhe von 210 Kronen und Unter­
stützung aus Kammermitteln wurden wieder Schülern der Handels- und Handwerks­
schule zugeteilt.529
Aber als die Handels- und Handwerkskammer Split zur ihrer Sitzung am 23. Februar
1919 zusammenkam, hatte sich vieles geändert. Dalmatien war nun Teil des König­
reichs der Serben, Kroaten und Slowenen. Doch derselbe Sekretär (Dr. Gajo Bulat),
derselbe Präsident, und seine schon zu Zeiten Österreichs amtierenden Stellvertreter
(Dr. Eduard Grgic und Ivandinko Mich), wie auch der Rest der Kammerfunktionäre
genehmigten ohne Gegenstimmen das Protokoll der letzten Sitzung. Aus der Rede,
die der Sekretär im Namen des Präsidiums im Anschluß hielt, ging hervor, daß der
eingetretene Verlauf der Ereignisse die Kammer keineswegs überrascht habe. Jeder der
Anwesenden sei doch schon auf der letzten Sitzung „vollkommen überzeugt gewesen,
daß es die letzte Sitzung unter österreichischer Herrschaft“ gewesen sein würde. Die
Rede läßt einen Blick in die Vorstellungswelt der dalmatinischen Stadtbürger 1919 zu,
und sei deshalb ausführlich zitiert:
„Die Revolution der Ideen war schon seit langem abgeschlossen“ hieß es da. „Die Wilson-
schen berühmten Punkte über die Gleichheit und Selbstbestimmung der Völker hatten (...)
alle Bestrebungen der unterdrückten Völker sanktioniert. Die letzten Drohungen des einst­
mals mächtigen Grafen Tisza hallten nur noch wie ein Anachronismus wider, während die

525 Zapisnik sjednice obdrzavane dne 22. studenoga 1914 (Sitzungsprotokoll v. 22.11.1914), S. 15,
27f., 149.
526 Zapisnik sjednice obdrzavane dne 21. ozujka 1915, S. 16.
527 Zapisnik sjednice obdrzavane dne 24. lipnja 1917, Akt. Nr. 1605/1916, S. 4.
528 ebenda, Akt. Nr. 40/1917, S. 5 u. Akt Nr. 1572/1916, S. 6.
529 Zapisnik sjednice obdrzavane dne 20. listopada 1918, S. 25.

266
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

österreichische Regierung zerfiel, unfähig auch nur den Konkurs abzuwickeln, was man auch
von einem bankrotten Händler erwartet. Die Kammer, deren Aufgabe die Förderung des
Handels und des Handwerks ist, (...) beobachtete diese großen Ereignisse, die sich schließlich
in rasender Geschwindigkeit entwickelten, was die Folge eines jeden Zusammenbruches ist,
und konnte nicht anders als froh sein, daß ein System begraben wurde, das die politische und
wirtschaftliche Ausbeutung der nicht-deutschen und nicht-magjarischen Völker bedeutete.
Müssen wir den Kampf erwähnen, der über 70 Jahre dauerte, um eine Eisenbahnlinie zu
bekommen, die uns mit unserem Hinterland verbinden würde und mit dem Eisenbahnnetz
der verblichenen Monarchie? (Hervorh. A. J.)
Alle unsere wichtigsten ökonomischen Fragen waren nichts als ein einfaches bürokratisches
Spiel gewesen. (...) alle Gesetze blieben bloß auf dem Papier. (...) Der größte Hafen auf dieser
Seite der Adria - Split - der alle Voraussetzungen für den Welthandel erfüllt, mußte sich
auf den Regionalverkehr beschränken, ohne eine einzige direkte Verbindungslinie mit dem
Mittelmeer und den Ozeanen. Deshalb bedeutet der Zerfall Österreichs und die Proklamation
des einheitlichen SHS-Staates für uns eine politische Wiedergeburt und eine ökonomische
Befreiung, und voller Zuversicht gehen wir einer besseren Zukunft entgegen. (...) Das rein
jugoslawische Volk darf nie mehr politischer und ökonomischer Ausbeutung ausgesetzt sein.
(...) So wie unser einheitlicher Staat SHS das Erreichen unserer politischen Bestrebungen und
Ideale bedeutet, so bürgt er auch für das Erreichen von all unseren ökonomischen Forderun­
gen. Wir werden nun zur Küste eines Volkes von über dreizehn Millionen Menschen, das
jetzt alleine über seine wirtschaftliche Zukunft entscheidet; wir hören auf, ein Volk der Bettler
zu sein, das ergebnislos über ein Jahrhundert lang seine ehemaligen Herren bitten mußte, uns
das zu geben, was seit langem schon Sibirien und wilde afrikanische Gegenden besitzen: ein
Stück Eisenbahn. (...). Deshalb begrüßt das Präsidium mit großer Begeisterung die Gründung
des neuen Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (...).“

Das Protokoll vermerkte Hurra-Rufe der anwesenden Kammermitglieder und ein­


stimmig wurde daraufhin der Wortlaut von folgendem Telegramm beschlossen, das an
den neuen Herrscher gerichtet war:
„Seiner Hoheit, dem Regenten Aleksandar. Die Handels- und Handwerkskammer hat auf
ihrer ersten ordentlichen Sitzung einmütig beschlossen, ihre neue Arbeit mit der Entbietung
ihrer treuen Gefühle und unerschütterlichen Liebe ihrem heldenhaften Herrscher, dem König
Petar und euerer Hoheit gegenüber, die Sie so klug und patriotisch das große Werk der Verei­
nigung des dreinamigen Volkes vollbracht haben, zu widmen. Ihr edles Bemühen, unsere
ganze Küste und unsere Inseln, auf denen Jugoslawen leben, zu retten, dient nicht nur dem
Schutz unserer unzweifelhaften nationalen Rechte, sondern liegt auch im vitalen Interesse
unseres ökonomischen Lebens.“

Hatte doch der neue Herrscher aus Belgrad seinen „lieben Dalmatinern“, deren Sinnen
und Trachten seit jeher auf die Vereinigung gerichtet war, versichert, daß seine „beson­
dere Sorge auch der Hebung des wunderbaren, bis jetzt vernachlässigten Dalmatien
sein“ gelten würde, dem er „aus der Tiefe des Herzens meinen königlichen Gruß“
entsandte, mit der Versicherung, daß „an der freien Adria der alte Glanz und Wohl­
stand zurückkehren“ wird.530

530 Vgl. Telegramm des Regenten Aleksandar v. 5.12.1918, hier zit. nach Bosnjak, Ilija, Rijec
narodu o narodnom ujedinjenju i proglasenju jedinstvenog Kraljevstva svih Hrvata, Slovenaca

267
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Die Versammlung der Handwerks- und Handelskammer beschloß, den Bericht des
Präsidiums über die „ökonomische Befreiung Dalmaties“ in den lokalen Zeitungen
„Novo doba“ und „Jadran“ zu veröffentlichen.531 Endlich schien also der Moment
gekommen zu sein, wo sich im neuen nationalen Staat auch das wichtigste dalmatini­
sche Anliegen erfüllen würde. In Zeitungsartikeln und Vorträgen wurde die Eisen­
bahnfrage unter Anteilnahme einer interessierten Öffentlichkeit diskutiert.532 Der
„Vertrauensmann für die Eisenbahnen“ des Zagreber Nationalrats hatte den Ingenieur
Nikola Plavsic schon am 23. November 1918 mit dem Befehl Nummer 115 mit der
Fortführung und vollständigen Übernahme der von der M. A. V. (Magyar ällamvasu-
tak = ungarische Staatsbahn) begonnenen Bautätigkeit an der Eisenbahnstrecke beauf­
tragt, die Zagreb über Ogulin - Gospic - Knin mit Split verbinden sollte. Der Strek-
kenabschnitt bis Gospic wurde am 21. Januar 1921, bis Gracac am 15. Juni 1922 in
Betrieb genommen.533
In der Broschüre,534 die zwei Vorträge enthielt, die zuvor schon in der Tageszeitung
„Novo doba“ erschienen waren, stellte einer der Wortführer in dieser Frage, der Inge­
nieur Senjanovic, fest, daß die „Eisenbahnfrage bei uns immer ein Symbol der Freiheit
war“. Der Kampf um die Eisenbahn bedeutete gleichzeitig auch Kampf um wirtschaft­
liche und politische Unabhängigkeit, „denn gerade bei der Eisenbahnfrage war das
deutsch-magjarische System am drückendsten zu spüren, das uns politisch unter­
drückte und ökonomisch aussaugte. Heute in der Freiheit ist es unsere Aufgabe, un­
sere größten national-ökonomischen Bedürfnisse zu verwirklichen und andere Wege
zu beschreiten.“ Der Verfasser konnte sich sicher sein, daß seine Aufzählung von
„Erniedrigungen, unerhörten Bitten, gegebenen und verratenen Versprechungen, die
trotz Gesetz und Unterschrift des Kaisers niemals erfüllt wurden“, seine Feststellung,
daß Dalmatien „zwei Generationen lang mit einer Stimme flehte: Gebt uns eine Eisen­
bahn!“ von seinen Lesern und Zuhörern gleichfalls als Skandal empfunden wurde.535

i Srba. Izdao Obavijesni ured kr. zemaljske vlade u Splitu (Leonova tiskara) (Ein Wort an das
Volk über die nationale Vereinigung und die Proklamation eines einigen Königreichs aller
Kroaten, Slovenen und Serben. Hg. v. der kgl. Landesregierung in Split), Split 1918, S. 22.
531 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I 23. veljace 1919, Akte Nr. 2027/1918,
S. 5-9.
532 Vgl. Senjanovic, Petar, Dalmatinska zeljeznica u Jugoslaviji. Predavanje odrzano u Splitu dne
12. i 13. ozujka 1919., Split 1919.
533 Vgl. Udruzenje jugoslavenskih inzenjera i arhitekata (Vereinigung der jugoslawischen Inge­
nieure und Architekten) (Hg.), Dalmacija, 1923, wo gleichfalls wortreich Klage geführt wurde
über die verkehrstechnische Isolation Dalmatiens.
534 Vgl. auch Senjanovic, Petar, Nasi izlazi na more. U Dalmaciju ili na Neum-Klek? (Jedan
odgovor), Split 1920, wo er auf eine ganze Serie von Artikeln, die M. Jovanovic im „Bosanski
Lloyd“ (1919, Nr. 1-13 u. 1920, 1-2) verfaßt hatte antwortet. Die „Frage des Eisenbahnbaus“
sei für Split „bei weitem“ die wichtigste. Seitens der „Verbündeten“ sei Split jetzt schon über
ein Jahr „von der Meerseite blockiert“ (S. 2).
535 ebenda, S 3. Schon 1856 ersucht der dalm. Statthalter Frano Borelli um eine Eisenbahnanbin­
dung Dalmatiens nach, um die Adria mit der Donau zu verbinden. Die Handelskammer

268
Städtische Lehenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Selbst auf der Pariser Friedenskonferenz wurde die Eisenbahnfrage als Argument ver­
wendet. Der ehemalige Spliter Bürgermeister und 1919 Außenminister des Königrei­
ches SHS, Ante Trumbic, gab zu Protokoll: „Ich muß noch betonen, daß es sich (im
Falle Dalmatiens, A. J.) um arme Gebiete handelt, die sich wirtschaftlich nur in einem
unabhängigen Staat entwickeln können, zusammen mit ihrem Hinterland.“ Im Gegen­
satz zur vorherigen Politik Österreichs, der es nur um „Eindringen auf den Balkan
gegangen“ sei, werde das neue Königreich SHS diese Politik der Nichtanbindung
„vollständig ändern durch den Bau von transversalen Eisenbahnlinien, um auf diese
Weise den Handel über das Meer zu verstärken.“536
Nun, so freute man sich nach der „Befreiung“ in Dalmatien, im Königreich der Ser­
ben, Kroaten und Slowenen, könne man die günstigsten Streckenführungen beschlie­
ßen und es würde nicht mehr nur geschehen, was die „fremden Herren“ wollten und
„nur ihren Zielen und Bedürfnissen gedient“ habe. Die erste Aufgabe wäre nun „die
Verbindung Split-Mostar-Sarajevo“; der Verfasser ahnte „phantastische“ Möglichkei­
ten, nur die Kostenfrage machte ihm „angesichts der heutigen Umstände“ etwas Sor­
gen. Doch „wir in Dalmatien sind glücklich, daß unsere Wünsche und Bedürfnisse
nicht nur nicht konfligieren mit den Interessen anderer Regionen unseres Königreichs,
sondern daß sie identisch sind mit den wirtschaftlichen Interessen und Forderungen
aller anderen, sowohl Sloweniens, als auch Kroatiens, Bosniens und Serbiens.“537
Doch die „identischen Interessen“, die Senjanovic 1919 gesehen hatte, führten noch
lange nicht zu schnellen Verbesserungen der Situation. Die „Probleme Dalmatiens“,
die die Region im Habsburgerreich bedrückt hatten, blieben dieselben.538 Anfangs
war man sich in Wirtschaftskreisen durchaus einig über die Notwendigkeit von Geset­
zesangleichungen, die von dem Kongreß aller jugoslawischen Wirtschaftskammern in
Belgrad auf allen Gebieten gefordert wurden.539 Verbaler Unterstützung, wenn der

in Split übergab 1861 dem Minister Wickenburg die erste Petition in der Sache. Auch der
Bürgermeister Bajamonti setzt sich in einer Rede vor dem Stadtrat am 9.6.1862 dafür ein. Im
dalmatinischen Landtag wurde 1863 die Streckenführung verlangt. 1866 wurde erneut ein
ausführliches Memorandum von den Spliter Stadtvätern übergeben, bis, nach vielen Memo­
randen, endlich 1873 das erste Eisenbahngesetz verabschiedet wurde, welches vorsah, daß
Split über Knin mit Sibenik verbunden werden sollte. In der Begründung hieß es, daß Split
„als östlichster Hafen der Monarchie (der 200 Meilen näher am Suezkanal liegt als Triest, 308
Meilen von Genua und 380 von Marseille) als Vorposten von Triest den Transitverkehr mit
Ostindien und der Levante übernehmen soll.“ Nach einigen Monaten wurde von diesem
Plan abgegangen und nur zwei Teilstrecken Split-Siveric und Perkovic-Sibenik in Angriff
genommen.
536 Vgl. Ekspose Dr. Trumbica pred Vijecem Desetorice dne 18. februara 1919., in: Sisic (Hg.),
Zagreb 1920, S. 23-27, hier S. 25.
537 ebenda, S. 4 u. Off.
538 Vgl. den Artikel d. Redakteurs v. „Novo doba“, Vinko Kisic, „Problemi Dalmacije“, in: Nova
Evropa, Bd. XV/1925.
539 Fünf verschiedene Gesetzgebungssysteme waren zu diesem Zeitpunkt im Gesamtstaat in
Kraft. Das in Dalmatien (u. Slowenien, sowie auf der Insel Krk und in der Gemeinde Kastav)

269
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

„Ausbau der Verkehrswege“ angemahnt wurde, konnte man sich sicher sein. Der
Kongreß aller Wirtschaftskammern im Königreich beklagte die eigene Einflußlosigkeit
und hoffte auf einen „starken, fortschrittlichen und einheitlichen Staat“, wie die Bel­
grader „Politika“ am 21. September 1925 schrieb, was im Nachwort des Protokoll-
Bandes zustimmend zitiert wurde.540
Doch auch Jahre nach der Vereinigung waren nicht einmal vereinheitlichte gesetzliche
Grundlagen geschaffen. Noch 1927 beklagte der Präsident der Spliter Handels- und
Handwerkskammer, Juraj Dubokovic, die Uneinheitlichkeit der geltenden Gewerbe­
gesetze (es galten 4 unterschiedliche im Staat). Erst mit dem Gewerbegesetz vom
9. November 1931, das ein Jahr später in Kraft trat, wurden die Rechtsnormen auf
dem Gebiet des Königreiches vereinheitlicht.541 Alle jugoslawisch-patriotischen Re­
den konnten darüber nicht hinwegtäuschen.542
Die 1923 verabschiedete Resolution faßte noch einmal zusammen: „Das nördliche und
mittlere Dalmatien verspürt die unabdingbare Notwendigkeit, sich sobald als möglich
mit den schon existierenden Eisenbahnarterien zu verbinden und so mit unserem gan­
zen jungen Staat eine wirtschaftliche Einheit zu bilden. Da es im Moment keine Hoff­
nungen gibt, daß sofort alle notwendigen Verbindungen zustande kommen, drücken
wir den Wunsch aus, daß wenigstens die Verbindung Knin-Pribudic-Gracac so bald
wie möglich ausgebaut wird. (...) Uns dem Wunsch der gesamten Bevölkerung des
nördlichen und mittleren Dalmatien anschließend, möchten wir, die wirtschaftlichen
Kreise dieses Gebietes, die herzliche Bitte an alle staatlichen Faktoren richten, daß
wenigstens alle notwendigen Mittel für die Verbindung Knin-Pribudic-Gracac gesi­
chert werden, und daß mit aller Macht die Ausführung vorangetrieben wird, daß
wenigstens eine der Lebensfragen des nördlichen und mittleren Dalmatien einmal ge­
löst wird.“543
Ab jetzt trug das Eisenbahnprojekt den Namen „Unska zeljeznica“, und die Kammer
traf die Erkenntnis hart, daß „nur 2 Millionen Dinar für die Arbeiten an der Eisen­

gültige österreichische Steuerrecht ging bei den sog. „Realsteuern“ von einem Durchschnitt­
sertrag pro Klafter (=0,575 ha), in Kronen, von Werten aus, die anläßlich der Katasterrevision
1897 (bzw. 1912) festgesetzt worden waren. Vgl. Letica, Dusan (Hg.), Zakonski sistemi nepos-
rednih poreza u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca (Das gesetzliche System der direkten
Steuern im Kgr. SHS), Sarajevo 1921.
540 Vgl. Beogradska Trgovacka komora (Hg.), III redovni kongres privrednih komora i organiza-
cija Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, odrzan na dane 19. i 20.09.1925. godine u Beogradu,
Beograd 1925, S. 100 u. 109f.
541 Vgl. Marcic, Stjepan, Vaznije odredbe zakona o radnjama (9. novembra 1931. g.) za sluzbo-
davce i pomocno osoblje (Die wichtigeren Bestimmungen des Gewerbegesetzes für Arbeitge­
ber u. Hilfspersonal), Split 1931.
542 Trgovacko-Obrtnicka Komora - Split (Hg.), Obrtni zakon. Izvjestaj o konferenciji privrednih
komora Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, Split, 7.-8.VI.1927. (Das Gewerbegesetz. Bericht
über die Konferenz der Wirtschaftskammern des Kgr. SHS in Split 1927), Split 1927, S. 119f.
543 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I. komorske sjednice obdrzavane 10. srpnja
1923, S. 13.

270
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

bahnline“ im Budget des Gesamtstaates bewilligt wurden. „Dieser lächerliche Betrag


könnte der Überzeugung Vorschub leisten, daß überhaupt nicht ernsthaft an den Aus­
bau der Una-Eisenbahn gedacht ist, und diese Tatsache hat alle wirtschaftlichen Kreise
Dalmatiens schmerzhaft berührt“ hieß es im Protokoll der Sitzung von 1923.544 Be­
sonders Petar Senjanovic wurde nicht müde, die Streckenführung durch das Una-Tal
zu fordern.545 In einer an das kgl. Finanzministerium in Belgrad gerichteten Eingabe,
die als Anlage dem Sitzungsprotokoll beigefügt war, wurde die staatliche Finanzpla­
nung kritisiert und „eine viel zu hohe, unerträgliche“ Steuerbelastung Dalmatiens be­
klagt. Daß die Steuergesetze „ wenigstens im ganzen Staat zu vereinheitlichen“ (Her-
vorh. im Original) sein sollten, forderten bis hin zur Rechtspartei unter Pavelic alle
kroatischen Parteien.546 Die Übertragung von serbischen Gesetzen auf Dalmatien
wurde von der Kammer als ökonomisch fatal kritisiert.
Am Beispiel des §471 des serbischen Haftungsgesetzes vom 20. Dezember 1859
wurde versucht, das zu belegen:
„Händler, Industrielle und Handwerker müssen gezwungenermaßen bei uns dem Bauern Wa­
ren und Dienstleistungen kreditieren, denn unser Bauer hat kein Geld sofort auch nur das
Nötigste zu zahlen. Er bezahlt, wenn die Lese oder Ernte erfolgreich war, aber dafür muß
man eben bis nach der Ernte oder Weinlese warten. Wenn die Ernte oder Lese nicht erfolg­
reich war, muß gar bis zum nächsten Jahr gewartet werden. Wenn sie also ihre Waren und
Dienstleistungen verkaufen wollen, müssen sie ihre Waren auf Kredit geben. Wenn oben er­
wähnte Verordnungen in Dalmatien eingeführt würden, könnten weder Händler, noch Indu­
strielle, noch Handwerker dem Bauern Kredit mehr gewähren, denn es hat nicht 1 % von
ihnen soviel bewegliches Eigentum und Landbesitz, wieviel der §471 des Gesetzes vom
20.12.1859 vorsieht (...) Niemand wird es riskieren etwas auf Kredit zu geben, im Wissen,
daß der Schuldner um die Zahlung herumkommen kann. Da Dalmatien zum allergrößten Teil
ein agrarisches Land ist (...) würde das den ökonomischen Ruin der Händler und Industriel­
len bedeuten. (...).“ 547

Generell wies die Kammer darauf hin (und tat das immer wieder), daß Dalmatien bei
allen vorgeschlagenen Gesetzen benachteiligt würde. Ob bei den unmittelbaren Steu­
ern, den Einkommensteuern, den administrativen Gebühren oder anderen, überall
rechneten die dalmatinischen Finanzexperten dem Ministerium vor, daß Dalmatien
benachteiligt und die angestrebte Gesetzessynchronisierung in sich widersprüchlich
sei.548 Tatsache war, daß die ungarischen und österreichischen Steuergesetze, die bis
Anfang der 30er Jahre auf dem Gebiet Dalmatiens galten, mehr oder weniger alle

544 Trg. i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik II komorske sjednice obdrzavane 24. novembra
1923, S. 26.
545 Zu den verschiedenen damals diskutierten Streckenvarianten vgl.: Senjanovic, Petar, Nove
dalmatinske zeljeznice i splitska luka, in: Tehnicki list Nr. 6 v. 15.10.1919.; ders., Dalmatinske
zeljeznice u Jugoslaviji, Split 1919; ders., Nasi izlazi na more, Split 1920.
546 Jugoslovenski Lloyd Nr. 52/XVIII v. 04.03.1926, S. 2.
547 ebenda.
548 Prilozi Zapisnika II. plenarne sjednice Trgovacke i Obrtnicke Komore u Splitu obdrzavane
dneva 24. novembra 1923., Predmet: Kr. Ministarstvu Financija Beograd.

271
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Steuersubjekte und -objekte erfaßten, während es im serbischen System sehr viel leich­
ter war, dem Steuerzugriff des Staates auszuweichen.549
In den „Resolutionen“ und der regen Korrespondenztätigkeit der Kammer der folgen­
den Jahre dominierte die Eisenbahnfrage und der angemahnte dringende Hafenausbau
in Split und Sibenik.550 Als der Sekretär Bulat am 31. Januar 1925 in Pension ging,
der am 23.11.1880 die Stelle angetreten und dann ununterbrochen mehr als 35 Jahre
lang maßgeblich die Aktivitäten der Kammer gesteuert hatte, folgten ihm 2 Sekretäre,
die ob des stark gestiegenen Arbeitsanfalls nötig geworden waren.551
Durch „große Mühe, und größtenteils durch eigene Mittel der daran Interessierten“,
wie der Spliter Bürgermeister es ausdrückte, wurde 1925 die umständliche, langsame
und nicht direkte Eisenbahnverbindung Split-Zagreb durch die Lika endlich komplet­
tiert. Die Teilstücke bis Knin wurden am 22. Juli 1925 fertiggestellt, volle 65 Jahre
nach den ersten Vorschlägen für den Bau dieser Strecke. Und dabei konnte von einer
schnellen Verbindung bei dieser Streckenführung nicht die Rede sein. Das langerwar­
tete, frohe Ereignis war Anlaß einer von den Städten Split und Sibenik gemeinsam
veranstalteten „Adria Ausstellung“ (Jadranska izlozba), um den Reichtum, „den Dal­
matien der Gemeinschaft anbieten konnte, zu zeigen“.552 Auch schien das einsetzende
Industriewachstum den Forderungen nach besserer Verkehrsanbindung im Nachhin­
ein Recht zu geben.553 In nur einem Jahr sei „der Warenumsatz (...) um mehr als 2
Millionen Tonnen gestiegen, wozu hauptsächlich die Eröffnung der Eisenbahnlinie
Ende Juli 1925“ beigetragen habe. Nun hatte Split eine Eisenbahnverbindung mit
normaler Schienenbreite durch Ostarije aus Zagreb bzw. Susak, die bei Knin auf die
schmale Schienenbreite stieß und die durch die Srnetica aus Prijedor von der einen
Seite und aus Jajce von der anderen Seite kam, wobei es bei Perkovic - Slivno eine
Abzweigung nach Sibenik gab. Das sei „nur ein kleiner Beweis“, meinte nun die
Kammer, was auch mit dem Bau der übrigen Streckenführungen für Split, als den
größten Ausfuhrhafen Jugoslawiens, getan werden könnte“. Bald würde die Stadt „alle
Bedingungen“ erfüllen, um „die wichtigste Plattform des Handels und der Industrie
unseres jungen Nationalstaats“ zu werden. Nur „die einzig richtige, direkte Verbin­
dung“ mit dem Staat müsse noch geschaffen werden, und zwar „von Bosanski Novi
durch das Tal der Una nach Bihac und über Knin nach Split und von Belgrad über

549 Vgl. Lunacek, Valdemar/Skaric, Mate, Zbornik zakona o neposrednim porezima, Zagreb 1931,
S. VII. Auf knapp 1000 Seiten die ausführlichste Darstellung der Steuergesetzgebung. Dalma­
tien war mit 3,23 % am geringsten am Gesamtsteueraufkommen beteiligt.
550 Zapisnik redovite komorske sjednice 28. listopada 1924, S. 8f. u. 14-19. Im Rechenschaftsbe­
richt sind an die 100 vom Präsidium im Namen der Kammer abgeschickte Briefe aufgeführt
(S. 19-27).
551 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I. redovite sjednice 18. prosinca 1924.
552 So der Bürgermeister Ivo Tartaglia in „Nova Evropa, Nr. 3-4/1927 (Samouprava dalmatins-
kih gradova); vgl. Machiedo-Mladinic, S. 283.
553 Die Zementproduktion wuchs explosionsartig von 354.423 t im Jahr 1925 auf 617.450 Tonnen
vier Jahre später.

272
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Sarajevo nach Split.“554 In den Augen der dalmatinischen Gewerbetreibenden durfte


die Strecke durch die Lika also nur der Anfang sein.
Doch es gelang nicht, die Frage der „richtigen“ Eisenbahnverbindung Dalmatiens
durch das Tal der Una „endlich vom toten Punkt zu bringen“. Das Argument, daß
„die Küste besser an unseren Staat angebunden sein“ wolle, führte zu keinen Investi­
tionen durch den Belgrader Staat.555 So sehr die „absolute und nicht mehr länger
aufschiebbare Staatsnotwendigkeit“ auch betont wurde, es ging nicht im gewünschten
Tempo voran. Die Kammer sah „nicht das geringste Entgegenkommen vom Verkehrs­
ministerium“ in der Eisenbahnfrage.556 Auf Anfrage des Belgrader Handelsministeri­
ums, die wirtschaftliche Situation in der Region zu beschreiben, schlug die Kammer
bekannte Töne an:
„Unsere wirtschaftlichen Verhältnisse sind sehr armselig“ (Hervorh. im Original). Die Aus­
fuhr der Großindustrie (Zement, Mergel, Karbid, Stein, Marmor und Kohle) trägt gewiß
viel bei, beschäftigt aber alles in allem nur 10.000 Arbeiter (Hervorh. im Original). Unser
Hauptprodukt, Wein, kann nicht exportiert werden, und wir sind gezwungen bis zu 60%
unseres Bedarfs an Getreide und Mehl zur Ernährung unserer Bewohner aus den reicheren
Teilen unserer Heimat einzuführen. Dazu kommt noch die massive Verschuldung ganz Dal­
matiens. Und diejenigen, die keine Kredite bekommen, müssen hungern (Hervorh. im Origi­
nal). Wir müssen zugeben, daß es auch früher Hunger in Dalmatien gab, aber seit langem,
seit wir uns erinnern können, nicht in solchem Ausmaß. Heute hungern auch die Inseln
(Brac, Hvar, Korcula, Vis), die noch vor kurzem sogar reich zu nennen waren. (...) Die
Aufrechterhaltung eines solchen Zustandes ist nicht möglich auf längere Zeit, so müßte sich
der Staat entscheiden, endlich sehr starke Maßnahmen zur Rettung dieses Gebietes (Hervorh.
im Original) zu ergreifen.“557

Und tatsächlich kamen immer wieder diesbezügliche Versprechungen aus Belgrad. Im


„Dalmatinski glasnik“ finden sich in der Ausgabe vom 6. Mai 1927 unter der Über­
schrift „Unsere Eisenbahnfrage“ die Äußerungen des Verkehrsministers General Mi-
losavljevic, die dieser anläßlich eines Besuchs über die Osterfeiertage in Split machte:
„Im Gedankenaustausch mit wichtigen Persönlichkeiten Splits, in erster Linie mit dem Herrn
Bürgermeister Tartaglia, habe ich gespürt, wie sehr die Bevölkerung dieses Kreises an der
Frage des Ausbaus der Adria-Eisenbahn interessiert ist. Als erstes muß ich betonen, daß wir
nicht eine, sondern sogar mehrere Adria-Eisenbahnlinien bauen müssen. (...) Die Verbindung
von Split über Bihac und Knin, die sog. Una-Eisenbahn bildet mit der Lika-Strecke eine
organische Einheit. (...) Der intensive Eisenbahnausbau muß schon diesen Sommer begin­
nen.“ Natürlich müsse „auch der Hafen von Split ausgebaut werden“, da ja, wie er erfahren

354 Bego, S. 11 u. 16.


555 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I. redovite sjednice 8. januara 1926. Die
Frage, woher die staatlichen Investitionen kommen sollen, wurde grundsätzlich nicht gestellt.
Der Gesamtstaat war, nach Griechenland, das verschuldetste Land Europas. Die Außenschul­
den betrugen 1925 25 Milliarden Dinar und stiegen bis 1937 auf 45 Milliarden; vgl. Petranovic,
Istorija Jugoslavije, S. 61.
556 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I. redovite sjednice 17. marta 1927, S. 73.
557 ebenda, S. 51.

273
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

habe, „Split z.B. nur mit einem Hafenkran (zum Be- und Entladen von Schiffen) zurechtkom­
men müsse bis jetzt“. Das „Wichtigste“ wäre jetzt ein „Kredit zur Finanzierung dieser großen
Investitionen“. Weiter sagte der Minister: „Ich weiß, daß die Schienen auf der Strecke Split-
Knin 50 Jahre alt sind (...) Das sind sicher die ältesten Schienen in Europa und es ist sehr
ungünstig, daß der Schnellzug auf ihnen seine Geschwindigkeit auf 25 km, und an manchen
Stellen gar auf 15 km, in der Stunde drosseln muß. (...) Die ersten Schienen, die in unseren
Staat kommen werden, werden für diese Strecke verwendet werden, (...) wofür sich sogar
seine Majestät höchstselbst interessiert hat.“558

Doch den Ankündigungen folgten wieder keine Taten. In einem auch als Sonderdruck
verteilten „Memorandum“ der Kammer vom Juli 1927 an den „Herrn Verkehrsmini­
ster“ standen wieder einmal Hafen- und Eisenbahnausbau, Bau eines modernen Post­
amtes, die Eisenbahntarife und die Gebühren und Steuern im Mittelpunkt. Es erklang
wieder einmal das alte Lied.559 Kein Jahr verging ohne Sitzungen und Versammlungen,
bei denen die Spliter Handwerker, Händler und Industriellen nicht die Eisenbahnlinie
durch das Una-Tal gefordert hätten.560 In einem 1930 herausgegebenen Sonderband
hieß es: „Noch vor 70 Jahren hat Split seinen Wunsch geäußert, mit einer Eisenbahnli­
nie durch das Tal der Una mit dem europäischen Schienennetz verbunden zu werden.“
Nach der Aufzählung der vielen vergeblichen Interventionen der Handels- und Hand­
werkskammer Split wird darauf hingewiesen, daß es doch „nur noch um den Bau der
Verbindung Bihac-Knin von 109 km“ ginge, was „in nationaler, staatlicher, wirtschaft­
licher und kultureller Hinsicht den größtmöglichsten Nutzen“ stiften würde.561 Auch
die Plenarsitzung der Kammer vom 16. Januar 1930 war wieder dieser, in den Augen
der Wirtschaftstreibenden der Region herausragenden, Frage gewidmet. Wieder wurde
eine Resolution mit dieser Forderung verabschiedet. Alle Diskussionsbeiträge um
Streckenführung und Finanzierungsvorschläge wurden auf 126 Seiten in Buchform
veröffentlicht.562
Vertreter der verschiedenen Küstengemeinden, Vereine und Verbände, von den Bür­
germeistern, über die Kammerpräsidenten bis zu den Vorsitzenden der Barbier- und
Schusterinnungen - alle, die im Wirtschaftsleben Dalmatiens eine Rolle spielten, wa­
ren bei der Kammersitzung anwesend. Zudem erschienen Pressevertreter dalmatini-

558 Dalmatinski glasnik v. 6.05.1927.


559 Trgovacko-obrtnicka komora - Split: Memorandum 30. aprila 1927.
560 Trgovacka i obrtnicka komora u Splitu (Hg.), Izvjestaj o djelovanju trgovacke i obrtnicke
komore u Splitu Mart 1927. - April 1928., Split 1928, S. 78.
561 Trgovacka i obrtnicka komora u Splitu (Hg.), Unska pruga, Split 1930, S. 3. (Darin auch
„Tehnicki izvjestaj“ (S. 85-126) des Ingenieurs Jerko Alacevic, der die Streckenführung Bi­
hac-Knin unter technischen u. finanziellen Gesichtspunkten beschreibt. Er widmet seine Stu­
die „jenen führenden und verdienstvollen Söhnen unseres lieben und werten einheitlichen
Jugoslawien, die es (Jugoslawien, A. J.) als solches (einheitlich, A. J.) begreifen und nur von
diesem Standpunkte aus alle ihre Entscheidungen treffen.“ (ebenda, S. 126).
562 Vgl. Zapisnik sire konferencije o Unskoj pruzi odrzane dne 9. februara 1930. g. u Splitu.,
Split 1930.

274
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

scher und überregionaler Zeitungen.563 Nach der Erweiterung des Mitgliedsgebiets


auf das gesamte Hinterland war fast die gesamte Wirtschaftskraft der Küstenbanschaft
in der Kammer vertreten.564 Die der Kammer angeschlossenen Gewerbebetriebe hat­
ten am 31. Dezember 1937 insgesamt 7178 reguläre Mitglieder, 264 Auszubildende
und 1081 Hilfskräfte in ihrer Mitgliederkartei.565 Man kann daher davon ausgehen,
daß die gewählten Vertreter der Gewerbetreibenden in Dalmatien in Wirtschaftskrei­
sen weitverbreitete Standpunkte artikulierten. Was die Eisenbahnfrage anbelangte, die
auch auf Kongressen der Handwerks- und Handelskammern in Belgrad von den Dele­
gierten aus Dalmatien immer wieder aufgebracht wurde,566 so herrschte bestimmt in
dieser Frage der breitest mögliche Konsens in der Region.
Wenn aber Staaten „auch nichts anderes, als große organische Einheiten zum Schutz
der Rechte der Einzelnen und des Ganzen und zur Bewahrung der gesellschaftlichen
Ordnung“ waren, wie die Vertreter der Kammern in Zagreb und Ljubljana im Vor­
wort des Bandes über die „Aufgaben und die Bedeutung der Wirtschaftskammern im
Königreich Jugoslawien“ schrieben, mußten dann nicht ständige Klagen über Ver­
nachlässigung durch den Belgrader Staat folgerichtig eine innere Ablehnung gegenüber
diesem Staatswesen erzeugen?567
Ob in Referaten bei Kammersitzungen, auf Tribünen, in Eingaben an die politischen
Instanzen oder eben in Zeitungsartikeln:568 die Vertreter der dalmatinischen Wirt­
schaft beschworen jahrein jahraus die „dringende Notwendigkeit“ (so der Kammer­
präsident Juraj Dubokovic) von Eisenbahnbau und Investitionen in die Region. 1929
waren auf dem Gebiet der Handels- und Handwerkskammer in Split schon an die
12.000 verschiedene Gewerbebetriebe gemeldet.569 Die Bahnlinie Split - Knin - Bi-
hac, „seit über 70 Jahren Anliegen der Kammer“, sei nach wie vor unabdingbar dafür,
daß sich „dem kroatischen (Hervorh. A. J.) Küstenland bessere Lebensbedingungen“
eröffnen. So isoliert sei es auch kein Wunder, daß sich die Region nicht entwickeln
könne, darüber seien sich „mehrere Generationen von Kammervertretern“, „Fachleute
aus dem ganzen Staat“, kurzum: alle lokalen Strukturen einig, was sich auch in „stän-

563 So z.B. Mate Barisic von „Novo doba“ und der Redakteur Makale der „Jadranska posta“,
sowie für die „Politika“ aus Belgrad und „Novosti“ aus Zagreb Josip Kortsek.
564 Trgovinsko-Industrijska i Zanatska Komora - Split: Zapisnik sjednice vijeca T. I. Z. komore
Splita odrzane 19. januara 1933.
565 Trgovinsko-Industrijska Komora u Splitu, Izvjestaj o radu komore za 1937-1938 godinu.
Zapisnik plenarne sjednice T. I. Komore 18. svibnja 1938, Split 1938, S. 3f.
566 Vgl. Referat Splitske trgovacke i obrtnicke komore za konferenciju komora odrzanu u Beo-
gradu dne 10. decembra 1929., in: Cuvaj, Adolf/Mohoric, Ivan (Hg.), Zadaci i znacaj Privred-
nih komora Kraljevine Jugoslavije (Aufgaben u. Bedeutung der Wirtschaftskammern Jugosla­
wiens), Zagreb 1930, S. 117-123.
567 Vgl. ebenda, S. 3. Der Band ist voller Klagen über die hemmende Staatsbürokratie.
568 Vgl. Alacevic Jerko, Treba li graditi Unsku prugu?, Sonderdruck Split o.J., aus: „Privrednicka
rijec“ 1930.
569 Vgl. Arhiv Jugoslavije, fond MIT, 65-299-912, hier nach Sitin, Karakteristike gospodarskog
stanja, S. 184.

275
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

digen Petitionen“ niederschlagen würde.570 Das anschließend von Kammermitglied


Dr. Ljubic vorgetragene Referat machte trotz aller patriotischen Rhetorik deutlich,
wie groß die Enttäuschung an der Küste schon wieder war: Seit 1856 hätten Split und
Mitteldalmatien darauf gedrängt, daß die Una-Bahnlinie (Unska pruga) gebaut würde.
Da die „österreich-ungarische Monarchie nur auf ihren Bajonetten und nicht auf der
Liebe des Volkes beruht“ habe, sei die Vernachlässigung Dalmatiens ja im Nachhinein
sogar „verständlich“ gewesen für eine volksfremde Herrschaft. Split und die Küstenre­
gion hatten die Vereinigung mit Serbien, dem „jugoslawischen Piemont“, mit der
„größten Begeisterung und Hoffnung“ herbeigesehnt. Die „nationale Vereinigung“ sei
gleichzeitig als Beginn „einer wirtschaftlichen Entwicklung“ begrüßt worden. „Die
Küstenlandschaft war überzeugt, daß ihre dringendsten ökonomischen Bedürfnisse
jetzt erfüllt werden würden. Sie war überzeugt, daß wenigstens die Una-Bahnlinie
nun erbaut werden würde.“ Bitter fuhr der Referent fort: „Es sind jetzt 15 Jahre seit
unserer nationalen und staatlichen Vereinigung vergangen, doch wir müssen feststel­
len, daß nicht nur die Una-Bahnlinie nicht gebaut worden ist, es wurde nicht einmal
angefangen mit dem Bau (Hervorh. im Original), und es gibt keine begründete Hoff­
nung, daß sie in absehbarer Zeit erbaut wird.“ Detailliert zeichnete im Folgenden der
Referent alle falschen Versprechungen der Regierung in Belgrad nach. Immer seien
„andere Staatsinteressen“ wichtiger gewesen.571
Wieder einmal wurde eine „Resolution“ von der Hauptversammlung der IHK in Split
vom 24.2.1935572 einstimmig angenommen. Die anwesenden Senatoren, Vertreter der
Stadträte von Split und Sibenik, der Gemeindeverwaltungen von Knin, Trogir, Kastei
Novi, Kastei Luksic und Klis, der Ingenieur-, Handwerks- und Arbeiterkammer, der
Bergbaugenossenschaft, des Genossenschaftsverbandes, des Vereins der jugoslawi­
schen Ingenieure und Architekten, der Regionalvereinigungen der Industriellen, Ban-

570 Auch bei der „Gedenksitzung“ der Industrie- und Handelskammer Split, anläßlich „des tragi­
schen Todes Sr. Majestät König Aleksandar I.“, nahm, nach den Trauerbekundungen und
nach der Begrüßung der vollzählig erschienenen Vertreter des politischen und wirtschaftlichen
Lebens der Region, die Frage der Anbindung Dalmatiens an sein Hinterland wieder den
größten Raum ein. Die Berichterstatter der dalm. Blätter waren gleichfalls geladen um die
Botschaft zum wiederholten Male in den Zeitungen, für die sie schrieben, zu verbreiten. Vgl.
Trgovinsko-Industrijska Komora u Splitu, Zapisnici plenarnih komorskih sjednica 11/10
1934, 24/2 1935 i 16/5 1935, Izvjestaj o radu komore za 1934 godinu, Split 1934, S. 11-13.
571 ebenda, S. 14-20.
572 ebenda, S. 46ff. Vgl. auch den Sonderdruck: Trgovinsko-Industrijska komora u Splitu (Hg.),
Unska pruga. Zapisnik I. vanredne komorske sjednice odrzane dne 24. februara 1935., Split
1935. Vom „Prestige des Staates“ bis zum „Überleben Dalmatiens“ stand wieder alles auf dem
Spiel. Split hätte doch „so begeistert die serbischen Brüder begrüßt“ und sich „wirtschaftliche
Entwicklung“ erhofft. Doch „auch nach 15 Jahren intensiven Bitten und Forderns“ hätte „die
Arbeit noch nicht einmal angefangen“ (S. 14f.). Den Beteuerungen des „Senators Majstrovic“,
der aus Belgrad angereist war, daß es sich „keineswegs um plemenske makinacije“ (Manipula­
tionen auf nationaler Grundlage gegen die Kroaten) handeln würde, die den Bau bis jetzt
verhindert hätten, wurde wohl kein rechter Glaube mehr geschenkt (S. 39f.).

276
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

ken und Fuhrunternehmer, Vereinigung der Händler aus Split, Supetar und Hvar,
Sibenik, Knin und Biograd am Meer, der Gaststätten- und Hotelverbände und der
Vereinigung der diplomierten Ökonomen und Kommerzienräte stellten gemeinsam
fest, daß der Ausbau der 109 Schienenkilometer der Verbindung Bihac - Knin, durch
das Tal der Una, eine „erstrangige Staatsaufgabe“ sei, baten alle staatlichen Stellen um
Unterstützung und forderten, daß die Bahnlinie „sofort gebaut“ werden müsse.573
Doch bis der Ministerrat in Belgrad auf seiner Sitzung am 8. November 1935 endlich
den Beschluß faßte, offiziell ein Projekt für die Streckenführung Bihac - Knin ausar­
beiten zu lassen, waren auch im neuen Staat schon 17 Jahre vergangen. Die ersten
Bauarbeiten begannen im Frühjahr 1936.574 Die 112 km lange Strecke wurde erst
nach dem II. Weltkrieg, am am 25. Dezember 1948, d.h. ca. 90 Jahre nach den ersten
Vorschlägen für ihren Bau in Betrieb genommen.
Der Umschwung in Identifikation und Bewertung des Staates, für den man sich vorher
eingesetzt hatte, vollzog sich etappenweise. Sicher beschleunigt wurde die Entwick­
lung durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in der ohnehin strukturschwa­
chen Region. Als die Krise „durch weltweite Erschütterungen ausgelöst, aber in unse­
rem Gebiet auch noch durch die unglaubliche Trockenheit, den schlechten diesjähri­
gen Fischfang, der Unmöglichkeit, unseren Wein zu verkaufen, durch so gut wie keine
Devisenüberweisungen von unseren Aussiedlern, keine Arbeit und Entlassungen von
Werftarbeitern“ kulminierte, und alle Forderungen und Vorschläge ignoriert wurden,
verlor der jugoslawische Staat nach und nach die Loyalität derjenigen, auf der er an
der Küste beruht hatte.575
Als der Kammerpräsident Marin Feric (im Protokoll als „Industrieller, Schiffseigner
und Händler“ bezeichnet) den Rechenschaftsbericht über die Arbeit der Organisation
der dalmatinischen Wirtschaft 1937-38 gab, bezeichnete er „die Geschäftstätigkeit in
allen Wirtschaftszweigen“ als unverändert schlecht; die sowieso schon hohe Abgaben­
belastung sei sogar noch größer geworden. Der „Handel“ sei „im allgemeinen rückläu­
fig, und vor allem die Industrie, in erster Linie die Zementindustrie, die die führende
in unserer Region ist,“ sei „in einem besorgniserregenden Rückgang begriffen“. Das
Präsidium der Kammer, fuhr er fort, hätte „aufmerksam die Entwicklung aller wirt­
schaftlichen Verhältnisse verfolgt und Maßnahmen ergriffen, die es für nützlich für
unsere Wirtschaft hielt. Wenn wir dabei nicht in ausreichendem Maße Erfolg hatten,
muß man die Gründe auch bei anderen suchen, vor allem beim ungenügenden Inter­
esse für die Bedürfnisse unserer Region, seitens jener, deren Pflicht es in erster Linie
sein müßte, den Wünschen der Wirtschaft entgegenzukommen, besonders, wenn diese

573 Izvjestaj o radu komore za 1934 godinu, Split 1934, S. 49.


574 Zum Bau der Una-Eisenbahnlinie vgl. Alacevic, Jerko, Zeljeznicki spoj Bihac - Knin (Unska
pruga), Zagreb 1930; ders., Unska pruga, in: Tehnicki list Nr. 3 u. 4 v. 28.02.1939; Trgovinsko-
industrijska komora (Hg.), Unska pruga, Split 1930; Stefanovic, Milos, Zeljeznicki spoj Bi­
hac - Knin, in: Srpski knjizevni glasnik, Beograd 1931, S. 227ff;
575 Zapisnik I. redovite komorske sjednice odrzane dneva 11. januara 1932, S. 2f. u. 13 — 15.

277
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

berechtigt sind, und wir haben uns in unseren Forderungen immer auf das beschränkt,
was wir für unser Recht hielten.“ (Hervorh. A. J.)576 In der Diskussion über seinen
einstimmig angenommenen Rechenschaftsbericht sagt der ehemalige Bürgermeister
und ehemals höchste Verwaltungsbeamte der Küstenbanschaft Dr. Ivo Tartaglia (im
Protokoll als „Bankier aus Split“ vorgestellt): „Selbst unsere Schiffahrt wird aus Bel­
grad geleitet, und die Direktion kann keine 100 Dinar ohne Bewilligung aus Belgrad
ausgeben. So kann man keine Schiffahrtsprobleme lösen“. Nach zahlreichen Beispielen
für die ökonomische Vernachlässigung Dalmatiens warf der ehemalige Spliter Bürger­
meister die Frage der „Polizeitaxen“ auf. Im Wortlaut des Protokolls:
„Dieses ist eine interessante „jugoslawische Einnahme“. Neben den Gebühren, die durch
Gesetze bestimmt werden, kann die Administration noch spezielle Gebühren erheben, zum
Schutze der Interessen von Privatleuten. Am höchsten sind diejenigen für die polizeiliche
Anwesenheit bei öffendichen Tanzvergnügen, und unser Kammermitglied Matic könnte Ih­
nen sagen, daß diese Gebühr seine schwerste Belastung darstellt, und daß er jährlich 100.000
Dinar dieser Gebühren zahlt. § 85 bestimmt, daß die Höhe dieser Gebühren der Innenmini­
ster regelt unter Zustimmung des Finanzministeriums. Das Innenministerium hat nun diese
Verordnung erlassen unter Zustimmung des Finanzministeriums, welches in all seiner Unbe-
darftheit geantwortet hat, daß diese Gebühren nicht für das ganze Land erhoben werden
dürfen; weder Serbien noch Montenegro zahlen diese Gebühren. Diese Sache muß die Kam­
mer stärker angehen. Ich denke, daß es genügt, was ich hier angeführt habe, daß Sie sich
überzeugen können, wie unsere innere staatliche Verfassung aussieht. Deswegen sind auch
unsere inneren politischen Verhältnisse nicht nur eine politische Frage, sondern auch eine
wirtschaftliche, ja, es ist eine Lebensfrage. Wir müssen deshalb daran arbeiten, daß das gelöst
wird.“577

Durch diesen Redebeitrag brach der Damm, und die üblichen Problembeschreibungen
bekamen eine bis dahin in den Protokollen der Kammersitzungen unbekannte Schärfe.
Außerdem ging nun bei jedem Redebeitrag auch im- oder explizit hervor, wer für
die desolate Situation verantwortlich gemacht wurde: der jugoslawische Staat Die .57S

verabschiedeten Resolutionen über Verbesserung von Schiffahrt, Verkehrswegen, Fi­


nanzierung der lokalen Selbstverwaltung, Steuerbelastung, Zollbefreiung für Brenn­
stoffe, Verbesserung der Telephonverbindungen, Subventionen für Genossenschaften
und Tabakanbau, Einführung der Polizeigebühren auch in Serbien und Montenegro,
Eisenbahnausbau, Ausfuhrabgaben, freie Verfügung über Devisen aus Exporterlösen,
Handelsverträge, Minderung der Sozialabgaben, Bitte um Konsultation der Kammer
vor der Verabschiedung von Bergwerks- und Elektrifizierungsgesetz etc. wurden an
einen Staat gerichtet, dem man den Willen zur Lösung all dieser Probleme gar nicht

576 Zapisnik I. redovite sjednice Trgovinske industrijske Komore u Splitu 18. svibnja 1938, S. 6.
577 ebenda, S. 12ff.
578 ebenda, S. 15. So berichtete z.B. das Kammermitglied Stjepan Ivankovic (Händler aus Bu-
gojno) über die katastrophalen Verkehrsverbindungen und von der ungerechten Bestrafung
von „Beamten in langjährigem Dienst“ durch das Belgrader Verkehrsministerium, und fragt
rhetorisch am Schluß seiner Ausführungen: „Vielleicht ist ihre Geburt daran schuld, vielleicht
ist die Tatsache schuld, daß sie Kroaten sind?!“

278
Städtische Lebenswelt und IndustrialisierungshÖffnungen

mehr zubilligte.579 Das ehemals „jugoslawische“ Split der 20er Jahre580 war dies nun
schon lange nicht mehr. Gründe dafür, die sich über all die Jahre aufgestaut hatten,
schien man genug zu haben.
Im Juli 1939 ließ die Rede des Kammerpräsidenten keine Zweifel mehr über die politi­
sche Option des dalmatinischen Bürgertums: Die „politischen Verhältnisse“ hätten
sich, was bekannt sei, „sehr schädlich auf die Entwicklung der kroatischen Gebiete“
ausgewirkt. Die Führung der Bauernpartei wurde als „ unsere politische Führung“ be­
zeichnet. Vladko Macek war „unser Präsident, der alles von sich gibt, daß wir Kroaten
endlich in diesem Land unsere nationalen und ökonomischen Rechte erhalten.“581
Von einer „Vereinbarung zwischen Serben und Kroaten“ hänge „der weitere Bestand
dieses Staates ab“. Die „Frage der Ordnung der inneren politischen Angelegenheiten“
sei „von eminenter Wichtigkeit für die Entwicklung unserer Wirtschaft. Unter den
bisherigen Verhältnissen hatte die kroatische Wirtschaft keinerlei Aussichten auf Er­
folg, da sie systematisch unterdrückt wurde; während wir mit der Verwirklichung
der politischen und ökonomischen Autonomie endlich zu unseren Rechten kommen
werden, wo wir bisher nur mit den unausweichlichen Pflichten rechnen konnten.“582
Das Referat stieß laut Protokoll auf völlige Zustimmung und wurde oft „durch Beja­
hung unterbrochen“. Am Ende „lassen die Ratsmitglieder den Präsidenten Herrn Fe-
ric mit den Rufen „Zivio!“ hochleben.“ (Hervorh. im Original)583 Das wiedergewählte
neue Präsidium schlug vor, „unserem Führer Herrn Präsidenten Doktor Vladimir
Macek“ ein Telegramm folgenden Inhalts zuzuschicken: „Von der heutigen konstituie­
renden Sitzung des Kammerrates bitten wir Sie, den Ausdruck unserer Treue anzuneh­
men und gewiß zu sein, daß wir zur Verteidigung der nationalen und ökonomischen
Interessen des Gebietes dieser Kammer bereitstehen, vor allem der kroatischen
Adriaküste, der Kraft und des Stolzes unserer Heimat. Der Vorsitzende der Industrie-
und Handelskammer.“ Das Protokoll vermerkte daraufhin: „Die Ratsmitglieder neh­
men den vorgeschlagenen Telegrammtext einstimmig an, unter Hochrufen auf
Dr. Macek. (Zivio!)“584 Unter Hochrufen wurde auch Dr. Ivo Tartaglia in den Ver­
kehrs-, Finanz- und Tourismusausschuß gewählt. Mit dem „Dank an die Presse für
die Hilfe, die sie der Kammer leistet und geleistet hat in Wirtschaftsfragen“, endete
die Sitzung.585
In der dem Protokoll beigelegten Resolution, die wieder eine Minderung der Steuer­
last, die Verbesserung der Infrastruktur, steuerliche Erleichterungen für Handwerker

579 ebenda, S. 17-26.


580 Vgl. Drinkovic, Mate, Hrvtska i drzavna politika (Kroatien und die staatliche Politik), Zagreb
1928, S. 41.
581 Zapisnik II. redovite plenarne sjednice vijeca TI Komore u Splitu, odrzane 1. srpnja 1939,
S. 4.
582 ebenda, S. 5.
583 ebenda, S. 6.
584 ebenda, S. 7.
585 ebenda, S. 8 u. 11.

279
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

und Landarbeiter etc. forderte, hieß es unter Punkt 15: „Der versprochene Ausbau
der Verbindung Bihac - Knin durch das Tal der Una und Butisnica hat noch immer
nicht angefangen, obwohl es doch eine erstrangige Lebens- und Staatsfrage der Kü­
stenbanschaft und der Vrbaska-Banschaft ist. Es wird gebeten, daß für die Strecke
Mittel gefunden werden, daß der Bau so schnell wie möglich in Angriff genommen
werden kann, wie man ja auch für die Strecke Kursumlija - Pristina (im zu der Zeit
„Südserbien“ genannten Mazedonien u. Kosovo, A.J.) die Mittel aufgebracht“
habe.586
Und schließlich 1940 hieß es: Nachdem „volle 20 Jahre die kroatische Frage wie ein
Alpdruck“ auf dem Staat gelegen habe, seien nach dem „sporazum vom 26. August
im letzten Jahr (...) endlich die Voraussetzungen für gesunden Fortschritt“ gegeben.
„Unbeschreibliche Begeisterung“ habe die Vereinbarung im Lande hervorgerufen,
„vor allem im kroatischen Volk. Der Vorstand unserer Kammer (...) hat auf die Stim­
mung des Volkes und der Wirtschaftssubjekte seiner Region immer genauestens geach­
tet und begrüßt daher dieses historische Ereignis, wie auch die Faktoren, deren staats-
männische Weisheit dies ermöglicht hat.“ Unter dem „Führer des kroatischen Volkes
Dr. Vladimir Macek“ könne es jetzt zu einer Zusammenarbeit „zwischen dem serbi­
schen und dem kroatischen Volk kommen“.587
Die Antwort der Kammer auf eine Anfrage der Regierung der neuen Banovina Hrvat-
ska in Zagreb über die wirtschaftlichen Zustände an der Küste war datiert auf den 20.
Februar 1940, hätte aber auch in einem beliebigen früheren Jahr des nun in das vierte
Jahrzehnt gehenden Jahrhunderts verfaßt sein können: „Dalmatien“, so stand da zu
lesen, sei eine „passive Region“. V.a. „in den ehemals dalmatinischen und herzegowini-
schen Bezirken“ gäbe es „fast nur nackten Fels und ein paar verkrüppelte Wälder, die
Landwirtschaft ist nicht in der Lage, die Bevölkerung selbst zu versorgen, die Vieh­
zucht (...) leidet am Trinkwassermangel, was gleichzeitig auch eines der Hauptpro­
bleme unserer touristischen Orte ist“. Die Industrie sei „noch zu schlecht entwickelt,
um den Bevölkerungsüberschuß zu beschäftigen.“ Die „Verkehrswege“ seien „ziem­
lich ungünstig“, die Eisenbahnverbindungen „peripher“, die Häfen „noch nicht ausge­
baut für ein größeres Verkehrsaufkommen“.588
Alle Probleme, die auch schon bisher die Kammer und die Menschen in Dalmatien
beschäftigt hatten, tauchten wieder auf und waren nach wie vor ungelöst.
„Warum wird die Eisenbahnlinie durch das Una-Tal nicht intensiver gebaut?“, fragte
sich auch das neue „einzige Wirtschaftsorgan an unserer ganzen Küste“, der „Jadran-
ski Lloyd“ in seiner ersten Ausgabe. Nach Meinung der Zeitung, sei das „Erstaunlich­
ste von allem, daß Split nicht nur nicht zu unserem Hamburg oder London geworden
ist“, sondern daß es die Stadt nicht einmal geschafft hatte, die Spitzenstellung, was

586 ebenda, S. 19-33.


587 Trgovinsko-industrijska i zanatska komora u Dubrovniku, zapisnik 308. plenarne sjednice
odrzane dne 30. svibnja 1940, Dubrovnik 1940, S. 3.
588 privredni problemi podrucja T. I. Komore Splita, S. 1, PAS Sign. Inv. h. 2593.

280
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

den Güterumschlag anbelangte, zu halten. Und das trotz der so hervorragenden „na­
türlichen Konfiguration“ seines Hafens und all der anderen „wirtschaftlichen und
technischen Vorteilen“, die zum tausendsten Mal in extenso aufgezählt wurden. Der
Absatz schloß mit den Worten: „Split hat bis jetzt nicht die jahrelang in diese Stadt
gesetzten Hoffnungen erfüllt.“589 Doch was war die „unsichtbare Krankheit“, die das
verhindert hatte? War es wirklich „die Psychologie der Spliter“, ihr „sorgloser“, zu
„Scherz und Lachen aufgelegter Charakter“? Jede „gute Initiative“ stoße auf unzählige
Schwierigkeiten und Hindernisse“. Zwei Jahrzehnte lang seien „viele Fehler“ gemacht
worden.590 Was waren die Gründe für die offensichtliche Entwicklungsblockade, un­
ter der die Region litt?

c) Industrialisierung

Hält man sich an das, was allgemeinhin unter „industrialisierten Gesellschaften“ ver­
standen wird, so läßt sich auch die Region Dalmatien durchaus als „typische Periphe­
rie“ beschreiben, der es „im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts lediglich partiell
gelang, den Entwicklungsvorsprung der westlichen Nationen aufzuholen.“591 Nur
3,8 % der vorhandenen Industriebetriebe des gemeinsamen Staates befanden sich in
der Region.592 Überzeugend ist auf den zweifelhaften Gebrauchswert und Erklärungs­
kraft hochaggregierter Daten, wie Volkseinkommen etc. hingewiesen worden. „Volks­
wirtschaftliche Gesamtgrößen sind - ebenso wie Pro-Kopf- und Prozentzahlen -
lediglich als „Potentialgrößen“, nicht aber als „Synonyme für Entwicklung“ zu be­
trachten.593 Als „Ausweg aus dem Dilemma“ greift die Verfasserin der „Sozialge-
589 Vgl. Jadranski Lloyd (Nr. 1/Jg. I) v. 25.11.1938. Doch bei allem demonstrativ zur Schau getra­
genen Realismus, konnte man die hochfliegenden Pläne nicht lassen. Schon in der sechsten
Nummer der Zeitung wurde die Idee, einen „Donau-Adria“-Kanal zu bauen auf Seite 1 favo­
risiert, außerdem sah man bald „ein ganzes Netz von Autobahnen durch Jugoslawien“, erbaut
mit „deutscher Technik und finanzieller Hilfe“; vgl. Nr. 3 v. 09.12.1938 u. Nr. 4 v. 27.01.1939.
590 Jadranski Lloyd v. 30.12.1938.
591 Vgl. Calic, Marie-Janine, Sozialgeschichte Serbiens, S. 13. Die Ausführungen der Verfasserin
zu „Inhalt und Methode“ (S. 13-27) bieten einen ausgezeichneten zusammenfassenden Über­
blick über den Stand der Diskussion über Modernisierungs- u. Dependenztheorieansätze und
die leider „erst relativ diffuse(n) Kenntnisse“, v. a. was „Voraussetzungen, Verlaufsformen und
Mißerfolge nachholender Entwicklung“ in Südosteuropa anbelangt. Zur Industrialisierung
Dalmatiens vgl. die im Lit.verz. angef. Arbeiten v. I. Karaman.
592 Vgl. das vom Industrie- und Handelsministerium herausgegebene Jahrbuch „Statistika indu-
strije Kraljevine Jugoslavije“, Beograd 1941, S. 72f. In Kroatien-Slawonien befanden sich
26,1 % der Fabriken, 21,5 % des Kapitals und 24,3 % der Arbeiter im Gesamtstaat, für Serbien
lauteten die entspr. Daten 13,6/23,8/19,0%.
593 Vgl. Calic, S. 23, die hinweist auf: „(E)rhebliche Unsicherheitsfaktoren“, wie „Vernachlässi­
gung aller nichtmateriellen Güter (Gesundheit, Bildung etc.), zweifelhaften gesellschaftlichen
Nutzen der im Sozialprodukt gewichteten Güter und mangelnde Aussagekraft über „kon-

281
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

schichte Serbiens" das „Konzept der regionalen Industrialisierung“ auf, das auf den
englischen Wirtschaftshistoriker Sidney Pollard zurückgeht.594 Da der Schwerpunkt
vorliegender Arbeit der Wandel kollektiver Einstellungen in Dalmatien, besonders in
Bezug auf die nationale Frage während der Zwischenkriegszeit ist, soll nur kurz als
Grundlage für das Folgende auf die Wirtschaftsentwicklung in diesem Zeitraum einge­
gangen und die wichtigsten Probleme geschildert werden, da in den wirtschafts-histo-
rischen Standardwerken, die sich mit Südosteuropa befassen, Dalmatien nur sehr am
Rande erwähnt wird.595
In Dalmatien war innerhalb der Städte das Handwerk der wichtigste Wirtschafts­
zweig.596 Industrie, sieht man von der Zementherstellung ab, war nur in Ansätzen
entwickelt.597 Die Organisation der Handwerker und Gewerbetreibenden (die auch
die Industriellen mit einschloß) war der wichtigste Ansprechpartner der Staatsbüro­
kratie und quasi halb-amtliche Erfassungs- und Datensammelstelle der Wirtschaft.
Doch gleichgültig, ob es um Kammerstatistiken ging, die durch Mitgliederumfragen
versuchten, das Wirtschaftsleben in ihrer Region detailliert zu erfassen, oder um die
Statistiken der Verwaltung.598 Die einschränkend vorausgeschickte Bemerkung eines
„Berichtes über die Konferenz der Wirtschaftskammern im Königreich SHS“ von
1926, bei der es um das Fischereiwesen ging, sollte ernstgenommen, und alle quantifi-

krete Ursachen, Verlaufsformen und Folgen wirtschaftlicher Fort- oder Unterentwicklung in


einem Lande“. Außerdem sei es im Falle Südosteuropas durch die zahlreichen Grenzverände-
rungen und Verwaltungsreformen „nahezu unmöglich, längere statistische Zeitreihen für ei­
nen einzelnen Nationalstaat aufzustellen.“ Vgl. auch Nohlen/Nuscheler, Indikatoren, S. 485f.
594 Sidney Pollard (Peaceful Conquest. The industrialisation of Europe, 1760-1970, London
1981) hat deutlich gemacht, daß nationalstaatlichen Grenzen während der frühen Industriali­
sierung wenig Bedeutung zukam.
595 Vgl. Lampe, John R./Jackson, Marvin R., Balkan Economic History, 1550-1950. From Impe­
rial Borderlands to Developing Nations, Bloomington 1982; Kaser, M. C. u. Radice, E. A.
(Hrsg.), The Economic History of Eastern Europe, 1919-1975, Bd. 1: Economic Structure
and Performance between the Two Wars, Oxford 1985. Auch in den zu Zeiten des zweiten
Jugoslawien erschienenen Werken kommt Dalmatien kaum vor; vgl. Durovic, Smiljana, Pre-
gled literature o industrializaciji jugoslovenskih zemalja u periodu 1918-1941. g., in: Istorijski
glasnik 1-2 (1968), S. 155-191, hier S. 158; Zu Industrialisierung allg.: Polovina, Gojko, Priv-
redni sistem i proizvodni odnosi u Jugoslaviji, Bd. 1: 1918-1941., Beograd 1958; Dimitrijevic,
Sergije, Karakteristike industrije i rudarstva bivse Jugoslavije, Beograd 1949; ders., Privredni
razvitak Jugoslavije od 1918-1941. g., Beograd 1961; Mirkovic, Mijo, Ekonomska historija
Jugoslavije, Zagreb 1958; ders., Ekonomska struktura Jugoslavije 1918-1941., Zagreb 1952.
596 Vgl. Duricic, Tosic et al., Nasa narodna privreda i nacionalni prihod, Sarajevo 1927.
597 Vgl. Morpurgo, Josip, Dalmatinska industrija cementa (Die dalmatinische Zementindustrie),
in: Zbornik Drustva inzenjera i tehnicara u Splitu 1958 hg. v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958,
S. 561-568.
598 Vgl. PAS Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Spisi o gospodarstvu u srezo-
vima. Privredni izvjestaji o stanju industrije i trgovine (30171-48117) 1932.-1936. BH 8/IV,
BH 9/IV-IX, Naredbe o tekucem poslovanju i uputstva, kolekcija novinskih isjecaka („Priv-
rednicka rijec“-Split, „Narodne novine“ - Zagreb i dr. o privrednim temama) BH 10/1-II.

282
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

zierenden Angaben jener Zeit mit Vorsicht benutzt werden.599 Dort hieß es nämlich:
„Diese Statistik kann nicht genau sein, denn in vielen Regionen, wo Fischerei betrie­
ben wird, gibt es keine Hafenämter und Exposituren, die Daten aufnehmen könnten.
Das gesamte Kontroll- und Offentlichkeitsreferat der Direktion wird von einer Person
geführt.“600 Das Problem einer genauen Datenerfassung stellte sich sicher nicht nur
im Fischereiwesen.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Region während der Zwischenkriegszeit läßt sich
grob periodisieren, wie diejenige des Gesamtstaates: Zunächst eine Aufschwungphase
zwischen 1918-1924, die 1925-29 abflacht und schließlich in Rezession und Depres­
sion mündet, die durch das Durchschlagen der Weltwirtschaftskrise 1930-33 ausgelöst
werden.601 In den ersten Jahren nach Ende des Krieges läßt sich eine intensivere Inve­
stitionstätigkeit im Bereich der Industrie Dalmatiens beobachten. Ein ungesättigter
jugoslawischer Binnenmarkt und geringe Inflation waren die Gründe für zweistellige
Wachstumraten in jener Zeit. Zwischen 1919 und 1923 nahmen 20 neue Fabriken in
Dalmatien die Arbeit auf, in die mehr als 66 Millionen Dinar investiert wurden. Die
Gesamtmaschinenleistung, ausgedrückt in engagierten Pferdestärken, betrug 1.184 PS.
Dabei waren in diesem Zeitraum 1.253 Arbeiter im industriellen Sektor beschäftigt.602
Eindeutiges Zentrum der Industrie und des dalmatinischen Bankenwesens war Split.
Nach einer Erhebung der Handels- und Handwerkskammer waren Ende 1921 auf
dem Gebiet Mitteldalmatiens 57 Industriebetriebe registriert, davon in Split 32, dazu
kamen noch 22 Industriebetriebe in Nord-Dalmatien und 15 in Sibenik.603 Nach 1924
ist ein Rückgang der Investitionen feststellbar. Zwischen 1924 und 1928 ging das in
die 29 neugegründeten Fabriken in Dalmatien investierte Kapital um das dreifache
zurück (auf etwas über 22 Millionen Dinar) und die Zahl der dauerhaft beschäftigten
Arbeiter sank auf ganze 391. Noch vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise wurde

599 So stand an der Spitze des „Odeljenje Ministarstva trgovine i industrije - Split“, die für ganz
Dalmatien zuständig war, Savo Boskovic, der von insgesamt nur 8 weiteren Mitarbeitern
unterstützt wurde; vgl. Part. poz. 2423 v. 8. Mai 1923.
600 Vgl. Nase pomorstvo. Izvestaj o konferenciji privrednih komora Kraljevine Srba, Hrvata i
Slovenaca odrzanoj na dane 24.-26. juna 1926. godine u Ljubljani, S. 31.
601 Vgl. auch Simoncic-Bobetko, Zdenka, Karakteristike ekonomskog razvoja u Hrvatskoj u me-
duratnom razdoblju (1918-1941) (Kennzeichen der Wirtschaftsentw. in Kroatien während
der Zwischenkriegszeit), in: Acta historico-oeconomica Iugoslaviae, 7/1980, S. 21-44; dies.,
Kriza u industriji Jugoslavije 1930-1934. s posebnim osvrtom na Hrvatsku, in: Svetska eko-
nomska kriza 1929-1934. godine i njen odraz u zemljama jugoistocne Evrope, Beograd 1976,
S. 367-386.
602 In der Geschichtsschreibung zu Zeiten der SFRJ (vgl. z. B. Sitin, Sindikalni pokret, S. 78f.)
war es üblich, die „Erzielung von schnellem und einfachen Profit“ durch Aktiengesellsch.,
welche sich „in den Händen von Fremden“ befunden hätten, zu kritisieren; es bleibt aber
festzuhalten, daß „einheimisches Kapital“, trotz großer patriotischer Anstrengungen der loka­
len Politiker, nicht mobilisierbar, da so gut wie nicht vorhanden war.
603 Vgl. Spisak industrijskih poduzeca na podrucju trgovinske i obrtnicke komore 1921. i 1929.
godine (Auflistung der Industriebetriebe auf dem Kammergebiet 1921 u. 1929).

283
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

die „wirtschaftliche Struktur Dalmatiens“ von Zeitgenossen als extrem rückständig


empfunden. Industrie und Landwirtschaft, so der immer wiederkehrende Befund,
könnten die Bevölkerung nicht ernähren.604 Erst recht, als es mit dem Höhepunkt
der Weltwirtschaftskrise in Dalmatien durch Preisverfall, Produktionsrückgang und
Bankenkräche zum Zusammenbruch vieler Betriebe kam, und die Arbeitslosigkeit
stark anstieg.605
Alle natürlichen „Vorteile“ Dalmatiens, die zusammen mit den neuen politischen Ver­
hältnissen nach 1918 für die Garantie eines Aufschwungs der Region gehalten worden
waren, machten seit Ende der Zwanziger Jahre einer schonungslosen Bestandauf­
nahme der Realität Platz. Die Wirtschaftszeitung „Privrednicka rijec“ schrieb 1929
mit deutlich pessimistischen Anklängen: „Heute steht es um Split, was den Warenum­
schlag anbelangt, geradezu furchtbar. (...) Der Umsatz ist nur wenig stärker, als er
relativ unmittelbar vor dem Krieg war, obwohl die Situation für die Stadt damals viel
ungünstiger war als heute.“606 Der eklatante Mangel an Investitionskapital, der die
industrielle Entwicklung lähmte, machte allen Branchen und auch der Schiffahrt und
dem Schiffbau Dalmatiens zu schaffen.607 Die Lage in diesem Wirtschaftsweig ließ
sich auf alle anderen übertragen: „Wer sich Split heute ansieht, weiß, daß es keine,
schon für unsere heutigen Anforderungen bitter nötigen, Hafenanlagen gibt; es gibt
keine elektrischen Kräne oder ähnliches (...) Unsere Handelsflotte ist sehr klein, und
sie ist nicht nur klein sondern auch noch veraltet. Sie besteht aus veralteten Schiffsty­
pen. Die gesamte Handelsflotte der Welt beträgt ca. 59 Mio BRT. (...) Unsere Han­
delsmarine hat daran mit 120.000 t Anteil; um es noch präziser zu sagen, unsere Han­
delsmarine ist von der Größe her der zwölfte Teil der Handelsflotte des Königreichs
Italien, der 160. Teil der Handelsmarine Großbritanniens.“608
Statistisch wird die Industrialisierung Dalmatiens in folgender Tabelle faßbar.609 Auf
der Grundlage der Akten des Industrie- und Handelsministeriums in Belgrad ergibt
sich für das Gebiet der Küstenbanschaft folgendes Bild:

604 Vgl. (mit genauen Zahlenangaben) Sinn, Sindikalni pokret, S. 184f. u. Dulibic, B., Teska kriza
Dalmacije, in: Socijalna misao, Nr. 2 v. 1.11.1931, S. 37-42; Dorbic, J., Socijalna struktura
Dalmacije, in: Privreda i radnici u Dalmaciji, Split 1929, S. 130.
605 Vgl. Kukoleca, Stevan, Industrija Jugoslavije 1918-1938, Beograd 1941, S. 74-165.
606 privrednicka rijec v. 02.03.1929.

607 Vgl. Sinn, Tonci, Karakteristike brodarstva, brodogradevne industrije i prometa luke u Splitu
meduratnog razdoblja (1918-1941) (Kennzeichen der Schiffahrt, der Werftindustrie u. des
Hafenumschlags im Split der Zwischenkriegszeit), in: Adria — Zbornik Zavoda za znanstveni
i umjetnicki rad Hrvatske Akademije Znanosti i Umjetnosti u Splitu, Bd. 4-5, Split 1993/
1994, S. 197-213.
608 Ygj Nage pomorstvo. Izvestaj o konferenciji privrednih komora Kraljevine Srba, Hrvata i

Slovenaca odrzanoj na dane 24.-26. juna 1926. godine u Ljubljani (Unsere Seefahrt. Bericht
über die Konferenz der Wirtschftskammern im Kgr. SHS), S. 31, S. 56 u. 116.
609 Zur Vorgeschichte industriewirtschaftlicher Entwicklung vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 92-
113 sowie die Arbeiten v. Karaman, Problemi privrednog razvitka, S. 266-281 u. ders., Os-
novna obiljezja, S. 340-347.

284
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Tabelle XXIV: Industrie in Dalmatien 1918-1938

1918 1923 1928 1933 1938

Industriebetriebe 65 86 103 133 151


Arbeitsplätze 5.241 6.605 6.825 9.929 10.672
Maschinenleistung 146.691 148.080 148.629 194.937 198.434
(in PS)

Quelle: Kukoleca, Stevan, Industrija Jugoslavije 1918-1938, Beograd 1941, S. 74-165.

Trotz der Zunahme von Fabriken, Arbeitsplätzen und Maschinenleistung, wie sie aus
obiger Tabelle ersichtlich ist, wird deutlich, daß auch in den ersten Jahren nach dem
Krieg von einem „Boom“ in Dalmatien keine Rede sein konnte.610 Nur in der zweiten
Phase (1924-1929), die durch währungspolitische Stabilität und günstigere Zolltarife,
die den Export förderten, gekennzeichnet war, ließ sich eine nennenswerte Zunahme
der Investitionstätigkeit auf dem Gebiet der späteren Küstenbanschaft feststellen.
Auch blieb der Aufschwung nach der Depression (1929-33) moderat. Es kann deshalb
nicht verwundern, daß in Dalmatien 1938 nur 3,8% aller Industrieanlagen und 3,3%
aller Industriearbeitsplätze im Gesamtstaat zu finden waren.611 Es fällt auch auf, daß
alle großen Industrieunternehmen, wie die Zementherstellung, noch zu Zeiten Öster­
reichs gegründet worden waren. Als Mitte 1929 die Karbid- und Kalcium-Zyanamid-
fabrik in Dugi rat nach einer italienischen („Sufid“) eine französische Kapitalmehrheit
(„La Dalmatienne“) und Firmenleitung erhielt, und die neuen Eigentümer in neue
Anlagen investierten, stieg die Zahl der auf dem Gebiet Dalmatiens engagierten Ma­
schinenleistung (ausgedrückt in Pferdestärken) mit einem Schlag um über 23 %.612

610 Die genauen statistischen Angaben in den Quellen und der Literatur variieren, stimmen aber
sicher ihrer Tendenz nach. Im vom Industrie- und Handelsministerium herausgegebenen Jahr­
buch „Statistika industrije Kraljevine Jugoslavije“, Beograd 1941, S. 72f. od. bei Lakatos
(Jugoslovenska privreda (Wirtschaft Jugoslawiens). Jubilarno izdanje Jugoslovenskog Lloyda,
Zagreb 1933) finden sich abweichende Zahlen: Demnach gab es in ganz Dalmatien 1918 21
Fabriken, die mit einem eingesetzten Gesamtkapital von 323.631 Dinar 1189 Arbeiterinnen
und Arbeiter beschäftigten. Die Zahl der Fabriken nahm, nach diesen Angaben, von 29 in der
Zeitspanne 1899-1908 (bei einem Kapitaleinsatz von 401.754 und 3854 Beschäftigten) auf die
oben angeführten 323.631 Dinar (bei 1189 Beschäftigten) ab. Die PS-Leistung der Maschinen
stieg aber von 35701 auf 102381 an. Nach dem „Industriezensus“ von 1938, waren es 1938
70 Fabriken in Dalmatien, die 5826 Beschäftigte hatten bei einem Kapitaleinsatz von 798.163
Dinar, bei einer Maschinenleistung von 146.385 PS.
611 Vgl. auch die Statistiken im Anhang.
612 Eine genaue Auflistung aller Bauxit-, Kohle-, Lignit-, Asphalt- und Salonitabbaubetriebe u.
ihrer Produktionsziffern findet sich in den Berichten der HWK in den 20er und 30er Jahren
sowie den „Periodischen Berichten“ des zust. Referenten der Banschaftsvrwaltung (BH fase.
9), desgl. in: Statistika industrije Kraljevine Jugoslavije sa adresarom industrijskih poduzeca,
Beograd 1941.

285
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Exemplarisch für die Art und Weise, wie nach dem Ersten Weltkrieg die „Industriali­
sierung“ vorangetrieben wurde, war der Fall der „Industriellen Gemeinschaft“ aus
Omis:
Megalomanische Hoffnungen und deren baldiges Scheitern beherrschten nicht nur in
Split die lokalen Publikationen. Ein Beispiel dafür ist auch die Euphorie, mit der
die Gründung einer „Industriellen Gemeinschaft“ (Industrijska zajednica) nach 1918
begleitet wurde, die aus acht neuen Fabriken in Omis entstehen sollte.613 Der Bürger­
meister Marusic aus Omis war der Initiator dieses Projektes, für das durch den Ver­
kauf von Aktien auch an Kleinstaktionäre das Gründungskapital von 120 Millionen
Kronen aufgebracht werden sollte. Es wurde mit großem Aufwand versucht, „natio­
nales Kapital“ zu mobilisieren. Und tatsächlich nahmen bis 1923 eine Zement-, Mö­
bel-, Leder, Seil-, Netz, sowie eine Maschinen- und Baumaterialfabrik die Arbeit
auf.614 Aber obwohl sich auch Industrie-Experten wie Jozo Lakatos sicher waren, daß
„alle Fabriken der „Industriellen Gemeinschaft“ alle notwendigen Erfolgsvorausset­
zungen haben, v. a. günstige und reichlich vorhandene Rohstoffe, billige Arbeitskräfte
und eine gute Verkehrsanschließung“,615 nahm der Versuch der forcierten Industriali­
sierung des Städtchens Omis kein gutes Ende.
Nicht nur die organisierte Arbeiterbewegung sah im Bürgermeister einen „kleinen
korrupten Diktator“, und machte ihn und die „Pfaffen, Ärzte und Schreiber“ (gemeint
waren diejenigen, die nach dem Wechsel 1918 als gefeierte Patrioten im „Narodno
vijece“ saßen, A. J.), die sich „zu sogenannten Fachleuten erklärt“ hätten, verantwort­
lich für Veruntreuungen und tödliche Arbeitsunfälle in den „Baracken“ der „Indu­
striedilettanten“.616 Tatsächlich war, auch was Korruption und Vorteilsnahme seitens
der beteiligten Politiker betrifft, die „Industrielle Gemeinschaft ein exemplarischer
Fall, wie „Geschäfte“ im jugoslawischen Staat gemacht wurden. Dieses dalmatinische
Beispiel stand für den Zustand im Gesamtstaat: Verschiedene Autoren, die sich mit
dem politischen Leben im Königreich Jugoslawien beschäftigt haben, haben das unge­
heure Ausmaß an Korruption und die Verfilzung der aufgeblähten Bürokratie617 her-

613 Vgl. Stanic, Na izvorima povijesti, S. 81-11; ders., Radnicki pokret, S. 78f. u. 83ff. Die Presse
berichtete sehr ausführlich über das Projekt; vgl. die Artikel in „Jadran“, „Tezacka sloga“,
„Dalmatinski glasnik“ und „Novo doba“ zw. März 1920 u. April 1921.
614 Genaue Auflistung mit Angabe aller Produktionskapazitäten bei Stanic, Radnicki pokret,
S. 84f. u. Gesamtdarstellung bei Stanic, Na izvorima, S. 81-111.
615 Vgl. Lakatos, Industrija Dalmacije, Zagreb 1923, S. 28, 92, 94, 98, 99 u. 107. Zur euphorischen
Berichterstattung besonders Jadran, Nr. 102 v. 09.05.1920, Novo doba, Nr. 50 v. 03.03.1921,
Tezacka sloga, Nr. 25 v. 11.06.1920.
616 Vgl. Oslobodenje, Nr. 46 v. 17.11.1920. Der ein oder andere Bericht mit leicht kritischen Ein­
schlägen, bzw. kritische Leserbriefe gegen die „fixe Idee einer Industriegemeinschaft“ und die
„Schädigung unserer wirtschaftlichen Interessen“ des Ingenieurs Bruno Skrivanic, in: Jadran,
Nr. 226 v. 12.10.1920 u. Nr. 232 v. 19.10.1920, Nr. 233 v. 20.10.1920. Vgl. auch Stanic, S. lOlff.
617 Vorkriegs-Serbien unterhielt einen Beamtenapparat von 40.000, das Königreich SHS (bei nur
dreimal sovielen Einwohnern) besoldete 280.000 Staatsbedienstete (und das, wie die Opposi­
tion nicht müde wurde hervorzuheben, weit überproportional serbische Beamte).

286
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

vorgehoben. Die Allgegenwart der Korruption spiegelt sich auch im geflügelten Wort
„Kakvo pecenje, takvo rjesenje“ wider, nach dem die Qualität und Quantität des Bra­
tens, zu dem man Amtsträger einzuladen hatte, das Urteil oder die Verordnung maß­
geblich beeinflußte. Die Diagnose im Bericht der englischen Botschaft in Belgrad 1925
macht deutlich, welchen Stellenwert ausländische Beobachter der Bakschisch-Mentali-
tät beimaßen: „Mehr als die sensible religiöse Frage, mehr als der besorgniserregende
Belgrader Zentralismus, mehr als das herausfordernde Groß-Serbentum ist die Ineffi­
zienz und die Korruptheit der Verwaltung mit der traditionellen Einmischung der
Politiker in die Arbeit der Beamten am Zustand des Landes schuld.“618
Doch zurück zur „Industriellen Gemeinschaft“, die in Omis entstehen sollte: Alles
Kapital der Gemeinde, der Stadtsparkasse und des Genossenschaftsbundes floß in das
Projekt, welches in den Lokalzeitungen gefeiert wurde. Bei Lichte betrachtet war es
zwar nichts anderes, als eine normale Aktiengesellschaft mit Gewinnerwartung und
Verwertungsinteressen, verkauft wurde es aber als Unterpfand eines jugoslawischen
Aufschwungs. Da nicht genügend dalmatinisches Eigenkapital mobilisiert werden
konnte und der finanzielle Zusammenbruch immer näher rückte, mußte schon nach
einem Jahr die Zementfabrik in Ravnice, die die IG erst ein Jahr zuvor erworben
hatte, an die französische Gesellschaft „L’Avocat et Comp.“ verkauft werden. 1925/
26 kam in der Presse die Geschichte der enormen Bestechungsgelder auf, die für
notwendige Bescheinigungen von diversen Belgrader Ministerien gefordert und von
den dalmatinischen Möchtegern-Kapitalisten bezahlt worden waren.619 Der baldige
Zusammenbruch der IG, der durch den Verkauf nur etwas herausgezögert werden
konnte, zog auch die Kreissparkasse sowie die Genossenschaftsbank und den Genos­
senschaftsverein ins finanzielle Verderben.620 Schließlich mußte sogar Milan Marusic,
der den verschiedenen Aufsichtsräten vorsaß, seinen Bürgermeisterposten räumen, ob­
wohl die wichtigste Tageszeitung, „Novo doba“, ihn nicht im Stich ließ und sogar
eine Unterschriftenaktion für den Bürgermeister veranstaltete, eingedenk seiner „un­
zähligen Verdienste um die Gemeinde“.621 Der „Meteor in der Industriegeschichte
von Omis“622 verglühte sehr schnell. Noch nicht einmal in Ansätzen zum erhofften
„Koloß“ geworden, knickten die tönernen Füße, auf denen er ruhen sollte, schon ein.
Ein Blick auf die Probleme der Wirtschaftsentwicklung im Dalmatien der Zwischen­
kriegszeit macht deutlich warum.
Die strukturellen Probleme der industriellen Entwicklung, wie sie in jener Zeit in
ganz Südosteuropa anzutreffen waren, waren auch im dalmatinischen Fall ausschlag­
gebend. Die Notwendigkeit kostspieliger Maschinenimporte, extreme Zinsbelastung,

618 Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 136; vgl. auch Kulundzic, Zvonimir, Politika i korupcija u
kraljevskoj Jugoslaviji (Politik und Korruption im königlichen Jugoslawien), Zagreb 1968.
619 Novo doba v. 25.03.1926, Jadranska posta v. 08.10.1926, Stanic, Na izvorima, S. 105ff.
620 Novo doba v. 21.08.1925. Die Kredite, die der Genossenschaftsverband zu seiner Rettung
bekam, belasteten die Genossenschaft noch bis zum Zweiten Weltkrieg.
621 Novo doba v. 04.07.1924, mit 802 Unterschriften auf den Seiten 5-7.
622 Vgl. Stanic, Na izvorima, S. 109.

287
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

geringes Qualifikationsniveau der Arbeiter, unrationelle Betriebsführung und veraltete


technische Ausrüstungen lassen auch an der Küste das Urteil zutreffen, „daß in Jugo­
slawien weniger, schlechter und teurer fabriziert wurde als in den meisten west- und
mitteleuropäischen Staaten.“623 Die Krise der für Dalmatien relevanten Industrie­
zweige (Schiffbau, Zementherstellung) fiel zusammen mit der sich verschärfenden
Agrarkrise, die durch den Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte und einen
Rückgang des Exports auf den Weltmarkt von 1926 an ausgelöst wurde. Gleichzeitige
Steuererhöhungen brachten die dalmatinischen Kleinproduzenten in eine ausweglose
Lage und führten zu Landflucht und Emigration. Handel und Handwerk gerieten
durch den starken Rückgang der Kaufkraft von Bauern und Arbeitern in den Sog der
Krise. Die Weltwirtschaftskrise wurde ab 1930 in Dalmatien spürbar und kulminierte
1932/33.
Dem Zusammenbruch vieler Unternehmen, Preisverfall, Produktionsrückgang, Ar­
mut und Arbeitslosigkeit624 hatte die lokale Politik nichts entgegenzusetzen. Die pri­
vaten Arbeitgeber sahen dagegen nur allzuoft in Lohnkürzungen, Verlängerung der
Arbeitszeit und Beschäftigung von (für dieselbe Arbeit) schlechter bezahlten Frauen
und Jugendlichen einen Ausweg. Der nach 1934 einsetzende leichte Aufschwung
schlug sich nicht in einer erhöhten Zahl von Betriebsgründungen nieder. Bis 1938
wurden nur 13 neue Fabriken gegründet. In Dalmatien wartete man auf staatliche
Programme. Mit der „Verordnung über die Finanzierung öffentlicher Arbeiten“ vom
Februar 1935 sollte dem dramatischen Ansteigen der Arbeitslosigkeit und sozialer
Not entgegengesteuert werden. Kreditfinanzierter „Ausbau des Straßen- und Schie­
nennetzes, die Regulierung der Wasserwege, das Aufforsten der Karstregionen, die
Trockenlegung von Sümpfen und die Verbesserung der Trinkwasserversorgung“
machten den Staat zu einem wichtigen Arbeitgeber in der Region und sollten die
Massenarbeitslosigkeit eindämmen.625 So ging auch der Ausbau des Straßennetztes in
Dalmatien hauptsächlich auf öffentlich finanzierte Aufträge zurück.
Die Arbeitslosigkeit in Dalmatien ist durch die Statistiken der Arbeitsämter, die nur
die versicherten Arbeiter einbezog, nur zum kleineren Teil zu erfassen. Zudem
schwankte die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen beträchtlich, zumal während der Zeit
der Weltwirtschaftskrise.626 Vor allem galt das für den entwickeltsten dalmatinischen
Industriezweig, die Zementindustrie.

623 Vgl. Calic, Sozialgeschichte Serbiens, Kap. „Strukturprobleme der Industrie“, S. 269-320,
hier S. 269.
624 Zwischen 1930 und 1939 stieg die Zahl der registrierten Arbeitslosen im gesamten Königreich
von 150.000 auf über 651.000 an. Vgl. die Situation in Serbien/Jugoslawien insgesamt bei
Calic, Kap. 5.2. „Die Verschärfung der sozialen Frage“, S. 368-401.
625 Vgl. Javni radovi u Jugoslaviji (Öffentliche Arbeiten in Jug.), in: Narodno blagostanje v.
27.08.1938, S. 547-549, hier zit. nach Calic, S. 406f.; vgl. ebenda, Kap. 6.1.1 „Öffentliche Ar­
beiten“, S. 406-410.
626 Sitin, Tonci, Nezaposlenost u Dalmaciji uoci i poslije velike gospodarske krize tridesetih
godina 20. stoljeca (Arbeitslosigkeit in Dalm. angesichts und nach der großen Wirtschaftskrise

288
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Die Verarbeitung von dalmatinischem Mergelkalk (cementni lapor, laporac, tupina),


dessen Vorkommen auf 1,5 Milliarden Tonnen geschätzt wurde, brachte den stärksten
Industriezweig - die Zementherstellung - hervor. Die Geschichte dieser wichtigsten
dalmatinischen Industrie hatte in Split mit einem Preußen begonnen: 1865 hatte ein
August Höffling die erste Zementfabrik in Split errichtet, die er aber schon bald an
die reichen örtlichen Händler M. Betizza und L. Gilardi verkaufte.627 Anfangs lag die
Jahreskapazität mit nur einem vorhandenen Ofen bei 2.000 Tonnen. Ein richtiger
„Zementboom“ erfaßte Split erst in den Jahren 1904-1914, als in und um Split noch
vier neue Fabriken mit 128 Hochöfen und einer Jahreskapazität von 400.000 Tonnen
ihre Arbeit aufnahmen. Billige Stromerzeugung durch die Wasserkraft der Flüsse Ja-
dro und Cetina und Abbaustätten direkt am Meer, mit der Möglichkeit sofortigen
Transports auf dem Wasserweg, ließen sechs Zementfabriken in der Nähe Splits bis
zum Ersten Weltkrieg entstehen. An die 3.000 Arbeiter waren damals in diesen Fabri­
ken beschäftigt.628 In der Zeit zwischen den Weltkriegen stieg die Zahl der Fabriken
auf sieben an.629
Zement, als ein universell im Bau einsetzbares Bindemittel, besteht im wesentlichen
aus einem bei etwa 1450 Grad Celsius gesinterten und pulverfein gemahlenen Kalk­

in den 30er Jahren des 20. Jh.), in: Radovi Filozofskog fakulteta u Zadru 34 (21) 1994/95,
S. 221-228.
627 Wegen der Rohstoffe, die für die Zementherstellung notwendig und in ausreichender Menge
in Dalmatien vorhanden waren (insbesondere des qualitativ hochwertigen Mergelkalks), wur­
den in der Region Split bis zum Zweiten Weltkrieg 2/3 der gesamten jugoslawischen Zement­
produktion gefertigt. Die dalmatinische Zementindustrie war nicht nur die älteste, sondern,
bis zum Zweiten Weltkrieg, auch die bei weitem wichtigste Industrie Dalmatiens. Vgl. Ante
Sapunar: Prva dalmatinska tvornica cementa (Gilardi-Bettiza) i njeni dekorativni proizvodi
u arhitekturi Splita (Die erste dalm. Zementfabr. und ihre dekorativen Produkte in Splits
Architektur), in: Kulturna bastina Nr. 11-12 1981, S. 105-112 und Gizdic, D., O razvoju
dalmatinske cementne industrije i o klasnoj borbi u njoj do pocetka narodnooslobodilacke
borbe (Über die Entwicklung der dalmatinischen Zementindustrie und des Klassenkampfs in
ihr bis zum Beginn des Volksbefreiungskampfes), in: Zbornik IHRPD 1, Split 1970, S. 147-
262, hier S. 147.
628 Neben den Zementfabriken waren sechs Getreidemühlen und eine Eisfabrik die einzigen wei­
teren Industriebetriebe vor dem Ersten Weltkrieg in Split. Was die Bauern davon hielten, daß
auf dem von ihnen bebauten Land Fabriken errichtet werden sollten, zeigt folgender Fall:
„Der Versuch eines gewissen Schwartz in Dujmovaca (Vorort von Split, A. J.) eine Ziegelfa­
brik zu errichten schlug fehl. Er wurde eines Morgens tot aufgefunden. Höchstwahrscheinlich
wurde er von Bauern erschlagen, da er die Ziegelei auf fruchtbarstem Land erbauen wollte.
Viele wurden deswegen verhaftet. Vor Gericht antworteten sie auf die Frage, wer ihn getötet
hat: „Wir alle haben ihn getötet“ (vgl. Gizdic, S. 148).
629 Und zwar die Fabriken Dalmatia d.d., za tvorenje cementa Portland - Kastei Sucurac; Ja-
dransko a.d., cement Portland - Solin, Sv. Kajo; Lavocat & Cie., tvornica umjetnog Portland
cementa; Prva dalmatinska tvornica cementa Portland Feric M. & Co.; Split a.d., za cement
Portland; Tvornica cementa - Solin; Tvornica salonita - Vranjic; vgl. Mladina, Privredni
adresar, Split 1934.

289
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Ton-Gemisch. Die grau gepuderte Landschaft in der Umgebung der Zementfabriken


ist die Folge davon, daß ein Teil des äußerst feinen Rohstoffes ständig aus Schornstei­
nen und aus den Mühlen in die Luft gewirbelt wird und zeugt von dem Staubausstoß,
der dabei anfällt.630 Erst nach und nach begannen die Fabriken in Split nach dem
Weltkrieg 1918 wieder zu produzieren. 1920 wurde bei einem Ausstoß von 160.000
Tonnen Zement immer noch mit nur 40 % der Kapazität gearbeitet. 1929 erreichte die
Zementproduktion ihren Höchststand mit 617.450 Tonnen, die zu 85% exportiert
wurden, und zwar vorwiegend im Mittelmeerraum. Mit der Wirtschaftskrise ging der
Zementexport rapide zurück. 1930 waren es nur noch 410.000 Tonnen. Entsprechend
wurde die Belegschaft von 5.000 auf ca. 3.000 abgebaut. Im „Odsjek za trgovinu,
obrt i industriju banske uprave Primorske banovinne“ wurde Ende 1929 schon an
„schrittweise Verstaatlichung dieses wichtigen Industriezweigs“ gedacht. Nach 1936
halbierte sich die Produktionskapazität der dalmatinischen Zementindustrie, wobei
die Wirtschaftssanktionen des Völkerbundes gegen das Hauptabnahmeland Italien we­
gen des Abessinienkrieges eine wichtige Rolle spielte. Ab 1940 stand die Produktion
praktisch still.631
Am Beispiel der Zementindustrie von Split läßt sich zeigen, wie sich die agrarisch
geprägte Gesellschaft nach und nach änderte. Die Veränderungen waren zuerst in den
Städten zu bemerken. Beschäftigt wurden vor allem Arbeiter aus den Dörfern und
Vororten, wo die Fabriken standen.632 Oft schafften es die Dörfer, kollektive Verträge
mit den Fabrikleitungen auszuhandeln, die beispielsweise festschrieben, die örtlichen
Bauern „als erste einzustellen und als letzte zu entlassen, wenn sie die physischen und
professionellen Anforderungen erfüllen.“ Wenn ein einzelner Arbeiter, oder deren
mehrere, aber „auf keinen Fall mehr als 20 auf einmal, wegen ihrer Arbeiten auf dem
Feld oder anderer privater Arbeiten kurzfristig die Arbeit in der Fabrik „Split“ A. G.
in Solin unterbrechen müssen, müssen sie das der Fabrikleitung 8 Tage vorher mittei-
len. In dringenden Familienangelegenheiten genügt eine Voranmeldung von 1 Tag.“
Auf solch „freundschaftliche Art und Weise“, wie es im Vertrag hieß, sollten alle

630 Bardua, Sven, Zementindustrie - Vom staubigen Gewerbe zum Ressourcen-Sparer, in:
F. A. Z. v. 20.08.1996, S. T 1. Wichtigster Rohstoff für die Zementherstellung ist der im Tage­
bau gewonnene Kalkstein oder die reinere Kreide. Im Verhältnis von etwa 4:1 wird sie mit
Ton als Aluminat-, Silikat- und Eisenträger vermischt und bei 1450 Grad zu Zementklinker
gebrannt. Dieser wird pulverfein gemahlen und mit Gips versetzt, damit er bei der Zugabe
von Wasser nicht sofort hart wird.
631 Zur Entwicklung der Zementindustrie vgl. Simoncic-Bobetko, Zdenka, Razvoj cementne in-
dustrije u Hrvatskoj u razdoblju izmedu dva svjetska rata (1918-1941) (Die Entw. der Ze-
mentind. in Kroatien in der Zwischenkriegszeit), in: Povijesni prilozi 2/1983, S. 97-167; Mor-
purgo, J. u. a. (Hgg.), 50 godina tvornice salonita u Vranjicu (50 Jahre Salonit-Fabrik in Vran-
jic), Split 1971.
632 Aus Split gingen in den 20er Jahren nur 59 Personen zur Arbeit in die vor der Stadt erbauten
Zementfabriken. In „Majdan“ 6, Vranjic 15, „Dalmacija“ 20 und „Adria Portland“ 18; vgl.
Rubic, Ivo, Gravitacija, S. 121.

290
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

„bestehenden Streitpunkte und offenen Fragen gelöst“ werden.633 Beschwerden über


die „Bauern-Arbeiter“ seitens der Arbeitgeber waren aber an der Tagesordnung. Da
nämlich „unsere Arbeiterschaft“ zum größten Teil aus „Landproletariat“ bestehe, aus
Kleinstbesitzern, die ihre Verbindungen zum Dorf noch nicht abgebrochen hätten,
würden sie aus den Industrieunternehmen zu Zeiten von Feldarbeiten „desertieren“,
und auch ansonsten würden sie „vor und nach der 8-stündigen Arbeit zum Schaden
der Arbeit im Industrieunternehmen auf dem Feld arbeiten“.634
Das im Vergleich mit den bisherigen Tätigkeiten andersartige Arbeitsumfeld, die
vorwiegend das ganze Jahr umfassenden geregelten Arbeitszeiten und das gleich­
mäßige Geldeinkommen schufen nach und nach auch in Dalmatien ein städtisches
Proletariat. Die „Arbeiter-Bauern“ waren zwar noch von ihrer ländlichen Herkunft
geprägt, entwickelten aber nach und nach ein eigenes Lebensmilieu. Das Phänomen
des „Übergangs von ehemaligen Bauern zu Fabrikarbeitern“ durch Arbeitssuche von
Bauern in Split brachte eine „Wohnungsnot“ hervor, so daß schon Zeitgenossen be­
merkten, daß „einige täglich in ihre 10 bis 15 km entfernten Dörfer zu Fuß gehen
müssen.635 Protestaktionen von Arbeiter-Bauern hatten die Rebellion gegen die neuen
Zwänge der bürgerlichen Industriegesellschaft zum Inhalt. Die nun geltenden Arbeits­
und Konsummuster widersprachen der herkömmlichen bäuerlichen Erfahrung radi­
kal.636
Durch Arbeitsteilung spezialisierte und durch Maschineneinsatz standardisierte Tätig­
keiten und andere Formen der beruflichen Einordnung begründeten dem Landleben
fremde, neue Abhängigkeiten. Das veränderte Güterangebot beeinflußte nach und
nach auch das Verbrauchsverhalten; tendenziell entstanden andere Wohn- und Le­
bensformen und veränderte Bedürfnisse nach der Versorgung mit Gütern und Dienst­
leistungen. Infolge der räumlich konzentriert angebotenen Arbeitsplätze der Industrie
an für diese geeigneten Standorten wurden lokale Bindungen an die heimatliche Um­
gebung durch Wanderungsprozesse gelockert. „Die ländliche Dispersion wurde ten­
denziell durch industriestädtische Agglomeration ersetzt.“ Damit unterlag auch die
traditionelle Familienstruktur durch Tendenzen zur Bildung von Kleinfamilien mehr
oder weniger einem tiefgreifendem Wandel. Eine ländliche, vorindustrielle Lebens­
weise löste eine mehr und mehr städtische ab, was durch das Eindringen der Industrie
und mit ihr verbundener Einflüsse beschleunigt wurde.637

633 Vgl. z.B. die „Einigung“ (pogodba) des bei Split gelegenen Dorfes Mravinci mit der Zement­
fabrik „Split“. Opcinsko upraviteljstvo br. 10.718/19., 29.-7.-1927.
634 Vgl. das Referat des Sekretärs d. Belgrader Industrie- u Handwerkskammen, Stevan Popovic,
über „Das Gesetz über den Arbeitsschutz“, in: III redovni kongres privrednih komora i
organizacija Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, odrzan na dane 19. i 20.09.1925. godine u
Beogradu, Beograd 1925, S. 27-32, hier S. 29.
635 Izvjestaj Radnicke komore za 1928-29. godinu, Split 1929, S. 204.
636 Vgl. z.B. Thompson, Edward P., Plebeische Kultur und moralische Ökonomie. Aufsätze zur
englischen Sozialgeschichte des 18. u. 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Dieter Groh, Berlin 1979.
637 Voppel, Götz, Die Industrialisierung der Erde, Stuttgart 1990, S. 22.

291
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Den Anteil von „Arbeiter-Bauern“, also bäuerlichen Industriearbeitern oder Nebener­


werbsarbeitern, wurde für die 30er Jahre auf 60 % in der gesamten jugoslawischen
Industrie geschätzt.638 Die Forschungsergebnisse von Joel Halpern für Serbien, der
gezeigt hat, wie langsam neue, städtische Identitäten die überkommene im Dorf ver­
wurzelte Mentalität bei in der Industrie beschäftigten Menschen vom Land ablösen,
lassen sich durchaus auf Dalmatien übertragen.639 In vielen publizierten Erinnerungen
werden die Bewohner der umliegenden Spliter Dörfer mit der Zusammensetzung „te-
zak-ribar-radnik“ (Bauer-Fischer-Arbeiter) bezeichnet. Gemeint war damit, daß die
Bauern aus den Dörfern am Meer, die z.B. in der Zementindustrie arbeiteten, neben
ihrer Arbeit in der Fabrik noch die eigene kleine Landwirtschaft und nachts Fischfang
betrieben, um ihre Familien ernähren zu können.640 Je näher die Dörfer an der Stadt
lagen, desto schneller setzten sich „unglückselige Moden“ durch, wie der Dorfpfarrer
aus Kastei Stari in seiner Chronik beklagte, die alles „umgestürzt und verdreht“ hät­
ten. Aber auch wenn manches traditionelle Brauchtum, ob früher übliche kirchliche
Bräuche oder traditionelle Trachten verschwanden,641 so blieb doch viel von der her­
kömmlichen Lebensform erhalten und prägte Ansichten und Alltag der Menschen in
Dalmatien. Die engen emotionalen Bindungen an ihre Heimatdörfer642 betonten auch
zeitgenössische Beobachter im Hinblick auf die neuentstehende Fabrikarbeiterschaft
in den Zementfabriken in der Umgebung von Split. Gerade in Zeiten hoher Arbeitslo­
sigkeit kehrten viele zurück in ihr Heimatdorf.
Eine andere Strategie, auf die Krise zu reagieren, waren nationale Argumentationsmu­
ster. Was vor 1918 unter slawischem Vorzeichen gegen Österreich gerichtet war, ließ
sich nun, wie am Beispiel des Eisenbahnbaus gezeigt, unter kroatischen auch gegen
die jugoslawische Vereinigung und die neue Zentrale in Belgrad verwenden, nachdem
bald offensichtlich geworden war, daß alle Hoffnungen auf eine Entwicklung getrogen

638 Calic, S. 246-258 „Die Genese der Fabrikarbeiterschaft“, hier S. 251 m. Literaturangaben.
Wie aus einer Befragung der Zagreber Flandels- u. Industriekammer 1929 hervorging, waren
es in der Branche „Steine, Erden“, wozu die Zementindustrie Dalmatiens gehörte, sogar 73 %
„Arbeiter-Bauern“; vgl. Trgovinsko-industrijska komora u Zagrebu, Anketa o radnickim nad-
nicama i zaradi u industriji, Zagreb 1935, S. 94.
639 Vgl. Halpern, Joel M., Peasant Culture and Urbanization in Yugoslavia, in: Human Organiza­
tion 24 (1965), S. 162-174; ders. u. Halpern, B. K., A Serbian Village in Historical Perspective,
New York 1972; ders., Town and Countryside in Serbia in the Nineteenth Century. Social
and Household Structure as Reflected in the Census of 1863, in: Laslett, P. u. Wall, R. (Hg.),
Household and Family in Past Time, Cambridge 1972, S. 335-373.
640 Vgl. Vranjic kroz vjekove, S. 154ff. mit eindringlicher Beschreibung des mühevollen Alltags
und der Traditionen der Dorfbewohner. Die „falsche Psychologie“ der „Arbeiter-Bauern“,
deren ländliche Verwurzelung und Widerstand gegen eine ideologisch aufgefaßte „Proletari­
sierung“ beklagen die Briefe des dalmatinischen KP-„Aktionskomitees“, das sich bemühte
diese Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren.
641 Vgl. Ivasovic, Frane, Kastel-Stari. Crtice iz njegove povijesti i zivota (Bilder aus Geschichte
und Leben von Kastel-Stari), Split 1940., S. 83ff.
642 Halpern, Peasant Culture, S. 170; Calic 255.

292
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

hatten. Belege, auch auf dem Gebiet der Wirtschaft, warum die Vereinigung von Scha­
den sei, ließen sich unschwer finden:
Hoch schlugen die Wellen der Empörung schon 1921 auch an der Küste, als die frü­
here Serbische Nationalbank, nun unter der Bezeichnung Nationalbank des König­
reichs SHS, die ohne Zweifel Zeit ihres Bestehens „konsequent serbisch dominiert“
war,643 den Zwangsumtausch von Kronen in Dinar durchführte. Der Umtausch zog
sich über 2 Jahre hin und machte manche Ersparnisse wertlos.644 Dieser Zwangsum­
tausch wurde ein klassischer Topos „nationaler“ Argumentation. Die Vorstellung, man
sei von „den Serben“ übervorteilt worden, ließ sich in Dalmatien v. a. in Krisenzeiten
gut vermitteln. Doch die Frage des Geldumtausches war keineswegs der einzige Fall,
wo solche nationalen Argumentationsmuster griffen. Das Erklärungsmuster war uni­
versell und beliebig einsetzbar. Wie wenig sich wirtschaftliche von national/nationali-
stischen Überlegungen in der verunglückten Staatskonstruktion des Zwischenkriegs­
jugoslawien trennen lassen, beweisen auch die Bemühungen des Ministeriums für
Handel und Industrie während der Amtszeit des Ministers Milivoje Savic. Seine Idee,
daß „mindestens 55 % des Aktienkapitals eines Industrieunternehmens jugoslawisch
sein solle und daß sich der Aufsichtsrat zu wenigstens zwei Dritteln aus Serben konsti­
tuieren müsse“, ließ sich zwar nicht verwirklichen, wirft aber ein bezeichnendes Licht
auf die Denkungsart der Belgrader Verwaltung.645 Hierher gehören auch die Wider­
stände gegen die Beschäftigung von Ausländern, obwohl es überall an Facharbeitern
mangelte. Das Ministerium für Handel und Industrie war „konsequent“ der Meinung,
daß „wir eine Industrie (...), die sich um den Preis einer Stärkung des anationalen
Geistes (...) entwickelt, nicht brauchen“.646 Die „banska uprava“ wurde „eiligst“ und
„streng vertraulich“ vom Handelsministerium in Belgrad zu Berichten über die Situa­
tion an der Küste aufgefordert.647 Nicht selten betonte die „Königliche Landesregie-

643 Djekovic-Sachs, Liliana, Die Jugoslawische Notenbank - ein Lehrstück für Europa?, in: Süd­
osteuropa Mitteilungen 1993/Nr. 1, S. 104-108, hier S. 105.
644 Vgl. den Artikel im Dom (Das Heim) Nr. 36 v. 29.08.1923, „Die Wohltaten der Befreiung“
wo sogar behauptet wurde, daß der, ohnehin schlechte, Umtauschkurs von 4: 1 in Dalmatien
nur bis zum Betrag von 10.000 Kronen galt. Für größere Beträge hätten die Menschen noch
weniger, bis zum Kurs 16:1, bekommen; vgl. Mirosevic, Pocelo je 1918., S. 73; Sundhaussen,
Holm, Die jugoslawische Währungsreform von 1920: Zur Interdependenz ökonomischer und
politischer Integrationsprobleme in einem multinationalen Staat, in: Österreichische Osthefte
27 (1985), 1, S. 19-39.
645 Vgl. Arhiv Jugoslavije 65-398-1078. MTI, Nr. 5325 v. 13.11.1922; dort auch die Daten aus­
ländischer Kapitalbeteiligungen an Fabriken 1938: danach befanden sich von 100 Fabriken in
Dalmatien 86 in „vorwiegend jugoslawischer“ Hand, 13 „vorwiegend ausländisch“ und 1
„unbekannt; vgl. Statistika industrije, Belgrad 1946, hier zit nach Calic, S. 288.
646 Arhiv Jugosl.: 65-1007-1893.MTI, Nr. 16.414, Beogr. v. 16.10.1925 an MSP, hier zit. nach
Calic, S. 306f.
647 So sollte die Verwaltung herauszufinden, „ob unsere vertraulich bekommenen Informationen
zutreffen, daß die Aktien der Zementfabrik Sv. Kajo aus den Händen von Ausländern in das
Eigentum von Einheimischen, angeblich in das von Marin Feric aus Split übergegangen sind“.

293
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

rung“ (Kr. Pokrajinska Vlada) aus Split in ihrer Korrespondenz mit dem Handels­
und Industrieministerium in Belgrad „Patriotismus und Loyalität zum Königreich
SHS“, wenn sie um Bestätigung oder Erlaubnis für Verwaltungsakte nachsuchte.648
Daß es also nicht nur die Denkungsart des Ministeriums in Belgrad war, sondern auch
in Dalmatien „national“ in Wirtschaftsfragen gedacht wurde, sei durch folgende Fälle
illustriert, die die Durchsetzung „nationaler Kriterien“ in der öffentlichen Rede am
Beispiel der Ökonomie zeigen.

d) Nationale Argumentationsstrukturen im öffentlichen


Diskurs

Vor allem das italienische Kapital sah sich in Dalmatien von vornherein patriotischem
Verdacht ausgesetzt: Beispielsweise war die „Sufid AG“ mit italienischer Kapitalmehr­
heit, die die Wasserkraft Dalmatiens zur Stromerzeugung nutzte, den national gesinn­
ten „Jugoslawen“ ein Dorn im Auge. Immer wieder forderten die dalmatinischen
Zeitungen, die Gesellschaft zu nationalisieren.649 Arbeiter und Bürger aus Omis prote­
stierten 1919 häufig gegen „die Italiener“.650 Gleichzeitig wurde ein erbitterter Kampf
um die Beflaggung von Handelsschiffen geführt; die Handelsschiffe mußten in italieni­
schen Häfen die italienische Flagge aufziehen, an der östlichen Adriaküste war dies
nicht ratsam.651 Wie solch eine „nationale Kampagne“ verlief, zeigt das Beispiel der
Firma „Sufid“:
Anfang 1919 schrieb die Zeitung „Zora“ unter der Überschrift: „Für unsere Fabri­
ken“: „Heute hat in Split ein Treffen der Jugoslawen stattgefunden, die Aktien der
Fabrik „Sufid“ in Dugi Rat bei Omis besitzen. Es geht darum, daß diese Fabrik voll­
ständig in unsere Hände übergeht. Wir dürfen es nicht zulassen, daß Fremde die
Herren in unserem Haus sind. Diese Fabrik wird von großem Nutzen für unsere
ganze Region und Umgebung sein.“652 In den dalmatinischen Zeitungen brach eine

„Herausfinden und ausführlich berichtet“ sollte weiter dem Ministerium werden, „ob Auslän­
der Aktien für sich behalten haben (...) oder ob Marin Feric (...) nur ein Vetreter einer
Gruppe von Finanziers“ sei, und wenn ja „wer hat Feric als seinen Vertreter und Bevollmäch­
tigten beauftragt. Es ist eilig!“ Schon eine Woche später konnte Tartaglia das Ministerium mit
der Auskunft beruhigen, daß Feric die Aktien auf eigene Rechnung gekauft habe. Vgl. str.
pov. III Br. 1286 v. 16.12.1937, in BH 52/1.
648 Vgl. Molba za dozvolu osnutka dionickog drustva (Bitte um Erlaubnis zur Gründung einer
Aktiengesellschaft. In diesem Fall waren Anwälte u. Großgrundbes. die Gründer) v.
30.10.1920, positive Antw. am 17.11 20, BH 40/1.
649 Vgl. Jadran, Nr. 122 v. 05.06.1920, S. 1; Jadran, Nr. 40 v. 19.02.1920, S. 3; Zivot, Nr. 467 v.
19.07.1921, S. 2; Novo doba, Nr. 132 v. 11.06.1921, S. 24 usw.
650 Novo doba v. 18.02.1919.
651 Jadran v. 14.02.1919.
652 Zora Nr. 7 v. 20.02.1919. Die Aktiengesellschaft „Sufid“ (Societä anonima per l’uttilizazione

294
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

regelrechte Kampagne anläßlich der Einberufung der Jahreshauptversammlung der


Sufid-AG in Triest im Mai 1920 los: „Millionenhafte Riesengewinne“ würde diese
Gesellschaft zur „Ausbeutung der dalmatinischen Wasserkraft“ einfahren. Zur Aktio­
närsversammlung sei nur in italienischen Zeitungen aufgerufen worden, nur italieni­
sche Banken würden die Dividenden von 20 Lire je Aktie auszahlen, „keine einzige
dalmatinische und jugoslawische“ sei dabei. Die „notwendigen Verpflichtungen ge­
genüber den Menschen und dem Volk, in dessen Land diese Gesellschaft Reichtümer
scheffelt“, wurde vermißt. Diese „Geringschätzung unserer Sprache und unserer Ge­
fühle“ würde sich die jugoslawische Öffentlichkeit gut merken.653 Bei der nächsten
Versammlung jedenfalls wurde der Bürgermeister von Omis, Milan Marusic, in den
Vorstand des Unternehmens gewählt. Die Forderung, „Sufid sobald als möglich zu
nationalisieren“, blieb trotzdem bestehen.654 Die Geschäftsführung von Sufid in Dal­
matien, in den Zeitungen als „ein Wiener Deutscher und ein Triester Italiener“ be­
zeichnet, galt als „Feind im eigenen Haus“, als verlängerter Arm der italienischen
Aspirationen auf die „wunderschöne Küste zwischen Omis und Split“. Diesen dunk­
len versteckten Absichten hielt die Zeitung „Jadran“ die Parole „Raus mit den Frem­
den!“ (Van s tudinom!) entgegen. Dagegen war das „einheimische, slawische Kapital,
egal ob aus dem Süden oder dem Norden, von unseren Brüdern, den Tschechen“,
aufgerufen, das „fremde Kapital“ zu ersetzen. Der „bewußte jugoslawische Dalmati­
ner“ sei kein „afrikanischer Beduine“ und wolle sich nicht kolonisieren lassen.655 Ein­
heimische Arbeiter hielten Protestversammlungen gegen die „italienische Gefahr“ in
den italienischen Fabriken ab.656 Mitte 1929 hatte die Firmenleitung genug und ver­
kaufte ihre Anlagen an ein französisches Unternehmen. „La Dalmatienne - Soiete
francaise des forces hydraulique de la Dalmatie“ bekam die Konzession, die Wasser­
kraft der Flüsse Krka und Cetina 50 Jahre lang zur Elektrizitätsgewinnung ausnutzen
zu dürfen. Der lange und detaillierte Vertrag, den die lokalen Tageszeitungen veröf­
fentlichten, sah die Beschäftigung von „ausschließlich einheimischen Arbeitern“ vor,
während „Direktoren (...) und Spezialisten“ Franzosen sein durften, doch „nach 5
Jahren“ sollte auch dieses Personal „zu zwei Dritteln“ aus jugoslawischen Staatsbür­
gern bestehen.657

delle forze idrauliche della Dalmazia), wurde 1902 von italienischen Firmen aus Rom und
Venedig und dem Rechtsanwalt Richetta aus Triest gegründet. Ziel war die Ausnützung der
Wasserkraft in Dalmatien zur Gewinnung von Karbid, Zyanamid, Soda, Aluminium etc. und
die Stromerzeugung. Lakatos (S. 40ff.) schreibt, daß sich vor dem Ersten Weltkrieg ca. 15%
der Aktien in Händen der „Jadranska banka“, der Gemeinde Sibenik und von Privatleuten
befanden.
653 Jadran v. 05.06.1920, Seite 1.
654 Novo doba v. 11.06.1921, Jadran v. 19.02.1920; Vgl. auch Stanic, S. 68ff.
655 Jadran v. 19.02.1920.
656 Zivot v. 09.02.1920.
657 Novo doba v. 19.07.1921, S. 1, Jadranska posta v. 05.07.1929, Dalmatinski Glasnik v.
19.04.1922.

295
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Daß damit ein „befreundetes Volk“, von dem man „Verständnis für unsere ökonomi­
sche Situation“ erwarten könne, die Stromerzeugung in Dalmatien übernommen hatte,
freute den Kommentator von „Novo doba“. Zumal „zwei ehrenvolle Dalmatiner, der
Banus der Küstenbanschaft Dr. Ivo Tartaglia und der ehemalige Minister Dr. Niko
Subotic“, im Aufsichtsrat sitzen würden. Damit war, „bei der heutigen Krise in Dal­
matien, wo das Volk ums Überleben kämpft, weil es seine Produkte nicht verkaufen
kann“, wieder einmal Anlaß zu großer Hoffnung gegeben.658 Doch auch nachdem
die französische Gesellschaft „La Dalmatienne“ 1929 die Rechte der Ausbeutung der
Wasserkraft der Flüsse Krka und Cetina auf 50 Jahre erworben hatte (laut Vertrag,
den die lokale Presse veröffentlichte, bis 1979), hörten die Proteste nicht ganz auf,
obwohl es natürlich auch Artikel gab, die ihre Leser dazu aufforderten, „froh zu sein“,
weil „das arme Dalmatien“ durch fremdes Kapital nun große Wasserkraftwerke und
eine Karbid- u. Zyanamidproduktion bekommen würde.659 Als die versprochenen
Investitionen aus Frankreich ausblieben und im Gegenteil noch 800 Arbeiter und 30
Angestellte in Dalmatien entlassen wurden, wurden „unsere nationalen Interessen,
und nicht die Interessen des französischen Kapitals“ einhellig von der dalmatinischen
Öffentlichkeit eingefordert.660
Die Beschwerden über den italianisierenden Einfluß und gesetz- oder zumindest sit­
tenwidriges Verhalten italienischer Unternehmen wurden häufig laut. Aus Konkur­
renzgründen und aus nationalem Eifer: So wurde die Banca Dalmata di sconte -
Filiale Sibenik, die „von einer großen Zahl der lokalen Händler, Unternehmer, Indu­
striellen und Landbesitzer genutzt“ wurde, und deren Privatkunden „hauptsächlich
italienischer Nationalität sind oder italienisch fühlen“, nach der Reintegration Sibeniks
in das Königreich SHS systematisch behindert und brach schließlich zusammen.661
V.a. die unitaristischen Demokraten boten sich den „jugoslawischen Industriellen“ in
deren Kampf gegen die nicht-slawische Konkurrenz an. Je mehr sich herausstellte,
daß sich „Hoffnungen“ auf wirtschaftlichen Aufschwung, wie das Wirtschaftsblatt
„Jugoslawischer Lloyd“ über das Jahr 1920 schrieb, „kein bißchen erfüllten“ und die
„politischen Verhältnisse nicht konsolidiert werden konnten“, vielmehr das „Prinzip
der nationalen Einheit“ ernsthaft erschüttert sei,662 desto mehr geriet die Kampagne
gegen ausländische Industriebeteiligungen in Fahrt.

658 Novo doba v. 20.05.1930.


659 Novo doba v. 20.05.1930, S. 3 u. Stanic, Radnicki pokret, S. 163ff.
660 Novo doba v. 02.03.1932. Da die französische Gesellschaft, der als Investitionsanreiz bei Ver­
tragsunterschrift in Belgrad versprochen worden war, von sämtlichen Gebühren befreit zu
werden, auch keine Beiträge an die Industrie- und Handelskammer zahlen wollte, prozessierte
die Kammer jahrelang gegen „La Dalmatienne“. Vgl. PAS- Fond TOK u. Banska uprava Pb -
fase. 9.
661 Kotarsko Poglavarstvo Sibenik, Br. Nr. 10324 v. 08.11.1921 an Pokrajinska Uprava - Split,
BH 40/1.
662 Jugoslovenski Lloyd Nr. 1/XIV v. 01.01.1921.

296
Städtische Lehenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Die lokale dalmatinische Verwaltung unterstützte nach Kräften den Kampf gegen das
„italienische Kapital“, und war enttäuscht, wenn aus Belgrad die Direktive kam, daß
„aus politischen und ökonomischen Gründen“ den Wünschen einer italienischen Bank
nach Eröffnung einer Filiale in Dalmatien „Entgegenkommen gezeigt“ werden sollte.
In diesem Fall war der Bank von der Spliter Behörde, trotz erteilter Konzession des
Belgrader Handelsministerium, die Aufnahme der Geschäftstätigkeit untersagt wor­
den. Nun wurde der Spliter Verwaltung klargemacht, daß mit der Konzessionsertei­
lung „den Italienern eine kleine Kompensation für die Anerkennung von fünf unserer
Banken in Rijeka, Triest und Görz gegeben worden“ sei. Außerdem seien „die Zinsen
bei uns mit 30 % viel zu hoch“ und „fremdes Kapital nötig“. Doch mit „Zufrieden­
heit“ konstatierte das Außenministerium, daß der „Veliki Zupan“ in Split die „italieni­
schen Maßnahmen und Aspirationen“ genau beobachte, könne aber seiner Meinung
nicht zustimmen, daß die Eröffnung einer einfachen Filiale einer italienischen Bank
eine „ernsthafte Gefährdung der nationalen Bedeutung Dalmatiens“ darstellen würde.
Heute, „im nationalen Staat, wo die gesamte öffentliche Verwaltung in nationaler
Hand ist, wo die Italiener nur toleriert werden als fremde Staatsbürger und keinerlei
politische Rechte genießen“, könne es nur „Bedauern hervorrufen, daß unsere Wirt­
schaft noch nicht stark genug ist, auch alle italienischen Unternehmen zu übernehmen,
aber dies könne „auf keinen Fall die nationale Bedeutung unseres Landes schmä­
lern.“663
Doch die lokale Verwaltung gab nicht auf und erdachte immer neue Wege, auf denen
sie ihrem Ziel, die unliebsame Banken-Konkurrenz loszuwerden, näherkommen
könnte. Das „Splitsko sresko poglavarstvo“ bestimmte in seiner Entscheidung,664 daß
die „Banca Dalmata di Sconto“ nur noch „in der Staatssprache“ in Dalmatien für sich
werben dürfe. Über den Namen dieser „Staatssprache“ war man sich nicht ganz sicher,
jedenfalls nicht italienisch. Die mit dem Fall in Belgrad befaßten Ministerien, Handels­
und Außenministerium, konnten nun nicht anders, als auf „der Grundlage der Rezi­
prozität“ zu bestehen. Das bedeutete, solange die jugoslawischen Banken „in Rijeka
und Zadar ihre Namen nur in italienisch benutzen dürfen“, solange sollte auch die
Spliter Entscheidung Geltung haben.665 Auch als sich die Bank dann in „Dalmatinska
eskontna banka“ umbenannt hatte, hörten die Warnungen vor einer „Abhängigkeit
unserer Leute von italienischen Banken“ aus Split nicht auf. Alle nur möglichen Stellen
der Verwaltung bis zum Staatsschutz wurden damit befaßt.666

663 Das Außenministerium (Ministarstvo Inostranih Dela Kraljevine SHS) Br. Pov U. 90 v.
23.04.1926 antwortet dem Verwaltungschef („Veliki Zupan“) in Split auf dessen Brief (Pov. br.
2105/26 v. 04.04.26), in dem er die Verhinderung der Eröffnung einer Filiale der „Banca di
Skonto Dalmata“ aus Zadar verlangt, BH 40/11.
664 Vgl. Nr. 27.459/26 v. 22.09.26.
665 Vgl. Akt d. Handelsm. m. Durchschrift an d. Außenministerium, Nr. 2680 v. 21.12.1926, in:
BH 40/11.
666 Vgl. Kraljevina Jugoslavije. Ministarstvo unutranjih poslova Odeljenje za drzavnu zastitu
(Staatsschutzabteilung) I Pov.I br. 44746 v. 9.12.31 an die Kraljevska banskauprava Split, BH 40.

297
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Ihren Niederschlag fanden die Klagen über „die Italiener“ in Schreiben an die ver­
schiedenen Ministerien und Abteilungen der Verwaltung: So schwärzte der Fabrikant
von eingedosten Sardinen, Antun Mardesic, z. B. seine Konkurrenz die „Itak AG“ mit
Hauptsitz in Komiza auf der Insel Vis an. Auf deren Dosen und Etiketten sei nämlich
fälschlicher- und „beschämenderweise „Packed in Italy“ aufgedruckt“, obwohl sie
doch in Dalmatien gefüllt würden. Die Geschäftsführer ihrer mittlerweile fünf Fabri­
ken seien allesamt „italienische Untertanen“, und trotz des „mehrheitlich einheimi­
schen Kapitals“ würden vollständig „die Italiener“ bestimmen. Die „Bücher würden
auf italienisch geführt“, die „Korrespondenz mit der Zentrale in Split“ ebenso. Der
„Direktor Leva, ein ital. Faschist“ verbreite „Angst und Schrecken“ unter der kroati­
schen Arbeiterschaft und hätte bei Protesten gedroht, daß sie, wie in Istrien, „sareb-
bere tutti fucilati“ (alle an die Wand gestellt) würden.667 Obwohl der volle Name der
Firma „Itak - Jugoslawische Alu-Konservenfabrik d.d.- Split“ war, und der angese­
hene Spliter Bürger Viktor Morpurgo als Präsident fungierte, kam die Firma als
„feindlich unterwandert“ unter Beschuß.
Aber auch einfache Bürger fühlte sich aufgerufen, ihre diesbezüglichen Beobachtun­
gen zu Protokoll zu geben. So schrieb Ante Benzon aus Vranjic, daß er „heute um 11
Uhr von einem Kahn aus, am Ufer der Zementfabrik „Split“ in Vranjic beobachtet
habe, wie „200 Zementsäcke“, die zur Verladung bestimmt waren, „Etiketten in italie­
nischer Sprache und die Aufschrift „Salona Dalmazia“ und „Made in Italy“ trugen.
Da er „als Bürger dieses Landes“ der Meinung war, daß dies eine „gravierende Unre­
gelmäßigkeit und eine Herausforderung unseres Staates ist“, melde er hiermit den
Vorfall an die „zuständigen Stellen“.668 Die Verwaltung wurde auch sofort aktiv und
gab sich in ihrem Brief an die Staatsanwaltschaft überzeugt davon, „daß es sich (bei
den Etiketten für die Zementsäcke, A. J.) um systematische Propaganda“ handelte, die
„darauf gerichtet ist, diese Region aus dem Bestand unseres Staates zu entreißen“ und
legte als Beweis ein beschlagnahmtes Etikett bei. Die „Eil-Antwort“ des Unterneh­
mens wies darauf hin, daß es „nach 22-jährigen Bemühungen“ endlich gelungen sei,
den Weltmarkt mit Zement aus Dalmatien zu beliefern, und daß die Aufschriften noch
nie Anlaß zur Beunruhigung waren. Außerdem wäre ein zusätzlicher roter Papieran­
hänger an der Produktion an jugoslawischen Standorten befestigt, auf dem „Made in
Jugoslavia“ stände. Man bat aber trotzdem auch „um Rückgabe von 200.000 beschlag­
nahmten grünen Etiketten mit dem Aufdruck: Adriaportland: Societä Anonima Ce-
mento Portland dell’Adriatico Stabilimento di Salona (Dalmazia) Artificiale“. Da der
gesamte Verkauf ins Stocken kam, geriet die Geschäftsführung in Panik. Die verschie­
denen Untersuchungskommissionen, die gegründet wurden, drohten, die gesamte
Ausfuhr zum Erliegen zu bringen.669

667 Vgl. Zalbe na nepravilnosti „Itak“. Nr. I 6681/30 v. 26.03.1930, in: BH 51/1.
668 Vgl. Durchschrift der Anzeige v. Ante Benzon vom 19.02.1930, in: Zementfabrik (Bergamo
1907/08), in: BH 52/1.
669 ebenda.

298
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Auch in Protokollen von Jahreshauptversammlungen dalmatinischer Unternehmen


wurde gelegentlich versichert, daß z.B. die „angebliche Anationalität der Prva Pucka
banka“ keinesfalls zuträfe (ein Schuldner der Bank hatte sich mit einem Schreiben an
die Aktionäre der Bank gewandt, daß ein anderer Schuldner der gleichen Bank, ein
„italienischer Optant“, besser behandelt würde als er). Die Hauptversammlung unter­
strich, daß die Geschäftsführung aus „national vollkommen korrekten Mitgliedern“
bestehe, „einzig Hamlet Vio, der Filialleiter in Rijeka“ sei Italiener, doch sei er sehr
loyal und geschäftstüchtig.670
Als der serbisch-kroatische Nationalitätenstreit begann das dominierende Konflikt­
muster in der öffentlichen Debatte zu werden, ergab sich ein neues Feld für „nationale
Argumente“ im Wirtschaftsleben: Aus dem „vertraulichen Schreiben“, das der Direk­
tor der Filiale Selca auf der Insel Brac an den „Vertrauensmann der Kreissparkasse“
Don Slavko Stambuk Anfang März 1928 richtete, geht hervor, daß „die politische
Auseinandersetzung“ die „lokalen Leidenschaften“ so sehr aufgewühlt hatten, daß die
Arbeit der Sparkasse „ernsthaft bedroht“ sei. Es ging darum, daß das Aufsichtsgre­
mium der Kreissparkasse, das hauptsächlich aus lokalen (kroatischen) Vertretern be­
stand, den einzigen Angestellten der Bank, der „jugoslawisch orientiert“ sei, loswer­
den wollte. Daß die politischen Gründe sicherlich nicht die einzigen waren, sondern
vielmehr auch persönliche Motive mitschwangen, kann als sicher gelten. Nur: die
politisch-nationale Ebene wurde benutzt, um die eigenen Interessen zu artikulieren.671
Auf der anderen Seite wurde in den hauptsächlich serbisch besiedelten Gebieten Dal­
matiens bei geschäftlichem Mißerfolg „Anti-Serbentum“ vermutet. So ging die Srpska
banka d.d. in Bugojno in den 30er Jahren in Konkurs durch Veruntreuungen und
mangelnde Einlagen. In den Augen serbischer Nationalisten stellte sich der Sachver­
halt natürlich anders dar. Das feindliche Klima sei „zum Totengräber speziell uns
Serben aus Bugojno geworden, und 9/10 der serbischen Selbstständigen wurden durch
gesetzeswidrige Manipulationenen vernichtet“, wußten Beschwerdeführer in Briefen
an den Banus der Küstenbanschaft zu melden. Dies seien „authentische Informatio­
nen“ und könnten „bei den zuständigen Behörden jederzeit überprüft werden“,
schrieb z.B. ein betroffener Aktionär dem Banus Tartaglia privat, nachdem etliche
seiner Schreiben an die Verwaltung zwar ordentlich registriert und abgeheftet, aber
unbeantwortet geblieben waren.672
Je länger der wirtschaftliche Aufschwung ausblieb, desto stärker wurden gegenseitige
nationale Schuldzuweisungen. Wenn aus Belgrad kein Geld, sondern Ermahnungen

670 Vgl. Izvjestaj o glavnoj skupstini Prve pucke dalmatinske banke u Splitu, sowie Brief an die
Kraljevska banska uprava - odsjek za trgovinu i industriju - Split v. 20.04.1932 - BH 48/
III.
671 Vgl. Br. v. P. Didolic Opcinska stedionica Selca (Brac) Vladinom Povjereniku Velec. Don
Slavku Stambuk v. 07.03.1928, sowie weitere Korrespondenz u. Protokolle; BH 47/11.
672 Vgl. Brief v. Aleksa Durendic v. 06.01.1931 an Dr. Tartaglia, Spisi Srpska Banka d.d. Bugojno,
in: BH 50/1. Vgl. auch „Srpska stedionica d.d. u Lijevnu“, BH 50/11.

299
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

kamen, wie die, daß „unsere fleißigen Dalmatiner noch gewissenhafter und fleißiger
werden müssen“, wenn es voran gehen solle, wo doch „unser Dalmatien, mit seinen
klimatischen Verhältnissen alle Voraussetzungen“ habe, auf dem Gebiet der Landwirt­
schaft (v.a. Heilkräuter, Öle etc.) „mehr auszuführen“,673 rief das nicht nur in der
Spliter Wirtschaftskammer kontroverse Diskussionen hervor. Ob es die Gründung
einer eigenen dalmatinischen Sparkasse war674 oder eine größere Investition: In den
Augen der dalmatinischen Politiker tat Belgrad kaum etwas, um die Wirtschaftsent­
wicklung Dalmatiens zu fördern. Sieht man sich diese Entwicklung an, so wird deut­
lich, wie wenig reale Grundlage die hochfliegenden Prognosen und megalomanischen
Entwicklungspläne von Anfang der Zwanziger Jahre hatten. Die „Probleme der dal­
matinischen Wirtschaft“, wie sie die Kammer mit ihren Resolutionen und das dalmati­
nische Wirtschaftsblatt „Jadranski Lloyd“ in seinen Artikeln ihrer Leserschaft mitteil­
ten, blieben immer die gleichen: Schlechte Verkehrsanbindung und Infrastruktur,675
zu hohe steuerliche Belastungen, zu wenig öffentliche Hilfe.676
Gegen Ende der 30er Jahre hatte der ideologisierte Diskurs in Dalmatien keine
Alternative mehr:677 Zustimmende Kommentare auf der ersten Seite fast aller dalmati-

673 Vgl. Beogradska Trgovacka komora (Hg.), III redovni kongres privrednih komora i organiza-
cija Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, odrzan na dane 19. i 20. septembra 1925. godine u
Beogradu, Beograd 1925, S. 72f.
674 Vgl. Brief von Tartaglia Nr. 44730/30 v. 14.11.30, BH 39 I, in dem er zum wiederholten Mal
gegenüber dem Innenminister in Belgrad, inzwischen wird die Korrespondenz nur noch auf
Kyrillisch geführt, die Notwendigkeit der Gründung eines eigenen Geldinstituts betont. Als
es 1931 so weit ist, wird Prvislav Grisogono in den Aufsichtsrat berufen, Ante Tresic-Pavicic
wird zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats der „Stedionica Primorske banovine“, vgl. Ver­
ordnung Nr. 1-34722 v. 3.6.31, in: Sluzbeni glasnik Jg. XIV, Nr. 47 v. 12.06.31.
675 Generell war die Verkehrs-Infrastruktur in keinem guten Zustrand. Um 1920 betrug die Ge­
samtlänge aller im weitesten Sinne verkehrsgeeigneten Straßen in Dalmatien 1589 km, wobei
alle Arten von Gemeindewege und -Straßen dabei mitgezählt sind. 1941 waren es 2.206 km.
Zwar waren die zu Zeiten Österreichs gebauten Staatsstraßen meist recht solider Qualität, im
Hinblick auf die damaligen Ansprüche, aber für motorisierten Verkehr waren sie freilich nicht
geeignet. Eine Geschwindigkeit über 20 km/h konnte für Fahrer und Insassen leicht lebensge­
fährlich werden, da weder Straßenbelag, noch Steilheit der Kurven oder Straßenbreite etc. für
modernen Verkehr geeignet waren. Zwischen 1920 und 1941 wurde das Straßennetz in Dalma­
tien um 617 km ausgebaut, was einer Steigerung um 38% entsprach. Die meisten neuen
Straßenverbindungen wurden in Nord-Dalmatien neu geschaffen. Zu den 259 km neugebau­
ten oder instandgesetzten Gemeindestraßen kamen „einige hundert km Gemeindewege II.
Ordnung“, die von den Dörfern selbst erbaut wurden und durch den sog. „kuluk“, einer
Arbeitsverpflichtung für Männer zwischen 18 und 60 Jahre, die 6 Tage im Jahr ihre Arbeits­
kraft unentgeltlich für Gemeindezwecke zur Verfügung stellen mußt, durch staatliche Gelder
finanziert; vgl. Krulj, Uros, Nasa saobracajna politika (Unsere Verkehrspolitik), Beograd
1935; Nezic, Herman, Ceste u Dalmaciji (Straßen in Dalmatien), in: Zbornik hg. v. Slavko J.
Siriscevic, Split 1958, S. 301-322, hier S. 301 u. 308.
676 Jadranski Lloyd v. 10.02. u. 17.02.1939.
677 Bei der Zusammenstellung einer „Wirtschafts-Bibliographie für das Jahr 1938“ konnten die
Autoren auf nur sechs Publikationen aus Dalmatien, von insgesamt knapp 200 Titeln die im

300
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

Abb. XIII: Ausbau des Straßennetzes in Dalmatien zwischen 1920 und 1941

* A k

Quelle: Siriscevic, Slavko, Zbornik. Die Dicke der Linien entspricht der Klassifizierung der Stra­
ßen als Staats-, Banschafts- oder Gemeindestraßen.

nischer Zeitungen konnte sich der „Wirtschaftsfachmann der kroatischen Bauernbe­


wegung“, Dr. Rudolf Bicanic, im Dalmatien des Jahres 1939 sicher sein. „Wenn unsere
Zeit kommt“, zitierte das Spliter Wirtschaftsblatt diesen Vordenker der Kroatischen
Bauernpartei zustimmend, und die Bauernbewegung an die Macht komme, hätten
„korrupte Elemente“ nur „kalten Stahl und heiße Kugeln“ zu erwarten. Auch wenn
der Kommentator des „Jadranski Lloyd“ meinte: „Uns hier an der Küste interessieren
v. a., neben den allgemeinen nationalen, auch unsere spezifischen wirtschaftlichen Fra­
gen“, war doch ein konzises Wirtschaftsprogramm, das die „zukünftige Prosperität“
sichern würde, nicht in Sicht.678 Die Flut von Artikeln, die erschienen, aus denen die
Erbitterung über die wirtschaftlichen Zustände in Dalmatien sprach, waren alles an­
dere als eine sachliche Auseinandersetzung mit Dalmatiens Problemen. Die Polemiken
mit „Belgrader Schreibern“, wieviel von der Nachkriegsentwicklung auf das Konto
des gemeinsamen Staates ginge (nach Meinung des Jadranski Lloyd so gut wie nichts),
trug wenig zu einer nüchternen Beurteilung der Lage bei. „Riesige und luxuriöse“

Königreich erschienen, zuruckgreifen. Überall waren die nationalen Töne unüberhörbar. Vgl.
Publikacije Trgovinske komore u Zagrebu Br. 114, Bibliografija jugoslavenske privredne knji-
zevnosti za godinu 1938 (izradeno u knjiznici Trgovinske komore), Zagreb 1939.
678 Jadranski Lloyd v. 21.04.1939.

301
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Bauten, die aus der gemeinsamen Kasse bezahlt worden seien, wurden nun in Belgrad
entdeckt, und die serbische „Engstirnigkeit“ und „Uninformiertheit“ beklagt.679 Die
„Wirtschaft und die Lösung der kroatischen Frage“ wurden hinfort in jeder Ausgabe
in solcher oder ähnlicher Form diskutiert: „Die letzten 20 Jahre“ hätten „alle Schich­
ten des kroatischen Volkes in diesem Kampf (um nationale Rechte) alle moralischen
und materiellen Ressourcen investiert, und Opfer gebracht, die nur ein Volk bringen
kann, welches sich seiner nationalen Rechte, frei über sein Schicksal zu entscheiden,
bewußt ist.“ Auch „in wirtschaftlicher Hinsicht“ hätte dieser „Volkskampf große Op­
fer gefordert“. Jetzt, mit der bevorstehenden Lösung des serbisch-kroatischen Kon­
flikts, könne endlich „die konstruktive sozial-ökonomische Aufbauarbeit“ anfangen.
Eine „neue Epoche des nationalen Lebens“ breche an, die „Wichtigkeit Splits und
ganz Dalmatiens im Leben des kroatischen Volkes“ sei dabei evident, denn „Dalmatien
stellt das nationale Tor zur ganzen Welt dar“. Die „kroatische Wirtschaftspolitik“
müsse „aufs Meer hin orientiert sein“, die „pomorska orientacija“ müsse das Zentrum
jeder Wirtschaftspolitik bilden, zumal „durch die Jahrhunderte ein zähes, widerstands­
fähiges und arbeitssames nationales Element“ die Küste besiedelt hätte. Deshalb „ste­
hen auch der dalmatinischen Wirtschaft nach dieser Lösung der kroatischen Frage
bessere Tage bevor“, und Dalmatien begrüße als „bewußter Teil des kroatischen Volkes
(Hervorhebung A. J.) diese Lösung mit ganzem Herzen und ganzer Seele.“680
Am 26. August 1939 meldete das Wirtschaftsblatt triumphierend, daß „der sporazum
erreicht“ sei und die kroatische Wirtschaft nun viel von dieser Lösung erwarte.681
Immer wieder versicherte man sich selbst, daß dies nun der „Anfang eines besseren
Lebens in der freien Heimat nach langjährigem Kampf und Leiden“ sei. Nach der
„politischen und territorialen Vereinigung aller historischen kroatischen Provinzen“
würde nun endlich der Aufschwung einsetzen.682
Vor dem erwarteten Aufschwung erfolgte aber erst die publizistische Abrechnung der
dalmatinischen Wirtschaftskreise mit der ehemaligen Zentrale: Die „Belgrader Regie­
rungen“ hätten „weder den Willen noch das Interesse für unsere Meeresküste und die
Schiffahrt“ aufgebracht; die Häfen nach 20 Jahren im jugoslawischen Staat seien „in
einem schlimmeren Zustand, als zu Zeiten Österreichs“; während „bis 1937 nur 59
Millionen Dinar für die Renovierung der Häfen ausgegeben“ würde, seien „96 Millio­
nen Dinar an Hafengebühren eingenommen wurden“, die man hätte abführen müssen.
Auf Entgegnungen aus Belgrad, daß „in Jugoslawien immer die Kroaten das Seewesen
in Händen gehalten“ hätten und daß diese eben, im Gegensatz zur „erfolgreichen
serbischen Binnen-Flußschiffahrt“, „trotz aller Subventionen“ nicht in der Lage gewe­
sen seien, damit umzugehen, lautete die Antwort des Jadranski Lloyd:

679 Jadranski Lloyd v. 07.07.1939.


680 Jadranski Lloyd v. 28.04.1939.
681 Jadranski Lloyd v. 26.08.1939.
682 Jadranski Lloyd v. 22.02.1940.

302
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen

„1. Die Kroaten, die in der Verwaltung tätig waren, (...) mußten die Befehle des Regimes
ausführen und konnten keine kroatischen Interessen vertreten. 2. Unsere Häfen sind heute in
einem schlimmeren Zustand als unter Österreich, denn sie verfielen schneller, als sie repariert
werden konten. Österreich hatte seinen Haupthafen in Triest, Dalmatien war ohne Eisenbahn­
anbindung ans Hinterland, doch trotzdem hat Österreich für den Bau und Ausbau unserer
Häfen mehr aufgewendet als Jugoslawien. (...) Und 3. Zwischen 1920 und 1935 sind in Jugo­
slawien 3,377 Millionen Dinar in den Eisenbahnausbau investiert worden, davon 2.852 Millio­
nen allein für Serbien. (...) Slowenen und Kroaten haben damit am meisten bezahlt“. So sähe
es bei allen öffentlichen Arbeiten aus: „Der Bau und die Ausbesserung von Straßen, Brücken,
öffentlichen Gebäuden: immer ging der Löwenanteil an Serbien und Belgrad.“

„Wer beutet da wen aus}“ (Hervorh. im Original) fragte der JL rhetorisch. In diesem
Stil ging es seitenweise weiter.683 Kroatisch-nationale Argumentationsmuster, wie sie
jahrelang (nicht nur) von der HSS ins Feld geführt worden waren, hatten sich vollstän­
dig durchgesetzt.
Doch auch ohne nationale Rhetorik standen die Zeichen für die Wirtschaft Dalmatiens
auf Sturm. Angst vor Geldentwertung prägte „den psychologischen Zustand unseres
kleinen Mannes“, wie das Blatt schrieb.684 Die Krisenzeichen wurden unübersehbar.
Die „Zementindustrie in unserem Land“ stehe „vor dem Kollaps“. Eine „schnelle
Intervention der zuständigen Stellen“ wurde angemahnt. Da dieser Industriezweig
83 % der gesamten dalmatinischen Industrie ausmache, sei es eine Uberlebensfrage
der Region.685 Als schließlich die Zementindustrie aufgrund der Kriegssituation in
Europa die Arbeit einstellte, und 1300 Arbeiter mit einem Schlag ohne Lohn blieben,
wurde spätestens deutlich, daß mit dem erreichten Autonomiestatus Kroatiens 1939
die schweren Probleme Dalmatiens keineswegs gelöst waren.686 Weder die im Dezem­
ber 1939 vom Banus der Banovina, Ivan Subasic, erlassene „Verordnung mit Gesetzes­
kraft“, die „Hortung, Teuerung und gewissenlose Spekulation“ mit Lebensmitteln auf
dem Gebiet der Banovina unter Strafe stellte,687 noch das „Verbot des Betreibens
großer Warenhäuser“ verbesserten Güterversorgung oder Wirtschaftslage.688 Vor Be­
ginn des Zweiten Weltkriegs stand die dalmatinische Wirtschaft nicht viel anders da,
als es gegen Ende des Ersten der Fall gewesen war.

683 Jadranski Lloyd v. 29.04.1940.


684 Jadranski Lloyd v. 19.05.1940.
685 Jadranski Lloyd v. 15.08.1940.
686 Jadranski Lloyd v. 06.12.1940.
687 Vgl. „Uredba sa zakonskom snagom o suzbijanju skupoce i nesavjesne spekulacije“ (Verord­
nung mit Gesetzeskraft über die Bekämpfung der Teuerung und gewissenlose Spekulation),
Narodne Novine Nr. 291 v. 27.12.39, in: Banovina Hrvatska (Hg.), Zakoni, uredbe, naredbe
itd., Svezak XII, Zagreb 1939.
688 „Uredba o zabrani osnivanja velikih robnih kuca“ (Verordnung über das Verbot der Grün­
dung großer Warenkaufhäuser), Narodne Novine Nr. 4 v. 05.01.40, in: Banovina Hrvatska
(Hg.), Zakoni, uredbe, naredbe itd., Svezak XIII., (Nr. 2741 Tisak i naklada knjizare St. Kugli
Zagreb), Zagreb 1940.

303
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

3. Folgen des sozialen Wandels

a) Armut und Auswanderung

Eines der offensichtlichsten Krisensymptome im Dalmatien der 30er Jahre war die
steigende Arbeitslosigkeit. Das Arbeitsamt konnte kaum Stellensuchende vermitteln,
immer mehr Facharbeiter, wie Maurer, Schreiner, Steinmetze, Schmiede und Maler
wurden arbeitslos.689 Doch gleichzeitig füllten auch immer mehr Arbeitskräfte vom
Dorf, die in der Statistik als „nekvalificirani radnici“ auftauchten, die Statistik. Für
die wachsenden Defizite der Sozialversicherungsbehörde (Okruzni ured za osiguranje
radnika) machten deren Funktionäre das Fehlverhalten von Arbeitgebern und Arbei­
tern verantwortlich: „Es gibt genügend Arbeiter, vor allem solche, die vom Dorf kom­
men, die schon krank sind, wenn sie sich versichern, nur damit sie die Behandlung
bezahlt bekommen. Es gibt Arbeitgeber, die denken, daß sie so etwas wie ein gutes
Werk tun, wenn sie Kranke anmelden, auch wenn sie gar nicht gearbeitet haben. Es
gibt Arbeiter, die bekommen Essenszuschüsse für Arbeitslose, arbeiten jedoch
schwarz, was mit dem Arbeitgeber vereinbart ist, der sie als arbeitslos meldet.“ Weiter
klagte die Behörde über „Arbeitgeber, die im Einvernehmen mit ihren Arbeitern, diese
erst dann anmelden, wenn diese krank werden“. Andere würden ihre Arbeiter gleich
gar nicht melden, was gleichfalls nicht in Ordnung und eine „schmutzige Konkurrenz
gegenüber den gewissenhaften Arbeitgebern“ sei. Auch würden manche Arbeitgeber
ihre Zahlungen nicht leisten, sondern darauf warten, daß „ihnen die Behörde mit
Mahnbescheiden hinterherläuft“.690 Als 1930 die Zementfabriken ihre Produktion
durch neue Rotationsöfen rationalisierten und an die 2.500 Arbeiter entließen, spitzte
sich die Situation zu. Zwischen 1931 und 1932 verdoppelte sich noch einmal fast die
Zahl der gemeldeten Arbeitslosen auf knapp 6.000.691 Die Berichte des Delegierten
689 Die „Javna burza rada“, das staatliche Arbeitsamt, in Split, mit seinen Zweigstellen in Sibenik,
Dubrovnik und Kotor, führte im Jahr 1932 12.180 Personen auf ihre Gebiet (7.904 od. 64%
davon in Split) in seiner Erwerbslosenstatistik. Verglichen mit den Zahlen von 1928 war dies
ein Zuwachs um 5.523 Arbeitssuchende. Mehr als die Hälfte der gemeldeten (6366 od.
52,26%) waren qualifizierte Facharbeiter, gefolgt von unqualifizierten, festangestellten Arbei­
tern (3.875 od, 31,81 %), unqualifizierten Saisonkräften (1.760 od. 14,45) und 179 oder 1,48%
Angestellten. Izvjestaj Trgovacke i obrtnicke komore u Splitu za 1928-1929. godinu, Split
1929, S. 236f.; Sitin, Nezaposlenost, S. 222.
690 Privrednicka rijec v. 12.10.1929; Sitin, Nezaposlenost, S. 232, ders., Karakteristike gospodar-
stva, S. 187.
691 Vgl. PAS, Banska uprava Primorske banovine, Periodicni izvjestaj o poslovima opce uprave,
Izvjestaj RK Split Ministarstvu socijalne politike i zdravlja o stanju neuposlenih v. 01.05.1932,
fase. 9.; Arhiv Instituta za suvremenu povijest, Fond Radnicke komore - 223/32 - Zapisnik
sjednice Upravnog odbora Radniclke komore u Splitu od 30.12.1932 u. 27.01.1933; Sitin,
Nezaposlenost, S. 223. Aus den Berichten der Arbeiterkammer zwischen 1931 und 1933 geht

304
Folgen des sozialen Wandels

Marko Kurtini auf der in Belgrad abgehaltenen 5. Konferenz der Arbeiterkammern


im Dezember 1932 malten die Situation an der Küste schwarz in schwarz. Die Krise
der Zementindustrie und ihrer Zulieferer aus den Steinbrüchen, sowie die darnieder­
liegende Seeschiffahrt, hätten zehntausende von Arbeitsplätzen vernichtet. Die größte
Gefahr für die qualifizierten Kräfte sah er jedoch im „Zustrom“ der „jämmerlich
armen Bauern aus der Zagora“. Die Mittel der Arbeiterkammern und der Arbeitsäm­
ter seien viel zu gering, um die Situation bessern zu können. Auch die Hilfe der
Banschaftsverwaltung und karitativer Einrichtungen seien nur Tropfen auf den heißen
Stein. Die Gemeinde Split hätte gar „in ihrem Haushalt keinen Pfennig für arbeitslose
Arbeiter vorgesehen.“692
Anfang 1933 startete die Banschaftsverwaltung ein erstes öffentliches Arbeitsbeschaf­
fungsprogramm mit einem Volumen von 650.000 Dinar, sowie zusätzlich die Summe
von 150.000 Dinar als Hilfe zum Lebensunterhalt für diejenigen, die an den öffentli­
chen Arbeiten nicht teilnehmen konnten.693 Doch die Arbeitslosigkeit blieb unverän­
dert hoch bis Mitte der 30er Jahre.694 Sitin ist der Ansicht, daß man „noch mindestens
die dreifache Zahl an proletarisierten Bauern der dalmatinischen Zagora“ und „einige
hundert arbeitslose Intellektuelle mit akademischer Ausbildung“ zu den offiziellen
Zahlen der Statistik hinzuzählen muß, um ein realistisches Bild von der Situation auf
dem dalmatinischen Arbeitsmarkt der Zwischenkriegszeit zu bekommen. Tatsächlich
gab es keine offizielle Beschäftigungsstatistik, und die Arbeitslosenstatistik vom Ar­
beitsamt war „unvollständig, weil nur solche Arbeiter darin geführt werden, die ge­
meldet waren; da aber keine Meldepflicht bestand, meldete sich auch niemand, solange
er nicht Hilfe vom Arbeitsamt beantragte“.695 Da die Kassen des Arbeitsamtes leer
waren, und die Arbeitgeber, über die der Kontakt mit der Behörde meistens lief, in
der Regel kein Interesse an einer engen Zusammenarbeit hatten, sind die Schätzungen,
daß während der Weltwirtschaftskrise in Dalmatien zwei Drittel der Arbeiterschaft

hervor, daß die Zahl d. Arbeitslosen in diesem Zeitraum v. 3.510 auf 5.922 stieg, davon 2.400
arbeitslose Saisonkräfte.
692 Peti kongres Radnickih komora 1932, Beograd 1933, S. 44-47, Sitin, Karakteristike, S. 189.
693 Arhiv Instituta za suvremenu povijest, RK-1675/33, Protokoll v. 24.02.1933, Arhiv Jugosla-
vije, Fond Ministarstva trgovine i industrije, 65-1008-1894, Izvjestaji Radnicke komore o
nezaposlenosti radnika, hier zit. nach Sitin, Nezaposlenost, S. 224 u. 227 u. ders., Karakteri­
stike gospodarstva, S. 190f.
694 1 932 stieg die Arbeitslosigkeit auf 10.076, 1933 auf 13.789 gemeldete Fälle. Erst in der zweiten
Hälfte der 30er Jahre ging sie wieder leicht zurück: 1936 sind es nach den Angaben der
Arbeiterkammer noch 7.485 und 1937 6.890 gemeldete Arbeitslose in der Region. In den
Jahresstatistiken fällt der leichte statistischen Rückgängen in den Wintermonaten auf, bedingt
durch die Rückkehr vieler Bauern-Arbeiter in ihre Dörfer im Hinterland. PAS, Banovinska
uprava Prim, ban., Izvjestaj o privrednim prilikama, fase. 7; genaue Zahlen f. die einzelnen
Berufsgruppen b. Sitin, Nezaposlenost, S. 224ff. od. ders., Karakteristike gospodarstva, S. 188.
695 PAS, fase. 7, Izvjestaj o privrednim prilikama, Statistika kvalificiranih i nekvalif. radnika v.
14.01.1934.

305
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

dauerhaft oder zeitweise arbeitslos waren, sicher authentisch.696 Die Fluktuation war
(wg. der höheren Löhne) bei Männern deutlich größer als bei Frauen.697 Viele blieben
dauerhaft ohne Arbeit und reisten in andere Orte, auf der Suche nach irgendeiner, wie
auch immer gearteten Arbeit. Tatsache ist, daß es bis zum Auseinanderfallen des Staa­
tes nicht gelang, das Arbeitslosenproblem in den Griff zu bekommen, „welches eines
der akutesten Probleme der Sozialpolitik des alten Jugoslawien war.“698
Eine in Dalmatien oft gebrauchte Strategie, Arbeitslosigkeit und Not zu entkommen,
war die Auswanderung. Unter den Auswanderern aus dem damaligen Königreich Ju­
goslawien waren jene aus Kroatien am zahlreichsten, und unter ihnen die Bauern.
Viele kehrten jedoch wieder zurück, v. a. in den Jahren der Wirtschaftskrise, als die
Arbeitslosigkeit in den Aufnahmeländern stark zunahm.699 Zehntausende Menschen
wanderten in der Zwischenkriegszeit aus Dalmatien aus, darunter besonders viele
Bauern von den Inseln.700 Für viele war die wirtschaftliche Emigration „trbuhom za
kruhom“ (mit dem Bauch dem Brot nach, wie es sprichwörtlich in Dalmatien hieß
und heißt) die einzig verbliebene Chance. Mehr als drei Viertel wurden in den Aus­
wanderungsstatistiken als „Landarbeiter“ geführt.701 Nach 1921, nach Verabschiedung
eines Immigrationsgesetzes in den Vereinigten Staaten, durften jährlich 6.426 Personen
aus Jugoslawien einwandern, ab 1924 durften jährlich nur noch 671 Südslawen in die
Vereinigten Staaten von Amerika einreisen.702 Die Zahl der illegalen Immigranten muß
aber erheblich gewesen sein, da die von der „Handels- und Gewerbekammer“ geführ­
ten Statistiken z.B. für das Jahr 1927 verzeichneten, daß von 21.976 Personen, die
nach Übersee ausgewandert waren, 3.652 aus Dalmatien stammten.703 Während der

696 Vgl. die Artikel in „Narodno blagostanje“ u. Primorska posta v. 11.07.1935.


697 Erst 1938 erreichte die Zahl der gemeldeten Beschäftigten, mit 12.481 auf dem Gebiet Dalma­
tiens, wieder die Durchschnittswerte von 1931. Die Zahl der Arbeitslosen in der Küstenban­
schaft im August 1937 war mit 7.835 größer als die Anzahl der Beschäftigten (7.827). 1938
stieg die Zahl der in Split arbeitslos gemeldeten wieder auf 9.539, das Arbeitsamt konnte nur
212 Stellensuchende vermitteln. Arbeitslosenhilfe und Reisekostenzuschüsse wurden in 4.161
Fällen gewährt. Ende August 1939 waren auf dem Gebiet der Arbeiterkammer immer noch
7.990 arbeitslose Arbeiter gemeldet (davon 2.430 Saisonkräfte).
698 Sitin, Nezaposlenost, S. 227.
699 Zwischen 1929 und 1934 emigrierten 26.384 Menschen aus der Savska und Primorska bano-
vina, im selben Zeitraum kehrten 20.919 Personen aber auch zurück; vgl. Izvjestaj Komore
za trgovinu, obrt i industriju u Zagrebu za godinu 1929, S. 16.
700 Institur za Geografiju sveucilista u Zagrebu (Hg.), Juzno Hrvatsko primorje (Das südkroati­
sche Küstengebiet), Zagreb 1974, S. 54; Dimitrijevic, Privredni razvitak, S 64; Buktenica,
Frane/Mihovilovic, Miro, Iseljenistvo sa Solte (Die Emigranten v. Solta), S. 135-139.
701 So bezeichneten sich in einer Aufstellung von Berufen von Überseemigranten aus dem Jahr
1929, bei 2801 „verdienenden Familienmitgliedern“ der Auswanderer, 166 als qualifizierte
Arbeiter, 336 als unqualifizierte Arbeiter und 2126 als Landarbeiter; Dimitrijevic, S 65.
702 Puric, Bozidar, Nasi iseljenici (Unsere Auswanderer), Beograd 1929, S. 65; Holjevac, Veceslav,
Migraciona kretanja u razdoblju izmedu dva svjetska rata (Migrationsbew. in der Zeit zwischen
den Weltkriegen), in: Hrvati izvan domovine (2. erw. Ausg.), Zagreb 1968, S. 38-62, hier S. 39.
703 Izvjestaj Trgovacke i obrtnicke komore u Splitu za 1927. g., S. 143. Im selben Jahr seien 5753

306
Folgen des sozialen Wandels

Weltwirtschaftskrise gingen die Auswandererzahlen auch in Dalmatien zurück. Schon


1929 konnten weniger Menschen emigrieren. Viele potentielle Auswanderer aus Dal­
matien konnten auch das Geld für Fahrkarten etc. nicht mehr aufbringen. Nachdem
die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Immigrationsbestimmungen drastisch ver­
schärft hatten, wurden Argentinien, Chile, Neuseeland oder Australien zu den bevor­
zugten Zielen.704 Auch nahm die Arbeitssuche in europäischen Ländern (Frankreich,
Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande) deutlich zu.705
Die offiziellen Statistiken zwischen 1918 und 1938 verzeichneten insgesamt um die
75.000 Auswanderer aus Dalmatien und dem kroatischen Küstenland.706 Dabei muß
aber beachtet werden, daß zwischen 1929 und 1931 20.627 Personen zurückkehrten.707
Wie man anhand der Zahl der ausgegebenen Pässe nachverfolgen kann, fiel die Zahl in
der Küstenbanschaft von 5.349 Emigrantenpässen im Jahr 1930 auf 1.703 im folgenden
Jahr und 1932 auf nur 781, „mit weiterer Tendenz nach unten“.708 Die Geldtransfers
in die Heimat hielten manches dalmatinische Dorf am Leben. Nach den Berechnungen
von Jovan Dunda flössen in der gesamten Zwischenkriegszeit rund 250 Millionen US-
Dollar nach Jugoslawien;709 die Arbeitsemigranten verdienten ein Drittel mehr als alle

Personen in die Heimat zurückgekehrt, davon 718 nach Dalmatien. Viele Inseln hatten einen
Bevölkerungsrückgang wg. der Auswanderung zu verzeichnen; so fiel die Einwohnerzahl auf
Brac V. 22.969 (1910) auf 17.321 Ew. 1931.
704 Die Quotengesetze waren von den USA schon Ende des Ersten Weltkriegs eingeführt worden
und sollten 2% des Anteils der Bevölkerungszahl von 1890 nicht überschreiten. Mit der
Verdrängung von Ausländern vom amerikanischen Arbeitsmarkt kam es zu Remigrationswel-
len. Zwischen 1920 und 1923 kehrten 43.148, zwischen 1919 und 1938 114.200 „Transatlantik­
wanderer“ (Calic) in ihre alte Heimat zurück. Vgl. Ostojic, Despot, Nase zakonsko uredjenje
iseljavanja i doseljavanja (Unsere gesetzliche Regelung der Ab- u. Zuwanderung), in: Eko-
nomsko-finansijski zivot 4 (1934), S. 276-281 u. Statisticki godisnjak 1929, S. 131.
705 Zwischen 1929 und 1934 wanderten 80.548 Arbeitssuchende aus dem Gesamtstaat in die euro­
päischen Aufnahmeländer ab, während im gleichen Zeitraum 34.427 Personen von dort zu­
rückkehrten; Calic, S. 374.
706 Allein in den Jahren 1924 und 1927-29 mußten 20.439 Menschen aus diesem Gebiet emigrie­
ren; Holjevac, S. 41 f. Im Zeitraum 1921-29 kehrten 6288 Emigranten nach Dalmatien zu­
rück; ebenda, S. 56, Tab. 6. Sitin (Karakteristike gospodarstva, S. 192f.) spricht von „1000
jährlich“ bis 1924, u. zw. 1921-28 von 20.119 bzw. 3,16% der dalm. Bevölkerung. Weiterf.
Lit.: Antic, Ljubomir, Hrvati i Amerika, Zagreb 1992; Bartulica, M., Iseljenicko pitanje s
osobitim obzirom na Dalmaciju (Die Auswanderungsfrage unter besonderer Berücksichti­
gung Dalmatiens), Zagreb 1928; Mirosevic, Franko, Iseljavanje iz Dalmacije u razdoblju od
1921. do 1929. (Auswanderung aus Dalmatien in der Zeit von 1921 bis 1929), in: Radovi
Zavoda za hrvatsku povijest, 21/1988, S. 109-111.
707 Privrednicka rijec v. 10.07.1929.
708 Zapisnik sjednice TIK u Splitu od 24.02.1934 u. Zapisnik plenarne komorske sjednice 1934,
Split 1934, S. 12; Sitin, Karakteristike gospodarstva, S. 193; Hauptsächlich kamen die Emi­
granten aus d. Kreisen Split, Metkovic, Korcula, Hvar u. Sibenik; Glasnik Primorske banovine
v. 1.03.1939.
709 Vgl. Dunda, Jovan N., Znacenje iseljenickih ustednji za nasu placevnu bilancu (Die Bedeutung

307
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

ihre Landsleute in Jugoslawien.710 Die Rückkehr von Emigranten verschärfte ange­


sichts der desolaten ökonomischen Zustände die soziale Lage in der Region. Unter
welchen Bedingungen während der Zwischenkriegszeit in den dalmatinischen Städten
gelebt wurde, soll durch einen Blick auf die Situation in Split deutlich werden.
Die große Mehrheit in den Landarbeiter-Vorstädten bzw. Vierteln Splits lebte nicht
viel besser als die Landbevölkerung: Rückständigkeit, harte Arbeitsbedingungen, jäm­
merliche Wohnverhältnisse, Analphabetentum711 blieben noch lange vorherrschende
Merkmale der Lebenswirklichkeit der städtischen Unterschicht.712 Die Standes- oder
Klassengrenzen schienen zementiert, auch wenn die Überzeugungskraft des „nationa­
len Gedankens“ im 20. Jahrhundert schließlich bei allen in der Stadt lebenden Schich­
ten verbreitet war. Der Unterschied „izmedu sesira i seljacke kape“ (zwischen Hut
und Bauernmütze)713 aber durchzog trotzdem noch alle Ebenen des Lebens. Als
Hauptkennzeichen der sozialen Struktur Splits galt der Anteil von zwei Dritteln „te-
zacke ruke“ (wörtl. Landarbeiterhände)714 an der gesamten Einwohnerschaft der
Stadt. Noch 1927 sprach Zivko Vekaric davon, daß die Einwohner von Split, „obwohl
sie innerhalb der Stadt wohnen, nach der Art ihres Wirtschaftens und Lebens zu 50 %
Bauern sind“.715 Der die alte Heimat wiederbesuchende, nach Amerika ausgewanderte
Louis Adamic beschrieb Split ebenfalls als geprägt durch die Landarbeiter: „Die Hälfte
der Einwohner Splits sind Landarbeiter (tezaci). Sie leben in der Stadt, fast inmitten
des Palastes. Ihre Felder, Weinberge, Obstbäume und Scheunen befinden sich außer­
halb der Stadt. Das mag dem Fremden seltsam erscheinen, aber dies ist auch in anderen
Städten Mitteldalmatiens der Fall. Trogir und Sibenik zum Beispiel, zwei ansonsten
bedeutendere Orte, die sich nördlich von Split befinden und die gewöhnlich als Städte
bezeichnet werden, sind hauptsächlich Landarbeitergemeinden“.716
Außerhalb der Mauern des Diokletianpalastes,717 in den Stadtvierteln „Veli Varos“,
„Lucac“, „Manus“ und „Dobri“, lebten die „tezaci“. Einst waren diese Viertel Dörfer

der Ersparnisse der Emigranten für unsere Zahlungsbilanz), in: Ekonomist 6 (1940), S. 142—
154, hier S. 144
710 Ivsic, Milan, Finansiranje nase privrede putem iseljenickog kapitala (Finanzierung unserer
Wirtschaft durch Emigrantenkapital), in: Finansijski arhiv 1 (1931), S. 235-248.
711 Die Analphabetenrate für das Jahr 1921 in Dalmatien wird mit 49,5 % angegeben; vgl. M. C.
Kaser u. E. A. Radice (Hg.), The Economic History of Eastern Europe 1919-1975 Bd. 1
Economic structure and performance between the two wars, Oxford 1985, S. 139.
712 Die Sterberate in den Elendsvierteln stieg sogar noch an., Novo doba v. 3.1.1925, S. 3; im Jahr
1924 starben 777 Personen in jenen Vierteln in Split, 1923 599.
713 ebenda, S. 8.
714 Marjanovic, Milan, Spljet, in: Zvono Nr. 22 (Zagreb) v. 22.10.1909, S. 588.
715 Vekaric, Zivko, Split u par poteza (Split in groben Zügen), Istarska Rijec v. 13.1.1927, hier
zit. nach Kudrjavcev, S. 273.
716 Adamic, Louis, The Native’s Return, New York 1934, S. 171.
717 So „originell und interessant“ die Spliter Altstadt auch sei, schrieb der Spliter Architekt
Hranko Smodlaka, „so ungesund und ungeignet zum Wohnen“ wäre sie auch. Es gäbe „ganze
Straßen, deren Boden im Laufe von 1000 Jahren kaum ein Sonnenstrahl gestreichelt hat, die

308
Folgen des sozialen Wandels

vor der Stadt gewesen; im 20. Jahrhundert gehörten sie nun vollkommen zur Stadt,
ohne daß ihre Einwohner damit zu „Stadtbürgern“ im eigentlichen Sinne geworden
wären. Noch in den 20er Jahren berichtete die Tageszeitung für ihre Leser, die obige
Stadtviertel nur vom Hörensagen kannten, von einer anderen exotischen, armen, ar­
chaischen Welt, wo Landarbeiter, Fischer, Tagelöhner, Hafenarbeiter, kleine Handwer­
ker und „Gesindel“ lebte. Dieser anderen Welt konnten die Bürger zwar jeden Tag an
bestimmten Plätzen der Stadt begegnen, sie blieb ihnen aber dennoch fremd. Berichte
von Überfällen und Schlägereien in den verwinkelten und unbeleuchteten Gäßchen
des „Varos“, und Schlagzeilen, die die Entdeckung und Verhaftung irgendwelcher
Übeltäter in jenem Stadtteil verkündeten, bestärkten die Bürger in ihrer Auffassung,
daß es besser sei, jene Welt zu meiden. I. V. Skurle faßte die damalige Auffassung der
„besseren Kreise“ in Novo doba so zusammen: „Veli Varos ist eine Brutstätte der
Kriminalität, eine Höhle des Lasters und der Armut“.718
Die Häuser in jenen Vierteln sahen nicht viel anders aus, als auf den Dörfern. Marko
Uvodic hat die „normalen, gewöhnlichen Unterkünfte“ so beschrieben: „Vor jedem
Haus ein Hof mit den dazugehörigen Schweinekoben, dem Häuschen für den Eber. In
einem Hof eine Eberesche, am Hofende ein Stechapfel, im anderen Hof eine große Feige,
ein Stechapfelstrauch und Stricke zum Wäschetrocknen. Die Häuser sind aus Stein. Un­
ten ist die konoba (Vorrats-, Weinkeller) mit der großen Holztür. Dann die „bala-
tura“;719 der erste Stock sind zwei Kammern, drüber die Küche mit ein paar Fensterchen,
auf den Dachziegeln ein Haufen kleiner Schlote. Direkt über dem Fenster ist ein Stück
Dachziegel, der nach oben gebogen ist, den nennen sie „Schwalbe“, doch die Kinder
haben sie schon lange mit Steinen zerschmisssen. (...) nur durch die Fenster sieht man
die Schwärze der Küche, (...) doch auch die Fenster sind schwarz, denn der Rauch ent­
weicht mehr durch die Fensteröffnungen, als durch den Schornstein.“720
man mit Fug und Recht als Brutherde von Bazillen bezeichnen kann“; Smodlaka, Hranko,
Regulacioni plan Splita, Split 1939, S. 4.
718 Ilijic Skurla, Verka, Mlada Nedija, in: Novo doba v. 21.4.1935, S. 7f. In ihren Beschreibungen
der Zustände schildert sie quasi dehumanisierte Wesen, wobei es unklar bleibt, ob sie sie als
Mitmenschen sah, sicher jedoch nicht als Mitbürger: „In einer der Sackgassen des Varos,
beinahe schon unterirdisch, hauste eine seltsame Gesellschaft (cudna skupina celjadi): Vater,
Mutter, Oma, Uroma, die Söhne, Töchter, männliche und weibliche Kinder, (...) kaum kann
man die Gesichter unterscheiden. Und dort in ihrem Loch war es unglaublich dunkel, selbst
Kerzen zündeten sie so gut wie nie an (...) sie waren überhaupt keine Spliter. (...) Sie spitzten
aus ihren Löchern, wie die Ratten, dann wieder schwupp! - hinein, sobald jemand kommt.
(...) Ein kleines eisernes Bettgestell, von irgendwoher angeschleppt, die heilige Jungfrau über
dem Kopfende angenagelt, ein par umgestürzte Kisten, ein Bildchen an den Spiegel, ein
Tisch - so - fertig ist das Haus.“
719 Von lat balatorium; charakteristischer Teil eines dalmatinischen Steinhauses: es handelt sich
um eine Fläche, eine Art kleiner Terrasse oder Balkon, meistens vor dem Eingang im Oberge­
schoß - gewöhnlich führt eine Steintreppe an der Außenseite des Hauses zu ihr; man muß
diesen (manchmal nur lxl m) freien Raum durchqueren, um ins Haus zu kommen; unter ihr
befindet sich der Eingang in die konoba, den Wein- bzw. Vorratskeller.
720 Vgl. Uvodic, Marko, Libar I, Zagreb 1940, S. 65, hier zit. nach Kudrjavcev, S. 281.

309
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Über die Menschen, die in den „schlechten Vierteln“ Splits lebten, hieß es 1928 in „Novo
doba“: „Es ist große Armut und viel Unglück in der Gesellschaft. Überall wird nach
Hilfe verlangt. Der Staat hilft nach allen Seiten hin, aber so groß die Hilfe auch ist, sie
reicht nicht hin!“721 Die Opposition mahnte die Sanierung der „Tuberkulose-Gebiete“
im Varos immer wieder an. „Kultur und Fortschritt auf der einen, und Primitivität und
Armut auf der anderen Seite“ würden sich nach Meinung des HSS-Stadtrats Jozevic
nicht vertragen. Von der Opposition im Gemeinderat wurde gefragt, was die Gemeinde­
verwaltung zu tun gedenke, angesichts der „fast täglich zu lesenden Nachrichten“ über
die Unglücksfälle unserer Armen, die in der Zementfabrik Split-Majdan arbeiten müs­
sen. Es sähe so aus, als ob „weder der Fabrikleitung noch den staatlichen Behörden die
Leben unserer Arbeiter sehr wichtig“ seien, da „nichts unternommen“ würde.722 Die
Stimmen, die die KP z. B. bei den Gemeinderatswahlen vom 15. August 1926 in Dalma­
tien erhielt (in Split 1267 Stimmen von insgesamt 5792 abgegebenen), wobei ihre Hoch­
burgen die Dörfer Vranjic, Kucina, Mravince und Zrnovnica waren, allesamt Spliter
Vororte in denen viele Arbeiter der Zementfabriken lebten, sind ein Indikator für die
soziale Unzufriedenheit.723 Auch die Zustimmung, die das Sozialrevolutionäre Pro­
gramm der KPJ unmittelbar nach dem Krieg bekommen hatte und der aggressive An-
ikommunismus des Regimes sprechen für die Relevanz der sozialen Frage.

b) Arbeiterleben und -politik

Die Arbeiter in den sich wandelnden Handwerksbetrieben Dalmatiens mußten am


eigenen Leibe erfahren, daß die Zwänge industrieller Arbeit anderer Art waren, als
die, die sie gewöhnt waren. Die agrarische Lebensform, die sie gerade im Begriff waren
zu verlassen, war geprägt gewesen von den natürlichen Wachstumszyklen, die in der
Landwirtschaft strukturiert wurden und den Beschäftigten natürliche Ruhepausen
gönnten. Die Arbeit auf dem Dorf kannte „Phasen maximaler physischer Belastung“,
die sich „mit Perioden beschaulichen Abwartens“ abwechselten, was auch „für alle
Betriebsformen, die sich noch nicht vollständig von der agrarischen Wirtschaftsweise
gelöst hatten“, galt.724 In der Zementindustrie und den Steinbrüchen von Split war es

721 Novo doba Nr. 39 v. 16.02.1928, S. 4.


722 Vgl. Prilog „Jadranske Poste“ Nr. 116 v. 18.05.1928: „47 predloga vijecnika Seljacko Demo-
kratske Koalicije opcinskom nacelniku Dr. Ivi Tartaglia za opcinsko upraviteljstvo u Splitu“.
723 Vgl. A CK SKJ, F. KI, 1926/94, Izvjestaj o opstinskim izborima u Dalmaciji (Bericht über
die Gemeindewahlen in Dalmatien), hier zit. nach Jovanovic, KPJ prema seljastvu, S. 166.
724 Calic, S. 267 und Kap. 4.4 „Der Wandel der Lebensverhältnisse“, S. 321—349. Edward
Thompson hat den Unterschied zwischen häuslich-familiärer und fabrikindustrieller Arbeits­
weise am englischen Beispiel herausgearbeitet, seine Befunde lassen sich auch im südslawi­
schen Raum verifizieren. Thompson, E. P., Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse,
Bd. 1, Frankfurt/M. 1987.

310
Folgen des sozialen Wandels

damit vorbei. Die steigende Zahl von Hausierern war ein Indikator für den Fortschritt
bei der Zerstörung traditioneller ländlicher Lebenswelt bei gleichzeitigem Defizit von
Arbeitsplätzen in der Stadt. Sofern sie nicht gleich Objekt staatlicher Polizeirepression
wurden, waren sie den eingesessenen Händlern eine lästige Konkurrenz. Einerseits
sah sich die Kammer zwar verpflichtet zu betonen, daß „diese Leute nicht anders
überleben können“, aber trotzdem würde es sich um eine nichtloyale Konkurrenz für
die einheimischen Geschäftsleute handeln; auch würden „diese Leute, ja im Gegensatz
zu den ordentlichen Händlern, dem Staat keinerlei Abgaben zahlen“. So schlugen die
Kammerfunktionäre vor, wie ihrer Meinung nach das Problem gesetzlich zu regeln
sei. Lichtbildausweise für genau definierte Personengruppen (Kriegsinvaliden etc.), die
nur bestimmte Waren (aus Heimarbeit hergestellte und „Nürnbergerische Kleinwa­
ren“ etc.) feilbieten dürften und in Zwangsvereinigungen organisiert sein sollten, wa­
ren Maßnahmen, die Abhilfe schaffen sollten. Vor allem in den Städten und Ortschaf­
ten, wo es genügend Händler gäbe, sollte Hausieren generell verboten sein.725 Die
„Bekämpfung des Hausierertums“ wurde mit den Jahren ein „drängendes Problem“.
Die Kammer in Split befürwortete Ende 1939 bei einer geplanten gesetzlichen Rege­
lung, daß „den Bewohnern der passiven Regionen auch weiterhin Genehmigungen
zum Hausieren ausgestellt werden“ sollten, denn „vielen“ würde sonst „die Existenz­
grundlage entzogen“. Das gelte „besonders“ für die passiven Gebiete in Dalmatien,
Bosnien und der Herzegowina. „Diese Hausierer (kucari) gibt es auch genug bei uns“,
hieß es in einem Bericht. Doch dürfe der Verkauf nicht „auf Erzeugnisse aus Heimar­
beit“ beschränkt werden, denn „unsere Hausierer gehen seit jeher mit Fabrikware von
Haus zu Haus, d.h. Messern, Scheren, Rasierklingen, Nähgarn, Seife, Schnürsenkel
und anderen Kleinwaren“. Jede Beschränkung dieses Sortiments würde diesen Men­
schen „die Möglichkeit entziehen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen“. Dieses würde
„die Revolte jener Menschen, die seit jeher von solcher Arbeit leben“, heraufbeschwö­
ren. „Wir zweifeln, daß der Banus von Kroatien diesen Vorschlag annehmen möchte,
und so diesen einfachen Menschen ihr Brot nehmen würde.“726
Dem „Ansturm“ der Arbeitssuchenden „aus der Lika, aus Dalmatien und aus Bos­
nien“ auf die Hauptstadt des gemeinsamen Staates, und den „elenden Lebensverhält­
nissen“, die nicht nur die „Neuankömmlinge“ in Belgrad erwarteten, sind sehr ein­
dringliche Kapitel in der „Sozialgeschichte Serbiens“ gewidmet worden.727 Wie hatte
die Lebenssituation derjenigen, die Dalmatien verlassen hatten, zuhause ausgesehen?

725 Trgovacka i obrtnicka komora u Splitu (Hg.), Izvjestaj o djelovanju trgovacke i obrtnicke
komore u Splitu Mart 1927. - April 1928., Split 1928, S. 105-108.
726 Nach Mitteilung der zuständigen Behörden wurden 1938 im Kreis Imotski 382, Tomislavgrad
165, Livno 115, Split 114, Sinj 97, Bugojno 25, Benkovac 12, Travnik 9, und Prozor 2 Geneh­
migungen ausgegeben bzw. verlängert. Vgl. Privredni problemi podrucja T. I. Komore Splita
(Wirtschaftsprobleme auf dem Gebiet der Handels- u. Gewerbekammer Split), S. 1, PAS Sign.
Inv. h. 2593, S. 210f.
727 Calic, Kap. 5 „Hungerberufe und soziale Anpassungsreaktionen“ u. „Alte und neue Armut“,
S. 390-401.

311
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Nach den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Januar 1921 zählte Dalmatien
620.432 Einwohner, davon entfielen 31.549 auf die Stadt Split.728 In der Statistik der
Arbeiterkammer, die knapp 15 % der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze
sah, gliederte sich die Einwohnerschaft folgendermaßen auf:

Tabelle XXV: Einwohner Dalmatiens nach Erwerbszweigen 1929

Industrielle, Händler u. Handwerker 28.000 Pers. (4,48 %)


Fischer und Seeleute 75.000 (12,00%)
Lohnarbeiter und Angestellte 130.000 (20,80%)
Viehhalter - Landarbeiter 43.000 (14,96%)
Bauern - Landarbeiter 286.000 (45,76%)
Staatsbedienstete u. Angestellte 12.000 (2,88 %)

625.000 Personen (100%)

Quelle: Privreda i radnici u Dalmaciji. Izvjestaj Radnicke komore o radu u 1928. i 1929. godini
(Die Wirtschaft und die Arbeiter in Dalmatien. Bericht über die Tätigkeit der Arbeiterkammer
1928 u. 1929), Split 1929, S. 2.

86.000 Menschen lebten nach den Statistiken der Arbeiterkammer in den 18 stadtähn­
lichen Ansiedelungen oder Städten Dalmatiens, davon seien „6000 Pauper, die größ­
tenteils in den Vororten leben (...) und insgesamt 14,72% der Gesamtbevölkerung
ausmachen“.729 Tatsächlich hatte, durch Landflucht und Pauperisierung des Dorfes,
ein spürbarer sozialer Differenzierungsprozeß stattgefunden. In wenigen Jahrzehnten
war die städtische Bevölkerung um 121 % angestiegen. Was läßt sich über die Lebens­
und Arbeitsbedingungen der Arbeiter in den dalmatinischen Städten während der
Zwischenkriegszeit sagen?
Wie gezeigt worden ist, war die Einrichtung der Sozialversicherung und die Verab­
schiedung von Arbeitsschutzgesetzen im Königreich der Serben, Kroaten und Slowe­
nen „eindeutig Resultat internationaler Vereinbarungen, welche die Siegermächte ih-

728 Die Zählung umfaßte die Kreise (Kotar) Benkovac, Dubrovnik, Zadar, Imotski, Knin, Kor-
cula, Kotor, Makarska, Metkovic, Sinj, Split, Supetar, Hvar und Sibenik. Aufgrund der italieni­
schen Okuppation von Teilen der Kreise Benkovac, Zadar, Knin, Hvar und Sibenik, sowie
der Gemeinden Mljet, Blato, Vela Luka, Korcula, Lecevica, Muc, Trogir und Kijevo wurden
die Daten der 1910 durchgeführten Erhebung miteinbezogen. Vgl.: Definitivni rezultati po-
pisa stanovnistva od 31.01.1921, Sarajevo 1932, S. 250.
729 Privreda i radnici, S. 2. Die IHK sah in den Arbeiterkammern die für Sozialpolitik zuständige
Institution. 1930 gab es auf dem Gebiet des Königreiches 6 dieser Arbeiterkammern. Die
Kammer in Split war mit 26.101 Mitgliedern die kleinste. Die Industrie- und Handelskam­
mern fungierten als eine Art Arbeitgeberinteressenvertretung und stritten sich mit den Arbei­
terkammern um Arbeitszeit, Versicherung der Arbeiter und die Befugnisse der Arbeitsinspek­
tionen; vgl. Cuvaj, Adolf/Mohoric, Ivan (Hgg.), S. 52f. Dort auch die Mitgliederzahlen für
die Arbeiterkammern in Sarajevo (26.101), Novi Sad (77.184), Ljubljana (79.683), Beograd
(78.837) und die größte in Zagreb, mit 150.777 Mitgliedern.

312
Folgen des sozialen Wandels

ren schwächeren Verbündeten im Rahmen der Friedensverträge aufoktroyierten“. So


wurden die Einführung des Achtstundentages, Koalitionsfreiheit, Verbot der Kinder­
arbeit und andere sozialpolitische Grundsätze festgeschrieben. Die „arbeitsrechtlichen
Mindestanforderungen“ waren in der Vidovdan-Verfassung von 1921 garantiert, die
in Artikel 31 Versicherungen gegen Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit und Renten
für Hinterbliebene vorsah.730 Der gesetzgebende Ausschuß des Parlaments nahm das
vom König am 14. Mai 1922 Unterzeichnete „Gesetz über die Arbeiterversicherung“
am 3. Dezember 1921 an. „Damit“, so kommentierten Juristen, „gehört unser Staat
im Hinblick auf die Sozialgesetzgebung zu den Fortschrittlichsten.“731 Die „soziale
Sicherung der Arbeiter in Jugoslawien“, wozu sich der Staat nach Artikel 405 und 408
des Friedensvertrags verpflichtet hatte, sei nicht „überzogen“, gab der Minister für
Soziales zu Protokoll.732 In 253 Artikeln war die Versicherung des Arbeiters im Falle
von Krankheit und Arbeitsunfähigkeit geregelt.733 Doch die theoretischen Prinzipien,
auf denen der jugoslawische „Wohlfahrtsstaat“ beruhen sollte (Prinzipien der Allge­
meinverpflichtung, Universalität und Gegenseitigkeit; Selbstverwaltung der Sozialbü­
rokratie durch Tarifpartner unter staatlicher Aufsicht734), wurden lokal in Dalmatien
vor Ort nur äußerst mangelhaft umgesetzt.735
Wie den einschlägigen Gesetzen zu entnehmen war, erstreckten sich die Leistungen
der Sozialversicherung auf medizinische Versorgung und finanzielle Unterstützung
für den Versicherten und Angehörige ohne Einkommen, bei Krankheit in Höhe von

730 Calic, Sozialgeschichte Serbiens, Kap. 4.1.3 „Die Anfänge des Sozialstaats“, S. 229-235, hier
S. 229f., die die „Reorganisation von Staat und Gesellschaft“ und den mit der Industrialisie­
rung einhergehenden Aufbau der Wohlfahrtspflege beschreibt.
731 Vgl. Zakon o osiguranju radnika od 14. Maja 1922. sa objasnjenjem od Dra Vilima Helebranta
(Gesetz über die Arbeiterversicherung v. 14.05.22 mit Erläuterungen), Zagreb 1925., S. III.
732 Novo doba Nr. 50 v. 01.03.1930.
733 Grcevic, Duro, Socijalno osiguranje u Jugoslaviji (Die Sozialversicherung in Jugoslawien), in:
Radnicka zastita21/1939, S. 252-266; Ugarkovic, Stipe, Razvoj socijalnog osiguranja. Historij-
ski razvitak socijalnog osiguranja Jugoslavije od prvih pocetaka do konca 1941. godine (Die
Entw. der Sozialvers. Hist. Entw. der Sozialvers. in Jug. von den ersten Anfängen bis Ende 1941),
Zagreb 1957; Lakicevic, Dusan, Misao i praksa socijalne politike Jugoslavije izmedu dva svetska
rata (Theorie u. Praxis der jug. Sozialpolitik zwischen den Weltkriegen), Beograd 1976.
734 Ganz abgesehen von den evidenten Schwächen, die dieses Sozialversicherungssystem von An­
fang an kennzeichneten, das „auf die Einrichtung einer Arbeitslosenvorsorge“ vollkommen
verzichtet hatte. Auch „schloß das Gesetz einige Berufsgruppen (wie Landarbeiter, Gesinde
und Hausangestellte) von der Versicherungspflicht aus; (...) (und) die jugoslawische Sozialver­
sicherung (leistete) ihren Mitgliedern im Bedarfsfall nur geringste medizinische und finanzielle
Unterstützung.“ Schließlich „hat sich die Verwirklichung des Projektes um Jahre verzögert.
Während man die Kranken- und Unfallversicherung unmittelbar einführte, wurde der Ausbau
der übrigen Zweige aus finanziellen Gründen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und
praktisch erst 1937 verwirklicht. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten also keinerlei Ansprüche
auf eine Alters-, Invaliden- oder Hinterbliebenenrente erworben werden“. Vgl. Calic, S. 231.
735 Noch 1938 „gestand“ sogar der Gesundheitsminister „freimütig ein“, daß „die meisten sozial­
politischen Verordnungen weit von ihrer Verwirklichung entfernt“ seien.

313
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

zwei Dritteln des Arbeitslohnes für eine Dauer von maximal 26 (in Ausnahmefällen
52) Wochen. Arbeitgeber und Arbeiter zahlten je 3 % der Lohnsumme für die Kran­
kenversicherung. Die Kosten für die Unfallversicherung in Höhe von durchschnittlich
1,8% des Gehaltes trugen die Arbeitgeber allein.736 Ein Fünftel der jährlich 240 Mil­
lionen Dinar, die in die Krankenversicherung eingezahlt wurden, verschlang die Büro­
kratie.737 Aufgrund des großen Verwaltungsaufwandes sowie der Größe der Arbeiter­
haushalte waren einige Versicherungsträger bereits in der Mitte der 1920er Jahre in
die roten Zahlen gerutscht. Die Weltwirtschaftskrise riß später noch tiefere Löcher in
die Kassen der Sozialbürokratie.738
Der Widerstand gegen jegliche Sozialpolitik, den Marie-Janine Calic seitens der Klein­
gewerbetreibenden und der Industrieunternehmerschaft „während der gesamten Zwi­
schenkriegszeit“ in Serbien und der Vojvodina ausmachte, ließe sich auch für Dalma­
tien dokumentieren. Die „zweite Säule des modernen Wohlfahrtsstaates“ neben der
Sozialversicherung, der gesetzliche Arbeiterschutz, wurde zwar in Form eines „Arbei­
terschutzgesetzes“ in Jugoslawien errichtet, sie war aber genauso brüchig wie die er­
ste.739 Zeigen läßt sich das mit einem Blick auf die Arbeit der Kontrollorgane, die
die Durchführung der Sozialgesetze und der Arbeitsschutzvorschriften überwachen
sollten. Tatsächlich war der Wirkungskreis der Inspektoren aus institutioneilen und
materiellen Gründen beschnitten. Es fehlten Personal und finanzielle Mittel.740
Auch dem Sozialministerium war bewußt, daß die 390 Paragraphen, die von der Aus­
gestaltung der Arbeitsräume, über Unfallschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz, bis zu
detaillierten hygienischen Vorschriften alles bestens regelten, eine Sache, deren Umset­
zung vor Ort eine ganz andere war.741 Mit der Verordnung des Sozialministers vom
21. April 1920 (Nr. 9851) nahm die Arbeitsinspektion in Dalmatien ihre Arbeit auf.
Für die Kreise Split, Makarska, Imotski, Brac, Hvar, Vis, Sinj, Knin und Sibenik wurde

736 Ostojic, Despot, Nase radnicko i namestenicko zakonodavstvo (Unsere Arbeiter- u. Angestell­
tengesetzgebung), Beograd 1934, S. 79ff; hier zit. nach Calic, S. 232, m. Literaturnachweisen.
737 1 6% der Gesamteinnahmen gab das Zentralamt für Arbeiterversicherung (SUZOR) in den
15 Jahren seines Bestehens für die Verwaltung aus; Calic, S. 429.
738 ebenda, S. 232.
739 ebenda, S. 327ff.; dort auch Aufzählung aller Neuerungen des Gesetzes v. 28.02.1922, wie
gesetzliche Regelung der Tages- und Wochenarbeitszeit, Gewährung von Erholungszeiten bei
der Arbeit, Schutz v. Frauen u. Jugendlichen, Koalitionsfreiheit, Einrichtung v. Arbeiterkam­
mern, Sicherheitsvorschriften in den Betriebsräumen, Einrichtung einer amtlichen Arbeitsver­
mittlung u. Aufstellung v. Betriebsräten und Berichte der Gewerbeaufsichtsämter über die
tatsächlich katastrophale Situation in serbischen Betrieben.
740 Zakon o inspekciji rada (Gesetz über die Arbeitsaufsicht) v. 20.12.1921. Aber von vornhereihn
unterlagen auch in Dalmatien, was gleichfalls für Serbien festgestellt wurde, „(w)eite Teile
der Wirtschaft, wie die Hausindustrie, die Verkehrsbetriebe und die Bergwerke (...) keiner
unabhängigen Kontrolle“ (Calic).
741 Ministarstvo Socijalne Politike (Hg.), Pravilnik o higijenskim i tehnickim zastitnim merama
u preduzecima (Verordnungen über hygienische u. technische Schutzmaßnahmen in den Un­
ternehmen), Beograd 1922.

314
Folgen des sozialen Wandels

Marko Mladineo zum Inspektor 1. Klasse ernannt. Bis zum Zusammenbruch der Do­
naumonarchie hatte er einer „Handwerksaufsicht“ mit Sitz in Zadar vorgestanden.742
Nach der ersten Inspektion stellte Mladineo fest, daß „die einschlägigen Vorschriften
nur sehr selten beachtet werden“, „Fabriken werden ohne jegliche Genehmigung, und
erst recht ohne den Inspektor zu konsultieren, errichtet“. Aufgezählt wurden „1 große
Zementfabrik, 1 Steinbruch, 1 große Karbid-Fabrik, 1 mechanische Schlosserei, 1
Schnapsbrennerei“. Gleichfalls sei ohne Genehmigung mit dem Bau von etlichen
neuen Industriegebäuden begonnen worden. Und „sehr gern werden (von den Unter­
nehmern, A. J.) alle Schutzmaßnahmen das Leben und die Gesundheit der Arbeiter
betreffend vergessen.“ Auch den „allgemeinen hygienischen und technischen Bedin­
gungen“ könne „kein zufriedenstellendes Zeugnis ausgestellt werden“.743
Tatsächlich spotteten die Zustände in den Werkstätten und Fabrikhallen Dalmatiens
jeder Beschreibung, wie die Zahl der Arbeitsunfälle und die Berichte der Arbeitsin­
spektion deutlich machten: „Auch große Unternehmen, von denen einige heute mit
geradezu gewaltigen Gewinnen arbeiten, weigern sich, die ihnen aufgetragenen Ver­
besserungen einzuführen und versuchen, den wenigen Pflichten (gemeint sind Arbei­
terschutz- u. Hygienebestimmungen, A. J.), die ihnen aufgrund des noch geltenden
österreichischen Gesetzes auferlegt sind, auszuweichen.“744 Besonders erwähnt in die­
sem Zusammenhang, und mit zahlreichen Beispielen belegt, wird die Zement- und
Metallindustrie. Mangelhafte Verpflegung, schlechte Wasserversorgung, schwerste Ar­
beitsbedingungen und extreme gesundheitliche Schädigungen und Gefahren waren am
dalmatinischen Arbeitsplatz die Regel. Wenn von 27 besichtigten Fabriken nur zwei
sanitäre Anlagen hatten, so spricht das eine deutliche Sprache.745 Dasselbe gilt für die
Unterbringung. Von den zahlreichen Fällen sei einer zur Illustration herausgegriffen:
„In einer ansonsten modernen Zementfabrik dienten einige alte Holzbaracken, die
noch vom Bau der Fabrik übriggeblieben waren, als Arbeiterwohnungen. Darin lagen
die Arbeiter einer neben dem anderen in der größten Unsauberkeit auf dem Boden.
Obwohl die Fabrik eine eigene elektrische Beleuchtung besaß, waren die Bretterbuden
vollständig ohne Licht und hatten auch keinen Wasseranschluß.“746

742 Der „Inspektor (nadzornik) I. Klasse“ Guido Malesevic und sein Stellvertreter Marko Mladi­
neo sowie eine Kanzleikraft waren für die gesamte ehemalige k.u.k.-Provinz zuständig. Nach
der Besetzung Zadars durch Italien (4.11.1918) und der Bitte der dalmatinischen Bezirksregie­
rung in Split (Nr. 3492 TR) übernahm Mladineo für den SHS-Teil Dalmatiens die Funktion,
mit Sitz in Split. Zusammen mit einem Helfer, einem Praktikanten und einem Angestellten
(Verordnung d. Sozialministeriums v. 24.9.1920, Nr. 41500). Seine Arbeit nahm er am 19.
August 1920 auf, die ersten Kontrollen fanden ab dem 1. September 1920 statt. 107 Gewerbe­
betriebe mit 3039 Beschäftigten wurden so bis zum Ende des Jahres besichtigt. Ministarstvo
Socijalne Politike (Hg.), Izvjestaj inspekcije rada Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca o njenom
poslovanju u g. 1920., Beograd 1921, S. 186ff.
743 ebenda, S. 27.
744 ebenda, S. 190.
745 ebenda, S. 200.
746 ebenda, S. 202.

315
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Auch konnte von Kündigungsschutz während der Zwischenkriegszeit in Dalmatien


keine Rede sein, wie nachfolgende „Erklärung“ zeigt, die sich die „Aktiengesellschaft
für die Ausnützung der Wasserkraft Dalmatiens“ (Sufid), mit Billigung der Arbeiter­
kammer, von jedem Arbeiter vor Arbeitsbeginn unterschreiben ließ:

Abb. XIV: Die Praxis des Kündigungsschutzes in Dalmatien während der Zwanziger Jahre

Br*jj

Hl

OCITOVANJR
■Ni i

Ja dolje potpisani öcxtjyetn da' nzsinp'tv .


tt, ,l>ögöjnr8w ^OiaiS) y&tmasii, Biöniifeog DVsS’tVft' 25a'igfeori&SivauJe vd&eaiih
Jposlije<i poslife Heget
prö^ttÄla W rastumköla pq^ro^vaua mi* osoba) tzäkt red Hö sada va£i i potvrdjeit
Rad«, u~ Splitn na 19*, Jaaaara 1924. ' -- , ; , . ....
.'Gci&weafr Hk ;da|je da netaatH nlkakva prava na otkazni rok, I za io tuoga osfcavm rad
i, .priznajuc£ da nie Cprava -Tvornice sioze otpustii; u. svaki cas bez ikakve odsteie.
r " V, OäitttJero. rrapokoa 'da heixiattt' nikakva prava na nagrade ili ödste re ma kakve bilo vrstq
fit^€'^^s|kjas/da Jäo'fas* ß'sfcatf za vile 'a&töva ilt da na bezposlen aslijed obustave rada
jkatija ili nedostatka sirovme, kvara na raasfnenjama ili aparatima itd.
, ;V ( " ^ aa--:' q r\ Q f ■
Bßgirat (QmB) na Kf*k' > " rqv

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Quelle: Privatbesitz, zitiert auch bei Stanic, Radnicki pokret, S. 135. Das Dokument lautet in dt.
Übersetzung: „ERKLÄRUNG. Ich, der unterzeichnende Ivan Jakir erkläre, daß ich bei Arbeits­
antritt in der Fabrik in Dugirat (Omis), im Besitz der Aktiengesellschaft zur Ausnützung der
Wasserkraft in Dalmatien (Sufid), die geltende und von der Arbeitsinspektion in Split am 19.
Januar 1924 bestätigte, Arbeitsordnung genau zur Kenntnis genommen habe (nachdem ich sie
gelesen und nachdem sie mir von einer Vertrauensperson vorgelesen und erklärt wurde).
Weiter erkläre ich, daß ich keinerlei Recht auf eine Kündigungsfrist habe, die Arbeit in jedem
Moment verlassen kann und anerkenne, daß mich die Fabrikleitung jederzeit, ohne irgendeine
Entschädigung, entlassen kann. Schließlich erkläre ich, daß ich auch keinerlei Rechte auf Lohn
oder Entschädigung irgendwelcher Art habe, im Falle, daß ich für mehrere Stunden oder Tage
ohne Arbeit bleibe durch Unterbrechung der Arbeit aufgrund höherer Gewalt, des Fehlens oder
Mangels von Rohstoffen, Schadens an den Maschinen oder Apparaten usw.
Dugirat (Omis) am 29.09.1926. Unterschrift Ivan Jakir, geb. 1882 in Brela, Gemeinde Makarska.“

316
Folgen des sozialen Wandels

Im Bericht für 1928-1929 der Arbeiterkammer wurden die üblichen „Arbeitsordnun­


gen“ als oft schlichtweg „gesetzeswidrig“ bezeichnet.747 Darüber daß Arbeiter „teil­
weise sogar unter freiem Himmel schlafen und ohne Unterkunft waren,748 Fälle von
Kinderarbeit, 12-14-Stunden Schichten etc. berichtete die Inspektion,749 die nach ei­
genen Angaben „überall“ nur „auf sehr geringes Verständnis für die Bedürfnisse und
berechtigten sozialen Forderungen der Arbeiterschaft“ stieß.750 Durch den „Mangel
an befähigtem Personal vor Ort“, den auch das Ministerium in Belgrad erkannte, sind
die erhobenen Daten sicher unvollständig, was durch das „Unvertrauen und sogar
Feindschaft“, die den Inspektionen seitens der Arbeitgeber entgegenschlug, noch ver­
stärkt wurde, obwohl sich die Inspektionen bemühten klarzustellen, „daß die Arbeit
der Inspektoren im Interesse der Entwicklung der Industrie ist, und nicht nur zum
Schutz der Arbeiter.“751
Jedenfalls geht aus den Inspektionsberichten klar hervor, daß Arbeitsbedingungen,
Produktionsanlagen und -gebäude, sowie die sanitären Anlagen auch in Dalmatien
nur allzuoft in einem katastrophalen Zustand waren. „Absolutes Unverständnis, was
die Notwendigkeit wenigstens minimaler Sauberkeit am Arbeitsplatz“ anginge, hätte
die Spliter Inspektion angetroffen.752 Die soziale und medizinische Versorgung der
Arbeiter und Angestellten blieb weit hinter dem gesetzlich geforderten Maß zu­
rück.753 Die lokale Sozialversicherungsbehörde war in 23 Kreisbüros organisiert
(Okruzni uredi). Im Mai 1924 waren 17.653 Arbeiter in Dalmatien versichert; 1,20
Dinar betrug der Beitrag pro Tag für die Krankenversicherung; die Unfallversicherung
war noch einmal genauso hoch, und wurde ganz vom Unternehmer bezahlt. Von
Anfang an sperrten sich die Arbeitgeber gegen die gesetzlich auferlegte Verpflichtung,
ihre Beschäftigten anzumelden und Sozialabgaben für sie abzuführen. Ihre Klagen
über Bürokratie und zu hohe Kosten waren oft Gegenstand von Berichten und Konfe­
renzen der Wirtschaftskammer.
In den Berichten der Versicherungskörperschaften war dagegen häufiger die Rede
von den gewaltigen finanziellen Defiziten. Die Schulden für die Aufwendungen zur

747 Izvjestaj Radnicke komore 1928-1929. godine, S. 152; Stanic, Radnicki pokret, S. 136ff.
748 Izvjestaj Inspekcije rada Kraljevine SHS o njenom poslovanju za 1922. god., S. 239.
749 Izvjestaj inspekcije rada Kraljevine SHS o njenom poslovanju u g. 1920., Beograd 1921, S. 209.
750 ebenda, S. 217.
751 Ministarstvo Socijalne Politike (Hg.), Godisnjak o radu Ministarstva Socijalne Politike u god.
1918-1921., III. deo: Izvjestaj Inspekcije Rada za god. 1921., Beograd 1922, S. 6. Es gab
zahlreiche Versuche von Unternehmern und Handwerkern mit Verweis auf die „Obznana“-
das Staatsschutzgesetz, durch die Denunzierung des Inspektors und seiner Helfer als Kommu­
nisten einer Kontrolle und Inspektion ihrer Unternehmen zu entgehen. Dies rief große Unter­
suchungen hervor, und sogar ungerechtfertigte Kündigungen von Hilfskräften, was zur Folge
hatte, daß die Inspektionen ihren Dienst nicht so ausführen konnten, wie es das Gesetz eigent­
lich vorsah.
752 ebenda, S. 476.
753 Okruzni ured za osiguranje radnika u Splitu, Godisnje izvjesce o poslovanju, zakljucnim
racunima i bilanci za godinu 1932., Split 1933.

317
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Sicherstellung der medizinischen Versorgung der versicherten Arbeiter und Angestell­


ten wuchsen von Jahr zu Jahr. In den Berichten wurden als Gründe für das Defizit u.a.
die „Krankenhauskosten“ identifiziert, die zustande kämen, weil „die Bevölkerung
(Bauern) im Verwaltungsbezirk dieses Büros arm ist, so daß im Krankheitsfalle der
Kranke oder ein Mitglied seiner Familie kurzfristige Beschäftigung suchen, um in den
Genuß der Wohltaten, die das Gesetz über die Arbeiter vorsieht, zu kommen“.754
Immer lauter wurden die Warnungen, daß die Sozialversicherung drohe, „bankrott zu
gehen“, da die Ausgaben die Einnahmen übersteigen würden.755 Dabei hielten sich
die Aufwendungen für den einzelnen Versicherten durchaus im Rahmen.756 Der wich­
tigste Gund für die finanziellen Engpässe dürfte in den spärlich fließenden Einnahmen
der Versicherungsbehörde gelegen haben. Viele Arbeitgeber zahlten schlicht ihre Bei­
träge nicht. In der Zagora sei auch die ökonomische Lage der dortigen Arbeitgeber
„wahrhaft fürchterlich, so daß nicht einmal der Staat seine Steuerforderungen einzu­
treiben vermag“, klagte die Sozialversicherung in ihrem Rechenschaftsbericht für
193 6.757 Der Kampf um die Anmeldung und Abführung der fälligen Abgaben mit den
Arbeitgebern war aber mit dem vorhandenen wenigen Personal nicht zu gewinnen.
Insgesamt waren es 1936 mehr als 2 Millionen Dinar Außenstände in Dalmatien. Nur
8,7 % der Forderungen konnten zwangseingetrieben werden. Die Generalbilanz fiel
dementsprechend aus und sagt etwas über die Verhältnisse.758 Sogar zu „Fällen von
tätlichen Angriffen seitens einzelner Versicherter auf Ärzte“ sei es gekommen, die
es, wie der Bericht meinte, „aus lobenswerten Sparsamkeitserwägungen“ ablehnten,
Behandlungen auszuführen, welche „die Behörde ausgenützt hätten“. Doch die Üp­
pigkeit der medizinischen Versorgung erscheint in anderem Licht, wenn man sich
vergegenwärtigt, daß auf dem gesamten Gebiet der Küstenbanschaft, also Dalmatien
und die herzegowinischen und bosnischen Kreise, insgesamt nur 12 festangestellte
und 46 Vertragsärzte zuständig waren. Allein für Split wurde die Zahl der Kranken

754 ebenda, S. 14 u. 19.


755 Trgovinsko-Industrijska i Zanatska Komora - Split: Zapisnik sjednice vijeca T. I. Z. komore
Splita odrzane 19. januara 1933, S. 13.
756 Im Jahr 1932 erhielten 5.011 Personen in Dalmatien Hilfe in Höhe von 527.206 Dinar; das
hieß also 105 Dinar pro versichertem Arbeiter, 1931 waren es 2767 Personen gewesen, die
355.489 Dinar erhalten hatten (128 Din. pro Person). Vgl. PAS-Fond TOK Nr. 54/2 1932 -
v. 11.01.1932.
757 Okruzni Ured za osiguranje radnika u Splitu (Hg.), Izvjestaj o poslovanju u 1936 godini,
Split 1937, S. 13.
758 Eine große Zahl der älteren, erschöpften Arbeiter würde oft krank und falle der Krankenversi­
cherung „zur Last“; die große Zahl der Saisonarbeiter wende sich, „wenn sie beschäftigt sind,
wegen jeder Kleinigkeit an den Arzt“. Dies wurde v.a. bei den Arbeitern, die im Straßen- und
Eisenbahnbau beschäftigt wurden, bemerkt, wo außerdem auch noch die Malaria ausbrach.“
Niedrige Löhne und schlechte hygienischen Bedingungen, schlechte Ernährung und Erschöp­
fung aufgrund der Arbeitsbelastung führe „viele in die Ambulanzen der Behörde, dort suchen
sie Urlaub auf Kosten der Behörde, denn die manuellen Arbeiter haben keinen bezahlten
Jahresurlaub“. Ebenda, S. 14, 23 u. 25.

318
Folgen des sozialen Wandels

im Jahr 1936 mit 38.254 angegeben, die der durchgeführten Untersuchungen mit
94.808.759 Wenn es zu den „Mißständen, die Dalmatiens soziale Wirklichkeit“ vor
1914 bestimmten und im Bewußtsein der Bevölkerung „Opposition gegen Österreich
als Akt der Selbsterhaltung erscheinen lassen konnten“ die „unzureichende medizini­
sche Versorgung“ gezählt werden muß,760 dann galt das sicher auch für die Zustände
im jugoslawischen Staat.
Die Krankheiten, unter denen die Menschen in Dalmatien litten, sagen durchaus etwas
aus über die Verhältnisse, in denen sie lebten. Das „Belgrad der Zwischenkriegszeit“
war „eine der am stärksten von Tuberkulose befallenen Städte der Welt“, aber auch
andere Städte auf dem Territorium des Gesamtstaates erzielten in dieser Hinsicht trau­
rige Rekorde.761 Es ist vermutet worden, daß die massive Zuwanderung vom Land
direkt und indirekt für die starke Verbreitung von Tbc in den Städten verantwortlich
war. Die „niederschmetternden“ Berichte serbischer Kreisärzte finden ihr Pendant bei
denen ihrer dalmatinischen Kollegen. Entsprechend gehörten die Lungenkrankheiten
trotz der „guten frischen Meeresluft“ auch an der Küste zu den häufigsten Krankhei­
ten, v. a. Berufskrankheiten. Die Zeitschrift „Arbeiterschutz“ errechnete, daß im Jahr
1932 ca. 35% der Sozialversicherten an Tbc und 9% an anderen Ansteckungskrank­
heiten gestorben waren.762 So schrieb der Leiter der Spliter Klinik für Atemwegser­
krankungen Dr. Ferri: „Wenn man schon jetzt etwas Großstädtisches in Split beobach­
ten“ könne, so seien das „mehrheitlich die schlechten Seiten der Großstadt“. Die Stadt
schicke sich an, „an unserer Küste die Rolle zu übernehmen, die vorher Triest und
Rijeka innehatten.“ Es gäbe zwar „noch keinen richtigen Kapitalismus, aber schon ein
Proletariat. Das gesunde Landarbeiter-Element wird schnell zum Arbeiter und ver­
kauft seine Arbeitskraft für einen unsicheren Wochenlohn. (...) Wohnungen, in die
durch die Jahrhunderte niemals die Sonne hineingeschienen“ habe, seien für ihre ar­
men Bewohner ein „Brutherd der Tuberkulose.“ In den letzten 25 Jahren seien „min­
destens 2.718 Personen in Split an Tuberkulose gestorben, wobei die Dunkelziffer v. a.
bei der Säuglings- und Kindersterblichkeit“ hoch sei. Nach dem Krieg sei die Lage
aber „durch Maßnahmen der Stadtverwaltung - das Pflastern von Straßen, neue Kana­
lisation, neue Anschlüsse an Leitungswassernetz etc - besser geworden“. Auch „Ge-

759 ebenda, S. 29.


760 Schödl, Nationalpolitik, S. 147 u. Pericic, Sime, Oskudica i glad u Dalmaciji u XIX i pocet-
kom XX stoljefia (Mangel und Hunger in Dalm. im 19. und zu Anfang des 20. Jh.), in: Radovi
13 (1980), S. 1-31.
761 Calic, Sozialgeschichte Serbiens, S. 342ff., dort auch eindringliche Quellentexte über die un­
hygienischen Lebensumstände auf dem Land und an der großstädtischen Peripherie. Vgl. auch
Vidakovic, Slobodan, Tuberkuloza i sifilis sa gledista socijalne politike (Tbc u. Syphilis vom
Standpunkt der Sozialpolitik), Beograd 1931; ders., Nasi socijalni problemi (Unsere sozialen
Probleme), Beograd 1932; ders., Stanbena beda kao uzrok drustvene degeneracije (Wohnungs­
armut als Ursache der gesellschaftlichen Degeneration), Beograd 1935.
762 Haberle, Branimir, Od cega su umirali clanovi 1932.g.(An was starben die Mitglieder 1932),
in: Radnicka zastita 17 (1935), S. 395-404; auch Calic, S. 345.

319
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

sundheitserziehung, der Hygieneunterricht in den Schulen, die Tätigkeit der Arbeits­


inspektion und der Sport“ hätten dazu beigetragen.763 Der Wiederanstieg von Tbc sei
auf die zum großen Teil baufälligen und überfüllten Wohnungen zurückzuführen, wie
die Rate der Tbc-Todesfälle in den verschiedenen Wohnvierteln beweisen würden.
Tatsächlich war eine etwas stärkere Konzentration von Tbc-Erkrankungen in dem
nördlichen Teil der Altstadt (dem sog. Ghetto, dem früheren Judenviertel) und in den
hauptsächlich von Land- und Gelegenheitsarbeitern bewohnten Vorstädten wie Veli
Varos bemerkbar.764

Abb. XV: Todesfälle durch Tuberkulose in Split 1914-1924

Slika VI. Pomor od tuhcrkulozc u Splitu 191 1.- 1924. god. (10% fali). — Izradio Dr. II. F.
(Svuku crna tnf'ku znu'üi jedtin slm-nj smrli od tubcrkulozc).

Quelle: Dispanzer za grudne bolesti u Splitu (Hg.), Dr. R. Ferri, Tuberkuloza u Splitu i a sanacija
gradu, Split 1925, S. 26. Jeder schwarze Punkt markiert einen Todesfall in genanntem Zeitraum,
10% der gemeldeten Fälle sind nicht eingetragen.

763 Die drei nach dem Krieg in Split gegründeten Sportvereine (Gusar, Baluni, Firule), mit zusam­
men 1100 Mitgliedern, hätten sehr positiv gewirkt. Auch die Pflege des Marjan-Parks, den
wöchentlich 3000 Menschen zur Erholung aufsuchen würde, hätte das hygienische Niveau
der Stadt gehoben. In den städtischen Meeres-Badeanstalten würden während der Saison
durchschnittlich 2800 Eintrittskarten wöchentlich verkauft. Insgesamt kam Ferri auf 6-7000
Menschen, die im Sommer wenigstens einmal in der Woche baden; Ferri, a.a.O., S. 13.
764 Gerade Veli Varos, das „bis vor kurzem ein großes Dorf war“, hätte „noch immer größtenteils
seinen primitiven Charakter beibehalten“. Wie auch innerhalb der Mauern des Diokletianspala­
stes, so gäbe es auch in Veli Varos keine Kanalisation, nur Senkgruben und „halboffene Kanäle
in manchen Straßen“. Auch -würde die Wasserversorgung in den höher gelegenen Teilen nicht
funktionieren und die Straßen seien nicht asphaltiert. Die „einzige Medizin“, die Ferri sah, „be-

320
Folgen des sozialen Wandels

Die am 1. August 1923 gegründete Station für Lungenkrankheiten (Antituberkulozni


dispanzer) sei sehr gut, „sogar mit einem Röntgen-Apparat“, ausgestattet.765 Im Be­
richt über die Tätigkeit der Tuberkuloseambulanz im Jahr 1936 von Dr. Fran Soric
hieß es, daß die Frequentierung der Ambulanz bereits 1935 jenes Maximum erreicht
habe, den die Ambulanz mit der bisherigen Ausstattung und Arbeitsweise noch ver­
kraften könne. Ein großer Teil der kostbaren Zeit würde auf die „vergeblichen Erklä­
rungen den Kranken gegenüber verwendet, die eigentlich gar nicht in die Ambulanz
gehören, und die in großer Zahl in der Erwartungen kommen, die Röntgenapparate
hätten universale Zaubermacht.“766 Bei der Untersuchung des „Krankenmaterials“,
womit die Patienten gemeint waren, seien, bei einer durchschnittlichen Untersu­
chungsdauer von sieben Minuten, 357 Fälle von Tbc, bei 228 Männern und 129 Frauen
festgestellt worden, bei insgesamt 4492 Röntgenuntersuchungen Die Wohnverhält­
nisse von 321 Lungenkranken, die von der Spliter Gesundheitsstation untersucht wur­
den, waren dabei so beengt, daß nicht nur keine schnelle Genesung der Kranken,
sondern auch noch die Ansteckung der Familienmitglieder befürchtet werden mußte.
Dasselbe Zimmer mit Kindern teilten sich danach 126 Erkrankte, davon 40 mit offener
Tbc. Gar im selben Bett mit ihren Kindern mußten 37 Patienten schlafen, 10 davon
mit offener Tbc. Von 133 Patienten mit offener Tbc schliefen 30% mit Kindern im
selben Zimmer und 7,5 % im selben Bett.767
Generell nahmen die Meisten ärztliche Hilfe wegen Unglücksfällen am Arbeitsplatz
in Anspruch. Es folgen Tbc, Phlegmona furuncula, Corbuncula und Exzeme, In-
fluenca und Angina als Krankheitsursachen. Am häufigsten waren Arbeitsunfälle in
der Zementindustrie und in den Steinbrüchen. Der Bericht der Versicherungskammer
führte die Verbreitung von Tuberkulose auf die „desolaten hygienischen Bedingun-

sonders in Veli Varos“, sei „das Abreißen dieser Häuser, was man aber nur machen könne, wenn
man „neue Landarbeiter- und Arbeiterwohnungen dafür baut“; Ferri, S. 25.
765 Zwischen dem 1. August 1923 und dem 31. Dezember 1924 wurden 4.184 Untersuchungen
durchgeführt, davon 1.460 Nachuntersuchungen, wobei 2.506 Fälle von Tuberkulose der ver­
schiedenen Formen in unterschiedlichen Krankheitsstadien diagnostiziert wurden. Es wurden
noch 868 Fälle von anderen Lungenkrankheiten bis Ende 1924 diagnostiziert, 810 der Unter­
suchten wurden für vollkommen gesund befunden. Offene Tbc wurde von den 2.506 Fällen
bei ca. 12% festgestellt; Röntgenuntersuchungen wurden bei 3.835 Personen vorgenommen.
Von den Patienten waren 28% Arbeiter, 26% Landarbeiter, 24% Kinder, 12% Angestellte,
4% Studenten, 3% Soldaten, 1,5% Händler und übrige 1,5%. Die Hilfsschwestern der Sta­
tion hätten 1662 Häuser und Wohnungen besucht, wo die Patienten und ihre Familien über
die notwendigen hygienischen Maßnahmen der Tbc-Bekämpfung in Kenntnis gesetzt wurden.
Gegen die „akute Wohnungsnot“ sei man machtlos, aber „materielle Hilfe“ in Form von „25
Fieberthermometern, 548 tragbaren Spucknäpfen, 200 Flaschen lacto-creosotic-Sirup, 865 kg
Öl vom Stockfisch, 1.100 Schachteln Milchpulver“ und „7.495 Aufklärungsflugblättern“ habe
man leisten können; Ferri, S. 30ff.
766 Bericht über die Tätigkeit der Tuberkolozeambulanz im Jahr 1936 von Dr. Fran Sorib,
S. 37.
767 ebenda, S. 40.

321
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

gen“ zurück. Arbeiterwohnungen gäbe es keine, „vielmehr wohnen Gruppen von


Arbeitern in Baracken und schlafen auf Strohunterlagen, die auf feuchtem Untergrund
und oft auch auf der nackten Erde sind, zugedeckt von staubigen Arbeitermänteln“,
hieß es im Bericht. Weiterhin seien „Unbildung der Arbeiterschaft, ungenügende Er­
nährung, Alkoholmißbrauch“ als Krankheitsursachen zu nennen.768 Die Zahl der nie­
dergelassenen Ärzte stieg zwar seit Mitte der 20er Jahre: 1934 praktizieren 64 Ärzte
in der Stadt, 8 Apotheker, 4 Drogerien, 18 Zahnärzte und 16 Heilpraktiker. Doch mit
der steigenden Bevölkerungsentwicklung konnte der Ausbau der ärztlichen Versor­
gung nicht Schritt halten.769 Die Wohnsituation in einigen Stadtvierteln“ blieb wäh­
rend der gesamten Zwischenkriegszeit „unmöglich“, wie der Stadtrat Dr. Curin in
einem Referat unterstrich: „Die Menschen hausen in engen Räumen ohne Licht, ohne
Luft, ohne Wasser, ohne Toiletten (...).“ „Ansteckende Krankheiten“ etc. würden sich
so schnell ausbreiten.770
Erst recht war der Zustand der ärztlichen Versorgung auf dem Land schlecht. Auch
wenn es in einem Memorandum über die Verhältnisse im Bezirk Makarska von 1925
hieß, daß gesundheitlich alles in bester Ordnung sei. Die Luft sei sauber, die Qualität
des Wassers hervorragend, und in letzter Zeit würden auch „die Häuser hygienisch
eingerichtet“, womit die Tatsache gemeint war, daß es nun ab und an vorkam, daß
sanitäre Anlagen ins Haus eingebaut wurden. Die ärztliche Versorgung auf dem dal­
matinischen Dorf zwischen den Weltkriegen kann nicht anders denn als mangelhaft
bezeichnet werden.771 Ein Artikel in der „Jadranska posta“ überlieferte die Klage, daß
wegen der schlechten Erreichbarkeit der Dörfer die Arztbesuche wegen der hohen
Fahrtkosten unverhältnismäßig teuer seien, und schloß zynisch: „Zum Glück sterben
die Leute dort auch ohne ärztliche Hilfe.“772 Die Durchschnittslöhne während der
20er Jahre in Dalmatien, für die „qualifizierte Arbeiter nicht einmal die Hälfte an
Waren kaufen konnten, (...) wie mit ihrem Lohn von 1914“, lagen zwischen 20 und
30 Dinar am Tag, davon war kaum eine private ärztliche Versorgung zu bezahlen.773
Auch der Blick auf Lebensmittelpreise und Teuerungsrate nach dem Krieg bestätigt
die Pauperisierungstendenz, der die Arbeiterschaft ausgesetzt war:

768 ebenda, S. 43ff.


769 Keckemet, Dusko, Stara splitska bolnica (Das alte Spliter Krankenhaus), Split 1964. Daneben
gab es weitere 5 Krankenhäuser und Senatorien (Drzavna bolnica, Senatorij dr. Racica, Senato-
rij dr. Roica, Vojna bolnica, Zarazni paviljon Drzavne bolnice, und den Higijenski zavod,
Dispanzer za grudne bolesti, Skolska poliklinika u. Venericna ambulanta;) Privredni adresar,
S. 53ff. u. 99.
770 Novo doba v. 25.10.1938.
771 „Dubrovnik“, Nr. 35/1925, hier zit. nach Glavina, Franjo, Povijest zdravstvene kulture Ma-
karske i njenog Primorja (Geschichte der Hygiene-Kultur Makarskas und seines Küstenlan­
des), in: Gracta i prilozi za povijest Dalmacije Bd. X, hrsg. vom Historijski Arhiv Split, Split
1980, S. 19-78, hier S. 68.
772 Jadranska posta v. 23.03.1929.
773 Cazi, Nezavisni sindikati, Bd. II, S. 471-479; Stanic, Radnicki pokret, S. 133f.

322
Folgen des sozialen Wandels

Tabelle XXVI: Übersicht über Lebensmittelpreise und Löhne 1914 und 1922

Lebensmittel am 1.05.1914 am 1.10.1922 Teuerungs­


in Kronen in Kronen faktor

Brot (aus Getreide) 0,44 24 54,9


Weizenmehl 0,40 22 55,0
Rindfleisch 1,60 60 37,5
Schweinefleisch 1,60 110 68,7
Schweinefett 1,80 130 72,2
Bohnen 0,36 16 44,4
Kartoffeln 0,32 6 18,1
Zwiebeln 0,60 16 26,6
Kaffee 3,80 200 52,6
Würfelzucker 0,90 74 82,2
Reis 0,56 36 64,2
Milch 0,22 14 63,6
Eier 0,06 6 100
Kubikmeter Holz 10,90 500 50,0
Salz 0,21 14 66,6
Seife 0,66 62 93,9
1 Hemd 5 300 60,6
1 Anzug 50 4000 80
1 Paar Schuhe 20 1200 60

Durchschnittlich war also am 1. November 1922, verglichen mit der Situation vor
dem Krieg, alles um über 60% teurer geworden. Die Löhne dagegen, wie aus der
nächsten Statistik hervorgeht, waren im gleichen Zeitraum nur um 45,85 % gestiegen.
„Die Aufstellung der Löhne“, hieß es dazu in der sozialistischen Zeitung „Das freie
Wort“, zeige, daß „nicht einmal die am besten bezahlten Arbeiter jetzt auch nur ihren
Vorkriegslohn erhalten“; einige schlechter bezahlte Berufszweige, wie Eisenbahner,
Schlosser, Maschinisten, erhielten nun sogar nur noch die Hälfte des früheren Lohns.
Doch die ihrer Meinung nach „zu hohen“ Löhne, Sozialabgaben und „unnötigen Aus­
stände“ beklagten die Arbeitgeber jedes Jahr, wie es schien, konjunkturunabhängig.774

774 Trgovinsko-Industrijska Komora u Splitu, Izvjestaj o radu komore za 1937-1938 godinu.


Zapisnik plenarne sjednice T. I. Komore 18. svibnja 1938, Split 1938, S. 121 ff. Z. B. wurde
nach den Anordnungen des Ministers für Soziales und Volksgesundheit (Gesetzblatt v.
16.04.37) in der Küstenbanschaft (Sluzbeni Glasnik v. 21.04.1937) der Minimaltarif für einen
unqualifizierten Arbeiter, in Orten mit mehr als 5000 Einwohnern, auf 2 Dinar für die Ar­
beitsstunde festgesetzt, in Ortschaften mit weniger als 5000 Einwohnern 1,80 Dinar für die
Arbeitsstunde. Die Wirtschaftskammer merkte an „daß die Entlohnung von weiblichen Ar­
beitskräften, die mit einfachen Arbeiten beschäftigt werden, z.B. dem Konservieren von Fisch
oder in der Ziegelei, mit 2 Dinar die Stunde zu hoch angesetzt ist, und die Kammer sich dafür
einsetzt, sie auf 1,50 Dinar herabzusetzen (...).“

323
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

1.06.1914 1.11.1922
in Kronen in Kronen Steigerungsfaktor

a) qualifizierte
Schlosser 2;- 4;- 6;- 96 144 200 36,66
Schuster 2;80 3;50 5;- 120 150 220 43,36
Steinschneider 4;- 3;50 5;- 200 280 320 50
Kellner 8;- 5;- 7;- 100 110 130 12,50
Schmied 2;- 3;- 5;- 96 114 200 44,44
Schneider 3;- 4;- 7;- 200 250 330 55,78
Blechmacher 3;- 4;- 6;- 160 200 320 52,30
Maschinisten 4;- 8;- 10;- 160 240 280 30,89
Mechaniker 4;- 6;- 8;- 160 240 280 37,77
Maler 3;50 6;- 7;- 200 280 330 49,08
Bergleute 3;- 3;50 4;- 100 110 120 39,80
Bäcker 5;- 6;- 7;-
Angestellter 1;50 8;- 11;- 50 206 233 38,92
Tischler 3;50 5;- 7;50 200 280 320 50
Typographen 4;50 6;. 13;- 236 300 400 41,08
Bodenverleger 3;50 5;- 7;50 200 280 320 50
Schreiner 3;50 6;- 7;- 200 280 320 48,40
Maurer 3;50 6;- 7;- 200 280 320 48,40
Eisenbahnarbeiter 3;- 4;- 6;- 140 160 208 38,46

b) unqualifizierte
Holzarbeiter 2;50 3;- 3;50 70 110 160 37,77
Bauarbeiter 2;- 2;50 3;- 70 80 100 33,18
Arbeiter im Sägewerk 1;50 2;- 3;- 60 80 100 36,76
Druckerei 2;- 3;- 3;50 86 120 100 41,04
Eisenbahnarbeiter 1;60 2;- 3;- 76 128 156 56,19

Quelle: Slobodna rijec v. 1.11.1922 u. Graficki radnik, Nr. 3 v. 20.01.1923, Cazi, Nezavisni sindi-
kati (1921-1929), Bd. 2, S. 42f.

Auf der anderen Seite standen die Berichte der Arbeiterkammer, die feststellten: „Oft
muß die ganze Familie arbeiten, nur um die Versorgung mit Lebensmitteln sicherzu­
stellen. Oft müssen auch die Kinder sich als Tagelöhner verdingen und dies ist der
Hauptgrund, daß die Kinder keinen Beruf lernen. Während der Ausbildung nämlich
verdienen sie nichts und können keinen Beitrag zum Haushalt leisten.“775 Fanden
Kinder und Jugendliche keine Arbeit, so hieß das keineswegs, daß sie notwendiger­
weise eine Schule besuchten. Die Klagen der Kreisverwaltung aus Sibenik, die sich
häufig an die Verwaltung in Split wandte mit der Bitte, die Berufssschule unbedingt
wieder zu eröffnen, wurde mit streunenden Jugendlichen begründet. Die Stadt sei

775 Izvjestaj Inspekcije rada Kraljevine SHS o njenom poslovanju za 1922. god., S. 148.

324
Folgen des sozialen Wandels

„eine Landarbeiter-Stadt“, von den Eltern könnten die Kinder nur „geringe Bildung“
erwarten. Die Kinder würden den ganzen Tag unbeaufsichtigt „herumstreunen“ und
seien damit der „moralischen Verderbnis“ ausgesetzt. „Kommunismus und Bolsche­
wismus“ fänden so den „besten Nährboden vor“. Dem müsse man entgegenarbeiten
und endlich die Schule wieder eröffnen.776 Noch 1940 verlieh Jozica Juras, Direktorin
des „Heimes zum Schutz der Mädchen“, einer Institution, die seit 1928 alleinstehen­
den Haushaltshilfen Zimmer vermietete, gleichfalls ihren Subventionsanträgen für
Kurse in Haushaltsführung Nachdruck mit dem „Argument“, daß der Kommunismus
sonst auf gefallene Mädchen lauere. Die „Mädchen, die vom Dorf kommen“, seien
„kein bißchen in Hausarbeiten bewandert“. Sie kämen „unerzogen und als Analpha­
betinnen in diese Hafenstadt, wo gewissenlose Arbeitgeber ihre Unwissenheit ausnüt­
zen und Kommunisten sie aufhetzen“. Ohne „moralische Stützung“ würde aus den
meisten nichts Rechtes werden.777
Die Angst, die Kommunistische Partei könnte unkontrollierbar anwachsen, spricht
vor allem Anfang der 20er Jahre aus zahlreichen Verwaltungsvorgängen. Die Arbeiter­
bewegung in Dalmatien während der Zwischenkriegszeit stellte im neuentstandenen
Arbeitermilieu die Reaktion auf die geschilderten sozialen Verhältnisse dar:
In Dalmatien nahm sie ihren Anfang im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts.778 Die
Sozialdemokratische Partei Dalmatiens wurde im November 1902 gegründet. 1914,
kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, gab es 1540 eingeschriebene Gewerk­
schaftsmitglieder und 312 Parteimitglieder (sowie 136 Jugendliche in den Nachwuch­
sorganisationen) in der Region. Die Arbeiter-Aktionsausschüsse, die 1917 aufgrund
der katastrophalen Versorgungslage entstanden, riefen zum 1. Mai 1918 einen General­
streik in Dalmatien aus; am 27. Oktober 1918 fand die Versammlung der dalmatini­
schen Sozialisten und die Wiedergründung der Sozialdemokratischen Partei in Split
statt. Die Partei nahm gleich die Resolutionen der Konferenz der jugoslawischen So­
zialisten vom 6. Oktober in Zagreb an, an der auch dalmatinische Vertreter teilgenom­
men hatten. Eine „Arbeiter-Zeitung“ wurde gegründet, bei einer Versammlung am 22.
Dezember, die vom Aktionskomitee einberufen wurde, wurde eine Gewerkschaftsfüh­
rung für Dalmatien gewählt. Zu dieser Zeit gab es schon wieder lokale Gewerkschafts­
organisationen in Split, Makarska, Sibenik, Pucisce, Imotski, Sinj usw.779 Der erste

776 Br. 10291/23 v. 4.08.1923.


777 Brief v. 21.11.1940, BH 38.
778 Vgl. zu den Anfängen d. Arbeiterbew. die vom „Istorijski arhiv Komunisticke partije Jugoslä-
vije“ hg. Quellensammlungen (bes. Bd. IV: Socijalisticki pokret u Hrvatskoj i Slavoniji, Dal-
maciji i Istri 1892-1919 (Die soz. Bew. in Kroatien, Slawonien, Dalmatien u. Istrien 1892—
1919), Beograd 1951.
779 Foretic, Dinko, Radnicki pokret u Dalmaciji od 1870. do Kongresa ujedinjenja 1919. (Die
Arbeiterbew. in Dalmatien von 1870 bis zum Vereinigungskongreß 1919), in: Zbornik Insti-
tuta za historiju radnickog pokreta Dalmacije, Split 1970, S. 23-70; Die Pravda Nr. 47 vom
14.11.1918 druckte die Beschlüsse der dalmatinischen Sozialisten vom 27.10.1918 im Wortlaut
ab, in denen das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf Vereinigung des „dreinamigen

325
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Arbeiter-Generalstreik im gerade vor einem Monat neuformierten Königreich wurde


am 30. Dezember 1918 in Split ausgerufen, „wo die Löhne um 20-50%, aber die
Preise 400-1100% angestiegen“ wären; mehrere tausend Menschen nahmen an den
Manifestationen teil, bei denen gegen die hohen Preise und für Sozialhilfe, Besteue­
rung der Spekulanten, Einstellung der Arbeitslosen etc. demonstriert wurde.780
Schon bei der Versammlung vom 22. Dezember 1918 im Saal des Kinos „Karaman“
waren Forderungen zur Einführung des Acht-Stunden-Arbeitstags erhoben worden,
der auch tatsächlich am 17. März 1919 eingeführt wurde.781 Nach harten Kämpfen
trat am 1. Juni 1920 ein „kollektiver Vertrag“ genannter Tarifvertrag für die Arbeiter
der Zementindustrie in Kraft, der die Löhne um ungefähr 80 % erhöhte, sowie Über­
stunden- und Feiertagszuschläge festschrieb. Gleichzeitig sollte eine Art „scala mo­
bile“ dafür sorgen, daß die Löhne automatisch den steigenden Lebensmittelpreisen
angeglichen werden. Die dalmatinische Landesregierung bestätigte diesen Vertrag, der
von Marin Feric782 für die Fabrikantenseite und Ante Glavina für die Arbeiter unter­
zeichnet wurde. Doch von Sozialpartnerschaft war Dalmatien damals weit entfernt.
Die Landesregierung und die Arbeitgeber taten alles, um die Arbeiterbewegung zu
eliminieren. Verhaftungen, vor allem vor Arbeiterfeiertagen wie dem l.Mai, und
Durchsuchungen waren häufig.783 Besonders die in der KP organisierten Arbeiter
sahen sich bald starker staatlicher Repression ausgesetzt.
Am Ende des Ersten Weltkrieges war die sozialistische Bewegung unter den Südsla­
wen in ebensoviele regionale Parteien aufgespalten, wie vor der Vereinigung eigene
staatliche, administrative oder territoriale Einheiten bestanden hatten.784 Die Vereini-

Volkes der Serben, Kroaten und Slowenen in einen freien und unabhängigen Staat“ gefordert
wird. Die „nationale Frage“ könne freilich nur durch auf „sozialistisch-proletarische Art und
Weise“ gelöst werden. „Nur durch die Abschaffung aller Grenzen, durch den Sieg des Sozia­
lismus, werden alle Nationen befreit werden, wie auch alle Klassen, die ganze Menschheit.“
780 Zezelj, Mirko, Hrvatska 1918-1945, in: Majstorovic, Petar (Hg.), Ilustrirana Povijest Hrvata
(Illustrierte Geschichte der Kroaten), Zagreb 1971, S. 268.
781 Vgl. die Berichterstattung von Novo doba u. der „Arbeiterzeitung“ (Radnicke novine), die
bis zum Vereinigungsparteitag der Sozialisten/Kommunisten v. 20. u. 23. April 1919 erschei­
nen. Danach hieß die Zeitung „Oslobodenje“ (Die Befreiung) und war offizielles Organ der
Sozialistischen Arbeiterpartei.
782 Der Fabrikant Marin Feric aus Split, Haupteigentümer der Zementwerke, war gleichzeitig
auch Reeder. 1935 belieferten seine Schiffe, trotz Embargo des Völkerbunds während des
italienischen Angriffs auf Äthiopien, das faschistische Italien mit Kohle. In den 20er Jahren
war er Mitglied der Orjuna, der jugoslawischen Nationalisten, um in den 30ern zur Kroati­
schen Bauernpartei überzuwechseln, „als die HSS die führende politische Kraft in Dalmatien
und Kroatien wurde“ (Gizdic, S. 247). Lange Jahre war er auch Präsident der Industrie- und
Handelskammer von Split.
783 Novo doba v. 28.4.1920, S. 3. In dem Bericht über „die Verhaftung von Kommunisten in
Solin“, ist auch die Rede von der Beschlagnahme mitgebrachter Gelder aus Amerika.
784 Milenkovic, Toma, Socijalisticka partija Jugoslavije (1921-1929), Beograd 1974; Dimitrijevic,
Sergije Stvaranje i razvitak Komunisticke partije Jugoslavije u Legalnom periodu njenog post-
ojanja (1919. - august 1921.) (Schaffung und Entwicklung der KPJ in der legalen Periode

326
Folgen des sozialen Wandels

gung der verschiedenen sozialdemokratischen Parteien auf dem Gebiet des späteren
Jugoslawien ist als ein Reflex der geänderten staatlich-politischen Bedingungen be­
schrieben worden, wobei der Zentralismus innerhalb der KPJ als Spiegelbild des staat­
lichen Zentralismus gesehen werden kann.785 Gegründet wurde die Sozialistische Ar­
beiterpartei Jugoslawiens (Kommunisten) am 23. April 1919. Seit 1920 nannte sie sich
KPJ und warb für eine Republik, in der alle Macht den „Arbeiter- und Bauernsowjets“
gehören sollte, nach dem Vorbild Sowjet-Rußlands.786 Als der Parteitag in Vukovar
abgehalten wurde, hatten die Gewerkschaften in Dalmatien um die 8.000 Mitglieder.
2.092 Mitglieder gehörten gleichzeitig der KP an, das Parteiorgan Oslobodjenje (Be­
freiung) erschien in der stattlichen Auflage von 4.500 Exemplaren.787
Die in den Arbeiterkammern, Arbeiter-Versicherungsanstalten etc. dagegen vertrete­
nen reformistischen Positionen, oder die im auch regional tätigen „Jugoslavenski stru-
kovni savez“ seit 1919, als einer christlichen Gewerkschaft, die an der katholischen
Soziallehre orientiert war, wurden in der Literatur bisher als marginal und bedeu­
tungslos bezeichnet. Es wurde lediglich zugestanden, daß sich „geschickte Agitatoren
der christlichen Gewerkschaftsbewegung den hungrigen und allgemein analphabeti­
schen Arbeitern und Bauern des rückständigen Nord-Dalmatien“ mit ihren „anti­
revolutionären Organisationen unter den Bergleuten von Drnis-Siveric, Sibenik, den
Salzanlagen auf der Insel Pag und anderswo aufzudrängen wußten.“788 Was nicht
hieß, daß die spätere Parteigeschichtsschreibung nicht auch dort leuchtende Inseln der
richtigen Gesinnung entdeckt hätte.789

ihrer Existenz 1919 - August 1921), in: Pero Moraca (Hg.): Pregled istorije Saveza komunista
Jugoslavije, Beograd 1963; Avakumovic, Ivan, History of the Communist Party of Yugoslavia,
Aberdeen 1964.
785 Die heftigen Meinungsunterschiede der einzelnen Parteiführungen untereinander: zwischen
der Serbischen Sozialdemokratischen Partei (SSDS) und der Sozialdemokratischen Partei Dal­
matiens, Kroatiens u. Slawoniens (SDSHS) sind gut dokumentiert. Wenn man nun davon
ausgeht, daß die Parteiführungen den politischen Willen der Parteibasis widerspiegelten, so
läßt sich einiges über die unterschiedliche Stimmungslage in den verschiedenen Landesteilen
feststellen.
786 Rajcevic, Vojo, Revolucionarni omladinski pokret u Hrvatskoj 1919/28. (Die revolutionäre
Jugendbewegung in Kroatien 1919/28) Zagreb 1979; auch das Kap. 5 „Revolutionary stirrings
in Yugoslavia 1918-20“ bei Alan Fogelquist, S. 217-244, mit zahlreichen weiteren Literatur­
angaben. Generell gilt, daß „nowhere in the Yugoslavia of 1918 to 1920 was there a revolutio­
nary threat to the state of the magnitude that occurred in Italy, Germany, or Spain during the
same period“ (Fogelquist, S. 219).
787 Polozaj radnicke klase u Jugoslaviji, Izvjestaj Izvrsnog odbora centralnog medusaveznog sin-
dikalnog odbora za Zemaljsku konferenciju Nezavisnih sindikata (Die Lage der Arbeiter­
klasse in Jug., Bericht des Exekutivausschusses des zentralen Gewerkschaftsausschusses für
die Landeskonferenz der Unabhängigen Gewerkschaften), Beograd 1923, S. 23; Izvjestaj F.
Filipovica o radu SRPJ(k), in: Radnicke novine VI/1929, S. 17-19.
788 Sitin, Tonci, Sindikalni pokret, S. 46f.; ders., Revolucionarni radnicki pokret u Dalmaciji (Die
revolutionäre Arbeiterbew. in Dalm.), in: Zadarska revija Nr. 5—6/1979, S. 461-482.
789 Jakovcev, Gojko, Stvaranje i rad organizacija Komunisticke partije Jugoslavije na podrucju

327
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

In „Novo doba“ waren ab Herbst 1918 Berichte über sozialistische Aktivitäten zu


finden. Nach der Vereinigung knüpften links orientierte Jugendliche an die Arbeit des
„Bundes der sozialistischen Jugend“ vor dem Krieg an,790 und gegen Ende 1918 wurde
die erste sozialdemokratische Jugendgruppe gegründet, die auch ihre Delegierten für
den IV. Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Dalmatiens bestimmte, der am 25.
März 1919 in Split abgehalten wurde. Die Gruppe zählte damals um die 150 Mitglie­
der. Die Redaktion von „Novo doba“ blickte sehr skeptisch auf solch ein Treiben.
Anläßlich eines Berichts über eine sozialistische Kundgebung in Split hieß es am fol­
genden Tag im Leitartikel: „Der Vorsitzende der gestern abgehaltenen sozialistischen
Versammlung beschloß das Treffen mit dem Ruf „Es lebe die jugoslawische Sowjet-
Repulik“. Die anwesende Masse, verführt durch die heutige Popularität des Bolsche­
wismus, ohne eigentlich zu wissen, was er ist, stimmten in den Ruf ein. Die Masse
gestern vor dem Theater bestand aus Landarbeitern, die sicher nicht dem Bolschewis­
mus zugejubelt hätten, hätten sie seine Theorien gekannt - vom kommunistischen
gemeinsamen Landbesitz, der überhaupt kein, auch nicht das kleinste Privateigentum
kennt, bis zur sog. Sozialisation, d. h. Prostitution der Frau. (...) Wir brauchen in Split
nationale Organisationen für die Arbeiter (...)!“791
„Dem Bürgertum zur Beachtung“ überschrieben daraufhin die Spliter Setzer ihren
Aufruf, in dem sie die Verhinderung des Erscheinens von „Novo doba“ begründeten
mit den Worten: „die typographischen Arbeiter stehen auf gegen das schäbige Schrei­
ben von „Novo doba“, da neulich der kommunistischen Bewegung unterstellt wurde,
daß sie die Prostitution der Frau (Hervorh. im Original) anstrebt.“ Wegen solcher und
ähnlicher „Verleumdungen“ hätten die Arbeiter beschlossen, „auch in Zukunft das
Setzen jeden Artikels abzulehnen, der wie jener in „Novo doba“ die Arbeiterideale
auf solch abstoßende Art angreift. Heute hat „Novo doba“ wiederum versucht, einen
Artikel mit übelsten Verleumdungen gegen die Sozialisten ins Blatt zu bringen, daß
diese nämlich von den Italienern bezahlt würden (...).“ Auch das Erscheinen dieses
Artikels sei verhindert worden, denn „die Freiheit der Presse bestehe nicht in Vulgari-
täten, wie auch die persönliche Freiheit „nicht die Freiheit zum Diebstahl bedeu-

sjeverne Dalmacije od 1919. do 1941. godine (Organisation u. Tätigkeit der KPJ auf dem
Gebiet Norddalmatiens v. 1919 bis 1941), in: Zbornik Istorije XX veka, XIII, Beograd 1975;
ders., Drustveno-ekonomski polozaj naroda sjeverne Dalmacije u periodu 1918-1921. godine
(Die gesellsch.-pol. Stellung der Völker Norddalmatiens in der Zeit 1918-1921), Slavonski
Brod 1972. Zur KP: Banac, Ivo, The Communist Party of Yugoslavia during the Period of
Legality, 1919-1921, in: ders. (Hg.), The Effects of World War I: The Rise of the Communist
Parties, War and Society in East Central Europe, Atlantic Highlands, N.J 1983.
790 Foretic, Radnicki pokret, S. 23-70.
791 Novo doba v. 24.03.1919 „Von der sozialistischen Versammlung“ S. 1.
792 Splitski tipografi, Gradjanstvu do znanja!, Flugblatt, Split 01.04.1919. Bei Srecko Diana (Pri-
lozi dokumentaciji o razvoju radnickog pokreta u Splitu 1918.-1920. godine (Beiträge zur
Dokumentation der Entw. der Arbeiterbew. in Split 1918-20), in: Izdanja Historijskog Ar-
hiva - Split, Bd. II, S. 7-34) Faximiles etlicher solcher Beispiele.

328
Folgen des sozialen Wandels

Zwischen der liberalen, pro-jugoslawisch eingestellten Tageszeitung und den soziali­


stischen Kräften entbrannte wegen der dezidiert antikommunistischen Berichterstat­
tung von „Novo doba“ ein zäher Kampf. Mehrmals kam es zum Streik der Setzer
wegen „Anti-bolschewistischer Berichterstattung.“793 Ihren Höhepunkt erreichte die
Auseinandersetzung, als wegen des Streiks der Setzer die Zeitung drei Monate lang
(!), und zwar vom 22.8.1919 (Nr. 185) bis zum 3.12.1919 (Nr. 186), nicht erschien.
Der KP nahestehende Historiker haben später die „revolutionäre Situation und die
vorausschauende Politik der kommunistischen Bewegung“ sehr zustimmend beschrie­
ben. Doch was ist unter der „politischen Strategie und Taktik, die die sozialökonomi­
sche und nationale Komponente des Klassenkampfes auf dalmatinischen Boden wahr­
haft respektiert“,794 zu verstehen? Jedenfalls war es ein Kampf, der so gut wie ohne
dauernde Kommunikationsverbindungen mit den Partei- und Gewerkschaftsführun­
gen auskommen mußte.795
Nicht nur die katastrophalen Verkehrsverbindungen, sondern auch die Repressions­
maßnahmen trugen dazu bei, daß die Aktivisten meistens auf sich allein gestellt waren.
Zahlreiche Verordnungen des Innenministers über „Aufrechterhaltung der öffentli­
chen Ordnung und des Friedens“ und im besonderen für die „Bekämpfung innerer
und äußerer anti-staatlicher und zersetzender Propaganda“ wurden erlassen, beson­
ders nach Proklamation der sog. Königsdiktatur. Die Ausstellung von Führungszeug­
nissen, „das Bereitstellen von Informationen für die staatliche Gewalt über das morali­
sche und politische Verhalten wie über die familiären und Besitzverhältnisse“ wurden
von der Polizei gefordert. Nicht vernachlässigt werden durfte deshalb auch „die Über­
wachung von Gaststätten, Kaffeehäusern und ähnlichen Etablissements, Übernachtun­
gsmöglichkeiten, öffentlichen Plätzen, die für Versammlungen geeignet sind, Vergnü­
gungsstätten und Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen“. Weiter war die „Über­
mittlung von Verbannungsurteilen und die Überwachung von verbannten Personen“
Aufgabe der Polizei.796 Im Strafgesetzbuch sah der Gesetzgeber als Hauptstrafen To­
desstrafe (durch Hängen), Zwangsarbeit, Festungshaft, strenges Gefängnis, Gefängnis
und Geldstrafe vor.797 Immer neue Änderungsgesetze und Vervollständigungen des
Gesetzes über „Vereinigungen, Versammlungen und Verabredungen“ sollten das öf­
fentliche Leben einer möglichst vollständigen Kontrolle der Polizeibehörden unter-

793 Novo doba v. 15.04.1919, S. 3.


794 Sitin, Sindikalni pokret, S. 49.
795 Die „schlechte organisatorische Anbindung mit Partei- und Gewerkschaftszentrale“ und eine
falsche „regionale Politik“ wird nicht nur einmal in Parteischreiben an die dalmatinischen
Genossen beklagt. A CK SKJ, KI 1926/94, Izvjestaj Oblasnog sekretarijata za Dalmaciju
Politbirou CK KPJ od kolovoza 1926; Organizovani radnik v. 20.05.1926; A CK SKJ, KI
1926/21-1, Materijali II kongresa KPJ.
796 Verordnung des Innenministers über Einrichtung und Wirkungskreis der obersten städtischen
Polizeibehörde (Uredba Ministra unurasnjih poslova o ustrojstvu i delokrugu Pretstojnistva
gradske policije), in: Sluzbene Novine 17.10.1929, Nr. 243.
797 Strafgesetzbuch III, § 35 (Krivicni zakonik) vom 27.01.1929, in Sluzbene Novine 02.02.1929.

329
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

werfen. So wurde vorgeschrieben, daß jede Vereinigung, die gegen „den gesellschaftli­
chen oder staatlichen Aufbau oder gegen die Moral gerichtet ist oder als Vereinigung
für Körperertüchtigung auf religiöser, Stammes- oder regionaler Grundlage beruht“,
von der zuständigen Behörde in schriftlicher Form innerhalb von sechs Wochen zu
verbieten ist“ und „alle Versammlungen und Verabredungen, die die Verhandlung von
politischen Fragen zum Ziel haben oder sich überhaupt in irgendeiner Weise politisch
betätigen wollen, benötigen vorher die schriftliche Genehmigung der zuständigen Be­
hörde“.798 Neben der nationalen Opposition traf das die Kommunisten.
Der „Bund der Arbeiter und Bauern“, eine Tarnorganisation der KP, der sich bei den
Kommunalwahlen 1926 zur Wahl stellte und recht gut abschnitt - in Split reichte es
sogar zur relativen Mehrheit - bestimmte seine Politik größtenteils nach Maßgabe
der Einschätzungen der örtlichen Aktivisten. Parteiintern zog sich solches Verhalten
nur allzuoft das Verdikt des „Abweichlertums“ und der „Fraktionsbildung“ zu. Doch
die Kämpfe um höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, besseren Arbeitsschutz etc. ver­
liefen nicht nach dem Fahrplan der Weltrevolution. Darin war auch kein „Kroatischer
Arbeiterbund“ (Hrvatski radnicki savez) vorgesehen, der seit 1926 als Gewerkschaft
der Bauernpartei, ähnlich den reformistischen sozialistischen Gewerkschaften ORS
und URSSJ, die materiellen Lebensbedingungen der Arbeiter verbessern wollte.799
„Aufgabe der Arbeitervertretungen in der Wirtschaft“ und eine der dringlichsten Auf­
gaben, in den Augen der sozialistischen Gewerkschafter, sei es, „den Nationalismus
zurückzudrängen“.800
Mancherorts in Dalmatien, wie in Dubrovnik, gab es zwar Arbeiter, aber, selbst nach
Aussagen von Sozialisten, „gar keine Arbeiterbewegung, obwohl es sie nach Lage der
Wirtschaft geben könnte“. Für Süddalmatien beschrieb ein Bericht die Lage stattdes-
sen so:
„Es gibt zwei nationalistische Vereinigungen, den Serbischen und Kroatischen Arbeiterverein,
die sich um klassenmäßige oder professionelle Fragen nicht kümmern. Die Wohnungssituation
ist für die Arbeiter katastrophal. Wie die Leibeigenen im Mittelalter wird gearbeitet und gelebt
am selben Ort: die Straßen höchstens 2 m breit, die Werkstätten klein, eng, ohne Licht, modrig,
stinkend; in den Wohnungen die Betten übereinander, Wasser, Holz und andere Notwendigkei­
ten müssen über hunderte von Stufen von unten nach oben geschleppt werden. Niemals wärmt
die Sonne diese Wohnungen. Und wenn diese feuchten, dunklen, engen, Steinhölen nicht stän­
dig offen gehalten würden, was das Klima zuläßt, - würden die Leute in diesen Wohnungen
völlig verkommen. Und doch gibt es mehr als genug Tuberkulose. (.. .).“801

798 Vgl. §§ 4 und 31 des „Gesetzes über die Änderungen und Ergänzungen des Gesetzs über
Vereinigungen, Versammlungen und Verabredungen“ (Zakon o izmjenama i dopunama za-
kona o udruzenjima, zborovima i dogovorima) vom 12.September 1931, in: Sluzbene Novine
19.09.31, Nr. 217.
799 Janjatovic, Bosiljka, Politika HSS prema radnickoj klasi (Die Politik der HSS gegenüber der
Arbeiterklasse), Zagreb 1983.
800 Topalovic, Zivko, Jadranske luke (Die Adriahäfen). Izdanje Centralnog Sekretarijata Radnic-
kih komra, o.O. 1925, S. 10 u. 13.
801 ebenda, S. 16.

330
Folgen des sozialen Wandels

Durch Gründung von kurzlebigen Zeitungen, wie dem „Radnicki odjek“ (Arbeiter­
echo) für „Arbeiter und arme Bauern“ sollte der Kampf um die Legalisierung von
„Unabhängigen Gewerkschaften“ vorangebracht werden. Da die KPJ bei den Wahlen
zur verfassungsgebenden Versammlung 1920 nach der Zahl der Abgeordneten den
dritten Platz errang, wurde sie vom Regime einen Monat nach den Wahlen verboten
und ihre Mandate kassiert. Seitdem befand sich die Kommunistische Partei in der
Illegalität. Die Parteizeitung „Oslobodjenje“ (Befreiung) hatte auch in der Region den
„großen Sieg der Kommunisten“ gefeiert und ließ die „Diktatur des Proletariats“ und
das „rote Split und Dalmatien“ hochleben.802 Genau einen Monat nach den Wahlen
wurde die „Obznana“ erlassen. Zuerst kam es zu keinen Verhaftungen, „weil die
führenden Kommunisten bis gestern herausragende Gegner der Österreich-Ungari­
schen Monarchie gewesen waren, brennende Befürworter des neuen jugoslawischen
Staates (...). Viele Führer des wirtschaftlichen und politischen Lebens jener Zeit waren
noch bis gestern zusammen mit den Kommunisten im Hrvatski sokol gewesen, so
daß sie es jetzt, da jeder jeden kannte, nicht wagten, drastische Mittel im Kampf
gegen die Kommunisten einzusetzen.“803 Nach der Obznana änderte sich das jedoch
gründlich.
Die Repressionsmaßnahmen, denen die Kommunisten in Dalmatien ausgesetzt waren,
waren vielfältig: Schon seit Ende April 1920, acht Monate vor dem Erlaß der berüch­
tigten „Obznana“, wurden in Split und ganz Dalmatien Arbeiterheime geschlossen
und linke Aktivitäten verboten und verfolgt.804 Kommunistische „Agitation“, bzw.
was die Herrschenden dafür hielten, wurde nach § 493 Strafgesetzbuch strengstens
verfolgt. Dafür gibt es im offiziellen dalmatinischen Gesetzblatt „Dalmatinski glas-
nik“, das Urteile und Beschlagnahmungsverordnungen veröffentlichte, zahlreiche Be­
lege. Das Maß des staatlichen Antikommunismus wird auch deutlich durch die Lek­
türe der jugoslawistischen Blätter:
„Auch bei uns in Dalmatien, vor allem in Split, erheben die Kommunisten ihr Haupt. (...)
Nicht alle Arbeiter sind Kommunisten. Es gibt auch unter den Arbeitern gute Patrioten,
Jugoslawen und staatsbildende Elemente. Solche müssen unterstützt werden. Ihnen muß ge­
holfen, sie müssen unterstützt werden, in ihrem Kampf um Rechte und berechtigte Anliegen.
Unterscheiden wir die nationale Arbeiterschaft von der kommunistischen. Die nationalen
Arbeiter muß man unterstützen, den Kommunisten muß man den Fuß auf den Hals stellen
und zutreten - denn der Staat und die staatliche und nationale Einheit sind heilig und für
uns alle eine Hoffnung.“805

Die Zeitung „Pobeda“ der jugoslawischen Nationalisten rief zum „scharfen und kom­
promißlosen Kampf gegen den Kommunismus“ auf. Die Arbeitgeber sollten „Kom­
munisten sofort entlassen, der Käufer den kommunistisch eingestellten Händler boy­
kottieren“. Es sei nötig, „sie vollkommen zu vernichten“. „Pflicht aller Bürger“ sei,
802 Oslobodjenje v. 29.11.1920.
803 Stanic, Na izvorima, S. 129 u. ders., Radnicki pokret, S. 64ff., der auch viele Bsp. f. die Agita­
tion der Kommunisten gegen den „nationalistischen Sokol“ (S. 74) anführt.
804 Vgl. die Berichterstattung der Zeitungen Novo doba, Obzor, Novi list v. 27.04.1920.

331
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern

„diejenigen zu melden, die diesen Boykott unterlaufen, und zwar mündlich in den
Räumen unserer Organisation, im II. Stock, von 15.00-17.00 Uhr nachmittags.“806
Hinter solchen Aufrufen zur Denunziation stand die Demokratische Partei. Ihr pro­
klamiertes Ziel, das sie durch Geheimorganisationen wie die „Narodna obrana“
(Volksverteidigung) zu erreichen hoffte, war, „mit organisierter Aktion unser Volk
zu schützen, vor äußeren, als auch vor inneren, anti-staatlichen, zerstörerischen und
defaitistischen Elementen“. „Anti-staatliche Elemente“ waren in erster Linie die Bol­
schewisten genannten Linken. Diese waren davon überzeugt, daß der König selbst
direkt hinter dieser Organisation stand. Die Sprengung von sozialistischen Versamm­
lungen in Dalmatien807 waren entweder direkt unter der Kontrolle der staatlichen
Organe, bzw. die „faschistische Falange“, wie die Arbeiterpresse sie nannte, kam
gleich in Polizeiuniform.
Die sozialistische Presse berichtete immer wieder ausführlich über den Widerstand
der Spliter Arbeiter.808 Vom August 1923 an trat die Orjuna offen zusammen mit der
Polizei auf. Gerade in Split kam es zu immer häufigeren brutalen Übergriffen. Anläß­
lich der schweren Verletzungen, die der Arbeiter Piplovic erlitt bei solch einem Or-
juna-Überfall, schrieb die „Borba“ vom „einzigen Recht auf Selbstverteidigung“, was
den Proletariern in Split noch bliebe.809 Im Juni 1924 kam es zur großen Abrechnung
zwischen organisierter Arbeiterschaft und Orjuna in Split. Das Zentralorgan der Or­
juna „Pobeda“ (Der Sieg) beschrieb die „Schlacht“, die Borba druckte die Schilderung
mit ihren Kommentaren ab.810 Doch die Zusammenstöße nahmen in Dalmatien nie
so blutige Ausmaße an, wie z.B. in Slowenien.811 Am 8. August 1926 wurde der 26-
jährige Josip Grgin aus Donja Kastela bei einem Zusammenstoß zwischen Orjuna und
Linken ermordet. Der Vater des Ermordeten, Marko Grgin, rächte den Tod seines
Sohnes dadurch, daß er den lokalen Führer der jugoslawischen Nationalisten, Valentin
Zica, am 2. Januar 1927 tötete.812 Zwischen dem 1. Mai 1924 und dem 10. April 1925
wurden 557 des Kommunismus verdächtige Arbeiter in Dalmatien verhaftet und zum
Teil zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.813 Immer wieder kam es aber zu Wider-

805 Vgl. den Artikel „Die Kommunisten erheben ihr Haupt“, in: Novi list Nr. 488 v. 18.09.1922,
S. 1.
806 Pobeda v. 04.08.1921, S. 5-6.
807 Borba v. 16.03.1922, Radnicka stampa v. 3.06. u. 01.07.1922, Organizovani radnik v.
10.07.1922.
808 Organizovani radnik v. 18.04.1924, Borba v. 7.02.1924.
809 Borba V. 6.9.1923.
810 Borba v. 19.06.1924.
811 Dort kamen im Bergarbeiterzentrum Trbovlje im Juni 1924 drei Menschen ums Leben, sechs
wurden schwer und zehn leicht verletzt; vgl. Cazi, S. 309.
812 Lucin, Ante, Osnovni podaci o razvoju revolucionarnoga radnickog i komunistickog pokreta
i NOB-a u Kastelima (Grundlegende Daten über die Entw. der revolutionären u. komm.
Bew. und des Volksbefreiungskampfes in Kastela), in: Kastelanski zbornik 1, Kastela 1987,
S. 45-52.
813 Borba v. 08.07.1925; Okovani radnik v. 05.10.1924.

332
Folgen des sozialen Wandels

Standsaktionen. Unter der Überschrift „Bewohner aus dem Varos verhaftet“ berichtete
die „Jadranska posta“ von Unruhen in diesem Stadtviertel. Im Zuge einer Polizeikon­
trolle kam es zu Ausschreitungen und dann zur „Verhaftung von 20 Bewohnern aus
dem Varos“.814
Der Staat suchte durch Zentralisierung die Lage zu kontrollieren. Die lokale Selbstver­
waltung in Dalmatien, wie sie auf dem Papier stand, war so gut wie abgeschafft wor­
den durch die eingesetzten staatlichen Kommissare: „Von 92 Gemeinden, wieviel es
in Dalmatien gibt“, schrieb „Novo doba“ 1924, „haben nur 5-6 gesetzlich gewählte
Vertretungen. In allen anderen ersetzten Kommissare die Gemeinderäte und Vertre­
tungskörperschaften, oder (...) Ausschüsse, als eine Art nicht-verfassungskonformes
Surrogat der Gemeinderäte und -Verwaltungen.“815 Auch nach den Gemeindewahlen
vom 16. Mai 1926 wurden alle Mandate, die von Listen errungen wurden, die dem
Regime nicht genehm waren, kassiert. Unter Berufung auf Artikel 18 des Gesetzes
zum Schutz des Staates wurden die entsprechenden Listen oder Personen vom Innen­
ministerium zu Kommunisten erklärt, und ihre Mandate waren somit hinfällig.816
Systematisch wurde versucht, die politisch-propagandistischen Aktivitäten der Linken
so weit es ging zu verunmöglichen. Flugblätter und Zeitungen wurden meistens schon
in der Druckerei beschlagnahmt. Selbst ein Teil der nicht-kommunistischen Presse
protestierte gegen die Zensur und Verfolgung.817 „Das, was die österreichischen Be­
hörden mit gewisser Schamhaftigkeit und verdeckt getan haben“, klagte die Linke,
„wird in diesem Lande jetzt offen und in viel größerem Maße getan.“818
Unter der von oben ausgegebenen Parole „Die Kommunisten müssen ausgerottet wer­
den“, handelten die jugoslawischen und serbischen nationalistischen Vereine, unter­
stützt vom Staatsapparat.819 Nicht nur für den zeitweiligen Regierungschef, der in
verschiedenen jugoslawischen Zwischenkriegskabinetten Ministerposten bekleidete,
Anton Korosec, war der Kampf gegen „die gottlose und anationale Jugend“, die „anti­
staatlichen, subversiven und illegalen Elemente“ innere Verpflichtung. Der „Kampf,
immer und überall, gegen die größte Schande unserer Zeit, den Kommunismus“,
wurde erbarmungslos geführt. „Wer unsere nationale Dynastie, die Errungenschaften
der christlichen Zivilisation bewahren will“, führte der Minister in einem vertraulichen
Rundschreiben des Unterrichtsministeriums aus, müsse „den Kommunismus liquidie-

814 Jadranska posta v. 14.12.1927.


815 Novo doba v. 04.07.1924.
816 Jadranska posta v. 23.05.1926, S. 3.
817 Jugoslavenski narod v. 28.02.1923, S. 2.
818 Vgl. die Artikel v. Ivo Baljkas, dem Sekretär d. Bezirkskom. d. NRPJ f. Dalmatien, in: Hrvat-
ska rijec v. 14.05.1924, S. 3.
819 Ribar, Ivan, Stara Jugoslavija i komunizam. Zakoni, sudovi, zatvori i logori u staroj Jugoslaviji
protiv komunista (Das alte Jug. Gesetze, Gerichte, Gefängnisse und Lager im alten Jug. gegen
Kommunisten), Zagreb 1967.

333
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Durchgängig übertrieb der Staat die Stärke der KP. Nach dem Einsetzen der Repres­
sionspolitik in den 20er Jahren hatten die Kommunisten in Dalmatien jegliche Massen­
basis verloren. Für die „Arbeit auf dem Dorf“ sah das Büro des Zentralkomitees
als wichtigste Aufgabe an, „die Stellung der Dorfjugend und deren Forderungen in
Dalmatien“ herauszufinden, da sich die Zentrale über „den bäuerlichen Charakter
eurer Provinz“ im Klaren sei.821 Doch aller Agitationsarbeit zum Trotz: selbstkritisch
mußte sich die Partei ihren „Sektencharakter“ nach der Repressionskampagne einge­
stehen.822 Die Kommunisten waren sich nur zu gut bewußt, daß die „stärkste und
massenhafteste politische Gruppierung“, wie es in einem internen KP-Bericht hieß,
die Kroatische Bauernpartei war und die meisten Arbeiter aus dem Dorf in der Ze­
mentfabrik im HRS organisiert waren, dem der HSS nahestehenden Kroatischen Ar­
beiterbund.823 Bereits nach den Wahlen im März 1923 war deutlich geworden, daß in
den kroatischen Gebieten die Bauernpartei und ihre Forderungen nach einer souverä­
nen und selbstständigen kroatischen Bauernrepublik im Rahmen eines konföderativen
südslawischen Staates die entscheidende politische Kraft darstellte.824 Die KPJ mußte
daher ihr Verhältnis zur Bauernpartei und zur nationalen Frage bestimmen. Die er­
folgreiche Bauernpartei schien da sogar so etwas wie ein Vorbild. In internen Rund­
schreiben betonte das ZK, daß es gelte, „die nationalen Gefühle der werktätigen Mas­
sen“ auszunutzen als den „wichtigsten Hebel in unseren Händen zum Sturz des herr­
schenden Regimes“.825
In den 30er Jahren verschärfte sich die Repression gegen die KP noch.826 Die Briefe
der lokalen Parteiorganisationen berichteten von Polizeifolter, Verhaftungen, Razzien
etc.827 Am 20. Oktober 1932 schrieb die Spliter Organisation von nur noch 12 „funk-

820 Korosec, Anton, Vertrauliches Rundschreiben Nr. 921/7 24 vom 16.9.1940, hier zit. nach Ri-
bar, S. 140f.
821 Vgl. die photokopierten Bestände Archiv CK KPJ im PAS, Brief aus Split v. der Parteizelle
an das Büro des ZK SKOJ v. 21.03.1926 u. Büro d. ZK SKOJ v. 21.08.1926.
822 Auch anderswo taucht diese Bezeichnung in der parteiinternen Korrespondenz auf; vgl. Raj-
cevic, S. 254f.
823 Vgl. die Berichte an das ZK über den Organisationsgrad der Kommunistischen Jugendorgani­
sation Jugoslawiens, Februar 1925, Signaturen im PAS: S-197, S-162. S-173 u. S-175.
824 Vgl. Muzic, Ivan, Stjepan Radic u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca, (3. Aufl.) Zagreb 1988,
S. 11 ff.
825 Vgl. Vlajcic, Gordana, Ideoloska polazista Stjepana Radica i Seljacke internacionale u prego-
vorima o suradnji 1924. (Die ideologischen Ausgangspunkte v. S. R. u. der Bauerninternatio-
nale bei den Gesprächen über eine Zusammenarbeit 1924), in: Politicka misao 1996/2-3,
S. 234-253, hier S. 241ff. u. dies., Jugoslavenska revolucija i nacionalno pitanje 1919-1927
(Die jug. Revolution und die nationale Frage), Zagreb 1987, S. 102ff., 397ff. u. 410ff., sowie
Perovic, Latinka, Od centralizma do federalizma - KPJ o nacionalnom pitanju (Vom Zentra­
lismus zum Föderalismus - Die KPJ zur nationalen Frage), Zagreb 1984.
826 Vgl. PAS Brief aus Split v. 8.03.1933, S-171.
827 Vgl. Brief aus Split - Nr. 5/18.2.1935, S-148, v. 20.03.1933, S-170 u. Gerichtsurteile gegen
Kommunisten des Kassationsgerichts in Zagreb (Kre 176/33/14 v. 21.12.33) wegen des Versto­
ßes gegen das „Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und des Staates“, S-176.

334
Folgen des sozialen Wandels

tionierenden Zellen in Dalmatien“ (Split, Solin, Kastela, Sibenik, Trogir, Vodice, Ma-
karska, Dubrovnik, Stari Grad u. Vrbovska auf Hvar, Vis u. Komiza auf Vis u. Vela
Luka u. Blato auf Korcula, die beiden letzteren reine Jugendorganisationen). In zahl­
reichen chiffrierten Briefen an die Zentrale in Belgrad war die Rede von den „ziemlich
pessimistisch ausgerichteten Genossen in Dalmatien“, die gegen von der Zentrale be­
stimmte Funktionäre rebellieren würden.828 Auch auf ZK-Plenen wurde der „Pessi­
mismus“ der Genossen aus Dalmatien bezüglich der Partei- und Gewerkschaftsarbeit
beklagt. Es wurde zugegeben, daß das Büro des ZK „tatsächlich zu wenig Unterstüt­
zung“ geleistet hätte und noch keine „klare Vorstellung über den Stand und die Akti­
vitäten der dalmatinischen Organisation“ habe. Aus den „knappen Berichten, die das
Büro aus Dalmatien erhält“, ließe sich nicht viel ersehen. Es wurde auf dem Plenum
beschlossen, einen Genossen auf längere Zeit nach Dalmatien zu schicken, der „die
dortigen Zustände genau untersuchen soll“.829 Am 8. Juli 1933 beschwerte sich die
Bezirksorganisation, daß nicht einmal die Parteizeitung „Proleter“ ankommen würde
und auch keine sonstigen Nachrichten, vom Wichtigsten, der finanziellen Unterstüt-
zunng, ganz zu schweigen.830 Im August 1935 schrieb das ZK, „verwundert über eure
Uninformiertheit“, daß die angeforderte Parteizeitung „schon drei Monate nicht mehr
herauskommt, und unter den jetzigen Umständen auch in Zukunft nicht mehr erschei­
nen wird“. Man könne an solchen Anfragen sehen, „was ihr für einen guten Willen
habt“. Den langen und opferreichen Kampf könne man nicht auf einem Fundament
aus Sand aufbauen „v. a. in diesem Moment, wenn sich Macek für eine Politik des
Abwartens entschieden hat“. In einem undatierten handschriftlichen Protokoll einer
Sitzung des Bezirkskomitees (wahrsch. Herbst 1933) wurde bemerkt, daß „die
Bauernfrage“ betont werden müsse. Man könne „nicht aufs Dorf kommen, ohne kla­
ren Standpunkt zur nationalen Frage“, schrieben die dalmatinischen KP-Aktivisten
und schlossen: „Unsere Direktiven im Hinblick darauf sind ungenügend.“831
Massenwirksamkeit, so zeigte man sich bald überzeugt, könne nur durch Zusammen­
arbeit mit der Bauernpartei erreicht werden. Doch die lokale Parteiorganisation fragte
sich, „wie die Einheitsfronttaktik bei uns umzusetzen ist.“832 So schlug die KP vor,
gemeinsame Jugendausschüsse mit der HSS zu bilden und in legalen Organisationen
(kulturellen, humanitären, sportlichen etc.) für gemeinsame Forderungen zu agitie­
ren.833 „Keinen Zweifel“ könne es daran geben, daß „die überwältigende Mehrheit
des kroatischen Volkes in Dalmatien unter dem Einfluß der HSS steht“, die seit Jahr­
zehnten in „Opposition gegen das Belgrader großserbische Regime“ stände, deren
„Anhänger verfolgt wurden und werden“, hieß es in den Briefen der örtlichen KP-

828
Vgl. „Brief an Leo“v. 20.02.1927 (eingegangen in Belgrad 26.02.27), S-192.
829
Büro des ZK SKOJ v. 16.02.1927, S-194.
830
S-228.
831
S-178.
832
S-159.
833
Brief aus Split an das ZK - Nr. 5/18.2.1935, S-148.

335
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Funktionäre an das ZK.834 Die Bauernpartei lehnte aber alle Volksfrontangebote der
KP auch in Dalmatien ab. Kommunismus sei eine den kroatischen Bauern „fremde
Idee“, die die Bauernbewegung nicht brauchte. „Wir haben unsere Ideologie, das ist
die kroatisch-bäuerliche Ideologie (...) wir brauchen weder einen Faschismus, noch
Hitlerismus, noch Kommunismus, das ist alles fremd und von außen aufgepfropft,
und ihr wißt: nicht jeder Stiefel paßt auf jeden Fuß, noch jede Mütze auf jeden Kopf“,
beschied die Bauernpartei die Aktivisten der KP.835
Ein Bericht aus Sinj eines Kommunisten an sein ZK vom 9. August 1935 illustrierte
die politische Stimmung jener Zeit in Dalmatien: Der Bericht schilderte neben den
Problemen der Parteiarbeit auch die Totenmesse zum Jahrestag von Stjepan Radic Tod
in Sinj:
„1500 Personen, darunter 100 Frauen, formierten sich nach der Messe zu einem Demonstrati­
onszug. Hochrufe auf Radic, Macek, Kroatien, die Freiheit, gegen Polizeiprügel, die Armee,
den Faschismus (...). Auf Verlangen der Menge, und gegen den Versuch des Pfarrers, dies zu
verhindern, sprach der Bauer Vicko Buljan, der eine Amnestie für alle „Kämpfer für die
nationalen Rechte“ forderte und verlangte, daß auf der Alka (trad. Ritterspiel, das seit dem
ersten Drittel des 18. Jh. aus Anlaß eines milit. Sieges über die Türken in Sinj abgeh. wird,
A.J.) kroatische Fahnen wehen müßten. Danach sprach der Pfarrer, der u.a. dem Volk anfing
zu erklären, was Politik ist und daß dies eine große Sache sei, für die es viel Verstand bedürfe,
den die Bauern nicht hätten. So müßte die Politik von den klugen und gelehrten Köpfen
geführt werden. Von den Bauern wurde er dafür angegriffen; der Bauer Stipan Romac tat sich
dabei besonders hervor. (...) Zwei Tage später griff der Pfarrer in der Predigt Romac für
dessen Rede scharf an und nannte ihn einen Kommunisten, verdammte ihn und seine Familie,
und rief das Volk auf, ihn zu meiden, woraufhin 150 Bauern aus Protest die Kirche verließen.
Nach der Alka ließ das Volk die übliche Rede nicht zu, die der verhaßte Jugonationalist und
ehemalige Österreicher Vice Grabovac halten wollte. Gruppen sammelten sich an verschiede­
nen Ecken, Polizei griff ein, Unruhen, MGs, Patrouillien, ein Toter, zahlreiche verletzte De­
monstranten und Polizisten.“ Und anläßlich des von Katholiken begangenen Marien-Feierta-
ges Himmelfahrt (Velika Gospa) berichtete die dalmatinische KP-Bezirksorganisation an die
Zentrale: „(...) riesige Manifestationen mit vielen kroatischen Fahnen in Sinj, nach dem Feuer­
werk Hochrufe auf Macek (...) bewaffnete Tschetniks aus den orthodoxen Dörfern und Ge­
heimpolizei aus Split waren neben der kompletten Garnison des 13. Inf Bat und des 7. Art.
Reg. zur Bewachung von Recht und Ordnung aufgeboten. Es war alles bewaffnet und auf
den Beinen, was als vertrauenswürdig galt. Der 26-jährige Bauer Sipic aus Vedrina wurde vom
montenegrinischen Polizisten Perovic erschossen. (.. .).“836

Wegen Verhaftungen existierte zwischen 1935 und 1938 praktisch keine Parteiorgani­
sation mehr in Split. Doch weiter trafen sich kommunistische Sympathisanten in Zir­
keln und machten Propagandaarbeit. In den Beschreibungen nach dem Krieg herrschte
der Tenor vor, daß die Jungkommunisten so gut wie alle anderen Organisationen

834 Brief Delic 3/25.07.1935 u. Bericht des Bezirkskomitees KI 1935/505.


835 Rede anläßlich der 100-Jahrfeier der kroatischen Hymne in Split, in: Jadranski dnevnik v.
16.12.1935.
836 Bericht aus Sinj an das ZK v. 19.8.1935, PAS S-136.

336
Folgen des sozialen Wandels

unterwandert hatten, vom Roten Kreuz bis zu den Nähkursen des „Kroatischen Her­
zens“ (Hrvatsko srce) und der „Seljacka sloga“, von den Schulen ganz zu schweigen.
An dieser Darstellung scheinen erhebliche Zweifel angebracht. Wohl nicht nur „wegen
des starken Einflusses der reaktionären Kräfte“, spielten sich die „wesentlichsten Akti­
vitäten“ der Kommunisten in Dalmatien in „Sportvereinen, bei organisierten Aus­
flügen, auf Feiern (...) etc. ab.“837 Publizierte Erinnerungen der Aktivisten bestätigen
dieses Bild, liest man zwischen den Zeilen der parteiamtlichen Darstellung der Gene­
rallinie, von der es im Nachhinein hieß, sie sei „immer“ befolgt worden.838 Dabei ist
der „Manifestationscharakter“, wenn in den Arbeiterkulturclubs „Split“ u. „Nada“
Tanzveranstaltungen stattfanden und „rote Papierrosen als Eintrittskarten“ benutzt
wurden, sicher nicht nur ein ausschließlich politischer gewesen. Ob im Gesangsverein
„Jedinstvo“ mit kämpferischen Arbeiterliedern, den Sportvereinen „Istok“, „Krupa“
und „Osvetnik“, Lesezirkeln, Esperanto-Kursen oder Wandervereinen wie „Dinara“,
„Prijatelj prirode“(Naturfreund), „Mosor“ etc., im Kulturverein oder etlichen ande­
ren - es entstand ein eigenes sozio-kulturelles linkes Milieu.839 Seit dem Juli 1928 war
nach der Bezirkskonferenz des Kommunistischen Jugendbundes häufig in Flugblät­
tern die Rede von der „nationalen Unterdrückung“. Die „serbische Bourgeoisie“ habe
„die Reaktion verstärkt“, „Morde“ seien an der Tagesordnung. Die „jungen Arbeiter
und Bauern“ wurden aufgerufen, auch dagegen ihren Kampf zu führen.840 Wie stellte
sich die Linke zur „nationalen Frage“?
Anfangs fand sich kaum ein Wort über „nationale Themen“ in den Dokumenten der
Kommunistischen Partei.841 „Die Lebens- und Arbeitsbedingungen“, die sich „von
Tag zu Tag verschlechtern“ würden, währenddessen „die Kapitalistenklasse Orgien
unter den Klängen des größten Abschaums und Verräters der Arbeiterklasse, der So-

837 Sitin, Tonci, O razvitku omladinskig revolucionarnog pokreta u Splitu 1941-1942. godine
(Über die Entw. der rev. Jugendbew. in Split 1941-42), in: Institut za historiju radnickog
pokreta Dalmacije (Hg.), Split u narodnooslobodilackoj borbi i socijalistickoj revoluciji
1941-1945. (Split im Volksbefreiungskampf und in der Sozialistischen Revolution 1941-45),
Split 1981, S. 377-405, hier S. 379. Vgl. auch N. Marovic, SKOJ u Dalmaciji 1939-1941.
godine, in: Zbornik, Split 1972, S. 521-546, u. Josip Ugrina, O revolucionarnom omladins-
kom pokretu u Splitu od 1941. do 1945. (Über die rev. Jugendbew. in Split 1941-45), in:
Zbornik: Revolucionarni omladinski pokret u Hrvatskoj 1941-1948., Zagreb 1972, S. 133 —
140. Arbeitersportvereine gab es in allen Städten Dalmatiens: Grgurevic, Dragutin, Crveni
„Sibenik“ 1932-1972. - Cetrdeset godina Radnickog sportskog drustva i kluba „Sibenik“
(Das rote Sibenik, 40 Jahre Arbeitersportverein), Sibenik 1972.
838 So z.B. Radmilovic, Jerko, Otok Brac u Narodnooslobodilackoj borbi (Die Insel Brac im
Volksbefreiungskampf), in: Bracki zbornik 2, Split 1954, S. 5-83., Marovic, Neda, SKOJ i
revolucionarni omladinski pokret u Splitu 1935-1941. (Der Bund der Komunistischen Jugend
Jugoslawiens und die rev. Jugendbew. in Split 1935-41), in: IHRPD (Hg.), S. 63-99.
839 Marie, Milomir, Deca komunizma (Kinder des Kommunismus), Beograd 1987, mit zahlrei­
chen Biographien kommunistischer Sympathisanten u. Aktivisten der Zwischenkriegszeit.
840 Vgl. internes Rundschreiben für die dalm. Bezirksorganisationen Juni 1928 S-185.
841 S 66-280, Karton 214/625 (1923-1945).

337
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

zialpatrioten“ feiere, standen im Mittelpunkt der Agitation.842 Die Sozialistische Partei


und der ihr nahestehende „Zentrale Arbeiterbund Jugoslawiens“ (Glavni radnicki sa-
vez Jugoslavije), der Ende 1921 gegründet wurde, wurde von den Kommunisten als
„sozialreformerisch“ bekämpft. Die „Borba“ behauptete sogar, daß in Dalmatien „So­
zialreformer und Orjuna“ zusammen mit der Polizei Gewerkschafts- und Parteifunk­
tionäre verfolgen würden.843 Doch die Kommunisten hatten mit den als „Sozialverrä­
ter“ apostrophierten Sozialisten, was die Auffassungen zur „nationalen Frage“ anbe­
langte, vieles gemein.
Die jugoslawischen Sozialisten beharrten lange und hartnäckig auf staatlichem Zentra­
lismus und jugoslawischem Unitarismus. Dafür waren v. a. zwei Überlegungen verant­
wortlich. Die eine war die Überzeugung eines großen Teils der Sozialdemokraten, daß
die Jugoslawen tatsächlich ein Volk seien und daß die sog. „jugoslawischen Stämme“
in Wirklichkeit nur Teile eines größeren Ganzen sind. Alle Unterschiede seien nur das
Produkt des unheilvollen Einflußes der Kirchen und der reaktionären Politiker. Es
herrschte der Glaube, daß das Zusammenleben im gemeinsamen Staat die Unter­
schiede schnell zum Verschwinden bringen würde. Der zweite, genauso wichtige
Grund, lag in der sozialdemokratischen Auffassung begründet, daß die ungelösten
nationalen Probleme in den einzelnen Staaten nur den Klassenkampf behindern wür­
den, weil die Bourgeoisie die nationalen Antagonismen und die Unzufriedenheit der
breiten Arbeiterschichten (als potentielle Parteimitglieder) manipulieren und ausnüt­
zen würde und sie damit von ihrer historischen Mission und dem Endziel ablenken
würde. Deshalb hatten die verschiedenen sozialdemokratischen Parteien die Schaffung
des SHS-Königreichs begeistert begrüßt, da sie davon ausgingen, daß es nun keine
ungelösten nationalen Fragen geben würde und die soziale Frage in den Mittelpunkt
rücken würde. Aus diesem Grunde widersetzten sie sich anfangs, auch nur die Exi­
stenz von verschiedenen Völkern anzuerkennen.
Bald schon fanden sich jedoch gerade die kroatischen Sozialisten im Zentrum des
serbisch-kroatischen Tauziehens um zentralistische oder föderative Staatsorganisation
wieder und waren gezwungen, in diesem Konflikt Stellung zu beziehen. Da der kroati­
sche Block im In- und Ausland für seine Vorstellungen warb, sah die Führung der
Sozialisten die Gefahr, daß auch die großen europäischen sozialdemokratischen Par­
teien die Sichtweise des Bauernführers Radic zur nationalen Frage übernehmen könn­
ten. Ein Manifest, das an die Büros der Internationale gerichtet war, mit der Bitte um
Weiterleitung an alle Mitgliedspartien, machte den Standpunkt der SPJ klar.844 Die
Einführung eines polizeilichen Zentralismus und die Hegemonie der serbischen Bour­
geoisie seitens der Demokratischen und Radikalen Partei wurden zwar scharf verur­
teilt, aber die Kroatische Bauernpartei bekam damit noch keinesfalls Recht in ihren
Forderungen. Die Zagreber Parteiführung der jugoslawischen Sozialdemokraten sah

842 Cirkular 1922 S-180.


843 Borba v. 23.08.1923.
844 Milenkovic, S. 670; ders., Socialreformisticki pravac, S. 195-287.

338
Folgen des sozialen Wandels

als „Endziel des Kroatischen Blocks die Gründung eines eigenständigen kroatischen
Klein-Staates“. Dieser Block sei „die Vereinigung der klerikalen und kleinbesitzer­
lichen dörflichen Bourgeoisie, unterstützt von den österreichischen und ungarischen
Reaktionären des alten Regimes, die die Rückkehr der Habsburger und die Verhinde­
rung der Agrarreform herbeiwünschen.“ Deswegen wurde protestiert gegen diese „re­
aktionären“ und „mittelalterlichen Forderungen“, deren Verwirklichung in den Augen
der Sozialisten die „Vernichtung des ganzen jugoslawischen Volkes, und besonders
seines kroatischen Stammes“, nach sich ziehen würde.845 Keine Ausgabe der Parteizei­
tung „Das freie Wort“ (Slobodna rijec) erschien ohne Wiederholung oder Paraphrase
der Beschlüsse der Partei und Aussagen des Parteiführers Korac, das Kroatische „Pro­
blem“ (Anführungszeichen im Original) würde sich schon „von alleine durch gesunde
und forcierte Entwicklung unseres Volkes“ ein für allemal lösen. Die „Lösung“ behin­
derte seiner Meinung nach nur der „pathologisch belastete Demagoge“ Radic, den er
denn auch als Hauptschuldigen für die Virulenz der „nationalen Frage“ in Jugoslawien
ausmachte.846 Jeder Versuch, die Vidovdan-Verfassung in Richtung Dezentralisierung
und größere Autonomierechte für einzelne Völker und Regionen zu ändern, bewerte­
ten die Sozialisten als reaktionäre Politik, die zur Zerstörung Jugoslawiens führen
würde, und griffen sie scharf an.
Nicht viel anders war es bei der KPJ. Bis zum Jahr 1923 wurde die Bedeutung von
Nationalität oder Nation als äußerst gering eingeschätzt. Viel bedeutender war die
„soziale Befreiung des Proletariats“. Doch unter dem Eindruck „des Kampfes der
nationalen Kräfte in Kroatien gegen die großserbische Bourgeoisie“847 begann im
Laufe des Jahres 1923 innerhalb der Arbeiterbewegung eine kontroverse Diskussion
um die Standortbestimmung im durch Nationalitätenkonflikte aufgeheizten innenpo­
litischen Klima des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen. Das Marxsche
Diktum, daß der Kampf der Proletarier gegen die Bourgeoisie, wenn auch nicht dem
Inhalt, so aber doch der Form nach, „zunächst ein nationaler“ sei, konnte im südslawi­
schen Bereich durchaus unterschiedlich interpretiert werden.848 In den kommunisti-

845 Slobodna rijec v. 7.01.1922, Proletarijatu citavoga svijeta!, (An das Proletariat der ganzen
Welt!) Milenkovic, S. 671. Kapitel „Stellung der SPJ zur nationalen Frage und der staatlichen
Organisation Jugoslawiens, S. 658ff.
846 Korac, Vitomir, Hrvatski „problem“, Beograd 1922, S. 35ff.
847 Lukac, Dusan, Ucesnici iz Hrvatske u diskusiji o nacionalnom pitanju u NRPJ 1923. godine
(Die Teilnehmer aus Kroatien in der Diskussion über die nationale Frage in der Nationalen
Arbeiterbewegung Jugoslawiens 1923), in: Casopis za suvremenu povijest, Nr. 3, Zagreb 1972,
S. 31-43.
848 Marx Engels Werke Bd. 4, S. 473. Die prinzipielle Kritik des Nationalismus bei Marx findet
sich in seiner Schrift „Zur Judenfrage“, wo er den Nationalismus nicht als bloße Ideologie,
sondern als ein praktisches Verhältnis von Staat und Bürgern darstellt (MEW 1, S. 354f.).
Dort ist die Notwendigkeit des Gegensatzes zwischen Staat und Gesellschaft beschrieben, die
Beherrschung der Klassengesellschaft sei der Dienst des Staates an der Gesellschaft; der Staat
wird benannt als notwendige Voraussetzung des Kapitalverhältnisses; durch die bewußte
Antizipation des Unterwerfungsverhältnisses wird der Bürger zum aktiven Nationalisten.

339
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

sehen Zeitungen „Radnik-Delavec“ (Der Arbeiter) und „Borba“ (Der Kampf) kamen
mehrere Strömungen und Anschauungen zu Wort, doch lassen sich die Standpunkte
im großen und ganzen „auf zwei grundsätzliche Linien“ reduzieren: „(D)iejenige, die
den alten Auffassungen der Negation der nationalen Frage in Jugoslawien näher war
und diejenige, die um die Anerkennung der nationalen Besonderheiten der Kroaten,
Slowenen und Serben kämpfte“.849
Letztere Auffassung kam im Artikel eines anonymen Autors aus Serbien gegen Ende
Juli 1923 zum Ausdruck, der „als sinnvollste Einrichtung der zwischennationalen Ver­
hältnisse in Jugoslawien“ eine „Föderation gleichberechtigter Länder“ vorschlug, die
„durch eine freie Volksabstimmung eingerichtet werden soll“.850 In dieselbe Richtung
ging der Beitrag des kroatischen Kommunisten Ante Ciliga aus Zagreb.851 Er erkannte
an, daß die vielen Elemente des gegenseitigen Einflusses, der ethnischen Nähe usw.
zur nationalen Einheit der Serben, Kroaten und Slowenen geführt haben, doch er
unterstrich, daß es zur richtigen Einheit nicht kommen könne wegen der „wirtschaftli­
chen Unterschiede“, der „unterschiedlichen Entwicklungsstufe“ und der „verschiede­
nen fremden Einflüsse“. Seiner Meinung nach kam es zur Schaffung des Gesamtstaates
vor allem durch den Einfluß der äußeren Faktoren ohne echten Wunsch der einzelnen
einheimischen Politiker. Die „großserbische Bourgeoisie“, die eigentlich ein Großser­
bien angestrebt hatte und die „großkroatische Bourgeoisie“, die an einer trialistischen
Lösung innerhalb der Donaumonarchie interessiert gewesen war, wären durch den
Ausgang des Weltkrieges dazu gezwungen worden, die Einheit der Serben, Kroaten
und Slowenen anzuerkennen, die „ehrlich keine einzige gesellschaftliche Gruppe in
den südslawischen Ländern gewollt hatte“. Der „mit Gewalt geschaffene“ künstliche
Staat sei eben wegen der allgemeinen wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Unter­
schiede nur der Apparat zur nationalen Unterdrückung, was zu zwischennationalen
Kämpfen geführt habe. Die großserbische Bourgeoisie würde nun, bedingt durch die
Erfolge im Krieg und die Gunst der Ententemächte, alle Macht im Staate in ihren
Händen konzentrieren, die eigene Kapitalakkumulation hintenanstellen und rück­
sichtslos die anderen Völker ausplündern. Gegen diesen Raub und gegen die Herr­
schaft der Serben würden nun alle anderen Provinzen (pokrajine) und Klassen rebellie­
ren, vor allem Kroatien. Doch die kroatische Bourgeoisie würde unter der Parole der
Autonomie nur den Kampf um politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung mit
der serbischen Bourgeoisie führen.
In der „Borba“ vom 30. August 1923 wurde die serbische Bourgeoisie auch vom
Schriftsteller August Cesarec852 dafür verantwortlich gemacht, daß „keine Bedingun­
gen für eine richtige Vereinigung entstehen können“. Vielmehr sei durch die Hegemo-

849 Radnik-Delavec v. 24. u. 28. Juni 1923. Borba v. 27. Juli 1923. Hier zitiert nach Lukac, S. 31ff.
850 „Nacionalni problem u Jugoslaviji“, in: Radnik-Delavec, Nr. 65 v. 29. Juli 1923.
851 Ante Ciliga, in: Borba v. 30. August 1923 u. Lukac, S. 34.
852 Cesarec, August, Osnovni nas nacionalni stav federalizam (Unser grundsätzlicher nationaler
Standpunkt Föderalismus), in: Borba v. 30. August 1923.

340
Folgen des sozialen "Wandels

nie des serbischen Bürgertums, durch die Herrschaft der Gewalt und der nationalen
Unterdrückung die gegenseitige Entfremdung der südslawischen Völker sehr gewach­
sen: „Obwohl wir objektiv ein Volk sind, fühlen sich die Massen heute weniger denn
je subjektiv als ein solches, sondern im Gegenteil; das ist die Tatsache, aus der wir
unvermeidlich den Schluß ziehen müssen, daß Jugoslawien, als Nationalstaat gegrün­
det, heute faktisch einen Staat der Nationalitäten darstellt“. Infolgedessen müsse nun
also auch die Kommunistische Partei, die zuerst eine der „heftigsten Verfechter der
nationalen Einigkeit gewesen war“, ihre Politik ändern, da „diese Parole keinen Wi­
derhall in den unterdrückten Ländern findet“. Die korrekte Linie sei die Betonung
des „Rechts des Volkes auf nationale Selbstbestimmung“. Den Mitgliedern der Partei
müßten „die wahren Orientierungen des Volkes heilig und unantastbar“ sein. Wenn
die Völker der „einzelnen Provinzen nach Autonomie verlangen, sei es innerhalb des
Staates wie die Slowenen, die bosnischen Muslime und die Montenegriner, oder außer­
halb oder nur im Rahmen einer weiteren Föderation wie die Mazedonier und vielleicht
die Montenegriner, oder eine Konföderation verlangen, wie es die Kroaten tun, so
müssen sie dies achten“.853 Die Arbeiterbewegung würde alle Regierungsformen ak­
zeptieren, die zur Befreiung und zum freieren Leben des Volkes führen, um so mehr,
als Föderation, Autonomie oder Konföderation und ähnliches ja sowieso nicht Ziel
der Arbeiterklasse seien, sondern nur das Mittel für die wahrhafte Befreiung des Vol­
kes und letzten Endes für das Absterben der Nation.
Die wichtigsten Ergebnisse der innerhalb der KPJ geführten Diskussion waren „die
endgültige Abkehr von der Idee des integralen Jugoslawismus“854 und die Anerken­
nung der nationalen Unterschiede zwischen Serben, Kroaten und Slowenen, wie sie
in den Resolutionen der „Dritten Landeskonferenz der KPJ“ zum Ausdruck kamen.
Schon in der 1923 veröffentlichen Schrift „Die nationale Frage im Lichte des Marxis­
mus“ hatte sich der Parteitheoretiker Sima Markovic gegen die staatlicherseits propa­
gierte „Stammestheorie“ ausgesprochen. Historisch argumentierend betonte er, daß es
sich 1918 schon um drei formierte Völker - Serben, Kroaten und Slowenen - gehan­
delt hätte. Die „groß-serbische Hegemonie“ erklärte er aus dem Bestreben der serbi­
schen Bourgeoisie heraus, mit der fortgeschritteneren kroatischen und slowenischen
gleichzuziehen. Sein Plädoyer für Autonomierechte, die man Slowenen und Kroaten
gewähren sollte, verband er mit der Hoffnung, damit die nationale Frage erledigen zu
können und die Rahmenbedingungen des Klassenkampfs für das Proletariat zu schaf­
fen, auf das es ihm ankam. Die Linke der Partei argumentierte dagegen. Es handele
sich nicht nur um eine Revision der Verfassung, die anstünde. Vielmehr müßten die
verschiedenen Völker erst ihre „national-bourgeoisie Revolution“ durchführen, um in
einem zweiten Schritt zum Sozialismus voranschreiten zu können. Die Parteirechte
hielt die gesamte nationale Frage für eine „Fatamorgana“, die den „Antagonismus der
Klassen“ überdecken würde. Es ginge nur um den Konkurrenzkampf der verschiede-

853 ebenda.
854 Lukac, S. 42.

341
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

nen Bourgeoisien untereinander, die kleine Gegensätze zu nationalen Problemen


hochstilisieren würden. An der Debatte, die der Dritten Parteikonferenz im Januar
1924 vorausging, auf der die nationale Frage Hauptthema war, beteiligten sich zahlrei­
che Parteiaktivisten und Publizisten. Der genaue Verlauf läßt sich leicht in der über
Jahrzehnte dazu publizierten Literatur nachlesen.
Die Resolution des III. Parteitags der KPJ schließlich, der 1926 in Wien abgehalten
wurde, ließ wieder die Grundprobleme des neuentstandenen Königreichs deutlich
werden. Darin hieß es:
„Jugoslawien ist ein multinationaler Staat, in dem die serbische Nation als die herrschende
auftritt. Das imperialistische Regime der herrschenden serbischen Bourgeoisie gründet sich
auf die Politik der nationalen Unterdrückung und der ökonomischen Ausbeutung der nicht­
serbischen Nationen. Die nationale Unterdrückung manifestiert sich in verschiedenen For­
men: der Nicht-Gewährung der politischen und Bürgerrechte, der Zerstückelung in Regionen,
der privilegierten Stellung der Serben im Militärapparat und in der Bürokratie, durch das
Verbot des Gebrauchs der Muttersprache, die Schließung und das Verbot von nationalen
Schulen, gewaltsame Kolonisierung, eine viel stärkere steuerliche Belastung der nicht-serbi­
schen Gebiete (...). Die imperialistische Politik der herrschenden serbischen Bourgeoisie hat
die gerechtfertigte gewaltige Unzufriedenheit bei allen nicht-serbischen Nationen zur Folge
gehabt. Diese Unzufriedenheit kommt in der Formierung von Nationalbewegungen in Kroa­
tien, Slowenien, Makedonien, der Vojvodina und Montenegro zum Ausdruck (...)“.855

Diese „Resolution" der KPJ zur „nationalen Frage“ von 1926 bedeutete den endgülti­
gen Umschwung der Partei auf eine föderalistische Linie. Die scharfen Angriffe gegen
das „imperialistische Regime der herrschenden serbischen Bourgeoisie, welches auf
der Politik der nationalen Unterdrückung und der ökonomischen Ausbeutung der
nicht-serbischen Nationen“ beruhe, nahmen Parolen der Bauernpartei auf. Gleichlau­
tend hatte Radic die „nationale Unterdrückung“ kritisiert, die sich im „Vorenthalten
der politischen und bürgerlichen Rechte, Parzellisierung der Regionen“ manifestieren
würde, sowie in der „privilegierten Stellung der Serben in Bürokratie und Militär,
Verbot der Verwendung der Muttersprache, Schließung und Verbot der nationalen
Schulen, Kolonisierung mit Gewalt, sehr viel stärkerer Besteuerung der nicht-serbi­
schen Gebiete, benachteiligenden Kreditpolitik der staatlichen Finanzinstitutionen
(Staatsbank, Staatliche Hypothekenbank, Postsparkasse usw.“ „Völlig zurecht“, be­
tonte nun auch die KP, habe solch eine Politik die „Unzufriedenheit aller nicht-serbi­
schen Völker“ hervorgerufen, was zur „Formierung von Nationalbewegungen in
Kroatien, Slowenien, Mazedonien, Vojvodina und Montenegro“ geführt habe. Noch

855 Hier zit. nach „Odbor za obiljezavanje 50. obljetnice pobjede Antifasisticke koalicije u Europi
i svijetu Sabora Republike Hrvatske“ (Ausschuß für die Begehung des 50. Jahrestages des
Sieges der Antifaschistischen Koalition in Europa und der Welt des Parlaments der Republik
Kroatien). Za grupu autora predsjednik provedbenog vijeca odbora (Für ein Autorenkollektiv,
der Präsident des Durchführungsrates des Ausschusses): Milivoj Kujundzic (Hg.), Doprinos
Hrvatske pobjedi Antifasisticke koalicije (Der Beitrag Kroatiens zum Sieg der Antifaschisti­
schen Koalition), Zagreb 1995, S. 14.

342
Folgen des sozialen Wandels

stände zwar die „Bourgeoisie“ an der Spitze dieser Bewegungen, die „sich bemüht,
die nationale Frage zur Stärkung ihrer Stellung in den Volksmassen“ auszunützen,
aber die „Erfahrung hat auch in Jugoslawien, wie in anderen Ländern, gezeigt, daß
die Bourgeoisie unfähig ist, den nationalen Kampf zu Ende zu führen“. Sie würde ihn
in dem Moment „verraten, wenn die nationale Bewegung der Massen zur Gefahr für
ihre Klassenherrschaft zu werden droht.“856 Im „Siebenten Thema“ seiner „Ge­
schichte der Kroaten“, in dem die Zeit von 1918 bis 1938 behandelt wird, stellte
Otokar Kersovani die bekannte These auf, daß die „hegemonistische groß-serbische
Borgeoisie“ die „wirtschaftliche Entwicklung der kroatischen (und generell der nicht­
serbischen) Länder bremste.“ Dieses System habe einzig der „wirtschaftlichen Unter­
drückung und Ausbeutung der Arbeiterklasse außerhalb Serbiens“ gedient. Und nicht
nur die Arbeiterklasse wurde, was Kersovani anhand von Arbeitslosigkeit, niedrigen
Löhnen etc. nachzuweisen suchte, „gnadenlos ausgebeutet“. 20 Jahre stand Jugosla­
wien auch „für die große Masse des kroatischen Kleinbürgertums und der Intelligenz
als Synonym für Pauperisierung, Verfall und immer tiefere Krisen.“ Die daraus fol­
gende „Unzufriedenheit“ habe „schon von Anfang an die Form des nationalen Kamp­
fes der kroatischen arbeitenden Massen gegen ihre Unterdrücker“ (Hervorh. im Origi­
nal) angenommen.857 Die „Volksmassen wollten keinen solchen Staat“, wie er 1918
geschaffen worden war. Das in den Städten konzentierte „kroatische Kleinbürgertum
und die Intelligenz hat anfangs im großen und ganzen den neuen Staat und den Jugo-
slawismus angenommen, doch später in schnellem Tempo diese Positionen verlassen
und sich kroatisch orientiert.“858 Anfänglich sei im neuen Staat die „kulturelle Ent­
wicklung der Kroaten“ in bestimmter Weise befördert worden. Die „Hindernisse, die
das deutsche und magjarische Regime (vor allem in Dalmatien)“ dargestellt hatten,
seien gefallen.859 Doch da die „teorija jugoslavenstva“ sich „vollständig als Waffe der
groß-serbischen Hegemonisten demaskiert und sich als vollkommen unrealistisch er­
wiesen“ habe, siegte sowohl in der politischen als auch in der kulturellen Sphäre,
bald „das Kroatentum und die kroatische nationale Kultur“ über die „jugoslawische
Orientierung“. Der Jugoslawismus wurde nur noch „von einigen Gebildeten, beson­
ders von Fanatikern und Söldnern der Orjuna akzeptiert, die als Versuch formiert
wurde, eine Art jugoslawischen Faschismus nach Vorbild des italienischen zu schaf­
fen“. Die KP habe demnach vollständig die Positionen des Jugoslawismus und Zentra­
lismus verlasen.860

856 Istoriski arhiv KPJ, Bd. II, Resolution d. III. Parteitags in Wien im Juli 1926, Beograd 1950,
S. 111.
857 Kersovani, Otokar, Povijest Hrvata, Rijeka 1971, S. lllf. u. 115f. Seine 1939/40 fertiggestellte
„Geschichte der Kroaten“ ist hauptsächlich im Gefängnis verfaßt, und symptomatisch für
die Sichtweise eines kroatischen marxistischen Intellektuellen. Sie trägt als Ausdruck dieser
Überzeugungen und ihrer Entstehungszeit Quellencharakter.
858 ebenda, S. 117f. u. 123.
859 ebenda, S. 142.
860 ebenda, S. 126 u. 142.

343
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

Obige Ausführungen zeigen, wie massenwirksam die KP die .nationale Frage' ein­
schätzte. Man meinte, daß „im Kampf gegen die Klassensolidarität der Arbeiter und
Bauern“ die „stärkste und gefährlichste Waffe“ der „stark mobilisierten Bourgeoisie
mit ihrem ganzen Apparat (...), die Lüge von der Anationalität (anacionalnost)“ der
Arbeiterbewegung sei.861 Daher wurden Fragen von „Internationalismus und Volks­
zugehörigkeit“ von der KP oft und ausführlich erörtert.862 Tenor der Artikel war
jedesmal, daß die klassenbewußte Arbeiterbewegung keineswegs ein Feind des kroati­
schen Volkes und der kroatischen Freiheitsbewegung sei. Überall ständen die Kom­
munisten an vorderster Front auch für die nationale Befreiung, trotz ihres grundsätz­
lich internationalistischen Eintretens für die Befreiung der Arbeiterklasse weltweit.
Der „kroatische Kommunist“ sei „kein „Internationalist“, der in der Luft hänge, son­
dern er sei “Kommunist und Kroate (Flervorh. im Original), der sich mit ganzer Kraft
für den Sieg des kroatischen Volkes einsetze. Für einen serbischen Kommunisten be­
deute Internationalismus in erster Linie konsequenten Kampf gegen die großserbische
Politik der serbischen herrschenden Klasse. Und für den kroatischen Kommunisten
bedeute Internationalismus in erster Linie „aktivste Mitwirkung im Befreiungskampf
des kroatischen Volkes und brüderlicher Bund zwischen den kroatischen Arbeitern
und Bauern und brüderliche Übereinkunft mit dem serbischen arbeitenden Volk.“863
Immer wieder waren die „Kommunisten und das kroatische Volk“ Thema der Partei­
zeitung. Die Partei war sich bewußt, daß die „Kroatische Bauernpartei in ihren Reihen
die große Mehrheit des kroatischen Volkes vereinigt“. Nur deren „rechter Flügel“,
und dessen „Klerikalismus“ und „Anti-Kommunismus“ müsse politisch bekämpft
werden. Auch wollte man sich in punkto kroatisches Nationalgefühl in der Agitation
von der HSS nicht übertreffen lassen. Daher wurden einige „Führer der Bauernpartei“
sogar als „Helfer der Belgrader Regierung“ und „Feinde des kroatischen Volkes“ ge­
brandmarkt. Die Partei empfahl sich als „konsequentesten Kämpfer und Anhänger
des Rechtes eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung“. Die Kommunisten, so hieß es
in der Erklärung, seien „entschlossene Gegner jeder gewaltsamen Assimilation, des
Einschmelzens einzelner Völker. Deshalb verurteilen und kämpfen sie gegen alle Ver­
suche der Belgrader Machthaber, das kroatische Volk vom Angesicht der Erde zu
tilgen, die Kroaten in Serben zu verwandeln, oder zu einem Stamm (...) zu machen.
Die Kommunisten gehen davon aus, daß Kroaten, Serben und Slowenen drei eigene,
brüderliche Völker sind.“864

861 Berus, S. 13.


862 Schon der fehlgeschlagene Versuch der Ustasa im Jahr 1932, im Velebit-Gebirge einen kroati­
schen Aufstand zu organisieren, wurde von der KPJ nicht verurteilt, die ein autonomes „So­
wjet-Kroatien“, auf Grundlage des „Rechts der unterdrückten Völker auf Selbstbestimmung
bis hin zur Abspaltung“ forderte; vgl. auch Boban, Ljubo, Prilog proucavanju odnosa KPJ
prema ustasama u vrijeme sestojanuarske diktature (Ein Beitrag zur Erforschung des Verhält­
nisses der KPJ zur Ustasa zur Zeit der Diktatur des 6. Januar), in: ders., Kontroverze iz
povijesti Jugoslavije 2, S. 202-226.
863 Proleter Jg. XIII Nr. 1/Januar 1937, S. 5.

344
Folgen des sozialen Wandels

Den logischen Endpunkt dieser Agitation stellte die Gründung der „Kommunisti­
schen Partei Kroatiens“ dar, die im Juni aus der Taufe gehoben wurde, „über zwei
Jahre zu spät“, wie der Leitartikel im „Proleter“ mit kommunistischer Selbstkritik im
Oktober 1937 befand, und die Parole ausgab, daß nun, als „erste und wichtigste Auf­
gabe: der Kampf um die nationale Freiheit des kroatischen Volkes“ (Hervorh. im Ori­
ginal) höchste Priorität habe.865 Die „Reorganisation der Partei, d. h. die Organisation
der KP Kroatiens und Sloweniens“ sei „ein wichtiger Faktor in unserer Politik zur
nationalen Frage.“ Den „breitesten ausgebeuteten Massen“ würde so die Stellung der
KP zur nationalen Frage deutlich gemacht, unser Kampf gegen die Unterdrückung der
nicht-serbischen Völker und für deren Recht auf Selbstbestimmung bis zur Loslösung
(pravo na samoodredjenje sve do ocjepljenja). Wir (...) parieren damit der Demagogie
der National-Reformisten und National-Faschisten, die unsere Partei vor allem in
kroatischen und slowenischen Gebieten verleumden und eine Kampagne gegen sie
führen, daß sie nicht slowenisch, nicht kroatisch, sondern „jugoslawisch“ d.h. angeb­
lich großserbisch sei.“ Doch weiter hieß es: „Mit dieser Reorganisation ist keine Föde-
ralisierung der Partei verbunden, vielmehr bleibt unsere Partei einheitlich-geschlossen,
von einer Stelle aus geführt - vom ZK - eine proletarische Partei.“ Als Folge dieses
Beschlusses verschwanden aber die Gebietskomitees für Dalmatien. In Zukunft sollte
ein neues ZK der kroatischen Partei gewählt werden. Zur KP Kroatiens sollten gehö­
ren:
„alle Organisationen in Kroatien und Slawonien, einschließlich Vukovar und Vinkovac, weiter
alle Organisationen in Dalmatien, einschließlich Dubrovnik, und schließlich Banja Luka,
Livno, Duvno, das rechte Ufer der Neretva und die Herzegowina, einschließlich Mostar, d. h.
die westlichen Teile Bosnien-Herzegowinas, die kroatisch besiedelt sind und an Dalmatien
angrenzen. (...) Es versteht sich von selbst, daß auf dem Gebiet der KP Kroatiens oder Slowe­
niens (...) alle Kommunisten in diesen Ländern der Partei angehören, d.h. neben Kroaten
und Slowenen, auch Serben, Deutsche, Ungarn, Juden usw.. Wie der Name unserer Gesamt­
partei: KP Jugoslawien nicht bedeutet, daß wir eine nicht-existierende „jugoslawische“ Nation
anerkennen, sondern vielmehr das Organisations-Territorium unserer Partei bezeichnet, so
bedeutet die Gründung der KP Kroatiens und Sloweniens nicht, daß wir damit die Existenz
anderer nationaler Minderheiten auf dem Gebiet Sloweniens und Kroatiens nicht anerkennen,
oder daß Mitglieder der Partei in diesen Ländern nur Kroaten oder Slowenen werden kön­
nen.“866

Es war daher kein Wunder, daß die KPJ die Gründung einer autonomen Banschaft
Kroatien im August 1939 zunächst positiv bewertete, als Beginn der Schaffung eines
föderativen Staates, wobei sie sich aber gegen den Anschluß von Teilen Bosnien-Herz­
egowinas an die Banovina aussprach. Freilich überwog in den Augen der Parteifüh­
rung der Klassengegensatz zu der als „bourgeois“ empfundenen kroatischen Führung

864 Proleter Jg. XIII Nr. 5/Mai 1937, S. 7.


865 Proleter Jg. XIII Nr. 11/Oktoberr 1937, S. 1.
866 Schreiben des ZK KPJ „An die Bezirkskomitees für Kroatien und Dalmatien“ v. 05.02.1935,
S-149.

345
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern

alle Gemeinsamkeiten. Die lokalen Parteigliederungen müssen das aber anders gesehen
haben: Im geheimen „Referat des Genossen Walter“ (Tarnname des Generalsekretärs
der KPJ Josip Broz - Tito) am 17. September 1938 in Moskau wurden in der Analyse
der politischen Situation ausdrücklich die „liquidatorischen Tendenzen“ der kroati­
schen Parteimitglieder gerügt: „Macek und anderen Führern des kroatischen Volkes
stehen unsere Genossen sehr unkritisch gegenüber. Vor allem in Dalmatien kam dieses
vor“, betonte der Generalsekretär. In seinem „Bericht über Organisationsfragen auf
dem V. Parteitag der KPJ“ vom 19. Oktober 1940 sprach Tito sogar von der „schwä­
renden Wunde namens Dalmatien in unserer Partei“, wo das Zentralkomittee der
Partei „die Sache in die eigenen Hände nehmen mußte“, um „die Lage zu konsolidie­
ren“. Gemeint war damit der Parteiausschluß von „undisziplinierten, fraktionsbil­
denden, trotzkistischen und verdächtigen Elementen“.867 Herauslesen aus dieser Kri­
tik läßt sich aber sicher die fraglose Durchsetzung der kroatischen nationalpolitischen
Orientierung an der Küste. Alle Aktionen der KP, was den Kommunisten damals auch
bewußt war, aber im Nachhinein freilich verklärt wurde, wurden aus der Position
einer politischen Minderheit heraus unternommen, in Dalmatien wie in Kroatien. Die
zu jener Zeit eindeutig wichtigste Kraft auf der politischen Bühne war die Kroatische
Bauernpartei. Zwar war sie, sah man genauer hin, innerlich gespalten, ihre Parolen
dominierten aber eindeutig die politische Diskussion. Wie war die Entwicklung ver­
laufen, die die Kroatische Bauernpartei zur führenden Kraft einer „nationalen kroati­
schen Bewegung“ gemacht hatte?

867 Gemeint waren die langjährigen KP-Aktivisten Vicko Jelaska, Baljkas, Marie, Culic. Vgl. das
Geheimreferat des Genossen Valter (Tito), in: Josip Broz Tito, Jugoslavenska revolueija i
socijalizam (Die jugoslawische Revolution und der Sozialismus)., 2 Bde., hg. v. Milos Nikolic,
Zagreb 1982, S. 74-85, hier S. 77 u. ders., Izvjestaj o organizacionom pitanju na V konfereneiji
KPJ 1940. god. (Bericht über Organisationsfragen auf der V. Parteikonferenz der KPJ 1940),
ebenda, S. 99—143, hier S. 114.

346
VI. Vom ,integral-jugoslawischen£
Einheitsverständnis zur Durchsetzung
kroatischen Nationalbewußtseins in
Dalmatien

Anfang des Jahrhunderts entwickelten die Brüder Antun und Stjepan Radic die Pro­
grammatik ihrer Kroatischen Volkstümlichen Bauernpartei (Hrvatska pucka seljacka
stranka), die sich an den Ideen der Fortschrittlichen Jugend, Masaryks Realismus und
an der Praxis der russischen Narodniki orientierte. Das Ziel der Partei, wie es ihr bis
zu seinem gewaltsamen Tod unumstrittener „Präsident“, Stjepan Radic, 1902 formu­
lierte, war die „größte, weitestgehende und tiefgreifendste Selbständigkeit Kroatiens
(Kroatien-Slawonien-Dalmatiens)“. Im Einklang mit den „Wünschen und Erforder­
nissen der Bauern, Handwerker und Arbeiter“ sollte, wie es in der Schrift „Die größte
der Parteien in Kroatien“ hieß (deren Titel die tatsächliche Entwicklung vorweg­
nahm), „unser neuer Nationalismus“ propagiert werden. Dieser sollte „gleichzeitig
politisch und sozial sein“.1 Zudem postulierte das Parteiprogramm das Recht des
kroatischen Volkes auf seinen eigenen, unabhängigen Staat.2
Der Siegeszug der Kroatischen Bauernpartei des kroatischen Nationalgefühls auch im
Dalmatien der Zwanziger Jahre, mit der beharrlichen Argumentation für die kroati­
schen Souveränitätsrechte“ und der Forderung nach ,Gerechtigkeit“ für das kroatische
Volk (das mehr oder minder mit den kroatischen Bauern in eins gesetzt wurde), ver­
deckt leicht die anfangs gleichzeitige Existenz anderer Optionen, wie die Feinheit der
Linie, die jugoslawistische von kroatischen Orientierungen auch 1918 noch schied,
ganz abgesehen von den verschiedenen Strömungen und Flügeln innerhalb der Bau­
ernpartei selbst.
Das Scheitern jugoslawistischer Auffassungen angesichts der machtpolitischen Realität
im Zwischenkriegsjugoslawien bedeutete dabei mehr als nur den Wegfall einer ohne­
hin reichlich nebulösen politischen Fiktion. Im kroatischen Fall im 20. Jahrhundert
traf wohl zu, daß nicht nur „Erinnerung“, sondern auch konkrete historische „Erfah­
rungdie Solidargemeinschaft Nation begründeten.3 Die Substituierung eines südsla-

1 Vgl. Radic, Stjepan, Najveca stranka u Hrvatskoj (Die größte der Parteien in Kroatien), Rieka
1902, S. 43, hier zit. nach Muzic, Ivan, Stjepan Radic u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca
(3. Aufl.) Zagreb 1988, S. 12.
2 Muzic, S. 20ff.
3 Vgl. Höpken, Konfession, S. 243 m. Verweis auf N. Glazer u. D. P. Moynihan, Introduction,
in: dies. (Hg.), Ethnicity, Cambridge, Mass. 1975.

347
,
Vom integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

wischen Zusammengehörigkeitsgefühls durch exklusive Nationalismen mußte aber in


letzter Konsequenz im Fortgang (im Sinne nationalistischer Logik) zum Konflikt füh­
ren, da sich die von den exklusiven Nationalismen beanspruchten Territorien und
Siedlungsgebiete überschnitten. Mit der Durchsetzung einer ausschließlich kroati­
schen Identität in der übergroßen Mehrheit der katholischen Bevölkerung Kroatiens,
Dalmatiens, Slawoniens und der Herzegowina wurden alle Konzepte, die die „Ge­
meinsamkeiten“ der benachbarten slawischen Völker betont hatten, in den Hinter­
grund gedrängt.
Dabei konnten Vorstellungen „slawischer Gemeinsamkeit“ auf eine lange ideenge­
schichtliche Tradition zurückblicken. Die Machtlosigkeit der südslawischen Intellek­
tuellen, die ihrer Meinung nach nur die Machtlosigkeit des Volkes, dem sie sich zuge­
hörig fühlten, reflektierte, die sie nur mit möglichst vielen und möglichst starken
Verbündeten glaubten überwinden zu können, war deren konstantes Thema, seitdem
sie sich politisch artikulierten. Dies ist in den luziden Schriften Miroslav Krlezas gut
nachzulesen.4 Die romantischen slawischen Einigungsversuche lassen sich durchaus
vor diesem Hintergrund interpretieren.5 Seit Vinko Pribojevic, ein Dominikaner von
der Insel Hvar, 1525 die Abstammungslinie der Slawen von Noahs Enkel bis zu Alex­
ander dem Großen und Aristoteles zog, existierte die Idee der „slawischen Gemein­
samkeit“ im südslawischen Universum der Texte. Ob bei Pavao Ritter Vitezovic oder
Juraj Krizanic: seit dem 17. Jahrhundert kreisten die Gedanken von kroatischen Intel­
lektuellen um die Konstruktion von Identität und das Verhältnis zwischen Kroaten
und Slawen, um Möglichkeiten und Grenzen im Kampf um Befreiung von Fremdbe­
stimmung. Krizanic’ Versuche, den russischen Zaren Aleksej Mihailovic dazu zu be­
wegen, „die Donau-Slawen zu befreien“6 und sich gleichzeitig mit allen Slawen der
geistigen Oberhoheit des römischen Papstes zu unterwerfen, brachten ihm 15 Jahre
Verbannung in Sibirien ein. Er selbst schätzte wohl auch die praktische Durchsetzbar-
keit seiner in einer selbsterfundenen slawischen Mischsprache7 verfaßten Vorstellun-

4 Krleza, Miroslav, O patru dominikancu Jurju Krizanicu (Über den Dominikanerpater J. K.),
in: Eseji III, sv. 20 Sabranih djela, Zagreb 1963, S. 65f. u. Banac, Ivo, Juraj Krizanic u djelu
Miroslava Krleze (J.Krizanic im Werk von Miroslav Krleza), in: Encyklopaedia moderna Jg.
XII/1991, Nr. 36, S. 9-13, wo der Verf. überzeugend darlegt, wie sich das Bild Krizanics als
des Prototyps eines kritischen Intellektuellen und Fokus des kroatischen politischen Wollens
bei Krleza ändert vom Prometheus-Leninhaften Überhelden und Vorboten der slawischen
Vereinigung (1919) über den Donquichottesk-Enttäuschten zu Zeiten des Attentats auf Radic
(1928), bis zum „desperately mad Krizanic of the wartime period (1942)“.
5 Vgl. Banac, Nacionalno pitanje, Kap. „Nacionalne ideologije“ (Nationalideologien), S. 54ff.;
Sidak, Jaroslav, Poceci politicke misli u Hrvata - J. Krizanic i P. Ritter Vitezovic (Die Anfänge
politischer Gedanken bei den Kroaten), in: Nase teme, Bd. 16, Nr. 7-8 (1972); Golub, Ivan,
Slavenstvo Jurja Krizanica (Das Slawentum J. K.s), Zagreb 1983.
6 Krizanic, Juraj, Politika ilirazgovori o vladalastvu (Razgowori ob wladatelystwu — 1661 — 1667)
(Politik oder Gespräche über das Herrschen), übersetzt v. Mate Malinar, Zagreb 1947, S. 342.
7 Es ist mit dem Verweis auf das Scheitern aller einschlägigen Versuche argumentiert worden,
daß nur Sprachen der einzelnen Nationalitäten, und keine konstruierten Mischsprachen, zum

348
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

gen eher gering ein, wie sein folgender Apell zeigt: „Wenn Du ihnen (Kroaten, Serben
und Bulgaren, A. J.), o Zar, in dieser schweren Zeit nicht helfen kannst, daß sie sich
vollständig befreien und Staaten, wie sie sie hatten, gründen und einrichten, kannst
Du wenigstens die slawische Sprache in den Büchern verbessern und fördern und mit
geeigneten und klugen Büchern jenen Menschen die Augen öffnen, damit sie lernen
ihre Ehre hochzuschätzen und an ihre Befreiung zu denken.“8
Am Beginn aller Identitätskonzepte im kroatischen Raum standen der Rückgriff
auf eine (vermeintliche) großartige staatliche Vergangenheit und die Hoffnung auf
Fortschritt. Ivo Banac sieht den Gedanken von der „slawischen Gegenseitigkeit“
(slavenska uzajamnost) als „wichtigste nationale Konzeption unter den Kroaten“
auch als Folge der Zersplitterung der kroatischen Teilregionen, die verschiedene
regionale Identitäten hervorgebracht habe. Das Bemühen, sich einen größeren Be­
zugsrahmen für seine politischen Forderungen zu schaffen, ist tatsächlich seit der
Zeit der dalmatinischen und Dubrovniker Intellektuellen des Barock an der Küste
feststellbar.9
Noch in den sogenannten „Wahrheiten“, die in den Erläuterungen ihres Parteipro­
gramms von 1905 durch die Gebrüder Radic zum serbisch-kroatischen Verhältnis zu
finden sind, werden Kroaten und Serben in diesem panslawischen Sinne als „ein Volk“
bezeichnet. Ganz im Sinne einer lange Zeit durchgehend auch in der wissenschaftli­
chen Literatur so verstandenen Entwicklungslinie. Doch gibt es wirklich so etwas wie
eine „einzig mögliche Linie jugoslawischer Kulturtradition und Kontinuität“, von der
Miroslav Krleza mit dem Verweis auf „Bogumilen-Krizanic-Kranjcevic“ sprach?10
Zieht sich wirklich durch alle kroatischen kulturgeschichtlichen Phasen, von Krizanic
zum Illyrismus und vom Illyrismus zum Jugoslawismus und vom Jugoslawismus zum
20. Juni 1928, dem Attentat auf Stjepan Radic, ein roter Faden?
Beide unter den Kroaten wirkungsmächtig gewordenen Identitätsvorstellungen, die
jugoslawistische wie die exklusiv-kroatische Variante, sahen sich in der Zwischen­
kriegszeit als Erben einer langen Tradition: Nachdem aus Belgrad ein diktatorisches
„Königreich Jugoslawien“ proklamiert worden war, wurde auch von kroatischen An­
hängern einer jugoslawischen Integration in Dalmatien beispielsweise die haltlose Be­
hauptung aufgestellt, das „Nationalprogramm der Illyrer“ sei „beinahe identisch unse­
rem heutigen nationalen Programm“ gewesen; das „heutige Jugoslawien“ sei „nur ein
anderes Wort für das Groß-Illyrien von Gaj, Draskovic und Jelacic und Garantie für

kommunikativen und kollektivbildenden Instrument in der Auseinandersetzung mit der


„fremden“ Oberschicht und Obrigkeit werden konnten; Vgl. Moritsch, A., Einleitung, in:
ders. (Hg.), Die slawische Idee, Bratislava 1993, S. 9-14, hier S. 10.
8 Krizanic, S. 342. Die Stelle auch bei Banac, S. 55, der die Meinung vertritt, Krizanic sei als
Befürworter einer „slawischen politischen Vereinigung“ falsch interpretiert worden.
9 Banac, Nacionalno pitanje, S. 56f.
10 Krleza, Miroslav, Pogovor za dvije drame (Nachwort für zwei Dramen): O Areteju i o Jurju
Krizanicu, in: Forum 1962, Nr. 3, S. 693.

349
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

eine bessere Zukunft“. Der Weg führe „über das erwachte und kompakte Kroatentum
zum mächtigen Jugoslavenstvo und zum allmächtigen Slawentum“.11
Auf der anderen Seite stand die von der kroatisch-nationalen Geschichtsschreibung
seit dem 19. Jahrhundert postulierte Kontinuitätslinie, bei der die kroatischen Eigen­
heiten betont wurden. Anhänger der staatsrechtlichen Argumentation wiesen (und
weisen) daraufhin, daß von allen Slawen die Kroaten als erste ihren eigenen Staat
gegründet hätten, als erste das Christentum angenommen, als erste ihre eigenen ge­
krönten Herrscher gehabt, als erste die heilige Schrift in die kroatische Sprache über­
setzt und sich ihrer Volkssprache im Gottesdienst bedient hätten. Dabei sollten diverse
Staatsakte - Personalunion mit Ungarn (1102), Wahllandtag zu Cetin (1527), Zustim­
mung zur Pragmatischen Sanktion (1712) usw. - diese staatsrechtliche Kontinuität
und Eigenheit bezeugen.12
Nach dem Weltkrieg dominierte im kroatischen politischen Raum bald eindeutig die
exklusiv-kroatische Variante. Wenn Stjepan Radic 1919 noch betonte, daß Slowenen,
Kroaten, Serben und Bulgaren ihrer Sprache und ihren Bräuchen nach, als auch wegen
ihrer gemeinsamen Leiden und Hoffnungen und ihrem Bedürfnis nach Gerechtigkeit
und Freiheit, ein Volk seien, und deshalb nach außen, d.h. „gegenüber Italienern,
Deutschen, Ungarn, Rumänen, Türken, Griechen und Albanern, einen Staat wollen“,
so schränkte er schon ein, daß Kroaten damit aber keine Serben seien, und daß es
daher weder gut noch möglich sei, daß „alle“ in einem einheitlichen serbischen Staat
zusammen lebten. Drei Jahre später behauptete er auf der 21. Sitzung der gewählten
kroatischen Abgeordneten (die die Arbeit im Parlament in Belgrad boykottierten), am
25. November 1922, daß alle Vorkriegs-Einheitsrhetorik nur unter dem machtpoliti­
schen Druck der damaligen Verhältnisse zu sehen sei: „20 Jahre lang haben wir erzählt,
daß wir und die Serben eins sind. Wir haben dies deshalb getan, weil wir uns gegen
die Ungarn, Italiener und Deutschen verteidigen mußten.“13
Geht man aber weg von einer nur an politischen Ideen, Konzepten und Parteipro­
grammen orientierten Betrachtungsweise, so lassen sich die Irrungen kroatischer Na­
tionalpolitik der letzten beiden Jahrhunderte auch begreifen als Reflex der sich wan­
delnden gesellschaftlichen Bedingungen. Für die letzten Jahrzehnte der Habsburger­
herrschaft im südslawischen Bereich ist offensichtlich, in welchem Maße nationales
Selbstbestimmungsverlangen die „politisierte Reaktion auf soziale Not“ war. Für Dal­
matien im 19. Jahrhundert wurde die „grundsätzliche Unklarheit“ über die inhaltliche
Bestimmung der anzustrebenden nationalen Identität im Widerstreit von „dalmati­
nisch-italienischer, von kroatischer, kroato-serbischer und süd/-jugoslawischer Orien-

11 Herceg, Jaksa, Ilirizam preteca jugoslavenstva (Der Illyrismus, Vorläufer des Jugoslavenstvo)
Jugoslavenska matica u Splitu (Hg.), Split 1930, S. 101 u. 110.
12 Vgl. dieses bes. v. den versch. Rechtsparteien, unter Berufung auf Starcevic, propagierte Ge­
schichtsbild auch bei Marijan Rogic in seiner Dissertation von 1983, Die Idee des kroatischen
Staates bei Ante Pavelic, hier S. 38.
13 Krizman, Korespondencija, Bd. II, S. 58 u. Zapisnici sjednica Hrvatskog narodnog zastupstva.

350
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

tierung“ und von zumindest unterschwelligen lokalen Egoismen aufgezeigt. Vor allem
das Faktum, daß in der bäuerlich-kleinbürgerlichen Gesellschaft Dalmatiens nur in
den Städten vor 1914 eine bürgerliche Öffentlichkeit im westeuropäischen Sinne ent­
stand, ließ eine „gleichmäßig-umfassende Durchdringung und Mobilisierung der Ge­
samtbevölkerung im Sinne einer kroatischen Nationalidee“ noch nicht zu. Der extrem
hohe Anteil an Analphabeten in der Bevölkerung erwies sich dabei als verzögerndes
Moment. Weiterhin wurde die „bremsende Wirkung des Stadt-Land-Gegensatzes“,
die „Kampanilizam-Tradition“, das Fehlen einer landesweit anerkannten, entschiede­
nen nationalen Elite und nicht zuletzt die katholisch-orthodoxe Kirchenrivalität als
wesentliche Merkmale kroatisch-serbischer Konkurrenz identifiziert.14 Nach 1918
waren zwar in Dalmatien manche Optionen, wie die dalmatinisch-italienische, nach
30 Jahren forcierter slawischer lokalpolitischer Überzeugungsarbeit obsolet geworden,
doch nach wie vor konkurrierten verschiedene Identifikationsangebote miteinander.
Die „fortschrittliche Jugend“, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Explosion des
„Völkerkerkers“ Österreich-Ungarn herbeisehnte, aktivierte die alten Ideen von „sla-
venska uzajamnost“ (slawischer Gegenseitigkeit) und somit auch der südslawischen
Einheit wieder neu.15 Durch „einen vereinfachten, offensiven und schöpferischen
Jugoslawismus, - den die serbischen Politiker und Intellektuellen in ihre Vorstellun­
gen von der Lösung der südslawischen Frage einzuspannen wußten, glaubte diese
Jugend, sowohl die politische Zersplitterung und Ohnmacht der Kroaten als auch die
komplizierten und unterschiedlichen Vorstellungen von der nationalen Emanzipation
der nachillyristischen Generationen überwinden zu können.“16
Die künstlerische Beschreibung und Überhöhung der Krönung des Königs Petar Ka-
radordevic 1903 durch den Dichter Aleksa Santic führte Miroslav Krleza treffend an
als ein Beispiel des „falschen Pathos, das in den Köpfen der Jugend um die Balkan­
kriege 1912 die Form eines höheren, fanatischen Glaubens angenommen hatte.“ Die
Parolen der „jugoslavenstvujusca Omladina“ fanden ihre Apotheose in der „St.-Veit-
stags-Ethik und in den Mysterien der Dinarischen Rasse bis hin zur Karikatur des
royalistischen Zynismus“, womit Krleza den vom serbischen Königshaus propagierten
Mythos einer „dreinamigen“ u. später „jugoslawischen Nation“ meinte.17 Das falsche
Pathos, von dem Krleza sprach, wurde subjektiv von den jugendlichen kroatischen
Vertretern des integralen Jugoslawismus vor dem Ersten Weltkrieg wohl als innigste

14 Schödl, Kroatische Nationalpolitik, S. 162 u. 184.


15 Muzic, Ivan, Hrvatska politika i jugoslavenska ideja, Split 1969 (Kroatische Politik und jug.
Idee); Koscak, Vladimir, Formiranje hrvatske nacije i slavenska ideja (Die Formierung der
kroat. Nation u. d. slawische Idee), in: Kritika 17/1971; Korunic, Petar, Jugoslavenska ideolo-
gija u hrvatskoj i slovenskoj politici (Jug. Ideologie in der kroat. u. slowenischen Politik),
Zagreb 1986.
16 Vgl. Behschnitt, Kap. 5 „Nacionalisticka omladina“, S. 201-230; Dzaja, Intelligentsia, S. 156.
17 Krleza Miroslav, Nekoliko reci o malogradanskom historizmu hrvatstva uopce (Einige Worte
über das kleinbürgerliche Kroatentum allgemein), in: Knjizevna republika, 1926, Nr. 6,
S. 344-254.

351
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

und wahre Überzeugung empfunden. Die Schriftsteller Vladimir Cerina und Os­
kar Tartaglia gründeten 1911 in Split die „Kroatisch-serbische Radikale Jugend“
(Hrvatsko-srpska Radikalna omladina), die die „Befreiung“ durch die südslawische
Vereinigung vollbingen sollte. Ganz im Sinne von jugoslawisch orientierten Blättern,
wie Ujedinjenje (Vereinigung), Jug (Der Süden), Val (Die Welle), Zastava (Die Fahne),
Novi zivot (Das neue Leben), Naprednjak (Der Fortschrittler), Nova rijec (Das neue
Wort), Narodno jedinstvo (Nationale Einigkeit) und den in Prag erscheinenden Zeit­
schriften Jugoslavija oder Zora (Der Morgen) sahen sie in Belgrad das historische
Piemont der Südslawen. Durch „Vereinigung zur Befreiung“ hieß es auch in einem
1912 in Split kursierenden Flugblatt. Denn erst national vereinigt im jugoslawischen
Sinne würde es gelingen, „den völligen und beschämenden Bankrott unseres nationa­
len Bewußtseins und unseres Stolzes“ zu überwinden.18
Am Ende des Weltkrieges hatte ein serbisch und/oder kroatisch sprechender Einwoh­
ner Dalmatiens theoretisch die Möglichkeit zwischen verschiedenen nationalpoliti­
schen Optionen zu wählen. Doch der Blick auf tatsächliche Lebensoptionen, wie sie
durch Änderung der politischen Rahmenbedingungen und durch die materiellen Ver­
hältnisse bestimmt waren, relativiert den jeweiligen Stellenwert der unterschiedlichen
Ideologieangebote, sowie das Bedürfnis, sich überhaupt national zu engagieren, und
die Wahlmöglichkeit der großen Mehrheit.
Daß die Macht des Faktischen nach 1918 dabei ganz auf Seiten des Königreiches
Serbien stand, dessen Vertreter nicht müde wurden, ihren Überlebenskampf im über­
standenen Weltkrieg zum von Anfang an geplanten Krieg um Vereinigung aller Südsla­
wen in einem Staat hochzustilisieren, erklärt die Dominanz jugoslawischer Vereini­
gungsideen anfangs in Dalmatien aber nur zum Teil. Als zugkräftigstes „Argument“
für das „Jugoslavenstvo Dalmatiens“ sollte sich unmittelbar nach 1918 der Hinweis
auf den „gefährlichen“ italienischen Nachbarn erweisen, der, ohne die Verankerung
der Region im jugoslawischen Staat, Dalmatien schon längst erobert hätte. Doch jugo­
slawisch-zentralistische Auffassungen verloren in der repressiven Wirklichkeit des
Königreichs SHS schnell ihre politische Unschuld*. Auch in Dalmatien wurden nach
Verkündung der Obznana19 1920 und des Gesetzes zum Schutze des Staates von 1925
die meisten oppositionell eingestellten Vereinigungen und Parteien, zumindest zeit­
weise, verboten; dazu gehörten neben den Kommunismusverdächtigen auch kroati­
sche Vereine und Parteien.20 Terror und Einschüchterungen des Staates, vor allem
durch die brutal vorgehende serbisch dominierte Armee und Polizei, gegen alle föde-

18 V. Raic, Predratna omladina (Die Vorkriegsjugend), in: Obzor. Spomenknjiga, S. 54, od.
Krleza, Deset krvavih godina (Zehn blutige Jahre), Zagreb 1957, S. 435.
19 Die „Obznana“ v. 29.12.1920 verbot die Kommunistische Partei und von ihr beeinflußte
Organisationen, nachdem sie bei den Parlamentswahlen drittstärkste Partei im Land (59 Man­
date) geworden war. 1921 wurden mit dem „Gesetz zum Schutz des Staates“ auch die Man­
date der KPJ eingezogen. Diese Gesetze wurden nach 1925 auch auf die antizentralistischen
nationalen kroatischen Parteien ausgedehnt.
20 Novo doba v. 04.01.1925, S. 1.

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Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

rativen Bestrebungen in Kroatien wurden zum Mittel im politischen Kampf.21 In dem


neuen Staat, den so viele kroatisch-dalmatinische Politiker gewünscht und mitgeschaf­
fen hatten, entwickelten sich die Dinge ganz anders als von diesen erhofft. Politiker
wie Stjepan Radic sahen sich schon Ende 1918 Todesdrohungen ausgesetzt.22
Wie wurde das „unitaristische“ und „vielleicht idealistische, aber ehrliche und emotio­
nale jugoslavenstvo“, das nicht nur die Tageszeitung „Novo doba“ für sich in den
Zwanziger Jahren in Anspruch nahm, begründet? Die Zeitung sah „die Rettung der
Serben, Kroaten und Slowenen“ nur „in einem jugoslawischen Jugoslawien, in dem
die höchsten Werte des Serben-, Kroaten- u. Slowenentums zu einem goldenen Kranz
zusammenschmelzen.“23 Warum wollten sich diesen Kranz immer weniger politisch
aktive Kroaten an der Küste aufsetzen (an der Mehrheit gingen die erbittert geführten
Diskussionen um Staatsaufbau und Parteiprogramme sowieso vorbei)? Die düstere
Feststellung des Leitartiklers Jovan Banjanin von 1921 lautete: „Unser politisches Le­
ben ist nicht gesund“, und seine bange Frage „Wohin führt das alles?“,24 ließen für
das weitere Zusammenleben im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen nichts
Gutes erwarten. Die Einheitsrethorik verblaßte immer mehr.
Es begann sich nun zu rächen, was ursprünglich bei der Mobilisierung von Vorteil
gewesen war. Die unterschiedlichen Konzepte, die sich alle unter dem Sammelbegriff
„Jugoslavenstvo“ verbargen, den 1918, zumindest in Dalmatien, alle im Munde führ­
ten und der bis dahin eine schillernde Entwicklung durchgemacht hatte, waren ja
niemals klar formuliert und ausdiskutiert worden. Die Frage kam auf, wie weit die
Politik der serbischen Regierung im Ersten Weltkrieg „einen echt jugoslawistischen
(Hervorh. im Original) Charakter“ gehabt hatte oder „bloß ein verkappter Großser-
bismus war“, und wurde auch schon von den Zeitgenossen leidenschaftlich disku­
tiert.25 Der „Jugoslawismus“ des langjährigen serbischen Ministerpräsidenten Nikola

21 Jankovic, Dragoslav, Drustveni i politicki odnosi u Kraljevstvu Srba, Hrvata i Slovenaca uoci
stvaranja SRPJ (komunista) (Gesellschaftliche u. pol. Verh. im Königtum SHS am Vorabend
der Schaffung der Sozialistischen Arbeiterpartei Jugoslawiens (Kommunisten)), in: Istorija
XX. veka, Zbornik radova I, Beograd 1959, S. 86-93.
22 Vgl. Muzic, S. 28f., der den Plan einiger dalmatinischer und serbischer Offiziere anführt, die
erwogen den Bauernführer am 24. November 1918 zu ermorden. Auch Svetozar Pribicevic
trug sich ernsthaft mit dem Gedanken Radic umbringen zu lassen und forderte Anfang der
1920er Jahre sogar drei Mal eine Militärexpedition serbischer Truppen nach Kroatien. Sadko-
vich, James J., Serbian Hegemony revisited, or Blaming the Perpetrator, not the Victim, in:
Journal of Croatian Studies (1993-94), S. 252-270, hier S. 252
23 Novo doba v. 04.05.1921, S. 1.
24 Novo doba v. 25.05.1921, S. 1.
25 Vgl. Dzaja, Intelligentsia, S. 148f., dort auch Diskussion d. Thesen von serbischen Historikern
wie Milorad Ekmecic (Ratni ciljevi Srbije 1914. (Die Kriegsziele Serbiens 1914), Beograd 1973
od. Dorde Stankovic (Nikola Pasic, saveznici i stvaranje Jugoslavije (N. P., die Alliierten und
die Schaffung Jugoslawiens), Beograd 1984 od. ders., Nikola Pasic i jugoslovensko pitanje, 2
Bde., Beograd 1985), die, wenig überzeugend, den „echt jugoslawischen Charakter“ der serbi­
schen Politik behaupten.

353
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

Pasic wurde im Nachhinein von der Forschung überzeugend als ein „Aktionspro­
gramm“ bestimmt, das zuallererst an der „Befreiung“ der Serben interessiert war.
Zwar sollten auch die anderen Südslawen von der Fremdherrschaft „erlöst“ werden.
Immer aber im Hinblick auf ihre Vereinigung mit dem serbischen Staat. Die politische
und soziale Wirklichkeit in den ehemals südslawischen Gebieten der Donaumonarchie
wurde nur oberflächlich und sehr mangelhaft wahrgenommen. Der Versuch, einen
jugoslawischen Nationalstaat zu schaffen, ging von vornherein mit einem serbischen
Zentralismus Hand-in-Hand, der außerhalb des ehemaligen Königreichs Serbien nicht
akzeptiert 'wurde. Im serbischen politischen Denken erhielt der Jugoslawismus un­
deutliche und schwache Konturen, im Föderalismus witterte man auf der serbischen
Seite etwas typisch Habsburgisches und erklärte die föderalistische Verfassung für
unvereinbar mit der serbischen Mentalität.26 Daß nach der Vereinigung in „allen Berei­
chen des öffentlichen Lebens Serben dominierten“,27 führte dann sehr schnell dazu,
daß immer mehr politisch denkende Kroaten alle Spielarten des ,integralen Jugoslawis-
mus‘ nur für die ideologische Maske eines groß-serbischen Hegemoniestrebens hiel­
ten.
Die unmittelbare Folge davon war ein mächtiges Erstarken der Kroatischen Bauern­
partei unter der Führung von Stjepan Radic, die solch eine Unzufriedenheit artiku­
lierte und geschickt die Lösung sozialer Fragen mit der Lösung des kroatischen Natio­
nalstaatproblems verknüpfte. In der Verbindung von Nationalpolitik, umfassender
Agrarreform und Demokratisierung, so versprach es die Bauernpartei unermüdlich
den Massen, läge der Schlüssel einer besseren Zukunft für das kroatische Volk, das in
eins gesetzt wurde mit der Bauernschaft. So schlug mit der Einführung des allge­
meinen Männerwahlrechts nach 1918 die Stunde der Bauernpartei, deren ursprüngli­
cher schwärmerischer Panslawismus, der auch nach dem Weltkrieg noch zu bemerken
war, die Prägung durch einen kulturellen Jugoslawismus nicht verleugnen konnte. Wie
wenig aber der Jugoslawismus als nationalpolitische Praxis zur Festigung auch nur
einer serbisch-kroatischen Einheit staatlicher Art taugte (und das trotz des politischen
Schubs durch die Ereignisse am Ende des Weltkrieges), zeigt seine Entwicklung nach
1918 in Dalmatien. Die Parole Fedor Nikics, des Herausgebers des Belgrader „Dnev-
nik“ (ab Juli 1930 „Jugoslovenski dnevnik“): „Ohne Jugoslawismus kein Jugoslawien“
bewahrheitete sich anders als sie gemeint war. Womit versuchte der Jugoslawismus an
der Küste Anhänger zu mobilisieren?

26 Dzaja, Intelligentst und südosteuropäischer Raum, S. 149f.


27 Banac, National question, S. 374f.

354
Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie

1. Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie

Wie für den Jugoslawismus nach 1918 in Dalmatien geworben wurde, wird deutlich,
wenn man sich seine Propagandaschriften ansieht: An die Bewohner Splits und Dal­
matiens wandten sich verschiedene, im Dezember 1918 verteilten, Broschüren und
Flugblättern. Dort wurden alle Vorteile der Vereinigung und der glänzende Akt selbst
blumig beschrieben und die Bevölkerung aufgerufen, sich zu freuen. In den düstersten
Farben wurden all das „vergossene Blut und die Tränen“ evoziert, die „unser Volk
unter der Tyrannei der Osmanen, Venezianer, Deutschen und Ungarn“ vergossen
habe. Von den „Erniedrigungen“, die es habe erleiden müssen, war die Rede, bis nun
„dieses große Glück, von dem wir bis vor wenigen Jahren nicht einmal träumen durf­
ten“, über es hereingebrochen sei. „Jawohl, Volk“ wurden die Bewohner Dalmatiens
angesprochen: „Deine Stellung ist seit dem 1. Dezember nun klar und schön wie die
Sonne! Bisher waren wir immer Untertanen fremder Herren. Wem unterstehen wir
jetzt? Sind wir jetzt, wie einige versuchen, Dich in die Irre zu führen, ,den Serben
untertan'?“ Im Versuch, diesen Verdacht zu zerstreuen, bemühte der Verfasser immer
wieder, „das gleiche Blut, das in uns fließt, dieselbe Sprache, dieselben Lieder, in denen
wir dieselben Helden und dieselben vom Feind erlittenen Qualen besingen.“ Kurzum:
Kroaten, Serben und Slowenen seien „ein Volk (Hervorh. im Original), obwohl es
„drei Namen“ trage und obwohl es „Gott in drei Religionen“ erkenne. Die Volksein­
heit (narodno jedinstvo) der Serben, Kroaten und Slowenen sei „das feste Fundament“
des neuen Volksstaates. Heute sei „unser Ivo froh (der als „echter österreichischer
Soldat (...) gegen Serbien gezogen ist“), daß er mit Jovo (die serbische Variante dessel­
ben Namens, A. J.) und allen Serben im selben Staat mit dem selben König lebt“.
Nicht nur aus dem Grunde, weil die serbische Dynastie heldenhaft und gut sei, war es
nötig, daß sich „alle unsere Länder mit Serbien verbinden und einig um die Dynastie
Karadordevic scharen“, sondern es sei zugleich „die einzige Art und Weise, daß die
Entente und Amerika unsere Freiheit und Unabhängigkeit anerkennen und uns vor
Italien schützen werden. Hinterhältig versuche der Nachbar vom anderen Ufer der
Adria „sich einen wertvollen Teil unseres Landes und unseres nationalen Meeres unter
den Nagel zu reißen“. Ohne Serbien wären die Kroaten „nur ein Teil des Feindstaates
Österreich“ und würden „nicht berücksichtigt“. Auf „Gnade und Ungnade“ würde
Dalmatien Italien ausgeliefert werden, während „auch wir mit Serbien zusammen zu
Verbündeten der Entente und Amerikas werden.“28 Deswegen sollten die Dalmatiner
jetzt Serbien unverbrüchliche Treue schwören, weil „die Vereinigung“ ein „heiliges
Werk“ sei.29

28 Bosnjak, Split 1918, S. 12.


29 ebenda, S. 14.

355
Vom ,integral-jugoslawischen‘ Einbeitsverständnis

Im Anschluß daran entwarf der Verfasser in der Broschüre unter der Überschrift „Wie
wir uns vereinigt haben“ ein teleologisches Geschichtsbild, wonach seit jeher, und
spätestens seit der illyrischen Bewegung der „nationalen Wiedergeburt“, alles in der
Geschichte der südslawischen Völker auf die staatliche Vereinigung mit Serbien hin
ausgerichtet war.30 Immer gingen in den zahlreichen patriotisch-jugoslawischen Bro­
schüren, die in Dalmatien während der ersten Jahre nach der Vereinigung kursierten,
seitenweise Einheitsbeschwörungen mit Elogen auf die „heldenhafte serbische Armee“
einher.31 Nie wurde auch vergessen hervorzuheben, wie „reich und mächtig“ der neue,
große Staat der Südslawen nun sei, verglichen mit den vormaligen kleineren Gebilden.
Zur Megalomanie war es dann nur noch ein kleiner Schritt, wenn es hieß: „wenn wir
die Eisenbahnen ausbauen, die Fabriken errichten, die Häfen erneuern und den Han­
del ankurbeln, (...) werden wir unter den ersten in Europa sein“. Alles sei vorhanden,
nur bräuchte es noch „brüderliche Eintracht zwischen den Brüdern gleichen Blutes,
den Kroaten, Serben und Slowenen“. Zusammen bilde man einen „großen und starken
Staat von dreizehn Millionen Menschen“. Dies sei „eine große Macht. Die Ungarn
werden vor uns Angst haben, denn wir werden doppelt so stark sein wie sie, und
noch mehr Angst werden die „Svabi“ (pejorativ f. Deutsche, A.J.) und die Italiener
haben. Alle anderen Staaten werden uns dann achten und keiner wird uns dann mehr
auf dem Kopf herumtanzen können.“ Für die Kroaten jedenfalls sei wichtig, daß sie
allein nur „einen kleinen Staat von drei Millionen, vor dem niemand Angst hätte“,
bilden könnten. „Jeder könnte dann mit uns Kroaten machen, was er will, denn wir
wären schwach und klein.“ Nach diesen „Argumenten“ schließlich kam wieder die
Wirtschaft ins Spiel: „Auch wegen unserer Wirtschaft und dem Schulsystem, den Steu­
ern und unserer landwirtschaftlichen Produkte ist es nötig, daß wir eins und vereinigt
sind.“ Nur „ein Fremder, der Ungar, Deutsche oder Italiener, aber kein richtiger Jugo­
slawe“, könne sich also wünschen, „daß unser Jugoslawien zerfällt“. Der „aufrichtige
Jugoslawe“ müsse den gemeinsamen Staat Jugoslawien unter der serbischen Dynastie
wollen. Lehrreiche Anekdoten über die Volksverbundenheit und Güte des Königs
rundeten den Band ab.32

30 Vgl. ebenda, S. 15-20, dort auch die emphatischen Grußtelegramme der dalm. Landesregie­
rung an den Regenten u. dessen Antwort.
31 Roca, Split 1921, S. 7ff.
32 Das „kleine brüderliche Serbien“ habe „für unsere Befreiung“ „die größten Opfer gebracht“
und „soviel Kraft, Heldenmut, Opferbereitschaft und Stolz gezeigt, wie kein anderes Volk
auf der Welt, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart.“ Als die „wilden Rudel der
Deutschen und Ungarn sich auf das kleine Serbien warfen und der verräterische Nicht-Bruder
(gemeint war Bulgarien, A. J.) von hinten zuschlug“ sprach dem ganzen Volk „die große Idee
der Befreiung und Vereinigung“ (Hervorh. im Original) Mut zu. „Alle Opfer und alles Lei­
den, das Sterben und Vergehen hatten nur das Ziel der Befreiung und der Vereinigung der
Serben, Kroaten und Slowenen“ (Hervorh. im Original). Das „brüderliche Serbien“ hätte
„eine Million seiner Kinder, seines Blutes, die sein Stolz waren, dafür geopfert. „Ein Drittel
der Bevölkerung“ (Hervorh. im Original) Serbiens sei ums Leben gekommen, „um die Bestre­
bungen unserer herausragendsten Männer und Denker“ zu verwirklichen, ebenda, S. 20f. Die-

356
Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie

Deutschland und Italien, die nach ihrer jeweiligen Vereinigung „über Nacht aufblüh­
ten und reiche und mächtige Staaten wurden“, galten als Vorbild: „So wird es auch
uns gehen. Alleine werden wir schwach und arm sein.“ Nur „zusammen mit den
Serben“ würde sich auch die Steuerlast vermindern.33 Nach etlichen anderen Beispie­
len und „Argumenten“, warum das gerade aus der Taufe gehobene SHS-Königreich
Anlaß zur Freude gerade der Kroaten sein müsse, merkte dieser Autor an, daß eine
Trennung von Kroaten und Serben in Kroatien schlechterdings, aufgrund derselben
Sprache und nicht genau einzugrenzende Siedlungsgebiete, unmöglich sei: „Wir müs­
sen daher, wie man es auch dreht und wendet, mit den Serben in Eintracht und Liebe
leben, ob wir wollen oder nicht.“34
Alle Herleitungen und „Argumente“, die in den folgenden Jahrzehnten in Dalmatien
für die jugoslawische Integration sprechen sollten, tauchten in diesen drei Broschüren
auf, die in großer Auflage in Split kurz nach der Vereinigung zirkulierten.
Die intensive Agitation für die „staatliche und nationale Einheit“, wofür die „An­
nahme der jugoslawischen Ideologie“ unabdingbare Voraussetzung sei, fiel jedoch
nicht auf fruchtbaren Boden, was auch deren glühendste Verfechter zugeben mußten.
Daß sich in den 1918 gebildeten „Nationalräten“, nicht nur in Dalmatien, kaum Ver­
treter anderer gesellschaftlicher Gruppen befunden hatten als Angehörige des schwa­
chen Bürgertums, verhinderte eine massenwirksame Propagierung jugoslawistischer
Zielsetzungen.35 Daß „nach sechs Jahren gemeinsamen Lebens“ das „Jugoslovenstvo“
noch nicht „verwirklicht und zur Tatsache geworden“ sei, lag, nach Meinung von
jugoslawisch orientierten Intellektuellen daran, daß „ein Teil unserer Intelligenz, in
erster Linie die aktiven Politiker und Journalisten, alles tun, um den Jugoslawismus
zu kompromittieren, verhaßt zu machen und zu Fall zu bringen." Selbst der Staat
leiste solchen Tendenzen Vorschub. Doch selbst die engagiertesten Verfechter des
(bald auch gewalttätig auftretenden) Unitarismus übersahen nicht, daß das, was sie

ser Aspekt spielte bei der idealistisch-jugoslawisch eingestellten dalmatinischen Studentenge­


neration eine nicht zu unterschätzende Rolle. Aus dem Kreis der Schreiber und Herausgeber
der Zeitung „Ujedinjenje“ (Vereinigung) sei nur Milostislav Bartulica erwähnt, der sich
Anf. 1914 als Freiwilliger der serbischen Armee meldete. In Nis trat er dem „Jugosl. Aus­
schuß“ bei u. gab den „Jugoslavenski glasnik“ mit heraus. Nach dem Rückzug der serb.
Armee durch Albanien veröffentlichte er das Buch „Raspece Srbije“ (Die Kreuzigung Ser­
biens), in dem er „die Leiden und Opfer des serbischen Volkes“ darstellte; Hrvatski biografski
leksikon, Zagreb 1983, S. 494f. u. Baras, S. 57. Auch im Brief von 11 Belgrader Bürgern an
den Abgeordneten Tresic Pavicic vom 9. September 1919 mit den besten Wünschen und Gra­
tulation für sein pro-jugoslawisches Auftreten vor dem Parlament, ist die Rede von den „un­
zähligen Opfern“, die für die „Vereinigung und Befreiung“ vom serbischen Volk erbracht
wurden, B ATP 1/54.
33 Roca, Narodno jedinstvo,, S. 19f.
34 ebenda, S. 37.
35 Grisogono, Prvislav, Ujedinjena Jugoslavija (Das vereinigte Jugoslawien), Ljubljana 1938,
S. 96, wo sich der Verf., einer der militanten Verfechter des Unitarismus, daran erinnert, daß
nur ein Bauer und zwei Arbeiter seinerzeit 1918 im Nationalrat dabei gewesen seien.

357
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einbeitsverständnis

propagierten, nur ihre Idealvorstellung der Zukunft war, und daß diese entweder „in
Richtung der Trennung oder in Richtung der vollkommenen Vereinigung“ verlaufen
könne. Die Forderung war, daß „unser serbischer, kroatischer und slowenischer Na­
tionalismus“ einfließen solle in eine „erhabene nationale Gemeinschaft, durch die er
sich dem Slawentum annähert, aus dem unser Volk stammt. Der Jugoslawismus muß
vom Serben-, Kroaten- und Slowenentum alles nehmen, was schön, gut und nützlich
ist für uns.“36 Doch die Synthese, die sich die Anhänger des Jugoslawismus wünsch­
ten, kam nicht zustande. „Nach dem jugoslawischen Staat mit der jugoslawischen
Fahne und dem Wappen“ entstand kein „jugoslawisches Volk“, zur Herausbildung
einer „jugoslawischen Sprache und Schrift und zum jugoslawischen Volkstum, zu (ei­
nem einheitlichen, A. J.) Bewußtsein und Gefühl“ kam es nicht.37
Daß „die Jugend in ihrer Mehrheit von jugoslawischem Geiste durchdrungen“ und
damit die „Kontinuität des Jugoslovenstvo gesichert" sei, erwies sich gleichfalls als
Wunschdenken.38 Wenn Svetozar Pribicevic in Interwievs zu Protokoll gab, „daß der
Separatismus immer schwächer“ und die „Volkseinheit immer stärker“ werde, so
drückte er damit wohl mehr seine damaligen Hoffnungen aus. Er leugnete schlechthin
die Existenz der „nationalen Frage“ im neuen Staat. Verschiedene Nationen existierten
in Jugoslawien gar nicht, es gebe nur ein jugoslawisches Volk. Und dieses, wie er oft
und gerne betonte, könne und bräuchte sich wohl nicht mit sich selbst zu einigen.
Nur die politischen Parteien als Vertreter ihrer Wähler, und nicht als Vertreter von
Nationen, könnten miteinander verhandeln.39 Daß der damalige jugoslawische Innen­
minister auf die Frage des Journalisten: „Wird es in kürzester Frist zur Vereinigung
mit den Bulgaren kommen?“ antwortete: „Ich glaube nicht (...). Die hinter uns liegen­
den vergangenen Tage (gemeint waren Weltkrieg und 2. Balkankrieg, A. J.) sind im
Bewußtsein noch zu nah und frisch, außerdem gibt es keinerlei subjektive oder objek­
tive Elemente, die uns mit den Bulgaren zu einem Volk machen“,40 verwirrte zudem.
Waren nicht „subjektive und objektive Elemente“, die alle Südslawen zu einem Volk
machen würden, von vielen Vertretern des Jugoslawismus lange behauptet worden?
Deutlich wurde, daß der unitaristische Jugoslawismus der Zwischenkriegszeit zu einer
Integrationsideologie des jugoslawischen Staates geworden war.
Zahlreiche offiziöse „Geschichts-Chronologien“41 bemühten sich nach Kräften, die
oben skizzierte unitaristische Sichtweise zu popularisieren, wo als teleologischer End-

36 Malin, Franjo, Jugoslovenstvo kroz istoriju (Der Jugoslawismus durch die Geschichte).
Knjige Orjune. Izdanja Direktoriuma Orjune, Split 1925, S. 5ff. Zu tatsächlichen Kontinui­
tätslinien die bei Petar Korunic im Anhang abgedr. Quellentexte zu Ideen u. Programmen für
ein südslawisches Gemeinwesen, S. 159-247.
37 Malin, S. 10.
38 ebenda, S. 75.
39 Boban, Ljubo, Svetozar Pribicevic u opoziciji (1928-1936), Zagreb 1973, S. 1.
40 Zivot — List dalmatinskih Demokrata v. 20.09.1921 (Direktor i odgovorni urednik Dr. Prvis-
lav Grisogono).
41 Istorijska hronologija jugoslovenskih zemalja (od VI. veka do ujedinjenja) (Historische Chro-

358
Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie

punkt der geschichtlichen Entwicklung der Serben, Kroaten und Slowenen immer
der jugoslawische Staat stand. Popularisieren wollte man diese Sichtweise auch mit
„historischen Illustrationen unserer Künstler“, die jene behauptete „gemeinsame Ge­
schichte“ in Historiengemälden bebilderten.42 Intellektuelle wie Viktor Novak, der
den Jugoslawismus als „so alt, wie das Slawentum auf dem Balkan“ bezeichnete, oder
Schriftsteller wie Niko Bartulovic stellten sich mit ihren Elogen auf das „unteilbare
jugoslovenstvo“ willig in den Dienst des Regimes.43 Doch selbst die blumigsten Be­
schwörungen des „Blutes Aleksandars des Ersten, des Vereinigers und Märtyrers“ als
„ewiges Unterpfand von Jugoslawiens Zukunft“ konnten nicht herbeischreiben, was
es nicht gab.44 Bezeichnenderweise findet sich in all diesen Werken aus den Zwanziger
Jahren, bis zur Ausrufung der Diktatur, kaum einmal ein brauchbares zeitgenössi­
sches, patriotisch-jugoslawisches Zitat.45

nologie der jug. Länder v. 7. Jh. bis zur Vereinigung). Pod opstom redakcijom Prof. Stanoja
Stanojevica sastavila Vera Stojic. Izdanje glavnog urednistva Almanaha Kraljevine Jugoslavije,
Zagreb 1930. Die Verordnung des Bildungsministers Nr. 5105 v. 10.02.1930 „empfahl“ das
Büchlein „für alle Schul- und Lehrerbibliotheken“ und als Lehrbuch f. „alle Mittel- und
Fachschulen“, Novak, Dragan, Prirucnik maraka jugoslavenskih zemalja; Svezak 9 — Zajed-
nicka izdanja Stare Jugoslavije 1921-1941, I i II dio, (Manuel de timbres-poste des pays
yougoslaves; Tome IX - Emissions generales de l’anciene Yougoslavie 1921-1941, Iere et Ile
partie), Zagreb 1951. Die Zahl der Briefmarken mit genuin serbisch-nationalen Motiven
(Schlacht auf dem Amselfeld, orthodoxe Heilige etc.) überwiegt.
42 Stanojevic, S. 41-48. Von der „Ankunft der Kroaten am adriatischen Meer“ im VII. Jh. von
C. Medovic über das „Mädchen vom Amselfeld“ (Uros Predic) bis zur Darstellung des „29.
Oktober 1918. Der kroatische Sabor beendet die staatsrechtlichen Bindungen mit Österreich-
Ungarn“ von Ivan Tisov reichte das Panoptikum.
43 Vgl. Novak, Viktor, Antologija jugoslovenske misli; Milosav Janicijevic (Stvaralacka inteligen-
cija meduratne Jugoslavije, Beograd 1984) hat an der Zagreber Universität die Professoren
Antun Barac, Milan Resetar, Toma Maretic, Ferdo Sisic, Grga Novak, Milan Prelog, Marko
Kostrencic, Vladimir Dvornikovic u. a. als - zumindest zeitweilige - Anhänger dieses „syn­
thetischen Jugoslawismus“ identifiziert; entsprechend verfaßten sie ihre Geschichtsdarstellun­
gen. Vgl. Sisic, Ferdo, Jugoslovenska misao. Istorija ideje jugoslovenskog narodnog ujedin-
jenja i oslobodenja od 1790-1918 (Der jug. Gedanke. Geschichte der Idee der jug. nationalen
Vereinigung u. der Befreiung von 1790-1918), Beograd 1937.
44 Znamenite rijeci i znacajne izjave o Jugoslovenstvu i o Narodnom jedinstvu (Berühmte Worte
und wichtige Aussagen über den Jugoslawismus und über die nationale Einheit). Sabrao Juraj
J. Kalinic, Knjiga I., Sibenik 1936, S. 7.
45 Bei der von Kalinic hrsg. Sammlung ist es nur die Grußadresse des Erzbischofs Antun Bauer
anläßlich des Besuchs des Monarchen am 24. Juni 1920 in Zagreb, wo dieser davon spricht,
daß „heute Kroatien ein lebendiges Glied in einem lebendigen Jugoslawien“ sei, nicht nur
„kulturell, sondern auch politisch geeint in einen freien Staat, dem Königreich der Serben,
Kroaten und Slowenen, der das feste Fundament für einen kulturellen, wirtschaftlichen und
politischen Fortschritt aller Teile unseres Vaterlandes“ sei, welches „schwer gelitten hat.
Heute, nach bald 350 Jahren, kann unser Kroatien zum ersten Male in seiner altehrwürdi­
gen Hauptstadt Zagreb seinen Herrscher von unserem Blut und Sprache begrüßen. (...)“,
S. 30f.

359
Vom,integral-jugoslawischen“ Einheitsverständnis

Quasi-wissenschaftlich wurde von dem einflußreichen serbischen Geo-Anthropolo-


gen Jovan Cvijic oder Branimir Males argumentiert. Sie „bewiesen“, daß Kroaten
und Serben „dinarische Typen“ und „ethnographisch eins“ seien, und „trotz aller
Mißverständnisse und Zusammenstöße immer mehr zu einer nationalen Einheit ver­
schmelzen“ würden.46 Die „psychische und sprachliche Einheit“ der jugoslawischen
Völker war für sie „wissenschaftliche Tatsache“. Es galt nun nur noch, die „kulturelle
und politische Einheit“ zu schaffen.47 Die „Amalgamisierung und Synthetisierung der
jugoslawischen Nation“ (Vladimir Dvornikovic) war das Projekt, das die jugoslawisch
eingestellten Intellektuellen in Angriff nahmen und auf kulturellem Gebiet schaffen
wollten.48 Daß die „Stammesatavismen“ mit der Zeit von alleine verschwinden wür­
den, war die Hoffnung aller intellektuellen Befürworter dieses „synthetischen Jugosla-
wismus“. Vor allem in den Bereichen Kunst und Kultur konnte der Jugoslawismus
unitaristischer Observanz Anhänger gewinnen.
Mit Beschluß des Belgrader Bildungsministeriums wurde zum Beispiel 1921 ein pro­
fessionelles Ensemble eines „Nationaltheaters für Dalmatien“ geschaffen. Das ge­
spielte Repertoire und die verwendete serbische Bezeichnung für Theater (pozoriste
anstelle des im kroatischen Standard üblichen Wortes kazaliste) machten deutlich,
welcher Geist unter den Kulturschaffenden in den 20er Jahren wehte. Später wurde
aus der Tatsache, daß die Leitung des Theaters aus einem Direktoriumsmitglied der
Orjuna, dem Schriftsteller Niko Bartulovic, einem serbischen Schriftsteller aus Ki-
stanje, Mirko Korolija als Dramaturg des Hauses (ebenfalls aktives Orjuna-Mitglied),
und dem serbischen Schauspieler Mihajlo Markovic bestand, ein gesteuerter Versuch
der „Serbisierung“ Dalmatiens gesehen.49 Doch die künstlerischen Anstrengungen des
Leitungsgremiums waren anfangs eben auf die Schaffung einer „integralen“, für sie
hieß das: jugoslawischen, Kultursynthese in Dalmatien gerichtet. Keineswegs ist das
als „Destruktion des Kroatentums, und seine versuchte Hinführung zur möglichen
Identifikation mit dem Serbentum“, zu beurteilen. Das „jugoslavenstvo“ dieser Intel­
lektuellen nur als „Etikette“ zu sehen,50 urteilt aus einer ahistorischen ex-post Per-

46 Cvijic, Jovan, Balkansko poluostrvo i juznoslovenske zemlje (Die balkanische Halbinsel und
die südslawischen Länder), 2 Bde., Beograd 1922 u. 1934; Males, Branimir, Dinarski tip i rasne
odlike nasega naroda (Der dinarische Typ und die rassischen Eigenschaften unseres Volkes),
Beograd 1932.
47 Dvornikovic, Vladimir, Karakterologija Jugoslovena, Beograd 1939.
48 Roksandic, Drago, „Karakterologija Jugoslovena“ Vladimira Dvornikovica i njezina recepcija
u srpskoj i hrvatskoj kulturi (1939-1941) (Die „Charakterologie der Jugoslawen“ Vladimir
Dvornikovics und ihre Rezeption in der serbischen und kroatischen Kultur (1939-41), in:
ders., Srpska i hrvatska povijest, S. 257-281.
49 Perkovic, Vlatko, Manipulirano kazaliste. Osporavanja autenticnog kazalisnog promisljanja u
Splitskom profesionalnom glumistu (Das manipulierte Theater. Die Bestreitung des authenti­
schen Theaterdenkens im professionellen Spliter Theater), Split 1993, Kap. A. „Nase“ - To
nije bilo nase (1921-1928) („Unseres“ gehörte nicht uns (1921-1928), S. 11-32, hier S. 13f.
50 ebenda, S. 17.

360
Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie

spektive. Niko Bartulovic’ Visionen einer vereinheitlichten „jugoslawischen Kultur“,


die er zurückverlängert in der Vergangenheit immer schon auch bei den „Küstenjugo­
slawen“ Dalmatiens (primorski Jugoslaveni) zu entdecken glaubte und denen, die das
Meer in irgendeiner südslawischen Mundart besungen hatten, konnte freilich einen
größeren Kreis niemals erreichen.51 Auch wenn die mit zahlreichen Belegen beweis­
bare Serbophilie mancher Intellektueller jener Zeit keineswegs bestritten werden soll,
so sind doch Zweifel an Verschwörungstheorien anzumelden. Wenn sie auch u.U.
„objektiv“ in ihrer Funktion die zentralistische Belgrader Politik unterstützten, so
taten sie dieses aber in den Zwanziger Jahren im besten Glauben an die Notwendigkeit
einer jugoslawischen Nationsbildung.
Tatsache ist aber, daß das Scheitern der jugoslawischen Synthese Niko Bartulovic und
andere ehemals jugoslawisch eingestellte Intellektuelle, v. a. diejenigen unter ihnen, die
später ihre serbische Abstammung entdeckten, an die Seite der offen großserbischen
Cetniks führte.52 Auch ist unbestreitbar, daß in den 20er Jahren die allermeisten Funk­
tionsträger des Jugoslawismus in der Region aufs Engste mit staatlichen Instanzen
verbunden und mit Posten versorgt waren. Ob dies der Anwalt Prvislav Grisogono,
der der unitaristischen Demokratischen Partei in der Region Vorstand und zeitweilig
Justiz- und Handelsminister in Belgrad war, oder der nur auf lokaler Ebene als „Vor­
sitzender“ der „Jadranska straza“ fungierende Juraj Biankini, der gleichzeitig die
„Hauptkommission für den Umtausch von Kronen-Geldscheinen in Dalmatien“ lei­
tete. Das galt auch für seinen Stellvertreter und Nachfolger Ivo Tartaglia. „Generalse­
kretär“ der JS war der Gymnasiallehrer Silvije Alfirefivic, der gleichfalls zusätzlich
verschiedene staatliche Posten bekleidete. Das staatliche Vertäuen war offensichtlich.
Vorsitzender des „Verbandes der Kriegsfreiwilligen aus Dalmatien“ (Savez Dobrovol-
jaca Dalmacije) war der „königliche Richter“ Klement Puharic. Der größte Teil der
übrigen Mitglieder waren durch die Bank Beamte, darunter die meisten Lehrer. Die
Ortsgruppe der, so die Schreibweise im Almanach von 1923: „Jugoslovenska Organi-
zacija Nacijonalista - Orjuna“, wurde von Anwälten geführt: Mirko Korolija war
„Vorsitzender des Zentral-Ausschußes“ und Pasko Bradaric-Slujo fungierte als Vorsit­
zender der Spliter Ortsgruppe, in der 718 Mitglieder organisiert waren.53

51 Bartulovic, Niko, Od revolucionarne omladine do Orjune (Von der revolutionären Jugend


zur Orjuna), Split 1925; ders., More u nasoj knjizevnosti (Das Meer in unserer Literatur),
Split 1927; ders., Jadranska antologija (Adria-Anthologie), Pomorska biblioteka Jadranske
straze, Split 1934; ders., Izabrane pripovetke (Ausgesuchte Erzählungen) (Srpska knjizevna
zadruga), Beograd 1938.
52 So arbeitete Bartulovic in deren „Stab für das westliche Kroatien“ (zuständig für „kulturelle
Fragen“) unter der Führung des „vojvoda“ Ilija Trifunovic Bircanin, zusammen mit Jaksa
Racic, Silvije Alfirevic, Duro Vilovic und Sergije Urukalo mit. Nach 1941 kollaborierten sie
mit den italienischen Besatzern.
53 Skarica, Matej (Hg.), Splitski shematizam za godinu 1923, Split 1923, S. 17, 64, 74 u. 79.

361
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

2. Der organisierte jugoslawische Nationalismus


an der Küste

Verschiedene integralistische nationalistisch-jugoslawische Gruppen und Vereinigun­


gen wurden in den 20er und 30er Jahren gegründet und zerfielen bald darauf wieder.
Doch egal in welcher Form, auch die späteren Versuche gesamtjugoslawischer Regi­
meparteien sind dazu zu zählen, - all diese Ideologieangebote stießen in Dalmatien
und ganz Kroatien bald auf erbitterte Ablehnung. Unter den zahlreichen Vereinen
und Vereinigungen im Dalmatien der Zwischenkriegszeit waren solche, die für das
unitaristische und zentralistische Konzept von Staat und Nation im Einklang mit der
Vidovdan-Verfassung kämpften, zu jedem Zeitpunkt in der Minderheit: Selbst in Split,
das als die Hochburg des unitaristischen Jugoslawismus galt, bekam die Demokrati­
sche Partei bei den Parlamentswahlen 1920, als in den dalmatinischen Städten die
jugoslawischen Hoffnungen noch groß waren, nur etwas über 17% der Stimmen.54
In den ersten Jahren nach 1918 versuchten Organisationen wie die „Jugoslawische
Volksverteidigung“ (Jugoslavenska narodna obrana), „Jugoslawische Aktion“ (Jugo-
slavenska akcija), „Jugoslawische nationale Jugend“ (Jugoslavenska nacionalna omla-
dina), „Jugoslawischer Falke“ (Jugoslavenski sokol), „Adriatische Wacht“ (Jadranska
straza) immer während des an Gedenk- und Feiertagen reichen Jahres möglichst häu­
fig an die Öffentlichkeit zu gehen. Vor allem an den staatlichen Feiertagen, dem „Tag
der Vereinigung“ (Dan ujedinjenja) am 1. Dezember, dem serbischen „St. Veitstag“
(Vidovdan) am 28. Juni oder am Geburtstag des Königs, am 17. Dezember, waren die
jugoslawisch orientierten Vereine mit ihrer Programmatik massiv in der Öffentlichkeit
präsent.
Besonders taten sich dabei der „Jugoslavenski sokol“ und die „Jadranska straza“
(Adriatische Wacht) mit Aufmärschen, Demonstrationen unter jugoslawischen Fah­
nen mit klingendem Spiel und ähnlichem hervor. Durchaus vermochten sie Faszina­
tion für farbenprächtige Schauspiele und Paraden zu erwecken. Solche Manifestatio­
nen waren das Bild eines hierarchisch gestaffelten Identifikationsmusters: das Zeremo­
niell als staatlich organisiertes Gemeinschaftserlebnis, das von politischen Absichten
geprägt war, zog nicht unbedingt nur Gleichgesinnte an. Schaulust, Freude über funk­
tionierende homogene Formationsbewegungen und Unterhaltung der verschiedensten
Art durch das Rahmenangebot führten, wie Zeitgenossen berichteten, zu einer mobili­
sierenden kollektiven Hochstimmung. Die Mischung aus Feierlichkeit und Ausgelas­
senheit, die politische Differenzen und soziale Unterschiede für einen Moment ver-

54 In Sinj erreichte der beliebte Landbesitzer Mirko Tripalo das niemals wieder überbotene Spit­
zenergebnis von 35,86 % für die Demokraten. Zur Demokratischen Partei Banac, Nacionalno
pitanje, S. 136ff.

362
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

schwinden ließ, versuchten sich nationale Bewegungen jeder Provenienz zunutze zu


machen. Der Geburtstag der Königin oder des Prinzen wurde mit etwas weniger
Pomp von den gleichen Vereinen gefeiert, wobei sich dabei mehr noch die Frauensek­
tionen hervortaten. Vorträge und Kundgebungen wurden am „Tag der Adria“ (Jadran-
ski dan), am Durdevdan,55 „Tag des hl. Kyrill u. Metod“ (Cirilometodski dan), „Stros-
majerov dan“, „Zrinsko-Frankopanski dan“, sowie am „Tag des hl. Sava“ (Svetosavski
dan) und an den Jahrestagen der wichtigeren Schlachten der Balkankriege und des
Ersten Weltkriegs gehalten. Die Schulen waren verpflichtet, an den staatlichen Feierta­
gen an den Aufmärschen (vorneweg die Lehrer, die Schüler hintenan) teilzunehmen.
Viele Schulen trugen in Dalmatien Namen wie „König Petar I der Große Befreier“,
„Milos Obilic“, „Majka Jugovica“ oder „Karadorde Petrovic“.56 Veranstaltungen und
Vorträge in Schulgebäuden sollten den Schülern, wie den erschienenen Zuhörern, ju­
goslawisches Nationalgefühl vermitteln.
Unter dem Druck der außenpolitischen Bedrohung durch Italien erschien das zu­
nächst als keine schwere Aufgabe.

a) „Jadranska straza“, „Jugoslovenska matica“ und „Orjuna“

Bedrohungsängste und Hilflosigkeit angesichts empfundener Ungerechtigkeit, als ita­


lienische Truppen einen großen Teil der dalmatinischen Küste und viele Inseln besetz­
ten, riefen in Dalmatien national grundierte Empörung hervor. Der gefundene Aus­
gleich mit Italien wurde in der Region als Skandalon empfunden.57 Das Engagement
Ivo Tartaglias als langjähriger Vorsitzender der „Jadranska straza“, die 1922 in Split
gegründet wurde, entsprang genau dieser Gefühlswelt. Wenn die politischen Exponen­
ten des Jugoslawismus in Dalmatien, hauptsächlich die Vertreter der Demokratischen
Partei, wie der Abgeordnete Grisogono, in den Zwanziger Jahren den „rein nationalen
Charakter“ Dalmatiens herausstrichen, ja zu den „nationalsten Regionen unseres Staa­
tes“ erklärten, in der man „kein anderes Wort als das serbo-kroatische“ hören könne,

55 Die „beste Presse“ hatten die „unpolitischen“ Feiertage, wie der (vor 1918 nur in orthodoxen
Gebieten begangene) Georgitag, eine Art Frühlingsfest, das am 23. April gefeiert wurde. 1919
wurde er „zum ersten Mal in der ganzen Heimat“ begangen, und „viele Sokol-Verbände
Dalmatiens“, wie die Zeitung schrieb, „laden ein zu Ausflug, Freudenfeuer, Volkstänzen und
Wettspielen“. Novo doba v. 15.04.1919, S. 3.
56 Hier das Beispiel der Insel Korcula, Dalmatinski glasnik v. 8.04.1932.
57 Jadranski Institut JAZU (Hg.) Rapallski ugovor 12. novembra 1920. Zbirka dokumenata.
(Der Vertrag v. Rapallo. Dokumentensammlung) Odabrao i uredio Vojislav M. Jovanovic,
Zagreb 1950 u. Vojnovic, Lujo, Borba za Jadransko more (Kampf um das Adriatische Meer),
Beograd 1925, S. 19. Darin auch etliche zustimmende Pressestimmen zum ersten „Almanah
Jadranske straze“, auch v. Novo doba v. 23.04.1925. Machiedo-Mladinic, Norka, Zivotni put
dr. Ive Tartaglie, S. 287.

363
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

versuchten sie damit, auf der Klaviatur der anti-italienischen Ressentiments zu spielen.
Diese waren hauptsächlich aus sozialen Gründen an der Küste verbreitet. Auch die
jugoslawischen Nationalisten wußten das, wenn sie von der „ökonomischen Verskla­
vung“ durch die fremden Herren sprachen und den Großgrundbesitz italienischer
Adliger herausstrichen und betonten, daß zudem „bis zum Weltkrieg die ganze dalma­
tinische Industrie in den Händen der Italiener war.“58 Die „Jadranska straza“ war die
Verein gewordene Umsetzung des anti-italienischen Ressentiments. Nicht zufällig war
die „Wacht an der Adria“ die mitgliederstärkste Organisation im Zwischenkriegsjugo­
slawien. 1939 waren 180.000 Mitglieder eingeschrieben. Im ganzen Land (und selbst
unter südslawischen Emigranten) hatte der Verein Ausschüsse und Unterausschüsse.
Die Zahl der Mitglieder und deren Beiträge, der Verkauf von Postkarten, Briefmarken
und verschiedenstem Kleinmaterial, bürgte für die finanzielle Kraft des Vereins, die
im Bau von Ubernachtungsheimen für Ausflügler, eines Meeresmuseums in Split und
in ihrem Beitrag zur Gründung des Ozeanographischen Institut in Split zum Vor­
schein kam. Der Verein organisierte Ausstellungen genauso wie Tanzveranstaltungen
und gab zahlreiche Kalender, Almanache und Broschüren heraus. Auch Sport und
Fremdenverkehr an der Küste wurden von den Aktivisten des Vereins angestoßen.
Wenn die Zeitungen in Rubriken, die „Aus den unterjochten Gebieten“ hießen, aus
den südslawisch besiedelten Gebieten unter italienischer Verwaltung berichteten und
Artikel über den „Terror der Faschisten in Triest“ (gegen die Slawen) publizierten,
versuchten sie damit, den patriotischen Zorn auf konstant hohem Niveau zu halten,
weil sie sich seiner Funktion als Bindekitt einer disperaten Gesellschaft wohl bewußt
waren.59 Ins gleiche Horn stieß die „Jugoslavenska matica“: „Zum Jahrestag des trau­
rigen und schweren Tags von Rapallo (...) der seit vollen 7 Jahren der Göttin der
Gerechtigkeit bittere Tränen für die „unerlösten Brüder“ entlocke, wurde patriotisch
„der feurige Entschluß, die unerbittliche Rache“ für die „verlorenen Gebiete: Istrien,
Gorica, Notranjsk, Triest, Rijeka, Zadar, Lastovo, Losinj und Cres“ beschworen. Der
Vorsitzende des Bezirksausschusses der Jugoslavenska Matica in Split, der Gymnasial­
lehrer Silvije Alfirevic, tat sich mit einer regen Vortragstätigkeit hervor.60 Die „Jugosla­
venska matica“ bot „jugoslawische Lesebücher“ und Titel an wie „Unsere Grenze zu
Italien“ (Ivo Rubic), „Schmerzhafte Seiten zum Tag von Rapallo", „Der Traum des
Mädchens vom Amselfeld“ (Marina Bozic-Spaiceva), „Die Hoffnung Istriens“ (Kloni-
mir Skalko) etc. Veranstaltungen der „Jugoslavenska matica“ und der „Jadranska
straza“, wenn sie Propagandafilme wie „Unsere Kriegsmarine“ vorführten, wurden

58 Grisogono, Prvislav, U cemu je opasnost trgovinskog ugovora i konvencija s Italijom. Govor


narodnog poslanika SDS g. dra Prvislava Grisogona izrecen u popodnevnoj sjednici narodne
skupstine u Beogradu 26. juna 1926. (Worin liegt die Gefahr eines Handelsvertrages und einer
Konvention mit Italien. Rede des Abg. der SDS...), Zagreb 1926, S. 6f.
59 Novo doba v. 03.02.1921.
60 Pokrajinski Odbor Jugoslavenske Matice u Splitu (Hg.), Bolne stranice na rapalski dan
(Schmerzhafte Seiten am Tag von Rapallo), Split 1927.

364
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

von der Verwaltung prinzipiell als „äußerst wertvoll“ eingestuft.61 Auch die antikom­
munistische Ausrichtung der „Jugoslavenska matica“ lag ganz auf der Linie der staatli­
chen Politik. So organisierte die „Jugoslavenska matica“ eine ganze Reihe von Diavor-
trägen des anti-kommunistischen russischen Emigranten Nikola Klimenko in Dalma­
tien, durch die der „ganze Schrecken des Bolschewismus“ anschaulich präsentiert und
die „all-slawische Idee“ gestärkt werden sollte.62
Wegen der „ungeheuren Wichtigkeit für unser Volk“ verlangte das Ministerum für
Handel und Industrie, die Tätigkeit der „Jadranska straza“ in allen Schulen auch sei­
tens der regionalen Behörden zu unterstützen.63 Die Probleme des Rektors der
„Drzavna tehnicka srednja skola“ in Split, die er in einem Brief an die „Kraljevska
banska uprava“ formulierte, mögen das illustrieren: Der „Verband der Reserveoffi­
ziere“ hatte seine Mitglieder unter der Lehrerschaft aufgefordert, bei allen „Feierlich­
keiten anläßlich von Staatsfeiertagen“ anwesend zu sein.64 Jetzt würden aber regelmä­
ßig an solchen Tagen „Vorträge für Schüler, an denen alle Lehrer verpflichtend teilneh­
men müssen“, in den Schulen abgehalten. Die Verwaltung sollte nun entscheiden,
„welcher Verpflichtung die Lehrer (die gleichzeitig Reserveoffiziere sind) in diesem
Falle nachkommen müssen“? Die Meinung des Direktors war, daß es „auf jeden Fall
unabdingbar sei, daß die Lehrkräfte ohne Unterschied bei den angeführten Vorträgen
anwesend sind, wegen des Beispiels, das sie den Schülern bieten, und wegen Aufrecht­
erhaltung von Ordnung und Disziplin.“65
Nachdem eines der Hauptmotive, die „Abwehr“ der italienischen Aspirationen auf
die östliche Adriaküste,66 mit dem Vertrag von Rapallo etwas in den Hintergrund

61 Novo doba v. 11.01.1923.


62 Novo doba v. 16.01.1922, S. 3; Novi list v. 15.04.1922, S. 2 u. Primorski glasnik v. 20.04.1922,
S. 2. Die nicht jugoslawisch-nationalistisch ausgerichteten Zeitungen machten sich mehr lustig
über den „Wunderling aus dem Norden“.
63 Vgl. Nr. 31346/11 v. 18.10.1930,Verordnung Nr. 31346 v. 15.10.1930 u. Nr. 30561/0 v. 8.10.30,
BH 38.
64 Staatsfeiertage waren: 9.01. Geburtstag der Königin, 24.04. Slawenapostel Kyrill und Method,
28.06. St. Veitstag, 6.09. Geburtstag des Thronfolgers Petar, 1.12. Vereinigung des Kgr. SHS,
15.12. Tauffeier des Königs, 17.12. Geburtstag des Königs. Darunter war kein einziger, der
als „rein kroatisch“ bezeichnet werden könnte, dafür waren die neu eingeführten Traditionen
wie die Feier des Hauspatrons (krsna slava) und das Gedenken an die Schlacht auf dem
Amselfeld klar mit dem Serbentum assoziiert.
65 Brief Staatliche Techn. Mittelschule Split v. 2.11.1931, BH 38.
66 Es wurde 1919 in Zagreb sogar eine „Geheimorganisation“ gegründet, die im von Italienern
besetzten Dalmatien „das Volk organisieren“ und einen Aufstand gegen Italien vorbereiten
sollte. Neben Mestrovic waren noch 9 weitere Mitglieder im Führungsausschuß: Ivo Tartaglia,
Prvislav Grisogono, Dusan Plavsic, Milan Marjanovic, Juraj Demetrovic, Rudolf Giunio, Du-
san Gruber und Roko Jokovic. Angeblich standen schon über 3000 Männer mit Waffen bereit,
als die Nachricht, daß nun doch verhandelt werden soll, die Aktion unterbrach, obwohl schon
30.000 Gewehre nach Zadar und Sibenik geschmuggelt worden waren. Mestrovic, Uspomene,
S. 119.

365
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis

gerückt war, wurde 1927 ein neues Programm beschlossen. Nun gab man sich ausge­
sprochen jugoslawisch, königs- und regimetreu. Neben der Monatsschrift „Jadranska
straza“ (zw. 1923-41) gab die Organisation noch einen „Almanach“ und die „Pomor-
ska biblioteka“ heraus. Vom „Universitätsprofessor Dr. Petar Skok“ erschien 1934 in
dieser Reihe ein Buch über „Die Ankunft der Slawen am Mediterran“,67 welches einen
Vortrag im Foyer des Spliter Theaters vom 26. März 1933 und eine Artikelserie im
gleichnamigen Verbandsorgan der „Jadranske Straza“ zur Grundlage hatte. Vortrag,
Artikel und Buch sollten „die wissenschaftliche Grundlage unserer Adria-Ideologie“
(jadranska ideologija) bieten, in einfachen Worten, für „unseren mittel-gebildeten
Menschen“, inklusive Fremdwörterglossar am Ende, „damit das Werk auch Leute
ohne Matura lesen können“.68 Die Widmung auf dem Vorsatzblatt ließ keinerlei Zwei­
fel über den politischen Standort des Autors und der „Jadranska Straza“ aufkommen:
„Dem lichten Angedenken an den heldenhaften Märtyrer-König Aleksandar I., dem
Vereiniger und größten Beschützer der jugoslawischen Adria, dem Apostel der jugo­
slawischen Einheit und der balkanischen Solidarität widmen dieses Werk der Autor
und der Vorstand“. Vom Vor- bis zum Nachwort zog sich der Gedanke, daß nur
„entschlossene Arbeit an der jugoslawischen nationalen Einheit unsere Adria vom
wahnsinnigen Imperialismus unserer Nachbarn bewahren“ könne. „Das Vermächtnis
des „Märtyrer-Königs“, es folgte die schon in der Widmung aufgetauchte Ode, für
die „Versöhnung aller Südslawen“ sei „genauso wichtig für unsere Adria wie für das
Schicksal des gesamten slawischen Südens.“69
Dieser Gedanke war auch Ausgangspunkt der Anfang 1921 in Split unter dem Namen
„Fortschrittliche jugoslawische nationalistische Jugend“ (Jugoslavenska napredna na-
cionalisticka omladina, abgekürzt JNNO) gegründeten Organisation, die unter ihrem
späteren Namen „Orjuna“ „Organisation der jugoslawischen Nationalisten“ (Organi-
zacija jugoslavenskih nacionalista) wegen ihrer terroristischen Methoden gefürchtet
werden sollte.70 Als ursprünglicher Entstehungsgrund wurde gleichfalls die Notwen­
digkeit einer starken jugoslawischen Vereinigung zur Verteidigung der durch den ita­
lienischen Imperialismus gefährdeten jugoslawisch-dalmatinischen Regionen ange­
führt. Besonders taten sich dalmatinische Studenten in dieser Organisation hervor.71
Hinter JNNO und Orjuna stand die Demokratische Partei Pribicevics.

67 Skok, Petar, Dolazak Slovena na Mediteran (Ankunft der Slawen am Mediterran), Split 1934.
68 ebenda, S. 5 u. S. 263.
69 ebenda, S. 6.
70 Vgl. Gligorijevic, Branislav, Organizacija jugoslavenskih nacionalista (ORJUNA), in: Zbornik
Istorija XX veka, Bd. V, Beograd 1963, S. 320-322; Nach Sime Dodan, der den Standpunkt
kroatischer Nationalisten artikuliert, wurde die Orjuna vollständig vom Innenministerium
in Belgrad finanziert und mit Waffen ausgestattet, um „alles was nicht für einen integralen
Jugoslawismus war (lies: für ein Großserbentum) mit Terror zu verfolgen“. Dodan, Sime,
Opasne zablude jugozanesenjaka (Die gefährlichen Irrtümer der lugo-Schwärmer), in: Novi
Vjesnik v. 22.07.1992, S. 21.
71 1919 gaben die jugoslawischen Nationalisten das zweimal wöchentlich erscheinende Blatt

366
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

Mehr noch als gegen den „äußeren Feind“ war sie gegen den „inneren“ gerichtet.72
In der von der Gründungsversammlung verabschiedeten Resolution hieß es, daß die
Organisation „am entschiedensten mitwirken wird an der Eliminierung der Erschei­
nungen, die den Stempel des Stammes-, Religions- oder Klassenseparatismus tra­
gen“.73 Nicht zufällig wurde die Vereinigung unmittelbar nach der „Obznana“ und
nach dem Erfolg der Kroatischen Bauernpartei gegründet. In einem Manifest brand­
markten die „jugoslawischen Nationalisten“ dann auch als Hauptgefahren für den
neuen Staat „die soziale Revolution“ und die „unheilvollen Stammesseparatismen“.
Nach dem Attentat auf den Innenminister Draskovic veranstalteten die jugoslawi­
schen Nationalisten auch in Split antikommunistische und antikroatische Demonstra­
tionen. Mussolinis Schwarzhemden dienten dabei als Vorbild. Die Orjuna ist aufgrund
der von ihr angewandten Methoden, als in vielerlei Hinsicht faschistische Bewegung
charakterisiert worden.74 Die geistigen „Führer“ in Dalmatien waren Berislav Andeli-
novic, der Anwalt Krstulovic, Edo Bulat, der Beamte Marko Nani und Ljubo Leontic.
Die JNNO, später die Orjuna, begann mit einem Terror gegen alle Separatismus-
und Kommunismus-Verdächtigen.75 Dazu gründete sie Orts- und Sturmabteilungen.76
Besonders die „Verräter“ aus dem „Kroatischen Block“, die so genannten „Zerstörer

„Narod“ (Das Volk) heraus und ab dem St. Veitstag 1921 die zweimal im Monat ersch. Zei­
tung „Pobeda“ (Der Sieg). Untertitel: narodne, napredne i nerazdelive Jugoslavije (des natio­
nalen, fortschrittlichen und unteilbaren Jugoslawien). Die letzte Nummer erschien am
8.2.1929. Neben ihrem regionalen Zentrum in Split hatten die jugoslawischen Nationalisten in
Dalmatien auch noch in Solin, Trogir, Kastela, Omis und Sibenik Ortsgruppen. Ein geplanter
„Marsch auf Belgrad“ 1924 von Split aus, als Imitation des faschistischen Marsches auf Rom,
mußte mangels Mitläufer abgesagt werden.
72 Beinahe gleichzeitig mit den nationalistisch-jugoslawischen Vereinigungen wurden verschie­
dene kroatische Vereinigungen gegründet, die gegen eben jenen „nationalen Unitarismus“
arbeiteten. Das Pendant zur JNNO bzw. seit Mai 1922 zur Orjuna war die „Hrvatska nacio-
nalna omladina“, die gegen den serbischen und jugoslawischen Integralismus und Zentralis­
mus wirkte. Später wurden auch der „Kroatische Bauernschutz“ (Hrvatska seljacka zastita),
der „Kroatische Kulturverein Fortschritt“ (Hrvatsko kulturno drustvo napredak), der „Kroa­
tische Akademikerverein „Matija Gubec“ (Hrvatsko akademsko drustvo „Matija Gubec“),
der „Kroatische Falke“ (Hrvatski sokol) und andere aktiv.
73 Gligorijevic, S. 345.
74 Vgl. Avakumovic, Ivan, Yugoslavia’s Fascist Movements in: Sugar, Peter F. (Hg.), Native Fas-
cism in the Successor States, Santa Barbara 1971, S. 135-143, bes. S. 136f.
75 Die Begräbnisse der von Aktivisten der Orjuna Ermordeten wurden in ganz Dalmatien regel­
mäßig zu politischen Demonstrationen gegen den Gewaltjugoslawismus der Orjuna. Auch
die staatlichen Stellen schätzten den Straßenterror der Orjuna ab 1923 als kontraproduktiv
und „schädlich für den Staat und die Staatsidee“ ein. Selbst ansonsten „Staatstragende Perso­
nen“, schrieb der Verwaltungschef der Region Dubrovnik z. B., würden aufgrund der verbre­
cherischen Aktivitäten der Orjuna zur Opposition des „Kroatischen Blocks“ umschwenken.
Zur Geschichte und Aktivitäten der Orjuna in Süddalmatien, insbesondere des Terrors, den
sie gegen ihre Gegner anwandte, Mirosevic, Pocelo je, S. 125ff.
76 Pobeda v. 24.09.1921.

367
Vom,integral-jugoslawischen1 Einheitsverständnis

Jugoslawiens“, zogen sich den Haß der jugoslawischen Nationalisten zu.77 Manche
Mitglieder des „Centralni odbor“, des obersten Leitungsgremiums der Orjuna, wie
Edo Bulat, sollten in den nächsten zwei Jahrzehnen eine Entwicklung vom militanten
jugoslawischen Nationalisten, über die Mitgliedschaft in der Bauernpartei bis zum
„Ustasa-Funktionär“78 durchmachen.
Anfang der 20er Jahre waren die jugoslawischen Nationalisten in Dalmatien in der
Offensive. Im Gegensatz zu ihren Gegnern von links waren sie überzeugt, daß „der
Sozialismus“ gescheitert sei. Ebenso wurden die „reaktionärsten Elemente unseres
Volkes: die Makedonstvujusci und die kroatischen Separatisten“ belehrt, daß sie weder
„sozialen noch ökonomischen Rückhalt“ im Volke hätten und deshalb „keinerlei Aus­
sicht, auf Dauer zu existieren“.79 Doch daß die Orjuna zusammen mit den „Cetnik-
Verbänden“ auftrat,80 war nicht dazu angetan, bei nationalbewußten Kroaten den Ver­
dacht zu zerstreuen, daß es sich um eine Organisation handelte, die in letzter Konse­
quenz das Verschwinden nur der kroatischen Eigenheiten zum Ziel hatte und eigent­
lich im Dienst des serbischen Nationalismus stand. Es war ein offenes Geheimnis,
daß sie mit den Cetnik-Vereinigungen (Udruzenje cetnika) zusammenarbeitete.81 Der
„Splitski almanah“ verzeichnete die Anwesenheit der „Cetnik-Vojvoden Ilija Trifuno-
vic Bircanin und Kosta Pecanac“ bei der lokalen Gebietsversammlung der Orjuna für
Dalmatien am 11. Mai 1924.82
Die Propagierung des unitaristischen Jugoslawismus und die Bekämpfung „separatisti­
scher“ kroatischer und sozialistischer Parteien erfolgte hauptsächlich mit Argumenten,
die die Demokratische Partei unter der Führung des langjährigen Innenministers des
SHS-Königreichs, Svetozar Pribicevic, lieferte, der auch bei der Gründung der Orjuna
eine herausragende Rolle gespielt hatte. Nach der „geistigen Einheit“, die auch mit
terroristischen Mitteln im „dreinamigen Volk“ hergestellt werden sollte,83 strebte die
Orjuna die Vereinigung, die „Unifikation“ wie es hieß, mit Bulgarien und die Schaf-

77 Pobeda v. 12.03.1922.
78 Stanic, S. 132.
79 Pobeda v. 15.10.1922, S. 2.
80 Pobeda V. 21.09.1926, S. 2.
81 Die Aufspaltung der serbischen Nationalisten in „Serbische Nationale Jugend“ (SRNAO),
die „Cetnik-Vereinigung f. Freiheit und Ehre des Vaterlandes“ (Udruzenje cetnika za slobodu
i cast otadzbine), ab 1924: „Vereinigung der serbischen Cetniks f. König und Vaterland“ u.
„Vereinigung der serbischen Cetniks ,Petar Mrkonjic“1 spielten in Dalmatien keine Rolle, da
hier die Regimekräfte versuchte hauptsächlich über die Orjuna ihre Gegner zu treffen.
82 Splitski almanah i adresar za 1925. g., Split 1926, S. 286. Viele der Orjuna-Anhänger serbischer
Nationalität sollten sich im Zweiten Weltkrieg den Cetnik-Verbänden anschließen; vgl. Pulic,
Nikola, Sinovi Orjune. Uz tridesetu obljetnicu ustanka (Die Söhne der Orjuna. Zum 30. Jah­
restag des Aufstandes), Zagreb 1971, der die Taten der Tschetnik-Verbände in Dalmatien de­
tailliert beschreibt u. auch Namen der Mitglieder nennt (S. 96f.).
83 Um ein Beispiel aus Dalmatien aufzuführen: Bei einem Besuch der örtlichen HRSS-Gliede-
rungen, wurde August Kosutic, einer der Führer der Bauernpartei, in Kastei Stari bei Split
im Herbst 1925 mit Gewehrkolben zusammengeschlagen und schwer am Kopf verletzt. Erst

368
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

fung eines „Groß-Jugoslawien“ von Varna bis Triest und von Szeged bis Saloniki an.
Bald schon erwarb sie sich einen Ruf als gefürchtete Schlägertruppe, die auch vor
Mord nicht zurückschreckte.84 Später arbeitete die Orjuna auch offen mit militaristi­
schen Organisationen, wie der staatlich geförderten „Volksverteidigung“ (Narodna
odbrana) zusammen. Finanziert aus staatlichen Fonds, die in den Haushaltsentwürfen
unter der Überschrift „Istrien und nationale Propaganda“ auftauchten, erreichte ihr
„jugoslawischer Nationalismus“ selbst in Dalmatien, wo sie gegründet wurde, niemals
eine relevante Anzahl von Unterstützern, geschweige denn die bäuerliche Bevölke­
rung.85 Sang- und klanglos löste sie sich in den 30er Jahren wieder auf. Im Gegensatz
dazu existierte die „Jadranska straza“ mit dem weiter gesteckten Ziel einer Förderung
des Küstenlandes und der Seefahrt weiter.
Wenn der Präsident der Jadranska straza, Ivo Tartaglia, auf der Jahreshauptversamm­
lung 1932 zum wiederholten Male daran erinnerte, daß die darniederliegende Werft­
industrie und die Handelsmarine „ein Problem ganz Jugoslawiens“ und damit auch
der „kontinentalen Teile“ sei, konnte er sicher sein, daß er die Sorgen vieler Küstenbe­
wohner artikulierte.86 Auch an dieser Stelle läßt sich dasselbe Phänomen beobachten,
wie berteits dargestellt: Nach vielen erfolglosen Appellen, die Lebensbedingungen in
Dalmatien zu verbessern, wurde die anfängliche jugoslawische Orientierung in den
30er Jahren zunehmend aufgegeben. Immer mehr wurde der „kroatische Charakter“
der Küste betont und der jugoslawische Staat kritisiert. Unter dem dalmatinischen
Bürgertum bildete sich das Bewußtsein heraus, nur mit der Erfüllung national-kroati­
scher Forderungen könne sich die Lage zum Besseren wandeln. Der Kongreß in Za­
greb Anfang 1939 und der Eintritt des Bauernführers Vladko Macek in die Organisa­
tion markierten die endgültige Abkehr vom Jugoslawismus und die Wende in der
ideologischen Entwicklung des Vereins. Aus Schreiben an die Expositur der Regierung
der Banschaft Kroatien in Split 1940, in denen geklagt wurde, daß „wegen der finan­
ziellen Schwierigkeiten auch die Jadranska straza vor der Auflösung steht“ und um
„finanzielle Hilfe aus dem Etatposten, den die Regierung der Banovina zur Förderung
des Tourismus vorgesehen hat“, gebeten wurde, geht hervor, daß zumindest die dalma­
tinische Sektion loyal zur „Banovina Hrvatska“ stand.87
Auch anhand der Geschichte des „Jugoslavenski sokol“, der sich für den neuen Staat
einsetzte und maßgeblich in der Region für die Verbreitung eines „neuen Nationalbe-

nach einem längeren Krankenhausaufenthalt wurde er wieder gesund. Der Gendarm, der ihm
die Verletzungen zufügte, wurde dafür nicht zur Verantwortung gezogen.
84 Gligorijevic, S. 315-396.
85 Petranovic, S. 161ff., spricht von den „stärksten Stützpunkten der Orjuna“ in Dalmatien und
Slawonien.
86 Tartaglia, Ivo, Na moru je nasa sudbina. Programatski govor na glavnoj skupstini Jadranske
straze u Skoplju 30.X 1932 (Das Meer ist unser Schicksal. Programmatische Rede auf der
Jahreskonferenz der JS in Skopje), Split 1932, S. 16.
87 Vgl. d. Briefe „Izvrsni odbor Jadranska straza“ an „Ispostava Banske Vlasti Banovine
Hrvatske“ Nr. 4866/40 v. 16.11.40 u. 148/41 v. 16.01.41, BH 38.

369
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

wußtseins“ sorgen wollte, läßt sich das Scheitern jugoslawischer Identitätsbildung in


Dalmatien gut darstellen.

b) Der „Jugoslavenski sokol“

Rolle und Charakter der Sokol-Bewegung, die unter dem Namen „Prager Gymnasti­
sche Gesellschaft“ 1862 vom „Jungtschechen“ und späteren Reichsratsabgeordneten
Dr. Miroslav Tirs als national-tschechische Organisation gegründet wurde, sind um­
stritten. Der Beitrag von Wolfgang Kessler über den „Sokol in den jugoslawischen
Gebieten“88 ist eine der wenigen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem
Phänomen, das in seiner Gesamtheit „bislang nicht historisch untersucht worden“ ist,
v. a. auch nicht in seiner „Zweigleisigkeit“, als Turnverband und als national-politische
Bewegung.89 Der Name „Sokol“ (Falke) wurde von Emanuel Tonner vorgeschlagen,
der in den südslawischen Volksepen den Falken „als das Synonym für alles mutige,
heldenhafte und edle“ gefunden zu haben glaubte.90 Die roten Hemden, in denen
die Mitglieder öffentlich auftraten, sollten an den italienischen Volkshelden Garibaldi
erinnern, der als Kämpfer für die nationale und staatliche Einheit Italiens als eine Art
Vorbild betrachtet wurde.
In den südslawischen Gebieten der Donaumonarchie wurde in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts der „Juzni Sokol“ (Südlicher Falke), 1863 in Ljubljana und ein Jahr
später der „Hrvatski Sokol“ in Zagreb gegründet. Sie vereinigten sich 1919 mit ihrem
serbischen Pendant (Beogradsko gimnasticko drustvo Soko) zum „Sokolski Savez
Srba, Hrvata i Slovenaca“, der sich 1920 in „Jugoslavenski sokolski savez“ (Jugoslawi-

88 Kessler, Wolfgang, Der Sokol in den jugoslawischen Gebieten (1863-1941), in: Blecking,
Diethelm (Hg.), Die slawische Sokolbewegung. Beiträge zur Geschichte von Sport und Natio­
nalismus in Osteuropa, Dortmund 1991, S. 198-218, dort bes. „Der Sokol im Königreich
SHS 1918-29“ u. „Der Sokol des Kgr. Jugoslawien 1929-1941“, S. 212-217; Jakovcev,
Gojko, Idejno-politicni i strucni profili sokolske organizacije jugoslavenskih naroda od 1863.
do 1941. godine (Ideenpol. u. berufliches Profil der Sokol-Organisationen der jug. Völker v.
1863-1924), in: Povijest sporta 20 (1989), S. 251-257; Vrdoljak, S., Hrvatski sokol u Splitu
od 1893. do 1910. godine (Der kroatische Sokol in Split 1893-1910), in: Povijest sporta 3
(1972), S. 889-903.
89 Enciklopedija leksikografskog zavoda Jugoslavije, Bd. 7, Zagreb 1964, S. 543. Zur Geschichte
des Sokol bei den Südslawen: Jakovcev, Gojko, Sokolska organizacija u borbi za bratstvo
jugoslavenskih naroda do 1918 godine. Progon sokolske organizacije u Hrvatskoj, (Der Sokol
im Kampf für die Brüderlichkeit der jugoslawischen Völker bis 1918. Die Verfolgung der
Sokol-Organisationen in Kroatien), Zagreb 1970 u. Kessler, Der Sokol in den jugoslawischen
Gebieten, hier S. 199 u. 201.
90 Mudrinic, M., Istorija telesnog vezbanja (Gesch. d. Körperertücht.), Zagreb 1938, hier nach
Jakovcev, S. 10.

370
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

scher Falkenverband) umbenannte. Grundsätzlich ist der Auffassung wohl zuzustim­


men, daß „in der Zwischenkriegsperiode (...) die hegemonistischen Machthaber ver­
suchten, den Sokol zum Mittel ihrer Politik zu machen. Schon 1921 kam es wegen
der (serbischen, A. J.) zentralistischen Bestrebungen der Vereinsleitung und anderer
national-chauvinistischer Tendenzen zum Konflikt und zum Auseinanderbrechen mit
dem Sokol in Zagreb, so daß der Hrvatski Sokol wiederbegründet wird. (...) 1929 wird
ein Gesetz über die Gründung des „Sokol-Verbandes des Königreichs Jugoslawien“
erlassen - einer einheitlichen Organisation - und die gesamte Bewegung der Körper­
kultur während der Königsdiktatur wird verstaatlicht.“91 Soweit das Lexikon, doch
welchen Platz nahm der Sokol nach der Staatsgründung in der dalmatinischen Gesell­
schaft ein, was läßt sich über seine Ziele sagen?
In Dalmatien wurde 1885 in Zadar (Zara) der erste kroatische Sokol gegründet, 1893
folgte eine Ortsgruppe in Split. Erklärtes Ziel des Sokol war der Kampf gegen die
Germanisierung und die Madjarisierung im kroatischen Binnenland bzw. gegen die
Italianisierung im Küstenland und in Dalmatien. Ausflüge, öffentliche Auftritte und
andere nationale Aktivitäten bestimmten das Programm, das Turnen war „eher Ne­
bensache.“92 Auch wenn die wichtige Rolle der Sokol-Bewegung bei dem Versuch,
„die Jugend im Geiste des integralen Jugoslawismus zu erziehen“,93 erkannt worden
ist, so liegt doch bislang keine regionale Untersuchung zum tatsächlichen Stellenwert
der Vereinigung vor. Die Cavoursche Parole „Wir haben Jugoslawien geschaffen -
schaffen wir nun Jugoslawen“ erwies sich in Dalmatien als wirkungslos, auch wenn
es in der Verbandszeitschrift hieß:94 „Jugoslovenstvo hoce svi, tu razlike nema!“ (Den
Jugoslawismus wollen alle, da gibt es keine Unterschiede!)95
Dabei hatte der „Hrvatski Sokol“ bei der Agitation für ein nationales jugoslawisches
Bewußtsein in Split und Mitteldalmatien nach der Durchsetzung der nationalen Wie­
dergeburt“ als Sozialisationsinstanz eine herausragende Rolle gespielt. Unter seinem
Gründer Josip Smodlaka wurde der „Hrvatski sokol“ in Split ab 1883 eine der wich­
tigsten Institutionen, die jugoslawischen „nationalen Geist“ vermittelte: „Alle ange­
meldeten Mitglieder mußten die „Novacka skola“ (Schule des Nachwuchses) durch­
laufen, um bei den Falken aufgenommen zu werden“, erinnerte sich der ehemalige

91 Enciklopedija Leksikografskog Zavoda, Bd. 6, S. 63.


92 Kessler, Sokol, S. 204; die Mitgliederzahl gibt er in Zadar 1913 mit 437 an.
93 Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 183.
94 Sokolski Glasnik. Zvanican organ jugoslavenskog sokolskog saveza i saveza cesko-slovackog
i jugoslavenskog sokolstva. (Sokol-Bote, Offizielles Organ des jugoslawischen Sokol-Verban-
des und des Verbandes des tschechoslowakischen und des jugosl. Sokol) Nr. 1-12 1921. Mit
der Vereinigung d. tschechoslow. und jugosl. Sokol war Ende 1920 das ambitionierte Ziel der
Schaffung eines „opce Slovenskog ili Sveslovenskog Sokolskog Saveza“ (Allgemeinslawischen
oder Allslawischen Sokol) erreicht (ebenda, S. 5), das jedoch bald nicht mehr praktisch ver­
folgt wurde, da man mehr mit der Festigung des Zusammenhalts innerhalb des jugoslawischen
Verbandes zu tun hatte.
95 ebenda, S. 243.

371
Vom ,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

Reichsratsabgeordnete Smodlaka. „In dieser Schule, an der hauptsächlich ich unter­


richtete, wurde den „novaci“ erklärt, wo und wie das kroatische Volk lebt, was seine
Vergangenheit war, wie wir mit den Serben und den übrigen Slawen verwandt sind,
und was die Ziele unserer nationalen Politik sind.“96 Die Ziele des Sokol waren jeden­
falls in den Augen der österreichischen Geheimpolizei eindeutig staatszersetzend und
es erfolgten Repressionsmaßnahmen. Unter den Namen der in Dalmatien wegen jugo­
slawischer Agitation Verhafteten findet sich auch Prvislav Grisogono, später Parla­
mentsabgeordneter der Demokratischen Partei in Belgrad und einer der aktivsten Ver­
fechter des Jugoslawismus in der Zwischenkriegszeit in Dalmatien.97 Nach Kriegsaus­
bruch 1914 wurden zahlreiche aktive Sokol-Mitglieder mit Hochverratsprozessen
überzogen.98 Viele der mobilisierten Mitglieder desertierten und meldeten sich in die
Freiwilligenverbände. Die zur serbischen Armee gehörende „Freiwilligeneinheit der
Serben, Kroaten und Slowenen“ soll 1917 um die 30.000 Mann gezählt haben.99
In der „Sokolska zupa Split“ mußte die Arbeit nach 1914 gleichfalls eingestellt werden,
die „Sokolana“, die Turnhalle des Vereins, wurde von der Armee genutzt, die aktiven
Mitglieder wurden an die Front geschickt, einige sogar verhaftet und des Hochverrats
beschuldigt. Diejenigen, die sich der Verhaftung entziehen konnten, traten Alliierten
Verbänden bei. Uber sie hieß es nach dem Krieg im „Sveslavensko sokolstvo“: „Mehr
als zehn von ihnen haben ihr Blut auf serbischer Erde vergossen und dieses Land
gegen die Fremden verteidigt. Die Falken von Split und die gesamte Stadt können
stolz darauf sein.“ Auch der Matrose Ljubomir Kraus gehörte dazu, der, wie es die
integral-jugoslawische Legende berichtete, mit heldenhaftem Mut vor den Gewehrläu­
fen des Hinrichtungskomandos vor seinem Tod in der Boka Kotorska die berühmten
Worte gesprochen habe: „Mich könnt ihr leicht töten, nicht aber dreizehn Millionen
Jugoslawen.“100 Glücklicher waren da freilich Männer wie Joso Antunovic aus Makar-
ska, der gleich zu Beginn zur serbischen Armee überlief und nach der „nationalen
Befreiung“ einträgliche Staatsaufträge bekam.
Als 1918 die österreichische Staatsmacht zerfiel, sah der Sokol seine Aufgabe darin,
die „vollständige Einigkeit des Volkes“ im „einheitlichen Staat“ sicherzustellen, wozu
„Mannschaften zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Ruhe und Ordnung“ auf­
gestellt wurden. Jugoslawische Historiker hoben später hervor, daß der Sokol Anfang

96 Vgl. Smodlaka, Zapisi: „Rad u Sokolu“, S. 34-41, hier S. 36. Der Verf. schildert auch das
militärische Zeremoniell, Grüßen der (vor 1918 kroatischen) Fahne, Abspielen der kroati­
schen Hymne; ebenda, S. 38.
97 Spomenica 1905 — 1935, hg. v. Sokolsko drustvo Sinj, Sinj 1935, S. 32.
98 Kessler, S. 212 u. Sokolski Veleizdajnicki proces u Zagrebu iz 1915 —1916.g. (Der Sokol-Hoch-
verratsprozeß in Zagreb 1915-16), Zagreb 1927.
99 Slijepcevic, Pero, Nasi dobrovoljci u svetskom ratu (Unsere Kriegsfreiwilligen im Weltkrieg),
Zagreb 1925, S. 11-14 u. 17-21.
100 Sveslavensko sokolstvo (Der Allslawische Sokol), S. 183 u. Jakovcev, S. 28, der genaue biogra­
phische Informationen bringt; dazu auch Sokol na Jadranu (Der Sokol an der Adria), Glasilo
sokolskih zupa Susak-Rijeka, Sibenik-Zadar i Split, Jg. III, 1928, S. 78-80.

372
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

Dezember 1918 „heldenhaft die Stadt (Zagreb, A. J.) und das Volkseigentum vor dem
Mob und dem sicheren Untergang“ verteidigt habe.101 Tatsächlich handelte es sich um
das Niedermähen unbewaffneter, republikanisch-kroatisch gesinnter Demonstranten
durch Maschinengewehre am 5. Dezember 1918 am Jelacicplatz im Stadtzentrum. Das
Blutbad, das mindestens 14 Tote unter den Demonstranten forderte, wurde durch
„dalmatinische Matrosen, Polizisten und Sokol-Mitglieder unter der Führung des Dr.
Grga Andjelinovic“ verübt.102 Was genau an jenem Tag geschah, und eine Woche
vorher, als 300 bewaffnete Mitglieder des Sokol, ebenfalls in Zagreb, diesmal unter
der Führung eines Bogdan Stopar, am 28. November eine erste anti-jugoslawische
Demonstration erstickten, ist immer noch unzureichend erforscht.103 Bekannt ist, daß
die bewaffneten „Legionen“ oder „Nationalgarden“, die hauptsächlich aus Sokol-Mit-
gliedern bestanden,104 bei verschiedenen Zusammenstößen mit aufständischen kroati­
schen Bauern im Zwischenmurgebiet gleichfalls Verluste erlitten. Diese, in der Diktion
des Sokol und späterer jugoslawischer Historiker, „Opfer auf dem Altar der vereinig­
ten Heimat“,105 wurden während der Zwischenkriegszeit zu Märtyrern des Jugosla-
venstvo erklärt.
Dementsprechend war im Selbstverständnis des Sokol „in keiner anderen Organisa­
tion die jugoslawische Sichtweise so klar, bestimmt und fest“, was den Autor des
in der Mitgliederzeitschrift publizierten Artikels „Jugoslovensko Sokolstvo“ zu dem
Schluß führte, daß „nur die jugoslawische Sokolidee“ die alten „Stammessichtweisen“
überwunden habe.106 Doch nicht einmal innerhalb des Verbandes waren diese über­
wunden. Obwohl es anfangs so aussah, als könnten die Mitglieder des 1874 gegründe­
ten „Hrvatski sokol“ in dem 1919 gegründeten Sokol-Verband im Königreich SHS
eine Heimat finden, spaltete sich am 28. Mai 1922 ein wieder „Kroatischer Sokol“
genannter Teil ab.107 Nach dem Krieg hatten vor allem die Sokol-Verbände aus Dalma­
tien, die sich auf eigene Initiative in „Jugoslawischer Sokol“ umbenannt hatten, auf

101 Vgl. Jakovcev, S. 30f.; damit lag der Verf. ganz auf der damals vorgegebenen Linie von Culino-
vic (Jugoslavija izmedu dva rata, (Jugoslawien zwischen den Kriegen), Zagreb 1961), S. 163f.
102 Vgl. Kulundzic, Zvonimir, Atentat na Stjepana Radica, Zagreb 1967, „Masakr republikanaca“,
S. 119ff., Horvat, Hrvatska na mucilistu, S. 54ff., Jankovic, Drustveni i politicki odnosi, S. 94f.
u. Muzic, S. 35f. u.auch die Erinnerungen des Garden-Führers in Zagreb Lav Mazzura (Pribi-
cevic i Radic, in: Obzor LXIII/1922, 58, 3).
103 Kolar-Dimitrijevic, Mira, Gospodarsko-socijalni rad narodne vlade narodnog vijeca drzave
SHS 1918. godine (Wirtschaftl.-soziale Arbeit der nationalen Regierung d. Nationalrates SHS
1918), in: Radovi Zavoda za Hrvatsku povijest 26/1993, S. 209-218.
104 Nach dem 28. November 1918 übernahmen so praktisch der Sokol (und desertierte Soldaten)
in manchen Orten kurzzeitig die Macht, wie in der Gemeinde Tijesno in Nord-Dlmatien od.
der „Grüne Kader“ aus Betina, der ausschließlich aus Mitgliedern des „Sokol“ bestand; Sokol-
ski zbornik, S. 201 u. Jakovcev, S. 31.
105 ebenda.
106 petranovi£; Istorija Jugoslavije, S. 201.

107 Einstimmig beschloß der „Hrvatski sokol“ auf seiner letzten, außerordentlichen Sitzung am
15. Dezember 1929, als mit der Gründung des Sokol des Königreichs Jugoslawien alle anderen

373
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis

eine Vereinheitlichung des Verbandes gedrängt.108 Die Parole „Ein Volk, ein Staat, ein
Sokol“ wurde am St. Veitstag 1919 mit der Gründung des „Sokolski savez Srba,
Hrvata i Slovenaca“ in die Tat umgesetzt. Ein Jahr später wurde der Name dann in
„Jugoslovenski sokolski savez“ umgeändert.109 Die „Sokolska Zupa Split“ gliederte
sich in 24 Unterabteilungen und organisierte 1922/23 3167 männliche und 491 weibli­
che Mitglieder.110
Auch im Selbstverständnis der Bewegung war der Sokol „niemals“ nur beschränkt auf
Körperertüchtigung: „Der Körper wird in der Sokol-Bewegung begriffen als Materie,
aus der die Mittel des organisierten Kampfes für das Bestehen der Nation gewonnen
werden, die nicht nur nach außen stark sein will, sondern auch von innen wiedergebo­
ren werden will“, hieß es. Die jugoslawische Orientierung berief sich auf die obskuren
Ideen eines „jugoslawischen Typus“, den Jovan Cvijic den dinarischen (Hervorh. im
Original) genannt hatte und der „uns den Staat erkämpft“ habe. Dieser Typ Mensch
sei in „Montenegro, in der Herzegowina und in Bosnien, in Dalmatien, Serbien, der
Lika, im südlichen Krain und im Küstenland“ zu finden. Die angestrebten „großen
Ziele des Sokol“ waren neben dem Nationalstaat „echte Demokratie, vollkommene
brüderliche Gleichheit und Solidarität.“111 Daneben war es wohl auch die Freude an
der Geselligkeit und daß man sich in den bunten Uniformen bei Aufmärschen zeigen
konnte.112 Wichtigster Punkt war der Kampf für einen jugoslawisch verstandenen
Nationalstaat. In Dalmatien, so wurde in den Verbandsschriften betont, habe sich der
Sokol „schon immer“ für die Vereinigung eingesetzt und „gegen die Talianisierung“
gekämpft.113 Daneben finden sich auch in den Mitgliederzeitschriften des Sokol die

Vereine mit nationalen Bezeichnungen aufgelöst werden mußten, nicht dem gesamt-jugosla­
wischen Verband beizutreten, sondern alle Untersektionen aufzulösen.
108 Mudrinic, Istorija telesnog vezbanja, 2. Teil, Zagreb 1938, S. 217; ebenso Jakovcev, S. 45.
109 ebenda.
110 Gruppen gab es in Donja Kastela, Dugi Rat, Hvar, Igrane, Imotski, Jelsa, Jesenice, Sucurac,
Klis, Knin, Makarska, Milna, Nerezisce, Omis, Podgora, Postire, Selca, Sinj, Solin, Split,
Stobrec, Supetar, Trogir und Vranjic. Als „aktive Ubungstreibende“ der Region Split galten
626 Männer und 70 Frauen. Der männliche Nachwuchs zählte bei den männlichen Jugend­
lichen 319, bei den weiblichen 206. Bei den Kindern waren es 589 Jungs und 454 Mädchen.
In der Stadt Split sah die Mitgliederstruktur folgendermaßen aus: 3 Ehrenmitglieder, 16
Gründungsmitglieder, 328 „ausgeübte Mitgliedschaften“, davon 239 männliche (100 Aktive
Sportler) und 89 weibliche (40 aktive Sportlerinnen); Männliche Jugendliche (14-18 Jahre)
80, weibliche 60; Kinder (6-14 Jahre): 140 Jungs und 80 Mädchen; Skarica, Splitski shemati-
zam 1923, S. 77.
111 Prohaska, Dragutin, O juznoslovenskom tipu coveka - Govor izrecen na proslavi drzavnoga
blagdana u centrali praske Sokolske Jednote, dne 12. prosinca 1920 (Uber den südslawischen
Menschentyp - Rede, gehalten auf der Feier des staatlichen Feiertags in der Zentrale der
Prager Sokol-Einheit, 12.12.1920); ebenda, S. 34ff.
112 Vgl. Smodlaka, Zapisi, S. 37f. u. die Berichte über die regionalen Aktivitäten im „Sokolski
Glasnik“.
113 Sokolski Glasnik, 1/1921, S. 255.

374
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

bekannten Klagen über die schlechten Verkehrsverbindungen in Dalmatien etc. Trotz


großer Bemühungen der ,national bewußten“ Presse wurde bemerkt, daß „die Massen
unbeweglich und träge“114 geblieben seien. So kam es nur zu „einigen kleinen Mani­
festationen“ in Split“,115 die hauptsächlich im öffentlichen mehr oder minder synchro­
nen Vorturnen unter jugoslawischen Fahnen bestanden.
Der anti-kommunistische Charakter des Sokol während der Zwischenkriegszeit wird
in den Erinnerungen von KP- und Gewerkschaftsfunktionären stark betont, und die
oft gewalttätig verlaufenden Auseinandersetzen werden in fast allen Memoiren be­
schrieben. Die verschiedenen Sokol-Veranstaltungen in den Industriebetrieben Dal­
matiens wurden seitens der Fabrikleitungen „moralisch und materiell“ nach Kräften
unterstützt, da doch der Sokol, wie auch Orjuna und Jadranska straza, den „verhäng­
nisvollen Kommunismus“ unter der Arbeiterschaft bekämpften.116
Unter die zu bekämpfenden separatistischen Tendenzen wurde auch die katholische
Kirche subsumiert. Die Bekämpfung des „Klerikalismus“ nahm manchmal drastische
Formen an.117 Das Protokoll der „ordentlichen Hauptversammlung der Sektion Split
vom 20. Februar 1921118 notierte die Klagen über „Schwierigkeiten, die einer erfolg­
reichen Tätigkeit in der Sektion Split im Wege“ standen, unter besonderem Augen­
merk auf die „sehr schlechte finanzielle Situation und auf die Nachlässigkeit einiger
lokaler Unterabteilungen.“119 In verschiedenen Artikeln in der Verbandszeitschrift
wurde die Rolle im „Kulturkampf“120 in Dalmatien und im ganzen Königreich betont,
der „im Geist der jugoslawischen Idee“ geführt werden sollte. Aufgabe sei es: „Kern
und Ansporn für das jugoslawische Volk zu sein“. Doch auch hier fand sich die Klage
über „unsere tiefschwarze Umgebung, in der geistige Lethargie herrscht“. Gegen die
„Vertreter der Dunkelheit“, die (kroatische) katholische Kirche, wurde polemisiert,
daß sie „alles, was fortschrittlich und modern ist“, negiere und „ihre dunklen und
ungesunden Ideen“ dem Nachwuchs aufdrängen wolle, um so „den ersten Funken
der Heimatliebe und des Lichts“ auszutreten. Der Sokol rufe „den Verächtern der
Aufklärung, den Freunden der Dunkelheit zu“:

114 Osvrt na sokolske prilike u Primorju u god. 1920., in: ebenda, S. 115.
115 ebenda.
116 Vgl. Stanic, Radnicki pokret, S. 72ff., 118f. u. 125f. mit Quellenangaben; vgl auch zahlreiche
Artikel im Organ der Orjuna, „Pobeda“ (Sieg), z.B. Nr. 1 v. 06.01.1925, S. 3.
117 Jakovcev führt zahlreiche Beispiele an, wie die Kirche publizistisch und in Predigten vor
dem „atheistischen und gottlosen Sokol“ warnte. Auf den Inseln Brac und Hvar drohten die
katholischen Priester den Gläubigen sogar an, ihnen keine Sakramente mehr zu spenden und
auch keine Beerdigungen von Sokol-Mitgliedern durchzuführen. Die Agitation gegen den
Sokol gipfelte in der Warnung eines Kaplans: „Was willst Du als Kroate im Sokol? Das ist
ein serbischer Verein.“ Sokolski glasnik v. 19.03.1933 u. Jakovcev, S. 49ff.
118 Sokolski glasnik, S. 261f.
119 ebenda.
120 ebenda, S. 365. Imotski Sokol u kulturnoj borbi (Der Sokol von Imotski im Kulturkampf).

375
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis

„Auch wenn ihr euren Einfluß und eure Macht in unserer unglücklichen Heimat (was sich
hier auf das dalmatinische Hinterland bezieht, A. J.) verbreitert habt, so braucht ihr nicht
einmal davon zu träumen, daß die Falken aus Imotski es zulassen werden, daß der Klerikalis­
mus, der seine giftigen Pfeile auf die Sokol-Bewegung abgeschossen hat, siegen wird. Wir
wissen zu gut, daß es unsere Pflicht ist, im Volke all das zu suchen, was uns national einigt,
und wir stehen auf gegen alles, was uns entzweit. Eine Sprache, gleiche Bräuche, gemeinsame
Ziele und Glaubenstoleranz einigen uns, während uns religiöser Fanatismus und starrsinniger
Klerikalismus entzweien.“121

Unterstützung in diesem Kampf fand der Verein natürlich bei der gesamten integralen
Presse, vornehmlich den Organen der Demokratischen Partei. Diese riefen den Staat
wiederholt dazu auf, „alle Mittel, die zur Verteidigung seiner Sicherheit zur Verfügung
stehen“, einzusetzen, wenn „die Kirche oder ihre Vertreter direkt gegen die Interessen
und gegen die Sicherheit des Staates arbeiten“. Gegen diese „Feinde des Staates“ könne
ruhig mit aller Härte vorgegangen werden. Bei all der finanziellen staatlichen Hilfe,
könne die Kirche „wenigstens neben der fremden papistischen Fahne und der kroati­
schen Stammesfahne auch die Staatsflagge tolerieren, was keine staatliche Instanz, vom
Gendarmen bis zur Provinzverwaltung, bis jetzt z. B. in Sinj erreichen konnte." Im
„dalmatinischen Klerus“ gebe es zwar auch vereinzelt „Patrioten“, aber sie seien ganz
offenkundig in der Minderheit. Dem Sokol wurde, da er ja dieselben Anliegen hatte,
entsprechend viel Platz in der Zeitung eingeräumt.122 Der „klerikale Zorn auf die
Falkenbewegung“, so der Verband, könne den Sokol nicht davon abbringen, „anstän­
dige Bürger und Staatsbürger körperlich und moralisch zu erziehen“.123
Auch die Ortsgruppe aus Vranjic in der Nähe von Split sah sich „allen möglichen
anti-nationalen Elementen“ gegenüber, von denen es, so der „Sokolski glasnik“: „hier
viele gibt“.124 Doch hoffnungsvoll wurde „die harmonische Opferbereitschaft unserer
Kinder als schönstes Unterpfand einer glücklicheren Zukunft“125 gepriesen. Diese
„glückliche Zukunft“ sah der Sokol in Dalmatien immer mehr durch wachsende natio­
nal-kroatische oder sozial-kommunistische Stimmungen gefährdet. Erst nach der Pro­
klamation der Königsdiktatur äußerte sich auch der dalmatinische Sokol wieder zu-

121 Nach eigenen Angaben hatte der Sokol von Imotski, zwei Jahre nach seiner Gründung, 150
Übende beiderlei Geschlechts (Kinder eingeschlossen), und beinahe 200 übrige Mitglieder
(ebenda, S. 438), bei einer damaligen Einwohnerzahl von „1600-1800 Seelen!“. Der Ortsver­
ein war „mit eigenem Blasorchester, Kultur-, Tamburizza- und Schauspielabteilung und Ver­
gnügungsausschuß“ ausgestattet. Er besaß einen „eigenen Lesesaal, eine Bücherei, einen Som­
merübungsplatz und beinahe alle nötigsten Turngeräte“. Eine eigene Turnhalle fehlte dem
Verein „noch“. Die Mitglieder übten „in der Gymnastikhalle der örtlichen Schule, die jedoch
zu klein ist“. An Aktivitäten wurden viele öffentliche Veranstaltungen aufgezählt, „Akade­
mien, Ausflüge und öffentlichen Übungen“. Vgl. Sokolski glasnik, S. 265f.
122 Zivot - List dalmatinskih Demokrata v. 22.09.1921.
123 Vgl. „Klerikalni bijes na Sokolstvo“ (Der klerikale Zorn auf d. Sokol), in: Sokolski glasnik,
S. 440ff.
124 ebenda, S. 370.
125 ebenda, S. 439.

376
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

frieden und betonte in einem Telegramm an den Monarchen, den „ersten aller Falken
im Staate“, daß „ein Staat auch nur ein Volk und einen Namen haben muß, genauso
wie nur einen Sokol.“126 Aus zahlreichen Akten im Archiv der Banschaftsverwaltung
wird deutlich, daß der Staat solche Loyalität belohnte und den Sokol logistisch und
finanziell nach Kräften unterstützte.127
Schenkt man etlichen Dorfchroniken Glauben, so versuchten Sokol und Orjuna, in
vielen Regionen Dalmatiens „jugoslawische Brüderlichkeit“ auch mit Gewalt durch­
zusetzen. „Die kulturelle und bildungsmäßige Hebung des Volksniveaus durch Vor­
träge und Körperertüchtigung“ artete nicht selten in Schlägereien mit kroatischen oder
linken Vereinen aus. Kroatische Vereine und Parteien hoben hervor, daß sich im Sokol
überdurchschnittlich viele Serben in führenden Positionen befanden, wenn es auch
vorkam, daß eine zum Empfang in voller Montur angetretene Sokol-Formatien die
kroatische Nationalhymne „Lijepa nasa“ intonierte.128 Doch es war nicht zu überse­
hen, daß der Sokol immer offener ein Instrument der serbischen Dynastie wurde. Daß
sich beispielsweise der Leiter des Sokol in Mostar, Cedo Milic, nach 1941 Cetnik-
Verbänden anschloß, war in der Entwicklung der Zwischenkriegszeit angelegt.129
Doch je mehr der Staat an Akzeptanz verlor, umso stärker wirkte sich die massive
staatliche Unterstützung für den Sokol negativ für den Verband aus.130 Ab Mitte der
30er Jahre nahm die Zahl der Mitglieder rapide ab. Immer mehr ehemalige Sokol-
Mitglieder blieben einfach weg und zahlten keine Beiträge mehr.131
Das Urteil, daß „die Verfolgung der Sokol-Mitglieder permanent während der gesam­
ten Existenz des alten Jugoslawien andauerte und (...) besondere Intensität (...) zwi­
schen 1935 und 1939 und v.a. von 1939-41 bekam, zur Zeit der Banovina Hrvatska,
als die Existenz des „Kroatischen Bürger- und Bauernschutzes“ (Hrvatska seljacka i

126 Telegramm des Sokol an den König, hier zit. nach: Kraljevina Jugoslavija i njena upravna
podjela na banovine (Das Königreich Jugoslawien und seine Verwaltungsgliederung in Ban-
schaften), Zagreb 1930, S. 20.
127 Vgl. die Akten und Korrespondenz der Kgl. Banschaftsverwaltung bzgl. des Massenaufmar­
sches (6-8.000 Falken) am St. Veitstag 1931:„Slet sokolstva na Jadranu - Split 1931“,
Nr. 1355/31 v. 13.05.1931.
128 Jadranska posta v. 26.08.1929.
129 Grabovac, S. 123.
130 Offiziöse Statistiken gaben für 1927 noch die Zahl von 126.567 Sokol-Mitgliedern an (107.223
erwachsenen männlichen u. 19.334 weiblichen), sowie 63.912 Nachwuchsmitgliedern im Kin­
der- und Jugendalter. Von den insgesamt 845 Sokol-Sektionen im gesamten Königreich waren
in der Region Split 33 und in Sibenik 22 registriert. Durdevic, S. 32f. Die Organisationsstruk­
tur des Sokol für das Jahr 1938 wird dort (S. 33) angegeben mit: 25,2% Bauern, 13,6% Be­
amte, 11,9% Handwerker, 9,3% Lehrer, 8,0% Angestellte, 7,9% Arbeiter, 7,6% Händler,
3,2% Soldaten, 2,4% Schüler u. Studenten, 1,4% Apotheker u. Ärzte, 0,8% Anwälte, 0,6%
Geistliche, 0,5 % Matrosen u. Fischer sowie 7,5 % sonstige.
131 Glavna skupstina Sokolskog Saveza Jahreshauptversammlung des Sokol), Beograd 1933,
S. 117; Jugoslavenska rijec v. 09.03.1936 u. Izvestaj o radu uprave Saveza sokola Kraljevine
Jugoslavije za godinu 1938, Beograd 1938, S. 126f.

377
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einheitsverständnis

gradjanska zastita, Formation der HSS, A.J.) legalisiert wurde“, ist besonders dort,
wo eine Verfolgung des Sokol bis 1935 behauptet wird, absurd. Man kann wohl eher
davon sprechen, daß sich der aggressive Bekehrungsdruck, den der Sokol in der ersten
Zeit nach der Vereinigung im gesamten Königreich, auch in Dalmatien, entfaltete, nun
gegen seine Urheber wandte.
Als der Vorsitzende der Bauernpartei, Vladko Macek, seine Anhänger dazu auffor­
derte, den Sokol zu verlassen, weil dieser unter der Maske des Jugoslawismus die
groß-serbische Unterdrückung Kroatiens unterstütze, hatte sich die politische Situa­
tion vollständig geändert.
Auch in vielen Orten Dalmatiens schlug dem Sokol in den 30er Jahren, wie dem Staat,
für den er stand, heftiger Widerstand entgegen, so daß mancher Ortsverein des Sokol
seine Tätigkeit ganz einstellte. Der Sokol mußte konstatieren, daß sich die „Feinde
der nationalen und staatlichen Einheit“, wie es in der Diktion des Verbandes hieß,
durchgesetzt hatten. Der Ortsverein Stankovci aus Nord-Dalmatien schrieb am 9. Juli
1936, daß er mit „Stammes- und religöser Intoleranz“ schwer zu kämpfen habe, und
den „Schlägen der Klerikalen und des Kroatischen Bauernschutzes“ ausgesetzt sei.
Dem Ministerium für Körperertüchtigung in Belgrad teilte die Dachorganisation des
Sokol Ende März 1937 mit, daß die Gemeindeverwaltungen von Trogir, Donja Ka-
stela, Kastei Luksic und Omis den Sokol-Vereinen Gemeinderäume kündigen wollten.
In Orebic und Cavtat seien die Gemeindesäle bereits gekündig worden. Vorher sei
in Cavtat das Vereinsheim sogar angesteckt worden. Es wurden fünf Mitglieder der
Bauernpartei verdächtigt, den Brand gelegt zu haben. Am 17. Januar 1938 beschwerte
sich der Verband, daß in Gornje selo auf der Insel Solta der Bürgermeister die Einrich­
tung der an den Sokol vermieteten Räume und die Sportgeräte der Turnhalle einfach
auf die Straße gestellt hätte. Die Räumlichkeiten hätte er nun der Bauernpartei zum
Abhalten von Tanzveranstaltungen überlassen. Das gleiche Vorgehen wurde in Jese-
nice bei Omis befürchtet. Solche Fälle von Vandalismus und Feindseligkeit gegen den
Sokol in Dalmatien häuften sich.132
Mitte Juli 1938 riefen in einem Demonstrationszug zu Ehren des Geburtstags des
Vorsitzenden der Bauernpartei, Vladko Macek, seine Anhänger wüste Drohungen ge­
gen den Sokol aus. Rufe wie „Es lebe König Macek“ und „Nieder mit dem Sokol“
wurden laut. Der Ortspfarrer, so beschrieb es der örtliche Sokol-Vorsitzende, „drohe
damit, den Verband auseinanderzujagen. Unter solchem Druck hätte der Eigentümer
des angemieteten Gebäudes die Kündigung des Vereins annonciert“. Vielerorts kam
es nun in Dalmatien zu Übergriffen auf Vereinsheime des Sokol, wie in Solin und
Rogiznica Ende Juni 1938. Es werde, wie die Organisation in einem Brief schrieb,
„öffentlich gegen den König, Jugoslawien und die Serben“ gehetzt, die Mitglieder
sollten außerdem innerhalb von 8 Tagen in den Bauernschutz übertreten. Der Verband

132 Vgl. die Berichterstattung der dalm. Zeitungen. Im Arhiv Jugosl. wurde das Archiv des Sport­
ministeriums (Fond MFVN, inv.br. 71 fase. 3 jed. 8) von Jako veev ausgewertet; Jakovcev a.a.
O, S. 52-67.

378
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste

in Rogoznica erbat eine „dringliche Intervention bei der Regierung“, daß es möglich
bleibe, „im freien Vaterland frei die jugoslawische Idee vertreten zu können“. In einem
weiteren Schreiben vom 28. Juli 1938, das der Dachverband des Sokol an das Sportmi­
nisterium richtete, war die Rede von einem Vorfall in Dalmatien, wo sich 500 Mitglie­
der des Kroatischen Bauernschutzes mit Messern, Revolvern und großen Prügeln be­
waffnet vor der Sokol-Ubungshalle „zusammengerottet“ hätten. Zwei Stunden später
seien „aus Primosten und Umgebung noch 800 weitere Mitglieder, die auf dieselbe
Weise bewaffnet waren“, dazugestoßen. Die Polizei habe sich nicht auf die Straße
getraut, für „(jugoslawisch)national gesinnte Menschen“ sei das alles „furchtbar“.
Doch der Tag ging glücklicherweise ohne Tote und Verletzte, nur mit Sachschaden zu
Ende.133 Nicht nur für Dalmatien ließen sich etliche solcher und ähnlicher Fälle be­
richten. In Zagreb und Slawonien hatte der Sokol einen noch schwereren Stand seit
Mitte der 30er Jahre. Vor allem nach der Schaffung der „Banschaft Kroatien“ war es
endgültig mit der staatlichen Unterstützung des Sokol in Dalmatien vorbei. In Sinj
wurde das Falken-Heim von der Verwaltung der Banovina versiegelt, so daß es nicht
mehr benutzt werden konnte, nachdem sich vorher der Sokol geweigert hatte, der
Aufforderung des Bürgermeisters Anicic Folge zu leisten und das Haus zu räumen.134
Im Dorf Betina in der Gemeinde Sibenik, das 1918 eine komplette Sokol-Garde ge­
stellt hatte, wurde der „psychische und physische Druck“ der Anhänger der Bauern­
partei schließlich so stark, daß am 16. Oktober 1939 aufgebrachte Demonstranten
während einer Sokol-Veranstaltung die Teilnehmer zwangen, das Heim zu verlassen,
um es dann zu demolieren. Am nächsten Tag kehrten sie noch einmal zurück, warfen
die zertrümmerten Möbel auf die Straße und zündeten sie an, „tanzten um das Feuer
und schossen in die Luft aus Pistolen und Gewehren“. Dem Sokol sei ein „Schaden
von ca. 15.000 Dinar“ entstanden. In seinem Brief machte der örtliche Vorsitzende
dafür „die Mitglieder des Bauernschutzes und der „Gospodarska sloga“ von Betina“
verantwortlich.135 Auch die Konfiskation von 3 Jagdgewehren durch Mitglieder des
Bauernschutzes in Sukosan, für die die Sympathisanten des Sokol und der Regime-
Partei JRZ „eine Erlaubnis“ gehabt hätten, und eines Revolvers am 11.Februar 40 in
Vrsina bei Zadar, führt Jakovcev als Beispiele der „Verfolgung“ des Sokol an.136 Nach
133 Arhiv Jugoslavije, Fond MFVN, inv.br. 71 fase. 14 jed. 8, hier zit. nach Jakovcev, S. 56ff.
134 AVII, k. 6, f. 2 dok. 24, hier zit. nach Jakovcev, S. 67.
135 AVII, k.6f. 2 dok. 26, hier zit. nach Jakovcev, S. 67f. Interessanterweise schreibt der Verf., der
für seine Arbeit Mitglieder d. Sokol aus Betina befragt hat, in einer Fußnote, daß „die jünge­
ren Mitglieder des Vereins auch nach der Zerstörung ihrer Ubungsräume (...) mit der vor­
militärischen Ausbildung (...) fortfuhren, um sich so auf die Verteidigung des Landes vorzu­
bereiten.“ Jakovcev lobt dieses „patriotische und enthusiastische“ Verhalten der Sokol-Orga-
nisation. Vielleicht hätte er darin aber auch den Grund, der ihm unklar bleibt, für die Verwü­
stungsaktion entdecken können. F 46, S. 69.
136 Vgl. Jakovcev, S. 70f. Er dokumentiert aber nur einen einzigen Fall von Körperverletzung
und Mord. Karlo Kuzmanic, Mitglied des Sokol von Milna auf der Insel Brac, wurde am
16.07.1940 von „einer Gruppe von Mitgliedern des Bauernschutzes“ verprügelt und erlag
später im Krankenhaus in Split den Folgen seiner Verletztungen; „Soko na Jadranu“, Nr. 8-

379
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

den Angaben der Zeitschrift „Soko na Jadranu“ (Der Falke an der Adria) gab es
zwischen 1939 und 1940 90 Fälle von „Entlassungen und Versetzungen“ von Sokol-
Mitgliedern als Schikanen der kroatischen Behörden an der Küste. Immer mehr Orts­
vereine in Dalmatien lösten sich auf.
Am 26. Oktober 1940 fand die 10. Ordentliche Versammlung des jugoslawischen So-
kol in Belgrad statt, wo eine ernüchternde Bilanz gezogen wurde: „Das Jugoslawien,
für das die Sokol-Bewegung gekämpft hat und für dessen Verwirklichung es eingetre­
ten ist“, gäbe es nicht mehr. Der Kampf gegen den Sokol in der Banovina Kroatien
sei „ein Kampf gegen den Jugoslawismus, gegen die Idee der staatlichen und nationa­
len Einheit.“ In einer besonderen „Resolution“ wurden die unter „gesetzlosen Angrif­
fen leidenden Brüder und Schwestern“ in Kroatien der „vollen Hilfe und Unterstüt­
zung“ versichert.137 Die „Feinde des Sokol“ würden „alle Mittel“ nutzen, um die
Arbeit des Verbandes zu verunmöglichen. Falken-Heime würden geschlossen oder
konfisziert, weswegen „viele Untergliederungen auf dem Gebiet der Banovina die
Arbeit verringern oder einstellen“ müßten.138 Letztlich wurden fast alle Ortsvereine
in der Banovina aufgelöst. Alle noch verbliebenen Mitglieder des Sokol wurden aufge­
fordert, „unbedingt“ zur Jahreshauptversammlung zu kommen.139
Das völlige Fiasko der 1918 angetretenen Kräfte, die eine „jugoslawische Synthese
erstrebt hatten,140 wurde nicht nur in der Geschichte des dalmatinischen Sokol deut­
lich. Auch in den staatlichen Schulen141 konnte sich trotz allen Drucks die jugoslawi­
sche Option in Dalmatien nicht durchsetzen.

9/1940, S. 72. Jakovcev spricht von Listen von Leuten, die „liquidiert“ werden sollten, weil
sie „Kommunisten, Jugo-Nationalisten und herausragende Mitglieder des Sokol waren“
(S. 71), führt aber keinen Beleg dafür an.
137 Izvestaj o radu uprave Saveza sokola Kraljevine Jugoslavije za godinu 1939, podnet na redov-
noj glavnoj skupstini Saveza SKJ 26. oktobra 1940, S. 63f. u. S. 10.
138 ebenda, S. 17.
139 Auch wenn eine halbe Stunde nach dem angesetzten Beginn der Veranstaltung „kein Drittel
der eingeschriebenen Mitglieder“ erscheinen sollte, würde „die Versammlung trotzdem abge­
halten. Narodni list v. 16.01.1941.
140 Noch 1938 gaben manche Verf. die Hoffnung darauf nicht auf; Mitrovic, Cedomil, Zivotni
krugovi hrvatstva (Die Lebenskreise des Kroatentums), Beograd 1938.
141 Pokrajinska vlada za Dalmaciju u Splitu. Odjeljenje za trgovinu i industriju: Skolski odsjek.
1920-1924 BH 5/1 f. u. Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Odsjek za
trgovinu, obrt i industriju. Odjeljenje za strucnu nastavu. Vazne naredbe 1934.-1939. BH 6/
I-VIII.

380
Jugoslavenstvo in der Schule

3. Jugoslavenstvo in der Schule

Für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit sind hauptsächlich die vermittelten
Bildungsinhalte während der Zwischenkriegszeit interessant. Die wertvollen Arbeiten
von Charles Jelavich geben ein genaues Bild davon.142 Seine Forschungsergebnisse
sind eindeutig: Bis zur Vereinigung 1918, und teilweise noch bis 1929, so stellt er
fest, „the students were not taught Yugoslavism, but Serbianism, Croatianism and
Slovenianism.“143 Der als „beherrschendes Grundmotiv“ der Belgrader Schulpolitik
der Zwischenkriegszeit herausgearbeitete, von oben aufgesetzte, Unitarismus und
Jugoslawismus entfaltete offensichtlich keine große Überzeugungskraft.
Staatlicherseits ging es darum, „einen neuen Typ des Jugoslawen zu schaffen“, wie es
auch im Grundschulgesetz von 1929 festgeschrieben war. Zunächst wurden in den
Zwanziger Jahren die Lehrziele in Geographie und Geschichte noch umschrieben als
„Kennenlernen des Vaterlandes und die Erweckung der Liebe zu ihm“, „Kennenler­
nen und Geschichte der Serben, Kroaten und Slowenen“ und „Erweckung nationaler
und patriotischer Gefühle“,144 mit dem Ziel, das Bewußtsein zu wecken, einem
„dreieinigen Volk“ anzugehören. Nach Ausrufung der Königsdiktatur wurde dann
versucht, auf Biegen und Brechen den Jugoslawismus einzuführen. Eine Mitteilung
des Bildungsministeriums von 1930 ließ keine Zweifel offen: „Die Lehrer sind aufge­
fordert, im Unterricht, in der Erziehung und überhaupt, wo sich eine Gelegenheit
dazu ergibt, die jugoslawische Ideologie zu entwickeln und zu pflegen: ein Volk, ein
Staat, ein König.“145 Daß es um „serbische Vorherrschaft“ ging, wurde nicht nur durch
die Repressions- und Disziplinierungsmaßnahmen gegen nicht-serbische Lehrer deut­
lich.146 In den hauptsächlich serbischen Schulbüchern, die in ganz Jugoslawien ver­
wendet wurden, manifestierte sich die betriebene Zentralisierungspolitik.147 Im ver-

142 Jelavich, Charles, South Slav Nationalisms. Textbooks and Yugoslav Union before 1914, Co-
lumbus, Ohio 1990; ders., Education, Textbooks and South Slav Nationalisms in the Interwar
Era, in: Reiter, N./Sundhaussen, H. (Hg.), Allgemeinbildung als Modernisierungsfaktor, Ber­
lin 1994, S. 127-142; ders., Serbian Textbooks: Toward a Greater Serbia or Yugoslavia, in:
Slavic Review 42/4 (1983), S. 601-619.
143 Jelavich, Education, Textbooks and South Slav Nationalisms in the Interwar Era, S. 127 u.
130.
144 Nastavni plan (Lehrplan) za I, II, II i IV razred osnovnih skola Kraljevine SHS, Beograd
1926, S. 11, hier zit. nach Mayer, S. 122. Jelavich (Education, S. 130f.) weist darauf hin, daß es
während des ersten Jahrzents, aufgrund des Widerstands der Ex-k.u.k.-Gebiete, nicht gelang
ein unifiziertes Schulgesetz zu verabschieden.
145 Vgl. Note des Bildungsministeriums v. 22.2.1930, hier zit. nach Mayer, S. 60 u. das Kap.
„Bildungskonzeption und Bildungspolitik nach 1918“, ebenda, S. 58-80, sowie Jelavich, Edu­
cation, S. 132ff.
146 Mayer, S. 128f. mit zahlreichen Belegen.
147 Jelavich, Education, S. 134ff., Mayer S. 64.

381
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis

breitetsten Lesebuch für die vierte Grundschulklasse wurden in allen Auflagen, bis
zum Auseinanderfallen dieses Staates, „alle südslawischen Gebiete außer Slowenien“
zu „Serbischen Ländern“ erklärt. Auch Dalmatien gehörte dazu.148 Dagegen ergab die
Analyse von Schulbüchern der Zwischenkriegszeit, die von Kroaten verfaßt waren,
daß der in ihnen propagierte Patriotismus bzw. Nationalismus sich ebensogut auf ein
kroatisches Vaterland beziehen konnte wie auf ein jugoslawisches.149
Als entscheidend im kroatischen Fall erwies sich, daß die Generation, die vor 1918
die Schulen in Kroatien, Slawonien und Dalmatien durchlief, die jugoslawischen Ideen
als Mittel, mit deren Hilfe die territoriale und sprachliche Einheit der Kroaten zu
erreichen war, rezipierte, und nicht als Aufruf zur Bildung eines Einheitsstaates. „Fe­
ste Grundlagen“ gab es also auch nicht auf ideologischem Gebiet für das nach dem
Krieg gegündete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Es war offensichtlich,
daß „the new kingdom was precisely what its name implied, a political Union of three
distinct nations, the Serbian, Croatian and Slovenian, whose members did not conceive
of the state in similar terms nor share a common goal. Once this became apparent,
the leadership in each nation, not only the major statesmen, but,.more important,
those individuals on the regional level who would assume positions of responsibility,
that is, Supervisors, clerks, mayors, councilmen, teachers, policemen, etc. reverted to
the views they gained from their prewar education.“150
Die Analyse von Aktenbeständen der regionalen Verwaltung, die sich auf das dalmati­
nische Schulwesen bezogen, sowie die Jahresberichte dalmatinischer Schulen151 er­
möglichten es, den von Jelavich anhand einer Untersuchung von verwendeten Schul­
büchern postulierten Befund nachzuvollziehen.
Im Schuljahr 1922/23 besuchten 402 Schüler, die auf acht Klassen verteilt waren, das
„Große Gymnasium“ (Velika gimnazija) in der Nodilova in Split. Abgesehen vom
neuen Direktor Vid Petricevic - der alte war in Pension gegangen - waren es zum
allergrößten Teil dieselben Professoren im Kollegium, die noch zu Zeiten Österreichs
unterrichtet hatten, genauso wie in den anderen Schulen der Stadt.152 Und auch in

148 Vgl. beispielsweise Protic, Lj./Stojanovic, V. D., Srpska citanka za IV razred osnovnih skola
(Serbisches Lesebuch für die 4. Grundschulklasse), Beograd 1920/26, S. 136f., hier zit. nach
Jelavich, Education, S. 135.
149 ebenda, S. 138.
150 Jelavich, South Slav Nationalisms, S. 133 u. Conclusion, S. 263-277, sowie ders., Education
and Nation-Building, S. 53.
151 Mitte der 20er Jahre gab es folgende Mittelschulen in Dalmatien: Staatl. Realgymnasium in
Dubrovnik u. Herceg-Novi, Staatl. Gymnasium in Kotor, Realgymnasien in Knin u. Sinj,
Staatl. Gymnasium u. Staatl. Realschule in Split, Staatl. Realschule f. Mädchen in Split, Staatl.
Realschule und z.Zt. mit ihr vereinigtes ehemaliges Gymnasium in Zadar in Sibenik. Kralje-
vina SHS, Almanah 1924-1925, S. 24.
152 In den Jahresberichten der Schule werden genannt: Sivije Alfirevic, Josip Barac, Petar Bulat,
Humbert Girometta, Ante Grgin, Dr. Josip Gugliemi, Ante Ivcic, Ivo Juras, Martin Katunaric,
Dr. Vinko Lozovina, Frano Maroevic, Josip Namar, Don Ante Petravic, Don Ivan Pivcevic,
Marin Rabadan, Dr. Vinko Radatovic, Josip Sasso, Sr. Mladen Skarica, Zvonimir Zlatar.

382
Jugoslavenstvo in der Schule

den sechs Grundschulen Splits (jeweils 4 Klassen mit insgesamt zwischen 168 und 450
Schülerinnen und Schülern pro Schule) sah es nicht anders aus.153
Was hatte sich in den Schulen geändert? Jetzt, im neuen Staat, schlug die Stunde von
jugoslawisch eingestellten Patrioten, wie der Lehrer Silvije Alfirevic einer war. Als
„Präsident“ der „Jugoslovenska Matica“ und des „Lehrervereins“ (Profesorsko
drustvo)154 und Mitglied in vielen anderen patriotisch-jugoslawischen Organisationen
arbeitete er aktiv an der Durchsetzung der Idee des „dreinamigen Volkes“. Auch aus
den Akten der lokalen Schulbehörden wird deutlich, daß der „jugoslawische Nationa­
lismus“ den Schülern bei jeder sich bietenden Gelegenheit nahegebracht werden
sollte.155 Die „Verordnungen über die Arbeit, die Ordnung und den Unterricht“ in
den Schulen atmeten diesen Geist. Sie waren auch schon vor 1929 in Kyrillisch gehal­
ten, mit serbischer Terminologie und lösten die vorherigen k.u.k.-Verordnungen ab.156
Der „national-patriotische Charakter“ wurde vom Unterrichtsministerium durchaus
auch in Aktionen von exklusiv serbischen Vereinen wie dem „Kolo srpskih sestara“
(Kreis der serbischen Schwestern) entdeckt, deren aufklärerische Bemühungen die lo­
kale dalmatinische Verwaltung angewiesen wurde zu unterstützen, doch niemals in
kroatischen Organisationen.157
Auch der Religionsunterricht im neuen Staat bot Anlaß für zahlreiche Konflikte. Trotz
zahlreicher Auflagen staatlicherseits, daß die „religiösen Gefühle“ von der „nationalen
jugoslawischen Schule“ nicht verletzt werden sollten, vielmehr die Kinder „im Geiste
religiöser Toleranz“ zu erziehen seien,158 rief der Religionsunterricht immer wieder
Proteste nicht-serbischer Eltern hervor. Die Eltern von Kindern islamischen und ka-

153 Die Stadt Split hatte ein, für südslawische Verhältnisse, ausgebautes Schulwesen. Dort gab es
eine „Velika Realka“, eine Gractevinska skola (Mittelschule m. Fachrichtung Bautechnik), ein
Mädchen-Gymnasium (Zenska realna Gimnazija), u. Mittelschule f. Mädchen („Zenska grad-
janska skola“), eine Handelsakademie (Trgovacka akademija), Berufsschulen (Obrtnicka
skola, Niza segrtska skola, Srednja Tehnicka skola“, „Muska zanatska“ und „Zenska obrtna
skola,,) und eine „Landwirtschaftsschule“ (Poljoprivredna skola) mit angeschlossenem Heim.
Eine „Musikschule“ (Muzicka skola) und eine private Kunstakademie vervollständigten das
Bildungsangebot in der Stadt. 1928 wurden zwei neue Grundschulgebäude gebaut. Skarica,
Splitski shematizam, S. 55.
154 Darin waren die Gymnsiallehrer organisiert. Das „Udruzenje Jugoslavenskih ucitelja - Povje-
renistvo u Splitu“ war für die Lehrer der übrigen Schulen gedacht; Skarica, Splitski shemati­
zam, S. 72.
155 Veliki zupan splitske oblasti. Odjeljenje trgovine i industrije: Skolski odsjek 1929. BH 3/1,
BH 3/II u. Kraljevsko banska uprava - Split. Prosvjetno odjeljenje. Okruznice Ministarstva
prosvjete Kraljevine Jugoslvije 1934. - 1939. ISV-BH 4/1-VI,. Explizit z.B. in Rundschreiben
Nr. 3774 v. 8.02.1934, Nr. 38333 vom 31.10.1934, Nr. 4303 v. 19.11.34, Nr. 63531 v. 26.11.34
etc.
156 Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Odjeljenje za trgovinu, obrt i indu-
striju. Skolski odsjek. Prijedlog pravilnika za Srednju tehnicku skolu, za Zensku srednju skolu
i dr. 1928.-1931. BH 8/1, Nr. 2829 v. 8.02.1928.
157 Nr. 8990 v. 03.05.1934.
158 Vgl. z.B. Nr. 6965 v. 1.02.1935.

383
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einheitsverständnis

tholischen Glaubens wehrten sich gegen die Bevorzugung der orthodoxen Kirche in
den staatlichen Schulen. So durfte beispielsweise nach Bitte des Heiligen Synod der
Serbisch-orthodoxen Kirche zwischen dem 25. Januar 1935 und 27. Januar 1936 in
allen Schulen das „Jahr des Heiligen Sava“ (Svetosavska godina) begangen werde. Der
Verkauf von „Büchern und Broschüren über den Hl. Sava und Bilder und Medaillen“
wurde erlaubt, die der „Ausschuß zum Begehen des Jahres des Hl. Sava“ herausgab.
„Kinder orthodoxen Glaubens“ durften in den Schulen auch „Spenden für den Bau
eines Tempels des hl. Sava sammeln“.159 Vor allem im stark katholisch geprägten dal­
matinischen Hinterland führte das dazu, daß manche Bauern ihre Kinder nicht mehr
in die Schule schicken wollten. Der „Boykott der Volksschulen durch die Bevölke­
rung“, wie es in einem vertraulichen Bericht an den Banus der Küstenbanschaft hieß,
hatte solche Ausmaße angenommen, daß die „Gemeinde- und Polizeiverwaltungen“
in Dalmatien darauf hingewiesen werden mußten, daß „vor allem aus politischen oder
religiösen Gründen“ in einigen Regionen eine „Bewegung gegen die Volksschulen“
entstanden sei. „Boykott-Maßnahmen“ gegen unliebsame (serbische od. jugoslawisch
eingestellte) Lehrer dürften aber keinesfalls hingenommen werden. Der Unterricht sei
Pflicht und die Strafen für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken, im
Gesetz klar definiert. Besonders gegen die „Rädelsführer“ und „Aufwiegler“ würde
polizeilich vorgegangen werden. Keinesfalls würden Lehrer versetzt, die Eltern von
Schülern nicht paßten. Die „strengsten Maßnahmen“ drohte der Banus der Küsten­
banschaft Jablanovic in seinem Schreiben an.160 Mit allen ihm zur Verfügung stehen­
den Mitteln versuchte der Belgrader Staat seine Auffassung von Integration durchzu­
setzen. Jedes Lehrbuch, das im Unterricht Verwendung finden oder in der Schulbi­
bliothek aufgestellt werden durfte, mußte vom Ministerium genehmigt sein.161 Doch
die Klagen, daß „in vielen Volksschulen Lehrbücher im (katholischen, A. J.) Religions­
unterricht verwendet werden, die vom Unterrichtsministerium überhaupt nicht bewil­
ligt worden“ seien, verstummten nicht über die Jahre.162
Die auch sonst vorgebrachten „Argumente“ für den Gesamtstaat wurde in allen Schul­
typen versucht, Jugendlichen und Heranwachsenden nahezubringen. Anläßlich der
Eröffnung der neuen Spliter Handelsakademie erfuhren die Schüler beispielsweise aus
dem Mund des Bürgermeisters: „Nachdem die weißen Adler, die Blüte unseres Volkes,
die heldenhaften Serben, auf blutigen Schwingen die Freiheit gebracht“ hätten, würde
nun „unsere sich auf alle Felder erstreckende Rückständigkeit in Dalmatien, überwun­
den“ werden. Das „schon baldige Aufblühen des Welthandels, in dem Dalmatien, und
vor allen Dingen Split, eine wichtige Rolle spielen wird“, würde Split zum „wichtig-

159 Nr. 1142 v. 14.01.1935.


160 Kr. banska uprava Primorske banovine - Upravno odelenje II, Pov. II Nr. 11239/36 v.
5.09.1936.
161 Nr. 12082 v. 3.04.1934.
162 Ministarstvo Prosvete Kraljevine Jugoslavije. Odeljenje za narodne skole II Nr. 4878 v.
1.03.1938.

384
Jugoslavenstvo in der Schule

sten Ausgang unseres jungen Staates zum Meer“ machen und die Stadt „im Verkehrs-,
Handels- und industriellen Mittelpunkt Dalmatiens“ würde zwangsläufig zum
„Haupt- und Zentralhafen“ werden. Das würde dann auch bald Wohlstand nach sich
ziehen.163
Jugoslawischer Patriotismus war das Gebot der Stunde. Es verwundert nicht, daß
die schriftlich zu beantwortende Frage im Fach Serbo-Kroatisch 1931 war: „Welche
Wirtschaftszweige haben besonders günstige Entwicklungsbedingungen in der Kü­
stenbanschaft?164 In den Jahresberichten wurden die Schüler aufgerufen, sich in jugo­
slawischen Patriotenvereinen wie der „Jadranska straza“ und dem „Sokol“ zu engagie­
ren, deren Statuten vom Bildungsministerium offiziell gebilligt wurden.165 Vor allem
der Sokol erfuhr jede nur mögliche Unterstützung seitens des Ministeriums. Die Ban-
schafts-Administration in Split bekam die Anordnung, die „patriotischen Aktionen
des Jugoslawischen Sokol wärmstens zu unterstützen“. Beschwerden, die dem Mini­
sterium zu Ohren kamen, daß „es Lehrer gibt, die das Tragen von Sokol-Abzeichen im
Unterricht den Mitgliedern des Falken-Verbandes untersagen“,166 zogen von höchster
Stelle jedesmal Klarstellungen nach sich, daß nicht nur das Tragen der Abzeichen in
der Schule erlaubt, sondern der Verband auch aktiv durch die Lehrerschaft zu unter­
stützen sei.167
Die Jahresberichte der Schulen verzeichneten alle während des Schuljahres stattge­
fundenen jugoslawischen Gedenkfeiern, wie den Vereinigungstag, Tag des hl. Sava
etc.168 Von der obligatorischen Kranzniederlegung am Denkmal des Vereinigungs­
königs, Vereinigungsfeiern,169 zahlreichen „bewegenden und erhebenden patriotischen
Vorträgen“, bis zu den Prüfungsthemen: „Auf der Einigkeit liegt Segen“; „Der in uns
lebende ritterliche König Aleksandar I, der Vereiniger, als Kämpfer für den Frieden
der Welt“; „Serbe, Kroate und Slowene sind zusammen der schönste brüderliche
Kranz“ etc. Immer war es das gleiche Lied.170 Nicht anders liest sich die Liste der
„Schulaufgabenthemen aus dem Fach Serbo-Kroatisch“ für das Mädchengymnasium:

163 Vgl. die Rede v. Ivo Tartaglia, in: Drzavna trgovacka akademija Split, Izvjestaj za skolsku
godinu 1930-1931, Split 1931, S. 8-10.
164 ebenda, S. 79.
165 PAS BH IV Nr. 704 v. 13.01.1934.
166 Schreiben des Verbandes an das Ministerium Nr. 13505 v. 31.10.1936.
167 Vgl. Nr. IV/7670 v. 28.03.1934, Erlasse in den Akten unter Nr. 46553 v. 21.11.1936, Nr. 83480
v. 26.12.1936.
168 ebenda, S. 53ff. Nicht anders sehen die Jahresberichte in anderen dalmatinischen Schulen aus;
z.B. Drzavna realna gimnazija u Sinju, Izvjestaj za skolsku godinu 1927-38.
169 Im Jahresbericht las sich das so: „Die Schuljugend feierte fröhlich und voller Liebe diesen
großen und wichtigen Tag, in dem unser ganzes Volk sein schönstes und höchstes Ziel erreicht
hat, die Vereinigung mit unseren Brüdern vom gleichen Blute in einen mächtigen Staat, dem
ein glückliches und friedliches Leben garantiert ist.“
170 Vgl. Jahresbericht 1934/35, S. 38. Die meisten Eltern der Schüler der Handelsakademie waren
Beamte (67) gefolgt von Handwerkern (19), Händlern (16) und Anwälten (11). Bericht
f. 1935-1936, S. 5f. u. llf.

385
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

Von der „V. Klasse 1.Thema: Es lebe Jugoslawien!“ bis zur „VIII. Klasse, auf kyril­
lisch“: „Warum ist es notwendig, daß sich Abiturienten vor allem in den nationalen
Fächern hervortun“ oder „Worin liegt die Kraft eines Volkes?“171 Mit allen Mitteln
wurde staatlicherseits versucht, den Jugoslawismus in der Schule zu propagieren.
Durchgehend bestätigt die Lektüre der Jahresberichte der Spliter Gymnasien172 und
Mittelschulen173 dieses Bild. Doch alle Vorträge „zur Stärkung des Nationalgefühls
und Vervollständigung der Bildung“, die in den Berichten aufgelistet sind, und der
von den Lehrern propagierte und abgefragte jugoslawische Nationalismus erreichten
ihr Ziel nicht. Die Worte, die im Jahresbericht der Staatlichen Technischen Mittel­
schule der Direktor Josip Guglielmi 1935 an seine Schüler richtete, illustrieren, welche
Blüten der staatliche patriotische Erziehungsauftrag trieb:
„Von der Wiege bis zur Bahre seid ihr verpflichtet nur Jugoslawien und der jugoslawischen
Idee zu dienen. Jugoslawien gehören eure Muskeln und eure Herzen, ihm müssen alle frohen
Stunden und Ideale gehören, eure Bestrebungen und all eure Anstrengungen. (...) Schwört,
daß ihr treue Hüter und Verteidiger der Einheit unseres schönen Landes sein werdet und daß
ihr nicht zulassen werdet, daß gekaufte Seelen den Staat und die Freiheit zugrunde richten,
die mit einem Meer von Blut errungen wurden, daß euch die Rettung und das Wohlergehen
der staatlichen Einheit einziger Leitgedanke und einzige Sorge sein wird, im Bewußtsein, daß
unsere Zukunft nur dann am sichersten sein wird, wenn wir weiterhin auf dem Weg gehen,
auf dem uns König Aleksandar geführt hat: auf dem Weg der nationalen und staatlichen
Einigkeit. (...).174

Doch ab dem Schuljahr 1938/39 brachen auch die Schulen als Bastionen des staatlich
propagierten Jugoslawismus zusammen und schwenkten auf die kroatische Linie ein.
Selbst an der Technischen Mittelschule wehte im Schuljahr 1939/40 ein anderer Wind.
Der neue Direktor, Zvonimir Zlatar, der alte blieb mit 33 Dienstjahren aber noch im
Kollegium, hielt nun keine schwülstigen Jugo-Vorträge mehr, sondern sprach zu sei­
nen Schülern (nicht viel weniger pathetisch) über „Eugen Kvaternik“ (am 11. Okto­
ber), den „Tod der Frankopanen“ (30. April) oder die „Kroatische Enzyklopädie“ (6.
Mai); die unterrichtete Sprache hieß jetzt im Jahresbericht „kroatisch“ und nicht mehr
„serbo-kroatisch“, wie noch im Jahr zuvor.175 Entsprechend lautete das Aufsatzthema
für die Sixta „Split- der Mittelpunkt des dalmatinischen Kroatien“, und von der Septa
sollte „Einfluß des Nationalismus auf unser Volksleben“ untersucht werden.176 Auch
wurde zu Anfang des Schuljahres eine „Reorganisation“ des Jugendverbandes der

171 Izvjestaji drzavne zenske realne gimnazije u Splitu 1929-1939.


172 Izvjestaji Drzavne Klasicne Gimnazije u Splitu, Drzavna Muska realna Gimnazija u Splitu -
Izvjestaji 1929-1939 u. Izvjestaji drzavne zenske realne gimnazije u Splitu 193Off.
173 Izvjestaj Drzavne srednje tehnicke, muske zanatske i zenske zanatske skole u Splitu za
skolsku godinu 1938-39.
174 Izvjestaj 1938/39, S. 6ff.
175 Izvjestaj Drzavne srednje tehnicke, muske zanatske i zenske zanatske skole u Splitu za
skolsku godinu 1939-40, S. 33ff.
176 ebenda, S. 36ff.

386
Jugoslavenstvo in der Schule

„Jadranska straza“ in allen Klassen durchgeführt und eine neue Leitung gewählt. Die
einzige verzeichnete Aktivität der „Jadranska straza“ war das festliche Begehen des
„Tags der Adria“ am 30. Oktober. Die 152 Falken unter den Schülern hatten sich laut
Jahresbericht auf sportliche Übungen beschränkt und jegliche Vortragstätigkeit ihrer
Sektion eingestellt. Das übernahm nun die Organisation „Der kroatische Held“
(Hrvatski junak). Vertrauenslehrer war Zivko Kljakovic, der seit „8 Jahren, 9 Monaten
und 28 Tagen“ im Staatsdienst war, wie der Bericht gleichfalls vermeldete, und neben
dem „geometrischen und räumlichen Zeichnen“, das er unterrichtete, nun offiziell
auch für den kroatischen Patriotismus zuständig war. In seinem Beitrag im Jahresbe­
richt der Schule hieß es: „Um die nationalen, moralischen und sozialen Erziehungs­
ziele zu erreichen, ist die Arbeit in einen kulturellen und einen körperertüchtigenden
Teil geteilt. Die aufklärerischen Zusammenkünfte finden in den Räumlichkeiten des
„Hrvatski junak“ und die Körperertüchtigung in der schuleigenen Turnhalle fast jeden
Abend statt. 70 aktive Mitglieder hatte unser Verband. (...) Während des Schuljahres
haben alle Schülerhelden an allen kulturellen Manifestationen des Hrvatski junak teil­
genommen.“177
Im Schuljahr 1939/40 hieß es auch im Mädchengymnasium von Split sich umstellen,
wenn am 11. Oktober „auf einer Trauer- und Gedenkveranstaltung anläßlich des Jah­
restags von Eugen Kvaterniks Tod“ dieses „idealen Kämpfers für die Freiheit des
kroatischen Volkes" gedacht wurde. Nach der Rede wurde „die kroatische Hymne“
angestimmt und nicht mehr die jugoslawische, die noch im letzten Schuljahr „zur
feierlichen Manifestation der 20. Wiederkehr des großen Vereinigungstages“ am 1.
Dezember gesungen worden war, bevor der Schülerinnenchor das Lied „Jugosla­
wien!“ zur Aufführung gebracht hatte. Nun stand am 10. Februar „zum Todestag
von Dr. Antun Radic, des großen Volksaufklärers und Gelehrten, des heldenhaften
Kämpfers für die nationalen Rechte“ ein Vortrag über dessen „Leben, Persönlichkeit
und wichtigsten Ideen und deren Bedeutung im kroatischen nationalen Leben“ auf
dem Programm. Die Schulaufgaben wurden jetzt auch hier im Fach „kroatische Spra­
che“ geschrieben und die VIII Klasse sollte sich Gedanken machen über „Hat unser
Volk das Recht so zu leben, wie es will?“ oder „Die Eigenschaften unseres Volkes im
Lichte seiner Geschichte und Volkspoesie“ zu erörtern.178 Der Sieg der kroatischen
Option in Dalmatien war offensichtlich. Im folgenden Abschnitt soll gezeigt werden,
wie sich das kroatische Nationsverständnis an der Küste durchsetzte.

177 ebenda, S. 12 u. 43ff.


178 Izvjestaj drzavne zenske realne gimnazije u Splitu za skolsku godinu 1939-40, Split 1940,
S. 12ff.

387
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

4. Die Bauernpartei als Generator kroatischen


Nationsverständnisses an der Küste: Der Sieg
der kroatischen Option

Der „Senator und Minister im Ruhestand“, Grga Andjelinovic, sah in einer Parla­
mentsrede im März 1937 „die Existenz des Staates“ in Gefahr, da die „Staatsgrund­
lage“, der Gedanke der Einheit der Serben, Kroaten und Slowenen als eines jugoslawi­
schen Volkes, „zerfallen“ sei.179 „Wir Kroaten, die wir jugoslawisch orientiert sind“,
klagte er, „haben es nun mit einer schweren Situation zu tun, denn als Nationalisten
und Jugoslawen kommen wir uns seitens der Führung der HSS, die die kroatisch
nationale Volksbewegung und den kroatischen politischen Kampf überhaupt anführt,
aus dem kroatischen Volk ausgeschlossen vor. (...) In Zagreb gelten wir als von Bel­
grad bezahlt. In Belgrad sind wir Exponenten von weiß ich wem; (...) Wir sind Men­
schen ohne Heimat - „vogelfrei“ (im Original auf deutsch).“ Mit ihm fragten sich
wohl alle überzeugten jugoslawischen Nationalisten: „Wie ist es gekommen, daß die
Kroaten, entgegen ihrer jugoslawischen Ideologie, ihrer ganzen Tradition (...) jetzt
auf einmal die vollkommen entgegengesetzte Stellung eingenommen haben und die
nationale Einheit negieren?“ In den Augen von Andjelinovic, was wohl die überwälti­
gende Mehrheit der Kroaten genauso sah, war es „eine Reaktion auf die Politik Bel­
grads“. Die einzige Lösung der verfahrenen Situation sei nun ein „Kompromiß“, eine
„Übereinkunft“ (sporazum) mit der Bauernpartei. Die „Nationalisten, die bei der
Fahne und ihrem Ideal der Volkseinheit treu geblieben sind“, für die der Redner
vorgab zu sprechen, stellten schon lange keine relevante Gruppierung mehr dar.180
Das politische Leben des dalmatinischen Anwalts (und ehemaligen Anwaltspraktikan­
ten Ante Trumbics) Grga Budislav Andjelinovic (1886-1946) spiegelt exemplarisch
den Werdegang derjenigen Intellektuellen, die nach 1918 zum gemeinsamen Staat der
Serben, Kroaten und Slowenen standen. Andjelinovic’ Weg vom Vorsitzenden der
Starcevic-Jugend an der Zagreber Fakultät, vom exklusiven kroatischen Nationalis-

179 Angjelinovic, B. Grga, Za jedinstvo i ravnopravnost. Govor u budzetskoj debati u senatu dne
18. marta 1937. (Für die Einigkeit und Gleichberechtigung. Rede in der Haushaltsdebatte im
Senat am 18.03.1937), Split 1937, S. 3 u. S. 5. Während seines Jurastudiums um die Jahrhun­
dertwende noch Anhänger Starcevics und einer der Initiatoren der „Mlada Hrvatska“ (Junges
Kroatien) vollzog Andjelinovic später dann den Schwenk zum terroristischen Ultrajugosla-
venstvo. Als Obmann für die öffentliche Sicherheit des Volksrates 1918 in Zagreb war er
für die blutige Niederschlagung der Dezemberdemonstration verantwortlich. Ab 1919 in der
Demokratischen Partei. Während der Diktatur war er Minister und Botschafter in Prag und
Wien und er gehörte zu den Mitbegründern der (so gut wie einflußlosen) „Jugoslawisch Na­
tionalen Partei“ (Jugoslovenska nacionalna stranka) in den 30er Jahren.
180 Angjelinovic, S. 25f., S. 11 u. 34.

388
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

mus, dessen Mission die Schaffung einer kroatischen Nation mit orginärer nationaler
Kultur in einem eigenen Staat war, der noch 1918 das Organ der Rechtspartei „Hrvat-
ska drzava“ (Der kroatische Staat) in Zagreb redigierte, und unter dem Eindruck der
Ereignisse am Ende des Weltkrieges integraler Jugoslawe und Mitglied der Demokrati­
schen Partei Pribicevics wurde, steht für die politischen Hoffnungen auf Gestaltungs­
macht nach dem Ersten Weltkrieg von zu k.u.k.-Zeiten so gut wie einflußlosen Oppo­
sitionellen. Andjelinovic wurde für seinen Jugoslawismus belohnt. Während der Dik­
tatur von König Aleksandar war er Minister und Botschafter, von 1935 an Senator. Die
Geschichte seiner Entfremdung von der übergroßen Mehrheit der übrigen kroatischen
Politiker, sein Festhalten am nach dem Weltkrieg angenommenen Jugoslawismus und
die folgende, immer größere, Isolation spiegelt den Niedergang der jugoslawischen
Idee im kroatischen politischen Raum wider.
Alle seine Berufungen anläßlich einer Senatsdebatte 1937 auf zahlreiche frühere „jugo-
slawistische“ Aussagen, ob von Trumbic („Kroaten und Serben sind ihrem Blute und
ihrer Sprache nach ein Volk“) oder anderen kroatischen Politikern, konnten daran
nichts mehr ändern. Selbst seine Erinnerung daran, daß „der verstorbene Radic 1918
für einen „Bundesstaat“ gewesen sei und eine Resolution vorgeschlagen habe, die
lautete: „Das ethnographisch einheitliche, durch geschichtliche, kulturelle und politi­
sche Entwicklung in drei Stämme geteilte Volk der Slowenen, Kroaten und Serben,
schafft auf Grundlage der nationalen Einheit und der nationalen-stammesmäßigen
Gleichberechtigung einen gemeinsamen Bundesstaat auf seinem gesamten ethnogra­
phisch zusammenhängendem Gebiet“,181 überzeugte nach den Erfahrungen der letz­
ten zwei Jahrzehnte die Kroaten nicht mehr vom gemeinsamen Staat. Resigniert muß­
ten die Verfechter integraler Auffassungen feststellen: „Es ist eine Tatsache, daß die
Kroaten in ihrer übergroßen Mehrheit (aufgrund der „engstirnigen Belgrader Politik“)
auf die bestehenden Zustände auf eine Art und Weise reagieren, die die Entwicklung
und Existenz dieses Staates in Frage stellt!“182
Schon ein knappes Jahrzehnt früher war auch von wohlmeindenden jugoslawisch­
orientierten Publizisten aus Dalmatien eindringlich gefordert worden: „Im Staatsappa­
rat muß man sofort aufhören mit der unseligen Praxis, die unserem Volk soviel Böses
zugefügt und soviel böses Blut zwischen den brüderlichen Kroaten und Serben verur­
sacht hat (...) Man kann nicht verneinen, daß in diesem Staat ständig über alle kroati­
schen Wünsche hinweggegangen wurde und wird.“183 Nach dem Attentat auf Radic
im Juni 1928 war selbst den brennendsten Befürwortern eines jugoslawischen Gesamt­
staates klar, daß „der heutige Staatsaufbau (...) nicht weiter Bestand haben“ konnte.184
Nicht einmal ein Jahrzehnt nach der umjubelten Vereinigung war jede Begeisterung

181 ebenda, S. 5. Dieses war durchaus in Übereinstimmung mit dem Vorkriegsprogramm der Bau­
ernpartei, in dem es hieß: „Kroaten und Serben sind ein Volk“.
182 ebenda, S. 10.
183 Vgl. Sto sada? (Was nun?), in: Novo doba v. 23.06.1928, S. 1.
184 Novo doba v. 26.08.1928, S. 1.

389
Vom ,integral-jugoslawischen‘ Einheitsverständnis

für diesen Staat in Dalmatien erloschen. Jeder Enthusiasmus für Jugoslawien war,
wie sich zeigen sollte, endgültig verflogen. Da halfen auch keine „Anthologien des
jugoslawischen Gedankens und der Volkseinheit“ mehr, die von gelehrten Professoren
verfaßt wurden und nachzuweisen trachteten, daß sich seit 1390 eigentlich alle Südsla­
wen einen zentralistischen Obrigkeitsstaat gewünscht hatten, mit einem serbischen
König als unumschränktem Herrscher an der Spitze, um die „Stammes-Nationalismen
in einen neuen jugoslawischen Nationalismus einzuschmelzen“.185
Dieses Vorhaben schlug so gründlich fehl, daß sich in Folge zahlreiche Intellektuelle, die
sich für einen gemeinsamen Staat der Südslawen eingesetzt hatten, von diesem abwand­
ten. Ob Ante Trumbic oder Ante Tresic Pavicic: bei vielen dalmatinischen Politikern ließ
sich dieselbe Entwicklung verfolgen. So war auch der Spliter Dichter und Politiker Tre­
sic zuerst Anhänger der staatsrechtlichen Ideen von Ante Starcevic. Nach dem für Ser­
bien siegreichen Balkankrieg und bis zum Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst
des nach 1918 gegründeten Staates (dessen einziger kroatischer Botschafter er war) ver­
trat er unitaristisch-jugoslawische Standpunkte. Ende der Zwanziger Jahre zog er sich
aus dem politischen und öffentlichen Leben zurück. Schließlich kehrte er wieder zu sei­
nen anfänglichen Positionen zurück, kritisierte die „serbische Hegemonie im Staat“ und
kämpfte für die Verwirklichung der Ideen des kroatischen Staatsrechts.186
Zensur und Schikanen aus Belgrad trafen nach Einführung der Diktatur auch ehemals
fanatisch überzeugte Jugoslawen wie Oskar Tartaglia.187 In den Worten Tresics hatte
sich Belgrad „als anders herausgestellt, als ich es mir vorgestellt hatte. Es wurde nicht zur
Hauptstadt Jugoslawiens, sondern möchte Hauptstadt Groß-Serbiens sein, (...) unsere
nationale Einheit war noch nie so gefährdet, nie war der Haß zwischen Serben und
Kroaten so tief und gefährlich“.188 In einem Brief an die Spliter Gemeindeverwaltung
vom 8. Oktober 1932,189 in dem er es ablehnte, an der 50-Jahr-Feier zum Gedenken an

185 Prof. Dr. Viktor Novak: Antologija jugoslovenske misli i narodnog jedinstva 1390-1930 (An­
thologie des jug. Gedankens und der nationalen Einheit 1390-1930), Beograd 1930, im Vor­
wort S. LXV. Bis zum Zusammenbruch des Königreiches wurde eine Vielzahl solcher Werke
verlegt. Die offiziöse Gedenkliteratur zum 20-jährigen Bestehen des Königreichs Jugoslawien,
also 1938, bemühte sich nach Kräften den Aufschwung auf allen Lebensgebieten auszumalen,
den das Land v. a. nach Einführung der Diktatur genommen hätte.
186 Vgl. Arhiv Dr. Ante Tresic Pavicic (B ATP) im PAS Briefe, Reden-, Artikelentwürfe in seinem
Nachlaß; Endpunkt seiner politischen Entwicklung ist ablesbar in seinen Brief an Zelimir
Mazuranic v. 20.11.40, in dem er sein Kroatentum betont; vgl. auch Galic, Maja, Hrvatske
prilike u dopisivanju Ante Tresica Pavicica (Die kroatischen Verhältnisse in der Koresspon-
denz von ATP), Split 1995, die Teile seines Briefwechsels bis 1908 veröffentlicht hat u. den
Sammelband eines Kolloquiums über den Dichter v. 15.11.1993, Zbornik, Split 1995.
187 ATP Brief Oskar Tartaglias v. 10.01.1931.
188 Tresic Pavicic, Ante, Buducnost juznih Slavena (Die Zukunft der Südslawen), Zagreb 1928,
S. lllff.
189 Vgl. Brief Josip Smodlakas an Dujam Mikacic v. 10.10.1932 neben beigelegtem Brief an die
Gemeindeverwaltung in Split vom 8.10.1932 im Familienarchiv Mikacic, hier. zit. nach Kort-
sek, S. 18.

390
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

die Übernahme durch die „Narodna stranka“ teilzunehmen, weil der Festakt durch eine
kommissarische Verwaltung ausgerichtet wurde, schrieb Josip Smodlaka: „Aus dieser na­
tionalen Festung (gemeint war die Spliter Verwaltung, A. J.) ist volle 30 Jahre lang an unse­
ren Ufern das Terrain für die Befreiung und Vereinigung der Jugoslawen vorbereitet wor­
den“; so hätte die Spliter Gemeinde „als einzige in ganz Österreich unmittelbar vor dem
Ersten Weltkrieg gewagt, eine ihrer Hauptstraßen nicht nur nach Zagreb, sondern sogar
nach Belgrad zu benennen. Und das zu einer Zeit, „als für Belgrad zu sein nicht bedeutet
hat, alles zu bekommen, sondern alles zu verlieren.“190 Auch aus seinen Worten sprach
tiefe Enttäuschung angesichts der politischen Bedingungen im jugoslawischen Staat.
Das Experiment Jugoslawien war gescheitert. Die Probleme Dalmatiens waren diesel­
ben geblieben. Was hatte sich gebessert, nur weil man nun Teil eines jugoslawischen Staa­
tes geworden war? Wegen eines regenarmen Jahres stand wieder, wie die Zeitungen
schrieben, „Die Hungerfrage vor dem Regionalparlament“191 an. Für die Menschen in
der Zagora, auf den Inseln und in den Küstendörfern hatte sich nichts geändert. Als Bi­
lanz läßt sich festhalten, daß man während der Zwischenkriegszeit auch in Dalmatien,
einer wie auch immer gearteten „jugoslawischen Synthese“ keinen Schritt näher gekom­
men war. Ganz im Gegenteil. Es wurde offensichtlich, daß Serben, Kroaten und Slowe­
nen „were three seperate nations, which were not ready to sacrifice a millenium of hi-
story and tradition for the Yugoslav concept, which was nebulous at best and which was
not understood by the overwhelming majority of the citizenry.“192 Vielmehr hatten sich
im Gegenzug die jeweiligen kroatischen, slowenischen und serbischen nationalen Iden­
titäten gefestigt.
Lange vor dem politischen Bruch war es schon deutlich geworden, daß in den mehrheit­
lich kroatischen Gebieten neben den offiziell propagierten Einheitsideen eine andere,
eigene Identitätsmatrix existierte.193 Dies verdeutlichte der öffentliche Diskurs, wie er
sich z. B. rekonstruieren läßt in den Debatten um die Errichtung von Denkmälern.
Aufstellung und Einweihung von Denkmälern waren und sind eminent ideologische
und (zumindest ihrer Intention nach) gemeinschaftsstabilisierende Veranstaltungen.194
Gemeinsames Bewußtsein muß sichtbar und erfahrbar sein, muß eingeübt, bestätigt
und stimuliert werden. Das Medium, das diese Voraussetzungen in idealer Weise er­
füllt, ist das Denkmal. Es ist Träger erinnerter Geschichte und beschworener Nation.
Denkmäler verweisen auf den zu Legitimationszwecken der Gegenwart beschworenen
historischen Kontext. Das Geschichtsbild einer nationalen oder nationsähnlichen
Gruppe stellt selbst ein wesentliches Element des Nationalismus dar.195 Die „soziale

190 Mikacic, Dujam, Narodna pobjeda u Splitu. Rede in Novo doba Nr. 259-262/1922.
191 Novo doba v. 11.12.1928, S. 3.
192 Jelavich, Education, Textbooks, S. 139.
193 Vgl. z.B. Znameniti i zasluzni Hrvati te pomena vrijedna lica u hrvatskoj povijesti od 925-
1925 (Berühmte u. verdiente Kroaten und erinnerungswerte Personen der kroatischen Ge­
schichte 925-1925), Zagreb 1925.
194 Vgl. die Einweihung des Denkmals f. Marko Marulic (1925) u. Grgur Ninski (1929) in Split.
195 Lemberg, Eugen, Nationalismus, Bd. I, S. 13.

391
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

Praxis“ der Nation verkörperte sich in den Denkmälern. Sieht man sich nun aber
z.B. die Denkmalseinweihungen in Split jener Jahre an, wird deutlich, wie wenig von
gemeinsamen Identifikationssymbolen, allen oben dargestellten slawischen Theorien
zum Trotz, die Rede sein konnte. An zwei Beispielen sei das kurz ausgeführt: Zwar
wurden die aus Belgrad angereisten Politiker und Vertreter des Königshauses anläßlich
der Denkmaleinweihung des Gregor von Nin in Split, das vom Bildhauer Ivan Me-
strovic geschaffen war, der „patriotischen nationalen Gefühle des jugoslawischen Kü­
stenlandes“ versichert. Und auch bei dieser Gelegenheit wurde wieder einmal die
„große Zukunft“ der Stadt beschworen.196 Doch es gelang den Propagandisten des
Gesamtstaates in keinem Fall, mit eindeutig und ausschließlich jugoslawischen Identi­
fikationsangeboten den öffentlichen Diskurs zu prägen. Viel kroatische Gelehrsamkeit
wurde nämlich darauf verwendet, die eigene tausendjährige Geschichte der Kroaten
ins Bewußtsein der Leser zu heben.197 Die 1929 auf dem „Peristil“, direkt vor dem
Glockenturm des Domes, inmitten des Diokletianspalastes in Split aufgestellte riesige
Statue des Bischofs von Nin konnte daher, je nach Standpunkt des historisch gebilde­
ten Betrachters, zum Kronzeugen aus dem 10. Jahrhundert für das unbeugsame Sla­
wen- oder Kroatentum erklärt werden. Bei der Frage nach dem Standort des monu­
mentalen Denkmals198 versicherten auch die Freunde des antiken Erbes ihr vollstes
Verständnis für die „starke geistige Bewegung, die der zeitgenössische Nationalismus“
darstelle.199 Welchen „Nationalismus“ sie damit meinten, blieb aber unklar. Zweideu­
tig konnte die „nationale Idee in Split und Dalmatien“ eben gleichzeitig kroatisch
oder jugoslawisch ausgelegt werden: Aus den zeitgenössischen Broschüren war zu
erfahren, daß das Denkmal des „episcopus Chroatorum“ aufgestellt werden sollte „zu
Ehren der 1000-Jahr-Feier des kroatischen Königreichs 1925“, um „jeden Besucher
Splits daran zu erinnern, daß wir schon seit mehr als 1000 Jahren hier sind, unter den
Fittichen unseres unabhängigen nationalen Staates (nezavisne nacionalne drzave).200

196 Ivanisevic, Frano, Pobjeda glagolice kroz dsucljetnu borbu (Der Sieg der Glagolica im
1000jährigen Kampf). Izdala Jugoslavenska matica prigodom podignuca spomenika Grguru
Ninskom, Split 1929, S. 74f.
197 Jugoslavenska Akademija Znanosti i Umjetnosti (Hg.), Zbornik Kralja Tomislava u spornen
tisucugodisnjice hrvatskog kraljevstva (Sammelband „König Tomislav“ im Andenken an das
1000jährige Jubiläum des kroatischen Königreichs), Zagreb 1925.
198 Alle Proteste von Konservatoren und Denkmalschützern, daß eine bronzene Kolossalfigur
schlecht in das Ambiente vor das als Kathedrale genutzte antike Diokletians-Mausoleum passe,
konnten sich gegen den nationalen Überschwang nicht durchsetzten; vgl. die Schrift des damali­
gen „Haupt-Konservators für Dalmatien“: Karaman, Ljubo, O Grguru Ninskom i Mestrovi-
cevu spomeniku u Splitu (Über Gregor von Nin und Mestrovics Denkmal in Split), Split 1929.
(Abgedruckt auch in: Karaman, Ljubo, Odabrana djela, Split 1986, S. 643-677.) 1941 demon­
tierten die italienischen Besatzer aus politischen, nicht ästhetischen, Gründen das Standbild.
Nach dem Krieg wurde es außerhalb der Mauern des Diokletianspalastes wieder aufgestellt.
199 Karaman, S. 670.
200 ebenda, S. 644; vgl. auch Perojevic, Marko, Hiljadugodisnjica hrvatskoga kraljevstva (g. 925.-
1925.) (Das tausendjährige Jubiläum des kroatischen Königreiches 925-1925), Split 1925.

392
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

Damit konnte also nicht der 1918 geschaffene Staat gemeint sein. Bei der Würdigung
der im 19. Jahrhundert von kroatischen Historikern erkannten nationalen Verdienste
Gregors im frühen Mittelalter, die u. a. in seiner Verteidigung der slawisch-glagoliti­
schen Liturgie gegenüber dem Verdikt Roms, nur das Lateinische als Kirchensprache
zu benutzen, bestanden haben soll, blieb es nicht. Man müsse „immer vor Augen“
haben, daß die „kroatischen Herrscher (...) durch mehrere Jahrhunderte hindurch (...)
die Kroaten in den Kreis der aufgeklärten Völker Europas“ geführt hätten, was ihr
bleibender Verdienst gewesen sei.201 Wenn Split als „Mutterzelle des kroatischen Staa­
tes'“ gefeiert wurde, wo sich „der jahrhundertelange Kampf und schließlich der endgül­
tige Sieg unseres nationalen Elements an den östlichen Ufern der Adria, der Sieg des
Kroatentums“ am Besten erkennen lasse, und der Verfasser mit der Bekräftigung
schloß, daß Split „für immer kroatisch bleiben“ würde,202 wird erkennbar, daß hier
Versatzstücke eines exklusiv kroatischen Nationsverständnisses in Anschlag gebracht
wurden, die bei Bedarf zu einem ideologischen Gegenentwurf geeignet waren.203
Wohl nicht zufällig wurde dagegen das geforderte eindeutig jugoslawische „national­
symbolische Mahn - und Denkmal“ für den in Marseille erschossenen König in Split
nie realisiert.204 Und das, obwohl die „entscheidende Wichtigkeit“ und „die ungeheure
nationale Bedeutung“ bei jeder Gelegenheit von den Verfechtern der jugoslawischen
Integration hervorgehoben wurde.205

201 ebenda, S. 660.


202 Bulic, Ivan, Pabirci po Marulicevoj oporuci, in: Dvije raspravice prigodom otkrica Maruliceva
spomenika dne 26. srpnja 1925. (Nachlese von Marulic’Testament, in: Zwei kleine Beiträge
anläßlich der Enthüllung von Marulics Denkmal am 26. Juli 1925), Split 1925, S. 4 u. S. 15.
203 Während der gesamten Zwischenkriegszeit ließ das Interesse der „genetischen Schule“ der
kroatischen Historiographie am Mittelalter und der mittelalterlichen Staatsbildung bei Serben
und Kroaten nicht nach. Der Gründer und bekannteste Vertreter dieser Richtung, Ferdo Sisic,
wurde einer der entschiedensten intellektuellen Verfechter des „jugoslavenstvo“, im Sinne der
Zustimmung zur staatlich propagierten Unitarismus. Doch der Gegenentwurf, auch auf dem
Gebiet der akademischen Geschichtsschreibung, warb gleichzeitig mit seinen Synthesen um
eine andere, eine in die eigene, kroatische Staatlichkeit mündende Lesart (z.B. Katic, L., Pre-
gled povijesti Hrvata, Zagreb 1938; Horvat, Josip, Kultura Hrvata kroz 1000 godina, 2 Bde.,
Zagreb 1939 u. 1942; Dabinovic, Antun, Hrvatska drzavna i pravna povijest, Zagreb 1940).
Vgl. den Eintrag „historiografija“, in: Hrvatski leksikon, I. svezak A-K, Zagreb 1996, S. 442f.
Doch vergebens sucht man in diesem „kroatischen nationalen Lexikon“, von dem es im Vor­
wort heißt, daß es „nach Anzahl der Mitarbeiter, das größte wissenschaftlich-kulturelle und
herausgeberische Projekt“ des Landes ist, einen Eintrag „jugoslavenstvo“.
204 Vgl. Tusek, S. 84f. u. Artikel in „Novo doba“ v. 23.11.1934, 27.07., 17.08., 19.11., 7.12.,
9.12.1935 sowie „Jadranski svjetionik u spornen Kralja Ujedinitelja“ (Ein Adria-Leuchtturm
in Erinnerung an den Vereinigungskönig), in: Jadranska straza, Nr. 11/1935, S. 443f. u. 470;
Kraljev svjetionik. Svecano otkrice spomen-svjetionika Kralju Ujedinitelju u Splitu 8.12.1935.,
in: Jadranska straza, Nr. 1/1936, S. 2-8.
205 Senjanovic, Petar, Studija ing. P. Senjanovica uz arhitektonsku saradnju arh. ing. J. Picmana
za situiranje nacionalnog spomenuka i nove Banovinske palace u Splitu, Split 1935, S. 15.

393
Vom ,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

In allen Segmenten des gesellschaftlichen Lebens war das Hervorheben kroatischer


Eigenheiten zu beobachten. Sogar die in den Augen aller Unitaristen fraglose Identität
der Sprache, die sowohl Serben als auch Kroaten benutzten, wurde in Zweifel gezo­
gen. Mehr noch: gerade die Sprache wurde immer mehr zu einem der Angelpunkte des
Kampfes gegen den „Unitarismus“.206 Nicht einmal dieses scheinbar so „objektive“
gemeinsame Merkmal wollten nationalbewußte Kroaten gelten lassen. Wiewohl es
auch hier zunächst Dalmatiner waren, die nach 1918 bei dem Versuch der sprachlichen
Vereinheitlichung beteiligt gewesen waren. 1919 nahm der von der Insel Vrgada (süd­
lich von Biograd bei Zadar) stammende Psychologe, Linguist, Kritiker, Übersetzer
und Literat Blaz Jurisic einen Vorschlag von Nikola Andric vom „Drustvo hrvatskih
knjizevnika“ (Kroatischer Schriftstellerverband) auf, der die Vereinheitlichung der von
Serben und Kroaten gesprochenen Sprachvarianten und die Übernahme der in Serbien
verwandten ekavischen Variante durch die Kroaten zum Inhalt hatte.207 Der Versuch
der Durchführung einer „serbisch-kroatischen einheitlichen Rechtschreibung“ wurde
dann nach Ausrufung der Diktatur unternommen. Unter dem Bildungsminister Boza
Maksimovic sollte die Reform mit dem neuen Schuljahr 1929/30 eingeführt werden.
Allen pompösen Ankündigung zum Trotz verlief sie aber im Sande. Obwohl doch
schon seit 1882 in Zagreb „definitiv“ die Rechtschreibregeln Vuk Stefanovic Karadzics
Geltung haben sollten, beklagte das Bildungsministerium in Belgrad auch während
der unitaristischen Hochphase noch „große Unterschiede in unseren einzelnen Lan­
desteilen“. Leider hätten die zwei Alphabete und die „zwei literarischen Aussprach­
evarianten“ in „unserem Volk“ und dessen Literatur „Wurzeln geschlagen“. Doch von
manch alter Gewohnheit gelte es, Abschied zu nehmen. Es sei „nötig, daß sich jeder
Bürger unseres Landes an die neue Zeit“ gewöhne, meinte der Minister. Eine Kommis­
sion von hervorragenden Gelehrten solle nun die Vereinheitlichung schaffen, was
„eine Etappe in der Entwicklung unserer kulturellen Einheit“ darstellen würde.208
Doch die von oben verordnete Variante wurde von den Kroaten nicht angenommen.
Daß es bei einem „gegensätzlichen und unversöhnlichen sprachlichen Selbstverständ­
nis bei den Serben und bei den Kroaten“ blieb, ist und war sicher keine nur linguisti­
sche Feststellung.209 Die Beobachtung eines Philologen, daß „spätestens“ nach 1918

206 Janigro, Nicole, Die Schlacht der Sprachen. „Falsche Akzente“ und die neuen serbokroati­
schen Wörterbücher, in: Sonderheft „Hommage ä Sarajevo“ Lettre International 31/1995,
S. 83-84.
207 Vgl. Nikola Andic: „Jedan narod treba i jednu knizevnost da ima“ (Ein Volk muß auch eine
Literatur haben), in: Savremenik, 14/1919, S. 305-309.
208 Anordnung des Ministarstvo prosvjete Nr. 15149, hier zit. nach Novo doba v. 26.08.1929,
S. 4.
209 Vgl. Katicic, Radoslav, Serbokroatische Sprache - Serbisch-kroatischer Sprachenstreit, in:
Lauer, Reinhard u. Lehfeldt, Werner (Hg.), Das jugoslawische Desaster. Historische, sprachli­
che und ideologische Hintergründe, Wiesbaden 1995, S. 23-79, hier S. 56. Dort auch zahlrei­
che weiterführende Literaturangaben zum „Sprachenstreit“. Vgl. auch Banac, Ivo, Main
Trends in the Croat Language Question, in: Picchi, R./Goldblatt, H. (Hg.), Aspects of the
Slavic Language Question, New Haven Yale 1984, S. 235-240.

394
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

Kroatisch „als eigene, von der serbischen verschiedene Sprache empfunden wurde“
und daß der „sich allmählich steigernde Druck in Richtung auf standardsprachliche
und terminologische Unifizierung (...) nur zur Verfestigung dieser Einstellung beige­
tragen“ hat,210 deckt sich voll und ganz mit zahlreichen Zeugnissen aus den zeitgenös­
sischen publizistischen Quellen. Die „große Mehrheit der gebildeten und weniger
gebildeten Kroaten empfand, daß sie eine eigene kroatische Schriftsprache besaß“ und
sah genau darin einen Teil ihrer „nationalen Identität“.211 Dabei hatte die Schaffung
eines gemeinsamen neu-stokavischen Standards seinerzeit am Beginn des Prozesses
der Konstruktion einer modernen nationalen Identität gestanden.
Das Medium der Sprache, ein gemeinsames Kommunikationsmittel aller Südslawen,
hatte doch seinerzeit den Vorkämpfern der nationalen Bewegung als Basis eines zu
schaffenden gemeinsamen Staates gegolten. Und tatsächlich wurden die Lesesäle zu
Geburtsstätten des politischen Diskurses in Dalmatien. Seit den Zeiten der „slavjanska
citaonica“, des „slawischen Lesesaals“, die seit September 1861 Treffpunkt der „na-
rodnjaci“ in Split gewesen war, waren Lesegesellschaften Generatoren der „nationalen
Wiedergeburt“ in Dalmatien und Keimzellen des „nationalen Gedankens“.212 Das Be­
wußtsein jedenfalls, daß die „Slawen aus Dalmatien und jene aus Kroatien, weil sie
die gleiche Bildungssprache (ucen jezik) sprechen, alle demselben Volke angehö­
ren“,213 setzte sich bei den Gebildeten in Dalmatien im zweiten Drittel des 19. Jahr­
hunderts vollständig durch.
Über Rolle und Funktion der zahlreichen „Lesesäle“ und Vereinigungen, die erst „sla­
wische“, dann „kroatische Eintracht“ hießen und die im Zuge der „nationalen Wieder-

210 Vgl. Katicic, S. 59. „Wenn das Kroatische von serbischer Seite unter Druck stand, und daß
dies der Fall war, mußte jeder empfinden, dann konnte es eben nicht dieselbe Sprache wie
das Serbische sein. So wurden die aktivsten und aggressivsten Verfechter der schriftsprach­
lichen Einheit von Serben und Kroaten zu Kronzeugen für deren schriftsprachliche Verschie­
denheit.“
211 ebenda, S. 60; Ivsic, Stjepan, Hrvatski knjizevni jezik (Die kroatische Literatur/Hochsprache),
in: Hrvatski jezik Nr. 2-3, S. 33-39, Zagreb 1938; Guberina, Petar/Krstic, Kruno, Razlike
izmedu hrvatskoga i srpskoga knjizevnog jezika (Die Unterschiede in der kroat. u. serb.
Literatur/Hochsprache), Zagreb 1940. Theorien aber, wie die von Vlatko Perkovic vertreten
werden (S. 22ff.), scheinen zweifelhaft. Die lexikalische, grammatische und syntaktische Un­
einheitlichkeit, die er z.B. bei dem „jugoslawisch“ eingestellten Dichter und Intendanten des
Spliter Theaters Bartulovic bemerkt, hält er für den Ausdruck der „konsequent durchgeführ­
ten Methode des Regimes, eine allgemeine sprachliche Verwirrung und Ununterscheidbarkeit
des spezifischen serbischen und kroatischen Standards herbeizuführen“. Die „absichtsvolle
Destruktion der kroatischen Sprache“ mit dem Endziel der „Zerstörung des kroatischen We­
sens“ und der „definitiven Verwendung der serbischen Sprache“, also die sprachlich-kulturelle
Assimilierung, sei das Endziel dieser Politik gewesen.
212 Zu den ersten Gesellschaften dieser Art 1838 in Varazdin und Karlovac vgl. Kessler, W.,
Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des 19. Jahr­
hunderts, München 1981, S. 183ff.
213 Natko Nodilo, in: „II Nazionale“ Nr. 22 v. 14. Mai 1862.

395
Vom ,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

gebürt“ in Dalmatien in jedem größeren Ort gegründet wurden, liegen erste Studien
vor.214 Ob in Orebic auf der Halbinsel Peljesac in Süddalmatien oder in Split: die
anfangs sehr wenigen „Patrioten, welche die slawische Sprache lieben“, bemühten sich,
allerorten „Volkslesesäle“ zu eröffnen.215 Doch offensichtlich erwarben solche Klubs
und Vereinigungen erst mit der Organisation von Tanzveranstaltungen, Laientheater
u. ä. eine gewisse Popularität. Polkatänze waren zum Kummer der ernsthaften Patrio­
ten, aber auch des katholischen Priesters im Ort, deutlich beliebter bei der Jugend
als slawische Verbrüderungsreden. Rezitationsveranstaltungen, bei denen „die als Fee
gekleidete Mare Iva“ das (durchaus ernst gemeinte) Gedicht „Ich bin eine junge Kroa­
tin“ zum Vortrag brachte, oder satirische Karnevalsreden waren als Freizeitangebote
beliebt und den k.u.k.-Ordnungshütern ein Dorn im Auge.216 Schon in der Namens­
gebung der Vereine, der Fahne und der Bezeichnung der Sprache, der „die Liebe und
Achtung der Vereinsmitglieder“ gelten sollte, sind die Entwicklungen des serbisch­
kroatischen Verhältnisses an der Küste ablesbar. Von „slawisch“ über „kroatisch“ über
„serbo-kroatisch“ und „jugoslawisch“ und wieder zurück zu „kroatisch“ änderten
sich die Vereinsstatuten zwischen 1880 bis zu den 1930ern.217
Gleichfalls ablesen läßt sich diese Entwicklung an den Zeitungs- und Zeitschriften-
Abonnements der Lesegesellschaften. Neben den obligatorischen Tageszeitungen wie
„Novo doba“ aus Split und der Belgrader „Politika“, finden sich beispielsweise 1926-
27 in der Lesegesellschaft in Orebic, die zu jener Zeit nur „Sloga“ (Eintracht) hieß,
noch die unitaristische Orjuna-Zeitung „Pobeda“, sowie die gleichfalls die Idee des
„dreinamigen Volkes“ propagierenden Zeitungen „Jadranska straza“ oder „Rijec“.218
Oft war die Lesegesellschaft konkurrenzlos als Kulturorganisation und Versamm­
lungsraum am Ort. Nicht selten war auch der örtliche Priester Mitglied, obwohl der
„katholische Geist“ oft von den Geistlichen vermißt wurde.219

214 Fiskovic, Cvito, Citaonice i kulturna drustva na Peljescu u XIX i pocetkom XX. stoljeca (=
Izdanje Historijskog Arhiva u Splitu, sv. 9), (Lese- u. Kulturgesellschaften auf Peljesac im 19.
u. 20. Jh.) Split 1977, S. 5-55; ders., Citaonice na Peljescu u XIX i pocetkom XX stoljeca, (=
ebenda Bd. 10), Split 1980, S. 203-277.
215 Vgl. Archiv der Familie Sunj-Vekaric aus Orebic 1880, deren ital. geführte Korrespondenz
Fiskovic (S. 204ff.) zusammen mit Auszügen der Archive der Lesegesellschaften aus Orebic,
Viganj und Potomje publiziert hat.
216 ebenda, S. 213f.
217 In Orebic schrieb der Lehrer Vekaric: „Nach dem Ersten Weltkrieg hatte eine Welle des
Jugoslawismus ganz Dalmatien erfaßt, so dachten die Mitglieder der Lesegesellschaft zu jener
Zeit, daß es praktischer sei, wenn der Lesesaal nur „Sloga“ (Eintracht) heiße, da doch das
Volk auch diesen Namen gebraucht. (...) Als nun die Welle des Macekismus, des Anti-Jugosla-
wismus und des Seperatismus kam, worüber sich auch unsere Kommunisten in der Gemeinde
gefreut haben, änderte der Verein, auf ihren Vorschlag hin, den Namen in „Hrvatska Sloga“,
und schloß mich als jugoslawischen Nationalisten aus, obwohl ich dem Verein als Mitglied
seit 1903 angehört hatte.“ M. S. Vekaric: Slicice iz orebickog zivota, XVIII, III, handschr.
Manuskript ASO, hier zit. nach Fiskovic, S. 236.
218 ebenda, S. 228f.

396
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

Das Protokoll der Sitzung der Vereinsleitung der Lesegesellschaft in Viganj vom 11.
April 1925 beispielsweise verzeichnete die Bemühungen des Vereins, die „nationale
Idee“ und „gutes Christentum“ zu vereinen.220 Doch das „Jugoslawische Haus“ im
Dorf war dem katholischen Priester auch aus nationalen Gründen ein Dorn im Auge.
Erst der erzielte Kompromiß, daß an Staatsfeiertagen auf dem Haus die jugoslawische
und an Weihnachten die kroatische Fahne wehen sollte, schuf ein besseres Klima zwi­
schen Kirche und Lesegesellschaft. Mit der Aufstellung einer Gedächtnistafel zu Ehren
der 1000-Jahr-Feier des kroatischen Königreiches unter Tomislav 1926 wurde dann
ein Weg eingeschlagen, der bei der Jahresversammlung 1936 formell beendet war:
„Nicht nur auf dem Vereinshaus, sondern im ganzen Dorf sollten kroatische Fahnen
wehen“, wogegen nur noch neun Mitglieder etwas einzuwenden hatten. Ab 1938 sollte
„immer“ die kroatische Fahne auf dem Dach des in der Zwischenzeit längst umbe­
nannten „Kroatischen Hauses“ wehen.221
Die Entwicklung in Orebic steht für die Entwicklung in Dalmatien. Die spätestens
seit den 30er Jahren fraglose „nationale Identität“ der Kroaten formte keine andere
Kraft in der Zwischenkriegszeit stärker als die Kroatische Bauernpartei. Es gelang ihr,
nicht nur in Dalmatien das kroatische Nationalgefühl zu mobilisieren. Selbst unter
den zahlreichen Emigranten aus Dalmatien in den Vereinigten Staaten, die 1918 in
ihrer großen Mehrheit die Vereinigung mit dem Königreich Serbien unterstützt hatten,
war es in den Zwanziger Jahren zu einem Bewußtseinswandel gekommen.222 Immer
deutlicher wurde artikuliert, daß Kroaten und Serben zwei verschiedene Völker, mit
völlig unterschiedlichen Interessen seien. Allein in den USA erschienen zwischen 1900
und 1940 227 verschiedene Zeitungen und Zeitschriften der kroatischen Einwande­
rer.223 Aufgrund der Analyse der Emigrantenzeitungen kommt Nada Hranilovic zum
219 Vgl. die Eintragungen des Pfarrers in der Chronik der Gemeinde Viganj, hier nach Fiskovic,
S. 251f.
220 Tatsächlich zeugen manche im Protokoll festgehaltenen Beschlüsse davon, die „unmoralischen
Tänze, wie den Quickstep“ nicht zuzulassen (Protokoll v. 2.1.1927) u. vom ständigen Kampf
der Vereinsführung um züchtiges Betragen des Nachwuchses.
221 Vgl. die Protokolle bei Fiskovic, S. 260.
222 Vgl. PAS ATP Briefe von Emigranten an den Botschafter Tresic Nr. 1295/25 v. 10.4.1925 u.
v. 25.2.1927 („Unser hiesiger Konsul Jovanovic (ein Großserbe ansonsten)“ schrieb F. Akacic,
Redakteur von ,The Nation - The First and Largest Jugoslav Weekly on the Pacific coast“,
„macht weiter wie bisher. Belgrad wird uns immer verhaßter“. „Unsere Regierung scheint
alles zu tun, um das bißchen Ansehen, das sie noch besitzt, unter den Emigranten auch noch
kaputtzuschlagen.)
223 Zur Emigration allg. Govorchin, Gerald, Americans from Yugoslavia, Gainsseville (University
of Florida Press) 1961; Holjevac, Veceslav, Hrvati izvan domovine (Kroaten außerhalb der
Heimat), Zagreb 1967; Lupi-Vukic, Ivo, O iseljavanju naseg nroda i o Americi (Uber die
Auswanderung unseres Volkes und über Amerika), Zadar 1910; ders., Medju nasim narodom
u Americi (Unter unseren Leuten in Amerika), Split 1929; Prpic, George, The Croatian Immi-
grants in America, New York 1971; ders., The Croatian Publication abroad before 1939,
Cleveland 1960; Meier, Vjekoslav, Hrvati u Americi. Prilog povijesti americkih Hrvata, Chi­
cago 1927; Cizmic, Ivan, Jugoslavenski iseljenicki pokret u SAD i stvaranje jugoslavenske

397
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

Schluß, daß dieses Zeitungswesen „bis 1940 am meisten zum Erwachen und zur Be­
wahrung des kroatischen (Hervorh. A. J.) nationalen Bewußtseins beigetragen“
habe.224 Die kroatische Kommunikationsgemeinschaft, die sich über die Ozeane er­
streckte, etablierte einen nicht-jugoslawistischen Konsens. Welches Phänomen lag dem
zugrunde?
Der kroatische Geograph Stjepan Ratkovic hatte 1935 postuliert, daß Völker eine
„geistige Gemeinschaft“ von Menschen darstellen, für die eine gemeinsame Abstam­
mung keineswegs konstitutiv sei, vielmehr die Existenz einer einigenden „Idee, Fik­
tion und Illusion.“225 Im dalmatinischen Fall waren das eindeutig die von der Bauern­
partei propagierten Ideen. Der Soziologe Dinko Tomasic zeigte sich überzeugt, daß
die „Idee des gemeinsamen Interesses“ und ein Zusammengehörigkeitsgefühl durch
„gemeinsame Kultur“, „Tradition, (...) Erziehung, (...) gesellschaftliche Organisatio­
nen“ hervorgebracht und durch Symbole (Name, Fahne, Hymne, Helden, Denkmäler,
Heiligtümer usw.)“ gefestigt würden. Auch der „Nationalismus“ des kroatischen Vol­
kes sei „das Bestreben nach Affirmation seiner Werte (Kultur, Interessen, Gefühle,
Bestrebungen).“226
Es stimmte zwar nicht, daß „im Laufe langer Jahrhunderte“ der „kroatische Nationa­
lismus“ immer die gleiche Grundforderung nach „politischer, wirtschaftlicher und
kultureller Selbstständigkeit“ erhoben habe, aber die Mehrheit im Dalmatien der Zwi­
schenkriegszeit zeigte sich doch überzeugt davon. Weil sie „diese Leitideen“ aufge­
nommen hätte und vertrete, meinte Tomasic, wäre die „heutige Bauernbewegung in
Kroatien“ so erfolgreich. Die „direkte politische und ökonomische Demokratie“ sei
das Programm der Bauernpartei. Es gebe, in den Worten ihres Vorsitzenden Vladko
Macek: „Keinen Unterschied zwischen der nationalen Frage und seinem sozialen und
ökonomischen Inhalt (...) Wir kämpfen daher für ein freies Kroatien, um das Recht

drzave 1918 (Die jug. Emigrantenbew. und die Schaffung des jüg. Staates), Zagreb 1974; Ke-
sterncak, Nada, Croatian Newspapers and Calendars in the United States, Scranton 1957.
224 Hranilovic, Nada, Novinstvo hrvatskog iseljenistva 1859-1940 (Die Publizistik der kroat.
Emigration), Zagreb 1981, S. 114.
225 Ratkovic, Stjepan, Sto je narod (Narodna prosvjeta), Zagreb 1935, S. 20f., der ansonsten eine
eigentümliche „Yugoslav ideology (...) with definite Croatian national overtones“ propa­
gierte; Jelavich, Education, S. 138. Der in Mittel- u. Südosteuropa rezipierte Historiker Wil­
helm Bauer hatte schon 1918 geschrieben, daß für den „modernen nationalen Gedanken (...)
weder Rassen- noch Abstammungsmerkmale, nicht einmal immer die Gemeinsamkeit der
Sprache“ den Ausschlag gibt: „Kinder derselben Eltern gehören unter Umständen verschiede­
nen Nationen an! Der moderne nationale Gedanke ruht nämlich eingebettet fast einzig und
allein im Gemütsleben und im letzten Grunde entscheidend wird demnach bloß die Tatsache,
welcher Nation der einzelne sich zugehörig fühlt, nicht welcher er körperlich oder sprachlich
oder sonstwie zuzuzählen ist.“ Bauer, Wilhelm, Österreich, in: Österreich, Zeitschrift für
Geschichte 6 1918/19, hier zit. nach Bruckmüller, Nationsbildung, S. 38.
226 Vgl. Tomasic, Dinko, Sadrzina Hrvatskog nacionalizma (Inhalt des kroat. Nationalismus), in:
ders., Politicki razvitak Hrvata (Pol. Entw. der Kroaten), Zagreb 1938, S. 27-91, hier S. 27f.
u. 54.

398
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

der Bauern (pravica) zu verwirklichen“.227 An anderer Stelle drückt er denselben Ge­


danken so aus: „Politische Freiheit ohne soziale Gerechtigkeit bedeutet für das Volk
nichts. Nur einer Handvoll Leute, die auf Kosten des Volkes lebt, ist das wichtig. Wir
wollen, daß im kroatischen Volk niemand anderer herrscht als der freie kroatische
Bauer, vereint mit jener Arbeiterschaft und jenem Bürgertum, das sich bewußt ist, daß
das Bauerntum die Wurzel ist, und nur wenn diese bäuerliche Wurzel gesund ist,
können auch sie auf ehrliche Weise leben und vorwärtskommen.“228
Tomasic hielt allein die Bauernbewegung, die „Elemente unserer autochthonen Ge­
nossenschafts-Kultur“ in ihre „politische Ideologie“ übernommen hätte, für den Aus­
druck der „Interessen und Sehnsüchte des größten Teils der Kroaten, v. a. den Interes­
sen und Bestrebungen des kroatischen Bauerntums, der Arbeiterschaft und des Klein­
bürgertums“. Die „bürgerlichen Schichten“ hätten zwar auch „ihre nationalistischen
Ideologien“ hervorgebracht, doch seien diese zu sehr „gefangen“ gewesen in den
„Auffassungen der westeuropäischen Zivilisation und gesellschaftlichen Organisation,
die Kultur des Dorfes kannten sie nicht, und wenn ja, so wurde sie verachtet.“ Fremde
„Mythen“, wie bei den Ustasa-Anhängern, „die Idee von der gotischen Abstammung
der Kroaten“ oder, seitens des „kroatisch-jugoslawischen Nationalismus“ der „Ko­
sovo-Mythos, das Volks-Heldenlied und die Idee der Superiorität des dinarischen
Typs“, hätten unter den Kroaten ihren „vollkommenen Zusammenbruch“ erlebt. Nur
die „kroatische Bauernbewegung habe zum ersten Male wirklich alle Teile des kroati­
schen Volkes integriert und zu einer Einheit des Fühlens und der gemeinsamen Inter­
essen verbunden, hin zu ihrer politischen, ökonomischen und kulturellen Emanzipa­
tion.“229
Welchen Stellenwert hatte die Politik der Kroatischen Bauernpartei bei der Herausbil­
dung einer modernen kroatischen Nation in der Zwischenkriegszeit? Alle Stränge
kroatischer Politik, von panslawistischer Begeisterung bis zu Staatsrechtsargumenta­
tionen bündelten sich in dieser bäuerlich geprägten Sammlungsbewegung seit den 20er
Jahren. Die Bauernschaft betrat die politische Bühne mit einem Knall und schob die
meisten der tragikomischen Figuren, die vorher auf ihr agiert hatten, zur Seite. Doch
änderte sich dadurch das Stück?
Niemand hat so hellsichtig und klar wie Miroslav Krleza die staatsrechtliche kroati­
sche Parlamentslotterie analysiert, die „fünfzig Jahre lang mit geheimnisvollen Zahlen
spielte: 1102, 1222, 1526, 1712, 1722, 1790, 1848, 1859, 1861, 1866, 1867, 1868, 1910“.
Der Enzyklopädist und wahrscheinlich größte kroatische Schriftsteller des 20. Jahr­
hunderts geißelte die staatsrechtlichen Kapriolen, die die kroatischen Politiker im und
außerhalb des Sabor vollführten, und stellte sie als die traurige Vorstellung bloß, die

227 Vgl. Macek, Vladko, Voda govori (Der Führer spricht), Zagreb 1936, hier zit. nach Tomasic,
S. 53.
228 Macek, Vladko, in: Gospodarska Sloga - Godisnji izvjestaj (Jahresbericht) v. 10.05.1937.
229 Tomasic, Dinko, Autohtona kultura i nacionalizam, S. 127-139, hier S. 136ff.

399
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

sie waren.230 Der Anspruch auf „kroatische Staatlichkeit“ und „nationalpolitische


Emanzipation gegen Fremdherrschaft im Rahmen einer alten legitimistischen Ord­
nung“231 dominierte Ende des 19. Jahrhunderts die kroatische Politik. Nach 1918 er­
kannte Krleza in Stjepan Radic die Verkörperung des kroatischen politischen Wollens,
und dementsprechend erklärte er „die Kroaten“ und „das Kroatentum“ schlichtweg
zum „Traum verschlafener Träumer“ 232 Zehn Jahre später, nach dem Tod von Stjepan
Radic verkündete er apodiktisch, daß, wer nicht spüre, daß mit dem Bauernführer ein
Symbol Kroatiens und des Kroatentums gestorben sei, „keine Ahnung von dieser
unserer psychologischen kleinbürgerlichen Nostalgie, (und von unserem Verlangen)
nach kroatischer Freiheit“ habe.233 Ironisch meinte er: Von „Gundulic und Krizanic
bis Radic“ sei es immer derselbe „ideale Traum: eine abstrakte Insel, die Dubrava,
mit ihrer Fürstenvergangenheit und Denkmälern und die tausendjährige Kultur: die
Verwirklichung slawischer Friedfertigkeit, der Weingarten Peruns (des alten slawi­
schen Gottes, A. J.) und die slawischen Feen; und unser Mensch - der Allmensch
(Svecovjek), der Slawe, der All-Slawe, der Jugoslawe, der Moskove, der Illyrer, der
Slawe (Slavjanin) - besieht sich den Vollmond und hört dem Most zu, wie er ins Faß
tropft. Es sind Schäferflöten zu hören, das Meer ist blau und still, eine Idylle voller
Heiterkeit und Freiheit.“234 Die widersprüchliche „individual-psychologisch ver­
wirrte Ideologie der Bauernpartei“ auf der kroatischen Seite müsse als Reaktion auf
die serbischen Ansprüche verstanden werden. Der Illyrismus, als „erster Versuch einer
romantischen (kulturell-politischen) Integration“ habe „in letzter Konsequenz die
paradoxale kleinbürgerliche Negation der Einheit auf kroatischer und serbischer
Seite“ hervorgebracht, „eine Negation, die in die Selbstzerstörung führte.“235
Es ist betont worden, wie eng Populismus und Nationalismus im Denken von Stjepan
Radic, miteinander verbunden waren, der die „nationale Frage“ immer wieder - oft
impulsiv und unberechenbar - ins Bewußtsein der Öffentlichkeit rückte. Erst Stjepan
Radic verknüpfte die kroatische Nationalideologie mit dem Ideal der Volkssouverän­
ität. Das kroatische Volk waren für ihn die Bauern. Sie waren die Nation schlechthin.
Das Bauerntum wurde verstanden als Träger und Hüter der nationalen Individualität,
der nationalen Kultur. Die von der südslawischen Familienwirtschaft „zadruga“ abge­
leitete Bauerndemokratie galt als Antithese zur modernen, als undemokratisch und

230 Krleza, Miroslav, Prije trideset godina (1917.-1947.) (Vor 30 Jahren), in: Davni dani, sv. 11-
12 Sabranih djela, Zagreb 1956, S. 370f.
231 Dzaja, Intelligentsia und südosteuropäischer Raum, S. 152; Gross, Mirjana, Poceci moderne
Hrvatske. Neoapsolutizam u civilnoj Hrvatskoj i Slavoniji 1850-1860, Zagreb 1985, S. 458.
232 Krleza, Miroslav, Nekoliko reci o malogradanskom historizmu hrvatstva uopce (Einige Worte
über den kleinbürgerlichen Historismus des Kroatentums allgemein), in: Knjizevna republika,
1926, Nr. 6, S. 344-254, hier S. 349 u. 352f.
233 Krleza Miroslav, Stjepan Radic 8.VIII.1928, in: Knjizevnik 1928, Nr. 6, S. 113-115 u. Banac,
Juraj Krizanic, S. 11.
234 Krleza, Miroslav, O patru dominikancu, S. 11.
235 Krleza, Sto smo bili.

400
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

volksfeindlich eingestuften Stadtzivilisation. Dabei war ihm, wie treffend bemerkt


worden ist, die „soziale Gefährdung (...) nicht nur - und nicht einmal in erster Li­
nie - ein soziales, sondern vor allem ein nationales Problem. Der nationale Kampf
erhielt folglich Vorrang vor der sozialen Problematik; diese würde gelöst werden,
sobald die nationale Souveränität erkämpft war. Wie überall in Südosteuropa, so
wurde auch hier die Realisierung „nationaler Ziele“ der gesellschaftlichen Emanzipa­
tion eindeutig übergeordnet.“236
Neuere Untersuchungen über den Zusammenhang von „nationalem und sozialem
Programm“ in den Auffassungen von Antun und Stjepan Radic über die Stellung und
Rolle der Bauernschaft im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben,
bestätigten das Urteil Krlezas und Sundhaussens. Sie zeigen die Sehnsucht nach „so­
zialer Harmonie“ ohne Klassengegensätze als „Endziel" dieser idealistischen Poli­
tik.237 Die Literatur über den impulsiven kroatischen Volkstribun und Führer der
Kroatischen Bauernpartei, Stjepan Radic, ist in der Zwischenzeit kaum mehr zu über­
sehen.238
Der am 11. Juni 1871 im Dorf Trebarjevo Desno in der oberen Posavina geborene
spätere Gründer und unumstrittene Führer der kroatischen Bauernpartei glaubte noch
in den ersten Kriegsjahren, daß sich eine größere Autonomie für das kroatische Volk
durchaus innerhalb der Donaumonarchie erreichen lassen könnte. Schablonen und
Schlagworte, mit denen ihn seine Gegner treffen wollten, werden diesem, bis zu sei­
nem gewaltsamen Tod pazifistischen Politiker, der die Gewalt in jeder Form geißelte,
sicher nicht gerecht. Bei aller Sprunghaftigkeit, und manchmal für Freund und Feind
überraschenden, Wechsel der Standpunkte blieb er doch seinen Vorstellungen treu,
daß die Bauern das Volk seien und es ein Ende haben müsse mit der Unterdrückung
und Ausbeutung dieses Volkes. Die in der sozialistischen Historiographie Jugoslawi­
ens jahrzehntelang verbreitete These, daß Radic ein Exponent der kroatischen Bour­
geoisie gewesen sei, entspricht in keinster Weise dem Selbstverständnis und politi-

236 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 248.


237 Boban, Branka, Shvacanja Antuna i Stjepana Radica, S. 301.
238 Vgl., neben der bereits zit. Biographie von Muzic, die Bibliographie von Petar Krolo: Pregled
literature o djelatnosti Hrvatske seljacke stranke od 1918. do 1929. S posebnim osvrtom na
Dalmaciju (Übersicht über die Lit. über die Aktivitäten der HSS v. 1918-29, unter bes. Be­
rücksichtigung Dalmatiens), in: Hrvatska obzorja - Casopis Matice Hrvatske- Split Nr. 3
(1994), S. 621-638, sowie Boban, N., Stjepan Radic - opus, utjecaji i dodiri, in: Radovi 22,
Zagreb 1989; Krizman, Bogdan, Stjepan Radic - zivot - misao - djelo. Korespondencija
Stjepana Radica 1885-1918, Zagreb 1972; Kulundzic, Zvonimir, Atentat na Stjepana Radica,
Zagreb 1967; ders., Stjepan Radic - Politicki spisi, Zagreb 1971; ders., Zivi Radic, Zagreb
1971; ders., Stjepan Radic i njegov republikanski ustav, Zagreb 1989; Matkovic, Hrvoje, Stje­
pan Radic i Svetozar Pribicevic u jugoslavenskoj politici od ujedinjenja do sestojanuarske
diktature, in: Jugoslavenski istorijski casopis VII/1969; Muzic, Ivan, Stjepan Radic u Kralje-
vini Srba, Hrvata i Slovenaca (4. erw. Auflage), Zagreb 1990; Sidak, Jaroslav, Idejno sazrije-
vanje Stjepana Radica. Studije iz hrvatske povijesti XIX. st. (Der ideelle Reifungsprozeß des
St. R.. Studien aus der kroat. Gesch. d. 19. Jh.), Zagreb 1973.

401
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

schem Handeln der HSS. Die spezifische Form des bäuerlichen Nationalismus, der für
die Verwirklichung der „socijalne i nacionalne pravice“ kämpfte und eine „kroatische
Bauernrepublik“ auf friedlichem Wege erstrebte, fand Zustimmung auf dem Dorf.
Sein Tolstoihafter, romantischer Panslawismus wurde in der Stadt verlacht. Die Linke
verspottete ihn als „verwirrten kleinbürgerlichen Intellektuellen mit schwankendem
politischen Bewußtsein“. Das Idealistische und Unbeständige, sowie seine Neigung,
bei allen Gelegenheiten (mit leiser Stimme, wie sich Zeitzeugen erinnerten) Volksreden
zu halten (auch wenn gar kein Volk zugegen war), wurde von Beobachtern kritisiert.
Britische Botschaftsberichte beklagten, daß man seine Handlungen nicht voraussehen
könne, und brandmarkten ihn gar (ab 1926) als „unverantwortlichen Demagogen“.
Gleichzeitig aber würden die kroatischen Bauern in ihm so etwas wie einen „Halb­
gott“ sehen.239
Wie erklärt sich die Wirkungsmächtigkeit der „kroatischen Interessen“, für deren Ver­
teidigung Stjepan Radic seine Anhänger mobilisieren konnte, im politischen Denken
und Handeln der von ihm angesprochenen Bauern? Ohne daß die Bauern darin auch
ihre eigenen Interessen gesehen hätten, wäre der immense Mobilisierungserfolg schwer
erklärbar. Auch griff Radic alte nationalpolitische Forderungen, wie den Zusammen­
schluß Dalmatiens mit Kroatien-Slawonien, geschickt auf, wenn er gegen die „Parzel-
lisierung Kroatiens“ polemisierte (was auch in Dalmatien auf fruchtbaren Boden fiel),
als welche die administrative Aufteilung des Gesamtstaates durch Belgrad von den
Kroaten begriffen wurde.240
Fragt man nach den Gründen, wie die Kroatische Bauernpartei während der Zwi­
schenkriegszeit zur nationalen Sammlungsbewegung werden konnte, so sind gewiß
einige Spezifika dieser Partei zu beachten. Andreas Mortisch’ Feststellung, daß die
Gebrüder Radic als Gründer und Führer der Kroatischen Bauernpartei mit den bäuer­
lichen Verhältnissen in Kroatien, aus denen sie stammten, aufs engste vertraut blieben,
bilden dabei den Ausgangspunkt. Und tatsächlich noch heute, ein knappes Jahrhun­
dert nach deren Erscheinen, ist bei der Lektüre zu spüren, wie beispielsweise Antun
Radic „mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen eine Sprache (verwendet), die
es selbst dem ungebildeten (bäuerlichen, A. J.) Leser erlaubte, komplizierte Zusam­
menhänge zu begreifen.“241 Wann schon hätte sich jemand zuvor direkt an die in den
Dörfern lebende übergroße Mehrheit der Gesellschaft gewandt und an die Bauern
appelliert, sie sollten sich ihrer Stellung und Bedeutung in der Gesellschaft bewußt
werden und sich ein Urteil über die politischen Verhältnisse bilden? Und mußten die

239 Hier zit. nach Petranovic, S. 145.


240 Matkovic, Hrvoje, Djelovanje i sukobi gradanskih stranaka u Sibeniku izmedu dva svjetska
rata (Aktivitäten und Konflikte der bürgerlichen Parteien in S. zw. den Weltkriegen), in: Ra-
dovi Instituta za hrvatsku povijest Sveucilista u Zagrebu 1/1972, S. 263-286.
241 Vgl. Moritsch, Andreas, Die Bauernparteien bei den Kroaten, Serben und Slowenen, in: Goll-
witzer, Heinz (Hg.): Europäische Bauernparteien im 20. Jahrhundert, Stuttgart, New York
1977, S. 359-402, hier S. 367f.

402
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

Forderungen der Bauernpartei, daß das kroatische Bauerntum, vom Objekt der Par­
teien der „Herren“ zum Subjekt der Nation werden sollte, zumindest in dieser ab­
strakten Form, nicht auf beinahe geschlossene Zustimmung bei den Adressaten sto­
ßen? Waren die Bauern und ihre zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gegründete Partei
nicht tatsächlich unter den kroatischen Verhältnissen vorherbestimmt, die „stärkste
Partei in Kroatien“ zu werden, wie es in einer Schrift von Stjepan Radic 1902 hieß?242
Auch können die Bauernbewegung und Radic sicher nicht verstanden werden, wenn
man nur auf der politischen Ebene bleibt und die beiden anderen Komponenten, die
aufklärerische und die wirtschaftliche, außer Acht läßt.243 Alphabetisierungskurse und
Genossenschaftsgründungen gehörten zur zentralen Programmatik der Bauernpartei
über die gesamte Zwischenkriegszeit hinweg. Seit den 1880er Jahren wurde in den
populären Bauernkalendern der „neue, nationale, kroatische Geist“ propagiert.244 An­
gesichts des vollständigen Desinteresses für alle Fragen, die das Dorf nicht direkt
betrafen, welches die Aufklärer aus den Städten durchgehend beklagten, war diese
Fundamentalpolitisierung der Bauern gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein grundstür­
zender Prozeß.
Die entscheidende Frage scheint die nach der kroatischen „Staatlichkeit“ zu sein. Letz-
tenendes siegte die Idee, daß nur ein wie auch immer gearteter eigener Staat die Vorbe­
dingung für eine Lösung aller Probleme sei. Auch bei allen verschiedenen Autonomie­
modellen, deren Verwirklichung innerhalb des jugoslawischen Gesamtstaates versucht
wurde, schimmerte diese Idee durch. Schon im Verfassungsentwurf der Bauernpartei
für eine Bauernrepublik, und endgültig dann in der Broschüre „Die kroatische Frage“
von Rudolf Horvat,245 waren die programmatischen Fundamente einer angestrebten
Eigenstaatlichkeit Kroatiens gelegt. Und die schon von Zeitgenossen bemerkte Beson­
derheit (gegenüber allen anderen Parteien), die sich in Dalmatien, nach dem Siegeszug
der Bauernpartei in Kroatien-Slawonien, wiederholte, war, daß die Bauernpartei im­
mer zuerst die ländlichen Gebiete und Dörfer eroberte. Ein eigentümlicher, weil auf
Gewaltfreiheit bestehender, Blut-und-Boden-Kult wurde propagiert,246 die Verwurze-

242 Radic, Stjepan, Politicki spisi. Autobiografija, clanci, govori, rasprave. Hg. v. Zvonimir Ku-
lundzic, Zagreb 1971, S. 195-232.
243 Vgl. zuletzt Kolar-Dimitrijevic, Mira, Gospodarska djelatnost Josipa Predavca u Radicevu
pokretu (Wirtschaftl. Tätigkeit v. J. Predavec in der Radic’ -Bewegung.), in: Historijski zbor-
nik, god. XLVI 1/1993, S. 145-163, die den „Haupt-Wirtschaftsideologen“ von Radic’ Bau­
ernpartei porträtiert.
244 Die Grundlagen dieses Prozesses sind f. Dalmatien noch unzureichend erforscht; zu Kroatien
u. Slawonien Lecek, Suzana, Literatura za seljastvo i njeno prihvacanje u selima Hrvatske i
Slavonije 1870-1900. (Literatur für das Bauerntum und deren Rezeption in den Dörfern
Kroatiens und Slawoniens 1870—1900), in: Radovi Zavoda za hrvatsku povijest 28/1995,
S. 138-157, hier S. 149.
245 Horvat, Rudolf, Hrvatsko pitanje, Zagreb 1923.
246 Vgl. Sarinic, Ideologija seljackog pokreta (Ideologie der Bauernbewegung). In der radikalisier-
ten Ustasa-Version war der Terrorismus gegen Andersdenkende und „Volksfremde“ schon in
deren verschwommenen Grundsätzen angelegt. In ihren ,vagen gesellschaftspolitischen Kon-

403
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

lung in der Mutter Erde, die uns alle nährt. Und was die Eigentumsfrage anbelangte,
so konnte die Ideologie der Bauernpartei nicht näher an den Interessen des Dorfes
sein:
„Wem gehört das Land? - Der Boden gehört dem, dem er auch einzig zusteht; der Boden
steht einzig und allein dem Bauern zu, denn alles Land war seit jeher Bauernland, nur der
Bauer bearbeitet es, auf ihm und von ihm lebt er nach seinem natürlichen und sozialen Recht.
Deshalb muß jeder Bauer wenigstens soviel Land besitzen, wie er und seine Familie braucht,
um einen maximalen Lebensstandard zu erreichen, was sein absolutes Recht ist.“247

Das „soziale Programm“ war durchaus einfach gehalten: „soziale Gerechtigkeit ver­
langt: dem Angestellten das Büro, dem Arbeiter die Werkstatt und die Fabrik, und
dem Bauern das Land zu übergeben! Da das Dorf den ganzen Staat ernährt, aushält
und schützt, ist die Bauernfamilie die Keimzelle, aus der die gesamte staatliche Orga­
nisation hervorgegangen ist.“ Die Bauernschaft sei „der wichtigste Faktor des nationa­
len Lebens und gleichzeitig Träger oder Subjekt der nationalen Individualität“ (Her-
vorh. im Original)248 Die Parole war: „Die Bauern sind das Volk“. Zudem sei auf den
„Patriotismus des kroatischen Bauerntums“ Verlaß: „Der kroatische Bauer weiß, daß
er Kroate ist; er weiß, was seine Heimat ist, er weiß, was sein nationales Recht ist;
und das sind Fakten, über die es keine Diskussion mehr gibt für ihn“. Doch „Chauvi­
nismus“ kenne das kroatische Bauernvolk nicht.249 Nachdem die Reden der Parteiagi­
tatoren, die die Bauernpartei über die Dörfer schickte, auf fruchtbaren Boden gefallen
waren und eine Anzahl von Mitstreitern gewonnen war, versuchte die Bauernpartei
erst im zweiten Schritt, in den Städten Fuß zu fassen.
Bis 1922 gab es keine Parteigliederungen der HRSS in Dalmatien. Am 8. Januar 1921
wurde auf einer Konferenz der Abgeordeten der Bauernpartei die „Handvoll dalmati­
nischer Herren“ kritisiert, die ohne Zustimmung des kroatischen Volkes in Dalmatien,
die Küstenregion der Zentralgewalt ausgeliefert habe und es wurde die alte Forderung
nach dem Zusammenschluß aller kroatischen Territorien erhoben.250 In einer Volksab­
stimmung unter internationaler Kontrolle sollten die Dalmatiner über ihr Schicksal
entscheiden können. Die Zeitung der Radikalen in Dubrovnik sah die Agitatoren der
Bauernpartei „wie die Heuschrecken“ in Dalmatien einfallen und den Bauern „alles
mögliche“ versprechen. Die Zeitung der Demokraten in Süddalmatien, „Der Jugo­
slawe“, polemisierte ständig gegen Radic, der „nun auch an der Küste“ gegen die

zepten* lehnte die Ustasa sich aber „eng an die populistische Programmatik der Kroatischen
Bauernpartei an“. In ihrer „tiefe(n) Abneigung (...) gegen den gesellschaftlichen Wandel und
Sehnsucht nach der „Unschuld des einfachen Lebens“ stellte sie der „Entmenschlichung“ in
der modernen Welt (...) das wärmende Ideal der „Volksgemeinschaft“ gegenüber. Der Ein­
zelne zählte nur insofern, als er Teil des Ganzen war.“ Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 160f.
247 Sarinic, Ideologija, S. 56.
248 ebenda, S. 58.
249 ebenda, S. 59f. u. 67.
250 Slobodni dom v. 07.04.1921.

404
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

„nationale und staatliche Einheit“ hetze und die Menschen „ganz wirr“ im Kopf
mache.251
Knapp eine halbe Million Stimmen und 70 Mandate, die die Bauernpartei bei den
Wahlen vom 18. März 1923 bekam, bestätigten im Nachhinein, den immer offener
artikulierten Widerstand Radies gegen die staatliche Vereinigung und wie sie sich voll­
zogen hatte.252 Die politischen Gegner der Bauernpartei in den Zwanziger Jahren, wie
der damals überzeugte „Jugoslawe“ Josip Smodlaka, führten die Ergebnisse der Wah­
len auf die Unbildung der Bauern zurück und lagen damit sicher verkehrt.253 Als er
klagte: „Daß Radic in Dalmatien die Stimmen der Analphabeten bekommen hat, wäh­
rend die übergroße Mehrheit der Dalmatiner, die lesen und schreiben können, gegen
ihn gestimmt hat, kann einen gewissen Trost darstellen bei dieser erlittenen Nieder­
lage; es bleibt aber eine traurige Tatsache, daß es vier Jahre des gemeinsamen staatli­
chen Zusammenlebens nicht geschafft haben, auch nicht den kleinsten Teil dieses rück­
ständigen - ansonsten aber anständigen - Volkes aus der Zagora zu nationalem Be­
wußtsein zu führen und für den (jugoslawischen, A. J.) nationalen Staat zu gewin­
nen“,254 ahnte er noch nichts von den Wahlergebnissen, die die Bauernpartei in den
30er Jahren auf dem Dorf und in der Stadt in Dalmatien erzielen sollte.
Zu den Besonderheiten der Bauernpartei gehörte auch ihre Organisationsstruktur,
auch wenn diese schwierig zu erforschen ist, da ein Großteil des Parteiarchivs vernich­
tet wurde, als vom 1.1.1925 an das „Gesetz zum Schutz des Staates“ auf die HSS
angewendet wurde.255 Bei dem Versuch, das eigene Programm zu popularisieren, ach­
tete die Bauernpartei sehr darauf, daß Abgeordnete und Parteiaktivisten bäuerlicher
Herkunft in die Dörfer gingen, um Wahlwerbung zu betreiben, während Angehörige
der Intelligenz oder Handwerker in größere Ortschaften und Städte geschickt wur­
den.256 Bei allem Engagement für eine föderative Umgestaltung des Staates und dem
Streben nach einer dezentralisierten und demokratischen Bauernrepublik, war doch
die Parteistruktur der Bauernpartei strikt zentral aufgebaut und vollständig auf die
Führung in Zagreb hin ausgerichtet. Zunächst orientierte sich die Parteistruktur nach

251 Dubrovnik v. 08.03. u. 16.09.1922 u. Jugoslaven v. 29.07.1922, hier zit nach Mirosevic, Pocelo
je, S. 103.
252 Herceg, Rudolf, Statistika izbora dne 18.03.1923, Zagreb 1923, S. 92, hier nach Muzic, S. 111
m. Lit.-Angaben, der auch die Ungerechtigkeiten im Wahlsystem anführt, die dazu führten,
daß ein Abgeordneter der Serbischen Radikalen Partei durchschnittl. mit 4.994 Stimmen ge­
wählt war, während ein HRSS-Abgeordneter 6.601 Stimmen brauchte.
253 Smodlaka, Josip, Znacaj Radiceve pobjede u Dalmaciji (Die Bed. des Sieges von R. in Dalma­
tien), in: Srpski knjizevni glasnik IX/1923 5, S. 371-378.
254 ebenda, S. 377.
255 Vgl. Isek, Tomislav, Strukture Hrvatske seljacke stranke u Bosni i Hercegovini do 1929. godine
(Organisationsstrukturen der HSS in Bosnien und Herzegowina bis zum Jahr 1929), in: Jugo-
slovenski istorijski casopis, 1 -4/1978, S. 408-424. Die Parteizeitung „Slobodni dom“ (Das freie
Heim) veröffentlichte 1927 die Statuten unter der Überschrift „Red ili pravilnik HSS.
256 Isek, S. 413.

405
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einheitsverständnis

den Steuergemeinden, in denen die örtlichen Gliederungen gegründet wurden, ab Fe­


bruar 1921 ging man zu Dorforganisationen über. Die Orts- bzw. Gemeindeorganisa­
tion der HSS bestand aus einem Vorsitzenden (predsjednik), einem oder zwei Stellver­
tretern, Sekretär und Schatzmeister, sowie vier bis sechs Ausschußmitgliedern (odbor-
nici). Diese Ausschüsse traten, nach den Statuten der Partei, mindestens einmal im
Monat zu Sitzungen zusammen, bei Bedarf öfter. Politische Fragen standen dabei
genauso auf der Tagesordnung, wie ökonomische Probleme. Es wurde außerdem über
den Fortschritt der Bildungsanstrengungen auf dem Gebiet der Dorf- bzw. Ortsorga­
nisation diskutiert. Eventuelle Beschlüsse wurden an die Führung der Partei in Zagreb
gemeldet. Zur Pflicht der Sekretäre gehörte die Übermittlung der Protokolle der Tref­
fen. Die Zentrale wollte auch genau wissen, wieviel Abonennten der Parteipresse es
jeweils örtlich gab.257 Gleichfalls sollte regelmäßig berichtet werden, wie der Kampf
gegen den Analphabetismus voranging. Die vertikale Parteigliederung kannte als näch­
ste Stufe die Regionalausschüsse. In diesem Gremium trafen sich die Vorsitzenden
der Orts- und Gemeindeausschüsse, wiederum einmal monatlich. Die Teilnahme des
regionalen HSS-Parlamentsabgeordneten bzw. von Mitgliedern des Hauptausschusses
(Glavni odbor) aus Zagreb war bei diesen Sitzungen Pflicht.
Eine Bestimmung in den Statuten bot für Basis und Führung immer wieder Diskus­
sionsstoff.258 Diese sah nämlich vor, daß der Vorsitzende einer Gemeinde- bzw. Ort­
sorganisation der Bauernpartei und dessen Stellvertreter, wie auch in den Regionalaus­
schüssen (ausgenommen derjenigen in Zagreb und Subotica) nur ein „echter Bauer
des Pfluges und der Hacke“ sein sollte, womit alle diejenigen gemeint waren, deren
Haupterwerbsquelle die Landwirtschaft war. In „Ausnahmefällen“ sahen die Statuten
vor, daß auch ein Nicht-Bauer den Vorsitz inne haben dürfe, im Falle, daß dessen
Wahl „einstimmig in allen Ortsorganisationen erfolgt, und die Parteiführung der Wahl
zustimmt“. Die Zustimmung durch die Führung sei „nur dann zulässig, wenn der
Betreffende mindestens seit zwei Jahren Mitglied der HSS“ sei.259 Die Bestimmung,
daß die Vorsitzenden weiterhin „Bauern sein sollen“, die sich in der Parteiarbeit Ver­
dienste erworben haben, führte dementsprechend zu einem hohen Prozentsatz von
Bauern auch in den Regional- und Leitungsgremien der Partei. Doch nahm der Anteil
in der Organisationspyramide der HSS, vom Gemeindeausschuß bis zum Hauptaus­
schuß und Präsidium der Partei ab.260 Die „Nicht-Bauern“ unter den Abgeordneten

257 Die Zahl der Abonennten des „Slobodni dom“ wurde 1921 mit 200.000 angegeben, Mitte
1922 soll die H(R)SS ca. 3000 örtliche Untergliederungen besessen haben, die ca. 1,5 Millionen
Mitglieder organisierten, wie die Parteizeitung schrieb. Vgl. Slobodni dom v. 31.02.1922, hier
zit. nach Isek, S. 414. Auch wenn man berücksichtigt, daß durch das Wahlrecht, welches nur
Männern über 21 Jahren gewährt wurde, die Zahl der Parteimitglieder durch die organisierten
Frauen und Jugendlichen größer war als die der Wähler, scheinen die Angaben in der Partei­
presse der HSS deutlich übertrieben.
258 Yg[_ jjek, s. 415ff.
259 Vgl. Dom v. 21.05.1922.
260 So gaben von 62 Kandidaten der Partei bei den Parlamentswahlen vom 18. März 1923, bei

406
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

1923 überwogen mit 37 zu 25.261 Bei den Parlamentswahlen am 8. Februar 1925 hatten
dann aber von den 190 Kandidaten auf Kreisebene „33 ein Universitätsdiplom, 3 wa­
ren Arbeiter, an die zehn waren Handwerker und Händler und alle übrigen, d. h. die
Mehrheit, waren Bauern von ,Pflug und Hacke'“.262 Die 546.430 Wählerstimmen für
die Bauernpartei bei diesen Wahlen müssen wohl auch als plebiszitäre Zustimmung
für solch ein Kandidatenprofil gewertet werden.263 Immer wieder wurde betont, daß
der Bauer „Ausgangs- und Endpunkt“ aller Politik der HSS sein müsse.264 Wenn
Stjepan Radic im „Dom“ Ende April 1924 schrieb: „wir sehen und fühlen, daß die
HRSS nicht mehr nur eine politische Partei ist, sondern die größte politische und
soziale Bewegung, die bisher das Volk Kroatiens erfaßt hat“ und weiter ausführte,
daß die Bauernpartei „wahrhaftig das vollständige und vollkommene kroatische Volk“
repräsentiere, war das nicht nur Wahlkampf. Sein Beharren darauf, daß „nur durch
diesen einzig möglichen Weg, der Versammlung eines ganzen Volkes, der Kampf um
allgemeine und allumfassende Gleichberechtigung“ zu gewinnen sei, trug den Appell
an nationale Solidarität in jedes Dorf und beschleunigte somit den Prozeß der nationa­
len Integration.265
Doch es sollte nicht der Eindruck einer konzisen politischen Ideologie entstehen,
deren Umsetzung von der Kroatischen Bauernpartei planmäßig versucht und von den
dalmatinischen Wählern in allen Punkten geteilt wurde. Das Prozeßhafte in der Ent­
wicklung kroatischer Nationalideologie angesichts der Zustände im jugoslawischen
Staat ist offensichtlich. Auch Radies Auffassungen zur nationalen Frage orientierten
sich jeweils an den politischen Gegebenheiten. Seine frühesten Einschätzungen diesbe­
züglich gehen aus seinen „Gefangenenerinnerungen“ hervor,266 in denen er die Erfah­
rungen seiner ersten, viermonatigen Haftstrafe in Petrinja 1893 verarbeitet hat.267

dem die HSS 473.733 Stimmen bekommen hatte, die gewählten Abgeordneten folgende Be­
rufsbezeichnungen an: 25 bezeichneten sich als Bauern oder Landarbeiter, 16 als Anwälte, 4
als Schriftsteller, je zwei als Publizisten und Landbesitzer, sowie jeweils einer als Ingenieur,
Schneider, Priester, Schuhmacher, Referendar, Agronom, Angestellter, Händler, Genossen­
schaftsangestellter, Journalist, Professor, Ökonom und Abgeordneter (letzterer war Stjepan
Radic selbst); vgl. Isek, S. 417.
261 Vgl. Kostic, Laza, Statistika izbora narodnih poslanika Kraljevine SHS odrzanih 18. marta
1923. (Wahlstatistik zu den Abgeordnetenwahlen v. 18.03.1923), Beograd 1924.
262 Vgl. Slobodni dom v. 17.12.1924, hier zit. nach Isek, S. 419.
263 Vgl. Kostic, Laza, Statistika izbora narodnih poslanika Kraljevine SHS odrzanih 8. februara
1925., Beograd 1926, S. 152-157.
264 Vgl. Dom v. 22.05.1927, wo es hieß, daß „wir eine Bauernmehrheit sowohl im Hauptaus­
schuß, als auch im Parlament haben wollen. Von diesem Grundsatz gehen wir nicht ab.“
265 Vgl. Dom v. 30.04.1924.
266 Radic, Stjepan, Uznicke uspomene (Gefangenenerinnerungen), Zagreb 1971.
267 Boban, Branka, Mladi Stjepan Radic o Srbima u Hrvatskoj i odnosima Hrvata i Srba (Der
junge S. R. über die Serben in Kroatien u. über das Verhältnis zwischen Serben u. Kroaten),
in: Radovi - Zavoda za hrvatsku povijest Filozofskog fakulteta sveucilista u Zagrebu, Nr. 28/
1995, S. 128-137, hier S. 131.

407
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einheitsverständnis

Als das „grundsätzliche Kriterium für die Existenz eines Volkes“, bzw. der „nationalen
Zugehörigkeit“ galt ihm dessen „Bewußtsein“. Dementsprechend bestätigt er, daß es
„in Kroatien genügend Individuen gibt, die sich selber als Serben empfinden“.268 Die
meisten seien das jedoch (er nahm die Serben aus Syrmien aus, die „ihrer Abstammung
nach“ auch Serben wären), „erst unlängst unter dem Einfluß der politischen und reli­
giösen Propaganda“ geworden.269
Erst 1917 wandelte er sich zu einem Befürworter der Idee, die Habsburgermonarchie
aufzulösen. Seine Zukunftsvorstellungen, wie er sie in der Parteizeitung „Dom“ (Heim)
in zahlreichen Artikeln ausführte, wurden ab 1918 zensiert. Die südslawische Einigung
dürfe, so forderte Radic immer wieder, keineswegs ohne die Bulgaren Zustandekommen,
gleichfalls wäre engste Zusammenarbeit mit den Westslawen, insbesondere den Tsche­
chen, das Gebot der Stunde. Im April 1918 nahm er in Prag an einem Treffen der Opposi­
tionsparteien der Monarchie teil. Er löste sich von der Zusammenarbeit mit der exklu­
siv-kroatischen Frank-Partei und wollte hinfort „die Politik der vollkommenen natio­
nalen Einheit der Kroaten, Slowenen und Serben“ führen, und zwar „auf Grundlage der
vollständigen Gleichberechtigung aller drei Stämme, im Sinne der Parteigrundsätze von
1905, im Einvernehmen mit dem bedingungslosen Recht zur demokratischen Selbstbe­
stimmung der Völker“, wobei er gleichzeitig versuchte, soviel wie möglich von der er­
strebten kroatischen Eigenstaatlichkeit durchzusetzen.270
Der Art und Weise der Vereinigung mit dem Königreich Serbien widersetzte er sich
aber von Anfang an. Seine Vorstellungen vom Selbstbestimmungsrecht, von Demokra­
tie und Antimilitarismus vertrugen sich nicht mit mit der schwärmerischen Begeiste­
rung für das Balkan-Königreich Serbien, die viele seiner Politikerkollegen erfaßt hatte.
Auf den Sitzungen des „Narodno vijece“ vom 23. und 24. November 1918 stimmte
er als einziger gegen die Vorstellung der Mehrheit, die Vereinigung möglichst schnell
zustande zu bringen.271 Als die Delegation, zu der er eigentlich gehören sollte, nach

268 ebenda.
269 Eine Zusammenfassung seiner diesbezüglichen Anschauungen, in: Radio, Stjepan, Hrvati i Srbi,
Hrvatski odgovor naclanakSrpskogknjizevnogglasnikaod 1. augusta 1902. (Serben und Kroa­
ten. Die kroat. Antwort auf den Artikel im „Serb. Literaturboten“ v. 1. August 1902), Zagreb
1902; ders., Srbove a Chorvati, Nekolik kapitol k objasneni podstaty poslednych udalosti, Prag
1902. Alle Streitigkeiten ließen sich am einfachsten überwinden mit einer „slawischen Orientie­
rung“ sowohl der Serben, als auch der Kroaten und der „Vermittlung durch andere slawische
Völker“. Doch leider wären die Serben „oft sich selbst genug“. Außerdem hätte eine „territo­
riale Megalomanie“ auch und gerade die „volkstümlichsten Masssen und die demokratischsten
Menschen“ in Serbien erfaßt (ebenda, S. 267). Enttäuscht von der politischen Wirklichkeit radi-
kalisiert er später noch diese Auffassungen; Boban, Branka, „Nova Evropa“ o Stjepanu Radicu,
in: Radovi Zavoda za hrvatsku povijest, 24, Zagreb 1991, S. 139-142.
270 Vgl. Jurdana, Ela, Stjepan Radic (1871-1928), in: Stjepan Radic - Katalog izlozbe u povodu
120. obljetnice rodenja Stjepana Radica (S. R. - Ausstellungskatalog zum 120. Jahrestag seines
Geburtstages), S. 29-41, Zagreb 1991, S. 34.
271 Boban, Branka, Stjepan Radic i drzava Slovenaca, Hrvata i Srba, in: Radovi Zavoda za
Hrvatsku povijest 26/1993, S. 219-236.

408
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

Belgrad aufbrach, um die südslawischen Gebiete der untergegangenen Monarchie nun


der serbischen Dynastie zu unterstellen, reiste Radic nach Prag.
Schon 1919 verboten die neuen Machthaber im Königreich SHS die Zeitung der Bau­
ernpartei, in der er scharfe Angriffe gegen die serbischen Politiker richtete. Er betonte
nun seinen Republikanismus, forderte mit seiner Bauernpartei eine neutrale kroatische
Bauernrepublik und appellierte in diesem Sinne auch an den amerikanischen Präsiden­
ten Wilson. Nachdem die Pariser Zeitung „Temps“ am 16. März 1919 über seine
Forderungen an die in Paris tagende Friedenskonferenz berichtet hatte, erfolgte seine
erste Verhaftung im neugegründeten Staat. Fast ein ganzes Jahr mußte er ins Gefäng­
nis, mit ihm die halbe Führungsriege der Bauernpartei. Trotzdem konnte das Regime
die Unterschriftensammelaktion in Kroatien nicht verhindern. Anfang Mai hatten be­
reits mehr als 150.000 Menschen den an die Versailler Friedenskonferenz gerichteten
Appell für eine kroatische Republik unterschrieben. Nach den Erfahrungen in öster­
reich-ungarischen Gefängnissen, die er selber keinesfalls idealisiert hat, ist er im Ver­
gleich dazu über den brutalen, wie er es nennt „türkischen“, Umgang mit den Gefan­
genen im Königreich SHS schockiert. Er verbrachte fast die gesamte Zeit in Einzelhaft
und durfte offiziell weder lesen noch schreiben.272 Als er am 27. Februar 1920 aus
dem Gefängnis entlassen wurde, war noch immer nicht einmal eine Anklageschrift
formuliert worden. Doch ungebrochen setzte er sein politisches Engagement fort. Die
verbotene Parteizeitung „Dom“ benannte er in „Slobodni dom“ (Freies Heim) um
und schrieb wieder regimekritische Artikel. Schon am 21. März wurde er wieder ver­
haftet. Diesmal gab es eine Anklageschrift. Der königliche Staatsanwalt Franjo Urbany
warf ihm „Verbrechen gegen das Vaterland und den Herrscher“ vor, und führte alle
seine politischen Aktivitäten zwischen 1918 und 1920 auf. Die Verhandlung begann
im Juli 1920. „Slobodni dom“ durfte weiter erscheinen und publizierte die Anklage­
schrift im Wortlaut, die Unterstützung durch die kroatische Öffentlichkeit war groß.
Das Gericht zeigte sich davon aber nicht allzu beeindruckt und verurteilte ihn zu
zweieinhalb Jahren Haft. Vom Regenten begnadigt, kam er aber schon am Wahltag
zur Verfassungsgebenden Versammlung frei. Bei den Wahlen zum Belgrader Parlament
bekam seine Kroatische Volks- und Bauernpartei (HPSS) 230.660 Stimmen. Das waren
mehr Stimmen als alle anderen Parteien in Kroatien zusammen erhalten hatten.
Dem Verfassungsentwurf der Regierung stellte die demonstrativ in Kroatische Repu­
blikanische Bauernpartei (HRSS) umbenannte stärkste politische Kraft auf dem Gebiet
Kroatiens ihre „Verfassung der neutralen Bauernrepublik Kroatien“ entgegen. Diese
sah eine parlamentarische Demokratie vor. Das konnte die Verabschiedung der St.
Veitstag-Verfassung 1921 im Belgrader Parlament zwar nicht verhindern, die einen
zentralistisch-unitaristischen Aufbau des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowe­
nen vorsah, machte aber deutlich, daß die kroatischen Forderungen in einem unüber­
brückbaren Gegensatz zur Wirklichkeit des Gesamtstaats standen. Die „Einrichtung
des Staates oder Verfassung der neutralen Bauernrepublik Kroatien“, die die „republi-

272 Radic, Stjepan, Uznicke uspomene (Erinnerungen eines Gefangenen)!-III, Zagreb 1929.

409
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

kanische Abgeordnetenmehrheit“ in Zagreb am 1. April 1921 verabschiedet hatte,


hatte neben den politischen Implikationen auch eine mobilisierende Wirkung auf das
Dorf und die angesprochenen „kroatischen Bauern“, deren „Herrschaft“ in diesem
Verfassungsentwurf vorgesehen war.273 Als „plebiszitäre, friedliebende und neutrale
Bauernrepublik ohne stehendes Heer“ und „Gemeinschaft freier Heime (...) im Geiste
des alten Gewohnheitsrechts, und im Einklang mit dem heutigen Wollen und den
Bedürfnissen des Bauernvolkes“ war das angestrebte Staatswesen eine als alphabeti­
siertes großes Dorf gedachte Sozialidylle, in der „jedem die Früchte seiner Arbeit“
zustehen sollten. Das setzte eine radikale Agrarreform voraus, wie aus folgendem
Passus zu ersehen ist: „Alle Großgrundbesitze, eingeschlossen Wälder, staatlicher, pri­
vater und Kirchenbesitz werden grundsätzlich abgeschafft. Kein Besitz darf größer
sein, als der größte Bauernbesitz in der Gespanschaft. Ausnahmen davon, in Hinblick
auf Landwirtschaftsschulen, fortschrittliche (kooperative) Genossenschaftswirtschaft
und die Agrarindustrie regelt ein besonderes Gesetz.“274 Dieses, auf einzelnen Bauern­
heimen und Wirtschaftsgemeinden aufgebaute Kroatien, sollte ein lebendiger Teil der
„großen menschlichen Gemeinschaft“ werden, die sich „langsam aber sicher in einen
großen Welt-Bundesstaat wandelt“. Eintreten sollte die Republik Kroatien in diese
globale Föderation entweder allein, oder „in Absprache mit Slowenien, Serbien und
mit Bulgarien, als gleichberechtigtes Mitglied der jugoslawischen Bundesrepublik oder
direkt als Mitglied des Völkerbundes“.275
Die Realität sah bekanntlich anders aus: Radic und seine Partei betrachteten die Pro­
klamation des jugoslawischen Königreichs zwar als rechtlich ungültig und als „Usur­
pation“ der nationalen kroatischen Souveränitätsrechte durch das serbische Herr­
scherhaus, doch ändern konnte das am Status der kroatischen Länder vorerst nichts.
Am 11. Februar 1921 sandten die in Zagreb versammelten Abgeordneten der Kroati­
schen Bauernpartei eine „Adresse“ an den „serbischen Regenten“, in der ausführlich
auf die Vorgeschichte der Staatsgründung als Ausgangspunkt der bestehenden Kon­
flikte eingegangen wurde. Im Zentrum stand das Problem der nationalen Selbstbestim­
mung. Der kroatische Sabor habe am Ende des Ersten Weltkriegs beschlossen, nur in
eine solche Staatsgemeinschaft von Slowenen, Kroaten und Serben einzutreten, in der
die Konstituante völlig frei und ohne Majorisierung eines der Völker über Staatsform
und Staatsaufbau bestimmen könne. Da diese Voraussetzung mißachtet worden sei,
betrachte sich das kroatische Volk seit dem 1. Dezember 1918 (also seit seiner „Befrei­
ung“, wie man in Belgrad sagte) als „unterdrückt wie nie zuvor in seiner Geschichte“.
In bitteren Worten wurden alsdann die Gewalttaten der serbischen Armee in Kroatien,
die Außerkraftsetzung bürgerlicher Rechte und die hoheitlichen Eingriffe der Zentral­
regierung beklagt.276

273 Radic, Spisi, S. 366-393 u. Antonijevic, Trajko, Hrvatski ustavni program u Drzavi Srba,
Hrvata i Slovenaca, Beograd 1940.
274 Radic, Spisi, S. 369-375.
275 ebenda, S. 388.
276 Sundhaussen, Experiment Jugoslawien, S. 46 ff u. ders., Nationsbildung, S. 248 nach: Poruka

410
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

Wenn nun aber durch die „tägliche Konfrontation mit der serbischen Politik (...) die
nationale Individualität der Kroaten (und damit die Abkehr vom amtlichen Konstrukt
der „dreinamigen Nation“ von Serben, Kroaten und Slowenen) immer schärfere For­
men“ annahm, stellte sich die Frage, wie die Hinweise zu werten sind, daß die Kroati­
sche Bauernpartei nicht an eine völlige Auflösung der jugoslawischen Staatsgemein­
schaft dachte.277 In der „Verfassung für die neutrale Bauernrepublik Kroatien“, hieß
es, daß Kroatien in einen „frei vereinbarten Staatenbund (Konföderation) auf unserem
heute durch internationales Recht anerkannten gemeinsamen Territorium (Jugosla­
wien) überführt werden sollte. 278
Dies läßt sich sicher so interpretieren, daß der Führer der Bauernpartei „keine völlige
Separation Kroatiens, sondern die Umwandlung Jugoslawiens in eine Konföderation“
anstrebte. Doch wie lose diese „Konföderation“ beschaffen sein sollte, geht schon aus
der Zusammenfassung des vorgelegten Verfassungsentwurfs hervor.279 Dort hieß es:
„Neben wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten sollten auch die
Außen- und Verteidigungspolitik in die Kompetenz der kroatischen Republik fallen.
Ihr Verhältnis zu Serbien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina sollte durch die ver­
fassungsgebende Versammlung geregelt werden, sobald die Bestrebungen zur Majori-
sierung von serbischer Seite eingestellt würden. Ausdrücklich wurde der Bevölkerung
Dalmatiens, der ehemals südungarischen Gebiete (Banat, Batschka, Baranja) ebenso
wie Montenegros und Mazedoniens das volle Selbstbestimmungsrecht zugesprochen.
Die dortige Bevölkerung (also auch die Dalmatiens!) sollte durch Volksentscheid über
ihre nationale Zukunft selbst bestimmen.“ Und tatsächlich waren damit, auch wenn
diese kroatische „Verfassung“ nie faktische Geltung erlangte, die „grundlegenden Ele­
mente“ der kroatischen Forderungen der Zwischenkriegszeit: „die Individualität der
kroatischen Nation, das Recht auf nationale Selbstbestimmung und die Forderung
nach einem Umbau Jugoslawiens“ benannt, die „in einem scharfen und unüberbrück­
baren Gegensatz zu den Programmen der serbischen Nationalisten und zur ersten
Verfassung des jugoslawischen Staates von 1921“ standen. Das bald darauf verabschie­
dete „Gesetz zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und des Staatssystems“ ver­
stärkte die Repression gegen die soziale und nationale Opposition. Die Reaktion dar­
auf auf dem Gebiet Kroatiens war die Gründung eines „Kroatischen Blocks“ (Hrvat-

zastupnicke republikanske vecine Banske Hrvatske regentu Srbije Aleksandru od 11. veljace
1921. (Adresse der republikanischen Abgeordnetenmehrheit Banal-Kroatiens an den Regen­
ten Serbiens, Aleksandar, v. 11.02.1921), in: Radio: Politicki spisi, S. 346ff.
277 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 248.
278 Drzavno uredenje ili Ustav neutralne seljacke republike Hrvatske (Die Organisation des Staa­
tes oder Verfassung der neutralen Bauernrepublik Kroatien), in Kulundzic (Hg.), S. 366ff.;
Sundhaussen, Nationsbildung, S. 249.
279 Diese Verfassung unterschied sich in der Tat „grundlegend“ von früheren oder spätem groß­
kroatischen Forderungen, und argumentierte nur insofern mythisch-historisch, als „keinerlei
Hinweis auf die Anerkennung einer serbischen Nationalität in Kroatien“ enthalten war. Sund­
haussen, Nationsbildung, S. 249.

411
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

ski blök), zu dem neben der HRSS die „Kroatische Gemeinschaft“ (Hrvatska zajed-
nica), die „Kroatische Rechtspartei“ (Hrvatska stranka prava) und der „Kroatische
Arbeiterbund“ (Hrvatski radnicki savez) gehörten.
Ein „Memorandum“ dieses Kroatischen Blocks wollte die „öffentliche Meinung der
zivilisierten Welt, und besonders die Delegierten der Konferenz von Genua“ durch
alle gewählten kroatischen Parlamentsabgeordneten in Kenntnis setzten, daß die „poli­
tische Unabhängigkeit Kroatiens rechtlich niemals unterbrochen wurde und Kroatien
immer ein Staat mit eigenem Territorium, eigenem Parlament und eigener Regierung
(...) gewesen war.“280 Das „in der kroatischen Hauptstadt Zagreb am 14. Januar 1923“
datierte Dokument sprach dem gegründeten Königreich SHS jegliche Legitimität ab,
da „weder das kroatische Parlament, und erst recht nicht das kroatische Volk“ der
Staatsgründung zugestimmt hätten. Der „unbeugsame Wille, bis zum Ende das Recht
auf Selbstbestimmung des kroatischen Volkes und Staates gegen die Tyrannei der Bel­
grader Regierung zu schützen“, wurde bekundet. Es war die Rede von „167.000 Un­
terschriften“, die der Pariser Friedenskonferenz in diesem Sinne zugeleitet wurden.
Dies würde einem „republikanischen Plebiszit“ gleichkommen, das am Tag der Parla­
mentswahlen (28.6.1920) stattgefunden habe. Bei der „grandiosen Proklamation einer
neutralen kroatischen Bauernrepublik am 8.12.1920 in Zagreb" hätten „80.000 Mitglie­
der der Kroatischen Republikanischen Bauernpartei, wie auch 52 Volksabgeordnete,
dem kroatischen Vaterland und der kroatischen Republik den Treueeid geschworen“.
Darüberhinaus wurden weitere Akte der „legalen und beinahe einmütigen Opposition
eines ganzen Volkes“ gegen die „Politik der barbarischen und brutalen Gewalt, die
(...) Kroatien balkanisiert“ habe, aufgezählt.
Gelegenheiten, die nationale Unterdrückung zu beklagen, sollten sich in der Zukunft
noch häufig ergeben. Doch immer wieder wurden die hier vorgebrachten Grundge­
danken herausgestrichen.
Die Bauernpartei bzw. der Kroatische Block wurden in der jugoslawischen Ge­
schichtsschreibung nach dem 2. Weltkrieg (was von der westlichen Forschung über­
nommen wurde) ,in Schutz genommen“, daß sie „nicht separatistisch“ gewesen seien,
da die „Notwendigkeit eines jugoslawischen Rahmens für Kroatien“ von Stjepan Ra-
dic nicht selten betont worden sei. Auch in oben zitiertem Memorandum finde sich
die Idee der Notwendigkeit der „Vielvölkergemeinschaft der Serben, Kroaten und
Slowenen“. Es könne daher „nicht begründet die Rede von Separatismus sein“.281
Zitiert man aber den ganzen entsprechenden Satz des Memorandums wird deutlich,
daß es sehr wohl zwei begründete Lesarten gibt. Gegen Schluß des Dokuments hieß
es nämlich: „Die Verwirklichung der wahrhaften Souveränität Kroatiens oder (Her-
vorh. A. J.) der Anerkennung des kroatischen Staates in den gemeinsamen Grenzen
der Vielvölkergemeinschaft der Serben, Kroaten und Slowenen, wird so eine europäi-

280 Memorandum HRSS povodom medjunarodne konferencije u Genovi, in: Politika v. 8. Fe­
bruar 1922.
281 Culinovic, Slom Stare Jugoslavije, S. 67f.

412
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

sehe Notwendigkeit, offensichtlich für alle Verfechter des (Versailler) Systems“. Wie
die „Souveränität Kroatiens“ zu verwirklichen war, sollte sich später zeigen. Man kann
wohl davon ausgehen, daß für die meisten Anhänger der Kroatischen Bauernpartei
„Jugoslavija jedan svindl“ (Jugoslawien ein Schwindel) war, wie Radic immer wieder
betonte.282 Politische Morde als Mittel der großserbischen Politik283 und der durch
Zensur und repressive Gesetze geschützte zentralistische Staatsaufbau,284 wo Beleidi­
gung von Mitgliedern des Königshauses als „schweres Verbrechen“ galt und Prügel­
strafen und Gefängnis an der Tagesordnung waren, steigerten die Unzufriedenheit in
den ehemals österreich-ungarischen Landesteilen.285 Die vom Innenminister Pribice-
vic und dem Regenten konsequent und gewalttätig mit Hilfe von Armee und Polizei
betriebene Zentralisierungspolitik nach der Vereinigung ist ausführlich beschrieben
worden.286 Auch der staatliche Terror im Königreich SHS und späteren Jugoslawien
gegen kroatische und andere Regimegegner, der bis hin zu politischen Morden ging,
konnte in den letzten Jahren genauer dokumentiert werden.287 Die Reaktionen auf
den immer rigideren Belgrader Zentralismus und einen offen zur Schau getragenen
Uberlegenheitsdünkel gegenüber den „befreiten“ Slowenen und Kroaten wurden im-

282 Horvat, Josip, Politicka povijest Hrvatske 1918-1929, 2. Bd., S. 345ff.; Muzic, Stjepan Radic,
S. 172; Jutarnji list v. 14.07.1924, hier zit. nach Culinovic, S. 70.
283 Jovanovic, Rajko, Glavnjaca kao sistem ((Das Gefängnis) Glavnjaca als System), Zagreb 1928.
284 Zur Vidovdan-Verfassung Horvat, J., Politicka povijest Hrvatske (Pol. Geschichte Kroatiens),
Zagreb 1939 (Neuaufl. 1989), Bd. II, S. 199ff.; Horvat, Rudolf, Hrvatska na mucilistu, Zagreb
1942 (Neuaufl. 1992), S. 107ff.; Drljevic, Sekula, Balkanski sukobi 1905-1941 (Balkanische
Konflikte 1905-41), Zagreb 1944 (Neuaufl. 1990), S. 113ff.; Gligorijevic, Branislav, Demo-
kratska stranka i politicki odnosi u Kraljevini SHS (Die Dem. Partei u. die pol. Verh. im
Kgr. SHS), Beograd 1970, S. 202ff.; Tudman, Franjo, Hrvatska u monarhistickoj Jugoslaviji
(Kroatien im monarchistischen Jug.), Zagreb 1993, Bd. I, S. 342ff.
285 Janjatovic, Bosiljka, Hrvatska 1928.-1934. godine: vrijeme organiziranih politickih ubojstava
(Kroatien 1928-34: die Zeit der organisierten pol. Morde), in: Povijesni prilozi, Nr. 13/1994,
S. 219-244, hier S. 220, die zahlreiche Fälle des Terrors des Regimes aufzählt. Auch dies.,
Represija spram hrvatskih seljaka (Repression gegen die kroat. Bauern), in: Casopis za suvre-
menu povijest, Nr. 1/1993, S. 23-43 u. dies., Progon triju politickih grupaeija u Hrvatskoj
(1918-1921) (Verfolgung dreier pol. Gruppierungen in Kroatien), in: Historijski zbornik,
XVL/1992, S. 89-104.
286 Vgl. zuletzt Janjatovic, Bosiljka, Karadordevicevska centralizacija i polozaj Hrvatske u Kral-
jevstvu (Kraljevini) SHS (Die Zentralisierungspolitik der Dynastie K. u. die Stellung Kroatiens
im Königtum (Königreich) SHS), in: Casopis za suvremenu povijest 1/1995, S. 55-76; darin,
u. in oben angeführten Arbeiten, genaue Chronologie der Verwaltungszentralisierung u. zahl­
reiche Belege für die, ihrer Meinung nach, „konstante Repression gegen Kroatien und das
kroatische Volk“; Zur zeitgen. Rechtfertigung d. Gewaltpolitik der Armee Rojc, Milan, Za
bolju buduenost nase Kraljevine (Für eine bessere Zukunft unseres Kgr.), Zagreb 1920 u.
ders., Prilike u Hrvatskoj (Die Verh. in Kroatien), in: Nova Evropa, Zagreb 2/1921, S. 46-
71.
287 Janjatovic, Bosiljka/Strcic, Petar, O ubojstvu Dr. Milana Sufflaya (Über den Mord an Dr.
M.S.), in: Historijski zbornik, god. XLVI 1/1993, S. 89-107.

413
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

mer heftiger. „Die herabsetzenden Vorwürfe bezüglich unserer „Befreiung“, die


schweren materiellen Belastungen, die wir zum Dank für die „Befreiung“ jetzt zu
entrichten haben, die Mißachtung unserer historischen Rechte“ und die Titulierung als
„Schwaben“ (Deutsche) hätten den „Antagonismus verschärft“, schrieben slowenische
Zeitungen. Die teilweise maßlosen Angriffe auf Slowenen und Kroaten in der serbi­
schen Presse288 wurden als Beleidigung und Provokation empfunden.289 Der Kampf
serbischer Politiker gegen den „österreichischen Geist“, den sie hauptsächlich in der
republikanisch orientierten Kroatischen Bauernpartei bzw. in deren Führer Stjepan
Radic verkörpert sahen, nahm immer maßlosere Formen an. Die österreichischen Me­
thoden (gemeint war ein Bittgesuch der Kroatischen Gemeinschaft, das eine Delega­
tion kroatischer Politiker dem König überbrachte) sind nicht für dieses Land“; diese
Leute „austrijskog mentaliteta“ dürften ohne Regierungsgenehmigung gar nicht vor
den König treten, schäumten die unitaristischen Politiker.290 Es ist gezeigt worden,
mit welchem Haß z.B. die in Belgrad erscheinenden Zeitungen „Balkan“ oder der
„Jugoslovenski Pijemont“ in den 20er Jahren die kroatischen und slowenischen Politi­
ker angriffen.291 Vor allem Stjepan Radic wurde immer wieder als pathologischer
Demagoge denunziert.292
Doch man blieb den maßlosen Angriffen auf das „schwarz-gelbe Schlangennest“, wel­
ches sich „gegen den Staat“ verschworen hättte,293 - gemeint war ganz Zagreb -

288 Vgl. die Zeitungen „Selo“ (Das Dorf), die vom serbischen Landarbeiterklub (Zemljoradnicki
klub) herausgeg. wurde, „Srpska zora“ (Serbische Morgenröte), „Srpska rijec“ (Das serbische
Wort) aus Sarajevo, „Zastava“ (Fahne) aus Novi Sad, „Srbija“ aus Mitrovica oder „Balkan“
aus Belgrad.
289 Kaj je balkanizem (Was ist Balkanismus?), in: Straza v. 2. Mai 1921, hier zit nach Zecevic,
Momcilo, Slovenska Ljudska Stranka i Jugoslovensko ujedinjenje 1917-1921. Od Majske
deklaracije do Vidovdanskog ustava (Die Slowenische Volkspartei und die jug. Vereinigung.
Von der Mai-Deklaration bis zur St. Veits-Verf.), Beograd 1973, S. 449.
290 Drinkovic, Mate, Hrvtska i drzavna politika (Kroatien und die staatliche Politik), Zagreb
1928, S. 52.
291 Ivanisevic, Alojz, Das Österreichbild der Serben und Kroaten, in: Berliner Jahrbuch für osteu­
ropäische Geschichte 1994/2. Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert: Fremde Wege-Eigene
Wege, hg. v. Günter Schödl, Berlin 1994, S. 65-86, hier S. 70f.; Bezeichnend auch die vulgären
und haßerfüllten Kommentare serbischer Politiker und des Königs gegen Radic, wie sie Ivan
Mestrovic in seinen Erinnerungen (z.B. S. 183f.) überliefert hat. Zur Politik von Pasic die
angef. Arbeiten von A. Dragnich, Dorde Stankovic, Dragoslav Jankovic u. Vukovic-Bircanin.
292 Vgl. Korac, Vitomir, Stipica Radic. Pokusaj biografije jednog politickog sarlatana (Versuch
der Biographie eines politischen Scharlatans), in: Samouprava XIX/1924, 192, S. 1-2, hier zit.
nach Muzic, S. 187f., wo zu seinen drei erfolgreichsten demagogischen Parolen gezählt wurde:
„ein eigenständiger kroatischer Staat, eine neutrale und pazifistische Republik und der Haß
auf die Serben“. Für letzteres blieb der Sozialist Korac, wie alle anderen Feinde Radies, die
diese Behauptung ständig wiederholten, den Nachweis jedoch schuldig.
293 So der durchgehende Tenor im „Dalmatinski Radikal“ des Nikola Subotic, der die hetzerisch­
sten Artikel des Balkan (Ausg. v. 11.04.1924) im Wortlaut übernahm und versuchte in Dalma­
tien zu verbreiten.

414
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

beispielsweise im „Dalmatinski Hrvat“ (Der dalmatinische Kroate) nicht viel schuldig.


Die ehemaligen dalmatinischen Reichsrats- und Landtagsabgeordneten, wie Josip
Smodlaka und Don Frane Ivansevic, wurden scharf angegangen. „Das Volk“ sei eben
jetzt geschlossen für die kroatische Idee und habe sich, enttäuscht von den ehemaligen
Vertretern, die nun im jugoslawischen Lager bei seinen Unterdrückern zu finden seien,
abgewandt.294 Die Zeitung war voller Beispiele von wirklichen und vermeintlichen
Ungerechtigkeiten, die gegen Kroaten begangen wurden, und entdeckte in den „Srbi-
janci“ (den Serben aus Serbien) den Grund allen Übels. Der „diskursive Umgang
unterschiedlicher Kulturen“ (Wolf Lepenies) vollzog sich zwischen den Anhängern
eines exklusiv kroatischen und denen eines serbischen bzw. jugoslawischen Nationa­
lismus bald nur noch in Form gegenseitiger Hetzreden. Dabei war wohl weniger der
„Narzißmus des kleinen Unterschieds“, den Freud als Grund für die gehässigsten
Feindschaften benannte, schuld, sondern die Tatsache, daß für immer mehr kroatische
Politiker die angestrebte eigene Nation zum letzten Horizont des Denkens wurde.
Der kroatische wie jeder andere Nationalismus strebt nach Abgrenzung. Ein beson­
ders wirksames Mittel waren nationale Vorurteile - sowohl in Form von Autostereo­
typen als auch in Form von Fremdstereotypen, die die Zeitung in jeder Ausgabe
in großer Zahl veröffentlichte. Die Selbstidentifikation erfolgte durch Adaption und
Ideologisierung verschiedener Kriterien der Gruppenzugehörigkeit, die, nach Mei­
nung der Artikelschreiber, die Kroaten eindeutig von den Serben unterschieden.295
Berichte, wie der über „Angriffe der Spliter Sokol-Mitglieder auf Kroaten in Supetar“,
wobei auch der „beliebte Ortspfarrer Don Miho Pusic“ verletzt worden sei, sorgten
für Aufruhr und suggerierten, daß alle kroatisch-national Denkenden akut bedroht
seien. Auch die „terroristischen Aktivitäten“ von bewaffneter Orjuna und Srnao (aus
den Beständen Wrangels wurde gemutmaßt) spielten eine große Rolle in der Berichter­
stattung, während eigene Verbände wie „Hanao, die als Reaktion auf die Angriffe“
entstanden seien und noch immer darauf warten zugelassen zu werden, nur der legiti­
men Notwehr dienen würden.
Von „Gleichberechtigung“ im Staat konnten die kroatischen Leserbrief- und Artikel­
schreiber in der „Dalmatinska Hrvatska“ nichts entdecken.296 Doch „Jos Hrvatska

294 Dalmatinski Hrvat - Novine za prosvjetu, gospodarstvo i politiku dalmatinske Hrvatske-


Sibenik (Der Dalm. Kroate - Zeitung für Bildung, Wirtschaft und Politik des dalmatinischen
Kroatien) (2. Jahrgang), Nr. 28 v. 28.07.1923.
295 Als Kriterien eigneten sich, nach Meinung des „Dalmatinski Hrvat“, Sprache, Abstammung,
Territorium, Geschichte, Kultur usw.. Alle Kriterien, die ein „positives Vorurteil über die
eigene Gruppe und negative Vorurteile über die Fremdgruppen“ implizierten (Sundhaussen,
Nationsbildung, S. 244) wurden angewandt.
296 Alle Topoi kroatisch-nationalistischer Kritik wurden von der, historisch der Rechtspartei na­
hestehenden, Zeitung geprägt, die seitdem immer wieder Verwendung fanden: Die Illusionen
der „kroatischen politischen Naivlinge“ 1918 seien bald „ins Wasser gefallen“; „von Anfang
an“ sei in Dalmatien das groß-serbische Regime zu spüren gewesen, was am Besten in den
staatlichen Diensten sichtbar wird, der Gendarmerie und der in allen Teilen Dalmatiens gut

415
Vomintegral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

nij’ propala“ (Noch ist Kroatien nicht verloren) rief die Redaktion den ironisch so
genannten „großmütigen Befreiern“ zu. In Glossen wurde die blutrünstige serbische
Folklore, v. a. die Geschichten des Kraljevic Marko, nicht als Heldentaten, sondern als
„Verbrechen nach dem österreichischen Strafgesetzbuch“ karikiert. Der Prügel, mit
dem die Sagengestalt zahllose Männer und Frauen erschlagen hätte, sei „vom Major
Stojan 1918 nach Split gebracht und den Advokaten Smodlaka, Skarica, Majstorovic
und Grisogono“ übergeben worden. Nun würde „die Keule in der Redaktion von
„Novo doba“ von zwei Vinkos bewacht. Vinko Brajevic, Festredner bei der Einwei­
hung des Denkmals für Franz Joseph in Trogir, und dem kleinen Vinko Kisic, einem
Inspektor der österreich-ungarischen Kriegsmarine im Ruhestand.“297
In allen Polemiken tauchte immer wieder ein Gedanke auf: Der Jugoslawismus sei
nur Lug und Trug, ein Mittel, die naiven Kroaten zu dominieren. Unter sich würden
die Serben nach wie vor offen großserbisch reden und handeln.298 Besonders die ehe­
maligen „Kriegsfreiwilligen“ und heutigen „neuen Nationalisten“ waren dem „Dalma­
tinischen Kroaten“ ein Dorn im Auge. Manchmal mit, manchmal ohne Namensnen­
nung wurden die „staatsbildenden Elemente“ als faul, korrupt, etc. gebrandmarkt, die
als verkaufte Seelen ihre Brüder, die Kroaten, um des eigenen Vorteils willen im Na­
men des Staates verfolgen würden. Ein gefundenes Fressen waren Personen, wie „Pro­
fessor Roca“, der die Wandlung vom „Mitglied des Flottenvereins über die Demokra­
tische, über die Landarbeiter Partei, bis zur Orjuna in Rekordzeit hinter sich brachte“
und überall „große Reden schwang“.
Die Zeitung wurde häufig verboten, und Kommentare unter der Überschrift „Wiener
Knechte - wir haben keine Angst vor euch“ waren die Reaktion darauf sowie Aufrufe
gegen die „Verräter des kroatischen Volkes.“299 Gemeint waren natürlich wieder die
„neuen Jugoslawen“, die den Kampf um „Gleichberechtigung mit den Serben“ nicht
unterstützten. Die Saat des Hasses war jedenfalls auf beiden Seiten gesät und wartete
darauf aufzugehen. Die „epistemologische Katastrophe“ (Karl Deutsch)300 war in der

verteilten Armee“; die „Groß-Serben und Unitaristen“ hielten demnach „die Macht in Ver­
waltung und Gesellschaft in Händen“, diktierten die „Steuerpolitik“ und bluteten die Region
„wirtschaftlich aus;“ sie „entschieden über die Besetzung von Staatsposten, in der Armee, der
geheimen und normalen Polizei, in der Diplomatie“; Obad, Dalmacija u Ozanicevo doba,
S. 31.
297 Dalmatinski Hrvat v. 21.07.1923, S. 1.
298 Hundertfach taucht in der kroatischen zeitgen. Publizistik dieser Topos auf. Vgl. die geschil­
derten Erfahrung von Filip Lukas, des späteren Vorsitzenden der größten kroatischen Kuhur­
gesellschaft „Matica hrvatska“ (1928-1945), wo gleichfalls die Enttäuschung des bis 1918
glühenden Jugoslawen deutlich wird angesichts der machtpolitischen Realitäten, erst recht,
als in Kroatien überwundene Herrschaftsmethoden Einzug hielten, wie die Prügelstrafe etc.;
vgl. Zadarska smotra 3 (Jurisicev zbornik), 1992/1992, S. 103-131.
299 Dalmatinski Hrvat v. 05.08.1923, S. 1.
300 Hier wird darunter eine „extrem einseitige Selektion bei der Wahrnehmung von Tatsachen,
unabhängig von deren Wahrheitsgehalt“ verstanden. Holm Sundhaussen hat es folgenderma­
ßen definiert: „Ein Nationalist nimmt vorzugsweise diejenigen Informationen und Nachrich-

416
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

Presselandschaft Dalmatiens offensichtlich. Faktisch herrschte schon damals eine Art


kalter Bürgerkrieg. In jeder Ausgabe ist die Rede von Schlägereien, Überfällen auf
Parteibüros, Mißhandlungen durch Polizei oder regimetreue Kräfte.
Ein „zäher Kampf“ auch der „dalmatinischen Kroaten“ stand nach Meinung der HSS
und seinen Symphatisanten bevor. „Novo doba“ und anderen Regime-Zeitungen
wurde vorgeworfen, all die Fälle von Terror gegen Kroaten seitens der Polizei oder
durch serbische bzw. jugoslawische Verbände totzuschweigen. Auch die an die „mit­
telalterliche Inquisition erinnernden Foltermethoden der Spliter Polizei“ blieben in
den Regimeblättern unerwähnt. Der Chef der Polizeiwache von Split, „Bojanic, und
ein Polizeiwachtmeister Curkovic“ hätten mit Prügeln und Revolvern „16 unschuldig
verhaftete Arbeiter“ maltretiert. Es sei bekannt, daß die Polizisten der serbischen Ra­
dikalen Partei angehören würden.301 Damit, daß der Polizeichef Curkovic mit 500
Dinar Geldstrafe und drei Polizisten wegen der Mißhandlungen mit 15 bzw. 8 Tagen
Haft und der dritte mit einer Geldstrafe von 100 Dinar bestraft wurden, sei der Ge­
rechtigkeit „bei weitem“ nicht genüge getan, „alle Polizeiwachen“ seien „mit dem
Blute der unschuldigen Anhänger der Opposition besudelt“.302
Aus so gut wie jedem Artikel sprach die Empörung über eine Wirklichkeit, die als
fremdbestimmt empfunden wurde. Ante Trumbic303 und Stjepan Radic waren dagegen
die Lichtgestalten, die das kroatische Volk erlösen würden.304 Vor allem der „kroati­
sche Bauer“ in Dalmatien hätte „das reine Kroatentum“ immer bewahrt und vertei­
digt. Das „jugoslavenstvo“ sei die Sache von ein paar Städtern.305 Immer ging es um
„wirtschaftliche Selbstständigkeit“ und „Freiheit“. Man wollte „Herr im eigenen
Haus“ sein.306 Die Gründung eines „Kroatischen Klubs“ in Split, in den sich am
ersten Tag gleich 500 Mitglieder eingeschrieben hätten, sei „die Rückkehr der Stadt
zum reinen Kroatentum“. Damit sei „dem sogenannten Jugoslawismus und den Asia­
ten, die ihn unterstützt haben, der letzte und endgültige Schlag“ versetzt worden.307
Provokationen, wie die, als bei einer Prozession zu Ehren der Jungfrau Maria in Sibe-
nik, wo von den ca. 15.000 Einwohnern fast alle katholisch waren, die „Mutter Gottes
äußerst vulgär“ von einem (betrunkenen) serbischen Nationalisten beschimpft wurde,

ten wahr, die seinem nationalen Sprach- und Kulturcode entsprechen. Was damit nicht verein­
bar ist, fällt durch das Selektionsraster durch“; Sundhaussen, Das Ustasa-Syndrom, hier F 2,
S. 150.
301 Dalmatinski Hrvat v. 18.08.1923, S. 3. Unter den Mißhandelten befand sich Ivo Marie.
302 Dalmatinski Hrvat v. 22.09.1923, S. 1 Prügelorgien der Polizei wurden en detail häufig be­
schrieben, z.B. Nr. 39 v. 17.10.1923.
303 Jedes Auftreten von Trumbic in Dalmatien wurde zum „Kroatische Fest“ erklärt und die
Zeitung überbot sich mit glanzvollen Beschreibungen der Menge der jubelnden kroatischen
Patrioten jedesmal selbst, Vgl. Nr. 45 v. 17.11.1923.
304 Dalmatinski Hrvat v. 29.09. und v. 22.10.1923.
305 Dalmatinski Hrvat v. 22.10.1923.
306 ebenda.
307 Dalmatinski Hrvat v. 10.11.1923.

417
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis

brachten das Blut der kroatischen Gläubigen und Nationalisten in Wallung.308 Beru­
fung und Erinnerung an das eigene Königreich und den eigenen Staat, den die Kroaten
schon vor 1000 Jahren gehabt hätten, brachte da Linderung. Gleichzeitig waren all die
Geschichtsmythen Ansporn für den „heutigen Kampf des kroatischen Volkes, für
seine politische, ökonomische und personelle Freiheit“. Vorerst solle mit der „Waffe
der Kultur und des Fortschritts“ versucht werden, diese Ziele zu erreichen. Von der
Orjuna Erschlagene, wie Marko Ivankovic aus Dubrovnik, wurden zu Märtyrern der
kroatischen Sache, desgleichen wurden die „gesetzlosen Zustände“ auf den Polizeiwa­
chen wachsam registriert. Folge waren zahlreiche Beschlagnahmen des Blattes. Zum
5. Jahrestag der Vereinigung war die Rede vom „Verrat an den Kroaten“ und der
baldige „Tod“ dieses Staates wurde vorausgesagt. Die Aufmärsche der Demokraten
und Orjuna seien nur mehr ein Schwanengesang. Das Strafmaß in Sibenik für die Rufe
„Es lebe Zagreb“ oder „Es lebe Kroatien“, wenn Polizei in der Nähe war, variierte
zwischen 10 und 20 Tagen Kerkerhaft („tamnica“).
Unterschiede zu Serben wurden gesucht und gefunden: Der „orthodoxe Bischof“
hätte seinen eigenen Salonwagen, der katholische müsse 2. Klasse fahren. Eingeschrie­
bene Briefe und Telegramme, sowie Protokolle von öffentlichen Institutionen würden
„ausschließlich auf kyrillisch (Flervorh. im Original) verfaßt, so daß das Volk in den
meisten Fällen unterschrieb, ohne zu wissen, was es unterschrieben hat.“ Der „Dalma­
tinische Kroate“ fragte sich: „Wer hat die Amtsstuben dazu ermächtigt, so zu verfah­
ren. Es wird wohl aus Liebe und brüderlicher Gleichberechtigung so sein!“309 Die
Ratifikation der Römischen Verträge, mit denen Zadar, Rijeka etc. an Italien fielen,
war ein „riesiger nationaler Verlust“ für die kroatischen Parteien, den die ihnen nahe­
stehenden Blätter entsprechend publizistisch auszuwerten versuchten. In Split fing das
Blatt „Hrvatska Rijec“ (Das kroatische Wort) ab April 1924 an, täglich zu erscheinen,
was zeige, daß auch in Split „die Zeit, als ein Kroate seine kroatische Nationalität
nicht öffentlich bekennen durfte und als die Zeitungen der Kroaten verbrannt und
vernichtet wurden“, vorbei war.
Die Einschätzung, daß Stjepan Radic zu Zeiten Österreich-Ungarns „ein erbitterter
Gegner des dualistischen Systems, zugleich aber ein unermüdlicher Streiter für den
Erhalt der Donaumonarchie war“, aber nach 1918 der Kurs der Bauernpartei „keines­
wegs von einer Österreich-Nostalgie geprägt (war), wie es die Belgrader Machthaber
behaupteten“, entspricht der Quellenlage. Tatsächlich wurde in den kroatischen Zei­
tungen der Zwischenkriegszeit kaum den „guten alten Zeiten“ nachgeweint, allerdings
bei einem Vergleich zwischen Belgrader und Wiener Kroatienpolitik wurde jene viel
negativer bewertet als diese. Das alte Österreich-Ungarn erschien überdies im Ver­
gleich mit dem neuen südslawischen Staat als Inbegriff der Freiheit und Demokratie.
So schrieb z.B. der Zagreber „Hrvatski Hst“ - verärgert über die antikroatische Pro­
paganda in serbischen Zeitungen - am 6.2.1921 folgendes: „Wäre es für uns Kroaten

308 Dalmatinski Hrvat v. 25.08./15.09./31.11./01.12./10.12.1923.


309 Dalmatinski Hrvat v. 02.09./01.03./12.04.1924.

418
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

nicht beleidigend, müßten wir lachen, wenn wir hören, wie man emphatisch verkün­
det, daß wir ,befreit“ worden seien, daß uns der serbische Bauer mit seinem Blut
,befreit“ hätte. Der serbische Bauer konnte leider niemanden befreien, da er selbst
nicht frei war. Es gab zwar auch vor dem Krieg ein freies Serbien, aber weder vor
noch nach dem Krieg gab es freie Serben. Serbien hatte, was wir Kroaten nicht hat­
ten - einen freien Staat, es hatte aber nicht das, was wir hatten - die freien Bürger.“310
Auch wiesen die Propagandisten der Bauernpartei darauf hin, daß die schöne Idee des
Jugoslawismus eben doch nur „eine Idee der Slowenen und uns Kroaten“ gewesen
war.311 Tatsächlich würde eine Politik betrieben, von der die Mehrheit in Kroatien
überzeugt sei, daß sie gegen ihre Interessen gerichtet ist.
Die Wahlen vom 18. März 1923 bei denen die HRSS 473.733 Stimmen bekam, wurden
bereits angeführt. Die Partei von Radic wurde zur zweitstärksten Partei im Gesamt­
staat, nach den serbischen Radikalen. Bei einer großen Rede vor 100.000 Anhängern
bei Zagreb vom 15. April 1923 machte Radic deutlich, daß „wir das kroatische Volk
und der kroatische Staat sind“. Zum Jahrestag der Erstürmung der Bastille, am 14.
Juli, betonte er, daß die einzige Lösung, die für die Kroaten akzeptabel wäre, eine
Konföderation sei und sich, nach den Erfahrungen mit dem Regime-Terror, „kein
Mensch in unseren Reihen mehr finden wird, der sagen wird, daß wir und die Serben
ein Volk sind. Der Henker und sein Opfer sind nicht dasselbe“.312 Vergeblich jedoch
versuchte er, im westlichen Ausland Verbündete für diese Idee zu finden. Nur in
Moskau, wo er seine Partei zum Mitglied der Bauerninternationale machte, stieß er
auf offene Ohren. Eine Neuauflage der Pasic-Pribicevic-Koalition in Belgrad ver­
schärfte im Auftrag und mit Unterstützung des Königs die Repression gegen die Kroa­
tische Bauernpartei. Diesmal wurde die gesamte Parteiführung (S. Radic, V. Macek,
A. Kosutic, J. Krnjevic, J. Predavec und Stj. Kosutic) verhaftet. Bei den Wahlen vom
5. Februar 1925 bekam die Liste der HRSS nichtsdestotrotz 532.872 Stimmen, mehr
als je zuvor.313
Infolge des gewaltigen Drucks des Regimes änderte die Partei, d. h. ihr Führer Radic,
die Taktik und beteiligte sich an der Regierung in Belgrad.314 Am 18. Juli wurde

310 Vgl. Hrvatski list v. 6.2.1921, hier zit. nach Ivanisevic, S. 84.
311 Vgl. Jutarnji list v. 14.07.1924, hier zit. nach Culinovic, Slom Stare Jugoslavije, S. 73f.
312 Text der Rede von Borongaj (Borongajska skupstina) in: Radic, Politicki spisi, S. 414-424,
Muzic, S. 121f.
313 Radic verstand sich zusehends als einziger legitimer „Interpret und Beschützer aller kroati­
schen staatlichen und nationalen Rechte und der kroatischen wirtschaftlichen und kulturellen
Forderungen“; AH, Ostavstina S. Radica, kut. 1 (Archiv Kroatiens - Zagreb, Nachlaß S. R.),
hier zit. nach Ocak, Ivan, Hrvatsko-ruske veze (Die kroatisch-russischen Beziehungen), Za­
greb 1993, S. 142, dort auch detaillierte Schilderung der Geschichte des Beitritts der Kroat.
Bauernpartei zur Bauerninternationale in Moskau 1924/25, S. 129-143.
314 Im Tagebuch von Tresic Pavicic, das auch Muzic (S. 206) zitiert, findet sich unter dem Datum
4. August 1924 der Eintrag: „Hr. Ljubomir Zivkovic (Abgeordneter der Radikalen Partei,
A. J.) sagt mir, daß Radic und alle anderen verhafteten Führer seiner Partei zum Tode verur­
teilt worden wären, ohne Begnadigung, wenn sie nicht vollständig kapituliert hätten.“

419
Vom ,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

Radic aus dem Gefängnis entlassen und es kam zu einer „Regierung der nationalen
Vereinbarung“ (Vlada narodnog sporazuma) von Bauern- und Radikaler Partei. Zu
den vier der Bauernpartei zugestandenen Ressorts (Ministerium für die Durchführung
der Agrarreform, Post und Telegraphie, Handel und Industrie und das für Forst und
Bergwerke zuständige) kam im November 1925 das Erziehungsministerium, das Radic
selbst übernahm.315 Aus Protest gegen die neue Politik der Bauernpartei spalteten sich
einige vormalige Mitglieder des „Kroatischen Blocks“ ab und gründeten mit HSS-
Dissidenten zusammen die „Kroatische Föderalistische Bauernpartei“ (HFSS) unter
der Führung von Ante Trumbic und Ivan Lorkovic. Wie von seinen Kritikern inner­
halb Kroatiens vorausgesehen, erlitt diese Politik bei den Wahlen am 11.09.1927
Schiffbruch. Nur noch 381.370 Wähler, und nun im ganzen Land, stimmten für die
Bauernpartei.
Durch Vermittlung des montenegrinischen Föderalisten Sekula Drljevic nahm Radic
Kontakt zu seinem ehemaligen Studienkollegen, dann Erzfeind, Svetozar Pribicevic
auf, dem Führer der Selbständigen Demokraten. Im Oktober 1927 wurde die „Bauern-
Demokraten-Koalition“ (Seljacko-demokratska koalicija) gegründet. Die Bildung der
Bauern-Demokraten-Koalition 1927 und der verstärkte Widerstand gegen den Belgra­
der Zentralismus machte die Partei zur Volksbewegung. Nach dem Attentat im Bel­
grader Parlament trat der Führer der Kroatischen Föderalistischen Bauernpartei, Ante
Trumbic, der Bauernpartei bei und auch die Rechtspartei unter Pavelic arbeitete bis
zur Gründung der Ustasa und dem Gang in die Emigration mit ihr zusammen. Im
Grunde handelte es sich nun um eine vereinigte Opposition von Serben und Kroaten
aus den ehemaligen k.u.k.-Gebieten gegen die als korrupt und hegemonistisch emp­
fundene Politik der Radikalen Partei. Diese „precanski front“316 hielt trotz starker
Belastungsproben bis 1941! Der Einheitsgedanke wurde von Radic 1927/28 etwas
anders formuliert, jetzt nannte er Kroaten und Serben aus Kroatien „ein Volk“ und
forderte einen „freien Staat“.
Der Kampf des Regimes gegen Radic wurde immer schärfer, trotz des ministriellen
Intermezzos. Nicht nur Vladimir Ristovic, der die zweimal in der Woche erscheinende
Zeitung „Jedinstvo“ (Einheit) herausgab, die von der Regierung Velja Vukicevic finan­
ziert wurde, schrieb mit seinen hetzerischen Kommentaren gegen Stjepan Radic und
den ständigen Aufrufen, daß man diesen unbequemen Kroaten am besten „töten“
müsse, die Atmosphäre herbei, in der es zum Attentat kam. Der serbisch-national

315 Die Erklärung von Radies Neffen, Pavle Radic, am 27. März 1925 im Belgrader Parlament
(und die darauf folgende Phase der „Regierung der nationalen Vereinigung“ mit Pasics Radi­
kaler Partei), als die Kroatische Bauernpartei „die politische Lage, St. Veitsverfassung und die
Dynastie Karadordevic“ anerkannte und ein Lippenbekenntnis zur „Einheit des Staates“ ab­
legte (Stenografske beleske Narodne skupstine SHS, vanredni saziv, od I. prethodnog sastanka
od 7. marta 1925. do III. vanrednog sastanka od 31. marta 1925. god., Beograd 1925, Nr. 8,
S. 221-233), ist m.E. als taktisches Manöver zu werten.
316 Vom Wort von preko- von drüben, also jenseits des Grenzflusses Drina, der Serbien von
Bosnien trennt.

420
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

denkende montenegrinische Abgeordnete Punisa Racic, der die tödlichen Schüsse


während der Parlamentssitzung am 20. Juni 1928 auf Stjepan Radic abgab und die
Abgeordneten Pavle Radic und Duro Basaricek auf der Stelle ermordete und Ivan
Pernar und Ivan Granda verletzte, war nur das Werkzeug einer haßerfüllten groß­
serbischen Politik. Man konnte es durchaus als Ergebnis einer „zehnjährigen, gewalt­
tätigen und unvernünftigen Politik“ des Staates sehen. Die Saat des Hasses und der
Gewalt gegen die Kroaten ist aufgegangen“, schrieb Mate Drinkovic 1928.317 Die Rede
des Attentäters unmittelbar vor dem Attentat, daß er „als Serbe und Abgeordneter“,
wenn er „Gefahr für seine Nation und sein Vaterland“ sehe, „jede Waffe benutzen
wird, um die Interessen des Serbentums zu schützen“, zeigte deutlich, wie vergiftet
die politische Atmosphäre zu diesem Zeitpunkt schon im Königreich der Serben,
Kroaten und Slowenen war. Das Attentat auf Radic, das einen lange nachwirkenden
Schock in der kroatischen Öffentlichkeit auslöste, verbaute wohl endgültig den Weg
zu einem rationalen Interessenausgleich.318
Stjepan Radic starb am 8. August 1928 an den Folgen des Attentats. Hunderttausende
begleiteten seinen Sarg, in fast allen kroatischen Städten kam es zu Trauerbekundun­
gen.319 Der „Widerhall des Todes des politischen Führers der Kroaten in Split“ und
Dalmatien war enorm. Auch die dalmatinische Hauptstadt trug schwarz, und Tau­
sende machten sich auf, zum Begräbnis zu fahren. Es kam zu Umzügen und Demon­
strationen sowohl in der Stadt320 als auch in der ganzen Region.321 Die trauernden
und demonstrierenden Menschen setzten somit noch einmal ein Zeichen für die tiefe
Unzufriedenheit, die man in Kroatien zehn Jahre nach der Vereinigung empfand. Die
Antwort des Regimes waren wieder Zensur und Unterdrückung. Hunderte von Op­
positionellen, egal ob linker oder rechter Provenienz, saßen ohne Verfahren zum Teil
jahrelang in den Zuchthäusern. Bosiljka Janjatovic führte die Zahl von 24 Todesurtei­
len, 600 politischen Morden und 30.000 Verhaftungen zwischen 1918 und 1928 an.322
Die Bewertung von Politik und Person Stjepan Radies in der nichtkroatischen Histo­
riographie fällt gemischt aus. Auch bei differenzierten Urteilen wird ihm zum Vorwurf
gemacht, daß er „durch seine mitunter hemmungslose Demagogie nicht unerheblichen
Anteil an der Verschärfung der nationalen Konfrontation in den 20er Jahren“ hatte,
auch bestände „wenig Grund, sein Verständnis von politischer Kultur im nachhinein
zu verherrlichen“, wenngleich anerkannt wird, daß sich „sein Konzept (...) doch

317 Drinkovic, S. 101.


318 Die lakonische Kommentierung durch den Historiker Dragnich: „Unfortunaly, Radic and
several other members of parliament were shot during one of its sessions in 1928 by a hothead
from Montenegro, who was a Serb“, entspricht der Aufnahme dieses Ereignisses durch die
nicht-nationalistische serbische Pubizistik jener Zeit, die darin ihr mangelndes Verständnis
der kroatischen Verhältnisse offenbarte; Dragnich, Anatomy of a Myth, S. 660.
319 Novo doba v. 09.08.1928, S. 1.
320 Novo doba v. 10.08.1928, S. 2.
321 Novo doba v. 11.08.1928, S. 2.
322 Vgl. die Arbeiten im Literaturverzeichnis von B. Janjatovic.

421
Vom .integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

grundlegend von den Zielen und Forderungen großserbischer Nationalisten sowie


rechtsextremistischer und nationalistischer Randgruppen bei den Kroaten“323 unter­
schied. Kurz vor seinem Tod, und die Belege, die sein Biograph Ivan Muzic dafür
anführt, sind überzeugend, war eine Verständigung mit den serbischen Politikern aus
Serbien unmöglich und der eigene kroatische Staat für Radic die einzig mögliche dau­
erhafte kroatische Option geworden.324
Die Proklamation der Diktatur am 6. Januar 1929 konnte kaum noch die Verhältnisse
im Staat verschlimmern. Der Riß zwischen der kroatischen politischen Öffentlichkeit
und dem Belgrader Machtzentrum ließ sich nicht mehr kitten. Alle Aktionen der
kroatischen Politiker, angefangen von den „Zagreber Punktationen“ von 1932, die ein
„zurück zu 1918“ forderten,325 machten deutlich, daß die politische Öffentlichkeit der
kroatisch-serbischen Gebiete, die vormals zur Habsburgermonarchie gehört hatten,
in ihrer überwältigenden Mehrheit die Dominanz Belgrads im neuen Staat ablehnte.
Die Ergebnisse der Wahlen 1935 und 1938 in Dalmatien illustrieren das eindrucksvoll.

Tab. XXVII: Ergebnisse der Wahlen 1935 und 1938 in Dalmatien

Kreis Regi­ Stimmen Stimmen Stimmen Stimmen Wahl­ davon


strierte für für für Regie- für Regie­ beteili­ % %
Wähler Macek Macek rungsliste rungsliste gung für für Stoja-
1938 1935 1938 1935 in % Macek dinovic

Benkovac 19123 7484 5807 4277 8117 66,25 59,07 33,76


Biograd 9036 6205 3486 815 3089 77,92 88,13 11,59
Boka kot. 10882 3702 1455 3689 5972 69,38 49,03 48,86
Brac 4702 3355 2164 506 1704 82,11 86,89 13,11
Dubrovnik 16706 9797 7617 2120 2680 72,82 81,36 17,43
Hvar 5826 4325 3224 766 1896 87,38 84,95 15,05
Imotski 13876 10740 8646 429 805 80,62 96,15 3,84
Knin 16968 7855 5882 5882 8566 82,06 56,42 42,90
Korcula 4881 2990 2331 805 2828 77,75 78,79 21,21
Makarska 6668 4925 3041 917 2920 87,64 84,29 15,69
Metkovic 4989 4169 3018 72 898 85,03 98,28 1,70
Preko 5710 4049 2399 319 2039 76,81 92,68 7,30
Sinj 17894 12388 10572 2192 3342 81,58 87,39 15,02
Split Stadt 13889 8962 6338 2390 3416 69,83 78,55 20,95
Split Kreis 24194 20814 15730 1652 5348 85,88 92,53 7,34
Sibenik 19856 11890 8660 3178 5395 75,89 78,81 21,09
Insg. 195.199 123.751 90.569 30.101 59.015 78,81 80,43 19,56

Quelle: Jancikovic, Toma, Hrvati u izborima ll.prosinca 1938 (Die Kroaten in den Wahlen v.
11. Dezember 1938), Zagreb 1939, S. 43.

323 Vgl. die Einschätzungen in den Arbeiten von Sundhaussen und Moritsch.
324 Muzic, S. 263ff.
325 Unterzeichnet wurden die Forderungen nach Revision der Verfassung von Vladko Macek,

422
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

Bei Versammlungen der Bauernpartei in Dalmatien wurde 1937 folgendes Fazit gezo­
gen: „Als 1918 diese staatliche Gemeinschaft geschaffen wurde, tauchten sofort zwei
völlig konträre Standpunkte auf: 1. Die kroatische Auffassung, daß diese Gemein­
schaft Garantie für die Freiheit und die Souveränität des kroatischen Volkes sein muß,
und 2. die serbische Auffassung, daß diese Gemeinschaft ein erweitertes Groß-Serbien
werden solle, in der sogar die kroatische Volksindividualität aufgehen sollte. Verständ­
licherweise kam es zum großen und schweren Kampf.“326 Die „Volkseinheit“ sei bloß
„ein Köder für die Naivlinge unter den Kroaten“ und diene der Verschleierung der
Unterdrückung und Ausbeutung.327 Glaubte man den Zeitungen, die die Bauernpartei
herausgab, und ihren Politikern, war es eine „offensichtliche Tatsache“, daß die Kroa­
ten im Königreich Jugoslawien „benachteiligt“ waren, und nur die „kroatische natio­
nale Bewegung unsere nationalen und politischen Rechte erkämpfen“ könne. Unter
der jugoslawischen Fahne seien die Kroaten „nur ein Teil eines „einheitlichen Volkes“,
ein „Stamm der einheitlichen Nation“, in der die Mehrheit immer nicht kroatisch sei.
Und sobald „wir darauf eingehen, zu einem Teil dieser einheitlichen Nation erklärt
zu werden, können wir als Kroaten keine Forderungen mehr stellen und erkennen
indirekt die Übermacht derjenen an, die die Macht in Händen halten.“328
Die Bauernpartei sah sich auch in Dalmatien als Vertreterin „kroatischer Politik“
schlechthin und erreichte bei den Wahlen, wie aus obiger Tabelle ersichtlich, überwäl­
tigende Mehrheiten in allen kroatischen Gebieten. Ab 1936 dominierte die Bauernpar­
tei fast alle dalmatinischen Gemeinderäte.329 Die Gemeindewahlen vom 11.Dezember
1938, die, wie sich Zeitzeugen erinnern und es auch aus den in den lokalen Zeitungen
erschienenen Artikeln hervorgeht, in äußerst angespannter Atmosphäre abgehalten

Dusan Duda Boskovic, prota Dusan Kecmanovic, Sava Kosanovic, Hinko Krizman, Josip
Predavec, Juraj Sutej, Vjeceslav Vilder, Ante Trumbic und Mile Budak. Der Nachfolger von
Stjepan Radic als Führer der Bauernpartei, Vladko Macek, mußte wegen dieser „Punktatio­
nen“ für drei Jahre ins Gefängnis. Nach dem Attentat auf den jugoslawischen König 1934 in
Marseille, steigert sich die Repression gegen national-kroatische Forderungen noch einmal.
Als Beispiel seien nur die ca. 20 Toten zwischen 1935 u. 1937 aufgeführt, die in Senj, Sibinj
und Vrbljan durch die Polizei erschossen worden.
326 In der Hinterlassenschaft von Ivan Petar Mladineo, der von der Insel Brac stammte, finden
sich hand- und maschinenschriftliche Aufzeichnungen über die „Lehre oder das Programm“
der HRSS, deren Abgeordneter er in den 30er Jahren war und die Protokolle der lokalen
Parteisitzungen. Von der Parteiführung bis zur Basis war man sich, wie Mladineo vemerkte,
Mitte 1935 in obigem Fazit einig, das der Abgeordnete Mladineo bei jedem öffentlichen Auf­
tritt vortrug; vgl. „Temeljni nauk ili program HRSS“ (Die Lehre oder Programm der HRSS)
im Familienarchiv Ivan Petar Mladineo im Besitz von Hanja Mladineo/Split.
327 So August Kosutic im Hrvatski dnevnik v. 25.02.1937.
328 Obzor vom 24.02.1937.
329 Vgl. Novo doba v. 19.09.1935 u. 16.11.1936 u. Vukic, Goran, HSS na opcinskim izborima u
Kastelima 1936-1940. godine (Die HSS bei den Gemeinderatswahlen in K. 1936-40), in:
Kastelanski zbornik 4, Kastela 1994, S. 139-142. Bei den Wahlen 1935 und 1938 erreichte sie,
bezogen auf das gesamte jugoslawische Territorium, Egebnisse von 33,7 und 44,9%.

423
Vom Jntegral-jugoslawiscben ‘ Einheitsverständnis

wurden, fanden unter massiver Polizeipräsenz statt330 und markierten den Höhepunkt
der parlamentarischen Erfolge der Bauernpartei.
Die „Kroaten des Kreises Split“ wurden zur Stimmenabgabe für die Kandidaten der
HSS aufgerufen, und es wurde ihnen versichert, daß sie damit „für die Freiheit,
Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit“ stimmen würden.331 Nach starkem Wahl­
kampfeinsatz auch der prominenten Parteiführer gaben im Gesamtbezirk Split 22.398
Wähler ihre Stimme ab. Davon bekam die Liste des jugoslawischen Ministerpräsiden­
ten Stojadinovic 1659 Stimmen, die HSS-Liste unter der Führung von Vladko Macek
20.710 Stimmen, die von Dimitrije Ljotic geführte pro-faschistische Zbor-Bewegung
bekam insgesamt 29 (!) Stimmen in Split und Umgebung. Das bedeutete einen Stim­
menanteil von 92,4 % für die Bauernpartei.332 Alle dalmatinischen Gemeindeverwal­
tungen, bis auf eine, gingen an die HSS. Die neuen HSS-Bürgermeister berichteten,
daß sie leergeräumte Amtsräume vorgefunden hätten, da ihre Vorgänger trachteten,
„Beweismaterial“ zur Seite zu schaffen. Außerdem hätten die vom Regime eingesetz­
ten Gemeindeverwalter die Archive der durchgehend hochverschuldeten Gemeinden
geplündert.333 Nach den Gemeinderatswahlen gaben dalmatinische HSS-Abgeordnete
zu Protokoll, daß „Serben und Kroaten zwei Völker sind“ und nicht zusammen leben
könnten.334 Dieses wurde von manchen verquickt mit der wirtschaftlichen Lage in
Dalmatien: „Wer auch nur einmal in Dalmatien war, konnte sich mit eigenen Augen
überzeugen, wie schlecht es dem Volk geht. Wenig oder kein Land, keinerlei Verdienst,
kein Brot. Aber es gibt viel Mut und noch mehr Entschlossenheit, so werden die
Kroaten Dalmatiens niemals (unsere Sache) im Stich lassen, sondern immer bereit sein,
auch ihr Leben für die Heimat zu geben.“335 Das Maß an persönlichem Fanatismus

330 Novo doba v. 21.09.1938.


331 Novo doba v. 07.12.1938.
332 Novo doba v. 14.12.1938.
333 Von den 31 HSS-Abgeordneten stammten aus Dalmatien: Pasko Kaliterna (Kreis Split), der
bei den letzten Wahlen sein Mandat mit 18.200 Stimmen gegen 240, die für die Regime-Liste
v. Jevtic abgegeben wurden, erzielte; Pavao Krce (Kreis Sinj), der bei den Wahlen am
05.05.1935 das Mandat mit 10.580 Stimmen gegen 3.000 errang; ähnliche Ergebnisse f. Stipe
Matijevic (Kreis Makarska), der mehr als 6.000 Stimmen Vorsprung vor seinen Gegenkandida­
ten aufwies; Roko Misetic (Stadt Dubrovnik) 7.817 : 2.000 Stimmen; Josip Mratinovic (Split-
Umland) 18.183 : 3.000; Josip Silobreie (Kreis Biograd) Karlo Zunjevic (Kreis Preko), 3.100 :
900, sein Wahlkreiskonkurrent war der Minister Miletic; Vgl. Glojnaric, S. 222-235.
334 ebenda, S. 130-133.
335 ebenda, S. 133. Fast gleichlautend die Klagen über die Armut der dalmatinischen Bauern sei­
ner Kollegen Josip Martinovic (Split-Umland) und Karlo Zunjevic (Kreis Preko); S. 219ff. Die
Schilderung, wie Martinovic zur Bauernpartei kam, macht deutlich, daß es nicht das Studium
des Parteiprogramms war, welches junge Leute bewog, sich zu engagieren; Bei einem Besuch
in Zagreb 1921, mit einem Dorfgenossen, macht ihn jener auf die Buchhandlung von Radic
in der Jurisiceva aufmerksam. Auf den Vorschlag, sich die Buchhandlung anzusehen, entgeg­
net jener aber: „Auf keinen Fall. Geh’da nicht hin, da fängt er dich gleich ein, daß Du ihm
seine Partei in Deinem Dorf gründen sollst.“ Und so kam es auch. 1925 wurde die erste große
Parteiversammlung der HSS in Klis, bei Split, organisiert. Vgl. ebda, S. 160ff.

424
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste

wird durch folgenden Schwur deutlich: „Ich verfluche jeden Verräter, und zu meinen
drei Söhnen sage ich: verdammt sei, und meinen Namen möge nicht tragen, wer von
euch das kroatische Bauernvolk verrät, an dessen Spitze unser heldenhafter, anständ­
iger und kämpferischer Führer Dr. Vladko Macek steht.“ Entsprechend betonte der
Abgeordnete Karlo Zunjevic: „Auch wenn wir kein Brot haben, können wir doch
stolz sagen, daß wir viel nationales und politisches Bewußtsein haben. Die Armut hat
bei uns das Nationale nicht abgetötet. Auch die Unterdrückung hat uns nicht abge­
bracht vom rechten Weg.“336
Es war offensichtlich, daß die HSS alles andere war als eine fest organisierte Partei,
vielmehr ein Sammelbecken heterogener Strömungen und unterschiedlicher sozialer
Schichten, die nur in der Forderung nach kroatischer Autonomie einig waren, wie­
wohl, was sich zeigen sollte, auch dieses unterschiedlich interpretierbar war.337 Ein
Flügel verstand darunter die kroatische Eigenstaatlichkeit ohne wenn und aber.
Seit 1937 der „Dalmatinski Hrvat“ mit dem Text der kroatischen Nationalhymne auf
der ersten Seite und einer Botschaft von Vladko Macek wieder erschienen war, war
der ,kroatische Konsens“ in Dalmatien fast vollständig hergestellt und alle anderen
Auffassungen an den Rand gedrängt. Wenn der Führer der Bauernpartei in Dalmatien,
wo einst die „Wiege des kroatischen Königtums“ gestanden habe, lobte, daß dort das
„nationale Bewußtsein immer wach geblieben wäre, und sich die Bewohner Dalma­
tiens „die Vereinigung mit Banal-Kroatien und Zagreb“ in ein „freies Kroatien“ seit
jeher wünschen würden, konnte er von großer Zustimmung ausgehen.338 Ausdrück­
lich wollte die Zeitung „kein reines Parteiblatt“ sein, sondern die „kroatische Volksbe­
wegung, mit Dr. Macek an der Spitze“, unterstützen.339 „Unabänderlich“ sei, daß
„Völker die Summe bestimmter ethnischer Individuen sind, die durch das gemeinsame
Erbe, gemeinsame Bestrebungen und gemeinsame Interessen“ verbunden seien. „Nach
dem Weltkrieg“ habe das „kroatische Volk seine nationale Renaissance“ erlebt. „Zum
ersten Mal in unserer mehr als tausendjährigen Geschichte“ sei die „geistige, nationale
und politische Einigkeit der Kroaten“ erreicht worden.340 Doch was war „das gemein­
same Schicksal“, von den „gemeinsamen Interessen“ ganz zu schweigen?
Gleichgültig, ob Erinnerungen an den „Ersten Besuch von Dr. Vladko Macek im
dalmatinischen Kroatien“, der triumphal verlaufen sei, panegyrisch gefeiert oder die
„Stimme des Blutes“ beschworen wurde, immer ging es um Selbstvergewisserung. Oft

336 ebenda, S. 221.


337 Boban, Ljubo, Macek i politika Hrvatske seljacke stranke 1928-1941 (Macek und die Politik
der Bauernpartei 1928-41), 2 Bde., Zagreb 1974.
338 Vgl. Segvic, K., Hrvatski nacionalizam i regionalizam u Dalmaciji (Der kroat. Nationalismus
u. Regionalismus in Dalmatien), u. Pederin, Rudolf, Dalmatinska Hrvatska i njezina uloga u
sudbini Hrvatskog naroda (Das dalm. Kroatien u. seine Rolle im Schicksal des kroat. Volkes),
in: Dalmatinski Hrvat - Zagreb, Nr. 1-2 v. 23.12.1937, S. 12ff.
339 ebenda.
340 „Na bastini djedova gradimo narodni zivot“ (Auf dem Erbe der Großväter bauen wir das
Volksleben), in: Dalmatinski Hrvat - Zagreb, Nr. 1-2 v. 23.12.1937.

425
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

war auch die eigene, „kroatische Sprache“ Gegenstand von geschichtlichen Erörterun­
gen, mit dem Beweiszweck, die Originalität zu betonen.341 Vom neuen Kroatischen
Erzbischof, Alojzije Stepinac“, wurde „sehr viel erwartet“, da „die Interessen des
kroatischen Volkes und der katholischen Kirche unauflöslich miteinander verbunden"
wären. „Dem Volk kann es nicht gut gehen, wenn es der Kirche schlecht geht (...)
Die „unvergänglichen Verdienste der katholischen Kirche für das kroatische Volk“,
die die „Volksseele“ des katholischen Teils des kroatischen Volkes“ geprägt habe, wu-
den immer wieder gewürdigt. Selbst in dem vom „Fachverband der Seeleute“ heraus­
gegebenen „Hrvatski pomorac“ kam man nicht ohne Bilder von Macek und kroati­
schen Beteuerungen aus. Aus dem Kampf der „kroatischen Matrosen“ (Flervorh. im
Original) sei der „Tarifvertrag“ erwachsen.342 Der „Präsident Dr. Macek“ wurde so
auch zum „Beschützer der kroatischen Seeleute“.343 Ob im „Sportski list“ oder in
politischen oder Wirtschaftszeitungen, die „Einheit aller Sportler, Wirtschafts- oder
politischer Subjekte auf dem Weg des Präsidenten und Führers Dr. Macek“ voranzu­
schreiten, wurde 1939 in fast allen kroatischen Publikationen beschworen.344 Die na­
tionale Einheit im kroatischen Sinne, soweit sie sich publizistisch niederschlug, war
an der Küste hergestellt.
Das Begräbnis des in Dalmatien überaus populären Ante Trumbic stellte wieder eine
Gelegenheit dar, den Sieg der „kroatischen Idee“ in Dalmatien zu manifestieren.
Nachdem er am 20. November 1938 in Zagreb gestorben war, wurde sein Leichnam
nach Split überführt. Der HSS-Vorsitzende Vladko Macek würdigte bei der Trauer­
feier die patriotischen Verdienste des Verstorbenen. Mehr als dieser während und nach
dem Ersten Weltkrieg für Kroatien getan habe, habe man unter den damaligen Um­
ständen nicht tun können. Der Zagreber Erzbischof Alojzije Stepinac führte den
Trauerzug durch Split an, und die Zeitungen schätzten, daß die riesige Menge, die
daran teilnahm, mehr als 50.000 Menschen umfaßt habe. Jedenfalls versammelte sich
an seinem Sarg alles, was damals in der kroatischen Öffentlichkeit Rang und Namen
hatte (sowohl Würdenträger der katholischen Kirche als auch Politiker, Künstler und
Publizisten). Auch der Ustasa-Führer Ante Pavelic schickte aus der Emigration einen
Kranz und würdigte somit posthum seine Verdienste für das Vaterland. Das pompöse
Grabmal wurde vom Bildhauer Ivan Mestrovic gestaltet und zum ersten Jahrestag von
Trumbic Tod im November 1939 eingeweiht. Auf dem Weg zu einem eigenen Staat
war man zu diesem Zeitpunkt schon ein großes Stück vorangekommen. Eine Analyse
der Standpunkte, die die Kroatische Bauernpartei in der zweiten Hälfte der 30er Jahre
vertrat, läßt kaum Zweifel am Endziel, das die kroatischen Politiker anstrebten.

341 Lozovina, Vinko, Hrvatski je narod sam izgradio svoj jezik (Das kroat. Volk hat seine Sprache
alleine ausgebaut), in: Dalmatinski Hrvat - Zagreb, Nr. 1-2 v. 23.12.1937.
342 Hrvatski pomorac (Der kroat. Seemann) - Split, Nr. 1 Jg. I v. 01.10.1938.
343 Hrvatski pomorac v. 23.03.1939.
344 Vgl. den Artikel „Abspaltung des kroatischen Fußballs vom jugoslawischen Fußball-Bund“,
in: Sportski list - Split, v. 07.08.1939.

426
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien

5. Der Anfang vom Ende des „ Ersten


Jugoslawien„Sporazurn und Schaffung der “

„ Banovina Hrvatska “

In einer Rede am 16. August 1938, anläßlich eines Besuchs bei der serbischen Opposi­
tion in Belgrad, betonte Macek das individuelle „nationale und das jeweils eigene
staatsrechtliche Bewußtsein des serbischen und kroatischen Volkes“. Er führte Bei­
spiele von dalmatinischen Inseln an, die „unter Okkupation der Gendarmerie“ stän­
den. Die Polizei würde „verhaften, schlagen und foltern“ und könne „von niemandem
zur Verantwortung gezogen werden“. Für den Fall eines ausbrechenden Krieges sah
der Präsident der Kroatischen Bauernpartei voraus: „Die Lage ist so, und das muß ich
euch auch offen sagen, daß heute kein Kroate diesen Staat verteidigen würde.“ Fälle
von Terror, Mord und Verfolgung gegen Kroaten im gemeinsamen Staat füllten viele
Seiten in den Publikationen der Bauernpartei.345
Auftrieb bekam die Nationalbewegung auch durch die ungleiche Besteuerung, die im
Königreich Jugoslawien herrschte. Die Steuern waren in Kroatien 15% höher als in
Serbien. Zwischen 1920 und 1935 wurden vom Gesamt-Investitionsvolumen für den
Eisenbahnbau, wie die Bauernpartei nicht müde wurde zu betonen, in Serbien 84,5 %
und in Kroatien nur 6,8 % investiert. Ein ähnliches Verhältnis herrschte bei Bankkre­
diten und sonstigen staatlichen Ausgaben. Nach amtlichen Statistiken aus dem Jahr
1937 waren im höheren Staatsdienst, vom Königshof bis zur Nationalbank, 269 Serben
aber nur 30 Kroaten beschäftigt. Ähnlich war es bei den 34 Regierungen, die sich in
der Zwischenkriegszeit abwechselten. Kein Kroate war jemals Regierungschef, und
keines der wichtigen Ministerien (Verteidigung, Polizei o.ä.) wurde jemals kroatisch
besetzt. Auch in der Armee waren die Offiziere größtenteils Serben. 1938 waren von
165 Generälen im aktiven Dienst 161 Serben, 2 Kroaten und 2 Slowenen. Statistiken
des bekannten Professors der Zagreber Juristischen Fakultät, Rudolf Bicanic,346 soll-
345 Vgl. Glojnaric, Mirko, Borba Hrvata. Kronika dvaju desetljeca politicke povijesti (1919—
1939) (Der Kampf der Kroaten. Chronik zweier Jahrzehnte der pol. Geschichte 1919-39),
Zagreb 1940, S. lOf. u. 15; ders., Voda govori (Der Führer spricht), Zagreb 1936, wo alle
Reden, Proklamationen etc. von Macek abgedruckt sind.
346 Bei aller Polemik gegen die „lügenhaften Statistiken“ von Bicanic, auf die sich seither „alle
kroatischen Nationalisten“ berufen würden (Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 166), hat sich
doch bislang noch niemand die Mühe gemacht, die im Buch zusammengetragenen Angaben
über die Benachteiligung der Kroaten im Zwischenkriegs-Jugoslawien fundiert zu widerlegen.
Petranovic, der immer wieder darauf zurückkommt, nennt als einzigen konkreten Punkt
(S. 315) die seiner Meinung nach fehlerhafte Angabe, wonach 63,3% der Summe, die für
öffentliche Arbeiten vom Staat aufgewendet wurde, nach Serbien geflossen sei. Dabei kritisiert
er, daß Bicanic das Kosovo und Makedonien zu Serbien rechnet. Beide Gebiete besaßen aber
damals keinerlei Autonomie, vielmehr wurde auch offen eine Serbisierungspolitik („Südser-

427
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

ten diese ökonomische Ausbeutung, politische Unterdrückung und mangelnde Vertre­


tung der Kroaten beweisen. Bücher und Artikel, die sich im Gegensatz dazu bemüh­
ten, den Kroaten nachzuweisen, daß sie keineswegs benachteiligt waren im Gesamt­
staat, entfalteten dagegen so gut wie keine öffentliche Wirkung außerhalb Serbiens.347

Tab. XXVIII: Amtsmonate nach Nationalität in den wichtigsten Ministerien 1918-38

1918-28 1929-38
Ministerium serb. kroat. andere serb. kroat. andere

Ministerpräs. 116 0 5 120 0 0


Außenministerium 97 24 0 120 0 0
Innenm. 111 0 10 78 0 42
Justizm. 118 0 3 118 0 2
Finanzm. 118 0 3 120 0 0
Erziehungsm. 113 5 3 120 0 0
Gesamt: 673 29 24 676 0 44

Quelle: Sadkovich, Serbian Hegemony, S. 261.

Die in der HSS-Agitation beschworene „Ausnutzung der kroatischen Regionen“, die


Stellung als „Opfer Serbiens“,348 sollte jedes denkbare pro-jugoslawische Argument

bien“) verfolgt. Bei der Frage nach der politischen Wirksamkeit, die die Behauptungen der
Bauernpartei (in diesem Fall nur zusammengefaßt in Buchform) bei der Stabilisierung eines
exklusiv kroatischen Bewußtseins hatten, ist es aber gar nicht von Belang, ob die Zahlen alle
bis zur zweiten Stelle hinter dem Komma korrekt sind. Viel wesentlicher ist, daß sie ein in
Kroatien weit verbreitetes Gefühl, nun in Tabellenform, artikulierten.
A. Dragnich hält die kroatischen Argumente gleichfalls nicht für stichhaltig und die Serben
„have not been guiity of economic exploitation of any group or groups. If anything, they
exploited themselves for the benefit of the nation as a whole.“ (Dragnich, Anatomy of a
Myth, S. 661, ders., The First Yugoslavia: Search for a Viable Political System, Stanford, Cal.
1983, Kap. 7). Doch auch er begründet nicht seine Auffassung. Der umstrittene, und oft als
ultra-kroatischer Nationalist angegriffene Bicanic emigrierte nach der Machtübernahme der
Ustasa und setzte sich während des Krieges als Minister in der Londoner Exilregierung für
ein Kroatien im Rahmen eines föderativen Jugoslawien ein.
347 Vgl. Prica, Bogdan, Hrvatsko pitanje i brojke (Die kroatische Frage und Zahlen), Beograd
1937; Draskovic, Slobodan, Istina o ekonomskoj podlozi hrvatskog pitanja (Die Wahrheit
über die ökonomische Grundlage der kroat. Frage), Beograd 1940.
348 Bicanic, Rudolf, Ekonomska podloga hrvatskog pitanja (Die wirtschaftliche Grundlage der
kroat. Frage), hrsg. v. Vladko Macek, 2. Aufl., (gedruckt in der Hrvatska Narodna Tiskara
Stjepan Vidovic- Split), Zagreb 1938. Ein Blick nur auf einige Überschriften dieses höchst
einflußreichen Buches läßt die Tiefe der Entfremdung zwischen der Kroatischen Bauernpartei
und der Belgrader Politik erkennen: 1. Kap.: Die Abschaffung der regionalen Selbstverwal­
tung und der Übergang zum Zentralismus; 2. Kap.: Was die Kroaten in den Staat eingebracht
haben, was Serbien; 3. Kap.: Vorkriegsschulden, 4. Kap.: Wer hat den Wiederaufbau Serbiens
nach dem Krieg bezahlt? Wer zahlt auch heute noch Kriegs-Reparationen?, 5. Kap.: Die
Einführung der Währung und die Kroaten, 6. Kap.: Die steuerliche Ungleichbehandlung,

428
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien

entwerten. Einheit und Gleichberechtigung seien reine „Fiktion, ein Märchen, um den
wirklichen Stand der Dinge zu verschleiern.“349 Seitenweise wurden Ungerechtigkei­
ten einer jugoslawischen Staatsverwaltung aufgezählt, die das kroatische Volk mit ei­
nem „abstoßenden Denunziationssystem und Mißtrauen“ unter Kontrolle halten
würde. Wenn protestiert würde wegen der Ausbeutung und Benachteiligung auf allen
Gebieten, „bekommen wir auf alles die Antwort, daß wir Kroaten froh sein können,
daß wir mit den Serben ein Volk bilden nach der offiziellen Theorie, und daß wir zum
ersten Mal in der Geschichte einen Staat (in dem die Serben herrschen) haben.“ Die
Kroaten würden mit „sentimentalen Phrasen (...) über die staatliche und nationale
Einheit“ abgespeist. Dabei seien doch die „offensichtlichen und tatsächlichen Benach­
teiligungen“ und die „systematische und absichtliche Ausbeutung der kroatischen und
precani-Regionen“ durch das „politische System der serbischen hegemonistischen
Oligarchie“ evident: Für öffentliche Arbeiten seien „in zehn Jahren insgesamt 2800
Millionen Dinar“ aufgewandt worden, „davon für das engere Kroatien nicht einmal
10%, während es für Serbien 7 Mal mehr war.“ Nach einer Aufzählung, auf welchen
Gebieten Kroatien noch wirtschaftlich benachteiligt würde (Steuerungerechtigkeit,
Straßen-, Eisenbahn-, Hafenausbau etc.) lautete das Fazit:
„Die wirtschaftliche Ausbeutung wird durch politische Gewalt abgesichert. Unter diesen Um­
ständen ist es nicht möglich, irgendeine Art von Gleichberechtigung auf Gesetzesgrundlage
zu erzielen (...). Die Angleichung der Gesetze, solange eine einheitliche Staatsverwaltung
besteht, gibt den Kroaten keinerlei Garantie, daß wir nicht auch in Zukunft ausgebeutet wer­
den wie bis jetzt (...) Die staatliche und nationale Einheit ist nur ein Märchen. Die Wirklich­
keit ist die Hegemonie der herrschenden serbischen Oligarchie, die systematisch die kroati­
schen und precani-Regionen ausbeutet.“350

Wie Vladko Macek im Vorwort betonte, gehe es keineswegs „um leere Anerkennung
der kroatischen nationalen Individualität“.351 Deswegen ließe sich der Konflikt mit
Serbien auch nicht lösen, „wenn den Kroaten alle Minderheitenrechte, die Hervorhe­
bung ihrer Volkstumszugehörigkeit, ihrer Schrift und ihrer nationalen Symbole
(Fahne, Wappen u.ä.) gestattet würde“. Der Streit gehe tiefer. Die kroatischen Regio­
nen seien nach der Vereinigung nicht nur wie „ein erweitertes Serbien“ behandelt
worden, sondern die Machthaber würden schlimmer als „zivilisierte Staaten“ mit „ge-

7. Kap.: Handeln mit den Opfern Serbiens; 2. Teil: „Das Märchen von der staatlichen und
nationalen (Volks-) Einheit oder Die serbische Hegemonie als System“, Steuerbelastung in
den verschiedenen Regionen des Staates, Wie Steuern eingetrieben werden, oder: Volkseinheit
in Aktion (...).
349 Bicanic, Ekonomska podloga, S. 220. Folgende Zitate ebenda, S. 220-224.
350 ebenda, S. 224.
351 ebenda, S. 230. So Svetozar Pribicevic schon in einem Brief an die Führer der serbischen
Oppositionsparteien v. 19.7.1933. Er wunderte sich damals, wie wenig die Serben in Serbien
„die Psychologie der Kroaten“ verstehen würden und zeigte sich überzeugt, daß man den
Kroaten die Selbständigkeit nicht mehr vorenthalten könne. Vgl. Boban, Ljubo, Svetozar
Pribicevic u opoziciji (1928-1936), Zagreb 1973, S. 227ff.

429
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

wohnlichen Kolonien“, „ohne jegliches Verantwortungsgefühl“ mit allen kroatischen


und precanski-Regionen umgehen.352
Hauptthese des einflußreichen Buches von Bicanic war, daß der Zentralismus, und
mit ihm die „ Lüge von einem (Hervorh. im Original) Volk in Jugoslawien und einem
einheitlichen Staat“ untergegangen sei.353
Nach langem Tauziehen unterschrieben der Führer der Kroatischen Bauernpartei und
der jugoslawische Ministerpräsident kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
ein Dokument, das unter dem Namen „sporazum“ (Vereinbarung) bekannt wurde.
Unter der Überschrift „Pred pobjedom“ (Vor dem Sieg) zeichnete ein der Bauernpar­
tei nahestehender Autor den Weg bis zum „sporazum“ nach, und bewertete ihn als
„erste Etappe“354 auf dem Weg zur „vollkommenen Befreiung“, worunter mit ziemli­
cher Sicherheit der erstrebte eigene Staat verstanden wurde.355 Ein „Streng vertrauli­
ches Rundschreiben“ der Führung der Bauernpartei drückte gleichfalls diesen Gedan­
ken aus. Zwar wurde die Authentizität des Rundschreibens in Frage gestellt,356 wo
im Namen der „kroatischen Volksbewegung“ betont wurde, daß der sporazum nur
der Anfang sein dürfe.357 Doch die Grundaussage, daß der „sporazum“ in den Augen
seiner kroatischen Unterzeichner nur der erste Schritt auf dem Weg zum „unabhängi­
gen kroatischen Staat“ darstellen sollte, läßt sich unschwer auch aus den offiziellen
Texten ableiten.
„Seit dem 26. August 1939“ beruhe Kroatien „erneut auf der Grundlage des kroati­
schen Staatsrechts, durch den staatlichen Akt, den der Präsident des Ministerrates

352 Bicanic, Ekonomska podloga, S. VIII.


353 ebenda, S. 9.
354 Glojnaric, S. 373.
355 ebenda, S. 278-379.
356 Tatsächlich scheint es v. der Lexik und Syntax her fraglich, ob das „Rundschreiben“ von
einem Kroaten verfaßt wurde. Ferdo Culinovic (Slom stare Jugoslavije, S. 97—102) zitiert es
im Wortlaut unter der Signatur 41/8-1,K. 61, Bestand d. „Vojnoistoriski institut JNA“ in
Belgrad. Das Schriftstück „Izvadak iz jedne strogo povjerlive okruznice hrvatskog narodnog
pokreta“ sei aus dem ehemaligen Archiv des Kriegs- u. Marineministeriums in Belgrad (53/
8-, K.61) sichergestellt worden. Gleichfalls müssen an den Eintragungen des italienischen
Außenministers, des Gafen Ciano, in seinem Tagebuch Zweifel angemeldet werden. Aus die­
sen Aufzeichnungen geht hervor, daß Macek Hilfe vom faschistischen Italien gesucht habe,
um Kroatien von Jugoslawien abzuspalten und zu einem „italienischen Protektorat“, wie
damals Albanien, zu machen. Vgl. Culinovic, S. 103ff., der die Eintragungen (die er vollst. im
Wortlaut zit.) f. authentisch hält.
357 Vgl. Tudman, Franjo, Okupacija i revolucija, hg. v. Institut za izucavanje historije radnickog
pokreta Hrvatske, Zagreb 1963, S. 31, der die „okruznica“ des Vorsitzenden der „Seljacka
zastita“, Duka Kemfelja vom Dezember 1939 damals v. a. auch als gegen die organisierte
Arbeiterbewegung gerichtet interpretierte. Die KPJ griff die „Bauern-Demokratie“ nach dem
sporazum als „blutige faschistische Diktatur der groß-kapitalistischen Räuber und ihrer La­
kaien Macek, Subasic, Krnjevic und Kosutic“ an. Vgl. das Flugblatt „An das Proletariat und
das werktätige Volk der Stadt Zagreb“ in: Arhiv Instituta za iz. hist. radn. pokr. Jug., 164/1
3-1/40, hier zit. nach Jakovcev, S. 74.

430
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien

Dragisa Cvetkovic und Dr. Vladimir Macek, der Vorsitzende der Kroatischen Bauern­
partei, gleichzeitig als Mandatar der Selbständigen Demokratischen Partei, unter­
schrieben haben“. Macek, „als legitimer Vertreter des kroatischen Volkes“, habe mit
dem „sporazum“ einen „staatlichen Akt und keine Parteienübereinkunft“ abgeschlos­
sen.358 Mit diesen Worten beginnt die Darstellung der „politischen, administrativen
und wirtschaftlichen Struktur der Banovina Hrvatska“. Mit dem Sabor als Parlament,
Gerichtsbarkeitskompetenzen, eigener Steuerhoheit und eigener Regierungsverwal­
tung mit einem Banus an der Spitze359 und 11 Ministerien gleichgestellten „Abteilun­
gen“ (odjel), entstand ein Gebilde, das sich einer einfachen staatsrechtlichen Qualifika­
tion entzog, und in dessen Namen „Beamte der Banschaft“ einen Eid abzulegen hat­
ten, wonach sie „der Heimat treu sein“, „die Gesetze der Banovina genau beachten“
und „die Interessen der Banschaft Kroatien“ schützen würden.360 Besser als juristische
Termini oder Gesetzes- und Verordnungstexte361 verdeutlicht aber ein Blick auf die
Aussagen der politischen Akteure die Intention (zumindest der Kroaten) des geschlos­
senen Kompromisses.362
Sowohl der Text des „sporazum“ Cvetkovic-Macek, als auch die „Rede des Präsiden­
ten Dr. Macek im kroatischen Sabor am 29. August 1939“363 machen Stellenwert und

358 Vgl. Pavlakovic, V. (Hg.), Banovina Hrvatska. Politicka, administrativna i ekonomska struk-
tura (Die Banovina Kroatien. Politische, administrative u. ökonomische Struktur), Zagreb
1939.
359 Seit den Zeiten frühester mittelalterlicher Staatsbildung war „ban“ (dt. Banus) die Bezeich­
nung für das Amt und „banovina“ für das Gebiet, welches der Banus im Namen des Herr­
schers verwaltete. Obwohl nach dem Gesetz über die Banschaftsverwaltung“ (Zakon o bans-
koj upravi) v. 7.11.1929 die einzelnen Banschaften innerhalb des Königreichs Jugoslawien als
Selbstverwaltungseinheiten definiert waren, konnte davon während der Diktatur und zu Zei­
ten der aufoktroyierten Verfassung keine Rede sei. Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten
setzte der König während dieser Zeit den Banus ein. Erst infolge des „sporazum“ zur Lösung
der „kroatischen Frage“ und der Formierung der „Banovina Hrvatska“ entstand die Banovina
wieder neu als staatsrechtlich autonomes Gebilde; Vgl. Beuc, Ivan, Povijest institucija drzavne
vlasti Kraljevine Hrvatske, Slavonije i Dalmacije (Geschichte der Staatsinst. Kroatiens, Slawo­
niens u. Dalmatiens), Zagreb 1985.
360 Sluzbeni Glasnik -Sluzbeni list ispostave Banske Vlasti u Splitu v. 24.10.1939.
361 Vgl. „Uredba o Banovini Hrvatskoj od 26. kolovoza 1939. god.“, „Uredba o ustrojstvu
Banske Vlasti od 9. rujna 1939. god.“ u. „Uredba o poslovima Pravde od 27. rujna 1939.
god.“, in: Banovina Hrvatska (Hg.), Zakoni, uredbe, naredbe itd. (Gesetze, Verordnungen,
Erlasse usw.), Svezak I., (Nr. 2728 Tisak i naklada knjizare St. Kugli Zagreb), Zagreb 1939ff.
(25 Bände).
362 Schon in der Autobiographie von Macek (In the struggle for freedom, S. 186-195) betont
dieser, daß dieser Kompromiß „keine Seite richtig zufriedenstellte“. Deshalb scheint die Inter­
pretation korrekt, daß es von der Bauernpartei als „Anfang der Zerschlagung des unitaristi-
schen Jugoslawien und als erster Schritt in Richtung vollständiger Gleichberechtigung, Selbst­
verwaltung und Freiheit Kroatiens“ gesehen wurde; Vgl. Mandic, Dominik, Hrvati i Srbi,
S. 264.
363 Pavlakovic, S. 48ff. u. 61ff.

431
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

Bedeutung der Vereinbarung für die kroatische Seite deutlich.364 So sei, wie Macek
unter Hochrufen im Parlament betonte, das „kroatische nationale Territorium“ unter
dem Namen „ Kroatien“ (Hervorh. im Original) gesichert worden. Zwar konnte man
sich nicht einmal „bezüglich des Territoriums einigen“, aber immerhin ein Minimal­
kompromiß sei der Zusammenschluß von „Save- und Küsten-Banschaft, Stadt und
Kreis Dubrovnik, sowie den kroatischen Kreisen Travnik, Fojnica, Brcko, Gradacac,
Derventa aus Bosnien und aus Slawonien Ilok und Sid. Damit sei freilich „die Frage
des kroatischen Territoriums nicht definitiv gelöst“ bis zur „endgültigen Umformung
des Gesamtstaates.“ Weiter hieß es: „Was die Macht angeht, so kann ich sagen, daß
wir Kroaten nun fast die vollständigen Herren in unserer Heimat sind, die Kroatien
(Hervorh. im Original) heißt. (Sehr lebhafte Zustimmung und Rufe: So ist es!). In die
Kompetenz der Banschaft werden nun in rascher Folge alle Aufgaben fallen, außer
der Außenpolitik, der Armee, Eisenbahnen und Post, und einiger weniger anderer
Kleinigkeiten. Und diese Kompetenzverteilung ist nicht endgültig, und wird anläßlich
der Umstrukturierung des Gesamtstaates vollkommen neu geregelt werden. (...) nach
20 Jahren haben wir zum ersten Mal unsere Zukunft auf die Grundlage des kroati­
schen Staatsrechts gestellt. Lebhafte Zustimmung, Applaus und Rufe: So ist es! Er
lebe hoch!).“
In der anschließenden Rede des Abgeordneten Kosutic365 wurde festgestellt, daß man
nach dem „Bericht unseres Präsidenten klar verstanden“ habe, „daß es um nichts
weniger geht, als um die Wiederherstellung unserer lieben Heimat Kroatien, jener
jahrundertealten Heimat, die sie unterdrücken, verspotten, auseinanderreißen und ver­
nichten wollten“. Und nach einer Aufzählung von Unterdrückungsmaßnahmen, de­
nen man ausgesetzt gewesen sei, gab der stellvertretende Vorsitzende der Bauernpartei
seiner Überzeugung Ausdruck, „daß Kroatien wieder das sein wird, was es einst war.
Und mehr noch:
„Kroatien wird frei sein und in ihm wird Gerechtigkeit und Gleichheit herrschen. (...) Wer
von uns hätte in jener Zeit nach dem 20.Juni 1928 nicht verstanden, wenn wir uns wie ein
Mann erhoben hätten und wenn wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, die uns
Gott an die Hand gegeben hat, angefangen hätten, mit allen abzurechnen, die auf unserem
Weg standen? Es brauchte geniale Weisheit wie Manna vom Himmel, daß sich das kroatische
Volk auf die gerechte Idee verließ, die es auf sicherem Weg zum Ziel geführt hat. Diese
Weisheit bestätigt sich uns Zeitgenossen nun durch die großen Ereignisse. (...)“ Doch „der
Kampf ist nicht beendet, er fängt erst richtig an. (...) Alles, was sich über die Jahre unter
dem falschen Namen des ausgedachten, aufgezwungenen und gewalttätigen Jugoslawismus
gesammelt hat, spürt jetzt, daß es verloren ist (.,.).“366

364 Grundlegend zum sporazum: Boban, Ljubo, Sporazum Cvetkovic-Macek, Zagreb 1964,
S. 139-190; auch Sundhaussen, Geschichte Jugoslawiens, S. 98ff.
365 Pavlakovic, S. 65ff.
366 Glojnaric, S. 379; vgl. auch Stivic, Imbro, Zivot i djelo brace Radica (Leben und Werk der
Brüder R.) (=Mala knjiznica seljacke sloge Broj 1), Zagreb 1940.

432
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien “

Auch ein Abschnitt aus der Rede des serbischen Abgeordneten Sava Kosanovic sei
zitiert, da die Stellung der Serben in Kroatien zum Belgrader Staat meistens kaum
Beachtung findet. So betonte der politische Führer der kroatischen Serben im Namen
der Selbständigen Demokratischen Partei:
„Die Tragödie des kroatischen Volkes, die nun schon 20 Jahre andauert, war gleichzeitig eine
moralische Tragödie der Serben. Im Namen der Serben haben jene gesprochen, die nicht die
Vertreter der anständigen und edlen Traditionen des Serbentums und seines Kampfes um die
Freiheit waren. Das große moralische Kapital der Geschichte Serbiens, des Serbentums allge­
mein, wurde vernichtet und befleckt. Im Namen der Serben traten jene auf, die das Serbentum
in den Augen der Kroaten erniedrigt und mit Schande bedeckt haben. In der Seele des kroati­
schen Volkes mußte das Gefühl entstehen, daß Serbentum ein Synonym für Gewalt, Korrup­
tion und Ungerechtigkeit ist. Der anständige serbische Bauer wurde verantwortlich gemacht
für etwas, für das er nicht verantwortlich ist. (...) In diesem historischen Moment erinnere
ich mich, als Serbe in Kroatien, der schönen Worte unseres großen Nikola Tesla (...): „Ich
bin stolz sowohl auf meinen serbischen Namen, als auch auf meine kroatische Heimat.“ Dies
ist Ausdruck jenes Grundgedankens, daß sich Serben- und Kroatentum im geschichtlichen
Kampf um das Gute und die Freiheit verbinden können. (.. .).“367

Jenseits aller tatsächlich zugestandenen Autonomierechte, die die Banovina genießen


sollte, war der symbolische Akt der Proklamation selbst in Kroatien von vielen so
aufgenommen worden, daß er eine späte Bestätigung aller Argumente gegen Jugosla­
wien darstellte. Über das Erreichte brach bekanntlich bald ein politischer Polarisie­
rungsprozeß unter den Kroaten aus, bei dem sich Unzufriedenheit mit dem „spora-
zum“ von rechts wie von links äußerte.368 Doch jenseits aller politischen Graben­
kämpfe hatte sich, um es am dalmatinischen Beispiel zu demonstrieren, in den kroati­
schen Gebieten ein .kroatischer Grundkonsens“ in dem Sinn in der Öffentlichkeit
durchgesetzt, daß von irgendwelchen jugoslawischen Perspektiven so gut wie nicht
mehr die Rede war. So hatten in der Zwischenzeit beispielsweise auch die Künstler in
Dalmatien, ehemals die feurigsten Anhänger eines integralen Jugoslawismus, mehr­
heitlich zu einer kroatischen Einstellung gefunden. Deutlich wurde das u. a. bei der
Eröffnung des neugegründeten „Kroatischen Nationaltheaters“ in Split. Die Autono­
mie der „Banovina Hrvatska“ und der „kroatische Führer“ Vladko Macek wurden
unisono bejubelt.369
Durchschlagende Änderungen freilich brachte die Banovina nicht. Ivan Subasic wurde
Banus und der Abgeordnete Ivankovic von den Selbständigen Demokraten sein Stell­
vertreter. Es gab zwar nun eine „Expositur“ der Banschaft (Ispostava Banske Vlasti u
Splitu), die Dr. Bulic anvertraut war und die Dalmatien verwalten sollte. Reichlichere
Mittel flössen dadurch aber nicht. Der aktive Anteil von Dalmatinern in den Institu­
tionen der Banovina war auffallend gering. Einzig eine Polizeieinheit, die „Oruznicka

367 ebenda, S. 71ff.


368 Ygj zyg Sundhaussen, Experiment Jugoslawien, S. 62ff.
369 Vgl. Spomenica Hrvatskog narodnog kazalista u Splitu prigodom otvaranja HNK, 5.XII.1940.
g., hier nach Perkovic, S. 35f.

433
Vom ,integral-jugoslawischen1 Einheitsverständnis

brigada“, die in Zagreb formiert wurde, wurde von General Kvintilijan Tartaglia aus
Split befehligt. Tartaglia war der einzige aus Dalmatien stammende in der Führung
der Banschaft.370
Unter der Oberfläche des hoffnungsvollen Zuwartens, daß es nun mit der Banovina
besser werden würde, gärte es. In seiner letzten Ausgabe sah sich der „Jadranski
Lloyd“ genötigt zu betonen, daß „Dalmatien keineswegs autonomistische Einstellun­
gen“ entwickeln würde. Diese „Gerüchte“ entbehrten jeder Grundlage. Die „Unzu­
friedenheit“ in der Region richte sich keineswegs gegen die Banovina. Seit „80 Jahren“
sei es der sehnlichste Wunsch Dalmatiens gewesen, „aus politischen und wirtschaftli­
che Motiven heraus“, mit „Kroatien vereinigt“ zu sein. Zwar seien die „dalmatinischen
Kroaten“ in Zagreb nicht gerade überrepräsentiert in den Organen der Macht, aber
in „brüderlicher Liebe“ würden sich auch diese Fragen klären lassen.371 Von den füh­
renden Politikern der Bauernpartei wurde oft die Wichtigkeit Dalmatiens und der
Küste für die Banovina betont.372
Auch die Banovina war alles andere als der Kern eines zukünftigen homogenen kroati­
schen Nationalstaates. Nach der offiziellen Statistik des Jahres 1931 hatte die Banovina
Kroatien 4.024.601 Einwohner, davon 1.968.164 männlichen, und 2.056.437 weiblichen
Geschlechts. Zwar sei die Banovina, wie ihre kroatischen Verteidiger betonten, mit
einem Anteil von knapp über 70 % Kroaten immer noch homogener als die übrigen
„serbischen Gebiete“, wo die Titularnation nur 64,7 % der Einwohner stellen würde
(so z.B. rechtfertigte Bicanic die Konstruktion der Banovina Hrvatska373); die Pro­
bleme aber, die sich aus dem Zusammentreffen inkompatibler Nationalideologien er­
geben, stellten sich sofort in Form eines starken serbischen Widerstandes ein (ganz zu
Schweigen vom Problem der faktischen Aufteilung Bosniens374). Doch vorher ein paar
Worte zum Stellenwert der „Banovina FIrvatska“.

370 Pavlakovic, S. 16 u. 25f. Der am 9. Februar 1884 in Split geborene K. Tartaglia beendete dort
auch Volks- und Mittelschule, und absolvierte dann die Kadettenanstalt in Triest und diente
in der damaligen österreichischen 22. dalmatinischen Kompanie. Als Leutnant ging er dann
zur Bosnisch-Herzegovinischen Gendarmerie, „wo er bis zum Umsturz diente“, danach in
die Gendarmerie des Königreichs Jugoslawien. Dort machte er Karriere bis zum Rang eines
Brigadegenerals, wozu er am 28. Juni 1937 befördert wird. Er war in Bosnien, in der Vojvo­
dina und danach als Kompaniechef in Cetinje/Montenegro stationiert, auch wurde er nach
Ljubljana/Slowenien versetzt. Schließlich leitete er die Gendarmerie-Ausbildungsanstalt bei
Belgrad. Von diesem Posten kam er als erster Kommandant der Gendarmeriebrigade der
Banschaft Kroatien nach Zagreb.
371 Jadranski Lloyd v. 23.12.1940.
372 Vgl. Bicanic, Rudolf, Banovina Hrvatska i Jadransko more (Die Banovina Hrvatska und die
Adria), (Vortrag d. Präsident der Gospodarska Sloga) in Split vom 29. Oktober 1939, S. 161 ff.
373 „Die „politischen Rechnungen des Dr. Smodlaka“, in: Nova rijec, Nr. 142-1939.
374 Vgl. Vojinovic, Perko, Vrbaska banovina u koncepcijama sporazuma Cvetkovic-Macek (Die
Vrbas-Banschaft in den Konzeptionen des sporazum C.-M.), in: Jugoslovenski istorijski caso-
pis, 1-2/1980, S. 85-105.

434
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien

Die Feststellung allein, daß der „unter dem Druck der internationalen Lage 1939
geschlossene serbisch-kroatische Ausgleich“ Kroatien den Status einer „in zentralen
innenpolitischen Fragen autonomen Region zugestand“,375 macht nicht recht deutlich,
wie weitreichende politische Vorstellungen sich mit diesem Ausgleich auf kroatischer
Seite verbanden. Das wissenschaftliche Urteil hat den „sporazum“ überwiegend als
„minimale(n) Kompromiß“ nach „20 Jahren verfehlter Integrationspolitik bzw. groß­
serbischen Hegemoniestrebens und heftigen innerstaatlichen Auseinandersetzungen“
bezeichnet, bei dem „ein Großteil der strittigen Fragen einfach ausgeklammert
wurde.“376 Und tatsächlich war weder die endgültige Grenzziehung, noch die Frage
der im Verband der Banovina lebenden Serben, die knapp 20 % der Bevölkerung aus­
machten, endgültig geregelt worden.377 In Nord-Dalmatien, genauso wie in den von
Serben besiedelten herzegowinischen und bosnischen Gebieten, regte sich publizi­
stisch aus Belgrad angeheizter Widerstand. Die Demokratische Partei von Ljuba Davi-
dovic verlangte die sofortige Annullierung der Vereinbarung, „weil sich das serbische
Volk niemals damit abfinden“ würde. Die Forderung der „Serbischen Stimme“ (Srpski
glas) aus Belgrad, die für den „politischen Zusammenschluß aller Serben inner- und
außerhalb Kroatiens“ warb, um der „Gefahr für die gesamte Nation“ vereint begegnen
zu können, unterstützten orthodoxe geistliche Teile des Kleinbürgertums und serbi­
sche Vereine. Mit Ausnahme der SDS waren alle serbischen Parteien, nationalen Orga­
nisationen und Vereinigungen, die Armee und die orthodoxe Kirche gegen den „spora­
zum“. Sie sahen das Serbentum und den Staat bedroht. In einem Flugblatt: „An die
Serben der Banovina PIrvatska“ vom März 1940 hieß es unter anderem: „Wir erkennen
nicht an, und werden niemals eine staatliche Regelung anerkennen, nach der die Serben
in der Banovina von den Serben in Serbien durch nationale oder staatliche Grenzen
getrennt werden. Für alle Zeiten bleiben wir eins mit Serbien, sowohl in nationaler,
als auch in staatlicher Hinsicht.“378 Die Bewegung „Srbi na okup“ (Serben, die Reihen
geschlossen!) propagierte den Zusammenschluß der sechs verbliebenen alten Ban-
schaften (Vrbaska, Drinska, Dunavska, Morvska, Vardarska und Zetska) zu einer ad­
ministrativen Einheit, die den Namen „Srpske zemlje“ (Serbische Länder) tragen
sollte. Dazu gehörten nach Meinung der serbischen Nationalisten auch jene Teile der
Banschaft Kroatien, in denen die serbische Bevölkerung die Mehrheit stellte, wie auch
die Gebiete, die aus geostrategischen und politischen Gründen angeschlossen werden
sollten. Mancherorts (z.B. in Knin) wurde schon der bewaffnete Widerstand vorberei­
tet, was natürlich das serbisch-kroatische Verhältnis zusätzlich belastete.379 Doch da

375 Vgl. Calic, Marie-Janine, Der serbisch-kroatische Konflikt in Kroatien, in: Weithmann, Mi­
chael W. (Hg.), Der ruhelose Balkan. Die Konfliktregionen Südosteuropas, München 1993,
S. 108-148, hier S. 123.
376 Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens, S. 64.
377 Boban, Ljubo, Sporazum Cvetkovic-Macek, Beograd 1965.
378 Vgl. Muzic, Pavelic i Stepinac, mit der Dokumentation der Texte versch. solcher Flugblätter,
S. 31 ff.
379 Odbor za obiljezavanje 50. obljetnice (Hg.), S. 25.

435
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

der Widerstand der orthodoxen Geistlichen gegen die Banovina vor allem der Siche­
rung ihrer unter dem alten Regime erworbenen Posten diente fand die Aktion bei den
Bauern, deren soziale Stellung durch den „sporazum“ unverändert blieb, nur wenig
Resonanz. Die serbische Sammlungsbewegung „Srbi na okup“ konnte so nur in eini­
gen Bezirken Norddalmatiens und in Knin Erfolge erzielen, wo sie eng mit den beste­
henden Cetnici-Vereinigungen zusammenarbeitete.380
Doch nach dem Abschluß des „sporazum“ sah sich die Kroatische Bauernpartei einer
Zerreißprobe ausgesetzt.381 Die radikalen kroatischen Nationalisten, die der sezessio-
nistischen Ustasa nahestanden, hielten die „kroatische Frage“ durch den „sporazum“
keinesfalls für gelöst. Daß die Bauernpartei mit ihrem pazifistischen Kampfmitteln
und einem relativ moderaten Nationskonzept keinen Erfolg hatte, sondern ihr Führer
Stjepan Radic selbst Opfer des Nationalhasses geworden war, hatte die Radikalisie­
rung in Teilen der kroatischen Gesellschaft sicher begünstigt. An erster Stelle ist hier
die 1929 von Ablegern der Rechtspartei gegründete Ustasa zu nennen. Die Ustasa-
Ideologie und deren blutige Umsetzung in die Praxis, ist in der deutschsprachigen
Historiographie gut beschrieben worden.382
Als Hauptinhalt des ideologischen Programms der „Ustasa - Hrvatska revolucio-
narna organizacija“383 ist ein „zum Chauvinismus gesteigerte(r) Nationalismus groß­
kroatischer Ausrichtung“ auszumachen. Letztlich war die „Verwirklichung eines na­
tionalkroatischen Staates“ der „einzige Punkt“, „in dem alle Mitglieder und Sympathi­
santen der Bewegung übereinstimmten“.384 Doch traf dies eben nicht nur auf die
Ustasa zu. Der Wunsch nach einem eigenen Staat war Konsens in den breitesten Krei­
sen der kroatischen Bevölkerung; aber auch eines großen Teils der von der SDS vertre­
tenen Serben in Kroatien, deren Koalition mit der Kroatischen Bauernpartei offiziell
bis zum Einmarsch der deutschen Truppen nicht aufgelöst wurde. Keineswegs, und
zu keinem Zeitpunkt, hatte aber ein ultranationalistisches, großkroatisches und ser­
benfeindliches Ustasa-Mordprogramm eine nennenswerte Massenbasis im kroatischen
Volk.
Ob in der Wirtschaftsvereinigung „Hrvatski radisa“ oder der Kulturorganisation „Ma-
tica hrvatska“: in allen ihnen erreichbaren Foren polemisierten die radikalen kroati-

380 Jelic, Ivan, O nekim odjecima sporazuma Cvetkovic-Macek medu Srbima u Hrvatskoj (Über
einige Reaktionen des sporazum C.-M. unter den Serben in Kroatien), in: Zbornik HI SL 3
(1965), S. 155f., hier zit. nach Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte, S. 64f.
381 Für das folgende Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte, S. 65-68; Boban, Ljubo, O politickim
previranjima na selu u Banovini Hrvatskoj (Über den pol. Gärungsprozeß auf dem Dorf in
der Banovina Kroatien), in: Istorija XX veka 2 (1961), S. 255ff.; ders., Macek i politika HSS
1928-1941 (M. und die Politik der HSS 1928-41), 2 Bde., Zagreb 1974.
382 Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte, S. 68ff. u. 232ff. u. zuletzt Troebst, Stefan, Nationalismus
und Gewalt im Osteuropa der Zwischenkriegszeit. Terroristische Separatismen im Vergleich,
in: Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte 1996/1, S. 273-314
383 Vgl. Troebst, Nationalismus und Gewalt, S. 292-298.
384 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 250.

436
Der Anfang vom Ende des „Ersten Jugoslawien

sehen Nationalisten gegen den „sporazum“. Der Schriftsteller Mile Budak gab in Za­
greb die Wochenzeitung „Hrvatski narod“ (Das kroatische Volk) heraus, die im
Grunde das öffentliche Organ der Ustasa -Bewegung war. Die „armselige administra­
tive Autonomie ohne alle Garantien“ würde nur zur Stärkung des verhaßten König­
reichs Jugoslawien führen und die Idee der Schaffung Kroatiens als eines selbstständ­
igen und unabhängigen Staates verraten, meinten die extremen Nationalisten. Wirt­
schaftskreise bemängelten, daß die „finanzielle Selbstständigkeit der Banovina Hrvat-
ska“ noch immer nicht ganz verwirklicht sei385 und die erreichte Stufe der
Selbständigkeit noch lange nicht genug war.386
Am schwersten wog jedoch, daß auch die Basis der HSS, die kroatischen Bauern,
nicht mehr fraglos hinter der Parteiführung stand. Tatsächlich ließ sich feststellen, daß
infolge des „ökonomischen und sozialen Differenzierungsprozesses auf dem Lande“
viele Bauern zusehends radikaleren Tendenzen auf der Rechten und Linken zuneigten
und sich damit „von der etablierten HSS-Führung“ entfernten. Dies entspricht dem
Befund, zu dem man nach der Lektüre der dalmatinischen Zeitungen um 1940 herum
kommt. Die „oppositionelle Interessengemeinschaft“ (Sundhaussen), diese heterogene
anti-jugoslawische Front aus Klerikalen, Frank-Anhängern, Separatisten, Föderalisten
und Anhängern der Bauernpartei, die jahrzehntelang die Lösung der „kroatischen
nationalen Frage“ angemahnt hatte, zerbrach nach dem Kompromiß mit Belgrad. Die
Erwartungen der Bauern auch in Dalmatien war, daß diejenigen, für die sie nun jahre­
lang gestimmt hatten, einmal an die Macht gelangt, auf der Grundlage der kroatischen
Autonomie die Hauptprobleme des Dorfes (die Zersplitterung des Bodens, die
Bauernverschuldung und die Kreditierung der Landwirtschaft) lösen würden. Statt
dessen wurde der soziale Differenzierungsprozeß durch den Beginn des Zweiten Welt­
kriegs noch beschleunigt, da das rasche Ansteigen der landwirtschaftlichen Erzeuger­
preise nahezu ausschließlich den größeren Landwirtschaftsbetrieben zugute kam. In
den „passiven Gebieten“, wozu das gesamte dalmatinische Hinterland gehörte, kam
es wegen der angespannten Ernährungslage gar zu „anarchischen“ Zuständen, wie aus
Benkovac gemeldet wurde.387
Die HSS verlor, was sie über fast die gesamte Zwischenkriegszeit gehabt hatte: die
fraglose Unterstützung der absoluten Mehrheit der kroatischen Bauern. Die Bauern­
partei aber zeigte sich überzeugt, daß „ heute die HSS nicht nur eine Partei ist, die das
kroatische Volk repräsentiert, sondern eine große kroatische nationale Gemeinschaft,
neben der keinerlei andere politische Bewegungen mehr existieren können. “ (Hervorh.
im Original).388 Entsprechend bekamen alle anderen Parteien und Gruppierungen dies
nun zu spüren. Ob bei den Wahlen zum Senat vom 12. September 1939 oder den
Gemeindewahlen vom 19. Mai 1940. „Disziplin und die Ordnung“ wurden nun von

385 Jadranski Lloyd v. 19.04.1940.


386 Jadranski Lloyd v. 12.09.1940.
387 Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens, S. 66.
388 Glojnaric, S. 240.

437
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

den Funktionären der Bauernpartei angemahnt,389 die Zeit der eigenen Verfolgung
war schnell vergessen.390 Auch die neue HSS-Regierung nutzte bald die Möglichkeiten
des § 12a der „Verordnung über die Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die
öffentliche Sicherheit und den Staatsaufbau“. Es kam zu zahlreichen Verhaftungen
auch in Dalmatien.
Bei einer Großkundgebung in Split am 7. Januar 1940 betonte der Generalsekretär
der HSS, Juraj Krnjevic, daß sich in die bäuerlichen Reihen weder kommunistische
noch faschistische Ideologien einschleichen dürften, sondern daß sich die Partei auch
weiterhin fest an der Lehre der Gebrüder Radic ausrichten müsse.391 Aus Protest
gegen die nun einsetzende Repression gegen diese „unbäuerlichen Elemente“ sank bei
den Gemeindewahlen die Wahlbeteiligung in einigen Kreisen auf 20 % und es wurden
Proteste wegen Wahlfälschung laut. Mancherorts ließ es die HSS erst gar nicht zu,
daß andere Listen aufgestellt wurden.392 „Terror und Wahlkampfmanipulation“, die
die HSS so oft beim Regime in Belgrad angeprangert hatte, konnten nun ihr zum
Vorwurf gemacht werden.393 Auch was das parteiinterne Demokratieverständnis anbe­
langte, klaffte eine bemerkbare Lücke zwischen Programm und Realität. Vladimir
Macek wurde beispielsweise nie formal als Präsident der Bauernpartei gewählt; die
Vorstellung eines „demokratischen Paradepolitikers“ ist sicher nicht aufrechtzuerhal­
ten, sieht man sich seine autoritären Neigungen und Manieren an, die er innerhalb
seiner Partei (und nach der Proklamation der Banschaft Kroatien auch auf deren Terri­
torium) an den Tag legte. So traf er seine Entscheidungen grundsätzlich, ohne vorher
Entscheidungsgremien der Partei einzuberufen oder zu konsultieren.394 Auch war er
es, der zum Netzwerk der kulturellen, ökonomischen und gewerkschaftlichen Organi­
sationen im Umfeld der HSS (Seljacka sloga, Gospodarska sloga, Hrvatski radnicki
savez) die paramilitärischen Verbände des „Bauern und Bürgerschutzes“ (Seljacka i
Gradanska zastita) gegründet hatte. In manchen Handlungen ließen sich in der Politik
Maceks, als er in der Banovina faktisch an die Macht kam, sogar totalitäre Züge ausma­
chen. Dies läßt sich nicht nur an seinem Verhalten allen anderen Parteien gegenüber
festmachen und daß er sich auf einem Schimmel sitzend als Führer feiern ließ. Die
Vergabe auch der geringsten öffentlichen Position in der Banovina war eindeutig an
eine Mitgliedschaft in der Bauernpartei gebunden, politische Gegner von rechts und
links wurden interniert.

389 Novo doba v. 16.12.1939 und v. 9.1.1939.


390 Vgl. das mehrere hundert Namen umfassende Verzeichnis von Mitglieder der Gesellschaft
„Hrvatski politicki kaznjenici“ (Kroatische politische Gefangene) bei Glojnaric (S. 270-275),
die wegen ihrer kroatisch-nationalen Überzeugung zwischen 1918-1938 im Gefängnis waren.
391 Novo doba v. 8.1.1940.
392 Vukic, S. 139.
393 Konjevic, Mile, Opcinski izbori u Banovini Hrvatskoj 19. maja 1940. god. (Die Gemeinderats­
wahlen in der Banovina v. 19.5.40), in: Prilozi instituta za izucavanje radnickog pokreta -
Sarajevo, 9 (1973), 1, S. 271.
394 Vgl. Jelcic, Politika i sudbine, Artikel „Macek“, S. 224-228.

438
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien “

Eine weiteres Phänomen war die Unterwanderung der paramilitärischen Bauern- und
Bürgerschutzformationen der HSS durch Anhänger der Rechtspartei (frankovci), die
mit der Ustasa sympathisierten.395 Dies wurde schon von Zeitgenossen registriert.
Daß aber in den Schutzverband der Bauernpartei vor allem Ustasa-Agenten eingetre­
ten seien, ist wohl in dieser Absolutheit nicht beweisbar.396 Nachdem der „Bauern­
schutz“ zuerst nur eine Art Leibgarde für den Vorsitzenden der Partei sein sollte (die
sog. „Macekova garda“), ging man später dazu über, Anzahl und Funktion der Truppe
auszuweiten und schuf einen Saal- und Versammlungsschutz für Veranstaltungen der
Bauernpartei. Ab 1937 kann man die „Seljacka zastita“ wohl endgültig als eine Art
para-militärische Schutztruppe sehen, die in fast allen Kreisen Kroatiens, wo die Bau­
ernpartei stark war, Gliederungen hatte. In den Städten hieß die Organisation „Gra-
danska zastita“ (Bürgerschutz), von denen 15 gegründet wurden. Die „Kotarske sel-
jacke zastite“ zählten zwischen 800 und 2500 Mann (insgesamt gab es über 100), und
waren, wie die ehemalige kroatische Heimwehr (domobrani) in roj, vod und satnija
aufgeteilt. In den Städten wurde die HSS-Truppe bald eine Art Hilfspolizei, nachdem
die „Banovina Hrvatska“ proklamiert worden war. Aus den kroatischen Gliederungs­
bezeichnungen, die auch die Ustasa benutzte, hat man später versucht, eine Identität
zwischen den Formationen der Ustasa und dem Bauernschutz zu konstruieren, was
gewiß nicht zutrifft. Die kommunistische Auffassung war, daß dieser Bauern- und
Bürgerschutz aus Armeebeständen bewaffnet wurde und das erklärte Ziel hatte,
„Kommunisten und alle fortschrittlichen Patrioten zu verfolgen“.397 Zumindest in den
einschlägigen Quellen für Dalmatien findet sich dafür kein Beleg. Sicher waren die
Mitglieder des Bauernschutzes jedoch kroatische Nationalisten, die die Zerstörung
Jugoslawiens im Sinn hatten und sich einen kroatischen Staat wünschten. Ob aber
Qualifikationen, wie „faschistisch“ und „ultra-reaktionär“ und „ultra-extrem“ das
Wesen dieser Verbände genau bezeichnen, bleibt fraglich.398

395 Vgl. Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 149-187; Vorgeschichte u. Selbstdarstellung bei Bezik,


M., Ustaska borba. Od prvih dana ustaskog rada do Poglavnikovog odlaska u emigraciju.
Poceci i bit Ustaskog pokreta (Der Kampf der U.. Von den ersten Tagen der U.-Arbeit bis
zum Fortgang des poglavnik in die Emigration. Anfänge und Wesen der U.-Bewegung), Za­
greb 1942 u. Quellensammlung: Putern hrvatskoga drzavnog prava. Poglavnikovi govori, iz-
jave i clanci prije odlaska u tudinu (Auf dem Wege des kroat. Staatsrechts. Die Reden, Ausfüh­
rungen und Artikel des pogl. vor dem Weggang ins Ausland), Zagreb 1942; Hory, L./Broszat,
M., Der kroatische Ustasa-Staat 1941-1945, Stuttgart 1964; Krizman, Bogdan, Pavelic i
Ustase, Zagreb 1978, ders., Pavelic izmedu Hitlera i Mussolinija, Zagreb 1980; Jelic-Butic,
Fikreta, Prilog proucavanju djelatnosti ustasa do 1941. (Beitr. zur Erforschung der U.-Tätig-
keit bis 1941), in: Casopis za suvremenu povijest 1 (1969); dies., Ustase i Nezavisna Drzava
Hrvatska 1941-1945 (Die U. u. der USK), Zagreb 1977.
396 Culinovic, Ferdo, Slom stare Jugoslavije (Der Zusammenbruch d. alten Jug.), Zagreb 1958,
S. 106.
397 Vgl. Tito, Josip Broz, Vojna dela, B. I, Beograd 1961, S. 75; Ivan, Ribar (Politicki zapisi,
S. 108) meinte: „in diesem Bürgerschutz waren es fast alles fanatische Frank-Anhänger, bzw.
Ustase“.

439
Vom,integral-jugoslawischen1 Einheitsverständnis

Daß Macek nach dem „sporazum“ innerhalb der Partei und ihren Gliederungen an
Macht und Einfluß verlor und in der Banovina ein politischer Kampf „aller gegen
alle“ ausbrach, war die Folge der immer stärkeren Polarisierung innerhalb der HSS.
Den Organisationen - vor allem in Dalmatien - fehlte jegliche Disziplin und Homo­
genität; Fraktionskämpfe bestimmten den politischen Alltag. Auf Kosten der politi­
schen Bedeutung der HSS-Führung wurde ein stärkerer Einfluß der „Frankianer“ und
Kommunisten immer deutlicher spürbar. Von rechts wurde die Führung der Bauern­
partei „in Massen von Flugschriften“ wegen ihrer „unnationalen“ Politik angegriffen
und des „Hochverrats am kroatischen Volk“ bezichtigt. Immer wieder wurde in der
Agitation herausgestellt, daß alle „sozialen und ökonomischen Probleme erst durch
die vollständige Abtrennung Kroatiens von Jugoslawien gelöst werden könnten“.399
Die ultra-nationalistische Ustasa-Agitation, die die aus Italien bis Mitte 1939 heimge­
kehrten amnestierten Emigranten in den verschiedensten Institutionen und Organisa­
tionen betrieben, spielte auch in Dalmatien ihre verhängnisvolle Rolle, indem sie den
Boden für die spätere anfängliche Akzeptanz eines Ustasa-Staates schuf. Schon in der
Emigration entwickelte die Ustasa eine sehr rege publizistische Tätigkeit. Hatten es
die Ustasa-Publikationen vorher schwer gehabt, innerhalb Kroatiens illegal vertrieben
zu werden, so eröffnete sich ihnen jetzt ein weiter Freiraum, auch wenn die Führung
der Banovina schließlich einschritt und einige Ustasa-Zeitungen verbot.400 In als „Spar
und Hilfsgemeinschaften getarnten“ Gesellschaften wie der „Uzdanica“ (Hoffnung)
oder in Zirkeln an der Universität entfaltete die Agitation der Ustasa v. a. unter Teilen
der katholischen Intelligenz und universitären Jugend Wirkung. Auch gelang es der
fanatisch-nationalistischen Ustasa-Agitation, „unter den Wählern und Mitgliedern der
Kroatischen Bauernpartei“ neue Anhänger zu gewinnen. Neben der renommierten
und traditionsreichen Kulturinstitution „Matica hrvatska“ und zahlreichen Zeitungen
und Zeitschriften wurden die katholischen Vereinigungen „Domagoj“, „Krizari“,
„Katholische Aktion“ u.a „zu einflußreichen Agitationszentren der Ustasa-Klerika-
len“.401 Der 1939 gegründete „Hrvatski junak“ und sein Organ „Vihor“ sind als Trans­
missionsriemen für die Ustasa-Ideologie beschrieben worden. Wichtiger sind jedoch
die nach dem Verbot des kroatischen „Orao“ von der katholischen Kirche unterstütz­
ten „Bruderschaften des Kreuzes“ (krizarska bratstva), die Sektionen für die Arbeiter-

398 Jakovcev, S. 66f.


399 V.a. in den Kreisen Imotski, Metkovic u. Makarska in Dalmatien fiel die Agitation der rechts­
radikal unterwanderten „Katholischen Aktion“ auf fruchtbaren Boden; Boban, O politickim
previranjima, S. 254ff.
400 Jareb, Jere, Publikacije domobransko-ustaskog pokreta u izbjeglistvu i iseljenistvu 1929.—
1944., (Die Publikationen der Heimwehr-Ustasa-Bewegung in der Emigration 1929-44) in:
Casopis za suvremenu povijest Nr. 2/1994 (Teil 1) u. Nr. 3/1994 (Teil 2), S. 413-426.
401 Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 153ff.; Zu „Liberalismus und Klerikalismus in der kroati­
schen Geschichte“ Gross, M., Liberalizam i klerikalizam u hrvatskoj povijesti, in: Nase teme
6-7/1987, S. 846-858.

440
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien

schaft, Bauern und Schüler anboten. Die Kontinuität einer national-kroatisch-katholi­


schen Gegensozialisation war damit schon während der Zeit der Diktatur gesichert.
Schon im Dezember 1939 nutzte die Führung der Banschaft Kroatien die neugewon­
nene Souveränität und richtete in Lepoglava ein Gefangenenlager ein, wo sie Anhänger
der Ustasa und der Kommunisten internierte. Auch wurde die Arbeit der Unabhängi­
gen Gewerkschaften (URS), die unter dem Einfluß der KP standen, verboten. Gleich­
zeitig ging man auch gegen die Ustasa-Zeitungen „Hrvatski narod“ und „Hrvatska
zemlja“ vor. Die Matica hrvatska bekam einen kommissarischen Leiter verordnet.
Anfang 1941 wurde die Zahl der Internierten so groß, daß bei Travnik ein zweites
Lager geschaffen wurde. Auf die Forderung nach Auflösung der Internierungslager
für politische Gegner kam es zu weiteren Verhaftungen. Die „Verordnung über die
Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit
und des Staatssystems“ war die rechtliche Grundlage der massenhaften Verhaftungen
von (hauptsächlich kommunistischen) Oppositionellen. Etliche dieser Gefangenen
wurden dann von der Ustasa, nachdem diese an die Macht gebracht wurden, grausam
ermordet.402
Die jugoslawische Option hatte nicht mehr den Hauch einer Chance in Dalmatien.
Viel zu lange schon war die eigene kroatische Identität propagiert und stabilisiert
worden. Tenor der von der Bauernpartei in Split herausgegebenen Blätter war, daß
das „Unglück“ der Kroaten der letzten 20 Jahre, nur „radikal kroatisch und mit Hilfe
der Ideen von Radic“ überwunden werden könne.403 Auch gehöre „Bosnien uns“,
was bei dem „narodni sporazum“ nicht vollständig berücksichtigt wurde. Böse wurde
gegen „Narodni list“ und „Srpski glas“ gewettert, die als „großserbisch“ ettiketiert
wurden. Als am 6. März 1941 die „Dalmatinska Hrvatska“ wieder als Parteizeitung
der Bauernpartei in Split erschien, war das Klima noch rauher geworden. Aufgabe des
Blattes sollte sein, wie der Redakteur Slavko Roje schrieb: „die Ideologie der Bauern­
partei zu propagieren“ und die „anti-kroatischen Elemente“ zu geißeln.404 Das „Volk
im dalmatinischen Kroatien“ hätte „die Bauernpartei mehr aus einem Gefühl heraus,
als nach rationaler Abwägung (vise osjecajem nego prosudivanjem) angenommen“
(Macek), nun sollte das Kroatentum und die „Wissenschaft von Stjepan Radic“ ganz
bewußt angenommen werden. Der „kroatische Charakter“ wurde nun am Theater
genauso wie an der Boka kotorska entdeckt und beschrieben. So „friedfertig der
Kroate“ auch sei, so zeige doch die nationale Vergangenheit als „antemurale christiani-
tatis“, daß er auch kämpferisch werden könne, wenn es not tue. Das sollten nun
vor allem „die Handvoll Kroaten, die sich als Jugoslawen bezeichnen“, zu spüren

402 Vgl. „Uredba o izmjeni i dopuni Zakona o zastiti javne bezbednosti i poretka u drzavi“ u.
Lucin, Ante, Frane Kapov Rus (1913-1942), in: Kastelanski zbornik 2, Kastela 1989, S. 113 —
117.
403 Vgl. Naprijed - Omladinski list Nr. 1 Jg. I v. 07.06.1939 u ff., sowie Pokret hrvatske narodne
mladice Jg. I Nr. 1 v. 18.03.1940.
404 Dalmatinska Hrvatska v. 06.03.1941.

441
Vom ,integral-jugoslawischen‘ Einheitsverständnis

bekommen. Viel zu mild sei mit denen verfahren worden, die während der Diktatur
an hervorragenden Stellen das kroatische Volk „gequält“ hätten. Der Sokol beispiels­
weise sei noch immer das Zentrum dieser verhaßten ehemaligen Macht.405
Die „national und patriotisch“ in jugoslawischen Sinne fühlenden Kreise waren schon
lange kein Machtfaktor mehr.406 Alle Versuche jugoslawistisch denkender Intellektuel­
ler zu beweisen, daß man „ein guter Jugoslawe“ sein und trotzdem „die Existenz und
Entwicklung der Banovina Kroatien verteidigen“ könne, schlugen fehl. Die nach wie
vor loyal zum jugoslawischen Staat stehende Zeitung bekam, wie die Redaktion be­
klagte, keine Anzeigenkunden von „kroatisch“ eingestellten Institutionen und Indivi­
duen. Man sah sich gezwungen zu versichern: „Wir hassen nicht alles, was kroatisch
ist!“ Alle wortreichen Versuche, den „jugoslawischen Nationalismus“ als die höchste
Form auch des kroatischen darzustellen, entfalteten keinerlei Wirkung. Die Leserzahl
in Dalmatien war äußerst gering, was auch der Herausgeber zugeben mußte. Im „Na-
rodni list“ war die Rede von denen, die „hartnäckig irgendein seltsames „unabhängiges
Kroatien“ propagieren“, das aber nur als Klientelstaat einer Großmacht vorstellbar
sei. Solche Ideen müßten im Interesse des Gesamtstaates „aus dem politischen Leben
ausgeschlossen und auf immer verunmöglicht werden“. Doch es war viel zu spät. Die
Aufrufe an „alle, die diesen Staat (gemeint war Jugoslawien, A. J.) lieben“, sich zu
einigen, gingen ins Leere. Auch die gegründete „Jugoslawische Nationale Partei“
(JNS) blieb ohne Anhängerschaft. Die Zeitung konnte noch so oft gegen die „falsche
Gleichsetzung von Katholizismus = Kroatentum, Orthodoxie = Serbentum“ und die
„kleinen Fanatiker“, die das behaupteten, polemisieren. Die Gemeinsamkeiten zwi­
schen Kroaten und Serben, wie die Jugoslawen' sie sahen, waren in der öffentlichen
Debatte schon lange nicht mehr wichtig. Die Forderungen nach „vollkommener Frei­
heit für das kroatische Volk“, die nicht nur die Anhänger der Frank-Partei, sondern
„nun auch Teile der Bauernpartei erheben“ würden, konnte das „Volksblatt“ nur noch
schwach parieren mit dem Verweis auf die „staatliche Gemeinschaft“, die eine „Tei­
lung der Souveränität“ notwendig mache. Selbst solche Institutionen, wie die Jadran-
ska straza, bemerkte die letzte jugoslawistische Zeitung in Dalmatien resignierend,
hätten nur noch den Namen mit dem gemein, was sie früher dargestellt hätten.407
„Narodni list“ blieb bis zum Schluß ein „jugoslawisches Blatt“. Der „22. und 23.
März 1941“, der Putsch von Simovic gegen den Beitritt zum Drei-Mächte-Pakt in
Belgrad, waren für seine Macher „große jugoslawische Tage“, an denen sich „jeder
Bürger Splits nur als Jugoslawe gefühlt und ebenso agiert und reagiert“ habe.408 „Ne-

405 Dalmatinska Hrvatska v. 13.03.1941.


406 Narodni list (Nr. 1/Jg. II) v. 08.01.1941.
407 Narodni list v. 23.01./31.01./06.02./13.02./13.02./20.02. u. 06.03.1941.
408 Narodni list v. 26.03.1941. Tatsächlich kam es gegen den Beitritt Jugoslawiens zum Drei-
Mächte-Pakt und als Unterstützung des dagegen gerichteten Futsches des Generals Simovic,
auch in der Banschaft Kroatien, in Zagreb, Split, Karlovac, Slavonski Brod, Osijek, Susak und
kleineren Orten zu Demonstrationen, die aber von der Linken initiiert worden waren; vgl.
auch Odbor, S. 26f.

442
Der Anfang vom Ende des „Ersten Jugoslawien“

ben den jugoslawischen Nationalisten begrüßten die Armee und diejenigen, die sich
als sozial unzufrieden bezeichnen“, die Ereignisse, schrieb Andjelinovic in seiner Zei­
tung.409 Unverdrossen sah die Zeitung die „großen jugoslawischen Tage Splits sich
fortsetzen“. Mit allen Mitteln versuchte sie, die Erinnerungen an den November 1918
und den damaligen Vereinigungstaumel zu evozieren, doch vergeblich.
Vladko Macek trat am 3. April 1941 als Stellvertreter in die Regierung Simovic ein.
Bereits am 1. April war ihm vom Bevollmächtigten des deutschen Außenministers
angeboten worden, als Präsident eines selbständigen Kroatien vom Deutschen Reich
anerkannt zu werden. In „vollem Vertrauen, daß der Präsident Dr. Macek“ schon das
Richtige tun würde, nahm die „Dalmatinska Hrvtaska“ eine abwartende Haltung zum
Putsch ein.410 Doch Artikel, wie der des Lehrers Zvonimir Bandalo aus Oklaj „Die
Parasiten müssen ausgerottet werden“, wo es hieß: „Auch wenn wir nun schon zwei
Jahre unsere Banovina Kroatien haben, können sich die Herren doch nicht damit
abfinden, daß ihre Selbstherrschaft ein Ende gefunden hat“, wo die lokalen „Anhänger
der nicht-nationalen Regime“ beschuldigt wurden, „Lebensmittel zur Seite zu schaf­
fen“ etc., machten deutlich, wie tief das Gift des Chauvinismus auch schon in die
Bauernpartei eingedrungen war.411 Die nächste (und letzte) Ausgabe der „Dalmatinska
Hrvatska“ verkündete am 12. April 1941 die „Proklamation des Poglavnik Dr. Ante
Pavelic“. So erfuhren nun auch die Leser in Dalmatien:
„Gottes Vorsehung und der Wille unserer Verbündeten, der leidvolle jahrhundertelange
Kampf des kroatischen Volkes und die große Opferbereitschaft unseres Führers Dr. Ante
Pavelic und der Ustasa-Bewegung im Lande und in der Emigration haben heute, vor dem Tag
der Auferstehung des Gottessohnes, bestimmt, daß auch unser unabhängiger kroatischer Staat
wieder aufersteht.

Darunter stand der „Aufruf von Dr. Macek“, in dem es hieß:


„Kroatisches Volk! General Slavko Kvaternik, der Führer der nationalistischen Bewegung im
Lande, hat heute den freien und unabhängigen kroatischen Staat auf seinem ganzen histori­
schen Territorium Kroatien proklamiert, und die Macht übernommen. Ich rufe das ganze
kroatische Volk auf, sich der neuen Regierung zu unterstellen, ich rufe alle Anhänger der
Kroatischen Bauernpartei, die Verwaltungsfunktionen innehaben, alle Kreisabgeordneten,
Bürgermeister, Abgeordneten usw. dazu auf, ehrlich mit der neuen Macht zusammenzuarbei­
ten.“

Der Aufruf schließlich von Ante Luetic, „Ustasa-Vertrauensmann“ (Ustaski Povjere-


nik) in Split vom 11. April 1941, daß das kroatische Volk „vor Freude jauchzen“
möge, da „sein größter Tag“ angebrochen sei und aus den „Trümmern des faulenden
und arroganten serbischen Chauvinismus“ endlich die „goldene Freiheit und staatliche
Selbstständigkeit“ erstanden sei, machte deutlich, daß nun ein neues Kapitel der kroa-

409 Narodni list v. 26.03.1941.


410 Dalmatinska Hrvatska Nr. 5 v. 03.04.1941.
411 ebenda.

443
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

tischen Geschichte aufgeschlagen werden sollte.412 Daß es das schwärzeste der kroati­
schen Geschichte werden würde, ahnten in diesem Moment wohl nur die wenigsten
in Dalmatien.
Bei dem Vorhaben, als Reaktion auf den Putsch „Jugoslawien militärisch und als
Staatsgebilde zu zerschlagen“ (Hitler), griff das nationalsozialistische Deutschland nun
auf die Ustasa zurück, die auch vom faschistischen Italien favorisiert wurde. Am 5.
April sprach aus Italien der „poglavnik“ (Führer) der Ustasabewegung, Ante Pavelic,
über den Rundfunk und setzte seine Zuhörer über die Gründung eines kroatischen
Staates unter dem Patronat Hitlers und Mussolinis in Kenntnis. Am 6. April begann
ohne Kriegserklärung der deutsche Angriff auf das Königreich Jugoslawien, und am
selben Tag bombardierten italienische Flugzeuge den Hafen von Split und terrorisier­
ten in den folgenden Tagen die Bewohner der Stadt.413 Die nun einsetzende Kriegs­
wirklichkeit erlegte den Menschen in Dalmatien großes Leid und zahllose Opfer auf.
Vor allem die serbische Minderheit in Dalmatien sah sich bald schwerster Verfolgung
ausgesetzt.
Die Soldaten des Königreichs Jugoslawien waren nicht motiviert, für einen Staat, den
sie nicht als den ihren empfanden, zu kämpfen. Nach dem Einmarsch der deutschen
Truppen am 10. April 1941 in Zagreb, die von einer jubelnden Menge begrüßt wurden,
proklamierte der ehemalige k.u.k.-Oberst Slavko Kvaternik im Namen des „poglav­
nik“ Pavelic den sogenannten „Unabhängigen Staat Kroatien“. Am 15. April floh die
jugoslawische Regierung mit ihrem König nach London, zwei Tage später unter­
schrieb die im Land verbliebene militärische Führung der jugoslawischen Armee die
bedingungslose Kapitulation.
Es ist in treffenden Worten ausgedrückt worden, wie der „nie befriedigte und zur
Ruhe gekommene kroatische Nationalstaatsanspruch, ein tief verletztes nationales Be­
wußtsein und die ebenso romantisch-verinnerlicht wie aggressiv geprägte Vorstellung
von einer kroatischen „Mission“ im Grenzbereich zwischen Abendland und Byzanz,
zwischen West- und Ostkirche, zwischen Zivilisation und „balkanischer Unkultur“
in jenen Tagen in Kroatien in dem rauschhaft verkündeten Glauben an die „Auferste­
hung“ des kroatischen Staates Zusammenflossen. Das Ergebnis war Intoleranz und
Menschenverachtung.“414 Es sollte sich bald zeigen, daß die integrative Kraft des
Ustasa-Nationalismus, die stilisierte Selbstdarstellung als katholisches Bollwerk, nicht
lange vorhielt. Im Falle der Anhänger des radikalen kroatischen Nationalismus hatte
er sich zweifellos zu stilisierter, verzerrter Wirklichkeitswahrnehmung verselbständigt.
Maceks zögerliche und entscheidungsschwache Politik, und schließlich sein Aufruf
zur Loyalität gegenüber der Ustasa-Staatsführung, wurde weitestgehend befolgt.

412 Dalmatinska Hrvatska v. 12.04.1941, S. 1.


413 Vgl. die Spliter Chronologie des Jahres 1941 unter dem Titel „Bog rata i andeo mira“ (Kriegs­
gott und Friedensengel), in: Baras, Frano, Staro zrcalo splitsko, S. 75-90 u. ders., Krila smrti
nad gradom (Flügel des Todes über der Stadt), in: ebenda, S. 91-96.
414 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 250.

444
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien “

„Opportunismus, falsche Zukunftserwartungen und Enttäuschung über den jugosla­


wischen Staat haben diese Haltung begünstigt“.415 Die von Ljubo Boban beabsichtigte
Zurückweisung des von serbischen Historikern oft erhobenen Vorwurfs, v.a. die
Kroaten, und hier die kroatische Bauernpartei, trügen die Hauptschuld am Zusam­
menbruch 1941, ist nicht so einfach zu leisten.416 Sicher gelingt es Boban, serbischen
Historikern wie Velimir Terzic „an mehr als einer Stelle einen ausgesprochen proble­
matischen Umgang mit historischen Zeugnissen nachzuweisen“ (Wolfgang Höpken),
und es fällt nicht schwer, die außerwissenschaftliche und polemische Intention dieser
Vorwürfe zu bemerken; aber die Aufrufe der HSS sprechen, obwohl die Authentizität
des einen oder anderen umstritten sein mag, in ihrer Gesamtheit doch eine deutliche
Sprache.
Da Stjepan Radic und die Bauernpartei die kroatische Politik nach 1918 geprägt hat­
ten, versuchten Publizisten und Historiker, die Anhänger eines radikalisierten Ustasa-
Nationalismus waren, schon bald, nachdem der Ustasa die Macht angetragen worden
war, ihre Option als logische Fortsetzung der Politik der Bauernpartei („von Starcevic
über Radic zu Pavelic“) auszugeben. So durchsichtig dieses politische Manöver auch
war; ganz von der Hand zu weisen ist deren Urteil, daß in die Zwischenkriegszeit
„die letzte, abschließende Phase in der Formierung des Kroatentums zu einer moder­
nen Nation“ fiel, wohl nicht. Wenn die Ustasa-Zeitschrift „Spremnost“ (Bereitschaft)
1942 von dem „inneren Gefühl der Einheit des nationalen Wesens“ der Kroaten
schrieb, das der Bauernführer Radic durch die „Aktivierung der gesamten kroatischen
Bauernschaft“ zum „ersten Mal in der Geschichte“ hergestellt habe, dann blieb er
damit durchaus noch auf der Linie der Politik eines großen Teils der HSS. War es
Radic auf den ersten Blick nicht tatsächlich gelungen, das „Volk aller Regionen um
einen Gedanken und ein bestimmtes Wollen, um eine Führung und ein Zentrum“ zu
sammeln, und wurde dadurch nicht eine (wenn auch nur kurzzeitige) „Integration des
Kroatentums“ erreicht? Auch das „Endziel des kroatischen Kampfes, die kroatische
Bauernrepublik, der kroatische Staat“ war, wie Julije Mekanec in verschiedenen Arti­
keln in „Spremnost“ (Bereitschaft) betonte, scheinbar nicht nur Ustasa-Propaganda.417

415 Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens, S. 232f.


416 Vgl. Boban, Ljubo, Kontroverze iz povijesti Jugoslavije. Dokumentima i polemikama o te-
mama iz novije povijesti Jugoslavije (Kontroversen aus der Geschichte Jugoslawiens. Mit
Dokumenten u. Polemiken über Themen aus der neueren Gesch. Jug.), Zagreb 1989, der sich
z.B. gegen Velimir Terzic (Jugoslavija u aprilskom ratu 1941 (Jugoslawien im Aprilkrieg 1941),
Titograd 1963; ders., Slom Kraljevine Jugoslavije 1941 (Der Zusammenbruch des Kgr. Jug.),
Beograd 1982) wendet.
417 Mortigija, Tias, Stjepan Radic u okviru europskih strujanja i hrvatske politike (S. R. im Rah­
men der europ. Strömungen und der kroat. Politik), in: Spremnost 1942/17, 3 u. Mekanec,
Julije, Nacionalizam Stjepana Radica, ebenda, 1942/25, 2, hier zit. nach Macan, Trpimir,
„Spremnost“ o Stjepanu Radicu, in: Hrvatska obzorja 1/1993, S. 156-164. Tatsächlich finden
sich bei Radic auch zahlreiche Zitate, wonach die Tatsache, daß „wir nicht unseren eigenen
Staat haben“ für das Ausbleiben des erhofften „Fortschritts“ verantwortlich, gemacht wurde.

445
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis

Am 11. Juni 1941 wurde die Bauernpartei von der Ustasa verboten und ihr Führer
Macek und zahlreiche Mitglieder des Parteivorstandes interniert. Von den 87 HSS-
Abgeordneten traten 22 der Ustasa-Bewegung bei. Der linke Parteiflügel schloß sich
den Tito-Partisanen an.418 Die „Römischen Verträge“ vom 15. Mai 1941, mit denen
ein großer Teil Dalmatiens an das faschistische Italien fiel, waren für viele kroatische
Nationalisten in Dalmatien ein Schock.419 Ein Zivil-Kommissariat im okkupierten
Teil, mit Sitz in Zadar, das bald in Regionalverwaltung umbenannt wurde, übernahm
die zivile Macht in Dalmatien. Italien besetzte Zadar und sein Hinterland, die vorgela­
gerten Inseln, Sibenik und Umgebung. Trogir und Split, die Inseln Ciovo, Drvenik,
Solta, Vis, Bisevo, Korcula und Mljet. Knin und Drnis sollten zwar beim „Unabhängi­
gen Staat Kroatien“ verbleiben, doch auch dort blieb die italienische Armee statio­
niert.
Eine Zeit vieler Opfer und großer Leiden begann für die Menschen in Dalmatien. Der
jugoslawische Staat, in der Form, wie er bestanden hatte, verschwand für immer. Der
langjährige Diplomat und Minister im Königreich Jugoslawien, Momcilo Nincic,
schrieb im Dezember 1941 als Mitglied der Londoner Emigrationsregierung an den
Washingtoner Botschafter des zu diesem Moment schön untergegangenen Staates:
„Ich glaube nicht, daß sich Jugoslawien noch einmal wieder wird erneuern lassen. Wir
werden niemals mit den Kroaten Frieden haben. (...) Wir werden ein Groß-Serbien
bis Ogulin schaffen“.420 Auf der anderen Seite waren fanatisierte kroatische Nationali­
sten unter Berufung auf das „Ringen des kroatischen Volkes um seinen Staat und seine
Selbstständigkeit“421 dabei, ein terroristisches Staatsprogramm ins Werk zu setzen, das
für den zu erschaffenden Nationalstaat all jene drohte zu vertreiben oder zu ermorden,
die als „nicht zugehörig“ erklärt wurden, insbesondere die serbisch-orthodoxe Bevöl­
kerung.
Zu den Gründen, daß aus dem Bürgerkrieg in Gestalt der Tito-Partisanen eine Kraft
erwachsen sollte, die - auf neuer Grundlage - noch einmal einen Anlauf zu einem
Zusammenleben unternahm, gehörten sicher auch die unmittelbaren Erfahrungen,
wohin die Nationalitätengegensätze geführt hatten. Historisch-theoretische Erklärun-

418 Krizman, Bogdan, Korespondencija Stjepana Radica, 2 Bde., Zagreb 1972; Boban, Ljubo,
Macek i politika HSS 1928-1941, 2 Bde., Zagreb 1974; Jelic-Butic, Fikreta, Hrvatska seljacka
stranka, Zagreb 1983; Hrvatski leksikon, S. 472.
419 Scotti, Neva, Pokusaji primjene Rimskih ugovora od 18. svibnja 1941. (Die Versuche der
Implementierung der Römischen Verträge v. 18.05.41), in: Zadarska smotra 6/1993, S. 57-80.
420 Vgl. Plenca, Dusan, Medunarodni odnosi Jugoslavije u toku drugog svetskog rata (Intern.
Beziehungen Jugosl. während d. II WK), Beograd 1962, S. 91. oder Marie, Mihajlo, Kralj i
vlada u emigraeiji (König u. Regierung in der Emigration), Zagreb 1966, S. 222, der zahlreiche
Zitate von serbischen Politikern, anführt, die sich vehement für ein Großserbien einsetzen.
421 Straka, Manfred, Das neue Kroatien, in: Zeitschrift für Erdkunde (hrsg. v. Hans Schrepfer u.
Emil Hinrichs u.a.), 10. Jg. 1942, Heft 5, S. 253-279 hier S. 256 u. Schneefuß, Walter, Das
kroatische Volk, ebenda, S. 280-285, hier S. 280, die in Diktion und Geisteshaltung der
Ustasa-Ideologie entsprechen.

446
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien “

gen, warum das Zwischenkriegsjugoslawien scheiterte, können wohl nicht zu einem


vollständigen Verstehen führen, warum bereits vor einem halben Jahrhundert die Ab­
rechnung des kroatischen und des serbischen Nationalismus im Krieg so haßerfüllt
erfolgte, wie es dokumentiert ist. Eine Erklärungsebene ist in vorliegender Arbeit
versucht worden: Wie in dem Kapitel über „Nation und Nationalismus“ ausgeführt,
ist es Ziel eines jeden Nationalismus, einen eigenen Staat zu schaffen, zu erhalten oder
zu verteidigen. Minderheiten werden dabei nur als Störfaktoren gesehen. Darin steckt
ein Aggressionspotential, dessen Brisanz mit der territorialen Gemengelage von Be­
völkerungsgruppen wächst, die sich als Nation verstehen. Diese territorialen Konflik­
therde, nicht eine ,gute‘ nationale oder ,entartete“ nationalistische Gesinnung, haben
den Verlauf historischer Nationsbildungsprozesse bestimmt. Südosteuropa bildete da
keine Ausnahme.
Festzuhalten bleibt aber: wenn das „jugoslawische Experiment“ einen Versuch darge­
stellt hatte, „to overcome smaller national divisions“,422 so zeigte sich, daß dieses
Experiment sehr schnell und in der schlimmsten nur möglichen Art und Weise fehlge­
schlagen war. Der Belgrader Zentralismus hatte 1918 einen Pyrrhussieg über die föde­
ralistischen Alternativen errungen, die damals noch bestanden hätten. In einem knap­
pen Fazit soll versucht werden zu rekapitulieren, woran und wie sich das Scheitern
der jugoslawischen Integration beim Blick auf die Geschichte Dalmatiens in der Zwi­
schenkriegszeit zeigte.

422 Singleton, Fred, A Short History of the Yugoslav People, Cambridge et al. 1985, S. 134.

447
V. Fazit

In scharfen Worten hat Miroslav Krleza das im Jugoslawien der Zwischenkriegszeit


herrschende national-gefärbte „kleinbürgerliche Pathos“ kritisiert, dessen Betrug und
Selbstbetrug nur schlechtes Epigonentum „des deutschen romantischen Dramas“ ge­
wesen sei. Die „falsche Pseudo-Geschichtsschreibung eines Stanojevic oder Corovic,
eines Jasa Tomic, Glusic, Segvic, Sufflaj und so weiter“ hätte „soviel Dynamit“ in sich
geborgen, daß es ein „Wunder“ gewesen sei, daß das Königreich der Serben, Kroaten
und Slowenen nicht schon vor dem 6. Januar 1929 auseinandergeflogen sei. Das „Gift
des Chauvinismus und der Megalomanie“ sei im Namen der Wissenschaft verabreicht
worden. Der „dunkle Wirrwarr der provinziellen Megalomanie“ sei aber „weitgehend
unerforscht“ geblieben.1
Nach Paul Valery geht alles von der Gegenwart aus, was uns an der Vergangenheit
interessieren kann. Das heißt freilich nicht, daß für eine historische Untersuchung die
Autonomie der Vergangenheit, ihr Erfassen aus den eigenen Voraussetzungen - und
nicht von heutigen Maßstäben aus - nicht mehr gelten würde. Bis heute ist das Schei­
tern des ersten Versuchs einer jugoslawischen Staatsgründung nicht aufgearbeitet. Die
gesellschaftlichen Folgen einer unterlassenen ,Vergangenheitsbewältigung' auf dem
Gebiet des ehemaligen Jugoslawien sind bekannt. Mit der vorliegenden Untersuchung
sollte am regionalen Ausschnitt versucht werden die Integrationsprobleme aufzuzei­
gen, an denen der südslawische Gesamtstaat im 20. Jahrhundert gescheitert ist. In
den Erfahrungen jenes ersten - mißlungenen - staatlichen Zusammenlebens und den
ausbleibenden Modernisierungserfolgen, die nach der Trennung von Österreich in
Dalmatien erwartet worden waren, liegen auch die Wurzeln für das Scheitern einer
jugoslawistischen Lösung der nationalen Frage'.
Warum kam es nicht zu einem jugoslawischen „nation-building“? Der Blick auf Dal­
matien macht deutlich, warum es als staatliche Veranstaltung von oben nicht funktio­
nieren konnte, eine gemeinsame Nationalidentität zu formen. Zu unterschiedlich wa­
ren die Ausgangspunkte, zu weit fortgeschritten und zu verfestigt die verschiedenen
Nationskonzepte. Diejenigen, die sich ,von unten' für eine jugoslawische Identität

1 Vgl. Krleza, Miroslav, Tko smo bili i tko (i sto) smo mogli postati (III u. IV) (Wer wir waren
und wer (und was) wir hätten werden können), in: Hrvatska ljevica Nr. 1/1996, S. 24—27 u.
Nr. 2/1996, S. 31-33.

449
Fazit

einsetzten, stellten keine relevante soziale Gruppe dar. Die konfessionelle Spaltung,
zu weit fortgeschrittene Ausbildung von Literatursprachen, unterschiedliche Staats­
und Rechtssysteme und die präsente Erinnerung an die eigenen staatlichen Traditionen
waren die Hindernisse, die ein jugoslawisches Volk nicht entstehen ließen.
Ein Staat mit Namen Jugoslawien entstand erst mit der Ausrufung der sog. „Königs­
diktatur“ am 6. Januar 1929. Jugoslawen gab es in diesem Staat nur wenige. Wie
grotesk das Selbstverständnis dieses Staates anmutete, ein Nationalstaat sein zu wollen,
vor dem Hintergrund der Tatsache, daß es eben ein Nationalitätenstaat war, ist oft
bemerkt worden. Woran die jugoslawische Nationsbildung letztlich scheiterte, wurde
sehr viel seltener untersucht. Der Jugoslawismus, der sich auf romantisch-unitaristi-
sche Theorien berief und eine ethnische und sprachliche Gemeinsamkeit aller Südsla­
wen postulierte, stand ab 1918 einer machtbewußten staatlich-serbischen Expan­
sionspolitik gegenüber. Der großserbische Jugoslawismus Belgrader Prägung, den die
serbische Dynastie von oben als Herrschaftsideologie zu implantieren versuchte, hatte
mit dem jugoslavenstvo, wie es sich unter den Kroaten entwickelt hatte, nur noch den
Namen gemein. Als der staatlich propagierte Jugoslawismus zusammen mit dem durch
Nationalitätenkonflikte geschwächten jugoslawischen Staat im Zweiten Weltkrieg un­
terging, weinte ihm kaum einer eine Träne nach. Die Geschwindigkeit, mit der der
erste jugoslawische Staat auseinanderfiel, und der Haß, mit dem die anti-jugoslawisch
eingestellten extremen Flügel der nationalen Bewegungen der Kroaten und Serben
einen Bürgerkrieg entfachten, machten deutlich, daß im monarchistischen Jugoslawien
die Idee einer gemeinsamen jugoslawischen Nation ein vollkommenes Fiasko erlebt
hatte.
Im zweiten föderativen und sozialistischen Jugoslawien unter Titos Führung versuchte
man aus den Fehlern der ersten mißglückten Staatsgründung zu lernen und verzichtete
darauf, mit Gewalt die verschiedenen Völker zu einem zu erklären. Vielmehr veran­
kerte der sozialistische Staat in der Verfassung von 1974 schließlich weitestgehende
Autonomierechte für alle Nationen und Nationalitäten auf dem Gebiet des Vielvöl­
kerstaates. Doch auch in diesem zweiten jugoslawischen Staat entstanden nur in Urba­
nen Zentren und als Folge von „gemischt-nationalen“ Ehen erste Ansätze zu einer
spezifisch jugoslawischen Identität. Die fehlende ethnische und kulturelle Einheit der
verschiedenen Völker auf dem Gebiet Jugoslawiens und die unterschiedlichen histori­
schen Traditionen konnten auch beim zweiten Anlauf nicht überwunden werden. Die
immer stärker werdende Föderalisierung des Staates verhinderte zudem eine stärkere
Durchsetzung eines gesamtjugoslawischen Nationalgefühls in breiteren Schichten.
Noch vor dem Auseinanderfallen auch des zweiten jugoslawischen Staates nach 1990
war es offensichtlich geworden, daß es im 20. Jahrhundert endgültig nicht zur Entste­
hung eines jugoslawischen Volkes gekommen war und der Versuch eines synthetischen
„nation-building“ gescheitert war.
Die Schwierigkeiten, denen sich eine jugoslawischen Nationsbildung gegenübersah,
waren seit der Entstehung solch einer Konzeption im 19. Jahrhundert vielfältig. Was
den politischen Charakter des jugoslawistischen Konzepts betraf, so enthielt es von

450
Fazit

Anfang an viele Unklarheiten. Der mehrschichtige Begriff des jugoslavenstvo, der das
Südslawentum gleichzeitig als politische, staatsbildende und übernationale Kategorie
auffaßte, ließ offen, ob es um das Ziel einer südslawischen Kulturnation oder darüber
hinaus um Staatsbildung gehen sollte. Beides war eben, wie gezeigt worden ist, in dem
verschwommenen Konzept angelegt. Sieht man sich die Entwicklungsgeschichte des
Jugoslawismus an, der auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie entstand und in
letzter Konsequenz „Jugoslawen“ im nationalen Sinne schaffen wollte, kann solch
eine Entwicklung nicht überraschen. Der Wunsch, eine Nation sein zu wollen, wurde
niemals von relevanten gesellschaftlichen Kräften artikuliert. Im Prozeß der modernen
südslawischen Nationsbildung von traditioneller Interethnizität zur modernen natio­
nalen Exklusivität existierten durchgehend verschiedene miteinander konkurrierende
Nationsentwürfe nebeneinander. Der Jugoslawismus konnte die exklusiv slowenische,
kroatische oder serbische Identität auf Dauer weder transformieren noch ersetzen.
Der wichtigste Grund dafür waren eben die politischen Realitäten, nachdem es tat­
sächlich zur Schaffung eines jugoslawischen Staates gekommen war. Angesichts der
Krisenhaftigkeit sowohl des ersten wie des zweiten jugoslawischen Staates bot eine
jugoslawische Identität keine anziehende Perspektive für die große Mehrheit der Be­
völkerung.
Wie hätte sich auch eine gemeinjugoslawische Identität beispielsweise im agrarischen
Dalmatien nach 1918 ausbilden sollen? Für diese Identität wurden nur vage Zukunfts­
versprechungen ins Feld geführt, und ihr theoretischer Anspruch wurde Tag für Tag
von der politischen Wirklichkeit dementiert. Zudem war im Bürgertum ein kulturelles
und sozio-ökonomisches Überlegenheitsgefühl unter den Kroaten weit verbreitet,
dem zwar die politische Macht des serbisch dominierten balkanischen Staates gegen­
überstand, das aber eine Übernahme Belgrader Ideologieangebote von vornherein un­
wahrscheinlich machte.
Für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, die Bauern, standen ganz andere
Fragen auf der Tagesordnung als Nationskonzepte. Doch auch unter den Bürgern der
Städte zerschlug sich der genuin kroatische Jugoslawismus schnell im krisengeschüt­
telten Alltag. Im Falle des „passiven“ Dalmatien spielten die enttäuschten Entwick­
lungshoffnungen einer armen Region dabei eine herausragende Rolle. Die Untersu­
chung der dalmatinischen Gesellschaft zwischen 1918 und 1941 machte einige Gründe
für das Desaster der jugoslawischen Staatsgründung deutlich.
Der Blick auf das Leben der dalmatinischen Bauern, Bürger und Arbeiter nach dem
Ersten Weltkrieg, als die politischen Umstände zum Handeln zwangen, verdeutlichte,
warum sich kein jugoslawisches Identifikationskonzept an der Küste durchsetzen
konnte: Vertreten von einer schmalen Intellektuellenschicht, konnte der integrale
Jugoslawismus vor 1918 keine Massenbasis erlangen, da er auch von den kroatischen
und serbischen Sozialisationsagenturen (namentlich den Schulen) bis zur Gründung
des jugoslawischen Staates nie ernsthaft gefördert worden war. Und auch das König­
reich der Serben, Kroaten und Slowenen wurde für die Mehrheit der Menschen in
Dalmatien nicht zur Nation im Sinne einer „vorgestellten Gemeinschaft“. Zu schwach

451
Fazit

waren die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse, die beginnende Industrialisierung,


die anfangs scheinbar mit der Verheißung eines neuen Wohlstands die integralistischen
Ideen befördert hatten, um in Dalmatien ein tieferes „jugoslawisches Bewußtsein“
hervorzubringen. Festzuhalten bleibt, daß der Versuch von oben, die verschiedenen
Völker einfach zu einem zu erklären und die soziale und nationale Opposition zu
unterdrücken, die Begeisterung sehr schnell abtötete, die nach der Vereinigung an der
Küste geherrscht hatte.
Peripherisierung und Rückständigkeit blieben auch im neuen Staat das Schicksal dieser
Region.
Der Kampf um die Durchsetzung gesellschaftlicher Interessen bediente sich nationaler
Argumentationsmuster. Die nationale Einheitsfassade“, die beschworen wurde, um
die Heterogenität der Berufungsinstanzen „Volk“ oder „Nation“ zu verdecken, bekam
in Dalmatien bald einen kroatischen Anstrich. Die Zugkraft nationalistischer Ideolo­
gien beruhte auch bei Serben und Kroaten Dalmatiens darauf, daß sie Menschen aller
sozialer Schichten und Altersgruppen und ein vermeintliches „gemeinsames Interesse“
ansprachen. Das Nationale diente auch in der kleinen Region an der östlichen
Adriaküste als Integrationsideologie, als Versuch gesellschaftlicher Konsensbildung
und Instrument von (zumindest erhoffter) politisch-gesellschaftlicher Mobilisierung
und Modernisierung. Parolen, die eine objektive und unentrinnbare Einheit von Volk,
Nation, Geschichte, Sprache und Staat postulierten, entfalteten in einer Zeit der mäch­
tigen Nationalstaaten, die als Entwicklungsvorbild dienten, auch in Dalmatien Über­
zeugungskraft. Der Verweis auf kulturelle Gemeinsamkeiten, geschichtliche und ak­
tuelle Erfahrungen und eine angebliche gemeinsame Herkunft stabilisierte ein Identi-
täts- und Solidarbewußtsein unter den Kroaten Dalmatiens, die sich im Belgrader
Staat benachteiligt sahen. Der öffentliche Diskurs, eine aufgeheizte und nationalisierte
politische Atmosphäre und eine von den Kroaten Dalmatiens mehrheitlich so empfun­
dene staatlich-serbische Gewaltpolitik machten alle Ansätze zur Ausbildung eines ge­
meinsamen jugoslawischen Staats- und Nationalbewußtseins zunichte, wie sie in den
Städten in den ersten Jahren nach 1918 zu bemerken waren. Bei der übergroßen katho­
lischen Mehrheit setzte sich ein kroatisches Nationalbewußtsein durch.
Keines der angebotenen Nationalkonzepte, auch nicht das kroatische, bedeutete aber
die Lösung der Probleme der Region. Das Ausmaß der im europäischen Vergleich
immensen Modernisierungsdefizite wurde versucht durch die Schilderung bäuerlicher
und proletarischer Lebenswirklichkeit darzustellen. Nachdem die Kroatische Bauern­
partei nach dem „sporazum“ von 1939 Gestaltungsmacht bekam, wurde in der Praxis
deutlich, wieviel von der sozialen Programmatik der Partei nur romantische Rhetorik
gewesen war und daß der Appell an das kroatische Nationalgefühl allein keine Verbes­
serung der Lebensumstände nach sich zog.
Doch eine nationalistisch vermittelte Großgruppenintegration in eine kroatische Na­
tion, die alle Schichten der Gesellschaft umfassen sollte, wurde irreversibel durch die
gesellschaftliche Verankerung und unermüdliche Werbung der Kroatischen Bauern­
partei. Erst die Bauernpartei hatte ein Konzept angeboten, das die Bauernschaft in

452
Fazit

eine moderne, bürgerliche kroatische Gesellschaft integrierte. In der Zeit nach dem
Ersten Weltkrieg gelang es ihr vor allem durch intensiv betriebene kulturell-aufklä-
rende Tätigkeit, Massenwirksamkeit zu erzielen. Der sich defensiv verstehende kroati­
sche Nationalismus fand in der Bauernpartei seinen Katalysator und Organisator. Un­
ter den Bedingungen des allgemeinen Wahlrechts, das nach 1918 zum ersten Mal allen
Männern über 21 Jahren gewährt wurde, und aufgrund der vielfältigen Durchdringung
der bäuerlichen Lebenswelt durch verschiedene Alphabetisierungs- und Organisie­
rungsversuche konnte die Partei des charismatischen Stjepan Radic breiteste Bevölke­
rungskreise erfassen. Auch am dalmatinischen Ausschnitt zeigte sich, wie damit ein
modernes kroatisches Nationalprogramm in der Bauernschaft zum ersten Mal eine
feste soziale Grundlage gefunden hatte. Die Zeit zwischen den Weltkriegen war ge­
kennzeichnet durch den Abschluß des langwierigen und wechselhaften Prozesses der
Herausbildung einer modernen kroatischen nationalen Identität. Im Gegenzug stabili­
sierte sich auch die in vielem konfessionell geprägte serbische Individualität und ein
abstraktes serbisches Nationalbewußtsein bei der serbischen Minderheit in Dalmatien.
Nachdem deren politische Vertretung vom anfangs vehement unterstützten Belgrader
Zentralismus abging und zu einer föderalistischen Politik umschwenkte, setzte sich
auch unter den sich politisch artikulierenden Serben die Sichtweise durch, daß man
gemeinsam mit den Kroaten als „precani“ von Belgrad benachteiligt werde. Innerhalb
Kroatiens und Dalmatiens gab es folglich keine gegen die kroatische Nationalbewe­
gung gerichtete serbische Massenbewegung.
Für die serbischen und kroatischen Bauern und Landarbeiter Dalmatiens änderte sich
ihre gesellschaftlich-politische Lebenswirklichkeit nach 1918 nicht zum besseren.
Durch ihr Festhalten an Subsistenzproduktion und durch Extensivierungsversuche
mühten sie sich vergeblich, den Härten des Marktes zu entgehen. Doch den destrukti­
ven Komponenten' im Transformationsprozeß einer in weiten Teilen noch vorkapitali­
stischen Landwirtschaft konnten sie nicht entgehen. Dieser Prozeß überrollte die Bau­
ern und ihre traditionell gewachsene Lebenswelt auch in Dalmatien. Auch an der
Ostküste der Adria waren die Zwänge einer sich zunehemd kapitalisierenden Ökono­
mie übermächtig, die bis ins letzte Dorf im dalmatinischen Hinterland spürbar wur­
den. Armut war das Los vieler. Das Wahlrecht ermöglichte den Bauern in der Zwi­
schenkriegszeit, ihren Protest an der Wahlurne zu artikulieren. Die Programmatik
der Kroatischen Bauernpartei entsprach dabei in vielem genau ihrem überkommenen
Gerechtigkeitsempfinden. Gründe dafür, mit der Situation im neuen Staat unzufrieden
zu sein, gab es für die Bauern genug.
Ländliche Überpopulation, geringer Industrialisierungsgrad, niedriges Bildungsni­
veau, Abhängigkeit vom Auslandskapital und geringe Produktivität waren allgemein
die Faktoren, die für die schlechten Lebensbedingungen in Dalmatien ausschlaggebend
waren. Die Disproportion zwischen den Wachstumsraten der Bevölkerung auf der
einen und fehlenden Arbeitsplätzen auf der anderen Seite wurde immer größer. Die
Folgen zeigten sich bei den Auswanderungsraten und einer immer nachdrücklicheren
Politisierung des dalmatinischen Dorfes nach 1918. Vor allem die gescheiterte Agrarre-

453
Fazit

form bereitete unter den Bauern den Boden, in dem die Saat nationaler Versprechun­
gen aufgehen konnte.
Doch nicht nur die Bauern Dalmatiens waren angesichts ihrer Lebensbedingungen
mit dem jugoslawischen Staat unzufrieden und wandten sich der Kroatischen Bauern­
partei zu. In allen sozialen Schichten der dalmatinischen Bevölkerung war die Enttäu­
schung mit den Verhältnissen im Gesamtstaat greifbar. Gezeigt werden sollte dies
durch die Beschreibung des Loyalitätswandels des kroatischen Bürgertums in den
dalmatinischen Städten.
Das überambitionierte Programm einer „Regionalgeschichte als Totalgeschichte“
sollte am dalmatinischen Beispiel nicht versucht werden. Wenn aber Strukturen, Pro­
zesse, Wandlungen und Ereignisse jener Zeit zwischen den Weltkriegen in dieser Re­
gion vertrauter würden, die kennzeichnend waren für den schwierigen Übergang zur
Moderne, und das zu einem tieferen Verständnis der Integrationsprobleme im ethnisch
heterogenen südosteuropäischen Raum beiträgt, wäre der Zweck der Arbeit erreicht.
Bausteine und Material für eine Geschichte Dalmatiens der Zwischenkriegszeit wollte
diese Arbeit liefern, um das Scheitern der jugoslawischen Staatsbildung besser verste­
hen zu können.
Bedingt durch die Fragestellung der Untersuchung, standen soziale Verfassung und
Nationsbildung in Dalmatien im Vordergrund. Die Geschichte Dalmatiens und seiner
Menschen in der Zeit zwischen den Weltkriegen geht aber sicher nicht in der Suche
nach kollektiven Identitäten auf. Viele andere Schwerpunkte und Bezugsrahmen sind
denkbar.
Wenn die arabische Zuschreibung zutrifft, daß der Mediterran so weit reicht, wie die
Olive wächst, gehört Dalmatien - jenseits aller staatlich-politischen Zugehörigkei­
ten - zum Mediterran. Weder in Raum noch in Zeit sind dessen Grenzen verzeichnet.
Sicher ist nur: Sie sind nicht ethnisch und nicht historisch, nicht staatlich und auch
nicht national.. .2

Vgl. Matvejevic, Predrag, Mediteranski Brevijar, Zagreb 1987. (Aus dem Kroatischen über­
setzt unter dem Titel „Der Mediterran. Raum und Zeit“ von Katja Sturm-Schnabl, Ammann
Verlag, Zürich 1993.)

454
VI. Anhang

1. Karten und Statistiken

a) Administrative Grenzen Dalmatiens zwischen 1918 und 1941

455
Anhang

aa) Der Staat der Slowenen, Kroaten und Serben (Drzava Slovenaca, Hrvata i Srba)
Oktober 1918

K Al'

456
Karten und Statistiken

bb) Das Königtum, der Serben, Kroaten und Slowenen (Kraljevstvo SHS)
II.
Kana

457
Anhang

cc) Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (Kraljevina Srba, Hrvata i
Slovenaca) - Aufteilung in Bezirke (oblasti) 1922

K Al'

s I

1p« ■■

458
Karten und Statistiken

dd) Aufteilung des Königreiches Jugoslawien in Banschaften 1929


Karta IV.

459
Karta V.

460
Anhang

ee) Königreich Jugoslawien: Aufteilung in „Banschaften“ 1931

K R A L JE V IN A JU G O S L A V IJA
-
P O D JE L A N A B A N O V IN E 1931-
Karten und Statistiken

ff) Die Grenzen der „Banovina Hrvatska“ nach dem „sporazurn“ vom 26. August
1939
.
Karta VI

461
gg) Die Aufteilung durch die Besatzungsmächte 1941
^
O
K>
4
Karten und Statistiken

Quelle der Karten aa - gg: Boban, Ljubo, Hrvatske granice 1918-1993, (2. Aufl.), Zagreb 1993,
S. 15, 21, 27, 32, 37, 43 u. 48.

b) Statistiken

Das Erscheinen des „Erntestatistischen Jahrbuches des Ackerbauministeriums“ war seit 1914
„sistiert“, und es wurden nur noch „Ländersummarien“ veröffentlicht. Danach betrug die Ge­
samtfläche des Ackerlandes im Kronland Dalmatien im Jahr 1917 151.888 Hektar und wurde
folgendermaßen bestellt:

im Jahre 1917 im Jahre 1916 Durchschnitt 1907-1916

Kultur Anbau­ Ernte im Ernte Anbau­ Ernte im Ernte Anbau­ Ernte im Ernte
fläche ganzen pro ha fläche ganzen pro ha fläche ganzen pro ha
(in ha) (in q) (in q) (in ha) (in q) (in q) (in ha) (in q) (in q)

Weizen 20.850 91.857 4,4 22.056 100.513 4,6 29.307 227.472 7,8
Spelz - - - - - - 35 140 4
Roggen 2.678 8.701 3,2 2.716 10.058 3,7 6.300 39.687 6,3
Gerste 21.416 46.606 2,2 25.658 93.019 3.6 22.644 131.921 5,8
Hafer 1.057 2.616 2,5 2.620 6.451 2,5 3.856 14.700 3,8
Mengfr. - - - - - - 2.942 18.292 6,2
Mais 26.873 76.443 2,8 35.238 82.814 2,4 40.906 373.114 9,1
Hirse 3.386 9.537 2,8 2.644 7.135 2,7 3.025 22.372 7,4
Bohnen 3.098 8.853 2,9 2.898 9.954 3,4 2.470 26.470 10,7
Erbsen 859 3.902 4,5 844 2.860 3,4 793 7.808 9,8
Linsen 318 604 1,9 320 893 2,8 434 2.839 6,5
Wicken 701 4.001 5,7 750 2.697 3,6 832 6.269 7,5
Hülsenfr. 4.976 17.360 3,5 4.812 16.404 3,4 4.529 43.386 9,6
Stroh 650.599 949.501 1945870
Leinsam. - - - - - 12 60 5
Leinfaser 10 30 3 14 42 3 16 80 5
Hanfsa. - - - - - 1 9 9
Ha.Faser - - - - - 1 21 21
Chrisant. 927 1.864 2 933 4.143 4,4 1.248 5.174 4,1
Tabak 124 359 2,9 295 2.904 9,8 1.381 23.792 17,2
Kartoffel 6.629 94.547 14,3 8.262 192.297 23,3 5.521 326.619 59,2
Futterrüb. 150 4.720 31,5 219 14.489 66,2 304 38.783 127,6
Möhren 8 48 6 - 27 2.152 79,7
Kraut 2.547 69.701 27,4 2.536 144.527 57 2.032 177.279 87,2
Kürbis 216 4.538 21 585 39.269 67,1 357 43.576 122,1
Klee 2.777 55.595 20 3.114 75.195 24,1 3.636 174.356 48
Mengfr. 736 11.864 16,1 747 6.834 9,1 295 9,318 31,6
Brache 55.546 34.512 16.179

463
Anhang

im Jahre 1917 im Jahre 1916 Durchschnitt 1907-1916

Kultur Anbau­ Ernte im Ernte Anbau­ Ernte im Ernte Anbau­ Ernte im Ernte
fläche ganzen pro ha fläche ganzen pro ha fläche ganzen pro ha
(in ha) (in q) (in q) (in ha) (in q) (in q) (in ha) (in q) (in q)

Sonst.
Früchte 982 936 1.179
Kleesame - - - - - 7 2 3,3
Heu 10.436 128.951 12,4 10.770 158.715 14,7 10.450 198.280 19
Wein 50.556 514.721 10,2 54.212 616.461 11,4 69.993 965.718 13,8
Trauben 3.340 9.431 17.788
Kernobst 7.709 5.725 5.174
Steinobst 20.782 18.644 33.287
Mandeln 932 6.639 14.282
Nüsse 2.479 2.861 2.464
Kastanien 1.200 90 3.015
Feigen 19.598 13.765 52.369
Agrume 921 457 238
Joh.brot 2.720 5.613 1.992
Maulbeer. 8.559 8.645 4.928
Lorbeer 1.006 1.500 953
Olivenöl 4.134 9.635 25.465

Quelle: Anbauflächen und Ernteergebnisse in Österreich im Jahre 1917, verglichen mit jenen im
Jahre 1916 und im zehnjährigen Durchschnitte (1907-1916). Nach amtlichen Quellen im k.u.k.
Ackerbauministerium zusammengestellt, Wien 1918.
Im Jahre 1916 betrug die Anbaufläche im Kronland Dalmatien 147.897 ha; im Durchschnitt der
Jahre 1907-16145.720 Hektar; im Durchschnitt lag der Ertrag in Dalmatien, nach den Erhe­
bungsergebnissen zu Anfang des Jahrhunderts, bei 2,16 Kronen, in Österreich dagegen bei 10,86
Kronen. Der Höchstertrag pro Hektar Weinberg für Österreich erreichte den Wert 208,52 Kro­
nen, wohingegen in Dalmatien maximal 45,18 Kr. den Spitzenwert darstellen. (Vgl. Ergebnisse
der Catastral-Revision auf Grund des Gesetzes vom 12. Juli 1896, Wien 1903, Bd. II, S. 98.)
Entsprechend verhielt es sich beim Ackerland, wo im fruchtbaren Umland von Split gerade der
Wert 57,14 Kronen pro ha erzielt wurden, in Österreich dagegen 330,16 Kronen (Ergebnisse,
Bd. II, S. 109. u. S. 245.).

Von der Gesamtbevölkerung Dalmatiens gaben bei den Volkszählungen


als „Umgangssprache“ an:

kroatisch od. serbisch italienisch übrige Sprachen

1880 93,3 % 5,8% 0,9%


1890 501.307 = 96,2% 16.000 = 3,1 % 0,7%
1900 565.276 = 96,7% 15.279 = 2,6% 0,7%
1910 610.669 = 96,2% 18.028 = 2,8% 1,0%

Unter den 1 % „übrige Sprachen“ 1910 nannten 50% (= 3.081 Personen) deutsch.

464
Karten und Statistiken

Kroatische oder serbische Umgangssprache in den einzelnen Kreisen

1890 1900 1910 Zu- (+) oder Abnahme (-)


1891 -1900 1901- 1910
absolut in % absolut in %

Benkovac 33.138 38.313 43.945 + 5.175 + 15,62 + 5.632 + 14,70


Dubrovnik 35.119 36.774 37.252 + 1.655 + 4,71 + 478 + 1,30
Hvar 24.844 27.384 26.279 + 2.540 + 10,22 - 1.105 - 4,04
Imotski 31.500 36.596 42.018 + 5.096 + 16,08 + 5.422 + 14,82
Knin 46.283 51.126 54.653 + 4.843 + 10,46 + 3.527 + 6,99
Korcula 23.746 26.718 29.244 + 2.872 + 12,04 + 2.526 + 9,45
Kotor 29.599 31.087 32.475 + 1.488 + 5,03 + 1.388 + 4,46
Makarska 23.035 25.454 27.503 + 2.419 + 10,50 + 2.049 + 8,05
Metkovic 11.899 13.833 15.413 + 1.934 + 16,25 + 1.580 + 11,42
Sinj 46.209 52.254 56.704 + 6.045 + 13,08 + 4.450 + 8,52
Split 97.981 112.051 95.869 +14.070 + 14,36 + 6.382 + 5,70
Supetar/Brac - - 22.564 - - - -
Sibenik 41.552 49.690 55.912 + 8.138 + 19,59 + 6.222 + 12,52
Zadar 56.302 63.996 70.838 + 7.894 + 13,67 + 6.842 + 10,69
Insgesamt 501.307 565.276 610.669 + 63.969 + 12,76 + 45.393 + 8,03

Italienische Umgangssprache in den einzelnen Kreisen

1890 1900 1910 Zu-•(+) oder Abnahme (-)


1891 -1900 1901 -1910
absolut in % absolut in %

156 74 84 _ 82 - 15,56 + 10 + 13,51


Benkovac
Dubrovnik 379 696 526 + 317 + 83,64 170 - 24,43
Hvar 706 487 586 - 219 - 31,02 + 99 + 20,33
Imotski 99 120 46 + 21 + 21,21 - 74 - 61,67
Knin 137 192 186 + 55 + 40,15 - 6 - 3,13
Korcula 435 494 444 + 59 + 13,56 - 50 - 10,12
Kotor 969 731 538 - 238 - 24,56 - 193 - 26,40
Makarska 129 78 117 - 51 - 39,53 + 39 + 50,00
Metkovic 60 26 32 - 34 - 56,67 + 6 + 23,08
Sinj 41 96 111 + 55 +134,15 + 15 + 15,63
Split 2.823 1.565 2.357 - 1 .258 - 44,46 + 1.057 + 67,54
Supetar/Brac - - 265 - - -
Sibenik 1.199 1.046 968 - 153 - 12,76 - 78 - 7,46
Zadar 8.867 9.674 11.768 + 807 + 9,10 + 2.094 + 21,65
Insgesamt 16.000 15.279 18.028 - 721 - 9,51 + 2.749 + 17,99

Quelle: Makale, Manfred, Zadnji popis pucanstva u Dalmaciji (Die letzte Volkszählung in Dalma­
tien), Wien 1912, S. 44-45 u. 57.

465
Anhang

Sprachenstatistik Zara/Zadar (engerer Stadtbereich)

Jahr des männl. weibl. Gesamt Deutsch Italien. Serbo- Sonstige Staats­
Zensus Kroat. fremde

1869 3.795 4.219 8.014


1880 11.861
1890 5.918 5.578 11.496 561 7.423 2.652 164
1900 6.712 6.304 13.016 581 9.018 2.551 150
1910 6.886 7.170 14.056 397 9.318 3.532 191 618
1921 17.065 12.075 1.255 3.735
1931 9.120 9.494 18.614
1936 11.930 10.914 22.844

Sprachenstatistik Split (engerer Stadtbereich)

Jahr des männl. weibl. Gesamt Deutsch Italien. Serbo- Sonstige Staats­
Zensus Kroat. fremde

1869 5.923 6.273 12.196


1880 12.812
1890 7.746 7.951 15.697 193 1.969 12.961 63
1900 9.116 9.431 18.547 131 1.049 16.622 107
1910 10.352 11.055 21.407 92 2.082 18.235 127 871

Quelle: Perselli, Guerrino, I Censimenti della popolazione dell’Istria, con Fiume e Trieste, e di
alcune cittä della Dalmazia tra il 1850 e il 1936 (=Centro di ricerche storiche Rovigno Etnia -
IV. Unione Italiana - Fiume), Trieste-Rovigno 1993, S. 451 u. 467.

Konfessionsstatistik der „Banovina Hrvatska“ 1939

Banschaft röm.-kath. andere Kath. orthodox evang. muslim. Juden

Ex-Save 2.122.671 18.922 517.191 21.883 3.823 19.575


Ex-Küstenbanschaft 692.496 618 138.375 211 69.360 578
dazugek. 8 Kreise 245.089 3.045 14.182 5.905 70.697 1.352
Gesamt: 3.060.256 22.585 771.748 27.999 143.880 21.505

Quelle: Pavlakovic, V. (Hg.), Banovina Hrvatska. Politicka, administrativna i ekonomska struk-


tura, Zagreb 1939, S. 210. Die sog. „übrigen“ scheinen vernachlässigenswert. Ihre Zahl betrug in
der Küstenbanschaft 22, in der Save-Banschaft 218 und in den dazugekommenen Kreisen 2638.
Die „anderen Katholiken“ teilen sich in Anhänger des griechich-katholischen Ritus (in der Kü­
stenbanschaft waren das 247 Personen) und Altkatholiken (345). Die Evangelischen unterschieden
sich in Anglikaner (18.257) und Calvinisten (8875).

466
Karten und Statistiken

Prozentuale Nationalitätenverteilung im Gebiet der ehemaligen Küstenbanschaft


in der „Banovina Hrvatska“ 1939

Kroaten 76,80 %
Serben 15,35%
Muslime 7,69 %

Die absolute Mehrheit hatten in der Banovina die Orthodoxen in 13 Kreisen: Donji Lapac, Glina,
Gracac, Korenica, Kostajnica, Pakrac, Slunj, Udbina, Vojnic, Vrginmost, Vukovar (im Kreis),
Benkovac und in Knin, die relative Mehrheit in zwei Kreisen: Ilok und Sid;
Die Muslime stellten in einem Kreis die Mehrheit, und zwar in Konjic, mit 16.693 von insgesamt
32.189 Einwohnern. Katholiken stellten die absolute Mehrheit in 95 Kreisen, und die relative in
5 (Bugojno: 18.558 kath., 12.567 orth., 11.769 musl. u. 53 andere; Stolac: 20.207 kath., 10.310
orth., 10.632 musl. und 7 andere; genauso in Brcko, Travnik u. Gradacac). Auch in den Kreisen,
wo die Orthodoxen die absolute Mehrheit hatten, gab es eine nennenswerte Zahl an Katholiken.
In Glina 15.003 von insg. 45.742, Gracac 8020 von 27.859, Kostajnica 9853 v. 29.099, Pakrac
17.742 v. 40.051, Slunj 21.470 v. 45.829, Udbina 3077 v. 11.976, Vojnic 10.825 v. 39.297, Vukovar-
Kreis 14.622 v. 36.474, Benkovac 27.828 v. 59.790 und Knin 28.340 von insgesamt 60.465 Einwoh­
nern. In dem mehrheitlichen muslimischen Kreis Konjic gaben von 32.189 Einwohnern 10.736
„römisch-katholisch“ als Konfession an.
Quelle: Pavlakovic, S. 75f.

bb) Zeitungsverkaufsstellen und Pressevertrieb in Dalmatien in den Zwanziger


Jahren

Abkürzungen: G = galanterija (Galanteriewaren), K = knjizara (Buchhandlung), Kz = knjigovez-


nica (Buchbinderei), L = litografija (Litographie), M = prodaja muzikalija (Musikalienhandlung),
N= nakladni zavod (Verlagsanstalt), P = papirnica (Papierhandlung,), Pn = prodaja novina (Zei­
tungsverkauf), T = tiskara (Druckerei).

Baska Dorcic M. P., K. P. Pn. G.


Benkovac, 810 Ew. Knezevic Darinka, K. P., (gegr. 1922)
Drnis Pelicaric T., K. P. Pn. G.
Dubrovnik, 13.368 Ew. Baca, Marko, P. Pn.
G., Fabris Spasoje, Sjemen., P.
Ferranti Braca, P. Pn,
Funjak Ana, P. Pn,
Gosenac G., P. Pn. G.
Jadran d.d., K. P. N. M., (gegr. 1904)
Koncina A., P. Pn. G.,
Mitrovic N., P. Pn. G.,
Pesevic Lujo, P. Pn., (gegr. 1922)
Pretner C. i Tosovic, K. R, M., Pn. N„
Tosovic Jovan, K. P„ Pn., N. M. G.
Sekulic Jovan, K. P. Pn. G.
Vilic Vinko, P. Pn. G.
Weiss B., P.

467
Anhang

Ercegnovi, 2.255 Ew., Mirov Sergec, P. Pn. G.


Repenic M., P. Pn,
Sekulovic J., K. P. Pn. M. G„
Gruz, Cosmai Ivan, K. P. Pn. G., (gegr. 1919)
Zalloni Artur, P. Pn,
Hvar, 2.054 Ew., Kovacevic Bartol, K.P,
Imotski, 1.485 Ew., Gracanin G., P. Pn,
Grubisic Jakov, P. Pn,
Jovanovic Jakov, K.P,
Knin, 1.270 Ew., Grubor Pajo, P. Pn, (gegr. 1922)
Spero Jakov, K. P. Pn. G.
Korcula, 2.157 Ew., Depolo Marko, K. P. Pn. G.
Ivancevic Ivo, P.G,
Kotor, 3.178 Ew., Bjeladinovic Nikola, P. Pn. G.
Lafarest G., P. Pn. G.
Radimir E., K. P. Pn,
Vukasovic Dusan, K. P. Pn. G.
Makarska, Pekic J. (Narodna knjizara) P. Pn.
Ribarovic, Marko K. P. Pn. G.
Metkovic, 2.067 Ew., Angjelopolj Branko, P. Pn. (gegr. 1922)
Nikolic Juraj, P. Pn. G.
Obrovac, Vujanovic B, P. Pn, (gegr. 1922)
Omis, Tomasovic J., K. P. Pn. G.
Rab, Bakota Josip, P. Pn. G, (gegr. 1911)
Racisce, Borovac Petar, P. Pn. G.
Sinj, 3.037 Ew., Banza Ivan, P. Pn. G,
Bilic Josip, P. Pn. G, (gegr.1910)
Devcic E i drug, K. P. Pn. G. T. Kz.
Zbor duhovne mladezi, N.
Skradin, Bajkovic Aleksa, P. Pn. G, (gegr. 1919)
Split, 31. 542 Ew., Cvitanovic Vjekoslav, P. Pn. G,
Hrvatska knjizara dionicke ti; P. Pn. Kz.
Juric Vinko, K. P.M. Pn. N, (gegr. 1912)
Knjizara Morpurgo, P. M. Pn. N, (gegr. 1856)
Milisich G. A., P. Pn. G.
Nikolic Ifigenija, K. P. Pn. G
Pandza Jakov, K. P. Pn. G.
Segvic Petar, K. P. Pn. G,
Zezelj A. (Jugoslavenska knjizara) P. Pn, (gegr. 1922)
Starigrad, Nejasnic Ivan, P. Pn,
Sibenik, 12. 588 Ew., Babic Filip, K. P. Pn. (gegr. 1920)
Bogic Srecko, P. Pn, (gegr. 1922)
Cirilic Antun, K. P. Pn. G. (gegr. 1910)
Delfin Eugen, P. Pn. G.
Grimani Ivan, K. P. Pn.
Radic Grga, P.G.
Rüde Braca, K. P.
Sipanjska Luka, Malovoz Ivan, K. P. Pn.
Trpanj, Vid Franjo, K. P. Pn. G.

468
Karten und Statistiken

Vela Luka, Vucetic P. S. naslj., P. Pn. G.


Vis, Bucic N., P. Pn. G. (gegr 1911)
Zadar — Hrvatske knjizarnice u Italiji (Kroat. Buchhandl. in Italien): Dalmatinska, N., Schönfeld
H., K. P., Vitaliani E., T. Kz.

In Dalmatien in den 20er Jahren vertriebene Zeitungen und Zeitschriften

Abk.: r = urednik (Redakteur), g = godiste (Jahrgang), n = naklada (Auflage); dn = dnevnik


(Tageszeitung); tj = tjednik (Wochenzeitung); mj = mjesecnik (Monatsblatt), p = povremeno (un­
regelmäßig);
(Erscheinungsweisen „1 puta tjedno“ (einmal in der Woche))

In lateinischer Schrift :
Demokrat, glasilo demokrata sjeverne Dalmacije, Sibenik, g. 3. - 1923, n. 1200, 1 puta tjedno;
Dubrovnik, list za politiku i narodno gospodarstvo, Dubrovnik, g. 2. - 1923, 2 puta tjedno;
Duje Balavac, humoristicki list, Split, g. 7. - 1923, n. 1500, 1 puta mjesecno;
Fabrika i Njiva, list za politiku i socijalnu nauku, Sibenik, g. 1. - 1923., 1 puta tjedno;
Golub, Satiricki saljivi list, Split, r. Petar Sabic, g. 4. — 1923., n 2000, 1 puta tjedno;
Hrvatska Rijec, organ Hrvatske Zajednice, Split, g. 2. — 1922, 2 puta tjedno;
Jadran, glasilo Pucke stranke, Split, r. Stanko-Bani, g. 5. - 1923., n 2000, 2 puta tjedno;
Jadranski Lloyd, nezavisno privredno glasilo, Split, r. Miroslav Kecskemety, g. 2. - 1923., 2 puta
tjedno;
Jez, humoristicki-satiricki list, Dubrovnik, g. 4. - 1923., 1 p. mjesecno;
Jugoslavenski narod, Split, r. Tomislav Novak, g. 2. - 1923., n 4000, dnevno;
Jugoslaven, organ demokratske stranke, Dubrovnik, r. Pavo Stjepic, g. 2.— 1923., n 1200, 1 puta
tjedno;.
List biskupije Splitsko-Makarske, Split, g. 1923., n. 500, 1 puta mjesecno;
Mlada Jugoslavija, omladinska knjizevna revija, Zagreb-Dubrovnik, r. Ivo Krznaric, g. 2. — 1923.,
n 1500, 1 puta mjesecno;
Narod, organ Radikala, list za politiku privredu i knjizevn.ost, Dubrovnik, g. 1923., n 2000, 1
puta tjedno;
Narodna straza, Sibenik, r. Josip Ivanovic, g. 3. - 1923., 1 puta tjedno;
Narodna svijest, organ Pucke stranke Dubrovnik, r. A. Fle, g. 5. - 1923., n 1500, 1 puta tjedno;
Nasa rijec, nezavisni list za cinovnicki stalez, Split, g. 2. - 1923., 2 puta mjesecno;
Novo doba, Split, r. Vinko Kisic, g. 6. - 1923., n 4000, dnevno;
Nova revija, vjeri i nauci, izdaje franjevacki samostan Makarska, Dubrovnik, g. 2. - 1923., 4 puta
godisnje;
Pobeda, organ jugoslovenskih nacionalista, Split, g. 7. - 1923., n 1200, 1 puta mjesecno;
Pokret, Savez uciteljskog drustva, Split, g. 7. - 1923., n 1200, 1 puta mjesecno;
Poljodjelski vjesnik, glasnik Zemaljskog Gospodarskog Dalmat. Vijeca, Split, re. J. Paladino, g.
27. - 1923., 1 puta mjesecno;
Primorski glasnik, Split, g. 3. - 1923., 1 puta tjedno;
Pucka prosvjeta, ilustrovana pucka smotra, Split, r. Frano Ivanisevic, g. 1923. n 1500, 1 puta
mjesecno;
Pucki List, Split, g. 30. - 1922., 1 puta tjedno;
Rad, Dubrovnik, g. 5. - 1923., n 2000, 1 puta tjedno;

469
Anhang

Sinjska Gospa, List za uzgoj i pouku katolickog puka, Sinj, g. 2. - 1923., 1 puta mjesecno;
Slobodni dom, Glav. nov. Hrv. republ. seljacke stranke, Zagreb, r. Stjepan Radic, g. 17. - 1923.,
n. 35.000, 1 puta tjedno;
Soca, Organ jugoslovenskih nacionalista, Sibenik, g. 1. - 1923., 1 puta tjedno;
Tezacka sloga, glas. Pokrajinskog tezackog saveza, Split, g. 5. - 1923., 1 puta tjedno;
Tezacke novine, Split, g. 5. - 1923., n 2500, 2 puta tjedno;
Vojni invalid, Glasnik udruzenja ratnih invalida Kraljevine SHS, oblasn. odbora u Splitu, Split,
g. 2. - 1923., 2 puta mjesecno;
Zadrugar, Glasilo Zadruznog Saveza, Split, g. 14. - 1923., 2 puta mjesecno;
Zivot, List dalmatinskih demokrata, Split, r. Prvislav Grisogono, g. 5. - 1923., n 3000, 1 puta
tjedno;

In kyrillischer Schrift („Srpski (cirilicom)“): Cetinska Sloboda, List za interese Sinjske Krajine,
dem. org., Sinj, g. 1.-1923., 1 puta tjedno u. Dalmatinski Radikal, Sibenik, g. 3. - 1923., 2 puta
tjedno;

In beiden Schriften: Dalmatinski Glasnik, Zvan. list pokraj. uprave za Dalmaciju, Split, r. Ilija
Maricic, g. 6. - 1923., n 1500, 2 puta tjedno u. Dubrovnik, Organ Nar. Radikalne Stranke,
Dubrovnik, r. Ivo Herco, g. 2. - 1923., n. 1500, 1 puta tjedno, sowie Jadranska straza, Sluzbeno
ilustr. glas. Jadranske Straze, Split, r. Silvije Alfirevic, g. 1. - 1923., n 2000, 1 puta mjesecno;

Quelle: Merhaut, Jaroslav (Hg.), Adresar knjizara, nakladnika, papirnica, novinstva i tiskara u
Jugoslaviji 1923 (Nakladna hrvatska knjizara Jaroslava Merhauta) (Adressbuch der Buchhandlun­
gen, Verleger, Papierhandlungen, des Zeitungswesens und der Druckereien in Jugoslawien 1923),
Zagreb 1923.

cc) Dokumentation der Alphabetisierungkampagne der „Seljacka sloga“ „Klub ABC


Napredak“ in Dalmatien (Stand 31.12.1939)

Nach den Angaben der Organisation wurde, während der Kampagne 1937-39, in den dalmatini­
schen Kreisen folgende Alphabetisierungshilfe geleistet:

Kreis Benkovac
59.790 Einwohner, davon 26.999 od. 68,2% Analphabeten (10.280 männl./16.714 weibl.), 46
Volksschulen (VS), Spendenaufkommen 1.072 Din. (geleistete Hilfe in Form von 636 Abc-Fibeln,
347 Rechen- u. Lesebücher, 983 Bleistiften u. 1.968 Schreibheften im Wert von 7864 Din.)

Biograd na moru
30.063 Ew, davon 9.345 od. 46,3% Analphabeten (3.248 männl./6.097 weibl.), 30 VS, Spenden
560 Din. (Hilfen 21.600 Din.)

Kreis Brac
17.331 Ew., davon 3.457 od. 26,5% Analphabeten (1.304 männl./2.153 weibl.), 24 VS, Spenden
525 Din. (Hilfen 5.688 Din.)

Stadt u. Kreis Dubrovnik


50.201 Ew., davon 10.505 od. 26,5 % Analphabeten (2.689 männl. u. 7.816 weibl.), 88 VS, Spenden
10.647 Din. (Hilfen 10.647 Din.)

470
Karten und Statistiken

Kreis Hvar
23.174 Ew., davon 4.740 od. 26,3% Analphabeten (1.308 männl./3.432 weibl.), 31 VS, Spenden
290 Din. (Hilfen 13.280 Din.)

Kreis Imotski
42.804 Ew., davon 19.568 od. 65,8% Analphabeten (6.475 männl. u. 13.093 weibl.), 33 VS, Spen­
den 739 Din. (Hilfen 23.560 Din.)

Kreis Knin
60.465 Ew., davon 27.732 od. 69,3 % Analphabeten (11.213 männl./16.519 weibl.), 32 VS, Spenden
6112 Din. (Insgesamt 4.568 Abc-Fibeln, 1690 Rechen- u. Lesebücher, 170 Liederbücher, 20 Heft­
chen mit Schreibproben von Bauern, die erst lesen und schreiben gelernt haben, 6.158 Bleistifte
u. 12.316 Schreibhefte im Gesamtwert von 51.564 Din. hingeschickt.)

Kreis Korcula
20.698 Ew., davon 3.973 od. 25,2% Analphabeten (888 männl./3.049 weibl.), 14 VS, Spenden 560
Din. (geleistete Hilfe 6.400 Din.)

Kreis Makarska
26.774 Ew., davon 8.233 od. 42,7% Analphabeten (2.050 männl./6.183 weibl.), 36 VS, Spenden
350 Din. (Hilfe im Wert v. 11.320 Din.)

Kreis Metkovic
17.231 Ew., davon 4.524 od. 37,2% Analphabeten (1.132 männl./3.392 weibl.), 24 VS, Spenden
100 Din (Hilfe im Wert von 11.840 Din.)

Kreis Preko
21.870 Ew., davon 4.756 od. 30,6% Analphabeten (1.130 männl./3.626 weibl.), 31 VS, Spenden
150 Din (Hilfe 14.776 Din.)

Kreis Sinj
59.907 Ew., davon 27.347 od. 66,1% Analphabeten (10.865 männl. u. 16.482 weibl.), 41 VS,
Spenden 1.927,50 Din. (Hilfe 38.920 Din.)

Stadt u. Kreis Split


131.054 Ew., davon 38.890 od. 40,9% Analphabeten (14.471 männl./24.419 weibl.), 105 VS, Spen­
den 21,335 Din (Von der „Wacht an der Adria“ über die „Gastwirte-Vereinigung“ und „Industrie-
u. Handelskammer“ tauchen in der Spenderliste fast alle Vereinigungen und Bürger auf, die Rang
und Namen in der Stadt hatten) (Geleistete Hilfe 2.766 Abc-Fibeln, 2.430 Rechen- u. Lesebücher,
100 Liederbücher, 5.186 Bleistifte u. 10.372 Schreibhefte im Wert von 42.538 Din)

Stadt u. Kreis Sibenik


68.135 Ew., davon 22.641 od. 47,1 % Analphabeten (7.980 männl./14.661 weibl.), 42 VS, Spenden
7.732,50 Din. (Hilfen im Wert von 24.382 Din.)

Stadt Zagreb
185.581 Ew., davon 10.168 od. 6,5% Analphabeten (3.449 männl/6.719 weibl.), 28 VS, Spenden
1.072.848,50 Din (Die Liste der Träger des „goldenen Spenderabzeichen“ (Spenden von 1000
Din.) liest sich wie ein Who’s who der kroatischen Politik und Gesellschaft. Von Macek über den
Banus Subasic und den Erzbischof Stepinac war alles vertreten, was in der kroatischen Hauptstadt
Rang und Namen hatte.

471
Anhang

Kreis Zagreb
64.314 Ew., davon 11.010 od. 23,4% Analphabeten (3.776 männl./7.234 weibl.), 28 VS, Spenden
3.316,60 Din., (Hilfe 6.376 Din.)

Unter den Kroaten in der Emigration wurden insgesamt 51.904,61 $ gesammelt.

Quelle: Seljacka sloga Klub ABC Napredak (Hg.), Pokret za pismenost 1937-1939. Podatci o
sabranim prinosima i njihovoj upotrebi do 3l.XII. 1939. (Bewegung für den Alphabetismus 1937-
1939. Daten über die gesammelten Beiträge und ihre Verwendung bis zum 31.12.1939), Zagreb
1940, S. 7-105.

472
Verzeichnis der Tabellen

2. Verzeichnis der Tabellen

Tabelle I: Bevölkerungsstruktur Dalmatiens nach Nationalität 1880-1910 . . . . 121


Tabelle II: Einwohnerzahlen und Konfessionsstatistik nach den Volkszählungs­
ergebnissen1921.......................................................................................... 122
Tabelle III: Konfessionsstatistik dalmatinischer Kreise 1880, 1900 und 1910 . . . 125
Tabelle IV: Orthodoxe Kirchengemeinden in der dalmatinischen Eparchie 1941 127
Tabelle V: Wohnorte der Bevölkerung Dalmatiens nach Größe 1912............. 138
Tabelle VI: Bevölkerungsstruktur/Beschäftigungsstatistik 1880-1910 ................... 139
Tabelle VII: Beschäftigungsstruktur nach Banschaften 1936 ..................................... 140
Tabelle VIII: Pro-Kopf-Einkommen in jugoslawischen Regionen 1923 (in Dinar) 141
Tabelle IX: Index des Pro-Kopf-Einkommens nach Wirtschaftszweigen 1923 . . . 142
Tabelle X: Viehbestand in Dalmatien 1910 und 1921 .............................................. 144
Tabelle XI: Verschuldung der Bauernhöfe im Königreich Jugoslawien 1931 .... 191
Tabelle XII: Forderungen der Gläubigerbanken 1932 ................................................ 191
Tabelle XIII: Verschuldung der Höfe nach Besitzgröße ............................................. 192
Tabelle XIV: Vermögens- und Schuldverhältnisse der Bauern in der Küstenban­
schaft (1933)............................................................................................... 193
Tabelle XV: Analphabeten in Dalmatien nach den Volkszählungsergebnissen 1880—
1910............................................................................................................. 215
Tabelle XVI: Analphabetenquote 1910 nach Bezirken.......................................... 216
Tabelle XVII: Schülerzahlen im Königreich Jugoslawien 1931/32 ............................... 218
Tabelle XVIII: Alphabetisierungsgrad nach Banschaften in Prozent im Jahr 1939 . . 222
Tabelle XIX: Geographische Verteilung der Genossenschaften in der Küstenban­
schaft 1936 ................................................................................................ 231
Tabelle XX: Zunahme von Genossenschaften in Dalmatien 1928-1937 ................... 233
Tabelle XXI: Mitgliederstruktur der dalmatinischen Genossenschaften 1936/37 . . . 234
Tabelle XXII: Besitzstruktur der Genossenschaftler in Dalmatien 1936/1937 ............. 235
Tabelle XXIII: Zunahme des Schiffsverkehrs im Spliter Hafen 1922-1939 248
Tabelle XXIV: Industrie in Dalmatien 1918-1938 .......................................................... 285
Tabelle XXV: Einwohner Dalmatiens nach Erwerbszweigen 1929 ............................... 312
Tabelle XXVI: Übersicht über Lebensmittelpreise und Löhne 1914 und 1922 ............. 323
Tabelle XXVII: Ergebnisse der Wahlen 1935 und 1938 in Dalmatien...................... 422
Tabelle XXVIII: Amtsmonate nach Nationalität in den wichtigsten Ministerien 1918 —
1938 ............................................................................................................. 428

473
Anhang

3. Verzeichnis der Abbildungen

Abb. I: Die von Italien 1918 besetzten Gebiete an der östlichen Adriaküste............ 96
Abb. II: Bauern aus dem dalmatinischen Hinterland verkaufen ihre Waren auf dem
Markt in Split (um 1930) ................................................................................. 106
Abb. III: Katholische Gemeinden in Dalmatien.............................................................. 113
Abb. IV: Ansicht und Grundiß eines dalmatinischen Bauernhauses.............................. 137
Abb. V: Übersichtskarte des Staatsgutes „Vrana“........................................................... 178
Abb. VI: Zahlungsaufforderung des Lebensmittelhändlers Juraj Jurisic aus Makarska
v. 30. Mai 1935 ................................................................................................... 196
Abb. VII: Analphabeten über 7 Jahre in der Küstenbanschaft nach den Volkszählungs­
ergebnissen vom 31. März 1931 ....................................................................... 220
Abb. VIII: Wachstum der Genossenschaften in Dalmatien 1928-1937 ........................... 233
Abb. IX: Die Elektrifizierung der Inseln Brac und Hvar............................................... 236
Abb. X: Anstieg der Einwohnerzahl von Split.............................................................. 246
Abb. XI: Geplante Spliter Hafenanlagen......................................................................... 247
Abb. XII: Split als geplanter Verkehrsknotenpunkt........................................................... 249
Abb. XIII: Das Straßennetz in Dalmatien 1920 und 1941 .................................................. 301
Abb. XIV: Die Praxis des Kündigungsschutzes in Dalmatien während der Zwanziger
Jahre.................................................................................................................... 316
Abb. XV: Todesfälle durch Tuberkulose in Split 1914-1924 ......................................... 320

474
Quellen- und Literaturverzeichnis

4. Quellen- und Literaturverzeichnis

a) Ungedruckte Quellen
aa) Akten- u. Archivmaterial Povijesni arhiv, Split (PAS)

Jeweils die Jahre 1918-1942 der Bestände:


Fond Kraljevska banska uprava Primorske banovine PB bzw. ab 1919 BH, I-LXXXIV
(Pokrajinska vlada za Dalmaciju u Splitu/Veliki zupan splitske oblasti/Kraljevska Banska
uprava Primorske banovine u Splitu/Banska uprava Primorske banovine u Splitu/Ispostava
Banske Vlasti u Splitu/Ispostava Banske vlasti Banovine Hrvatske u Splitu, versch. Abteilun­
gen)
Sresko nacelstvo - Split SN
Direkcija Pomorskog Saobracaja Kraljevine Jugoslavije DPS
Trgovacka-obrtnicka/Trgovinsko-Industrijska i Zanatska Komora Split TOK
Advokatska kancelarija Dr. Ive Tartaglie PR/AKT
Advokatska komora u Splitu 3 DO/AKS
Ante Tresic Pavicic B ATP 1/39-88
Bratovstine 1918ff. (Sv. Roko, Sv. Kriz, Sv. Mande po ubogih; Gospe od zdravlja, Gospe od
zvonika, Gospe od zdravlja Sv. Jerolima, Andjela cuvara, Sv. Ante, Sv. Luka, Sv. Nikole,
Gospe od Spinuta) DO/BTS
Drzavno tuziostvo 7 PR/DTS
Biljeznik Bruno Katalinic 1913-1944 BK
Hipotekarni ured (1918.-36.) 32 PO/HU
Kotarski sud Sinj (1918.-41.) 3 PR/KSS
Obitelj Alfirevic 2 K/PK
Posjed brace Ivic - Solin 16 RO/PBI
Prislav/Ivo Grisogono G ATP 11/83/80
Profesorsko drustvo Split 17 DO/PDS
Prva gimnazija 1918.-41-3DS/VR
Udruzenje trgovaca - Split 1931.-41. 4 DO/UT
Uciteljsko drustvo Split 1B DO/UD
Velika Realka 1 DSKG
Zadruga akademicara iz Dalmacije 1932.-39. 25 DO/ZADP
Zenska realna gimnazija 4 DS/ZRG
Kopierte/verfilmte Bestände aus den ehemaligen Archiven „Arhiv Instituta za historiju radnickog
pokreta Hrvatske“ (Zagreb), „Arhiv Predsjednistva Centralnog komiteta SKJ“ (Beograd), „Arhiv
Instituta za historiju radnickog pokreta u Dalmacije“ (Split) und „Arhiv Jugoslavije“ (Beograd)
im PAS:
Sindikati 1919-1941 (Gruppe III), Radnicke partije 1920-1941 (Gruppe II), Pobune, strajkovi i
pokreti (Gruppe V), Mjere vlade i teror vladajuceg rezima 1919-1941 (Gruppe XVI), Gradanske
stranke 1918-1941 (Gruppe VI), Leci 1896-1941 (Gruppe XVIII); Fond CK KPJ 1919-1945,
CK SKOJ 1919-1945, „Drzavni sud za zastitu drzave, Hrvatska 1919-1945“

475
Anhang

hh) Arheoloski muzej Split

Grada zapoliticku, gospodarsku, kulturnu i crkvenu povijest Dalmacije; XIV-XX; svez. 38; 1,1. SI
Memoarska Grada; 1900-1982; davalaca izjava 1.202, kut. 43; 4,7. A I.
Fond Bratovstine Gospe od Poljuda i Sv. Petra u Luccu - Split (XV-XX); XVI-XIX, svez. 3; 0,3.
svez. 38; 1,1. Obiteljski i osbni arhivski fond Jelic Luka - Split, Zadar; 1863-1922; svez. 40; 5,5.
Obiteljski i osobni arhivski fondovi: Antunovic Ivo - Split; 1921-1936; kut. 9; 0,9. Regesti;
Gizdic Drago - Solin; Split; 1910-1983; kut. 14; 1,4 AI. Randic Ivan - Split; 1910-1965;
kut. 9; 0,8. AI.

cc) Familienarchiv Ivan Petar Mladineo im Besitz von Hanja Mladineo/Split

b) Gedruckte Quellen
aa) Publizistische Quellen: in Dalmatien (1918-1941) erscheinende und
vertriebene Zeitschriften bzw. Periodika (Jahreszahlen bezeichenen den
Erscheinungszeitraum)

Novo doba 1918-1941


Dalmatinski glasnik - Zvanicni list Zemaljske vlade (ab Nr. 6//1919: Pokrajinske vlade) za Dal-
maciju, ab VII/1924: Sluzbeni glasnik, ab XII/1929: Sluzbeni glasnik Primorske banovine, ab
XXII/1939-01.04.1941 Untertitel: Sluzbeni list Ispostave banske vlasti u Splitu
Radnicke novine - Glasilo socijalno-demokratske stranke Dalmacije 1918-1919
Zastava - Nezavisno i slobodoumno glasilo javnog misljenja 1919 u. 1930-1931
Oslobogjenje - Glasilo Socijalisticke Radnicke partije Jugoslavije (Komunista) 1919-20
Narod - Glasilo jugoslavenskih nacionalista 1919
Cetinski glasonosa - List za interese Sinja i krajine 1919-1920
Rusija - List za sveslavensku drzavnu misao 1919
Zivot - List dalmatinskih demokrata 1919-1925
Tezacke novine - Glasilo tezackih vijeca 1919-1923
Tezacka sloga 1919-1926
Jadranski Merkur - Nezavisni privredni tjednik 1920-1921
Tezacki zivot 1920
Borba - Organ Saveza privatnih namjestenika za Dalmaciju i Crnu Goru 1920
Hrvatska rijec - Glasilo seljacke hrvatske stranke u Dalmaciji 1921
Sloboda 1921
Primorski glasnik - Glasnik Kluba Zemljoradnicke omladine 1921-1923
Pobeda - narodne, napredne i nerazdelive Jugoslavije. Organ nacionalista 1921-1929
Vojni invalid - Glasilo oblasnog odbora udruzenja ratnih invalida SHS za Dalmaciju 1922-1923
Jadranski Lloyd - Nezavisni privredni glasnik 1922
Narod - Informativni nezavisni list (ab Nr. 15/1922: Jugoslavenski narod, ab. Nr. 17/1923: Na­
rod, ab Nr. 43/1924: Hrvatski narod) 1922-1924
Hrvatska svijest - Glasilo hrvatskoga naroda 1923

476
Quellen- und Literaturverzeichnis

Zemljoradnicki borac 1923-1925


Hrvatska rijec - Glasilo dalmatinskih Hrvata 1924
Drzava - Izdaje Okruzni odbor Narodne Radikalne stranke u Splitu 1924-1939
Hrvatska sloga - Glasilo dalmatinskih Hrvata 1924
Pucki list — Neodvisno glasilo Demokratske (Davidoviceve) stranke 1924—1929
Vjesnik Hrvatskoga katolickoga narodnog saveza u Splitu 1924
Razgovor naroda Jugoslovenskoga 1925
Jadranska posta 1925-1934
Nase selo 1926-1929
Zemljoradnicka sloga - Mjesecno glasilo „Saveza Zemljoradnika“ u Dalmaciji 1926-27
Radnicki odjek - List radnika i siromasnih seljaka 1928
Privrednicka rijec - Tjednik za promicanje interesa trgovacko-obrtickog staleza 1928-32
Pucki list 1930-1936
Kriz na Jadranu 1931-1935
Zov sa Jadrana - Glasilo Jugoslavenske Nacionalne omladine sa Jadrana 1932-1940
Pokret jugoslovenskih nacionalista 1933-1934
Jadranski dnevnik 1934-1938
Domovina - Za slobodu i cast otadzbine, izdaje Cetnicko udruzenje pododbor Split 1935
Katolicka rijec 1935-1941
Jugoslovenski glas Splita 1935
Jugoslovenska rijec 1935-1936
Vihor - Glavno glasilo omladine Jugoslavenskog narodnog pokreta „Zbor“ 1937-1941
Jadranski Lloyd 1938-1940
Primorski zadrugar - Zadruzno-privredni i socijalno-prosvjetni list, 1938-1940
Hrvatski glasnik 1938-1940
Za slobodu i Stare pravice - Omladina H. S. S. Split 1939
Narodni list 1939-1941
Dalmatinska Hrvatska - Politicko-kulturno-ekonomski tjednik, izdaje Gradska organizacija
HSS, Split 1941

bb) Veröffentlichte Protokolle, Jahresberichte etc.

Godisnjaci splitskih skola (1918-1941)


Izvjestaj Privremene radnicke komore za Dalmaciju u Splitu, Split 1926ff.
Izvjestaj Radnicke komore u Splitu 1928ff.
Izvjestaj Trgovacke i obrtnicke/Trgovinsko-industrijske komore u Splitu 1913ff.
Kalendar „Jadran“, Split, 1927-41 hrsg. v. Mate Barisic
Ministarstvo Socijalne Politike(Hg.), Godisnjak o radu Ministarstva Socijalne Politike u god.
1918ff. u. Izvjestaji Inspekcije Rada 1921ff.
Okruzni Ured za osiguranje radnika u Splitu (Hg.), Izvjestaj o poslovanju 1936ff.
Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Poslovni izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne M. u Splitu o
stanju i poslovanju 1930ff.

477
Anhang

cc) Gesetzes- u. Vertragssammlungen, Verordnungen etc.

Banovina Hrvatska (Hg.), Zakoni, uredbe, naredbe itd. (25 Bde.), Zagreb 1939ff.
Bansko-zanatski skolski odbor - Split (Hg.), Pravilnik o redu, radu i nastavi u Opstim Zanats-
kim, Zanatsko-trgovackim i Opstim trgovackim skolama, Split 1930.
Martens, G. (Hg.), Nouveau Recueil General des Traites, 3. Serie, Bd. 12; Recueil des Traites et
des engagements internationales, Secretariat de la Societe des Nations Hg., Genf 1920ff.
Ministarstvo za agrarnu reformu Kraljevine SHS (Hg.), Agrarna reforma - Uredbe, naredbe,
raspisi, Bd. I, Zagreb 1920; Bd. II Zagreb 1925.
Ministarstvo poljoprivrede Kraljevine Jugoslavije (Hg.), Agrarna reforma, Bd. III, Beograd
1933.
Tasner, Joza/Radikon, Albin (Hg.), Zakon o likvidaciji agrarne reforme na velikim posedima
sa komentarom i potrebnim zakonima agrarne reforme, Beograd 1931.
Zbirka zakona protumacenih i objasnjenih sudskom i administrativnompraksom. Hrsg. v. Niko-
laj Pahorukov: Zakon o srpskoj pravoslavnoj crkvi od 8. novembra 1929. g. u. Ustav Srpske
pravoslavne crkve sa registrom od 16. novembra 1931. g., Beograd 1932.

dd) Statistiken u. statistische Literatur

Almanah Kraljevine Jugoslavije, Jubilarni svezak 1929-1931, Beogred Zagreb 1932.


Almanah Primorske banovine, Split, o.J.
Anbauflächen und Ernteergebnisse in Österreich im Jahre 1917, verglichen mit jenen im Jahre
1916 und im zehnjährigen Durchschnite (1907-1916). Nach amtlichen Quellen im k.k. Ak-
kerbauministerium zusammengestellt, Wien 1918 (K.k. Hof- und Staatsdruckerei).
Dalmatinski adresar. Prva sveska, prvo izdanje Dubrovnik - Gruz - Cavtat. Julij 1924. - Junij
1925. hg. v. der Buchhandlung „Jadran“ u. dem Reklamebureau f. Dalmatien „D. L. M.“,
Dubrovnik 1924, Druga sveska, prvo izdanje Split - Sinj - Trogir - Kastela April 1925. -
Mart 1926. hg. v. der Buchhandlung „Jadran“ u. dem Reklamebureau f. Dalmatien „D. L. M.“,
Dubrovnik 1925.
Definitivni rezultati popisa stanovnistva od 31. januara 1921. god., Opsta drzavna statistika
Kraljevine Jugoslavije, Sarajevo 1932.
Definitivni rezultati popisa stanovnistva od 31. marta 1931. godine, knj. I, Beograd 1937, knj.
IV, Sarajevo 1940.
Direkcija Drzavne Statistike u Beogradu (Hg.), Rezultati popisa domace stoke u Kraljevini
Srba, Hrvata i Slovenaca od 31. januara 1921. godine, Sarajevo 1927.
Dokic. Srda (Hg.), Deset godina privrede Kraljvine Jugoslavije, o.O o.J (Beograd 1929).
Durdevic, Svetozar (Hg.), 20 godina kulturnog i privrednog razvitka Kraljevine Jugoslavije -
sa 225 slika. Spomen-knjiga 1918-1938, Beograd 1938.
Ergebnisse der Viehzählung vom 31. Dezember 1910 in den im Reichsrate vertretenen König­
reichen und Ländern, Wien 1912.
Godisnjak banske vlasti Banovine Hrvatske, Zagreb 1940.
Grad Split (Hg.), Split, Split 1927.
Imenik - Registar naseljenih mesta Kraljevine Jugoslavije sa vojno-teritorijalnom i administra­
tivnom podelom, spiskom vojnih okruga, srezova i opstina sa njihovim sedistima i administra­
tivnom kartom u razmeru 1:1.000.000, sredio Tih.J. Arandelovic, Beograd o.J. (1930).
Industrijska spomenica 1938, Beograd-Zagreb 1938.

478
Quellen- und Literaturverzeichnis

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Beograd 1930.
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ders., Nase more i primorje, Split 1934.
Kukoleca, Stevan M.: Industrija Jugoslavije 1918-1938, Beograd 1941.
Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca, Almanah, 2. svezak 1924.-1925. IV. i V. dio s odobrenjem
predsednistva Ministarskog saveta, po zvanicnim podacima sastavio i uredio Viktor Manakin
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Kraljevska Banska uprava Primorske banovine (Hg.), Upravno, sudsko i crkveno razdjeljenje i
imenik prebivalista Prim, banovine po stanju od 1.05.1938. Priredio Statisticki ured u Zagrebu,
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Lakatos, Jozo: Industrija Dalmacije. Zagreb 1923.
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Mladina, Josip A., Privredni adresar Splita, Split 1934.
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Makale, Manfred, Zadnji popis pucanstva u Dalmaciji, Wien 1912.
Mladina, Josip A., Privredni adresar Splita, Split 1934.
Ministarstvo poljoprivrede i voda Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca (Hg.), Potrosnja hlebnih
zita u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca, Beograd 1928.
Mladina, J. A., Privredni adresar Splita, Split 1934.
Obris industrijske strukture Banovine Hrvatske u 1938. godini, Zagreb 1940.
Opcina Split (Hg.), Budzet opcine Split za godinu 1932., Split 1933.
Pavlakovic, V. (Hg.), Banovina Hrvatska. Politicka, administrativna i ekonomska struktura,
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Perselli, Guerrino, I Censimenti della popolazione dell’Istria, con Fiume e Trieste, e di alcune
cittä della Dalmazia tra il 1850 e il 1936 (= Centro di ricerche storiche Rovigno Etnia - IV.
Unione Italiana - Fiume), Trieste-Rovigno 1993.
Prethodni rezultati popisa stanovnistva od 31. januara 1921. g. u Kraljevini SHS, Beograd 1924.
Privreda u Primorskoj banovini, Split 1934.
Publicitas d.d. oglasni zavod (Hg.), Popis novina sa oglasnim cijenama, Zagreb - Beograd 1934.
(Publicitas Annoncenexpedition (Hg.) - Zeitungsliste mit Insertionstarifen, serb, kr., dt. u.
fr., Zagreb - Beograd 1934.
Radica Bogdan, Novi Split. Monografija grada Splita od 1918-1930 godine. (Historijski prikaz
od poc. do 1918. Splitska kronika 1919.-1930. g. Opcina splitska: topografija, uprava, uredi,
statistika, izgradnja novog Splita, kupalista, spomenici, Marjan, poljoprivreda, kulturni zavodi
i ustanove, financije. Zeljeznica, lika, saobracaj. Privreda. Zdravstvo. Prosvjeta. Kulturni zivot:
umjetnici i izlozbe, muzika, predavanja, novine i publikacije, kazaliste. Sport. Turizam. Izleti),
Split 1931.
Radnicka komora za Dalmaciju - Split (Hg.), Privreda i radnici u Dalmaciji. Privredna i soci-
jalna struktura Dalmacije. Polozaj radnika u Dalmaciji. Izvjestaj Radnicke komore o radu u
1928.-1929. godini uredio Bogoljub Curie, Split 1929.
Royaume de Yougoslavie 1919-1929. Publie par le Bureau central de presse aupres de la presi-
dence du Conseil des Ministres, Beograd 1930.

479
Anhang

Rubic, Ivo, Populacija Splita. (Iz „Hrv. Geogr. Glasnika“) Novo doba 27.11.1930.
Savez Sokola Kraljevine Jugoslavije (Hg.), Potrebna znanja za ispite Sokola koji zele da sluze
manje u kadru, Beograd 1939.
Savic, Milivoj, Nasa industrija i zanati - njene osnovice, stanje, odnosi, vaznost, putevi, proslost
i buducnost (Izdanje Ministarstva trgovine i industrije), I. deo, Sarajevo 1922.
ders., Nasa industrija, zanati, trgovina i poljoprivreda (Izdanje potpomognuto od strane Mini­
starstva trgovine i industrije), knjiga XI (sveska 12) - Privredno stanje: B. Hrvatske i B.
Slovenije, srednje i severne B. Dalmacije i pojedinih mesta u nasoj ostaloj zemlji, Sarajevo
1933.
Seljacka sloga Klub ABC Napredak (Hg.), Pokret za pismenost 1937-1939. Podatci o sabranim
prinosima i njihovoj upotrebi do 31.XII.1939., Zagreb 1940.
Sozialversicherung in Jugoslawien. Bericht des Zentralamtes für Arbeiterversicherung in Za­
greb 1922-1926, Zagreb 1929.
Splitski almanah i adresar. Izdaje opcinski statisticko-anagrafski ured za godinu 1925., Split
1926.
Splitski almanah za god. 1925-26., Izdanje Splitske opcine, Split 1927.
Statistika industrije Kraljevine Jugoslavije sa adresarom industrijskih preduzeca, Beograd 1941.
Statisticki godisnjak Kraljevine Jugoslavije 1929-1940.
Sematizam Srpske Pravoslavne Crkve 1925.
Skarica, Matej, Topografski prirucnik Dalmacije i Popis stanovnistva, Split 1922.
ders. (Hg.), Splitski shematizam za godinu 1923. (Naklada Jugoslavenskog naroda), Split 1923.
La Yougoslavie economique edition publiee a l’occasion de l’exposition universelle et interna­
tionale de Bruxelles 1935 par L’Office du Commerce Exterieur en collaboration avec le comite
Yougoslavepour le developpement des relations economiques avec la Belgie, Beigrade 1935.
Udruzenje jugoslavenskih inzenjera i arhitekata (Hg.), Dalmacija - Spornen knjiga Udruzenja
jugoslavenskih inzenjera i arhitekata, Split 1923.

ee) Nachschlagewerke (Enzyklopädien, Biographische Lexika etc.), Bibliographien u.


Quellensammlungen

Bajic Zarko, Natasa, Povijesni arhiv Split. Sumarni inventar arhivskog fonda, Javni biljeznici
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Bernath, Mathias/Nehring, Karl (Hg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuro­
pas. 4 Bde., München 1974-1981.
Baric, Josip/Jurisic, Simun (Hg.), Splitsko iverje, Split 1983.
Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Hi­
storisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1-7 Stuttgart 1973-93.
Dugacki, Zvonimir (Hg.), Zemljopis Hrvatske, 2 Bde., Zagreb 1942.
Enciklopedija Jugoslavije leksikografskog zavoda, Zagreb 1964ff.
Enciklopedija hrvatske povijesti i kulture, Zagreb 1980.
Enciklopedija Jugoslavije, Zagreb 1984.
Friedman, Franc. (Hg.), Yugoslavia: A Comprehensive English-Language Bibliography, Wil-
mington, 1993.
Hasanagic, Edib, Komunisticka partija Jugoslavije 1919-1941, Zagreb 1959.
Hrvatska Enciklopedija, Svezak IV, Zagreb 1942.
Hrvatski biografski leksikon, Zagreb 1983.
Hrvatski leksikon, I. svezak A-K, Zagreb 1996; L-Z, Zagreb 1997.

480
Quellen- und Literaturverzeichnis

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20.12.1918), 2 Bde. Beograd 1964.
Janjic, Dusan (unt. Mitarb. v. Vera Tasic u. Vasiljko Vujid), Moderno drustvo, drzava, nacija:
prilog za bibliografiju: 1869-1986. godine, Beograd 1987.
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ders., Jadransko iverje. Iz povijesti Jadrana 1882-1941, Split 1985.
Keckemet, Dusko, Bibliografija o Splitu, II. dio (1860-1955), Split 1956.
Krizman, Bogdan, Hrabak, Bogumil, Zapisnici sa sednica delegacije Kraljevine SHS na mirov-
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Kunz, Georg, Bibliographie zum Thema (Region - Nation - Europa), in: Lottes, G. (Hg.),
Region - Nation - Europa, Heidelberg 1992, S. 294-314.
Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 25 Bde., Mannheim-Wien-Zürich 1972 (korr. Nachdruck
1980).
Milinkovic, Bosiljka: Bibliografija radova o nacionalnom pitanju i medunacionalnim odnosima
(= Projekt: Polozaj naroda i medunacionalni odnosi Instituta za drustvena istrazivanja sveuci-
lista u Zagrebu), Zagreb 1992.
Morovic, Hrvoje, Grada za bibliografiju splitske periodike 1859-1941., Split 1968.
Paver, Josipa Bosiljka/Plese, Slavica (Hg.), Narodno vijeca Slovenaca, Hrvata i Srba, Zagreb
1993.
Publikacije Trgovinske komore u Zagrebu Br. 114, Bibliografija jugoslavenske privredne knji-
zevnosti za godinu 1938 (izradeno u knjiznici Trgovinske komore u Zagrebu), Zagreb 1939.
Rehder, Peter (Hg.), Das neue Osteuropa von A-Z: Staaten, Völker, Minderheiten, Religionen,
Kulturen, Sprachen, Literaturen, Geschichte, Politik, Wirtschaft, München 1992.
Savez arhivskih radnika Jugoslavije (Hg.), Arhivski fondovi i zbirke u arhivima i arhivskim
odjelima u SFRJ, Beograd 1984.
Stokes, G. (Hg.), Nationalism in the Balkans. An Annotated Bibliography, New York London
1984.
Sisid, Ferdo, Dokumenti o postanku Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca 1914-1919, Zagreb
1920.

ff) Zeitgenössische Literatur mit Quellencharakter

Anketa o srbsko-hrvatskim odnosima, in: Srpski knjizevni Glasnik 1922/V (513, 589), VI (37,
118, 187, 286, 354, 446, 525), VII (47, 124, 202).
Adamic, Louis, The Native’s Return, New York 1934.
ders., King Business in the Balkans, (Yale Review) 1933.
ders., Struggle, New York 1935.
Alacevic, Jerko, Zeljeznicki spoj Bihac - Knin (Unska pruga), Zagreb 1930.
ders., Treba li graditi Unsku prugu?, Sonderdruck Split o.J., aus: „Privrednicka rijec“ 1930.
ders., Unska pruga, in: Tehnicki list Nr. 3 u. 4 v. 28.02.1939.
Aldrovandi Marescotti, L., Guerra Diplomatica, Verona 1936.
Angjelinovic, B. Grga, Za jedinstvo i ravnopravnost. Govor u budzetskoj debati u senatu 18.
marta 1937., Split 1937.
Antoljak, Stjepan, Dalmatinsko pitanje kroz vjekove, Zagreb 1944.
Antonijevic, S. Trajko, Hrvatski ustavni program u drzavi Srba, Hrvata i Slovenaca (= Diss.),
Beograd 1940.
Arandjelovic, Dragoljub, Bauk federalizma ili hrvatsko pitanje, Pancevo 1937.

481
Anhang

Arhiv za propagandu Jadrana Izvrsnog odbora Jadranske straze (Fiskovic, Cvito/Magjer, Drago/
Parac, Vjekoslav/Uvodic, Angjeo) (Hg.), Nas Jadran. Prirodne ljepote i umjetnost, Split 1938.
Avramovic, Mihailo, Organizacija zemljoradnika, Beograd 1920.
ders., Seoska, sreska i okruzna veca. Uputstvo za osnivanje, upravljanje i rad, Beograd 1921.
ders., Nase seljacko gazdinstvo, Beograd 1928.

Baedeker, Karl, Dalmatien und die Adria. Westliches Südslawien - Bosnien - Budapest -
Istrien - Albanien - Korfu. Handbuch für Reisende. Mit 37 Karten und 34 Plänen, Leipzig
1929.
Bajkic, V., Seljacki kredit, Beograd 1928.
Bakotic, Ljubo, Srbi u Dalmaciji od pada mletacke republike do ujedinjenja, Beograd 1938.
ders., Srbi u Dalmaciji, Beograd 1939.
Baien, Josip, Nas goli krs, Zagreb 1931.
Balentovic, Ivo, Bosna u sklopu hrvatskih zamalja, in Hrvatska smotra 11-12, Zagreb 1940.
Banaletti, Entimo, La italianitä della Dalmazia dal punto di vista storico-giuridico. Sul diritto
di nazionalitä e di autodecisione dei popoli, Milano 1919.
Banic, Milan, Razpeti na razkrscu. Jedan Hrvat u Jugoslaviji, Zagreb 1944.
ders., (Banitch, Milan), La Yougoslavie vue par un Croate, Paris 1933.
Bankovitsch, Michael, Stjepan Radic - eine psychoanalytische Studie, Wien 1928.
Barac, Antun, Ilirska knjiga, Beograd 1937.
Barac, Franjo, Croats and Slovenes, friends of the Entente in the World War, Paris 1919.
Baracki, Nenad, Istorija Srpske pravoslavne crkve za vise razrede srednjih skola, Pancevo o.J.
Bartulica, M., Iseljenicko pitanje s osobitim obzirom na Dalmaciju, Zagreb 1928.
Bartulovic, Niko, Od revolucionarne omladine do Orjune, Split 1925.
ders., More u nasoj knjizevnosti, Split 1927.
ders., Jadranska antologija, Pomorska biblioteka Jadranske straze, Split 1934.
ders., Izabrane pripovetke (Srpska knjizevna zadruga), Beograd 1938.
Bauer, Ernst, Die Entstehung Jugoslawiens auf der Versailler Friedenskonferenz, in: Monatshefte
für Auswärtige Politik, Heft 1 (1939), S. 12-25.
ders., Zur Lösung der kroatischen Frage, in: Berliner Monatshefte 10/1939, S. 880-883.
Bauer, Helmut, Ein Vielvölkerstaat zerbricht. Werden und Vergehen Jugoslawiens, Leipzig Ber­
lin 1941.
Beard, Charles/Radin, George, The Balkan Pivot: Yugoslavia. A Study in Government and
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528
Register

Abelic, Petar 263 Benzon, Ante 298


Agrarreform 28, 112, 135, 147ff., 161ff., 165ff., Berkovic, Josip 117, 244 A
410, 453f. Berotti, Umberto 38f.,
Alfirevic, Silvije 361, 382 A, 383 Biankini, Juraj 361
Aljinovic, Marin 171 A Bicanic, Rudolf 301, 427ff., 434
Analphabetismus 204f., 208ff., 215ff., 308, 403, Bilandzic, Ivan 183, 184 A
405f. Bilandzic, Luka 183
Andrews, Philipp 99 A Bilandzic, Marko 184 A
Andric, Nikola 394 Bilic, Mate 181 A
Andrijasevic, Ante 159 Boban, Ante 244 A
Andelinovic, Berislav 367 Bobanovic, Mato 321 A
Andelinovic, Danko 75 Bonetti, Petar 177, 244 A
Andelinovic, Grga Budislav 373, 388f., 443 Boglic, Vjekoslav 231 A
Antunovic, Joso 372 Borelli, Frano 268 A
Anzulovic, Mate 78 A Borcic, Anka 172 A
Attems-Heiligenkreuz, Marius Graf 265 Boskovic, Dusan Duda 423 A
Avramovic, Mihajlo 153, 203, 224 Bozic, Jakov 244 A
Bradaric-Slujo, Pasko 361
Bajamonti, Antonio 74 Brajevid, Vinko 416
Bakula, Petar 38 Brkic, Josip 117, 244 A
Baijak, Jovan 185 A Bucat, Toma 159
Baljkas, Ivo 333 A Budak, Mile 423 A, 437
Balugdzic, Zivojin 91 A Buic, Mirko 244 A
Bandalo, Zvonimir 443 Bulat, Edo 367f.
Bandic, Andrija 184 A Bulat, Gajo 73 A, 89, 234 A, 265f., 272
Banjanin, Jovan 353 Bulat, Petar 382 A
Banovina 14, 117, 345, 427ff., 431ff., 443 Buljevic, Nikola 90 A
Barac, Josip 382 A Burazer, Blaz 158
Barbaric, Tomo 159 Buzolic, Stjepan 262 A
Barbaric, Stjepan 159
Barbaric, Stjepan-Macola 160 Car, Marko 240
Bare, Tornas 181 A Caric, Juraj 156
Barisic, Mate 275 A Cesarec, August 340
Basaricek, Duro 421 Ciko, Tripo 231 A
Bauer, Antun 112 A, 359 A Ciliga, Ante 340
Barac, Antun 359 A Cincar-Markovic, Aleksandar 173 A
Barbarosa, Sime 181 Cuzzi, Ivo 244 A
Barisic, Bartul 244 A Cvetkovic, Dragisa 18, 431
Bartulica, Dragutin 89 Cvijic, Jovan 103 A, 108 A, 360, 374
Bartulica, Milostislav 357 A
Bartulovic, Niko 359ff., 395 A Capeta, Jure 183 A
Bekavac, Manda 196 Cerina, Vladimir 352

529
Register

Cingrija, Melko 103 A Grgin, Marko 332


Cingrija, Pero 262 Grgo, Budimir 184 A
Culic, Jakov 244 A Grisogono, Ivo de 89
Culic, Roko 153 A, 244 A, Grisogono, Prvislav 74 A, 77, 86, 89, 98, 244
A, 300 A, 357 A, 361, 363f., 372, 416
D’Annunzio, Gabriele 97, 101 Grossi, Nikola 149 A
Davidovic, Ljuba 254, 435 Gruber, Dusan 98, 365 A
Deklaration von Korfu 76 Gugleta, Dusan, Simo u. Spasenije 185 A
Dellala, Ivo 240 A Gugliemi, Josip 382 A, 386
Demeter, Dimitrije 121
Demetrovic, Juraj 75, 98, 161 Habsburg, Karl von 266
Demokratische Partei 16, 26f., 104, 126, 161, Handel, Erasmus Freiherr von 133 A
165, 213f., 296, 332, 361f., 376, 404, 433 Harambasic, August 121
Desnica, Vladan 125 A Höffling, August 289
Despot, Ilija 75 Herceg, Rudolf 220f., 237 A, 238
Dimitri, Patriarch 124 Horvat, Rudolf 403
Donadini, Franjo 244 A Hristic, Petar 188 A
Draca, Malentila 185
Drinkovic, Mate 76, 86, 421
Ujadica-Grbesic 193
Drljevic, Sekula 420
Ilijic Skurla, Verka 309
Dubokovic, Juraj 270, 275
Illich, Ivandinko 266
Dvornikovic, Vladimir 108 A, 359 A, 360
Ulyrismus 57, 349f., 400
Ivanisevic, Dujam 244 A
Dordevic, Irenej 214
Ivanisevic, Frane 415
Durendic, Aleksa 299 A
Ivanisevic, Vjekoslav 244 A
Fabrio, Ante 90 A Ivankovic, Stjepan 278 A
Feric, Marin 244 A, 277, 279, 293 A, 326 Ivankovic, Marko 419
Ivasovic, Frane 111 A, 292 A
Ferri, Rikard 319f. Ivcic, Ante 382 A
Fistanic, Lucija 159f.
Fistonic, Luka 180 A Jablanovic, Josip 40
Franceschi, Petar 90 A Jadresic, Frane 181 A
Franges, Otto 131, 164f. Jakir, Ivan 316
Franic, Ante 153 A Jandrijevic, Nikola 183 A
Frank, Josip 262 Jankovic, Milivoj 213
Jelaska, Kaj 244 A
Gaj, Ljudevit 57 Jercic, Mate 182 A
Garasanin, Ilija 72, 79 Jercic, Pavo 181 A
Girometta, Humbert 382 A Jokovic, Roko 76, 98, 365 A
Giunio, Rudolf 98, 365 A Jovanovic, Jovan 224
Giunio, Silvestar 244 A Jozevic, Petar 244 A
Glavina, Ante 326 Jugoslavenski odbor (Jug. Ausschuß) 76, 79f.
Gmajner, Ivan 77 A Jugoslawismus (jugoslavenstvo) 38, 55ff., 70f.,
Grabovac, Vice 336 85, 99 A, 128, 161, 217 A, 343, 349ff.,
Granda, Ivan 421 353ff., 381 ff., 393 A, 417ff., 432
Grgic, Edvard 244 A, 266 Juras, Ivo 117, 136 A, 244 A, 382 A
Grgin, Ante 382 A Juras, Jozica 325
Grgin, Josip 332 Jurisic, Blaz 394

530
Register

Jurisic, Juraj 196 Kroatische Bauernpartei 16, 104, 126, 153, 165,
Justin, Archimandrit 123 187, 210f., 226, 237, 334ff., 346, 378f.,
388ff., 399ff., 405ff., 412f., 420f., 423, 430,
Kacic Miosic, Andrija 47 443f., 446
Kaliterna, Pasko 424 A Kroatische katholische Bewegung 114
Kamber, Petar 82 A, Kroatische Volkspartei 113
Katalinic, Bruno 242 Kroatischer Block 104, 411, 420
Katalinic, Petar 243 A Kroato-Serbische Koalition 59, 70
Katalinic, VInko 243 A Krstelj, Ivo 87f.
Katic, Blaz 244 A Krstulovic, Ivo 367
Katunaric, Martin 382 A Küstenbanschaft (Primorska banovina) 17,
Karadordevic, Aleksandar 124 A, 148f., 156, 140f.
276 A Kubat, Jandrija, Bogdan u. Petar 185 A
Karadordevic, Petar 351 Kuljevan, Ivo 231 A
Karadzic, Vuk Stefanovic 58, 72, 394 Kuvek, Marko 171 A
Karetic, Franjo 183 A Kuzmanic, Ante 244 A
Kargotic, Mihovil 244 A Kuzmanic, Karlo 379 A
Kastelan, Mladen 117 A Kuzmanic, Mate 181 A
Katalinic, Bruno 82 A Kuzmicic, Stjepan 159
Kecmanovic, Dusan 423 A Kuzmicic, Ivan 160
Kemfelja, Duka 430 A Kvaternik, Slavko 444
Kersovani, Otokar 343
Kisic, Vinko 77, 416 Lebenswelten-Konzept 27f.,
Klimenko, Nikola 365 Lenin 150
Kljakovic, Zivko 387 Leontic, Ljubo 153, 367
Knaflic, Vladimir 77 Ljotic, Dimitrije 424
Knez, Grga u. Nikola 185 A Londoner Geheimvertrag 80, 95f.
Kohl, Johann Georg 47 A Lorkovic, Ivan 254, 420
Kolonat 145ff., 161 ff. Lovric, Bozo 74 A,
Komazec, Lazo 185 A Lovric, Edo 116 A
Kommunistische Partei 34, 211, 325ff., 339ff. Lovricevic, Ivan 153 A
Korac, Vitomir 339, 414 A Lozovina, Vinko 382 A
Korolija, Mirko 360f.
Luetic, Ante 443
Korosec, Anton 333
Lukas, Filip 416 A
Korsky, Vera 116
Macek, Vladko 18, 221, 226 A, 279f., 335, 346,
Kortsek, Josip 275 A 369, 378, 398, 419, 422 A, 424f., 427ff.,
Kosanovic, Sava 423 A, 433 431 ff., 438, 443ff., 446
Kostic, Lazo 120f. Madirazza, Frano 244 A
Kostrencic, Marko 116 A, 359 A Mai-Deklaration 76
Kosutic, August 368 A, 419, 430 A, 432 Majar, Matija 57
Kotromanovic, Ivan 184 A Majstrovic, Ivan 89, 244 A, 416
Kovacic, Ivan 136 A, 244 A Makale, Manfred 74 A, 275 A
Kraus, Ljubomir 372 Maksimovic, Boza 394
Krce, Pavao 424 A Males, Branimir 360
Krizman, Hinko 423 A Malesevic, Guido 315 A
Krizanic, Juraj 348, 400 Malic, Martin 175 A
Krleza, Miroslav 69, 227, 348, 351, 399f., 449 Malin, Franjo 358 A
Krnjevic, Juraj 432, 438 Manger, Ivan 243 A

531
Register

Marasovic, Ante 180 A Niseteo, Vicko 244 A


Marasovic, Marin 252 Nodilo, Natko 63
Mardesic, Antun 83, 298 Novak, Grga 359 A
Maretic, Toma 359 A Novak, Ivan 77
Markovic, Bozidar 77A Novak, Viktor 359
Markovic, Mihajlo 360
Marjanovic, Milan 98, 105f., 240, 245, 261 A, Oluic, Pavle 185 A
308 A, 365 A Orjuna, 103 A, 104, 331 ff., 343, 360f., 366ff.,
Martinis, Marcel 240 A 415
Martinovic, Josip 424 A Orlovic, Ante 180
Marusic, Milan 77, 92 A, 286f., 295 Ozanic, Stanko 130 A, 137 A, 201 A
Maroevic, Frano 382 A
Matic, Lazar 125 A Palada, Ante 176 A
Matijevic, Stipe 424 A Pasic, Nikola 81, 100, 353f., 420 A
Matosic, Vlado 244 A Pavelic, Ante 426, 443f.
Matulina, Neven 244 A Pavlinovic, Mihovil 67f.
Mazuranic, Zelimir 390 A Pecanac, Kosta 368
Mekanec, Julije 445 Pederin, Roko 153 A
Melvan, Nikola 172 Perat, Pavao 77f.
Mestrovic, Ivan 74 A, 93, 98, 365 A, 392, 414 Pericic, Milutin 174 A
A, 426 Pernar, Ivan 421
Mihanovic, Marin 244 A Pervan, Frane 74 A
Mihaljevic, Dimitri 177 Pesic, Jakov 90 A
Mihaljevic, Vicko 74, 243 A Petranovic, Bozidar 60
Mikacic, Dujam 73f., 89, 160 A, 255f., 264, 390 Petravic, Ante 382 A
A Petricevic, Vid 382
Milic, Cedo 377 Petrovic, Veljko 103 A
Milic, Vinko 74, 243 A Pilar, Ivo 108
Mimica, Duro 90 A Pista, Ivan 158
Mimica, Mate 132 A Pivcevic, Ivan 382 A
Misetic, Roko 424 A Plavsic, Dusan 98, 365 A
Mitar, Mate 176 A Plavsic, Nikola 268
Mitrovic, Milan 244 A Polic, Toma 82 A,
Miodragovic, Jovan 77 Popovic, Dusan 91 A
Mladineo, Ivan Petar 423 A Popovic, Pavle 103 A
Mladineo, Marko 315 Predavec, Josip 423 A
Morovic, Nikola 177 Prelog, Milan 359 A
Morpurgo, Viktor 298 Preradovic, Petar 121
Mratinovic, Josip 424 A Pribicevic, Milan 214
Namar, Josip 382 A Pribicevic, Svetozar 17, 91 A, 254f., 358, 389,
Nani, Marko 367 413, 419f., 429 A
Nanic, Todor 185 A Pribojevid, Vinko 348
Nationalistische Jugend 75, 351f. Puharic, Klement 361
Narodna stranka 62f. Pu§ic, Miho 415
Narodno vijece 86ff., 94f.,
Nincic, Momcilo 446 Rabadan, Marin 382 A
Nikic, Fedor 354 Racic, Jaksa, 244 A
Nikola von Montenegro 13 Racic, Punisa 421

532
Registe-,

Racki, Franjo 56 Stopar, Bogdan 373


Radatovic, Vinko 382 A Strossmayer, Josip 56, 73 A, 128
Radic, Antun, 226 A, 347ff., 402 Subotic, Niko 296, 414 A
Radio, Stjepan 17, 68 A, 93, 110, 118, 213, 226 Subsistenzökonomie 25, 136, 143, 208£, 230
A, 254, 262, 336, 339, 347ff., 353, 389, Supilo, Fran 80, 262
400ff., 405ff., 414, 417ff., 420f£, 424 A, 436,
445, 453 Santic, Aleksa 351
Radio, Pavle 165, 226 A, 420 A, 421 Saric, Luka 181
Radanovic, Ivan 183 A Saric, Marko 181
Rapallo 16, 97f., 101f., 154, 364f. Sehovic, Serif 260
Ratkovic, Stjepan 398 Seman, Ivan 186
Ravlic, Jaksa, 93 Sibenik, Stanko 160 A, 165
Rendic-Miocevic, Dujam 243 A Sipic 336
Resetar, Milan 359 A, Sisic, Ferdo 103 A, 359 A, 393 A
Ristovic, Vladimir 420 Skarica, Mladen 382 A
Roca, Stjepan 153 A, 156 A, 416 Skarica, Vjekoslav 77, 88£, 416
Roje, Josip 177 Skarica, Simun 180 A
Roje, Slavko 441 Skoric, Danijel 185 A
Romac, Stipan 336 Skoric, Duro 185 A
Rubin, Nikola 160 Skrivanic, Jerko 90
Ruskovic, Josip 154 Skrivanic, Miroslav 90 A
Stambuk, Ante 77
Sancta Clara, Abraham a 225 Stambuk, Slavko 299
Santini, Timotej 177 A Subasic, Ivan 303, 430 A, 433
Sasso, Josip 382 A Sufflay, Milan 413 A, 449
Savic, Milivoje 293 Sulina, Sime 181
Senjanovic, Petar 244 A, 268f., 270 Sutej, Juraj 423 A
Seton-Watson, Hugh 44
Silobreie, Josip 424 A Tabain, Franjo 231 A
Simo, Rak 89 Tartaglia, Ivo 74 A, 90, 98, 170, 244 A, 251,
Simovic, Dusan 442 257f£, 272 A, 273, 278f., 296, 299£, 361,
Skok, Petar 366 363, 369
Slepcevic, Pero 77 A Tartaglia, Kvintilijan 434
Smodlaka, Hranko 308 A Tartaglia, Oskar 75£, 352, 390
Smodlaka, Josip 73f., 88f., 90f., 94ff., 101ff., Tartaglia, Petar 262 A
121, 133£, 147f., 153, 156, 159 A, 213, 257, Tente, Ivan 244 A
372, 390 A, 391, 405, 416 Tito, Josip Broz 346, 439 A
Sokol 92, 362f£, 370f£, 415, 442 Tolstoj, Lav 73 A, 402
Sorid, Fran 321 Tomasovic, Jakov 90 A
Sozialistische Partei 338f. Tomasic, Dinko 398f.
Sozialmoralisches Milieu lllff., 131 ff., 206 Tomic, Jasa 449
Spalatin, Stjepan 244 A Tresic Pavicic, Ante 75, 91 A, 227, 264, 300 A,
Sporn, Teodor 243 A 357 A, 390, 397 A, 419 A
Stajic, Vasa 103 A Trifunovic Bircanin, Ilija 368
Stankovic, Svetozar 169 Tripalo, Mirko 362 A
Starcevic, Ante 61, 66, 390 Trnokopovic, Stojan 91 A
Stepinac, Alojzije 118 A, 426 Trumbic, Ante 74, 78, 94, 99f£, 103 A, 119,
Stojadinovic, Milan 424 121, 243 A, 244 A, 254, 257, 258 A, 269,
Stojanovic, Nikola 71 A, 80 389£, 417, 420, 426

533
Register

Turudija, Stanko 99 Vojnovic, Lujo 240


Vosnjak, Bogumil 103 A
Uglesic, Ivo 82 A Vrdoljak, Ivan Zlatko 244 A
Urbany, Franjo 409 Vrsalovic, Jure 153 A
Ustasa 22, 23 A, 117, 399, 403 A, 420, 426, 436, Vukicevic, Velja 420
439ff., 444 Vukman, Ante 175
Uvodic, Marko 309 Vukman, Ivan 176 A
Vukman, Marin 176 A
Vekaric, M. S. 396 A Vukusic, Stjepan 116f.
Velic, Josip 90 Vukusic, Stjepo 90 A
Vidic, Pavla 185 A
Vidic, Todor 185 A Wiedergeburt (preporod) 60
Vidosavljevic, Marijan 183, 184 A
Vidovic, Emanuel 74 A Zelic, Jozo 153, 244 A
Vilder, Vjeceslav 423 A Zlatar, Zvonimir 382 A, 386
Vio, Hamlet 299
Vitezovic, Pavao 348 Zica, Valentin 332
Versailles 16, 78, 98 A, 99ff., 152, 409 Zivkovic, Pera 183
Vlasic, Josip 172 A Zivkovic, Ljubomir 419 A
Vodanovic, Jerko 231 A Zunjevic, Karlo 424 A, 425

534

Bayerische
Staatsbibliothek
München
Südosteuropäische Arbeiten
Für das Südost-Institut München herausgegeben von
Edgar Hösch und Karl Nehring

72 Karl Nehring: Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich. 19892. Leinen 48.— DM
73 Zehra Önder: Die türkische Außenpolitik im Zweiten Weltkrieg. 1977. Leinen 63.— DM
74 Wolf D. Behschnitt: Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830—1914.1980. Leinen 98.— DM
75 Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Hrg. Mathias Bernath, Karl Nehring und Felix
v. Schroeder. Redaktion Gerda Bartl. Bd. I—IV. 1974—1981. Leinen 500.— DM
76 Historische Bücherkunde Südosteuropa. Hrg. Mathias Bernath und Karl Nehring. Redaktion Gertrud
Krallert und Gerhard Seewann.
Bd. I. Mittelalter, Teil 1 und 2. 1978, 1980. Leinen 458.— DM
Bd. II. Neuzeit, Teil 1: Osmanisches Reich, Makedonien, Albanien. 1988. Leinen 198.— DM
77 Wolfgang Kessler: Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts. 1981. Leinen 72.— DM
78 Karl Nehring: Adam Freiherrn zu Herbersteins Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel. 1983.
Leinen 62.— DM
79 Regine Quack-Eustathiades: Der deutsche Philhellenismus während des griechischen Freiheitskampfes
1821—1827. 1984. Leinen 98.— DM
80 Srecko M. Dzaja: Konfessionalität und Nationalität Bosniens und der Herzegowina. 1984.
Leinen 72.— DM
81 Emanuel Turczynski: Von der Aufklärung zum Frühliberalismus. 1985. Leinen 68.— DM
82 Hans Knoll: Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943. 1986. Leinen 148.— DM
83 Armin Heinen: Die Legion „Erzengel Michael“ in Rumänien. 1986. Leinen 128.— DM
84 Michael Schmidt-Neke: Entstehung und Ausbau der Königsdiktatur in Albanien (1912—1939). 1987.
Leinen 98.— DM
85 Rolf Fischer: Entwicklungsstufen des Antisemitismus in Ungarn 1867—1939. 1988. Leinen 68.— DM
86 Magarditsch A. Hatschikjan: Tradition und Neuorientierung in der bulgarischen Außenpolitik 1944—
1948. 1988. Leinen 112.— DM
87 Holm Sundhaussen: Historische Statistik Serbiens 1834—1914. 1989. Leinen 172.— DM
88 Lothar Maier: Rumänien auf dem Weg zur Unabhängigkeitserklärung 1866—1877. 1989.
Leinen 120.— DM
89 Günter Schödl: Kroatische Nationalpolitik und „Jugoslavenstvo“. 1990. Leinen 98.— DM
90 Gunnar Hering: Die politischen Parteien in Griechenland 1821—1936. 1992. 2 Bde. Leinen 296.— DM
91 Geza Andreas von Geyr: Sändor Wekerle 1848—1921. 1993. Leinen 148.— DM
92 Marie-Janine Calic: Sozialgeschichte Serbiens 1815—1941. 1994. Leinen 148.— DM
93 Srecko M. Dzaja: Bosnien-Herzegowina in der österreichisch-ungarischen Epoche (1878—1918). 1994.
Leinen 76.— DM
94 Technologietransfer und Wissenschaftsaustausch zwischen Ungarn und Deutschland. Hrg. Holger
Fischer und Ferenc Szabadväry. 1995. Leinen 98.— DM
95 Austro-Turcica 1541—1552. Diplomatische Akten des habsburgischen Gesandtschaftsverkehrs mit der
Hohen Pforte im Zeitalter Süleymans des Prächtigen. Hrg. Karl Nehring. 1995. Leinen 148.— DM
96 Martin Mayer: Elementarbildung in Jugoslawien (1918—1941). 1995. Leinen 68.— DM
97 Katrin Boeckh: Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. 1996 Leinen 120.— DM
98 Hildrun Glass: Zerbrochene Nachbarschaft. Das deutsch-jüdische Verhältnis in Rumänien (1918-1938).
1996 Leinen 148.— DM
99 Anikö Koväcs-Bertrand: Der ungarische Revisionismus nach dem Ersten Weltkrieg. Der publizistische
Kampf gegen den Friedensvertrag von Trianon (1918-1931). 1997. Leinen 98.- DM
100 Gottfried Schramm: Ein Damm bricht. Die römische Donaugrenze und die Invasionen des
5.-7. Jahrhunderts im Lichte von Namen und Wörtern. 1997. Leinen 110.- DM
101 Hans-Christian Maner: Parlamentarismus in Rumänien (1930-1940). 1997. Leinen 148.- DM
102 Susanne-Sophia Spiliotis: : Transterritorialität und Nationale Abgrenzung. Konstitutionsprozesse der
griechischen Gesellschaft und Ansätze ihrer faschistoiden Transformation, 1922/24-1941. 1998.
Leinen 98.- DM
103 Deutsch-ungarische Beziehungen in Naturwissenschaft und Technik nach dem Zweiten Weltkrieg.
Hrg. Holger Fischer. 1999. Leinen 120.- DM
104 Aleksandar Jakir: Dalmatien zwischen den Weltkriegen. Agrarische und urbane Lebenswelt und das
Scheitern der jugoslawischen Integration. 1999. Leinen 120.- DM

R. Oldenbourg Verlag/München
Südosteuropa-Bibliographie
Herausgegeben vom Südost-Institut
Redaktion Gerhard Seewann
Band I: 1945-1950. I. Teil: Slowakei, Rumänien, Bulgarien.
München I9602. brosch. 12.- DM
II. Teil: Jugoslawien, Ungarn, Albanien, Südosteuropa und größere
Teilräume. München 1959. brosch. 28.- DM
Band II: 1951-1955. I. Teil: Südosteuropa, Jugoslawien, Ungarn.
München 1960. brosch. 28.- DM
II. Teil: Albanien, Bulgarien, Rumänien, Slowakei.
München 1962. brosch. 28.- DM
Bandlll: 1956-1960. I. Teil: Slowakei, Ungarn, Rumänien.
München 1964. brosch. 39.- DM
II. Teil: Albanien, Bulgarien, Jugoslawien, Südosteuropa allgemein.
München 1968. brosch. 69.- DM
Band IV: 1961-1965. I. Teil: Südosteuropa und größere Teilräume, Ungarn, Rumänien,
Slowakei. München 1971. Leinen 82.- DM
II. Teil: Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.
München 1973. Leinen 109.- DM
Band V: 1966-1970. I. Teil: Südosteuropa und größere Teilräume, Ungarn, Rumänien,
Slowakei. München 1982. Leinen 190.- DM
II. Teil: Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.
München 1976. Leinen 148.- DM
Band VI: 1971-1980. I. Teil: Rumänien. Bearbeitet von Manfred Stoy und Gerhard See­
wann. München 1992. Leinen 178.- DM

Erg.Band 1: Gerhard Seewann: Bestandskatalog der Bibliothek des Süd­


ost-Instituts München. Band 1: Druckschriften 1529-1945.
Unter Mitarbeit von Gerda Bartl und Wilma Kömives.
München 1990. Leinen 198.- DM
Erg.Band 2: Südost-Institut München 1930-1990. Mathias Bemath zum
siebzigsten Geburtstag. Hrg. Karl Nehring.
München 1990. Leinen 88.- DM
Erg.Band 3: Bibliographisches Handbuch der ethnischen Gruppen Südost­
europas. Hrg. Gerhard Seewann und Peter Dippold. Band 1
u. 2. München 1997. Leinen 290.- DM

R. Oldenbourg Verlag/München

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