Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Für das
SÜDOST-INSTITUT MÜNCHEN
herausgegeben von
EDGAR HÖSCH
und
KARL NEHRING
1999
104
Aleksandar Jakir
1999
Jakir, Aleksandar:
Dalmatien zwischen den Weltkriegen : agrarische und urbane
Lebenswelt und das Scheitern der jugoslawischen Integration /
Aleksandar Jakir. - München : Oldenbourg, 1999
(Südosteurophische Arbeiten ; 104
Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1997
ISBN 3-486-56447-1
X) Pi'W] o-e-
f Bayerische j
I
l
Staatsbibliothek
München Jf
„I koliko san god drzavi i vlast prominija, uvik je
u osnovi i biti sve isto, ako ne i sve göre. (...) A
laz je, velika je laz da je istorija uciteljica zivota.
Nista se od istorije ne da naucit. Sve je isto, uvik
sve isto“.
Miljenko Smoje (1923-1995)
Inhaltsverzeichnis
Vorwort .................................................................................................................... 9
I. Einleitung ........................................................................................................ 11
1. Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung.................................... 15
2. Zur Quellenlage.......................................................................................... 30
III. Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern. Kulturelle und sozio-
ökonomische Existenzbedingungen als Grundlagen nationaler Identität. . 107
1. Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus................................. 107
a) Das Kroatisch-katholische Dalmatien ............................................. 112
b) Serbisch-orthodoxes Selbstverständnis............................................. 120
2. Dorf und agrarische Lebenswelt............................................................... 130
a) Wirtschaftliche Lage der Landbevölkerung.................................... 133
b) Die Agrarreform................................................................................. 148
c) Wirtschaftskrise und Verschuldung der dalmatinischen Bauern . . 188
d) Politisierung und Selbstorganisation nach 1918.............................. 210
e) Die Bekämpfung des Analphabetismus als Hebel nationaler Agita
tion .................................................. 215
7
Inhaltsverzeichnis
V. Fazit................................................................................................................ 449
8
Vorwort
Vorliegende Arbeit über Dalmatien zwischen den Weltkriegen wurde vom Promo
tionsausschuß der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Winter
semester 1996/97 als Dissertation angenommen. Sie wäre nicht entstanden ohne die
Geduld und Unterstützung vieler. An erster Stelle ist es mir dabei ein Bedürfnis,
meiner Mutter zu danken, ohne deren Hilfe, in vielerlei Hinsicht, weder mein Studium
noch Promotion möglich gewesen wäre. Ihr möchte ich die Arbeit widmen. Geschrie
ben wurde sie im Andenken an meinen Großvater Slavko, der Zeit seines Lebens ein
dalmatinischer tezak, ein Landarbeiter und Fischer, war. Es ist zum großen Teil die
Geschichte der Lebensumstände seiner Jugend und vieler anderer seiner Generation
in Dalmatien nach dem Ersten Weltkrieg, von der im Buch berichtet wird.
Die Studienstiftung des deutschen Volkes förderte mich während meines Studiums
und ermöglichte mir durch ein dreijähriges Promotionsstipendium die Konzentration
auf die wissenschaftliche Arbeit. Dafür war und bin ich aufrichtig dankbar.
An die zuvorkommende Herzlichkeit, mit der mir in Archiven und Bibliotheken in
Dalmatien bei der manchmal mühsamen Suche nach Quellen und Literatur geholfen
wurde, denke ich gerne zurück. Mein besonderer Dank gilt der Direktorin des Histo
rischen Archivs in Split, Frau Magister Natasa Bajic-Zarko und der Archivarin Frau
Hanja Mladineo, aber auch allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mir
über viele Monate hinweg ihre Bestände frei zur Verfügung stellten. Dies gilt auch für
die Naucna biblioteka (Wissenschaftliche Bibliothek) in Split, wo ich eintauchen
konnte in die Zwischenkriegsjahrgänge so gut wie aller Zeitungen und Zeitschriften,
die zwischen 1918 und 1941 in Dalmatien erschienen.
Daß aber die angesammelte gewaltige Materialfülle nicht über mir zusammenschlug
und ich mich bemühte, den ,roten Faden“ meiner Fragestellung nicht aus den Augen
zu verlieren, habe ich vor allem meinem akademischen Lehrer und Doktorvater, Pro
fessor Helmut Altrichter, sowie Herrn Professor Günter Schödl zu verdanken. Ihrer
vielfältigen Unterstützung und zahlreichen Gesprächen, die mich jedesmal weiterbrach
ten, verdanke ich mehr, als ich hier ausdrücken kann.
Dem Südost-Institut danke ich für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe
„Südosteuropäische Arbeiten“.
Bei vielen Gelegenheiten stieß ich auf viel Verständnis und Hilfe. Oft habe ich von
Gesprächen über mein vertracktes Thema - die moderne kroatische Nationsbildung
9
Vorwort
10
I. Einleitung
1 Hartleben’s Illustrirter Führer durch Dalmatien. 2., gänzl. umgearbeitete Aufl., Wien Pest
Leipzig 1892, S. 1.
2 Landesverband zur Hebung des Fremdenverkehrs im Königreiche Dalmatien (Hg.), Prakti
scher Wegweiser nebst Fahrplan über die Dampfer, Eisenbahn-, Post-, Automobil- und Post
wagenverbindungen. Sommer- und Herbstsaison 1914, Zara 1914, S. 3f.
3 Vgl. Pederin, Ivan, Jadranska Hrvatska u Austrijskim i njemackim putopisima (Das adriati
sche Kroatien in österr. u. dt. Reisebeschreibungen), Zagreb 1991; Chronol. Bibliographie
S. 351-370; zu den Eindrücken deutschsprachiger Verf. während der Zwischenkriegszeit vgl.
S. 281-319 u. Libal, Wolfgang, Dalmatien. Stadtkultur und Inselwelt an der jugoslawischen
Adriaküste, München 1990.
11
Einleitung
breitesten Stelle knapp 60 km tief ins Festland erstreckt, bis Imotski und von dort an
der Neretva entlang bis Metkovic.4
Das Reich, zu dem das kleine Kronland Dalmatien seit dem Wiener Kongreß bis 1918
gehört hatte, zerbrach am Ende des verlorenen ,Großen Krieges' in viele sich national
verstehende Einzelstücke. Was die untergegangene Donaumonarchie, die sich bis zur
Adria erstreckt hatte, zusammengehalten und unter anderem bis zu ihrem Auseinan
derfallen ausgemacht hatte, nämlich ein nicht in nationalen Kategorien faßbares
Lebensgefühl und Staatsverständnis, war - endgültig, wie die Vertreter „nationaler“
Lösungen am Ende des Krieges hofften - zusammen mit dem Vielvölkerreich in Süd
osteuropa untergegangen.5
Lange vor der vollständigen Niederlage am Ende des verlorenen Krieges war das
dynastische Legitimitätsprinzip dem Druck immer lauter artikulierter nationaler Sou
veränitätsforderungen ausgesetzt gewesen. Selbst das „Programm des Kaiserlich-Kö
niglichen Großen Gymnasiums in Split“6 für das Schuljahr 1913/14 und die dort auf
geführten Aufsatzthemen deuten darauf hin, daß sich die Monarchie auch in ihrem
4 Vgl. die im Anhang abgedruckten Landkarten. Jenseits von wechselnden Grenzen war Dalma
tien seit jeher eine Region der wirtschaftlichen, politischen sowie ethnischen und kulturellen
Begegnung. Von den Zeiten der Illyrer, Griechen und Römer über die Kroaten, Ungarn und
Osmanen bis zu den Venezianern, Österreich-Ungarn oder Italien lassen sich hier Einflüsse
u. gegenseitiger Austausch feststellen. Bei der Teilung des röm. Reiches (395) kam D. zum
Westreich, 535 jedoch zu Byzanz. Die seit dem Ende des 6. Jh. einfallenden Slawen und
Awaren eroberten im 7. Jh. D. bis auf die zum byzantinischen Exarchat von Ravenna gehören
den, nach 751 im byzantinischen Thema Dalmatien organisierten Städte (Zadar, Trogir, Split,
Dubrovnik, Kotor) und Inseln (Krk, Cres, Rab). Im 10. und 11. Jh. ging die mittelalterliche
kroatische Staatsbildung von Dalmatien aus. Bald trat als neuer Konkurrent um D. Venedig
auf, das die Küstenstädte als Stützpunkte für seinen Levantehandel zu erobern suchte. Später
griffen neben Ungarn noch Bosnien und Serbien in den Konflikt ein. Aus den Auseinanderset
zungen um die Herrschaft in dieser Region ging im 15. Jh. die reiche Lagunenstadt als Sieger
hervor. Noch heute werden unter dem Namen „Dalmatien“ die ehemals venezianischen Besit
zungen an der Küste und die Gebiete hinter dem dinarischen Gebirgszug, der das Küstenland
vom Hinterland trennt, verstanden, die Venedig im 17. und 18. Jh. vom Osmanischen Reich
erwarb. Nach der Niederlage Napoleons, der zuvor Venedig erobert hatte, dessen kurzlebige
„Illyrische Provinzen“ auch D. Anfang des 19. Jh. umfaßten, schlug der Wiener Kongreß
1815 die Region Österreich zu, dessen „Kronland“ D. bis zum Zusammenbruch der Donau
monarchie blieb; vgl. Hösch, Edgar, Geschichte der Balkanländer: von der Frühzeit bis zur
Gegenwart, (2. durchges. u. erw. Aufl.), München 1993 u. Rehder, Peter (Hg.), Das neue
Osteuropa von A-Z. Neueste Entwicklungen in Ost- und Südosteuropa, München 1992,
Stichwort „Dalmatien“ S. 172-176.
5 Vgl. die Einführung v. Helmut Altrichter, in: ders./Neuhaus, H. (Hg.), Das Ende von Groß
reichen, Erlangen Jena 1996, S. 5-8, hier S. 6; darin auch der Beitrag von Manfred Rauchen
steiner: Verlust der Mitte. Der Zerfall des Habsburger Reiches, S. 225-246.
6 Vgl. Program C. Kr. Velike gimnazije u Spljetu za skolsku godinu 1913.-1914. XLIX, Spljet
1914: „Was hat Kacic unserem Volke gegeben“, „Was bedeutete die illyrische Bewegung für
unsere Literatur?“ oder „Unsere patriotischen Dichter“ etc. im „Historischen Archiv Split“
(Povijesni arhiv u Splitu, im folgenden zit. als PAS).
12
Einleitung
13
Einleitung
Reiseführer, die nach dem Krieg erschienen, als Dalmatien ein Teil des Königreiches
der Serben, Kroaten und Slowenen geworden war, konnten mit oben Zitiertem von
1914 nicht verwechselt werden. Neben den Naturschönheiten der Region wurde nun
hervorgehoben, daß „95 % der Einwohner Dalmatiens Jugoslawen“ seien. Wie schon
den Umschlagseiten zu entnehmen war, standen die Verfasser „unerschütterlich“ zu
der Überzeugung, daß „alle Kroaten, Slowenen, Serben und Bulgaren ein einheitliches
Volk, das jugoslawische Volk“, „ein Volk eines Blutes und einer Sprache“ bildeten.
Die „jugoslawische Gemeinschaft“ aller „Jugoslawen kroatischen, slowenischen, ser
bischen und bulgarischen Namens“ sei schlicht eine „Notwendigkeit“.12
Doch daß es im neugeschaffenen südslawischen Staat gärte, ließ sich schon dem „Bae
deker“ von 1929 entnehmen. Dort wurde dem Reisenden in der Einleitung des Dalma
tien-Führers empfohlen, dem „nach dem Kriege sehr gesteigerte(n) Nationalgefühl“
der Einwohner „Rechnung (zu) tragen“, wie hinzugefügt wurde: „besonders auch in
politischen Gesprächen“.13 Die bei der Staatsgründung 1918 von deren Anhängern
verbreitete Euphorie war in der Zwischenzeit längst verflogen. Kurz vor dem Zweiten
Weltkrieg war auch in Dalmatien nicht mehr die Rede von einer „jugoslawischen
Gemeinschaft“, vielmehr wurde nun fast ausschließlich von einem „kroatischen Dal
matien“ an der Küste gesprochen, das ,schon immer“ untrennbarer Bestandteil seiner
kroatischen Heimat gewesen sei, die mit der Schaffung einer „Banschaft Kroatien“
(ganovina Hrvatska) einen großen Schritt vorangekommen sei auf dem Weg zu einem
eigenen Staat.
Das Scheitern der jugoslawischen Integration war bald offensichtlich geworden. Auch
die weitere Entwicklung bis in unsere Gegenwart und schließlich das blutige Ausein
anderbrechen des ,Zweiten Jugoslawien“ verleihen dem Urteil, daß die in unserem
Jahrhundert in Ost- und Südosteuropa unternommenen „Versuche zur Schaffung
übernationaler oder wenigstens großnationaler Identitätsbildungen (...) gescheitert“
sind, unmittelbar Plausibilität.14
Evidenzbüro des Generalstabs (17.3.1913), hier zit. nach Schödl, Kroatische Nationalpolitik,
S. 186, der ergänzend anführt, daß dieser „offensichtlich für wichtig und zutreffend gehaltene
Bericht“ auch anderen Zentralstellen zugeleitet wurde, u.a. dem Ministerium des Äußern
sowie dem österr. und dem Ungar. Ministerpräsidenten.
12 Drustvo za saobracaj putnika (Hg.), Putnicki vod za Split i okolicu (Reiseführer für Split und
Umgebung), Split 1923.
13 Vgl. Baedeker, Karl, Dalmatien und die Adria. Westliches Südslawien - Bosnien - Buda
pest - Istrien - Albanien - Korfu. Handbuch für Reisende. Mit 37 Karten und 34 Plänen,
Leipzig 1929, S. XXIX.
14 Vgl. Lemberg, Hans, Unvollendete Versuche nationaler Identitätsbildung im 20. Jahrhundert
im östlichen Europa: die „Tschechoslowaken“, die „Jugoslawen“, das „Sowjetvolk“, in: Ber-
ding, Helmut (Hg.), Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 2,
Frankfurt/M. 1994, S. 581-607, bes. III. Jugoslawismus, S. 595-600, hier S. 584; vgl. aucm
ders., Der Versuch der Herstellung synthetischer Nationen im östlichen Europa im Lichte
des Theorems von Nation-Building, in: Schmidt-Hartmann, Eva (Hg.), Formen des National
bewußtseins im Lichte zeitgenössischer Nationalismus-Theorien, München 1994, S. 145-161.
14
Ausgangstage, Problemaufriß und Fragestellung
Die „nationale Frage“ stellte sich neu in dem nach dem Ersten Weltkrieg gebildeten
„Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“, das aus Landesteilen mit unter
schiedlichster Sozial-, Bevölkerungs- und Konfessionsstruktur zusammengefügt wor
den war, und dominierte die innenpolitischen Auseinandersetzungen bis zum Zusam
menbruch des „Ersten Jugoslawien“ im Zweiten Weltkrieg. Der „ideologische My
thos“ (Holm Sundhaussen), mit dem sich das Jugoslawien der Zwischenkriegszeit
gegenüber der Öffentlichkeit im In- und Ausland legitimierte, nämlich daß eine jugo
slawische Nation existiere, die nun ihren Nationalstaat errungen hätte, erwies sich
auch in Dalmatien schnell als „artifizielles Konstrukt“. Der erste jugoslawische Ge
samtstaat ging unter, ohne daß sich die von oben propagierte Vorstellung durchsetzten
konnte, daß Serben, Kroaten und Slowenen Teile einer ,dreinamigen‘ Nation oder ein
Jugoslawisches' Volk seien.15 Der jugoslawische Staat zerbrach 1941 letztlich an der
grundsätzlichen Differenz in der Staatsauffassung zwischen Kroaten und Serben.16
Vorliegende Untersuchung über Dalmatien zwischen den Weltkriegen möchte einen
Beitrag zur Erforschung der Gründe des Scheiterns der jugoslawischen Integration
leisten. Am Beispiel dieser im wesentlichen binationalen Region soll der Frage nachge
gangen werden, warum es zum folgenschweren Umschwenken kam von emphatischer
Begeisterung über den Zusammenschluß bis schließlich zur blutigen Abrechnung ser
bischer und kroatischer Nationalisten im Krieg, der auch Dalmatien 1941 erfaßte.
Warum und wie scheiterte die Konstruktion einer neuen, jugoslawischen nationalen
Identität im 1918 proklamierten Staat? Exemplarisch soll anhand der Darstellung aus
gewählter struktureller Probleme der Region und des Versuchs, diese zu bewältigen,
gezeigt werden, welche Hoffnungen sich in Dalmatien mit dem neuen Staat verbanden
und wie sich angesichts von dessen Scheitern Interessenlagen, feste soziale Standorte,
schon vorher geprägte Identitäten und von der Kroatischen Bauernpartei angebotene
kroatische Identifikationsmuster durchsetzten gegenüber der Idee einer „jugoslawi
schen Nation“, die propagiert wurde von der Regierung in Belgrad und von einer
schmalen intellektuellen Schicht (die angesichts der machtpolitischen Realitäten und
unverändert desolaten Lebensbedingungen immer mehr schrumpfte).
15 Vgl. Sundhaussen, Holm, Geschichte Jugoslawiens 1918-1980, Stuttgart Berlin Köln Mainz
1982 u. ders., Experiment Jugoslawien: Von der Staatsgründung bis zum Staatszerfall, Mann
heim, Leipzig, Wien, Zürich 1993; Der aktuelle Forschungsstand u. Literaturang. bei Kessler,
Wolfgang, Jugoslawien - Der erste Versuch. Vorgeschichte und Gründung des „Ersten Jugo
slawien“, in: Elvert, Jürgen (Hg.), Der Balkan. Eine europäische Krisenregion in Geschichte
und Gegenwart, Stuttgart 1997, S. 91-118.
16 Vgl. Suppan, Arnold, Jugoslawien und Österreich 1918-1938. Bilaterale Aussenpolitik im
europäischen Umfeld, Wien München 1996, S. 74f.
15
Einleitung
Über die Geschichte Dalmatiens zwischen den Weltkriegen liegen kaum Untersuchun
gen vor; in den verschiedenen Darstellungen der Geschichte Jugoslawiens der Zwi
schenkriegszeit kommt Dalmatien nur am Rande vor.17 Die unlängst getroffene Fest
stellung eines kroatischen Historikers, daß „die Vergangenheit dieses Teils der Repu
blik Kroatien nach dem Ersten Weltkrieg nicht erforscht ist“ und „bis heute keine
Monographie mit der Gesamtdarstellung der wirtschaftlichen und gesellschaftlich-po
litischen Verhältnisse Dalmatiens jener Zeit vorliegt“, trifft nach wie vor zu.18
Das chronologische Gerüst der Geschichte der Region Dalmatien nach dem Zusam
menbruch der Donaumonarchie ist bekannt: Die Periodisierung der ereignisgeschicht
lichen Entwicklung der Zwischenkriegszeit folgt derjenigen des Gesamtstaates. Un
strittig scheint, daß das strukturschwache Dalmatien, genauso wie das Königreich der
Serben, Kroaten und Slowenen (1918-1929) und später das Königreich Jugoslawien
(1929-1941), dessen Teil es wurde, während des gesamten Zeitraums durch Krisen
und Konflikte geschüttelt wurde. In schneller Folge durchlief die Entwicklung auch
an der Küste verschiedene Phasen:
Das Ende des Weltkrieges und der Zusammenbruch des Staatswesens zwangen 1918
auch in der dalmatinischen Provinz zum Handeln. Die euphorische südslawische Be
geisterung, mit der der Untergang Österreich-Ungarns und die Proklamierung des
Staates der Slowenen, Kroaten und Serben durchwegs in der veröffentlichten Meinung
begrüßt wurde, und der wichtige Anteil dalmatinischer Politiker beim Zustandekom
men der staatlichen Vereinigung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen
vom 1. Dezember 1918 schienen darauf hinzudeuten, daß in Dalmatien zunächst die
besten Ausgangsbedingungen für den neuen Staat Vorlagen. Vor allem in den bürger
lich-städtischen Kreisen, bei der schmalen Schicht des Bürgertums und unter der Intel
ligenz der dalmatinischen Gesellschaft hatte die staatliche Vereinigung anfangs eine
sichere Basis. Geist und Kapital sahen den baldigen Aufschwung von Split und Dalma
tien im südslawischen Gesamtstaat voraus; auch das Dorf, soweit es sich politisch
artikulierte, begrüßte den nationalen Staat“ und erwartete eine schnelle Agrarreform
und Verbesserung der desolaten Existenzbedingungen.
Der Einsatz dalmatinischer Politiker auf der Friedenskonferenz von Versailles führte
zu ersten Enttäuschungen angesichts der Stellung der serbischen Mitglieder der Dele
gation, welche das Interesse der dalmatinischen Bevölkerung, nicht unter italienische
Herrschaft zu kommen, nur äußerst halbherzig vertraten. Auch der Vertrag von Ra
pallo vom November 1920, durch den die Grenzziehung mit Italien geregelt wurde,
nährte eine wachsende Unzufriedenheit mit dem neuen Staat, dessen internationale
Stellung Schutz vor dem italienischen Imperialismus bieten sollte und eines der stärk-
16
Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung
sten Argumente für Jugoslawien gewesen war. Gegensätze zwischen der großen Mehr
heit der Politiker der ehemaligen k.u.k.-Gebiete und denjenigen Serbiens traten bald
offen zutage. Die trotz kroatischen Boykotts verabschiedete St.Veitstag-Verfassung
1921 und der Kampf zwischen monarchischem Zentralismus und republikanischem
Föderalismus bzw. Konföderalismus beherrschte schnell die politischen Debatten
auch in der dalmatinischen Öffentlichkeit. Die wichtigsten organisierten Kräfte im
politischen Leben Dalmatiens, die Parteien, wurden zu nationalen Optionen. Die
Kroatische Bauernpartei stand für eine kroatische Identität, Volksrechte und Gerech
tigkeit, sie gewann als nationale Bauernopposition auch in Dalmatien eine Massen
basis. Die de facto politische Vertretung der serbischen Minderheit, die Demokratische
Partei, wandelte sich von der Anhängerin eines nationalen Unitarismus, die im ge
schaffenen Staat anfangs die Verwirklichung ihrer jugoslawischen Ideale sah und jede
Opposition als Verrat verfolgte, zur Vertreterin ,gemeinsamer Interessen“ zusammen
mit der Kroatischen Bauernpartei gegen das Belgrader Machtzentrum; explizit groß
serbische Parolen, wie sie die lokalen Politiker der Radikalen Partei vertraten, fielen
bei den Serben Norddalmatiens nicht auf fruchtbaren Boden.
Mit der sozialistischen Arbeiterbewegung trat eine neue und dynamische Kraft auf
die politische Bühne, die eine aktive und überzeugte Anhängerschaft mobilisieren
konnte. Doch deren „internationalistischer Jugoslawismus“ wandelte sich unter dem
Eindruck der Resonanz, die kroatische Autonomiewünsche auch unter der Bevölke
rung Dalmatiens fanden. Vor allem die kommunistische und kroatische Opposition
sah sich der rigorosen Unterdrückung durch die Staatsmacht ausgesetzt.
Kompromißversuche zwischen Zentralismus- und Föderalismusanhängern scheiterten
bald auch in Dalmatien; wiederum setzte eine Belgrader Repressionspolitik ein und
die Krise des Parlamentarismus auf allen Ebenen wurde immer offensichtlicher. Das
Zusammenbrechen des parlamentarischen Zentralismus wurde durch die „Bauern-
und Demokraten-Koalition“ der wichtigsten Parteien der Kroaten und Serben der
Gebiete der ehemaligen Flabsburgermonarchie noch beschleunigt. Das Zusammenge
hen der „precani“-Politiker (sowohl der Kroate Stjepan Radic als auch der Serbe Sve-
tozar Pribicevic aus Kroatien waren, von Serbien aus gesehen, von „preko“, jenseits
des Grenzflusses Drina) machte sichtbar, daß sich der Belgrader Zentralismus einer
fast geschlossenen Front auf dem Gebiet Kroatiens-Slawoniens-Dalmatiens gegen
übersah. Die Folge des gesteuerten und herbeigeschriebenen Attentats auf den kroati
schen Bauernführer im Belgrader Parlament war eine Radikalisierung der nationalen
Positionen bei den Kroaten. Der Versuch, die Staatskrise durch Diktatur und einen
Jugoslawismus von oben zu überwinden, schlug fehl. Auch die neuen Verwaltungs
grenzen, die der Belgrader Zentralismus zog und die z. B. die historische Region Dal
matien in einer Küstenbanschaft (Primorska banovina) aufgehen ließ, erreichten ihren
Zweck nicht. Auf allen Ebenen setzte in Kroatien und Dalmatien ein passiver Wider
stand ein, und immer lauter wurden Forderungen, die in letzter Konsequenz auf einen
Separatismus hinausliefen. Einer Öffentlichkeit unter Konformitätszwang und Schu
len, die Geburtsstätten einer neuen Generation von „Jugoslawen“ werden sollten,
17
Einleitung
stand Anfang der 30er Jahre auf wirtschaftlichem Gebiet die immer stärker auch in
Dalmatien spürbare Weltwirtschaftskrise gegenüber. Auch die oktroyierte Verfassung
des Königs und dessen Versuch, neue Stützen seines Regimes zu finden, sowie Wahlen
unter Polizeiterror und Einschüchterungen konnten nicht verhindern, daß die kroati
schen Forderungen nach Föderalisierung immer lauter wurden. Die Konflikte ver
schärften sich sogar, und die Kroatische Bauernpartei wurde auch an der Küste zur
Volksbewegung. Verhandlungen, um die „kroatische Frage“ zu lösen, wurden unver
meidlich. Eine Konsolidierung des Staates war ohne ein Abgehen vom unitaristischen
Zentralismus nicht mehr vorstellbar.
Enttäuschte Hoffnungen in Dalmatien führten zu negativen Bilanzen und zum
Schwinden der Akzeptanz des Gesamtstaates in allen sozialen Schichten Dalmatiens.
Der „sporazum“ (Vereinbarung) über die Schaffung einer „Banschaft Kroatien“ (Ba-
novina Hrvatska), die der jugoslawische Ministerpräsident Dragisa Cvetkovic und
Vladko Macek (nach Radies Tod Führer der Kroatischen Bauernpartei), unterschrie
ben, wurde auch von den Kroaten Dalmatiens als erster Schritt hin zur vollständigen
Föderalisierung Jugoslawiens gesehen. Die Verschärfung der Staatskrise durch die im
mer drückendere Wirtschaftskrise und die schwierige außenpolitische Situation gaben
auf kroatischer Seite den Vertretern einer kroatischen Eigenstaatlichkeit Auftrieb. Die
angespannte außenpolitische Situation, der Beitritt Jugoslawiens zum Drei-Mächte-
Pakt und der darauf folgende Umsturz am 27. März 1941 führten zur Reaktion Hit
lers, „Jugoslawien militärisch und als Staatsgebilde zu zerschlagen“. Der Einmarsch
der Achsenmächte bedeutete das sofortige Auseinanderfallen des Königreichs Jugosla
wien und den Beginn der Abrechnung der verschiedenen Nationalismen auf dem Ge
biet des ehemaligen Gesamtstaates untereinander.
Von den örtlichen „Nationalräten“, die sich 1918 bildeten, der prekären Versorgungs
lage und der Angst vor italienischer Besetzung über permanente Verfassungskonflikte
und Parteienstreitigkeiten bis zur Ausrufung der Diktatur und schließlich den
Schrecknissen des Zweiten Weltkriegs, sind es freilich nicht die historischen Daten,
die kontrovers scheinen; eminent unterschied und unterscheidet sich die Interpretation
der Bedingungen, unter denen die Menschen in Dalmatien, wie auch im Gesamtstaat,
zwischen 1918 und 1941 lebten.
Über die Zwischenkriegszeit war nach 1945 - während der ersten zwei Jahrzehnte
nach der kommunistischen Machtübernahme - das Urteil klar: Bis Anfang der 60er
Jahre attestierten die Historiker Jugoslawiens unisono den ,Zusammenbruch der jugo
slawischen liberalen Bourgeoisie', die den Zeitraum geprägt habe. Diese habe „in jeder
Hinsicht, sowohl auf ökonomischen als auch auf politischem Gebiet“ versagt. Noch
während der .Periode von 1929 bis 1941' habe das „jugoslawische Bürgertum“ aufge
hört, „Träger der nationalen Einheit der Völker Jugoslawiens zu sein, da es sich als
unfähig erwies, diese Einheit zu organisieren“.19 Entsprechend war für die sozialisti-
19 Cubrilovic, Vasa, Uvod u istoriju Jugoslavije od 1918 do 1945 (Einführung in die Geschichte
Jugoslawiens) v. 1918-45), in: Dimitrijevic, Sergije, Hasanagic, Edib, Marjanovic, Jovan, Mo-
18
Ausgangstage, Problemaufriß und Fragestellung
raca, Pero (Hg.), Iz istorije Jugoslavije 1918-1945. Zbornik predavanja, Beograd 1958, S. 7-
26, hier S. 11 u. 15.
20 Vgl. Culinovic, Ferdo, Slom stare Jugoslavije (Der Zusammenbruch des alten Jugosl.), Zagreb
1958, S. 14ff.
21 Stellvertretend sei hier die Kontroverse zwischen der Zagreber Historikerin Mirjana Gross
und Milorad Ekmecic genannt; vgl. Mirjana Gross: „Ideja jugoslavenstva u XIX stoljecu u
Istoriji Jugoslavije“, in: CSP 11/1973, S. 8-14 u. dies., „Ideja jugoslavenstva u XIX stoljecu i
„dogmatski nacionalizam“, in: JIC 3-4/1975, S. 121-160, sowie Ciliga, Vera, O pogledima
Milorada Ekmecica na hrvatsku povijest, ebenda, S. 161-167 u. Boban, Ljubo, Kontroverze
iz povijesti Jugoslavije (Kontroversen aus der jugoslawischen Geschichte), Bd. 1 Zagreb 1987,
Bd. 2 Zagreb 1989 u. seine im Literaturverz. aufgef. Arbeiten. Die Auseinandersetzungen
zw. Vertetern der kroat. Historiographie mit serbischen Historikern u. Publizisten um die
Interpretation des serbisch-kroatischen Verhältnisses zw. 1918 und 1945 waren in ihrer
Schärfe und Kompromißlosigkeit ein genauer Gradmesser für den Stand dieses Verhältnisses
am Ende des „Zweiten Jugoslawien“.
22 Vgl. das Thesenpapier der Historiker Drago Roksandic, Dorde Stankovic und Zorica Stipetic
von 1985: „Velikosrpski hegemonizam i drugi nacionalizmi u protivreenostima jugoslovens-
kog drustva 1918-1941. (Großserbische Hegemonie und andere Nationalismen in den Wider
sprüchen der jugosl. Gesellschaft 1918-41), in: Roksandic, Drago, Srpska i hrvatska povijest i
19
Einleitung
,Nova historija“ (Serbische und kroatische Geschichte und ,neue Geschichtsschreibung“), Za
greb 1991, S. 213-226, hier S. 215
23 Vgl. Gizdic, Drago, Dalmacija 1941. godine, in: Zbornik Instituta za historiju radnickog po-
kreta Dalmacije 2, Split 1972, S. 65-84, hier S. 70f. Seit dem Juni 1941 setzten Massaker an
Serben in der Gegend um Knin und Drnis ein. Größtenteils seien die Verbrechen von Ustasa-
Anhängern verübt worden, die nicht aus der Region stammten.
24 Vgl. Banac, Ivo, The National Question in Yugoslavia. Origins, History, Politics, Ithaca and
London (2. Aufl.) 1992. 1. jug. Ausgabe, Zagreb 1988, hier zit. nach der erw. kroat. Neuauf
lage: „Nacionalno pitanje u Jugoslaviji. Porijeklo, povijest, politika“ (Die nationale Frage in
Jugoslawien. Ursprung, Geschichte, Politik), Zagreb 1995, hier, S. 9.
25 Vgl. Mirosevic, S. 8. Durchgehend wird das „Erste Jugoslawien,“ dieses „serbisch dominierte,
in gesellschaftlicher und nationaler Beziehung reaktionäre Gebilde“ als „durch nationale und
soziale Gegensätze zerrissen“ beschrieben; ebenso bei Macan, Trpimir Povijest hrvatskoga
naroda (Geschichte des kroatischen Volkes), Zagreb 1992, S. 390f., Tudman, Franjo, Hrvatska
u monarhistickoj Jugoslaviji 1918.-1941. (Kroatien im monarchistischen Jugoslawien 1918—
41), 2 Bde. (Neuauflage) Zagreb 1993 od. Boban, Ljubo, Dr. Tomo Jancikovic - HSS izmedu
zapadnih saveznika i jugoslavenskih komunista (Die HSS zwischen den westlichen Verbünde
ten und den jugoslawischen Kommunisten), Zagreb 1996, bes. Kap. I 1. „Kroatien zwischen
den Weltkriegen“, S. 11-19, aber auch Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 172ff.
20
Ausgangstage, Problemaufriß und Fragestellung
Formeln bringen, wie die daß das dalmatinische „Bürgertum“, welches „schon damals
ein kroatisches nationales Bewußtsein hatte und in der Politik des Zentralismus und
Unitarismus eine Gefahr für die nationale Eigenheit und territoriale Integrität Kroa
tiens sah“, der „serbischen Dominanz“ Widerstand entgegensetzte, weil es sich natio
nal unterdrückt sah? Ist die Schaffung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slo
wenen, „in denen die Serben die absolute Übermacht besaßen“, nur zu interpretieren
als „ideale Gelegenheit“, die sich „den Serben bot, ihre Absichten zu verwirklichen
und das Kroatentum im südlichen Dalmatien zu vernichten“ - so eine heute unter
dem Eindruck der jüngsten Vergangenheit gängige Sichtweise der heutigen kroatischen
Historiographie?26 Werden so nicht aus einer ahistorischen Expost-Perspektive gerade
die 1918 im städtisch-dalmatinischen Milieu weitverbreiteten Hoffnungen übersehen,
die sich mit der Vereinigung verbanden? (Wobei sich freilich die schmale Schicht aus
Anwälten, Händlern, Gewerbetreibenden, wenigen wohlhabenden Grundbesitzern
und noch weniger Industriellen nur schwer als „Bürgertum“ im mittel- oder westeuro
päischen Sinne beschreiben läßt.) Und blendet solch eine Sichtweise nicht ganz die
übergroße Mehrheit derjenigen aus, die sich nicht aktiv an öffentlichen Debatten be
teiligten?
Andererseits scheint es nicht überzeugender, den Spieß nur umzudrehen, und alle
kroatischen Klagen über nationale Benachteiligung und politische Unterdrückung im
Zwischenkriegsjugoslawien pauschal als „old myth of Serbian hegemony“ abzutun
und die „sogenannte serbische Hegemonie“ nur zum Produkt falscher Unterrichtung
des Auslands durch separatistische und kommunistische Agitatoren zu erklären. Die
in den zeitgenössischen Quellen bald ziemlich einmütige kroatische Kritik an ,Bel
grad' und die zähen zwanzigjährigen nationalpolitischen Auseinandersetzungen lassen
sich wohl kaum durch „the fear of Serbian dominance (which) had been employed by
Austria-Hungary to scare the south Slav inhabitants“ erklären.27 Nicht nur die bit
teren Nationalitätengegensätze, welche die Zwischenkriegsjahre vergiftet hatten,28
scheinen in den unterschiedlichen Interpretationen durch, sondern Frontstellungen
der Gegenwart.
Bei dem Versuch, geschichtliche Vorgänge und Zusammenhänge zu erklären, die zur
verhängnisvollen Entwicklung des serbisch-kroatischen Verhältnisses geführt haben,
26 Mirosevic, S. 8 od. Obad, Stijepo, Dalmacija u Ozanicevo doba (Dalmatien zur Zeit Ozanics),
in: Zadarska smotra 1-2 (Ozanicev zbornik), 1994, S. 29-36.
27 Dragnich, Alex N., The Anatomy of a Myth: Serbian Hegemony, in: Slavic Review 50, no.
3/1991, S. 659-662, hier S. 659.
28 Vgl. Wehler, Hans-Ulrich, Nationalitätenpolitik in Jugoslawien: Die deutsche Minderheit
1918-1978, Göttingen 1980, S. 7. Das vergiftete innenpolitische Klima hat der Belgrader
Historiker Branko Petranovic klar auf den Punkt gebracht mit seiner Feststellung, daß die
serbischen Politiker an der Macht für ihre Gegner Politiker ohne Ehre und Moral waren, und
die Vertreter der kroatischen Opposition für die „carsija“ und deren Presse Ausländer, von
deutsch-österreichischem Geist durchdrungen und einem „Franz-Joseph-Bürokratismus“
verhaftet (Istorija Jugoslavije, S. 174).
21
Einleitung
29 Zur Problematisierung des Identitätsbegriffs vgl. Niethammer, Lutz, Konjunkturen und Kon
kurrenzen kollektiver Identität. Ideologie, Infrastruktur und Gedächtnis in der Zeitge
schichte, in: Werner, M. (Hg.), Identität und Geschichte, Weimar 1997, S. 175-203.
30 Dzaja, Srecko, Bosnien-Herzegowina in der österrichisch-ung. Epoche (1878-1918), Mün
chen 1994, S. 222.
31 Vgl. Sundhaussen, Holm, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im nationalsozialistischen Groß
raum 1941-1945. Das Scheitern einer Ausbeutungsstrategie, Stuttgart 1983, S. 11 u. 61f. bes.
Kap. 2 „Die Genesis des kroatischen Staates von 1941“, S. 56-91, wo der fanatisierte, irratio
nal verformte zum Chauvinismus gesteigerten Ustasa-Nationalismus auf den Begriff gebracht
22
Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung
Ein genauer Blick auf „nationale Identität“ zeigt das historisch Bedingte und Wechsel
hafte dieses Begriffes und was sich mit ihm jeweils verband. Die Geschichte der Kroa
ten Dalmatiens während der abschließenden Phase der kroatischen Nationsbildung
belegt die von Holm Sundhaussen aufgestellte These, daß die „entscheidende Phase
der kroatischen Nationsbildung nicht in das 19. Jahrhundert, sondern erst in die 20er
Jahre unseres Jahrhunderts zu verlegen ist.“ Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde
der Nationalismus zu einem Massenphänomen und hörte auf, nur eine Ideologie der
Eliten zu sein.32 Die Wichtigkeit des alle nationalen Territorien umfassenden Rah
mens, wie ihn das Königreich SHS darstellte, für die „Integration zur modernen kroa
tischen und zur modernen serbischen Nation“ und die Überwindung der verschiede
nen Regionalismen steht dabei außer Frage.33 Zu den entscheidenden Gründen für die
Beschleunigung und den Abschluß der modernen kroatischen Nationsbildung wäh
rend der Zwischenkriegszeit gehörten sicher auch, wie Holm Sundhaussen analysiert
hat, daß die Erfahrungen des Weltkrieges bis in die untersten sozialen Schichten hinein
als Mobilisierungsfaktor bisher unbekannten Ausmaßes gewirkt hatten. Die Menschen
wurden mit neuen Ideen und neuen Feindbildern konfrontiert. Die Auflösung der
Habsburger Monarchie ließ einen Freiraum entstehen, der durch einen ungeheuren
Erwartungsdruck ausgefüllt wurde. Doch die durch den Zusammenbruch der alten
Ordnung geweckten Hoffnungen wurden in der Folgezeit rasch und in nahezu jeder
Hinsicht enttäuscht. Da das „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ ein
zentralistisch verwalteter, multinationaler Staat mit einem ausgeprägten Wohlstandsge
fälle von Norden nach Süden war, bot sich die Verquickung von nationaler, politischer
ist; vgl. auch ders., Das Ustasa-Syndrom. Ideologie - historische Tatsachen - Folgen, in:
Lauer, R. u. Lehfeldt, W. (Hg.), Das jugoslawische Desaster. Historische, sprachliche und
ideologische Hintergründe, Wiesbaden 1995, S. 149-187. Die, wissenschaftlich unhaltbare,
kroatisch-nationalistische Gegenposition z.B. in der Dissertation von Marijan Rogic (Die
Idee des kroatischen Staates bei Ante Pavelic unter Berücksichtigung besonderer historischer
Tatsachen sowie des Staats- und des Selbstbestimmungsrechts (Auseinandersetzung mit dem
Kommunismus), München 1983. Für den Verf. bestand die „Ustascha-Bewegung bei den
Kroaten“ (...) „einzig und allein in der Bestrebung (...) nach Selbstständigkeit, freier Entfal
tung, Identität, Unabhängigkeit“ (S. 255). Dabei hätte die Ustasa „sehr sensibel auf die Reak
tion eines Teils der serbisch-orthodoxen Bevölkerung“ reagiert, wobei die „Schärfe ihres Vor
gehens, die in den revolutionären Zeiten stets aufkommt (...) leider auch Unschuldige“ getrof
fen hätte, aber von „einer Rassendiskriminierung oder gar Rassenwahn in der Ustasa-Bewe-
gung“ könne nicht die Rede sein: „dies war ihr fremd“ (S. 230).
32 Vgl. Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 166 u. die vom selben Verf. zusammengest. Auswahlbi
bliographie in seinem paradigmatischen Artikel zu Nationsbildung u. Nationalismus: „Na
tionsbildung und Nationalismus im Donau-Balkan-Raum“, in: Forschungen zur Osteuropäi
schen Geschichte 48 (1993), S. 233-258; vgl. auch Stokes, G. (Hg.), Nationalism in the Bal
kans. An Annotated Bibliography, New York London, 1984.
33 Kessler, Wolfgang, Programme und Politik der nationalen Integration in den kroatischen Län
dern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Jugoslawien: Integrationsprobleme in
Geschichte und Gegenwart hg. v. Klaus-Detlev Grothusen, Göttingen 1984, S. 151-163, hier
S. 163.
23
Einleitung
und wirtschaftlich-sozialer Frustration wie von selbst an. Schließlich bedeutete die
Ausweitung des Wahlrechts auf alle erwachsenen Männer den Beginn einer neuen
kroatischen Offentlichkeitskultur und veränderte somit die politische Bühne Kroa
tiens von Grund auf.34
In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, wie der Wandel des „nationalen Be
wußtseins“ innerhalb der katholisch-kroatischen Bevölkerung Dalmatiens im einzel
nen verlief, und es soll der Abschluß der modernen kroatischen Nationsbildung an
hand der Entwicklung in dieser Region nachgezeichnet werden.
Neben der Frage, was nationales Bewußtsein bzw. nationale Ideologie konstituiert, ist
entscheidend für das Verständnis des Nationalisierungsprozesses, was dazu geführt
hat, daß große Teile der Bevölkerung bereit waren, sich national homogenisieren zu
lassen.35 Die Notwendigkeit einer „Begriffssprache und Theoriebildung von begrenz
ter Reichweite“ angesichts der epochen- und regionenübergreifenden Erscheinungs
vielfalt des Nationalen ist dabei in der neueren Forschungen überzeugend begründet
worden. Das gilt auch und gerade im Hinblick auf die komplexe und kleinräumige
südosteuropäische Entwicklungsvielfalt. Es wurde gefragt, ob es so etwas wie eine
notwendige, quasi „natürliche“ Abfolge bestimmter Teilphasen der Entfaltung des
Nationalen, der politisch-staatlichen Herausbildung kollektiver „nationaler“ Identität
gebe und ob im Nationalen als Teilelement des Modernisierungsvorgangs gewisserma
ßen eine „vorprogrammierte Dynamik mit der Zielstellung ,Nationalisierung der ge
sellschaftlichen Kommunikation und autarker Nationalstaat'“ enthalten sei? Jede pro
blembezogene Regionalgeschichtsschreibung steht dabei vor dem Problem, daß es erst
wenige Grundlagenstudien gibt, die es unternommen haben, Fragestellungen der For
schung zu „gemeineuropäische(n) Phänomene(n) von sozialem Wandel und Massen
politisierung, von nationaler Integration und Staatenbildung“ auf die regionale Vielfalt
Südosteuropas anzuwenden und in den Kontext ,großer' europäischer Themen wie
wirtschaftlich-gesellschaftlichem Strukturwandel und Nations-/Staatsbildung zu stel
len.36 Im Falle Dalmatiens war es erst etwa seit der Jahrhundertwende möglich, dauer-
24
Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung
25
Einleitung
26
Ausgangstage, Problemaufriß und Fragestellung
bekam, in denen die serbische Bevölkerung lebte.45 Doch bei einem genaueren Blick
auf sozial-politische Inhalte und praktische Politik (auch der SDS, deren Koalition
mit der Kroatischen Bauernpartei gegen ,Belgrad“ schließlich bis 1941 hielt), die in
national-politischer Verpackung von den Politikern ihren dalmatinischen Wählern an-
geboten wurden, relativiert sich der vermeintliche Primat des Nationalen.
In vorliegender Untersuchung soll versucht werden, die verschiedenen Lebenswelten
in Dalmatien und ihre Stellung zur „nationalen Frage“ in den Blick zu bekommen.
Mit dem Begriff „Lebenswelt“ ist die „Schnittstelle“, in der sich Subjektives und Ob
jektives, Individuum und System bündelt,46 gemeint, wie auch die Vorstellung, die die
Zeitgenossen von ihrer Wirklichkeit hatten. Der Prozeß wechselseitiger Prägung geht
dabei sicher über die bewußte Annahme oder Ablehnung von Ideologieangeboten
hinaus. Der „handlungsleitende Charakter des Bewußtseins und bewußtseinsleitende
Charakter der politischen Handlungen und sozialen Strukturen“ (Rudolf Vierhaus)47
sind miteinander verschränkt. Ob auf dem Dorf, das nach dem auch in dieser agra
rischen Region bemerkbaren Strukturwandel nicht mehr alleiniger Mittelpunkt der
Welt für seine Bewohner war, oder in den dalmatinischen Städten, wo sich die Pro
bleme des sozialen Wandels verdichteten:48 die unterschiedlichen nationalen Identifi
kationsangebote prägten den öffentlichen Diskurs, wie aus zahlreichen Quellen her
vorgeht. Doch nur vor dem Hintergrund der sozialen Verfaßtheit und der gesellschaft-
27
Einleitung
liehen Grundlage lassen sich Funktion und Reichweite von Identitätskonzepten be
stimmen.
Wie und vor welchem Hintergrund die konkurrierenden nationalpolitischen Orientie
rungen in Dalmatien nach 1918 miteinander rangen, soll durch nebeneinandergestellte
verschiedene Ebenen der Betrachtungsweise deutlich werden: Soziale und ökonomi
sche Fragen wurden zu nationaler Politik, was an einigen zentralen Fragen gezeigt
werden kann, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen in Dalmatien wichtige Themen
waren. Bei der Untersuchung der dalmatinischen Gesellschaft zeigt sich, daß das Ra
tionale' in den verschiedenen Schichten dieser Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg
aus unterschiedlichen Gründen identitätsstiftend wurde.
So wurde der Politisierungsprozeß der dalmatinischen Bauern in weit höherem Maße
durch soziale als durch nationale Momente angetrieben und geformt. Das Land gehöre
„Gott, und demjenigen, der es bestellt“, davon waren die dalmatinischen „tezaci“
(Landarbeiter, Bauern) seit jeher überzeugt. Den Zusammenbruch der alten Ordnung
1918 nutzten sie, um die Abgaben an die Eigentümer größtenteils einzustellen. Die
Versprechungen der neuen Macht in den Städten, daß nun ein neuer, ein eigener,
nationaler Staat, in dem die Regierenden dieselbe Sprache wie die Bauern sprächen,
eine Agrarreform durchführen werde, wurde freudig begrüßt. Es wurde den Bauern
aber bald klar, daß die Reform mehr oder weniger darin bestand, daß sie die Möglich
keit bekamen, den Eigentümern das Land abzukaufen. Die Folge war eine immense
Verschuldung. Die Hoffnungen der übergroßen Mehrheit der kroatischen Bauern la
gen daher auch bald bei der Kroatischen Bauernpartei, deren Agitation darauf hinaus
lief, daß eine „gerechte Agrarreform“ nur bei Erfüllung nationaler kroatischer Forde
rungen möglich sei. Wie sehr diese Argumentation im dalmatinischen Dorf geteilt
wurde und daß sich die Bauern bald tatsächlich mehrheitlich als Teil einer „vorgestell
ten Gemeinschaft“ (Benedict Anderson), einer „kroatischen Nation“ fühlten, läßt sich
ablesen an ihrem Wahlverhalten und der massiven Teilnahme an den von der Bauern
partei ins Leben gerufenen Alphabetisierungs- und Genossenschaftsorganisationen.
Letztere waren nicht nur „Schulen des Kapitalismus“, sondern - wie zu zeigen sein
wird - auch Orte der gesellschaftlichen Durchdringung nationaler Argumentations
muster.
Es soll versucht werden, die sozialgeschichtliche Empirie vor dem Hintergrund na
tionalismustheoretischer Modelle in eine Erörterung des Scheiterns jugoslawischer
Integration im Sinne der nach 1918 propagierten Konzepte einer „dreinamigen“ oder
„jugoslawischen“ Nation in Dalmatien einzuordnen. Regionale Verlaufsformen des
übergeordneten Problemzusammenhangs von sozialem Wandel und nationaler Frage
sollen damit am Beispiel des Abschlusses des kroatischen Nationsbildungsprozesses in
den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts thematisiert werden. Wie sehr sozio-ökonomische
Rückständigkeit, die ja im gesamten südslawischen Bereich schon die widerspruchsvol
len verschiedenen Ausbildungen „nationaler“ Identitätsangebote während ihrer Entste
hung geprägt hatte, noch nach 1918 wirksam war und eine integral-jugoslawische Na
tionsbildung verhinderte, soll am dalmatinischen Beispiel gezeigt werden.
28
Ausgangslage, Problemaufriß und Fragestellung
Daher sollen in einem ersten Schritt die Voraussetzungen vor dem Hintergrund natio
nalismustheoretischer Modelle skizziert werden, die wesentlich waren für die Konsti
tuierung moderner nationaler Identifikationskonzepte und die politische Wirklichkeit
am Ende des Weltkrieges in Dalmatien (Kap. II). Der in Dalmatien enthusiastisch
begrüßte Machtwechsel und die Akzeptanz eines jugoslawischen Staates 1918 führten
zur Radikalisierung eines durchaus unterschiedlich interpretierbaren „jugoslawischen“
Zusammengehörigkeitsgefühls durch die Anhänger eines „integralen“ Jugoslawismus.
Die Dominanz der „jugoslawischen Idee“ unter den dalmatinischen Politikern und In
tellektuellen seit den Balkankriegen, die den staatlichen Zusammenschluß aller südsla
wischen Gebiete forderten, war nach dem Untergang der Habsburgermonarchie offen
sichtlich geworden. Freilich wirkten unterschiedliche Prägungen exklusiv kroatischer
bzw. serbischer Art weiter, wie sich auch die unterschiedlichen Nationsbildungspro
zesse und Nationalideologien bei Serben und Kroaten als dauerhaftes Hindernis bei der
Herausbildung eines jugoslawischen Nationalbewußtseins herausstellen sollten.
Nicht nur der außenpolitische Druck durch die „Bedrohung“ seitens eines italieni
schen Expansionsstrebens am Ende des Weltkrieges, das danach trachtete, ganz Dal
matien zu annektieren, sondern mehr noch die Entwicklungshoffnungen, die man mit
dem neuen Staat verband, stabilisierten aber zunächst die Zustimmung und Zuversicht
weiter Schichten der Bevölkerung auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Doch
es war nicht zu übersehen, daß sich die Schaffung des gemeinsamen Staates keineswegs
der Realisierung eines, wie auch immer gearteten Jugoslawismus verdankte und daß
serbisch-orthodoxe bzw. katholisch-kroatische Prägungen tiefer gingen als kurzfri
stige politische Einheitsbegeisterung.
Es zeigte sich, daß soziale und wirtschaftliche Grundlagen nationaler Identität im struk
turschwachen Dalmatien keineswegs in Richtung einer Ausbildung einer „jugoslawi
schen Identität“ wiesen. Weder besserte sich die Lage auf dem Dorf, das unter Armut
litt und eine Agrarreform erwartete, noch wurden die in den Städten verbreiteten Indu
strialisierungshoffnungen erfüllt (Kap. III). Das Muster der nationalen Argumentation,
im Fall der dünnen Bürgerschicht in den dalmatinischen Städten bewährt und eine Ge
neration lang im Kampf gegen Wien eingeübt, fand seine Anwendung im Kampf um
Entwicklung. Es waren so verstandene „Interessen“, die hinter einer nationalen Ein
heitsfassade als Mobilisierungsfaktoren wirkten, und nur in den seltensten Fällen die
Anhängerschaft an theoretische Ideen. Auch vormals explizit a-nationale politische
Kräfte wie die Linke bedienten sich bei ihrem Versuch, die soziale Frage zum Thema zu
machen, nationaler Argumentationsstrukturen. Der als Entwicklungshindernis identifi
zierte Belgrader Zentralismus hatte in Dalmatien bald kaum noch Fürsprecher.
Die Durchsetzung kroatischen Nationalbewußtseins in Dalmatien (Kap. IV), allen in
tegral-jugoslawischen Uberzeugungsversuchen zum Trotz, verdankte sich einer sozial
verankerten Politik der Kroatischen Bauernpartei, die überkommene Identifikations
muster mit einer anziehenden Vision eines kroatischen Bauernstaates verband. Die
Schaffung der „Banschaft Kroatien“ im Jahre 1939 war nur der sichtbare Abschluß
einer erfolgten kroatischen nationalen Homogenisierung, die an der Unzufriedenheit
29
Einleitung
der Bevölkerung mit ihren Lebensumständen ansetzte und die serbische Dominanz
im Staat für alle negativen Erscheinungen verantwortlich machte. Die Durchsetzung
einer kroatisch geprägten politischen Kultur und mehr noch eines kroatischen Kollek
tivbewußtseins weiter Kreise in Dalmatien war die Folge gescheiterter jugoslawischer
Entwicklungshoffnungen.
2. Zur Quellenlage
Quelleneditionen oder eine Monographie zur Geschichte Dalmatiens in der Zeit zwi
schen den Weltkriegen liegen nicht vor.49
Als methodisch-praktikables Vorgehen bot es sich in einem ersten Schritt an, die zeit
genössische Presse als wichtigste Primärquelle zu analysieren. Zeitungen und Zeit-
49 Allgemein ist die Gründungsphase des Staates der Südslawen mit Quelleneditionen gut er
schlossen, vgl. Sisic, Ferdo (Hg.), Dokumenti o postanku Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca
(Dokumente über die Entstehung des Kgr. SHS), Zagreb 1920 u. Zenevska konferencija o
jugoslavenskom ujedinjenju: Dogadaji, dokumenta, komentari (Die Genfer Konferenz über
die jugosl. Vereinigung: Ereignisse, Dokumente, Kommentare), Zeneva 1918; Jovanovic, Vo
jislav (Hg.), Rapalski ugovor 12. novembra 1920. Zbirka dokumenata (Der Vertrag von Ra
pallo v. 12. 11. 20. Dokumentensammlung), Zagreb 1950; Mandic, Ante (Hg.), Fragmenti za
historiju ujedinjenja (Fragmente zur Geschichte der Vereinigung), Zagreb 1956; Krizman,
Bogdan (Hg.), Narodno vijece Slovenaca, Hrvata i Srba u Zagrebu i italijanska okupacija na
Jadranu 1918 (Der Volksrat SHS in Zagreb und die ital. Okuppation an der Adria 1918),
Zagreb 1956; ders. (Hg.), Grada o nemirima u Hrvatskoj na kraju 1918 (Quellen zu den
Unruhen in Kroatien Ende 1918), Zagreb 1957; ders., Zapisnici Sredisnjeg odbora Narodnog
vijeca Slovenaca, Hrvata i Srba u Zagrebu (Protokolle des Zentralausschusses des Volksrates
SHS in Zagreb), Zagreb 1958; Stulli, Bernard (Hg.), Prilozi gradi za historiju jugoslovenskog
pitanja (Beiträge zu den Quellen für eine Geschichte der jugosl. Frage), Zagreb 1959; Kriz
man, B./Jankovic, Dragoslav (Hg.), Zapisnici sa sednica Delegacije Kraljevine SHS na Mirov-
noj konferenciji u Parizu 1919-20 (Protokolle von den Sitzungen der Delegation des Kgr.
SHS auf der Friedenskonferenz in Paris 1919-20), Beograd 1960; Matkovic, Hrvoje (Hg.), Iz
politicke korespondencije 1919-20 (Aus der politischen Korrespondenz 1919-20), Zagreb
1960; Jankovic, Dragoslav/Krizman, Bogdan (Hg.), Grada o stvaranju jugoslovenske drzave
(Quellen über die Schaffung des jugosl. Staates), 2 Bde., Beograd 1964; Krizman, B. (Hg.),
Zapisnici sjednica povjerenika Hrvatsko-slavonsko-dalmatinske vlade u Zagrebu (Protokolle
der Sitzungen der Obleute der Kroatisch-Slawonisch-Dalmatinischen Regierung in Zagreb),
Slavonski Brod 1964; Die gesamte Zwischenkriegszeit umfassen: Culinovic, Ferdo (Hg.), Do
kumenti o Jugoslaviji. Historijat od osnutka zajednicke drzave do danas (Dokumente über
Jugoslawien. Historiat von der Gründung des gemeinsamen Staates bis heute), Zagreb 1968
u. Petranovic, Branko/Zecevic, Momcilo (Hg.), Jugoslavija 1918/1984, Beograd 1985.
30
Zur Quellenlage
Schriften sind erkannt worden als das „Tagebuch ihrer Gegenwart“.50 Die in der in der
„Naucna biblioteka“ (Wissenschaftlichen Bibliothek) in Split archivierten regionalen
Zeitungen und Periodika zwischen 1918 und 1941 spiegelten in ihrer Berichterstattung
und unterschiedlichen „nationalen“ Ausrichtung die Integrationsprobleme des Ge
samtstaates wider und erlaubten einen Einblick in den Prozeß der Stabilisierung der
nationalen Identitäten während der Zwischenkriegszeit. Eine große Zahl von Druck
erzeugnissen, die in den 14 Druckereien in Dalmatien hergestellt wurden,51 kommen
tierten die großen Zäsuren - die .Haupt- und Staatsaktionen“ - höchst unterschied
lich. Die Zeitung der Landesregierung, der zweimal wöchentlich erscheinende „Dal-
matinski glasnik“ (Dalmatinischer Bote), führte im Untertitel die Bezeichnung „Amts
blatt der Landesregierung für Dalmatien“ (Zvanicni list Pokrajinske vlade za
Dalmaciju) und veröffentlichte alle auf Dalmatien bezogenen Gesetze und Verordnun
gen sowie „Polizeinachrichten“.52 Das Bulletin des Genossenschaftsverbandes, die
Blätter, die der Demokratischen, der Kommunistischen, der Kroatischen oder der Ra
dikalen Volkspartei nahestanden, schildern das Leben in Dalmatien jeweils aus der
Perspektive ihrer politischen Forderungen. Der „Splitski almanah“ für 1925/26 nennt
14 verschiedene in Split und Umgebung regelmäßig erscheinende Presseerzeugnisse,
die in den ersten Jahren nach dem Krieg eine dauerhafte Leserschaft an sich binden
konnten.53 Der Blick auf die hinteren Seiten mit Berichten aus dem Geschäfts- und
Gesellschaftsleben, Leserbriefen, Inseraten und Kleinanzeigen, den Ankündigungen
von Versteigerungen oder auf die „vermischten“ Meldungen offenbarte eine Gesell
schaft im Umbruch. Hinter den einzelnen Zeitungen standen finanziell und politisch
in der Region und außerhalb unterschiedliche soziale Gruppen mit jeweils spezifi
schen Interessenlagen. Das Hauptaugenmerk bei der Auswertung der publizistischen
50 Bauer, W., Quellen (Neuzeit), in: Fischer-Lexikon Geschichte hg. v. V. Besson, Frankfurt/M.
1961, S. 296.
51 In Dubrovnik: Hrvatska stamparija d.d.; Jadran u. Srpska Dubrovacka tiskara i knjigoveznica;
in Kotor: Bokeska stamparija; in Split: Hrvatska stamparija, Jugoslavenska stamparija, Leo
nova tiskara, Zavod hrv. tiskarske zadruge, Narodna tiskara, Splitska drustvena tiskara, Trgo-
vacka tiskara; in Sibenik: Hrv. zadruzna tiskara, Nova stamparija, Srpska pucka tiskara u.
tiskara i graficki zavod Ernesto Vitaliani, vgl. Almanah Primorske banovine, S. 132 u. die im
Anhang abgedruckte Liste der Zeitungsverkaufstellen in Dalmatien.
52 Ab 1921 (4. Jg.) erschien das Amtsblatt in kyrillischer u. lateinischer Schrift, in serbischer
Terminologie; selbst die slawonische Stadt Osijek (Esseg) wurde „ekavisert“ in „Osek“; vgl.
Nr. IV/42 v. 10.08.1921.
53 Die Tageszeitungen „Novo doba“ und „Jadranska posta“, die Wochenblätter „Drzava“, „Ja
dran“, „Pobeda“ u. die monatl. ersch. „Euharisticki Glasnik“, „Gospa Sinjska“, „Jadranska
straza", „Nase selo“, „Poljodjelski vjesnik“, „Pucki list“, „Pucka prosvjeta“, „Radnicko
pravo“, „Sokol na Jadranu“, „Vjesnik Arheoloskog muzeja“, „Zadrugar“, „Zemljoradnicka
sloga“, „Razgovor Naroda jugoslavenskog“ u. „Tezacke novine“ werden neben d. offiziellen
Publikationen „Sluzbeni glasnik“, „Zbirka okruznica Postanskih direkcija“ u. „List biskupije“
aufgezählt. Vgl. Splitski almanah za god. 1925/26, Split 1927, S. 122f.
31
Einleitung
Quellen wurde auf lokale oder regional erscheinende Zeitungen oder auf Artikel mit
lokalem Bezug zu Dalmatien gelegt.
Der Ertrag der aus gewerteten, im öffentlichen Diskurs vertretenen Meinungen und
Agitationsversuche für und wider die verschiedenen nationalen und sozialen Identifi
kationsangebote hätte aber nur zur Darstellung einer heterogenen Presselandschaft
geführt, die die ,großen Fragen“ der Politik der Zwischenkriegszeit regional nachvoll
zieht und eine ebenso heterogene Gesellschaft widerspiegelt. Abgesehen davon war
der Presse der „Kampf gegen die gesellschaftliche und staatliche Ordnung“ auch schon
vor der Ausrufung der Königsdiktatur im Jahre 1929 verboten, wobei polizeiliche
Vorzensur die Beachtung sicherstellen sollte. In Krisenzeiten schließlich waren nach
Art. 32 „alle Nachrichten, durch welche die öffentliche Ordnung und Ruhe oder
allgemein die Interessen des Landes“ gefährdet sein könnten, „zur Veröffentlichung
nicht erlaubt“.54 Doch die Zensur war durch die Menge des gedruckten Schrifttums,
wie sie klagte, überfordert. Die Flut von Broschüren, Büchern und Flugblättern, die
zwischen 1918 und 1941 in Dalmatien für die jeweilige nationalpolitische Orientierung
ihrer Verfasser warben, tragen Quellencharakter und belegen die Virulenz der „natio
nalen Frage“ im - freilich kleinen - öffentlichen Raum.55
Die Auswertung der Akten der regionalen Verwaltung (die unter häufig wechselndem
Namen, von „Landesregierung für Dalmatien in Split“ 1918 bis „Expositur der Ban
schaftsregierung der „Banovina Hrvatska“ 1939, mit wechselnden Kompetenzen Dal
matien verwaltete), zeigte die Probleme der Region deutlich, auch wenn die „politisch
sensiblen“ Teile des Archivs in Kriegs- und Nachkriegszeiten unseres Jahrhunderts
stark dezimiert wurden. Die Korrespondenz, Erlasse, Statistiken etc. der Verwaltung
zwischen 1919 und 1941 füllen noch immer 448 Kartons im „Historischen Archiv“
(Povijesni arhiv) in Split und boten die Grundlage für die Rekonstruktion der Agrar
reform in Dalmatien. Wo es ging, wurden die in Archiven gefundenen Angaben mit
lokalgeschichtlichen Darstellungen verglichen, die meistens von Priestern oder Leh
rern aus den jeweiligen Orten verfaßt wurden und sich für die jüngere Vergangenheit
auf die Erinnerungen von Zeitzeugen stützen.56 In der großen Mehrzahl dieser Erin
nerungen und Dorfchroniken wird die Agrarreform mit ihrer Verteilung von Staats
und Kirchenland als das einschneidenste Ereignis der Zwischenkriegszeit geschildert.
54 Vgl. Zakon o stampi (Gesetz über die Presse) od 6. augusta 1925. objavljen u Sluzbene novine
br. 179-XXXIX v. 08.08.1925. (Tekst zakona sa tumacenjima i postojecim sudskim rjesenjima.
Priredio Dr. Lavoslav Hönigsbeg, in: Zbirka zakona Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca (Ge
setzessammlung des Kgr. SHS), Hg. v. Bibliografski zavod d.d., ureduje Dr. Milorad Straz-
nicky. Prvi svezak: Zakon o stampi, Zagreb 1926.), S. 5.
55 Vgl. die im Anhang gesondert aufgeführte zeitgenössische Literatur mit Quellencharakter.
56 Vgl. z.B. Bebic, Josip, Brela, Split 1985, Fistanic, Petar, Pisak kroz vjekove (Pisak durch die
Jahrhunderte), Pisak 1989, Kvesic, Sibe, Hvar izmedu dva rata. Politicke i socijalne prilike
(Hvar zwischen den Kriegen. Politische und soziale Verhältnisse), Zagreb 1969, Vlasic,
Danko, Proslost Podstrane (Die Vergangenheit von Podstrana), Split 1988; Soldo, Josip Ante
(Hrsg.), Sumartin. Zbornik radova, Sumartin - Split 1992 etc.
32
Zur Quellenlage
33
Einleitung
ten unklar, so daß sich zahlreiche Angaben widersprechen. Eine faktographische Be
standsaufnahme des Standes der Industrialisierung der Region findet sich in der mono
graphischen Reihe „Industrijska biblioteka“ des „Jugoslavenski Lloyd“. In diesem
auflagenstarksten ökonomischen Fachblatt der Zwischenkriegszeit und verschiedenen
„Almanachen“ und Statistiken wurde die industrielle Entwicklung in den historischen
Teilregionen beschrieben und zahlenmäßig erfaßt. Systematisierte Ergebnisse oder
etwa eine Monographie liegen aber bis heute nicht vor. Auch in den Handbüchern
wird nur kursorisch auf Dalmatien eingegangen.60
Schwerpunkt dieser Untersuchung ist aber die Entwicklung der nationalen Identitä
ten: Jahresberichte, Unterrichtspläne etc. geben Aufschluß über den Stand des Bil
dungswesens in Dalmatien und belegen den staatlichen Versuch, eine neue jugoslawi
sche Identität zu schaffen.
Neben dem Versuch, nationale Orientierungen in den verschiedensten Quellen zu
erfassen, stand die Bemühung um eine Darstellung wesentlicher Merkmale der sozia
len Verhältnisse in der Region während der Zwischenkriegszeit im Vordergrund, so
wohl des Lebens der Bauern und Landarbeiter in den Dörfern als auch der Existenz
bedingungen der entstehenden Arbeiterschaft in den Städten.
Es verwundert nicht weiter, daß die Geschichtsschreibung im sozialistischen Jugosla
wien, wenn sie sich überhaupt mit dem Dalmatien der Zwischenkriegszeit beschäf
tigte, hauptsächlich von „starken revolutionären Erschütterungen“ sprach, die diese
Zeit gekennzeichnet hätten, und die sozialen Bedingungen als Grund dafür nannte.
Die entsprechenden Forschungsergebnisse lassen sich einfach zusammenfassen: Eine
„große Tadition der fortschrittlichen Bewegung in Dalmatien in den breitesten Volks
schichten“ habe in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen zu „häufigen Demonstra
tionen, Einzel- und Generalstreiks und zahlreichen oft blutigen Kämpfen der Arbei
terschaft und der Bauern gegen die volksfeindlichen Regime und gegen den Gendarm
en- und Polizeiterror“ geführt. Die Kommunistische Partei habe „immer eine hohe
Zahl von aktiven Mitgliedern und Sympathisanten in Dalmatien“ gehabt, die „organi
siert die breiten Volksmassen zum Sturz des verhaßten bourgeois-kapitalistischen Sy
stems geführt“ hätte, da die „revolutionäre Neigung der Arbeiterklasse“ ständig ange
wachsen sei, bis „das Verhalten von breiten Schichten revolutionäre Eigenschaften
annahm, mit dem Ziel, die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse zu stürzen.“61
60 Vgl. Höpken, Wolfgang/Sundhaussen, Holm, Jugoslawien von 1914 bis zur Gegenwart, in:
Fischer, W. (Hg.), Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 6, Stutt
gart 1987, S. 847-915, od. Teichova, Alice, East-Central and South-East Europe, 1919-1939,
in: Mathias, P. u. Pollard, S. (Hg.), The Cambridge Economic History of Europe, Bd. 8,
Cambridge 1989, S. 887-983.
61 So z.B. Vicko Krstulovic im Vorwort (S. 7), in: Gizdic, Drago, Dalmacija 1941. Prilozi histo-
riji Narodnooslobodilacke borbe, (Dalmatien 1941. Beiträge zum Volksbefreiungskampf) Za
greb 1957 u. Jelic, Ivan, Split uoci revolucije (Split am Vorabend der Revolution), in: Institut
za historiju radnickog pokreta Dalmacije (Hg.), Split u narodnooslobodilackoj borbi i socijali-
stickoj revoluciji 1941-1945. (Split im Volksbefreiungskampf und der sozialistischen Revolu-
34
Zar Quellenlage
So oder so ähnlich lautete zumeist der Befund in vielen bis Ende der 80er Jahre veröf
fentlichten Arbeiten über Dalmatien zwischen 1918 und 1941.
Obwohl an Quellensammlungen und Untersuchungen zur Geschichte der Arbeiterbe
wegung im südslawischen Bereich eigentlich kein Mangel herrscht, liegen kaum Arbei
ten über Dalmatien vor.62 Veröffentlichungen aus der Hochzeit der KP-Arbeiterge-
schichtsförschung sind oft problematisch, da sie aus politischen Gründen viele The
men wegließen oder teilweise sogar verfälschten.63 Die Kritik der parteilichen Proleta
riatsforschung als „einem historiographischen Zweig, der in der sozialistischen Epoche
in erster Linie Legitimationsfunktion“ hatte, ist berechtigt. Doch die „minutiöse Do
kumentation aller Lebensäußerungen der Arbeiterschaft (und insbesondere ihrer Pro
testformen)“64 und die „Fülle von Lokal-, Regional- und Branchenstudien“, die diese
Arbeitergeschichtsforschung hervorgebracht hat (leider nicht für die Region Dalma
tien), ist trotz der in der Tat oft fehlenden „abstraktere(n) Fragestellungen“ ein wert
voller historiographischer ,Steinbruch“. Jedenfalls stünden heute weit weniger Lebens
zeugnisse von denen zur Verfügung, die die Industrialisierung und Frühformen indu
strieller Arbeit am eigenen Leib erleiden mußten. Unbestritten aber reflektiert die
amtliche Parteigeschichtsschreibung (gleichgültig, ob bewußt als gewählte Parteilich
tion 1941—45), Split 1981, S. 27-38; Kolar-Dimitrijevic, Mira, Privredne prilike i struktura
stanovnistva pred drugi svjetski rat (Wirtschaftliche Verhältnisse und Bevölkerungsstruktur
vor dem Zweiten Weltkrieg), Split 1981, S. 39.
62 Vgl. die im Literaturverz. angeführten Arbeiten von Cazi, Cecic, Cvetkovic, Culinovic, Ive-
kovic, Hrabak, Lebl, Pekic, Uradin, Vidmar, Vinaver, Vrcinac etc. u. die Bibliographie von
Protic, Zarko u.a. (Hg.), Socijalisticki i radnicki pokret i Komunisticka Partija Jugoslavije
1867-1941. Bibliografija posebnih izdanja (1945-1969) (Die sozialistische- und Arbeiterbew.
und die KPJ 1867-1941), Beograd 1972; Speziell zu Dalmatien: Diana, Srecko, Prilozi doku-
mentaciji o razvoju radnickoga pokreta u Splitu 1918-1920 (Beiträge zur Dokumentation der
Entw. der Arbeiterbew. in Split 1918-20), Split 1960 und bes. Sitin, Tonci, Sindikalni pokret
u Dalmaciji 1929-1941. godine s obzirom na politiku KPJ (=Diss.) (Die Gewerkschaftsbewe
gung in Dalmatien 1929-41 unter Berücksichtigung der Politik der KPJ), Split - Zadar 1985,
darin ausf. Literaturverzeichnis. Lokale Partei- und Gewerkschaftsgeschichte fielen oft in eins,
wobei Arbeiten mit Memoiren- oder publizistischen Charakter schwerlich Ansprüchen auf
intersubjektive Überprüfbarkeit genügen können; vgl. die Sammelbde. Cetrdeset godina -
Zbornik secanja aktivista jugoslovenskog revolucionarnog pokreta (Sammelband der Erinne
rungen der Aktivisten der jug. rev. Bew.), 2 Bde. (1929-1935) u. (1935-1941), Beograd 1960,
in dem auch dalmatinische KP-Aktivisten, wie A. Berus, A. Bozanic, D. Gizdic, A. Roje, I.
Senjanovic, I. Amulic, M. Jakovcev, V. Srzic, S. Ivas, M. Bilobrk, J. Lelas u. I. Rafanelli ihre
Erinnerungen zu Papier gebracht haben, oder die Sammelbände d. Institutes f. die Geschichte
der Arbeiterbew. in Dalmatien (Zbornik Instituta za historiju radnickog pokreta Dalmacije
(im folg. IHRPD) 2 Bde., Split 1970 u.1972.
63 Vgl. z.B. Gizdic, Drago, Dalmacija 1941, Split 1959 od. ders., O razvoju dalmatinske ce-
mentne industrije i o klasnoj borbi u njoj do pocetka narodnooslobodilacke borbe (Über die
Entw. der dalm. Zementindustrie u. die Klassenkämpfe in ihr bis zum Anfang des Volksbefrei
ungskampfes), in: Zbornik IHRPD Split 1970, S. 147-164.
64 Calic, Sozialgeschichte Serbiens, S. 30.
35
Einleitung
keit oder unter politischem Druck) mehr die eigene, eingeschränkte Sicht der Verfasser
als die soziale Realität jener Zeit.
An veröffentlichten Quellen, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter
schaft in Dalmatien thematisieren, wurden, neben der Arbeiterpresse, die Statistiken
der staatlichen Sozialbehörden (Okruzni ured za osiguranje radnika)65 und die „Be
richte der Arbeitsinspektion“ (Izvjestaji inspekcija rada) herangezogen, die zwischen
1929 und 1941 veröffentlicht wurden. Weiterhin wurde versucht, die soziale Wirklich
keit in den Städten und die regionale Politik der KP zu erfassen durch die Auswertung
publizistischer Quellen und anhand der im Spliter Archiv lagernden Bestände der
ehemaligen Archive „Arhiv Instituta za historiju radnickog pokreta Hrvatske“ (Ar
chiv des Institutes für die Geschichte der Arbeiterbewegung Kroatiens)66 sowie des
„Arhiv Predsjednistva Centralnog komiteta SKJ“ (Archiv des Präsidiums des Zentral
komitees des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens) aus Belgrad67 und des „Arhiv
Instituta za historiju radnickog pokreta u Dalmaciji“ (Archiv des Institutes für die
Geschichte der Arbeiterbewegung Dalmatien) in Split; im Fall des aufgelösten „Insti
tuts für die Geschichte der Arbeiterbewegung in Dalmatien“ im Original, ansonsten
in Kopie. Zitiert wird immer nach den im „Povijesni arhiv“ in Split gültigen Signatu
ren. Auch wurden die Stadt- und Regionalarchive in Split, Dubrovnik, Zadar und
Sibenik konsultiert.
65 Vgl. Okruzni ured za osiguranje radnika (Hg.), Petnaest godina Sredisnjeg ureda za osiguranje
radnika 1922-1937 (15 Jahre Zentrales Arbeiterversicherungsbureau 1922-37), Zagreb 1938.
Mitarbeiter der staatlichen „Arbeitsinspektionen“ gaben, neben den Veröffentlichungen der
Behörde, auch Kompendien heraus wie z.B. Curie, Bogoljub, Privreda i radnici u Dalmaciji
(Die Wirtschaft und die Arbeiter in Dalmatien), Split 1929.
66 Besonders Kopien folgender Bestände: Gruppe III/Sindikati 1919-1941 (Gewerkschaften),
Gruppe II/Radnicke partije 1920-1941 (Arbeiterparteien), Gruppe V/Pobune, strajkovi i po-
kreti (Aufstände, Streiks, Bewegungen), Gruppe XVI/Mjere vlade i teror vladajuceg rezima
1919-1941 (Maßnahmen der Regierung und Sytemterror), Gruppe VI/Gradanske stranke
1918—1941 (Bürgerliche Parteien) u. Gruppe XVIII/Leci 1896-1941 (Flugblätter).
67 Beispielsweise aus den Fonds des CK KPJ 1919-1945, des CK SKOJ 1919-1945, des
„Drzavni sud za zastitu drzave, Hrvatska 1919-1945“ etc.
36
II. Nationale Identifikationskonzepte
und Politik in Dalmatien am Ende des
Weltkrieges
Die kaum zu überschätzende Wichtigkeit der Rezeption von „Nation und National
staat“ für die moderne Geschichte Südosteuropas ist offensichtlich. Wie auch dem
Urteil Holm Sundhaussens, daß die verhängnisvolle Kombination von „deutschem
Nations-“ mit „französischem Staatsverständnis“ bei tatsächlicher Nicht-Ubertrag-
barkeit der entsprechenden idealtypischen Modelle „state into nation“ bzw. „nation
into state“ bei der anvisierten Nationalstaatsbildung notwendigerweise in die Kata
strophe führen mußte, schwerlich Plausibilität abzusprechen ist.1 Wie gebrochen die
Nationsbildungsprozesse in Dalmatien um die Mitte des 19. Jahrhundert verlaufen
sind, hat zuletzt Konrad Clewing in seiner Arbeit Staatlichkeit und nationale Identi
tätsbildung. Dalmatien in Vormärz und Revolution' aufgezeigt. Er arbeitete „fünf na
tionalen Identitäten“ heraus, die in der Revolution von 1848/49 in Dalmatien mitein
ander konkurrierten: Illyristen, dalmatinische Kroaten, Serben, Slawodalmatiner und
Italodalmatiner.2 Knapp 70 Jahre später rangen in Dalmatien immer noch kroatische,
serbische und jugoslawische Identifikationskonzepte miteinander.
In diesem Kapitel soll es um die Einführung des in dieser Arbeit verwendeten Na
tions- und Nationalismusbegriffes gehen, wie auch knapp einige wichtige Merkmale
1 Vgl. Sundhaussen, Holm, Nation und Nationalstaat auf dem Balkan. Konzepte und Konse
quenzen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Elvert, Jürgen (Hg.), Der Balkan. Eine europäische
Krisenregion in Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 1997, S. 77-90.
2 Vgl. Clewing, Konrad, Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung. Dalmatien in Vormärz
und Revolution (= Diss.), München 1997, S. 294, bei dem ich mich herzlich für die Überlas
sung des noch unveröffentlichten Manuskripts bedanke. Sehr berechtigt scheint seine Beto
nung des Befundes, daß Identifikationen zu verschiedenen Epochen und bei verschiedenen
Trägern „mal nationalen, mal regionalen Charakter haben können“. Auch die von ihm be
klagte „geringe Refexion über das Verhältnis vollendeter Nationsbildungsprozessen zu un
vollendeten“, wie sein Nachweis des in der Literatur „chronisch ungenauen Wortgebrauchs“
von ,regional' und ,national' im südslawischen Zusammenhang, zeigen Desiderata der For
schung auf.
37
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
des Nationsbildungsprozesses bei Serben und Kroaten in Dalmatien bis 1918 vorge
stellt werden sollen, die für ein tieferes Verständnis der Zwischenkriegszeit unerläßlich
erscheinen. Warum sich das „jugoslavenstvo“ - wobei das Schillernde und Uneindeu
tige dieses „Jugoslawismus“ noch ausführlich zur Sprache kommen wird - in Dalma
tien am Ende des Weltkrieges geradezu als Oppositionsstrategie anbot, und welche
Rolle dabei der außenpolitische Druck durch Italien spielte, soll anhand der Untersu
chung der zeitgenössischen Berichterstattung deutlich werden.
Doch wie wird nationale Identifikation überhaupt faßbar? Weithin unstrittig, zumin
dest in der ,westlichen“ wissenschaftlichen Diskussion, scheint heute der Konstruk
tionscharakter moderner Nationen. Die historische Bedingtheit von Nation und Na
tionalgefühl wird mittlerweile als „geschichts- und sozialwissenschaftliche Selbstver
ständlichkeit“ (Konrad Clewing) bezeichnet und solche Erklärungsansätze gelten als
„mainstream der Forschung“ (Stefan Troebst).
Ganz anders war freilich das Selbstverständnis der politisch Handelnden in Dalmatien
zu Anfang des Jahrhunderts, auf das zunächst ein kurzer Blick gewerfen werden soll,
bevor der Versuch unternommen wird - als Grundlage für die Untersuchung der
dalmatinischen Gesellschaft der Zwischenkriegszeit - einige nationalismustheoreti
sche Ansätze vorzustellen und auf ihre Anwendbarkeit für unsere Fragestellung zu
überprüfen. Den ,Vorkämpfern der nationalen Bewegungen“, wie Miroslav Hroch die
Patrioten genannt hat, die auch in Dalmatien im 19. Jahrhundert darangingen, eine
„Wiedergeburt“ der eigenen Nation ins Werk zu setzen, die als überzeitlich empfun
den wurde, erschienen beispielsweise Vorstellungen des dalmatinischen Priester Petar
Bakula, die jener 1869 äußerte, geradezu blasphemisch. Hatte dieser doch behauptet,
daß es für einen Menschen ratsam sei, bisweilen die Nationalität zu ändern, so wie
kluge Menschen ja auch ihre abgetragene Kleidung gegen neue vertauschten.3 Doch
den Siegeszug, den die Idee der Nation antrat, konnten in Dalmatien weder Petar
Bakula noch der Gastwirt Umberto Berotti stoppen. Besagter Umberto Berotti war
ein renommierter Hotel- und Kaffeehausbesitzer in Split vor dem Ersten Weltkrieg
und hatte die Vorstellung, daß Nationalität eine Erfindung sei, derer er nicht bedürfe,
noch ins 20. Jahrhundert mitgenommen.4 Doch er stand auf verlorenem Posten. In
Folge des russisch-japanischen Krieges, der im Laufe des Jahres 1904 immer mehr
auch die Gemüter der politisch-national aktiven Bewohner Dalmatiens erhitzte, verlor
er seine Kundschaft und sah sich gezwungen, sich ,national entscheiden“ zu müssen,
ohne bis zum Schluß ganz zu verstehen, was es mit der „nationalen Frage“ auf sich
3 Bakula, Petar, Politika za svakoga covika, Split 1869, S. 405. Auch bei Ekmecic, Milorad,
Kirche und Nation bei den Kroaten, in: Bremer, Thomas (Hg.), Religion und Nation im Krieg
auf dem Balkan. Beiträge des Treffens deutscher, kroatischer und serbischer Wissenschaftler
vom 05.-09. April 1995 in Freising, Bonn 1996, S. 33-77, hier S. 41f. u. bei Clewing, S. 292.
4 Bogdan Radica hat ihn in einer Erzählung im Band: Salona i Split. Episode iz proslosti (Salona
u. Split. Episoden aus der Vergangenheit), Split 1985 verewigt. Vgl. auch Radica, Bogdan,
Novi Split 1918-30 (Das neue Split 1918-30), Split 1931; „sjor“ ist die in Split gebräuchliche
Anrede für „Herr“, nach italienisch „signore“.
38
Nation und Nationalismus
hat. „Sjor Umberto“ konnte mit der Entwicklung nicht Schritt halten und wußte erst
nicht recht, wie ihm geschah. Trafen sich in seinem in Split bekannten Kaffehaus
nämlich, bis zum Ausbruch der nationalen Leidenschaften, Kroaten, Italiener und
Deutsche bunt gemischt, so begann sich dies, als sich die nationalen Parteien gefestigt
hatten, zu ändern. Gleich zu Beginn des Krieges im Fernen Osten, als „slawische
Solidarität“ die Parole der Stunde der gerade während ihrer Semesterferien in Split
weilenden Studenten war, fing jemand an, „Plakate und Reklamen in italienisch und
deutsch abzureißen“, wie tadelnd das offizielle Verlautbarungsorgan der Landesregie
rung in einem Kommentar bemerkte. Die Revanche, das Zerstören der Anschläge, die
auf kroatisch gehalten waren, ließ nicht lange auf sich warten. Viele, die Stammgäste
bei „sjor Umberto“ gewesen waren, verließen nun, ohne große Erklärungen, sein Kaf
fehaus. Die Italiener in Split gingen jetzt vorwiegend ins „Lose“ oder ins „Nani“, die
Kroaten in die „Zora“ (Morgendämmerung) oder das „Mulcic“ (Kleine Mole), und
im „Picoli-Trocoli“ am Herrenplatz (Gospodski trg) war ganz klar deutsch die Um
gangssprache unter den dort verkehrenden kaiserlich und königlichen Beamten, denen
das Schicksal, ihrer Meinung nach, nicht gerade den attraktivsten Dienstort der Mon
archie zugedacht hatte. Im Zwanzigsten Jahrhundert florierten in Dalmatien nur Ra
tionale“ Kaffeehäuser. Den größten Bildungs- und Aufklärungseifer in slawisch-natio
naler Hinsicht entwickelte der von allen bald „rodoljub Jankov“ (Patriot Jankov) ge
nannte Wirt in seinem am Spliter Marktplatz unter der Turmuhr gelegenen Kaffeehaus.
Er hatte, wie sich später die Zeitgenossen erinnerten, gleich 15 kroatische Zeitungen
abonniert, die bei ihm zur Lektüre auslagen. Waren auch die meisten in ihren politi
schen Standpunkten keineswegs radikal, so klang doch in den Kommentaren mehr
heitlich der Wunsch nach Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien durch, und manche
Stimme plädierte gar für die südslawische Einheit schlechthin. Die ganze Auswahl
an kroatischsprachiger Publizistik, die in seinem Cafe zu finden war, die Blätter der
kroatischen Parteien und Kulturvereine machte aus den Lesern im Spliter Kaffehaus
des Patrioten Jankov Teilnehmer einer nun eigenen Kommunikationsgemeinschaft.
Auch wenn größtenteils in den in Split (und lange Zeit auch bei Jankov) zu habenden
übrigen Zeitungen, jenseits des Politikteils, nicht viel anderes stand, so machte eben
auch da, wo sich die Themen und Ansichten glichen, die Sprache den großen Unter
schied.5
Was hatte der Wirt Umberto falsch gemacht? Seine Strategie, niemandem politisch
nahezutreten, und zu allen seinen Gästen, in allen ihm zu Gebote stehenden Sprachen,
gleich zuvorkommend zu sein, war offensichtlich gescheitert. Auch, daß er bei allen
politischen Umzügen oder Manifestationen grundsätzlich aus den Fenstern seiner
Wohnung und seines Hotels, anstelle von Fahnen, verschiedene Teppiche hängte, hatte
nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Nur an Namens- und Geburtstagen des alten
5 Vertrieben wurden in Dalmatien noch „II cittadino“, „II matino“, „Dalmata“, „Adria“, „L’il-
lustrazione italiana“, die „Neue Freie Presse“, „Politik“, „Bosnische Post“, „Neue Illustrierte
Zeitung“, die „Fliegenden Blättern“ u. das „Agramer Tagblatt“.
39
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Kaisers in Wien hing am Eingang zu seinem Hotel in Split die schwarz-gelbe Fahne
der Monarchie, was er, seiner Schanklizenz zuliebe, auch bis 1918 niemals vergaß.
Das komplizierte Rätsel, wieso man plötzlich nicht mehr politisch indifferent sein
konnte, blieb für ihn unlösbar.6 Seine Unempfänglichkeit für nationale Parolen er
schien den aufgeklärten Zeitgenossen in Split skurril.
Die Lektüre der zeitgenössischen dalmatinischen Presse macht deutlich, welchen Stel
lenwert Nation und „nationale Frage“ auch in Dalmatien errungen hatten. Für „natio
nale Unentschiedenheit“ war, nach Meinung der allermeisten die sich öffentlich äußer
ten, in Split schon vor dem Weltkrieg kein Platz mehr. Nach 1918 wurde die Frage
der nationalen Zugehörigkeit in Dalmatien nur scheinbar einfacher: Erst einmal schlug
in der Tat - von wenigen Stadtbewohnern in Sibenik und Split, die für Italien optier
ten und von dem Italien zugeschlagenen Zara/Zadar, sowie den Inseln Lagosta/La-
stovo und Pelagosa/Palagruza abgesehen - für die allermeisten Bewohner Dalmatiens
die Stunde der „jugoslawischen Einheit“. Nationales Denken äußerte sich nun bei
spielsweise so, daß der Staatsanwalt und langjährige Verwaltungschef (Banus) der
„Küstenbanschaft“ genannten administrativen Einheit, die auch Dalmatien umfaßte,
seinen Familiennamen änderte. Sein ursrünglicher Nachname war „Cortellazzo“, nach
1918 nahm er den Mädchennamen seiner Mutter - Jablanovic - an. Offensichtlich
wurde nach dem Ersten Weltkrieg in Dalmatien die italienische Abstammung karriere
hemmend, die zuvor in den meisten Fällen sicheres Zeichen der Zugehörigkeit zu
„besseren Kreisen“ gewesen war.7
Eine andere Konsequenz nationalen Denkens wird beispielsweise bei dem slawoni-
schen Bauern Ignac Terihaj deutlich. Als dieser anläßlich einer von der Kroatischen
Bauernpartei organisierten Kinderlandverschickung Ende der 30er Jahre zu seinen
sieben eigenen noch ein Kind aus Dalmatien bei sich aufnahm, teilte er den Publika
tionsorganen der Bauernpartei mit, daß er dadurch das Zusammengehörigkeitsgefühl
kroatischer Patrioten aus dem fruchtbaren Slawonien, wie er einer war, mit denen
armer, „passiver“ kroatischer Regionen wie Dalmatien demonstrieren wolle. Gleich-
6 Für seine Nachkommen löste sich die „nationale Frage“ nach dem Ersten Weltkrieg folgen
dermaßen: Seine Tochter Ida heiratete einen kroatischen Patrioten, sie blieb in Split, ihren
Kindern brachte sie kein italienisch mehr bei. Sein Sohn Marko, der in Wien Medizin studiert
hatte, wurde als Absolvent eingezogen und desertierte als österreichischer Soldat an der
Isonzo-Front nach Italien, heiratete dort eine Italienerin, eröffnete eine Praxis und blieb bis
zu seinem Tod in Italien. Seine Nachkommen sprachen kein kroatisch mehr.
7 Josip Jablanovic/Cortellazzo war zwischen Juli 1932 und September 1938 Verwaltungschef
(Banus) der „Küstenbanschft“ (Primorska banovina); vgl. die biographischen Verzeichnisse
von Personen, Institutionen und Vereinigungen in Dalmatien: Jurisic, Simun, Dalmatinsko
iverje 1882-1941. Iz povijesti Dalmacije (Dalmatinische Splitter 1882-1941. Aus der Ge
schichte Dalmatiens), Split 1984; ders., Iz povijesti Jadrana. Jadransko iverje 1882-1941. (Aus
der Geschichte der Adria. Adriatische Splitter 1882-1941), Split 1985; Baric, Ivan/Jurisic,
Sime, Iz povijesti Splita (Aus der Geschichte Splits), Split 1983 u. Bernath, Mathias/Nehring,
Karl (Hgg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. 4 Bde., München 1974-
1981.
40
Nation und Nationalismus
zeitig fügte er hinzu, daß es „hier bei uns viele Fremde gibt: Tschechen, Ungarn und
Deutsche (,..).“8 Dabei sprach er von Nachbarn, deren Vorfahren vor Jahrhunderten
zugezogen waren; offenbar war das nationale Bewußtsein schon so weit fortgeschrit
ten, daß es ihm selbstverständlich vorkam, Nachbarn seit vielen Generationen als
„Fremde“ oder „Ausländer“ zu bezeichnen.
Die beiden letzten Beispiele stehen für die Wirkungsmächtigkeit des Nationalen nach
1918 in einem Staat, der ein Nationalstaat sein wollte, was mit der Existenz vieler
Nationalitäten, wie sich zeigen sollte, unvereinbar war. Keineswegs klassische Bei
spiele für „Nationalismus“, aber, bei genauerer Betrachtung, Indizien für eine erklä
rungsbedürftige „Nationalisierung“. Die Zeit, da Multiethnizität und Multikulturalität
als „Selbstverständlichkeit“ begriffen worden waren, war seit der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts auch in Südosteuropa offensichtlich unwiderruflich zu Ende gegan
gen.9 Seit dem 19. Jahrhundert war in Europa die Nation Grundlage gesellschaftlicher
Organisation und Orientierung;10 der Nationalstaat wurde eines der mächtigsten Ord
nungsprinzipien der Moderne,11 die Nation stieg auf zur „politischen Primäridentität“
(Rudolf Vierhaus). Es scheint nicht übertrieben, den Nationalismus als „stärkste ge
sellschaftliche und politische Kraft“ des 19. Jahrhunderts zu bezeichnen. In sozialan
thropologischer Sicht ist Nationalismus, neben Religion und Klassenideologie, von
Georg Eiwert als bestimmender Bezugsrahmen für Wir-Gruppenbildungen in der Mo
derne definiert worden.12
Nationalismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen ist heute sicher eines der
meisterforschten Phänomene der jüngeren und jüngsten Geschichte.13 Wobei, wie An-
8 Vgl. „Na Bozic nisu imali kruha“ (Selbst an Weihnachten hatten sie kein Brot), in: Glojnaric,
Mirko, Borba Hrvata. Kronika dvaju desetljeca politicke povijesti (1919-1939) (Der Kampf
der Kroaten. Chronik zweier Jahrzehnte politischer Geschichte 1919-39), Zagreb 1940,
S. 206ff.
9 Sundhaussen, Holm, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien und Jugoslawien, in: Deutsche
Geschichte im Osten Europas. Land an der Donau hrsg. von Günter Schödl, Berlin 1995,
S. 291-348.
10 Giesen, Bernhard, Die Intellektuellen und die Nation. Eine deutsche Achsenzeit, Frankfurt/
M. 1993, S. 10; vgl. die Einl. „Die Nation als Thema von Sozialwissenschaft und Geschichte“,
S. 10-26. Zum Zusammenhang zw. Nationswerdung u. Modernisierung: Eisenstadt, S. N./
Rokkan, S. (Hg.), Building States and Nations, 2 Bde., Beverly Hills 1973; Deutsch, K. W.,
Nationalism and Social Communication, Cambridge/Mass. 1953; ders., Nationalism and its
Alterternatives, New York 1969; Rokkan, S. et ab, Nationbuilding - A Review of Recent
Comparative Research and a Selected Bibliography of Analytical Studies, in: Current Socio-
logy, 19/1971, S. 1-86; Tiryakian, E. A., Nationalism, Modernity, and Sociology, in: Sociolo-
gia Internationalis 1/1988, S. 1-17.
11 Vgl. Schieder, Theodor, Nationalismus und Nationalstaat. Studien zum nationalen Problem
im modernen Europa. Hrsg. v. Otto Dann und Hans-Ulrich Wehler, Göttingen 1991.
12 Vgl. Eiwert, Georg, Nationalismus und Ethnizität. Über die Bildung von Wir-Gruppen, in:
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 41/1989, S. 440-464.
13 Vgl. Milinkovic, Bosiljka: Bibliografija radova o nacionalnom pitanju i medunacionalnim od-
41
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
dreas Moritsch bemerkt hat, gerade den Historikern „nicht von ungefähr“ der Zugang
zur Problematik des Nationalismus erschwert ist, „waren es doch gerade sie, die we
sentlich zur Konstituierung nationaler Kollektivität beigetragen haben“.14
Als „gemeinschaftsstiftende Merkmale“ von Nationalismus sind „z.B. das Bewußtsein
eines Anders- oder Besondersseins vor allem aufgrund ethnischer, sprachlicher oder
konfessioneller Homogenität, die Betonung der Gemeinsamkeit von soziokulturellen
Einstellungen“ erkannt worden.15 Da Identitäten aber immer auch durch die Bezie
hung auf andere menschliche Einheiten mitkonstruiert werden, enthält das ,Wir‘ im
mer schon mitgedacht das ,Sie‘, das ,Eigene' wird in Folge notwendigerweise vom
,Fremden“ abgegrenzt.16
Läßt sich Nationalismus in seinen verschiedenen Ausprägungen auf einen gemeinsa
men Nenner bringen? Eugen Lemberg prägte den Begriff von Nationalismus als „Sy
stem von Vorstellungen, Wertungen und Normen“, einem „Welt- und Gesellschafts
bild“, welches einer sozialen „Großgruppe ihre Zusammengehörigkeit bewußt macht
und dieser Zusammengehörigkeit einen besonderen Wert zuschreibt, mit anderen
Worten: diese Großgruppe integriert und gegen ihre Umwelt abgrenzt.“ Doch alle
„Kristallisationskerne für das Zusammengehörigkeitsgefühl“ (Alter), die Lemberg mit
„Gleichheit der Sprache, der Abstammung, des Charakters, der Kultur oder der Un
terstellung unter eine gemeinsame Staatsgewalt“ benennt,17 sind offensichtlich ex-post
Konstruktionen, auch wenn sich nationale Bewegungen wie Nationalstaaten darauf
beriefen, sie seien aus solchen Gemeinsamkeiten entstanden. Weder kommen Natio
nalstaaten als „logische Resultate“ organisch entfalteter Nationalbewegungen zu
stande, noch sind „nationale Bewegungen“ die notwendige Folge tatsächlich vorhan
dener Gemeinsamkeiten von Gruppen.18
nosima (Bibliographie der Arbeiten zur nationalen Frage und zu den zwischen-nationalen
Beziehungen), Zagreb 1992.
14 Moritsch, Andreas, Einleitung und Problemstellung, in: ders. (Hg.), Vom Ethnos zur Natio
nalität. Der nationale Differenzierungsprozeß am Beispiel ausgewählter Orte in Kärnten und
im Burgenland, Wien München 1991, S. 9-43.
15 Alter, Peter, Einleitung, in: Alter, Peter (Hg.), Nationalismus. Dokumente zur Geschichte
und Gegenwart eines Phänomens, München Zürich 1994, S. 15-36, hier S. 19; vgl. auch die
Definition der Begriffe Volk, Nation, Nationalismus, Masse, in: Geschichtliche Grundbe
griffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. v. Otto Brun
ner, Werner Conze u. Reinhart Koselleck, Bd. 7, Stuttgart 1992, S. 141-431.
16 Scheffler, Thomas, Ethnoradikalismus: Zum Verhältnis von Ethnopolitik und Gewalt, in: See
wann, Gerhard (Hg.), Minderheiten als Konfliktpotential in Ostmittel- und Südosteuropa,
München 1995, S. 9-47, hier S. 41f.
17 Vgl. Lemberg, Eugen, Nationalismus, Bd. 2, Reinbeck b. Hamburg 1964, hier zit. nach Alter,
Peter, Nationalismus, Dokumente, S. 60ff.
18 Was nun aber besonders die jüngere Geschichte Südosteuropas und ihre Erforschung anbe
langt, so läßt sich leider eine stärkere Berücksichtigung der Ergebnisse der komperativen
Nationalismusforschung momentan in den verschiedenen Historiographien südosteuropäi
scher Länder nicht feststellen. Zu Ende unseres Jahrhunderts ist auch und gerade im südslawi-
42
Nation und Nationalismus
Die neuere vergleichende Nationsforschung hält die Nation für eine „zwar geschichts
mächtige, aber keineswegs unausweichliche Form der kollektiven Identität, die nicht
naturgegeben ist, sondern als Ergebnis unterschiedlicher geschichtlicher Bedingungen
und unter unterschiedlichen kulturellen Bezügen sozial konstruiert wird“. Der „empi
rische Blick“ auf die Vielfalt der Nationen geht einher mit der Annahme, daß „diese
Vielfalt nicht Substrat, sondern Resultat von politischem Prozeß und kulturellem Wan
del ist (Hervorh. im Original).“19 Eine wesentliche Strömung der gegenwärtigen natio
nalismustheoretischen Diskussion versteht, nach Benedict Anderson, Nation als kon
struierte und imaginierte Identität. Grundlegend für den „modernen“ Nationalismus,
der sich „gegenüber anderen Formen ethnischen Gemeinschaftsgefühls“ abgrenzt,20
ist dabei das „auf vielfältige Weise durch Trägergruppen konstruierte Bewußtsein, eine
Nation sein zu wollen und der sich auf dieses Plebiszit gründende Anspruch auf
politische Selbstbestimmung“.21
Doch es soll nicht der Eindruck erweckt werden, als gebe es eine weithin geteilte
Auffassung davon, was die Nation als historisches Phänomen ausmacht. Verschiedene
Modellvorstellungen für die Entstehung moderner Nationen wurden angeboten. Nach
wie vor sind ,Nation' und der gesamte Gegenstandsbereich des ,Nationalen' umstrit
ten, und man ist weit entfernt von einer allgemein akzeptierten Definition.22
sehen Raum die Frage nach Entstehung und Verfestigung nationaler Identität und Loyalität
aktuell wie in den zwanziger Jahren.
19 Vgl. Giesen, Bernhard, Nationale und kulturelle Identität, S. 1 lf. u. Hobsbawm, Eric J., Na
tionen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, Dt. Übersetzung Frankfurt/M.
1991.
20 Höpken, Wolfgang, Konfession, territoriale Identität und nationales Bewußtsein: Die Mus
lime in Bosnien zwischen Österreich-Ungarischer Herrschaft und Zweitem Weltkrieg, in:
Schmidt-Hartmann, Eva (Hg.), Formen des nationalen Bewußtseins im Lichte zeitgenössi
scher Nationalismustheorien, S. 233-253, hier S. 237.
21 Alter, Nationalismus, S. 23; vgl. auch Reiterer, Albert F., Die politische Konstitution von
Ethnizität, in: Seewann, Gerhard (Hg.), Minderheitenfragen in Südosteuropa, München 1992,
S. 37-53, hier S. 37, der M. R. Lepsius zitiert (Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen
1990, S. 256-269), welcher zur Entstehung von Nationen, ganz im Sinne der Auffassungen,
die in vorliegender Arbeit vertreten werden, feststellt: „Die Überführung von ethnischen Völ
kern zu politischen Nationen ist kein natürlicher Prozeß, sie ist das Ergebnis von sozialen
Prozessen der Unterdrückung, der Integration, der kulturellen Homogenisierung und der
institutionellen Prägung. Die Bestimmung der jeweiligen nationalen Eigenschaften und die
Durchsetzung dieser Kriterien sind Herrschaftsakte, die immer andere Ethnien ausgrenzen,
Minderheiten schaffen und diese ethnisch, sprachlich oder religiös diskriminieren.“
22 Vgl. z.B. Dann, Otto, Nation und Nationalismus in Deutschland 1770-1990, München 1993,
S. 12, wo Nation definiert wird als „eine Gesellschaft, die aufgrund gemeinsamer geschichtli
cher Herkunft eine politische Willensgemeinschaft bildet“. Eine Nation verstehe sich als Soli-
dargemeinschaft, und gehe von der Rechtsgleichheit ihrer Mitglieder aus. Sie sei angewiesen
auf einen Grundkonsens in ihrer politischen Kultur. Nationen seien daher stets auf ein be
stimmtes Territorium orientiert, auf ihr Vaterland. Ihr wichtigstes Ziel sei die eigenverant
wortliche Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse, politische Selbstverantwortung (Souveränität)
43
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Gegen die Auffassung, daß man erst seit der Französischen Revolution von „Nation“
im modernen Sinne sprechen könne, wurde argumentiert, daß es in Europa seit jeher
Nationen gebe und die Entwicklung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nur eine
rapide Ausdehnung des Nationalbewußtseins auf die breite Masse gewesen sei.23 Und
noch mehr unterscheiden sich die Bestimmungen der Funktion von Nation in der
Gesellschaft. Manche Autoren schreiben der Nation gar ontologische Dimensionen
zu oder behaupten, die Nation kompensiere die „Vergänglichkeit der menschlichen
Dinge“ und sei „ein Refugium in einer Welt von Veränderlichkeit und Fluß“.24 Am
plausibelsten scheint noch die Vorstellung einer gemeinsamen, ererbten Kultur. Um im
südslawischen Bereich zu bleiben: Thesen, daß die „nationale Identität der Bulgaren,
Kroaten und Serben weit vor der Entwicklung des modernen Nationalismus geschaf
fen, wenn auch nicht fest bestimmt wurde“ (Ivo Banac) gehen auf Vorstellungen ge
meinsamer „kultureller Tradition“ zurück. Doch damit bleibt der qualitative Unter
schied zwischen dem Auftauchen von Völkernamen in byzantinischen Urkunden,
mittelalterlichem natio-Verständnis und dem Aufkommen modernen Nationsver
ständnisses unberücksichtigt. Eine tatsächliche gemeinsame „kulturelle Tradition“
spielte beim Prozeß der Herausbildung eines modernen Nationsverständnisses kaum
eine Rolle. Im Sinne Renans hat auch Hugh Seton-Watson betont, daß Menschen, die
sich als Angehörige einer Nation fühlen, einer gemeinsamen Kultur, einem gemeinsa
men nationalen Bewußtsein etc. verbunden glauben, eine Nation bilden. Eine Nation
existiert demnach, wenn sich eine bedeutende Zahl von Menschen in einem Gemein
wesen als Nation betrachtet und sich so verhält, als bilde sie eine Nation.25
Auch unter den südslawischen Intellektuellen, die die europäischen Nationalbewegun
gen und Nationalstaatsgründungen aufmerksam verfolgten, intensivierte sich der ge-
innerhalb ihres Territoriums, ein eigener Nationalstaat“; dagegen sei „Nationalismus“ ein
„politisches Verhalten, das nicht von der Überzeugung einer Gleichwertigkeit aller Menschen
und Nationen getragen ist, das fremde Völker und Nationen als minderwertig einschätzt und
behandelt. Nationalismus tritt auf als Ideologie, als soziale Verhaltensweise und seit den
1880er Jahren auch als eine organisierte Bewegung.“ Ebenda, S. 17.
23 Vgl. Zernack, Klaus, Zum Problem der nationalen Identität in Ostmitteleuropa, in: Berding,
Nationales Bewußtsein und kollektive Identität, S. 176-188.
24 So z. B. James, Harold, Die Nemesis der Einfallslosigkeit — Die Nation galt als erfunden, nur
die Gesellschaft als real: Warum die Revolution die deutschen Historiker unvorbereitet traf,
in: F. A. Z. v. 17.09.1990, S. 36.
25 Alter, Nationalismus, S. 25; Vgl. auch Seton-Watson, Hugh, Nations and States. An Enquiry
into the Origins of Nations and the Politics of Nationalism, London 1977. Banac dagegen
geht in seiner Darstellung zurück bis zu Konstantin Porfirogenet (905-959), den byzantini
schen Kaiser-Historiker (als denjenigen, der uns mit seinem Werk „De administrando imperii“
die wichtigste Quelle über die „Anfänge südslawischer Staatsbildung hinterlassen“ habe), zur
byzantinischen Kirchenprovinz Dalmatien, zu den Slawenaposteln Kyrill und Method und
dem in Dalmatien geborenen und später von der katholischen Kirche heiliggesprochenen
Hyronimus; vgl. Banac, Nacionalno pitanje, Kap. „Schicksale, Mentalitäten, unsichtbare
Grenzen“, S. 13-112, hier S. 13ff.
44
Nation und Nationalismus
sellschaftliche Kommunikationsprozeß und die Diskussion der Themen Staat und Na
tion im 19. Jahrhundert ungemein. Generalisierend läßt sich durchaus für den gesam
ten südosteuropäischen Raum sagen, daß es durchgängig die Gebildeten waren, die
die Idee der Nation in die Bevölkerung transportierten. Nach und nach entstand ein
Geflecht von Literatur und Zeitungen, Parteien und Assoziationen, Kaffeehauszirkeln,
Vereinen und Verbindungen, in denen sich die gesellschaftliche Kommunikation ver
dichtete, wo die Schlagworte und Programme der Nationalidee die Köpfe der Mitglie
der und Anhänger besetzten, durch die die Gesellschaft nationalisiert wurde. Dabei
ist es das Bewußtsein zusammenzugehören, aus einer gemeinsamen Vergangenheit zu
kommen, gemeinsame Gegner zu haben und gemeinsame Ziele für die Zukunft zu
besitzen, was Nationen zusammenhält. Belege der vermeintlich gemeinsamen Vergan
genheit sind die gemeinsamen „kulturellen Komponenten“. V.a. die Wichtigkeit der
gemeinsamen Sprache, als wichtigstes Kommunikationsmittel, ist dabei immer wieder
betont worden.
Dieser Prozeß vollzog sich vor dem Hintergrund tiefgreifender gesellschaftlicher Um
wälzungen in Europa. Als gesellschaftliches Phänomen lieferte der Nationalismus je
denfalls „den Konsens, den die Gesellschaft (...) benötigte, um die Auflösung der
alten, agrarisch-ständisch geprägten Lebenswelten und die Verwirrungen und Häß
lichkeiten des heranbrechenden industriellen Zeitalters zu verkraften.“26 Wenn auch
in den südslawisch besiedelten Gebieten der Vormarsch einer marktvermittelten und
industriell geprägten Wirtschaftsweise (im Vergleich zu West- und Mitteleuropa) zeit
verzögert und regional in höchst unterschiedlicher Intensität das Alltagsleben erfaßte:
ein auf Subsistenzproduktion basierendes und sich ausschließlich im engen dörflichen
Rahmen abspielendes Dasein der bäuerlichen Mehrheit geriet unter Wandlungsdruck
und gleichzeitig begannen seit dem Vormärz unter den Südslawen in nationalen Kate
gorien denkende politische Bewegungen Anhänger um sich zu scharen. Im selben
Maße, wie der Staat eine zunehmende Rolle im gesellschaftlichen Reproduktionspro
zeß übernahm, und beispielsweise ein Schulwesen schuf, verstärkten sich auf der einen
Seite Homogenisierungsprozesse und gleichzeitig vergrößerte sich die Schicht national
ansprechbarer Bürger. War es in vormodernen Gesellschaften gleichgültig, ob Herr
schende und Beherrschte sich im gleichen kulturellen Horizont bewegten, so ging
moderne Staatlichkeit mit der Tendenz zu verbindlicher Normierung einher. Der Ein
druck des französischen Vorbilds, wo sich ein mächtiger Staat auf die Nation und
seine revolutionäre Legitimität berief, wirkte überall in Europa.
Gab es beispielsweise unter vormodernen Bedingungen keine für alle Untertanen ver
bindliche Landessprache, und war das soziale Funktionieren durch die Tatsache, daß
die Bauern verschiedenste Dialekte sprachen und die Gebildeten sich im Verkehr un
tereinander vorzugsweise einer dem gemeinen Volk unverständlichen, sakral besetzten
transnationalen Sprache bedienten, nicht gefährdet, so schrieb der moderne Staat die
26 Schulze, Hagen, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, München 1994, S. 203 u.
277.
45
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
46
Nation und, Nationalismus
47
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
48
Nation und Nationalismus
einer Großgruppe aufgefaßt werden.“32 Angestoßen und geformt wird er dabei von
den Intellektuellen, deren „besondere Bedeutung“ erkannt worden ist. Fragen nach
Herkunft und Zusammensetzung der „Intelligenz“, nach Anliegen und Eigeninteres
sen, nach der gesellschaftlichen Stellung wurden aufgeworfen, ihre Rolle als Träger
und Vermittler von Wertideen im Modernisierungsprozeß beleuchtet und ihr Verhält
nis zur jeweiligen Herrschaftsordnung und politischen Machtelite analysiert.33
Beim Versuch, die Durchsetzung bzw. das Scheitern von Identitätsentwürfen im Dal
matien der Zwischenkriegszeit aufzuzeigen, werden die von dem Ethnologen und So
ziologen Georg Eiwert vorgeschlagenen Definitionen von Ethnie, Nationalismus und
Nation zugrundegelegt,34 die auch von der neueren Forschung aufgegriffen wurden.35
Ethnien werden demnach bestimmt als „familienübergreifende und familienerfassende
Gruppen, die sich selbst eine (u.U. auch exklusive) kollektive Identität zusprechen.
Dabei sind die Zuschreibungskriterien, die die Außengrenze setzen, wandelbar.“
Nationalismen können beschrieben werden als „soziale Bewegungen mit kommunika
tiven und ideologischen Bezügen oder auch mit ökonomisch relevanten Gemeinsam
keiten, welche sich auf die Herstellung, Festigung oder Verteidigung einer eigenen
Nation nach gemeinsamer Definition beziehen“, wobei dem Kriterium der Selbstzu
schreibung entscheidende Bedeutung zukommt.36 Mit Stefan Troebst soll darüberhin-
aus Nationalismus gleichzeitig als politisches Programm einer sozialen Bewegung ver
standen werden, welche „eine imaginierte Trias von „Volk“, „Land“ und „Geschichte“
zur Deckung zu bringen sucht“.37
Nationen schließlich sind „lockere oder festgefügte soziale Organisation(en), welche
überzeitlichen Charakter beanspruch(en), von der Mehrheit ihrer Glieder als (imagi
nierte) Gemeinschaft behandelt (werden) und sich auf einen gemeinsamen Staatsappa
rat bezieh(en)“.38
32 Vgl. Schödl. Einführung, in: ders. (Hg.), Land an der Donau, S. 17.
33 Vgl. Seton Watson, Hugh, „Intelligentsia“ und Nationalismus in Osteuropa 1818-1918, in:
Historische Zeitschrift, Bd. 195, München 1962, S. 331-345; Sterbling, Anton, Strukturfragen
und Modernisierungsprobleme südosteuropäischer Gesellschaften, Hamburg 1993, S. 15.
34 Vgl. die Auswahlliteratur zur Nationsbildung in Südosteuropa im Anhang des paradigmati
schen Artikels von Holm Sundhaussen: Nationsbildung und Nationalismus im Donau-Bal
kan-Raum, in: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 48/1993, S. 233—258.
35 Vgl. Troebst, Stefan, Ethnien und Nationalismen in Osteuropa. Drei Vorüberlegungen zur
vergleichenden historischen Forschung, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissen
schaft, 5. Jg. 1/1994, S. 7-22, hier S. 8 (ergänzter Nachdruck aus: Südosteuropa-Mitteilungen
33/1993, S. 146-156); Steinbach, Peter, Nationalstaatsbildung und innergesellschaftliche Kon
flikte im Mittelmeerraum. Vergleichende Perspektiven, in: Lüsebrink, Hans-Jürgen (Hg.), Na
tionalismus im Mittelmeerraum. Eine Vortragsreihe im Wintersemester 1991, Passau 1994,
S. 130-164, „Zur begrifflichen Klärung“, S. 137.
36 Vgl. Eiwert, Georg, Nation/Nationalismus, in: Nohlen, D./Waldmann, P./Ziemer, K. (Hg.),
Lexikon der Politik, Bd. 4, Die östlichen und südlichen LänderMünchen 1997, S. 390-399.
37 Troebst, Nationalismus und Gewalt, S. 278 u. Eiwert, Nationalismus und Ethnizität, S. 446ff.
38 Vgl. Eiwert, Georg, Nationalismus und Ethnizität. Uber die Bildung von Wir-Gruppen, in:
49
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Eine ganze Reihe von Forschern hat sich sehr kritisch zur „Erfindung der Nation“
und zur „Karriere“ dieses „folgenreichen Konzepts“ geäußert.39
Doch wie Holm Sundhausssen festgestellt hat: „Nation und Nationalismus (...) sind
Realitäten, sehr wirksame und oft genug gefährliche Realitäten. (...) Nationen existie
ren, weil Menschen an sie glauben (bzw. man sie gelehrt hat, daran zu glauben), weil
Menschen sich mit ihnen identifizieren,“40 (Hervorh. A. J.) Dabei spielt es eben keine
Rolle, daß die Inhalte der Nationalismen, wie eine vorgestellte gemeinsame Abstam
mung, Sprache oder Geschichte „Mythen oder „junge Artefakte“ sind.
In Südosteuropa fielen Kultur und Staat nirgendwo territorial zusammen. Als Natio
nalstaaten entstanden waren, wurden sofort fremde Kulturen als Gefährdung identifi
ziert. So definierte Minderheiten wurden (und werden) unter dem Diktat des neuen
nationalistischen Imperativs „als Skandal empfunden.“41 Ihn zu beseitigen, begreife
die Nation, so zerklüftet sie politisch oder sozial im Inneren ansonsten auch sein mag,
als eine Aufgabe der kollektiven Selbsterhaltung. Folgt man Gellners sozialanthropo
logischer Nationalismustheorie, so fordert Nationalismus, schon seiner inneren Logik
gemäß, daß das Fremde entweder eingeschmolzen werden, nationalisiert oder aber
abgetrennt, ausgestoßen, vertrieben werden muß. Dieter Langewiesche hebt zu recht
hervor, daß die Nation als Partizipationsgemeinschaft ihre Identität „stets in der Ab
grenzung gegen das als fremd Empfundene erzeugt“. Damit ist auch die Situation in
Südosteuropa in unserem Jahrhundert beschrieben. Oben skizzierte nationalistische
„Logik“ führte dazu, daß Vertreter verschiedenener Nationalismen das vermeintliche
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 41 (1989), S. 440-464, hier 447, 446
u. 449. „Die Definitionen von Nationalismus, Nation, Ethnie und ähnlichen Begriffen“ stellt
Eiwert fest (S. 450), „müssen immer formal und damit unbefriedigend bleiben, weil hinter
ihnen außerordentlich unterschiedliche soziale Prozesse stehen können, wie etwa Reaktionen
auf zunehmende soziale und ökonomische Unsicherheit, Verlust individueller Identität und
Wettbewerb um neue Revenuen. Diese sozialen Prozesse verursachen allerdings keineswegs
nur Nationalismus und Ethnizität. Sie können in gleicher Weise andere, z.B. religiöse, Bestre
bungen nach imaginierten Gemeinschaften tragen (...).“
39 Vgl. den Titel der dt. Übersetzung des Buches von Benedict Anderson „Imagined Communi-
ties. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983“: Die Erfindung der
Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Frankfurt/M., New York 1988. Kritische,
m.E. nur z.T. zutreffende, Einwände bei Clewing, S. 31 lff.
40 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 235; Weiter heißt es dort: „Die Selbstzuschreibung (d.h. die
Tatsache, daß sich ein Individuum einer Wir-Gruppe zurechnet) und die Fremdzuschreibung
(d.h. die Zuschreibung oder Anerkennung dieser Mitgliedschaft durch Fremde) sowie der
Glaube - nicht das Faktum! -, daß gewisse Elemente von Gemeinschaft alle Mitglieder einer
Nation in einer sozialen Struktur verbinden, sind weitaus wichtiger als eine faktisch nachweis
bare gemeinsame Abstammung oder eine faktisch nachweisbare Gemeinschaft in der Vergan
genheit.“
41 Vgl. Langewiesche, Dieter, Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert: zwischen Partizipation
und Aggression. Vortrag vor dem Gesprächskreis Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in
Bonn am 24. Januar 1994, Bonn 1994, S. 22ff.
50
Nation und Nationalismus
51
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
persönlichen Kontakten und sozialen Netzen, umhertreiben, eine Art Krücke oder ein Orien
tierungsgeländer, um nicht in die Tiefe zu fallen (Jäggi, Christian J., Nationalismus und ethni
sche Minderheiten, Zürich 1993). Er befriedige „das Bedürfnis nach positiven Wir-Gefühlen,
nach Selbstachtung, die von der Identifikation mit einem Kollektiv getragen ist (Wilterdink,
Nico, Nationalitäten im alltäglichen Gegen- und Miteinander. Nationale Identität in einer
internationalen Organisation, in: Blomer, Kuzmics, Treibei (Hgg.), Transformationen des Wir-
Gefühls, S. 118-155, hier S. 154).
45 Elias, S. 196 u. 200 u. Langewiesche, S. 13f.
46 Langewiesche, S. 14. Benedict Anderson hebt hervor, daß die Nation als Gemeinschaft ausge
geben wird, weil sie unabhängig von real existierender Ungleichheit und Ausbeutung, als
„kameradschaftlicher“ Bund von Gleichen verstanden wird. „Und es war diese fiktive „Brü
derlichkeit“, die es in den letzten zwei Jahrhunderten ermöglichte, daß Millionen von Men
schen nicht nur für die Nation getötet haben, sondern auch bereitwillig für sie gestorben
sind“; Anderson, S. 17; vgl. auch Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 166 F 28.
47 Vgl. Brenner, Christiane, Integrations- und Desintegrationsprozesse in multinationalen Ge
sellschaften. Einige Überlegungen zu den Theorien Otto Bauers und Karl W. Deutschs, in:
Schmidt-Hartmann (Hg.), S. 113-125, hier S. 124.
48 Vgl. Hroch, Miroslav, Nationales Bewußtsein, S. 51.
52
Nation und Nationalismus
gewesen und gemeinsame Werte und Normen wurden als direkt einsichtig und ver
bindlich erlebt; und das Wir-Gruppen-Bewußtsein orientierte sich an einer überschau
baren Gemeinschaft.“49 Der Nationalismus ist demnach eine „Ersatzkonstruktion ge
sellschaftlicher Einheit“, nachdem mit der „Formierung der komplexen modernen
Gesellschaft“ nicht nur „neue Möglichkeiten im Streben nach Macht und Wohlstand,
sondern auch neue Formen der Einsamkeit“ eingekehrt sind. Die Sozialbeziehungen
gestalteten sich in zunehmenden Maße unüberschaubar und anonym, das Bewußtsein
sozialer Einheit und Gemeinschaft wurde zerstört, und der Verlust erzeugte Gefühle
der Entfremdung, der Unsicherheit und latenter Angst. Nationalismus wird so ein
neues sozialpsychologisches Bindeglied und stellt gewissermaßen die verlorenge
gangene Einheit des traditionellen Normen- und Wertesystems auf neuer, breiterer
Grundlage wieder her und trägt mit seinen simplen Erklärungsmustern zur (vermeint
lichen) Reduzierung von Umweltkomplexität bei.50
Die gegenwärtige Nationalismusforschung beschäftigt sich nicht mehr vorrangig mit
Fragen der Typologien, sondern hat, seit den Arbeiten Karl Deutschs, mehr Fragen
nach den Aspekten der Kommunikation und des Umgangs mit Konflikten, unter
schiedliche Formen sozialer Identifikation und ihre Funktionsweisen oder Regeln der
Konsensfindung in den Vordergrund gerückt.51 Die Wichtigkeit des Kommunika
tionsprozesses bei der Konstruktion kollektiver Identität wird in der sozialwissen
schaftlichen Diskussion kaum mehr bestritten.52 Soziale Identität und Orientierung
werden kommunikativ gebildet, soziale Welten konstituieren sich durch Prozesse
kommunikativer Interaktion, und eine einmal erlangte Identität wird immer wieder
kommunikativ bestätigt. Die Verbreitung „national relevanter Informationen“
(Hroch) wurde dabei erst möglich, als die soziale Kommunikation den notwendigen
Standard erreicht hatte. Dazu gehörten nicht nur das Informationssystem, sondern
v.a. die Bereitschaft und Fähigkeit der Bevölkerung, die Botschaften der nationalen
Agitation aufzunehmen. Voraussetzung war ein Mindestmaß an Schulbildung und so
zialer Mobilität, wobei die nationale Agitation erfolgreich wurde, als sie an Interessen
gegensätze anknüpfen konnte.53
Es wird deutlich werden, wie beim Diskurs der verschiedenen Schichten der dalmati
nischen Gesellschaft nicht inhaltliche Kongruenz, sondern formaler Konsens schließ-
53
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
54
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
Hier soll und kann nicht das ,lange 19. Jahrhundert“ und der keineswegs von Anfang
an zielgerichtete oder notwendige komplizierte Prozeß der südslawischen Nationsbil
dung (im Sinne oben skizzierter nationalismustheoretischer Modellvorstellungen) von
traditioneller Interethnizität zur modernen nationalen Exklusivität nachgezeichnet
werden. Für ein Verständnis des Scheiterns jugoslawischer Integration nach 1918 in
Dalmatien scheint es aber unerläßlich, die wesentlichen Grundlagen der konkurrieren
den Nationsentwürfe, wie sie sich im 19. Jahrhundert herausbildeten, dem For
schungsstand folgend zu rekapitulieren.
Auch bei Kroaten und Serben setzte im Verlauf des 19. Jahrhunderts der Nationsbil
dungsprozeß ein. Es waren die Anhänger der illyrischen Bewegung, die in den 30er
Jahren „gedanklich und politisch den .qualitativen Sprung“ von der Adelsnation zur
modernen Nation einleiteten“. Damit verband sich die Forderung nach Integration
der Kroaten mit der Idee überregional-gesamtsüdslawischer Einheit zumindest in kul
tureller Hinsicht. Die integrative Wirkung des Illyrismus war dabei vorrangig auf den
Kulturbereich, d. h. vor allem auf die intellektuellen Kreise, im Gebiet des Dreieinigen
Königreiches, also Kroatien, Slawonien und Dalmatien, beschränkt.56 Die zwei wich
tigsten unterschiedlichen Ideologien über die Zukunft ihrer Nation, die die „kroati
sche Intelligentsia“ in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts vertrat, die jugoslawistische
und die kroatische, sind dargestellt und auf den Begriff gebracht worden.57 In den
Worten von Mirjana Gross: „Yugoslavism was the integrationist ideology of the Croa-
tian nation, as well as a supranational concept: there was therefore an unstable rela-
56 Vgl. für die Südslawen innerhalb Österreich-Ungarns Kann, Robert, A., Das Nationalitäten
problem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen
vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918, 2 Bde. Graz Wien 1964 u. Mari-
nelli-König, Gertraud, Die Südslaven in den Wiener Zeitschriften und Almanachen des Vor
märz (1805-1848). Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme der Beiträge über Bosnien,
Bulgarien, Dalmatien, die Herzegowina, Istrien, Krain (Kärnten, Steiermark), Kroatien, das
Küstenland, die Militärgrenze, Montenegro, Serbien und Slawonien, Wien 1994.
57 Stand d. Forschung in der Studie von Günter Schödl, Kroatische Nationalpolitik und „jugo-
slavenstvo“, Kap. I. 3. „Jugoslovjenstvo“: die jugoslawistische Idee als kroatische Integrations
ideologie, S. 47-56; 4. „Zwischen „Jugoslawismus“ und kroatischem Nationalismus: die Ent
faltung nationaler Politik in Kroatien-Slawonien und Dalmatien, S. 57-68 u. 5. Der „Neue
Kurs“: jugoslawistische Nationalpolitik in der Habsburgermonarchie am Vorabend des Ersten
Weltkrieges, S. 68-81, bes. zum Prozeß kollektiver nationalpolitischer Willensbildung in Dal
matien S. 71 - 81. Auf Dalmatien bezogen nun auch Clewing, Staatlichkeit und nationale Iden
titätsbildung.
55
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des "Weltkrieges
tionship between the two components of this ideology.“58 Der Jugoslawismus war
Konzept politisch-gesellschaftlicher Modernisierung, kollektive Haltung und natio
nalpolitische Praxis gleichzeitig, „sowohl Antriebsquelle wie auch Ergebnis wirt
schaftlich-gesellschaftlicher Innovation. Im Kern kann er als Einheitsstreben der Süd
slawen verstanden werden - der Kroaten und Serben, nicht durchgehend auch der
Slowenen und anderer. (...) Die endgültige Formulierung war das Werk herausragen
der kroatischer Intellektueller wie Josip Strossmayer und Franjo Racki.“59 Seit den
frühen vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts kam es zu einer allmählichen Einengung
des südslawischen Einheitsgedankens, während der sechziger Jahre des 19. Jahrhun
derts dann zu seiner Kroatisierung. Als vages südslawisches Zusammengehörigkeits
bewußtseins „in die weite, offene Form des unitarischen ethnischen und kulturellen
Jugoslawismus, also des „Illyrismus“, gefaßt, konnte es faktisch nur die Funktion eines
„kulturellen Kroatismus“ ausüben. Durch seine späteren Entwicklungsbedingungen
bestimmt, wurde das „jugoslavenstvo„-Konzept der Illyrer in seiner nationalpoliti
schen Bindekraft als kulturell-gesamtsüdslawischer Erziehungs- und Einigungsge
danke erschüttert.60
Mitte des 19. Jahrhunderts war der Gedanke einer gemeinsamen Schriftsprache der
Slowenen, Kroaten und Serben, teilweise gar aller Slawen aufgekommen. Der sloweni-
58 Vgl. Gross, Mirjana, The Union of Dalmatia with Northern Croatia: A Crucial Question of
the Croatian National Integration in the Nineteenth Century, in: Teich, Mikuläs/Porter, Roy
(Hgg.), The National Question in Europe in Historical Context, Cambridge 1993, S. 270-
292, hier S. 280; dies., Zur Frage der jugoslawischen Ideologie bei den Kroaten, in: Wand-
ruszka et al. (Hgg.), Die Donaumonarchie und die südslawische Frage von 1848 bis 1918,
Wien 1978, S. 19-39; Korunic, Petar, Jugoslavizam i federalizam u hrvatskom nacionalnom
preporodu 1835-1875: studija o politickoj teoriji i ideologiji (Jugoslawismus und Föderalis
mus in der kroatischen Wiedergeburtsbewegung 1835-1875: Eine Studie über politische
Theorie und Ideologie), Zagreb 1989 u. Stancic, Niksa, Hrvatska nacionalna ideologija prepo-
rodnog pokreta u Dalmaciji: Mihovil Pavlinovic i njegov krug do 1869 (Die kroatische Natio
nalideologie der Wiedergeburtsbewegung in Dalmatien: M. P. und sein Kreis bis 1869), Zagreb
1980.
59 Schödl, Dauer des Nationalen, S. 136; vgl. Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten,
Kap. V/2,3. Zu den Modernisierungsprozessen in Kroatien-Slawonien: Gross, Mirjana, Poceci
moderne Hrvatske (Die Anfänge des modernen Kroatien), Zagreb 1985; dt. Zusammenfassung
der Autorin unter d. Titel „Die Anfänge des modernen Kroatien, Neoabsolutismus in Zivil-
Kroatien und Slawonien 1850-1860, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs, No.
40, 1987, S. 237-269; dies./Szabo, Agneza, Prema hrvatskome gradanskom drustvu. Drust-
veni razvoj u civilnoj Hrvatskoj i Slavoniji sezdesetih i sedamdesetih godina 19. stoljeca (Auf
dem Weg zur kroat. bürgerl. Gesellschaft. Die gesellsch. Entw. in Zivil-Kroatien und Slawo
nien in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jh.), Zagreb 1992.
60 Vgl. Stancic, Niksa, Nacija izmedu fetisizacije i antropoloskog shvacanja historije. Problem
oblikovanja jugoslavenskih nacija u 19. stoljecu (Die Nation zwischen Fetischisierung und
anthropologischem Begreifen der Geschichte. Das Problem der Schaffung der jugoslawischen
Nationen im 19. Jh.), in: Istoriografija, marksizam i obrazovanje. Zbornik, Beograd 1986,
S. 45-53.
56
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
sehe Panslawist Matija Majar veröffentlichte 1848 sogar eine Grammatik einer südsla
wischen Kunstsprache, die „für Slowenen und gleichzeitig Kroaten und Serben leicht
zu verstehen“ sein sollte und führte eine lebhafte Korrespondenz in diesem selbster
fundenen Idiom.61 Doch all diese Versuche blieben in den verschiedensten Varianten
romantische Träume und Utopien einer kleinen Gruppe Herder rezipierender gebilde
ter panslawistischer Schwärmer. Zu dem Zeitpunkt, da Ljudevit Gaj 1835 mit seinem
illyrischen Programm vor die Öffentlichkeit getreten war, bestand schon mehr als ein
Jahrzehnt die Matica srpska als kultureller Mittelpunkt der Serben. Serbien selbst
besaß den Status eines verfassungsmäßig gesicherten autonomen Fürstentums mit ei
ner in ihrem Erbrecht bestätigten fürstlichen Familie. Folgerichtig wurde die ableh
nende Haltung gegenüber der Illyrischen Bewegung im Letopis, der Zeitschrift der
Matica srpska, „als Ausdruck eines entsprechenden Selbstbewußtseins“ gedeutet. Aus
Angst vor einer Katholisierung der Serben „unter dem Deckmantel des Illyrismus“
schrieben viele serbische Literaten und Publizisten gegen die aus Kroatien kommen
den Vorstellungen einer südslawischen Einheit an. Die kyrillische Schrift wurde bei
spielsweise als „Ausdruck der serbischen Identität“ gesehen und heftig wurde gegen
das „Eindringen von Kroatizismen“ protestiert.62 Zu recht stellt Konstantinovic je
doch fest, daß die Einstellung in den einzelnen serbischen Gebieten differierte und
die Serben der Militärgrenze und in Dalmatien „dem Illyrismus gegenüber viel aufge
schlossener“ waren. Doch bleibt sein Gesamturteil festzuhalten, wonach letztlich der
Illyrismus „im Serbentum eine endgültige Absage“ erfuhr.
Anders sah es im kroatischen Bereich aus: Im Laufe der siebziger und achtziger Jahre
des 19. Jahrhunderts war der Jugoslawismus, als Folgeerscheinung des Illyrismus, zur
kroatischen nationalen Integrationsideologie geworden. Dieser letztlich „jugoslawi
sche Kroatismus“, der sich im Laufe der Zeit inhaltlich mehrmals wandeln sollte, blieb
„stets in die überlieferte, klassisch jugoslawistische Zielvorstellung eingebunden: sein
Anliegen war weder machtpolitisch-zentralistischer Natur wie der insofern „sekun
däre“ Jugoslawismus ,Belgrads“, noch ging es um integral jugoslawistische Identitäts
bildung, also Verschmelzung gewachsener südslawischer Individualitäten.“63
Was den politischen Charakter des jugoslawistischen Konzepts betraf, so enthielt es
so viele Unklarheiten, daß, wie Srecko Dzaja feststellte, „bis heute kein wissenschaftli
cher Konsens“ zwischen kroatischen und serbischen Historikern erreicht werden
konnte.64 Der mehrschichtige Begriff des „jugoslavenstvo“, der das Südslawentum
61 Vgl. Konstantinovic, Zoran, Matija Majar und die slawische Idee bei den Serben, in: Moritsch,
Andreas (Hg.), Die slawische Idee. Beiträge am Matija Majar-Ziljski-Symposium vom 6. bis
10. Juli 1992 in Tratten/Posice (Kärnten), Bratislava 1993, S. 80-90, hier S. 82f.
62 ebenda, S. 84f.; Schon der Kunstname „Illyrer“ stießen bei Vuk oder dem bedeutendsten
Dichter der serbischen Romantik, Branko Radicevic, auf Kritik. Nach der Gründung des
Königreichs SHS 1918 wurde der Illyrismus aber „als Vorläufer des Jugoslawentums gefeiert“
(S. 85).
63 Vgl. Behschnit, Nationalismus, S. 160, Schödl, Nationalpolitik S. 27 u. 331.
64 „Während prominente serbische Historiker in diesem Bereich, z.B. Vasilije Krestic, im kroati-
57
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
sehen Jugoslawismus einen verkappten Großkroatismus verspürten (vgl. seine Studie „Srpsko-
hrvatski odnosi i jugoslovenska ideja 1860-1873“ (Die serbisch-kroatischen Bez. u. d. jug.
Idee), Beograd 1983), wiesen kroatische Historiker, wie Petar Korunic (vgl. dessen Rezension
v. Krestics Buch in CSP 16, 1 (1984), S. 83-107 u. ders., Jugoslavenska ideologija u hrvatskoj
i slovenskoj politici. Hrvatsko-slovenski politicki odnosi 1848-1870, Zagreb 1986) eine solche
Bewertung, nach Untersuchung „auf einer breiteren Quellenbasis“ (Dzaja) zurück.
65 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 21 u. 23 m. Verw. auf Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft
in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 271ff.
66 Vgl. Behschnitt, Wolf D., Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830-1914. Analyse und
Typologie der nationalen Ideologie, München 1980.
58
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
59
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
69 Vgl. Historijski Arhiv u Zadru (Hg.), Dokumenti o hrvatskom narodnom preporodu u Dal-
maciji (Dokumente über die kroatische nationale Wiedergeburt in Dalmatien), Bd. I, Zadar
1991.
70 Vgl. die Bibliographien von Keckemet, Dusko, Bibliografija narodnog preporoda u Dalmaciji
(Bibliographie der nationalen Wiedergeburt in Dalmatien), in: Keckemet, D. (Hg.), Hrvatski
narodni preporod u Splitu, Split 1984 u. Anzunovic, Neda, Bibliografija radova o narodnom
preporodu (Bibliographie d. Arb. über die nat. Wiedergeburt), Mogucnosti 1984.-1995., Split
1995; Darstellung bei: Sidak, Jaroslav, Gross, Mirjana, Karaman, Igor, Sepie, Dragovan, Povi-
jest hrvatskog naroda g. 1860.-1914., (Geschichte des kroatischen Volkes 1860-1914) Zagreb
1968. Auch in ihren übrigen, im Literaturverzeichnis aufgeführten Arbeiten, kommen Gross,
Stancic u. Petrovic immer wieder auf diese Problematik zurück.
71 Seit Hermann Wendel (Aus dem südslawischen Risorgimento, Gotha 1921 od. ders., Der
Kampf der Südslawen um Freiheit und Einheit, Frankfurt/M 1925), der in so verschiedenen
Persönlichkeiten und Bewegungen wie „Dositej Obradovic, Ljudevit Gaj, der Omladina, Jo-
sip Juraj Stroßmayer, Svetozar Markovic und Janez Krek“ Vorläufer eines südslawischen Na
tionalstaates sehen wollte und dem „die südslawische Nationaleinheit als Ergebnis der glei
chen natürlichen Entwicklung“ erschien, „der Deutsche und Italiener ihre Staatlichkeit ver
danken“, war diese Sichtweise teilw. auch in der wissenschaftl. Literatur zu finden.
72 Vgl. Petrinovic, Ivo, Predgovor (Vorwort), in: Natko Nodilo — Izabrani spisi, Split 1982,
S. 7—42, hier S. 9 u. D. Keckemet im Vorwort zu Kortsek, Josip, Dujam Mikacic, Split 1963.
Zur Politikergeneration Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. in Dalmatien: Peric, Ivo, Politicki
portreti iz proslosti Dalmacije (Politische Portraits aus der Vergangenheit Dalmatiens), Split
1990, mit biographischen Skizzen von Bozidar Petranovic, Luka Botic, Duro Pulic, Rafo
Pucic, Gajo Bulat, Duje Rendic-Miocevic, Niko Nardelli und Frane Bulic.
60
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
Messerspitze Platz“ gehabt hätten.73 Wie die dünne Schicht der Intellektuellen „natio
nal erwachte“ und „zu bewußten Kroaten und Serben“ wurde, ist anhand der Biogra
phien der Vorkämpfer der Nationalpartei (Narodna stranka) gut zu studieren.74 Auch
der Jugoslawismus als Integrationsideologie der Kroaten in seiner kroatisch-dalmatini
schen Gestalt während der kroato-serbischen Allianzenbildung zu Zeiten seiner Ent
faltung ist dargestellt worden.75 Die nationalpolitische Diskussion wurde unter den
Südslawen Österreich-Ungarns aber nur innerhalb der kleinen intellektuellen Schicht
geführt, der ihre Machtlosigkeit von den maßgeblichen politischen Faktoren des Rei
ches immer wieder schmerzlich vor Augen geführt wurde. Der Jugoslawismus eines
Bischof Josip Juraj Strossmayer (1815-1905) und die pan-kroatischen Auffassungen
Ante Starcevics bezeichneten dabei die Spannbreite der Debatte, die sich nicht selten
auch im Irrealen und in utopischen Zukunftsentwürfen verlor. Strossmayer und Star-
cevic wurden dabei zu Führungsgestalten einer Nation stilisiert, die nach Symbolge
stalten für ihre noch nicht gesicherte kollektive Identität suchte.
Ein besonders wichtiges Merkmal gemeinsamer Identität aller Anhänger der Wieder
geburts-Ideen war dabei die oft beschworene gemeinsame Muttersprache.76 Der
„Kampf um die kroatische Sprache“ wurde dabei nur allzu oft anfangs von Intellektu
ellen geführt, die die Sprache des Volkes erst richtig lernen mußten.77 Die Vorkämpfer
der Nationsbildung mußten auch in Dalmatien „beträchtliche Mobilisierungsanstren
gungen“ leisten, um „die höchst abstrakte Idee der Nation“ zu vermitteln. Vor allem
in den ländlichen Gemeinschaften des agrarischen Dalmatien, das in vielem noch der
traditionellen Agrargesellschaft entsprach, deren gesellschaftlicher Bezugspunkt eben
„nicht die Nation, sondern jene überschaubare Gruppe von Personen (war), die be
stimmte Merkmale miteinander teilten, die einander persönlich kannten und gemein
sam in der bäuerlichen Lebenswelt verhaftet waren“, konnte die Nationsidee nur sehr
langsam Fuß fassen.78
Die Mischung aus liberalen Auffassungen, all-slawischen Ideen, die zwischen Pan-
und Austroslawismus pendelten und schließlich in den städtisch-gebildeten Kreisen
73 Vgl. Fabrio, Nedjeljko, Berenikina kosa, Zagreb 1988 (2. Aufl. 1990); dt.: Das Haar der Bere
nice. Familienfuge. Aus dem Kroatischen von Klaus Detlef Olof, Klagenfurt 1992 (Zit. S. 113)
u. die Bespr. v. Reinhard Lauer „Das Haar der Berenice. N. Fabrios Roman: Geschichtsbuch
und Kunstwerk von Rang“, in: F. A. Z. v. 19.01.1994, S. 28.
74 Vgl. z.B. Korunic, Petar, Natko Nodilo i narodni preporod u Dalmaciji do 1867 (Natko
Nodilo u. die dalm. Wiedergeburt), in: Historijski zbornik, god. XXVII, XXVIII, 1974-1975.
75 Vgl. Stancic, Niksa, Hrvatska nacionalna ideologija preporodnog pokreta u Dalmaciji. Miho-
vil Pavlinovic i njegov krug do 1869. (Die kroat. Nationalideologie der Wiedergeburtsbew. in
Dalmatien. M. P. und sein Kreis bis 1869), Zagreb 1980.
76 Vgl. Clewing, Kap. IV „Staatlichkeit, Muttersprache, Nationsprinzip. Das Beispiel Dalma
tien“, S. 291ff.
77 Novak, Grga, Povijest Splita (Geschichte Splits), 3. Bd., Split 1985, S. 89ff. u. Grgic, Ivan, Iz
doba narodnog preporoda (Aus der Zeit des preporod), in: Zadarska revija 9/1960 u. 4/1961.
78 Sundhaussen, Deutsche in Kroatien und Slawonien, S. 321.
61
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
62
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
Seit den serbischen Aufständen und dem Entstehen eines serbischen Staates konnten
national denkende Serben auf einen existierenden Kristallisationspunkt verweisen, der,
wie die Zugehörigkeit zur gemeinsamen orthodoxen Konfession, viel zur exklusiv
serbischen nationalen Solidarisierung beitrug. Die slawische Einheitsfront in Dalma
tien hielt nicht zuletzt aus diesem Grund nicht lange. Spätestens seit 1863 formierten
sich innerhalb der „Narodna stranka“ Dalmatiens ausgeformte „eigene“ nationale ser
bische und kroatische Ideologien.82 Bis dahin hatten serbische und kroatische Wieder-
geburtler gemeinsam ihren Kampf um die Vereinigung Dalmatiens mit Banal-Kroatien
und die Einführung der „Volkssprache“ ins öffentliche Leben, gegen das Italienische
und Deutsche, geführt.
Der Kampf um slawische Nationalisierung des Landes fand einen gewissen Abschluß
in den Wahlsiegen der „Narodna stranka“, die 1887 bis auf Zara/Zadar in allen wichti
geren Gemeinden Dalmatiens an der Spitze der Verwaltung stand. Der politisch-ge
sellschaftliche Wandel führte zu einer Ausdifferenzierung, die der Nationalpartei nicht
länger mehr die Rolle einer Einheitsorganisation erlaubte. Am Ende der siebziger
Jahre zerbrach die kroatisch-serbische Solidarität des Kampfes um Dalmatiens slawi
schen Charakter. Es kam zur Gründung einer eigenen „Serbischen Volkspartei“ (Srp-
ska narodna stranka). Doch im langwierigen Prozeß des Wandels der dalmatinischen
Slawen (sowohl der Anhänger der Narodna stranka, als auch der Autonomisten) in
„bewußte Kroaten und Serben“, der sich in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts
intensivierte, entstand die Basis für das moderne kroatische und serbische Nationalbe
wußtsein. Nun erst konnten kroatische und serbische Nationalidentitäten im moder
nen Sinne entstehen.83
Die Betonung des „Slawischen“ gegenüber dem „Italienischen“ zu Anfang der Wie
dergeburtsbewegung sollte die Vorurteile unterlaufen, die gegen die Sturmtruppen
der Gegenrevolution seit 1848 mit dem Namen „Kroaten“ in der liberal eingestellten
dalmatinischen Intelligenz vorherrschten. Der Kampf um den öffentlichen Stellenwert
der ,slawischen Sprache“, die „slavjanski, slovinski od. slavenski jezik“ genannt wurde,
war zu Anfang des „preporod“ entscheidend. Die Grundmuster der politischen Wer
bung der jugoslawistischen Politiker nach 1918 entstanden damals: Die Südslawen, so
erfuhr das lesende dalmatinische Publikum in den 1860er Jahren, seien „eine große
Familie“ und „ein Volk“, von der Donau bis zur Ägäis und von der Adria bis zum
Schwarzen Meer, wie Natko Nodilo schrieb. Auch die dalmatinischen Slawen seien
demnach wie Serben, Bosnier, Montenegriner, Kroaten, „slawischer Nationalität“.84
Die Namen, die dalmatinische Schiffseigner in den sechziger Jahren ihren Seglern
82 Vgl. Artukovic, Mato, Ideologija srpsko-hrvatskih sporova (Die Ideologie der serbo-kroati-
schen Konflikte) (Srbobran 1884-1902), Zagreb 1991, S. 185ff.
83 Vgl. Petrovic, S. 252.
84 Vgl. Natko Nodilos Polemik gg. Tomazeo, in: „II Nazionale“, Zadar, Nr. 36/2. VII 1862.
Nodilo unterschied vier slawische Völker: das russische, tschechische, polnische und südsla
wische.
63
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
85 Vgl. Zlokovic, Boka i narodni preporod na primorju (Die Bucht von Kotor und die nationale
Wiedergeburt an der Küste), in: Godisnjak Pomorskog muzeja, Kotor, 1962, X, S. 188, der
anhand der Schiffsregister und der Namen, die dalmatinische Eigner ihren Schiffen gaben
(„Slavjan, Mladi Slavjanin, Slavljanin, Slavjanski etc.) die „Slawisierung“ des Bewußtseins
zeigt; vgl auch O. Fijo, Narodni preporod u Damaciji i pomorstvo, in: Radovi JAZU, Zadar
1961, S. 173ff.
86 Vgl. Biankini, Juraj, Narodni preporod u Dalmaciji, in: Almanah Jadranske straze za 1927,
Beograd 1927. Sidak, Jaroslav et. al., Hrvatski narodni preporod. Ilirski pokret, Zagreb 1988.
87 Petrinovic, Ivo, Predgovor (Vorwort), in: Natko Nodilo - Izabrani spisi, Split 1982, S. 7-42,
bes. S. 29ff.
88 Vgl. Heckmann, Friedrich, Ethnos, Demos, Nation, oder: Woher stammt die Intoleranz des
Nationalstaats gegenüber ethnischen Minderheiten?, in: Seewann, Gerhard (Hg.), Minderhei
tenfragen in Südosteuropa, München 1992, S. 29.
64
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
Normsprache oder Kultur vorfanden (die Kultur des Adels stand vielmehr in einem
scharfen Kontrast zur Kultur der erbuntertänigen Bauern) und daß sich, was die po
stulierte gemeinsame Abstammung anbelangte, darüber „bestenfalls spekulieren“ ließ,
hielt die Verfechter der „Nationalen Wiedergeburt“ und ihre Nachfolger freilich auch
im kroatischen Fall keineswegs ab.89
Grundsätzlich lassen sich zwei Richtungen in diesem Prozeß der Erfindung einer
Nation unterscheiden. Die einen beriefen sich vorwiegend auf staatlich-territoriale
und rechtliche, die anderen vorwiegend auf kulturelle Kriterien. Die Verfechter des
etatistischen und kulturellen Nationsbegriffs bei den Kroaten, so hat Holm Sundhaus
sen die Situation zusammengefaßt, blockierten sich wechselseitig, so daß es in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu einer Stagnation im kroatischen Nations
bildungsprozeß kam. Kompliziert wurde die Entwicklung durch die politischen Be
dingungen. Kroatische Nationsbildung vollzog sich bis 1918 im Rahmen der multi
ethnischen Habsburger Monarchie bzw. ab 1867 im Rahmen Österreich-Ungarns und
ab 1918 im „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“. Innerhalb Österreich-
Ungarns bildete Kroatien niemals eine administrative Einheit, sondern war zwischen
den beiden Reichshälften der Doppelmonarchie aufgeteilt. Dalmatien gehörte dabei
zur Cisleithanischen Reichshälfte. Auf dem Territorium des „Dreieinigen Königreichs
Kroatien-Slawonien-Dalmatien“ lebten nicht nur Kroaten, sondern auch Serben. Be
sonders kompakt siedelten Serben im Gebiet der Militärgrenze und in Dalmatien.
Gleichzeitig gab es außerhalb des „Dreieinigen Königreichs“ Kroaten, in Bosnien und
der Herzegowina sowie der heutigen Vojvodina.
Bei dem Versuch, den Abschluß der kroatischen Nationsbildung in Dalmatien nach
dem Ersten Weltkrieg zu verstehen soll eine Warnung von Stefan Troebst berücksich
tigt werden, der zutreffend feststellte, daß die Konzentration auf „nationale Bewegun
gen und Nationalstaaten“ zwar „angesichts der gerade Osteuropa entscheidend prä
genden Rolle der Nationalismen (...) durchaus berechtigt“ sei, aber leicht dazu führe,
daß „die schiefe nationale Optik gängigen Begriffen wie „Minderheitenfrage“ oder
„Nationalitätenproblem“ gleichsam implementiert ist.90 Bezogen auf Dalmatien in der
Zeit zwischen 1918 und 1941, deren Darstellung mit dem Ende des Weltkrieges in
dieser Region, und den Hoffnungen, die sich damit verknüpften, einsetzen soll, bedeu-
89 Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 168 F 30. Stand der wiss. Forschung über „kroatische Eth-
nogenese“ (mit zahlr. Lit.-ang.) bei Pohl, Walter, Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleu
ropa 567-822 n. Chr., München 1988, S. 261-268. Problematisch dagegen Muzic, Ivan, Po-
drijetlo Hrvata. Autohtonost u hrvatskoj etnogenezi na du rimske provincije Dalmacije (Die
Abstammung der Kroaten. Autochthone kroatische Ethnogenese auf dem Boden der röm.
Provinz Dalmatien), Zagreb 1989.
90 Vgl. Troebst, Ethnien und Nationalismen, S. 13: „In dieser Perspektive sind es nicht die von
außen an einzelne Ethnien gerichteten Ansprüche, die diese zu konfliktträchtigen Reaktionen
veranlassen, sondern es ist umgekehrt die bloße Existenz von devianten „Minderheiten“, die
„Fragen“ aufwirft, allein das Vorhandensein von „Nationalitäten“ bereitet aus solch national
staatlicher Sicht nichts als „Probleme“.“
65
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
tet das, die vorhandene Gemeinsamkeiten von Kroaten und Serben nicht zu überse
hen, allen mental-kulturellen Unterschieden zum Trotz. Ohnehin lagen die größten
Barrieren in der Ausschließlichkeit der gleichzeitig entwickelten exklusiv-kroatisch
bzw. serbischen Nationsdefinitionen. Das Großkroatentum der Rechtspartei Ante
Starcevics91 - von seinen Anhängern „Vater des Vaterlandes“ genannt - erging sich
in leidenschaftlicher Verneinung des Serbentums92 auf dem Gebiet eines gedachten
Groß-Kroatien und fand auch in Dalmatien unter Klerikern oder im Kleinbürgertum
Anhänger. Der kroatische Ustasa-Nationalismus später griff auf Starcevics Ideologie
zurück.
Die Nationsbildungsprozesse, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Dal
matien die Grundlagen für die Entstehung eines modernen Nationalbewußtseins bei
Kroaten und Serben legten, lassen sich nicht isoliert von den gesellschaftlichen Wand
lungsprozessen beschreiben. Es ist gezeigt worden, daß es der krisenhafte soziale Wan
del seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war, der diesen Prozeß initiierte. Die Ablösung
bzw. Umformung des italienisch orientierten Stadtadels durch eine slawisch/kroatisch
Rationalisierte' städtische Führungsschicht von Grundbesitzern, Geistlichen und
Rechtsanwälten, begann das politische Leben in Dalmatien zu prägen. Die wachsende
politische Dynamik ist überzeugend als Ausdruck eines Wandels der wirtschaftlich
gesellschaftlichen Grundlagen gedeutet worden. Im Zusammenwirken von alten, un-
bewältigten mit neuen Krisenfaktoren struktureller und konjunktureller, wirtschaftli
cher und sozio-kultureller Art brach sich der mit dem Wort „Fundamentalpolitisie
rung“ beschriebene Prozeß auch in der dalmatinischen Gesellschaft Bahn. Wirtschaft
lich-gesellschaftliche Unzufriedenheit schlug schließlich um in politische.93
Die „allgegenwärtige Unterentwicklung“ in den südslawisch besiedelten Gebieten
Österreich-Ungarns im 19. Jahrhundert ist aufgezeigt worden. Mehr noch als für die
anderen kroatischen Länder galt für Dalmatien, daß es bis 1918 nicht „über das Ent
wicklungsniveau einer nur ansatzweise durchkapitalisierten, urbanisierten und politi
sierten, letztlich kleinbürgerlich-bäuerlichen Gesellschaft“ hinausgelangte, und daß
sich die wirtschaftliche und politische „Marginalisierung“ des südslawischen Raumes
dort besonders manifestierte. Auch war - in der Begrifflichkeit einer komperativen
Modernisierungsforschung - das Fehlen einer „gewachsenen Trägerschicht forcierten
gesamtgesellschaftlichen Wandels“ zu bemerken. Von „nationaler Elite und moder
nem' Bürgertum im Sinne West- und Deutschmitteleuropas“ konnte zu Beginn der
Entfaltung kroatischer Nationalpolitik in Dalmatien im 19. Jahrhundert angesichts ei-
91 Vgl. Gross, Mirjana, Povijest pravaske ideologije (Geschichte der Ideologie der Rechtspartei),
Zagreb 1973; dies., Die nationale Idee der kroatischen Rechtspartei und ihr Zusammenbruch
(1861 bis 1895). Zum Nationalitätenproblem der Donaumonarchie, in: Österreichische Ost
hefte 6 (1964), S. 373-388.
92 Behschnitt, S. 172-186.
93 Schödl, Nationalpolitik, Bürgerlich-städtische Politik und „Neuer Kurs“, S. 187-233 u.
„Fundamentalpolitisierung“ als Existenzbedingung nationaler Politik, S. 178-186.
66
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
94 ebenda, S. 345.
95 Insgesamt erfaßte sie 4545 nationale Aktivisten mit ihren Mitgliedschaften in der Zeit zwi
schen dem Oktoberdiplom 1860 und der Revision des ungarisch-kroatischen Ausgleichs 1873;
vgl. Szabo, Agneza, Sredisnje institucije Hrvatske u Zagrebu 1860-1873. Drustvena struktura
nosilaca kulturnih institucija i clanova vodece grupe (Kroatische Zentralinstitutionen in Za
greb 1860-73. Gesellschaftl. Zugehörigkeit der Träger der Kulturinstitutionen u. Mitglieder
der Führungsgruppe), Zagreb 1988.
67
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
96 „Koljevka hrvatske drzave“ (Wiege des kroatischen Staates), war eine von kroatischen Politi
kern gern gebrauchte Bezeichnung für Dalmatien, vgl. z. B. Stjepan Radies Verurteilung aller
Bestrebungen seitens serbischer Politiker vor 1905, die gegen die erwünschte Vereinigung
Dalmatiens mit Slawonien und Banal-Kroatien gerichtet waren: „Dalmatien, als Wiege des
kroatischen Staates, und vom rechtlichen Standpunkt aus betrachtet auch heute noch sein
fester Bestandteil; Dalmatien als reinstes kroatisches Land und als Heim des klassischen kroa
tischen Buches kann nicht für das Slawentum bewahrt werden ohne Einigkeit mit dem, was
Oberes Kroatien oder Banovina genannt wird, der heutigen Mutterzelle des kroatischen Staa
tes, der Heimstatt unserer neuen literarischen und nationalen Wiedergeburt.“ Hier zit. nach:
Sto vi zapravo mislite o srbskom pitanju (Was denken Sie wirklich über die serbische Frage?),
in: Hrvatska misao (Der kroatische Gedanke), IV/1905, 4, S. 179.
97 Vgl. Stancic, Hrvatska nacionalna ideologija u. Pavlinovic, Marin (Hg.), Studie, eseji, prikazi,
Zagreb 1930.
98 Vgl. z. B.:„Für Volk und Schule - die serbische Welt in Wort und Bild“ (Za narod i skolu -
srpski svet u reci i slici), 3. Aufl., Beograd 1890. Diese und ähnliche Schriften alle zit. (unter
Berufung auf Pilar) bei Tucfman, Franjo, Hrvatska u monarhistickoj Jugoslaviji 1918.-1941.
(Kroatien im monarchistischen Jugoslawien), 2 Bde. Zagreb 1993, S. 61ff.
99 Zur serbischen Intelligenz vgl. Dzaja, Intelligentsia und südosteuropäischer Raum, S. 145,
besond. F 39; vgl. Dordevic, Dimitrije, Die Serben, in: Wandruszka/Urbanitsch 3/1 (1980),
S. 734 - 774. Blätter wie der wie Srpski narodni vestnik (Der serbische Volksbote), Zemun
1852, Srpska sloboda (Die serbische Freiheit), 1865 in Genf oder die Srpska Zora (Der sebi-
sche Morgen), die erstmals in Wien 1876 erschien, wie zahlreiche andere Zeitungen und Zeit
schriften, die in Novi Sad, dem Mittelpunkt des politisch-kulturellen Lebens der Serben in
der Doppelmonarchie, oder anderswo, wie Srpska rec (Das serbische Wort) in Sarajevo, oder
Srpski dnevnik (Das serbische Tagebuch), 1888 in Budapest, Srbobran (Verteidiger der Serben)
1884 in Zagreb herauskamen, erfüllten, wie das in Dalmatien erscheinende „Serbische Blatt“
(Srpski list, Zadar 1880), sein Nachfolger Srpski glas (Die serbische Stimme) 1888 in Zadar
oder Srpski magazin (Das serbische Magazin) ab 1896 in Dubrovnik diese Funktion. Manche,
wie die in Belgrad 1888 erscheinende „Velika Srbija“ (Großserbien) führten ihr Programm
unter Berufung auf Garasanin und sein „Nacertanije“ schon im Titel. Einen Eindruck von
Themen und Sichtweisen der serbischen Intelligenz vermittelt der „Überblick über die litera
rische Arbeit der Serben in Kroatien“ von Stanko Korac (Pregled knjizevnog rada Srba u
68
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
Für die Serben Dalmatiens, so meinte Miroslav Krleza, „die sich bis zu den 80er
Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch „die Unsrigen“ (“nasijenci,,) nannten und
durch die Jahrhunderte ohne besondere Bezeichnung ihrer nationalen Zugehörigkeit
Untertanen der venezianischen und österreichischen Provinzen waren, die „naski“
(unsere Sprache) sprachen und schrieben, d.h. slawisch oder illyrisch“ spielten die
Zeitung „Srbobran“ (Verteidiger der Serben) und die „Srpska knjizevna zadruga“ (Ser
bische Buchgenossenschaft) die Rolle des nationalen Erweckers“, die auf „reaktionäre
Weise“ das nationale Bewußtsein in breiteren Schichten verankert hätten.100
Auf das politische Leben der etwas über hunderttausend Serben in Dalmatien hatte
das weitreichende Auswirkungen.101 Trotz der Unterschiede in sozialer wie auch in
politischer Hinsicht zwischen den serbischen Siedlungsgebieten überwogen im Be
wußtsein der serbischen Politiker schließlich die Gemeinsamkeiten zwischen den Ser
ben der Donaumonarchie und denen im serbischen Staat. Je mehr sich die Vorstellung,
einer eigenen, eben serbischen Nation anzugehören, verfestigte, desto deutlicher
prägte das politische Denken auch der orthodoxen Bevölkerung in Dalmatien die
Vorstellung, einer Minderheit anzugehören. Diese Prägung der serbischen Nationalbe
wegung ließ sich auch später zur Zeit gemeinsamer Oppositionspolitik gegen Wien
und Budapest zusammen mit der Kroatischen Partei nicht mehr ungeschehen machen.
Damit wurde der Grundstein des modernen Bewußtseins der Verschiedenheit gelegt.
Das auf der anderen Seite in der Zwischenzeit der exklusiv-kroatische Nationalismus
der Rechtspartei unter Ante Starcevic entstanden war, der eine serbische Nationalität
auf dem Gebiet Kroatiens grundsätzlich nicht anerkannte, verstärkte dabei die Ab
grenzungsprozesse. Auch das Streben serbischer Politiker, trotz vorangegangener „ju
goslawischer“ Initiativen von kroatischer Seite, immer wieder ihre serbische nationale
Individualität offensiv hervorzukehren (eine Neigung, die sich mit den zunehmenden
außenpolitischen Erfolgen des serbischen Staates steigerte), verstärkte die „bipolare
Verhärtung des südslawischen Nationalismus“, die, wie sich zeigen sollte, irreversibel
war.102
Zusätzlich vergiftete eine „divide et impera-Politik“ Habsburgs, die die orthodoxe
Bevölkerung in Kroatien favorisierte, das Verhältnis zwischen nationalbewußten
Kroaten und Serben. Die Einigkeit und Zusammenarbeit, die sich zu Zeiten der natio
nalen Wiedergeburt im gemeinsamen Kampf gegen deutsche und magyarische Hege
monie entwickelt hatten, waren dahin. Die Existenz von serbischen Politikern, die
Hrvatskoj, Zagreb 1987). In vielen Fällen geht deutlich hervor, wie fest das serbisch-nationale
Bewußtsein unter den sich als Serben fühlenden Schriftstellern, die der Verf. mit ihren wich
tigsten Werken vorstellt, seit Anfang des 20. Jahrhudert war.
100 Krleza, Miroslav, Deset krvavih godina. Politicki eseji (10 blutige Jahre. Politische Essays),
Zagreb 1957.
101 Djordjevic, Die Serben, in: Wandruszka; Urbanitsch, Habsburgermonarchie III/l, Kap. IX.
102 Schödl, Nationalpolitik, S. 216f. u. Roksandic, Drago, Hrvati i Srbi u hrvatskim zemljama
godine 1861. izmedu etnosa, naroda i nacije (Kroaten u. Serben in den kroat. Ländern 1861
zwischen Ethnos, Volk und Nation), in: ders., Srpska i hrv. povijest, S. 159-184.
69
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
sich in jener Zeit zu „politischen“ und „orthodoxen“ Kroaten erklärt hatten und teil
weise an führender Stelle im kroatischen preporod und selbst in Starcevics Rechtspar
tei mitgewirkt hatten, war danach nicht mehr vorstellbar.103
Selbst der Höhepunkt kroato-serbischer Zusammenarbeit, die Schaffung der sog.
„Kroato-Serbischen Koalition“, belegt das: Auf der Grundlage der beiden Resolutio
nen von Rijeka und Zadar fanden am 14. November 1905 in Zadar die Landtagsklubs
von Kroatischer Partei und Serbischer Nationalpartei zu weitgehender Verständigung.
In der gemeinsam verabschiedeten Deklaration wurden Kroaten und Serben als eine
Nation bezeichnet. Der in dieser Erklärung auftauchende logische Widerspruch, daß
„Kroaten und Serben ein Volk sind, und eines dem anderen gegenüber gleichberech
tigt“, macht deutlich, daß die Voraussetzung des „Neuen Kurses“, daß es überhaupt
zu kroato-serbischer Solidarisierung kommen konnte, „so paradox es auch erscheinen
mag - die beidseitige Absage an gemeinsame, „jugoslawische“ Identitätsbildung“ war.
Kroatischer und serbischer Prozeß nationaler Identitätsbildung schien zu diesem Zeit
punkt, zumindest in den ,Politik machenden“ Kreisen, „im wesentlichen abgeschlos
sen“.104 Wie gezeigt wurde, war es „nicht die Dynamik einer gemeinsamen Vorstellung
von einem „jugoslawischen“ Staat und von einer homogenen kroato-serbischen Na
tion“, welche die Kroaten mobilisierte. Statt dessen entfalteten interessenpolitische
Motive „eine gewisse solidarisierende Wirkung zwischen Kroaten und Serben.“105
Doch zurück zur ideengeschichtlichen Ausgangslage: es bleibt, gerade auch im Hin
blick auf die Entwicklung nach 1918, festzuhalten, daß den Varianten kroatischer Na
tionalpolitik zwischen den Polen von Jugoslavenstvo und exklusivem kroatischem
Nationalismus gemeinsam war, daß sie in ihrem „unkoordinierten Neben- und Gegen
einander keine überzeugende Zielformulierung für nationale Solidarisierung und
Staatsbildung“ boten - sie waren „ohne die massenbewegende, natürliche“ Autorität
einer klaren Nationalstaatsvorstellung. Ein Jugoslavenstvo, welches territoriale Aus
dehnung, Ausmaß staatlicher Souveränität und Zugehörigkeit nicht-kroatoserbischer
Südslawen offenließ, konnte ebensowenig integrierend wirken wie ein Großkroatien-
103 Vgl. Tudman, Hrvatska u monarhistickoj Jugoslaviji, S. 66ff., der namentlich Nikola Kokoto-
vic, Ivo Malin, Stjepan pl. Miletic, Dimitrije Demetar, Spiro Dimitrovic Kotoranin, Dusan
Kotur, Vladislav Nikolic, Danijel Medic, Makso Prica, Nikola Krestic, Dane Stanisavljevic
und andere anführt, die sich noch Ende des 19. Jahrhunderts, trotz orthodoxen Glaubens, als
Kroaten verstanden hätten. Auch die Adresse der Krajina-Abgeordneten des kroatischen Sa-
bor 1861, in der nur von „Krajina-Kroaten“ die Rede ist, und von der Krajina als dem „bluti
gen Glied des kroatischen Volkes“, und die von Nikola Ralf, Josip Trbovica, Jovan Omcikus,
Janko Klucec, N. Kajganovic, Petar Vukelija, Vaso Maravic, Marko Bozikovic und Simo Ber-
kic als „Abgeordnete(n) des kroatischen Volkes der Militärgrenze“ unterzeichnet wurde, dient
ihm als Beleg für die These, daß, bevor „die Serben im Dienste der Wiener/Pester Politik
gegen die kroatischen Bestrebungen“ instrumentalisiert wurden, sie mehrheitlich von einem
„kroatischem Nationalgefühl“ im dreieinigen Königreich beherrscht gewesen wären.
104 Zum „Neuen Kurs“ Schödl, Nationalpolitik, S. 234-298, hier S. 75.
105 ebenda, S. 344.
70
Nationsbildung bei Kroaten und Serben in Dalmatien bis 1918
Projekt, das reale Hindernisse wie die Existenz einer umfangreichen serbischen Min
derheit und die Abwehrhaltung der österreichisch-ungarischen Großmacht nicht
nüchtern in ihr Kalkül einbezog.“ Auch wirkten die unterschiedlichen Entstehungsbe
dingungen des „jugoslavenstvo“-Konzepts bei Serben und Kroaten dauerhaft nach.
Die unterschiedlichen politisch-historischen Wurzeln blieben während der gesamten
Existenz des jugoslawischen Staates sichtbar: einerseits der seit Mitte des 19. Jahrhun
derts auf dem Balkan etablierte serbische Staat, der einen Vorherrschaftsanspruch im
neuen Jugoslawien anmeldete, und andererseits eine zunächst nur auf die Einigung
der Südslawen Österreich-Ungarns, dann seit etwa der Jahrhundertwende auch dar
über hinaus auf die aller Südslawen abzielenden Orientierung, deren Zentrum in
Kroatien lag.
Lange vor der Diskreditierung des Begriffes „jugoslavenstvo“, der in den Augen der
Kroaten als staatlich propagiertes Ideal im Königreich Jugoslawien nur der Verschleie
rung großserbischer Hegemonie diente, waren also die unterschiedlichen Prägungen
offensichtlich. Jugoslawismus bedeutete eben etwas anderes, je nachdem, ob er im
kroatischen politischen Kontext oder im serbischen benutzt wurde, von Anfang an
waren ihm ganz unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten immanent.
Festzuhalten bleibt, daß der Jugoslawismus im kroatischen Bereich „in der Konse
quenz seiner Genesis“ unlöslich mit dem „Kroatismus“ verbunden war und ihm „letz
ten Endes die ,Funktion“ einer kroatischen Integrationsideologie“ zuwuchs. Es be
stand zwar „die Entwicklungsmöglichkeit hin zu außerkroatisch-südslawischer Soli
darisierung zumindest in kultureller, unter Umständen auch in politischer Hinsicht“,
aber je nach den gegebenen nationalen“ und reichspolitischen Bedingungen lag auch
die Verwirklichung einer durchaus immanenten Tendenz zu „kroatischer“ Reduktion
im Bereich des Möglichen. In ihrer Konsequenz wiederum konnte es zu nationali-
stisch-hegemonialer Übersteigerung kommen oder, wie in Ante Starcevic’s Pankroatis-
mus, zur aggressiv-assimilatorischen Umkehrung der illyristisch-jugoslawistischen
Solidarisierungsbestrebungen. (Günter Schödl)
Analog verhielt es sich mit Konzeption und Praxis serbischer Nationalpolitik im
neunzehnten Jahrhundert. Folglich läßt sich die innere Sperre gegen eine wirkliche
jugoslawische Integration im Falle der Serben aus einer „nationalpolitischen Entwick
lung herleiten“. Eine serbisch-nationalistische Reduktion des Jugoslawismus war auch
im serbischen Bereich früh zu konstatieren, von einer exklusiv-serbischen Nationali
deologie, die sich gleichzeitig herausbildete, ganz abgesehen.106 Allen auch bei serbi-
106 Vgl. zur „serbischen Nationalideologie“ Dzaja, Bosnien-Herzegowina, S. 192ff. Ein gutes Bei
spiel für exklusiv-serbischen Nationalismus, der kroatische Gegenreaktionen provozierte, ist
die Broschüre von Nikola Stojanovic „Srbi i Hrvati (Serben u. Kroaten) (1. Aufl.) Beograd
1902, (2. Aufl.) Novi Sad 1902. Dort wurde behauptet, daß sich die Kroaten „unaufhaltbar“
auf dem Weg befänden, sich „in die serbische Nationalität zu integrieren und es wurden
Formulierungen verwandt, die in Zagreb dann zu antiserbischen Demonstrationen führten:
„Der Kampf muß bis unserer (gemeint waren die Serben, A. J.) oder eurer (Kroaten, A. J.)
Ausrottung geführet werden; eine Partei muß unterliegen, und zwar die Kroaten. Dafür
71
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
sehen Intellektuellen (wie Rajic, Obradovic, Karadzic oder Miletic) erkennbaren Ein
sprengseln gesamtslawischer oder gesamtsüdslawischer Einheitsvorstellungen zum
Trotz, überwogen staatlich dimensionierte Machtbelange des real existierenden König
reichs Serbien utopische gemeinsüdslawische Zukunftsentwürfe. In mehrfacher Hin
sicht begründete dies eine „prägende nationalpolitische Langzeitwirkung“. In der
machtpolitischen Einengung und großserbischen Übersteigerung von Zachs „Plan der
slawischen Politik Serbiens“ (1843) durch Ilija Garasanins (1812-1874) Zukunftsent
wurf für die Nationalpolitik des Staates Serbien (“Nacertanije“ 1844) kommt dies
ebenso zur Geltung wie in Karadzics Entwicklung zu einem „sprachlich-kulturelle(n)
Großserbismus“, bei dem einfach alle Sprecher der Stokavischen Dialektvariante zu
Serben erklärt wurden107
Doch wie weit hatten theoretische Nationsentwürfe in Dalmatien gegen Ende des
Weltkrieges Massenwirksamkeit erlangt? Ist es gerechtfertigt, angesichts der Gleichar
tigkeit der Lebenswirklichkeit serbischer und kroatischer Bauern in Dalmatien, wie
im Kapitel III. zur bäuerlichen Lebenswelt in Dalmatien deutlich werden wird, die
Mehrheit der Kroaten in Dalmatien und die serbische Minderheit gesondert zu be
trachten? Waren nicht die Interessenunterschiede bzw. Gegensätze zwischen städti
schem Besitzbürgertum und agrarproletarischer Bauernbevölkerung viel gravierende
rer Natur?
Was machte den Jugoslawismus als Oppositionsplattform 1918 für Serben und Kroa
ten in Dalmatien attraktiv? Das in den Jahren unmittelbar vor 1918 in Dalmatien unter
politisch denkenden Serben wie Kroaten zunächst die Gemeinsamkeiten dominierten,
lag nicht zuletzt am unscharfen Jugoslawismusbegriff, der sich im öffentlichen Diskurs
zunächst durchzusetzen schien.
spricht ihre Minderzahl, geographische Lage, Verzahnung mit den Serben, allgemeiner Evolu
tionsprozeß, in welchem die Idee des Serbentums Fortschritt bedeutet.“
107 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 76-77 u. Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten,
S. 82.
72
Jugoslavenstvo“ als Oppositionsstrategie
slawisch war“,108 wie der Biograph den später in Vergessenheit geratenen Dujam Mi
kacic beschreibt.109 Mikacic wurde der erste Sekretär der neuen „nationalen“ Gemein
deverwaltung von Split, und blieb auf dieser oder ähnlichen Stellen volle 44 Jahre. Die
Bürgermeister kamen und gingen, er blieb, und stellte somit die unsichtbare Kontinui
tät der nationalen Verwaltung dar. Von der Anfertigung zahlreicher Denkschriften,
Entwürfen und Plänen auf etlichen Gebieten bis zum Verfassen von Proklamationen,
Verwaltungsanordnungen und feierlichen Reden für die Bürgermeister reichte sein
Aufgabenfeld. Selbst zu patriotischen Gedichten und literarischen Arbeiten fand er
neben zahlreichen Artikeln in Zeitungen noch Zeit.
Männer wie er schlugen die „lange Schlacht“ für ein slawisches und nicht romanisches
Split, die der dalmatinische Politiker Josip Smodlaka in seinen Erinnerungen be
schrieb, wo Italienisch und nicht Kroatisch lange Zeit die Sprache der „gospoda“
(Herren) war.110 Doch lange Zeit wollte die Mehrheit der Einwohnerschaft Splits, vor
allem in den Landarbeiter-Vorstädten, keineswegs „national bewußt“ sein. Für breite
108 So stellte Anfang 1914 z.B. der Slawischer Lesesaal in Selce, der 1888 unter dem Namen
„Hrvatski sastanak“ (Kroat. Treffpunkt) gegründet wurde und den Bischof Strossmajer zu
seinen Ehrenmitgliedern zählte, dem russischen Dichter Leo Tolstoj ein Denkmal auf. Vgl.
Nizetic, Branko, Spomenik Lavu N. Tolstoju na Bracu, in: Bracki zbornik 2, Split 1954,
S. 95-99; alle Slawenklischees, von der großen Seele bis zum lyrischen Gemüt, in: Trstenjak,
Davorin, Slaveni (Die Slawen), Zagreb 1900.
109 Vgl. Kortsek, Josip, Dujam Mikacic (=Izdanje Muzeja Grada Splita, svezak 15), Split 1963.
S. 29ff, der ein im slawischen Überschwang für tschechische Touristen verfaßtes Gedicht oder
die Anrufung Moskaus als „slawisches Mekka“ des unermüdlichen „nationalen Kämpfers“
Mikacic in dessen Nachlaß fand, was in seiner idealistisch- kroatisch-allslawischen Pathetik
wohl exakt die Stimmung eines großen Teils der dalmatinischen Intellektuellen jener Zeit vor
dem Ersten Weltkrieg wiedergibt. Der Glaube an die „nationale Einheit von Serben und
Kroaten“ war da natürlich besonders stark, wie zahlreiche seiner Reden und Artikel belegen.
Für die Verwaltung im Sinne der Volkstümler, war es unabdingbar, jemanden zu finden, der
ausreichend Kroatisch konnte, denn, wie sich die Patrioten in der Rückschau erinnerten,
„wenige aus der älteren Generation der Volkstümler sprachen die Volkssprache leicht und
ohne Fehler“; so war anfangs auch im kroatischen Volkslesesaal mehr Italienisch als Kroatisch
zu hören. Gajo Bulat und die Volkspartei fanden mit dem jungen Dujam Mikacic einem
begeisterten kroatischen Patrioten noch vor dem Wahlsieg 1882, der geradezu idealtypisch
den unermüdlichen Volksaufklärer verkörperte.
110 Vgl. „Duga bitka za Split“ (Die lange Schlacht um Split), in: Kostrencic, Marko (Hg.), Zapisi
Dra Josipa Smodlake (Aufzeichnungen des Dr. J. Smodlaka), Zagreb 1972, S. 11-33. Die
Spliter Bauern wie die Bürger nannten ihre Mundart „wenn sie in unserer Sprache sprachen“
Kroatisch (“arvaski“, „harvaski oder „rvaski), so schildert Josip Smodlaka die Zustände vor
der „nationalen Wiedergeburt“, wie „in ganz Dalmatien bis zum Fluß Neretva; jenseits des
Flusses sagte man einfach „naski“ (unsere (Sprache)): Aber „jene, die die Sprache Kroatisch
nannten bezeichneten sich nicht, außer den wenigen Gebildeten, als Kroaten. In Split und im
übrigen Dalmatien nannten sich die Bauern einfach Dalmatiner. Ihr Nationalismus überschritt
nicht die regionalen Grenzen. (...) Bis die politischen Kämpfe nicht anfingen, fühlten sie sich
(die Italienisch- wie die Kroatischsprechenden, A. J.) (...) als Söhne derselben Heimat, als ob
sie alle dalmatinischer Nationalität gewesen wären. Wäre Dalmatien größer und hätte die
73
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Kreise war der autonomistische Bürgermeister Bajamonti,111 der vor dem Sieg der
Voikspartei 20 Jahre lang Split regiert hatte, der „Papa“ (caca) oder gar „Moses, der
unseren Durst gelöscht hat“, weil er mit der Instandsetzung und Wiederinbetrieb
nahme des Diokletian-Aquädukts für frisches Trinkwasser in der Stadt gesorgt
hatte.112
An Patrioten wie Mikacic oder anhand der Biographie des Anwalts Josip Smodlaka
oder seiner Mitstreiter, mit denen er 1905 die „Kroatische Demokratische Partei“
gründete, läßt sich tatsächlich exemplarisch Werdegang und Bewußtsein der dalmatini
schen Politikergeneration zeigen, die 1918 mit allen Kräften für die Vereinigung in
einen gemeinsamen südslawischen Staat war.113 Immer waren die von ihnen selbst
oder Zeitzeugen berichteten „Grundideen“, die sie durch ihr politisches Leben geführt
hätten, die „Befreiung und Vereinigung unserer Völker“ in einen Staat „von Tirol bis
Mazedonien“ gewesen.114 Eine „antiklerikale liberale Politik“, so war diese Politiker
generation überzeugt, sollte die serbo-kroatische nationale Einheit und das Ziel der
Vereinigung aller Südslawen in einen unabhängigen Staat erreichen. Dabei darf aber
sicher nicht übersehen werden, daß politische Aktivität und wirtschaftliche Interessen
einer vergleichsweise kleinen Zahl von Rechtsanwälten, die zugleich als Berufspoliti
ker und als Vertreter kommerzieller Interessen agierten, nur allzuoft in eins fielen.
Daß die Inhaber der ungefähr zehn bis zwölf größten Anwaltskanzleien Dalmatiens
„Organisatoren von Politik und Wirtschaft“ waren, zeigte sich 1918 und später sehr
deutlich. In engem Zusammenhang mit der politisch-beruflichen Tätigkeit und oben
skizzierter Ideen der Leitfiguren des „Neuen Kurses“, die wie Ante Trumbic, Vinko
Milic und Vicko Mihaljevic in Split die größten Anwaltskanzleien besaßen und zeit
weise auch Bürgermeister von Split waren, stand ihr wirtschaftliches Engagement.
Bankgeschäfte, Grundbesitz, Presse und einige industriell-gewerbliche Unternehmen
sicherten ihre Machtbasis. Presseorgane und - ohnehin nur locker organisierte -
Grundlagen für ein eigenständiges staatliches Leben, hätte es vielleicht eine zweisprachige
Nation wie Belgien oder Finnland werden können (...)“; Zapisi, S. 26.
111 Vgl. die Beschreibung Bajamontis, die Dujam Mikacic in einem Erinnerungsartikel der Jubi
läumsnummer des „Narodni list“ (Volksblatt) in Zadar 1912 gab, wo er betont, daß „die rein
kroatische Bevölkerung der Vorstädte ihn „Papa“ (caca)“ nannte und „stolz war, wenn er eine
Patenschaft übernahm.“ Hunderte dieser Patenschaften habe Bajamonti angenommen, er habe
„auch Hochzeiten und andere Festlichkeiten der Landarbeiter besucht (...); das Volk trug ihn
dafür auf Händen und liebte ihn.“ Hier zit. nach Kortsek, S. 77. Dieselbe Bewertung bei
Smodlaka, Zapisi, S. 30f.; vgl. auch Foretic, Dinko, Borba za ponarodivanje opcina u Dalma-
ciji 1865-1900 (Der Kampf um die Nationalisierung der Gemeinden in Dalm.), in: Hrvatski
narodni preporod, S. 87-190, zu Bajamonti S. 127ff.
112 Vgl. die Erinnerungen v. Mikacic, der zahlreiche Bsp. f. diese Einstellung anführt.
113 PAS Advokatska kancelarija Dr. Ive Tartaglie, Signatura 5 PR/AKT 1919-1942. Ivo Tartaglia,
Prvislav Grisogono, Frano Pervan, Emanuel Vidovic, Manfred Makale, Ivan Mestrovic und
Bozo Lovric gehörten, neben Smodlaka, noch zu den Gründungsmitgliedern. Zu Smodlaka
u. dessen Überzeugungen vor 1914 vgl. Schödl, Nationalpolitik, S, 155ff.
H4 Yg[ Kostrencic, S. 11-20, hier S. 11.
74
Jugoslavenstvo “ als Oppositionsstrategie
Parteien dienten weithin der Artikulierung dieser Interessen. In den Augen dieser
Männer vertrugen sich ihre geschäftlichen Interessen nur zu gut mit einer Kombina
tion von kroatischem Nationalbewußtsein mit einem kulturell, national und wirt
schaftlich ,offenen1 Jugoslawismus. Ihnen ging es darum, ihre eingeschränkten Entfal
tungsmöglichkeit durch den Appell an ,slawische Solidarität“ zu vergrößern. Nationale
Mobilisierung, so schien es ihnen, konnte ihnen Rückenwind geben bei der Auseinan
dersetzung mit der kapitalstärkeren ungarischen und österreichisch-deutschen Wirt
schaftskonkurrenz. Entsprechend war es auch nicht diese arrivierte Schicht von Lan
deigentümern und Anwälten, die dem Jugoslawismus einen neuen Schwung verlieh,
sondern eine neue Studentengeneration, die entschlossen war, dem Vorbild der erfolg
reichen europäischen Nationalstaatsbildungen einen südslawischen Nationalstaat
nachfolgen zu lassen.
Seit ungefähr 1910 die „Nacionalisticka omladina“ (Nationalistische Jugend) Träger
eines integralen Jugoslawismus geworden war, wandelte sich der Jugoslawismusbegriff
auch in Dalmatien. Die Forderung nach Verschmelzung zu einer einzigen „jugoslawi
schen“ Nation erlebte vor allem unter dem Eindruck der beiden für Serbien siegrei
chen Balkankriege 1912/13 einen Aufschwung, wenn auch natürlich die große Mehr
heit der Bevölkerung dem sehr viel gleichgültiger gegenüberstand als ein Teil der jun
gen Generation.115 Doch die politische Stimmung hatte 1913 nach wechselnden Pha
sen von Auflehnung und Aggressivität, Resignation, Opportunismus und
Selbstzerstörung ein Stadium „fieberhafter Erregung“ erreicht. Nicht nur die Stadt-,
sondern - zumindest ansatzweise - auch die Landbevölkerung erwies sich 1913 als
„mobilisiert“.116 Zeitungen wie die „Zastava“ (Die Fahne), die anstelle der verbotenen
„Ujedinjenje“ (Vereinigung) seit 1914 unter dem Chefredakteur Oskar Tartaglia er
schien, waren Organe eines kämpferischen Jugoslawismus. Die in Prag im April ge
gründete Zeitschrift „Jugoslavija“ agitierte für eine Lösung der „Frage der Slowenen,
Kroaten und Serben“, in „jugoslawischem Sinne“.117 Dichter wie Ante Tresic Pavicic,
Ilija Despot oder Danko Andelinovic unterstützten die „nationalistische Jugend“ in
ihren Vereinigungsforderungen. Juraj Demetrovic gab in Split die Zeitschrift „Na-
115 Gross, Mirjana, Nacionalne ideje studentske omladine u Hrvatskoj uoci I svjetskog rata (Die
nationalen Ideen der studentischen Jugend in Kroatien am Vorabend des 1. WK), in: Historij-
ski zbornik XXI/XXII (1968/69), S. 75-143 u. dies., Die ,Welle“, in: Österreichische Osthefte
10 (1968), S. 65-86; Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten, S. 201-230.
116 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 156, der „ein politisch relevantes gesamtkroatisches (Hervorh.
A. J.) Zusammengehörigkeitsbewußtsein (...) auch außerhalb enger parteipolitischer Füh
rungszirkel“ und die „irreversible“ Auflockerung des politischen Absentismus der Landbe
völkerung um 1913 erkennt, womit „wichtige Schritte auf dem Wege zur kroatischen nationa
len Idetitätsfindung“ getan wurden. Doch, wie zu zeigen sein wird, der Moment des Handelns
lag, schon aufgrund der faktischen Rahmenbedingungen am Ende des Krieges, bei den jugo-
slawistischen Kräften in Dalmatien.
117 Vgl. Horvat, Josip, Povijest novinstva Hrvatske 1771-1939 (Geschichte der Kroat. Publizi
stik), Zagreb 1962, S. 374.
75
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
rodno jedinstvo“ heraus. Auf einem für den 28. Juni 1914 in Wien geplanten „nationa
listischen Studentenkongreß“ sollten sich alle Gruppen zusammenschließen, um in
Zukunft koordiniert und organisiert das Ziel der südslawischen Vereinigung zu verfol
gen. Die Nachricht vom Attentat in Sarajevo unterbrach den Kongreß. Daß es die
„Zastava“ wagte zu erscheinen ohne ein Wort des Beileids oder andere Trauerbekun
dungen nach dem Mord am Thronfolger, wurde von den österreichischen Behörden
als Solidarisierung mit den Attentätern des „Jungen Bosnien“ (Mlada Bosna) gewertet.
Die Reaktion war das Verbot der jugoslawisch-nationalistischen Zeitungen. Nach dem
Verbot des „Vihor“ und von „Narodno jedinstvo“ traf es die „Zastava“ am 27. Juli
1914. Als der Krieg dann begann, wurden die Zeitungen „Dubrovnik“, „Hrvatska
rijec“ (Das kroatische Wort) aus Sibenik, und „Sloboda“ (Die Freiheit) aus Split
gleichfalls verboten. Verantwortliche Redakteure, wie Mate Drinkovic und Oskar Tar-
taglia, wurden zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt. Ein letztes Mal mobilisierte Wien
alle Kräfte, und eine Verhaftungswelle rollte über die südslawischen Gebiete der Mon
archie. Alle oppositionellen Intellektuellen von der Küste, die konnten, suchten ihr
Heil in Flucht und Emigration.
Seit 1917 wurde der Ausgang des ,Großen Krieges' immer absehbarer, die politischen
Forderungen der südslawischen Politiker der Habsburgermonarchie immer drängen
der. Die in einem „Jugoslawischen Klub“ organisierten 33 Vertreter der südslawischen
Länder im Wiener Reichsrat verabschiedeten am 30. Mai 1917 eine „Wiener“ oder
„Mai-Deklaration“ genannte Erklärung, die „auf Grundlage des nationalen Prinzips
und des kroatischen Staatsrechts“ die „Vereinigung aller Länder der Monarchie“ for
derte, in denen „Slowenen, Kroaten und Serben leben“. Durchaus noch unter dem
Zepter der Habsburger Dynastie, aber ganz im Sinne trialistischer Auffassungen
strebte man eine Umformung des Staates an.118
50 Tage nach der Februar-Revolution in Rußland wurde in der Deklaration von Korfu,
die am 20. Juli 1917 von der serbischen Regierung und Vertretern des „Jugoslavenski
odbor“ (des Südslawischen Ausschusses) unterzeichnet wurde, ein Königreich der
Serben, Kroaten und Slowenen entworfen. Die zentrale Frage, ob dieses Königreich
zentralistisch oder auf föderativen Grundlagen organisiert sein sollte, blieb ungeklärt.
„Man wußte in Kroatien wenig von den Ereignissen“, bemerkte Josip Horvat, „die in
den folgenden Jahrzehnten die politischen Ereignisse wesentlich bestimmen soll
ten.“119 Diejenigen zuhause, die von den Verhandlungen des Jugoslavenski odbor mit
der serbischen Regierung wußten und die Vereinigungsidee unterstützten, handelten:
Als mit dem Neuen Jahr 1918 die „Stimme der Slowenen, Kroaten und Serben“ (Glas
Slovenaca, Hrvata i Srba) hauptsächlich mit dem Kapital des Arztes Dr. Roko Jokovic
in Zagreb erschien, hatte die Idee der Vereinigung auf Grundlage eines unitaristisch
verstandenen Jugoslawismus ihr Sprachrohr gefunden. Die dramatischen Kriegserei
gnisse hatten überkommene Parteiendifferenzierungen aufgehoben und das Ziel einer
76
„Jugoslavenstvo“ als Oppositionsstrategie
120 Vgl. Roksandic, Drago, „Glas Slovenaca, Hrvata i Srba“ o stvaranju jugoslavenske drzave
1918. godine (Die „Stimme der SHS“ über die Schaffung des jugosl. Staates 1918), in: ders.,
Srpska i hrvatska povijest, S. 197-212, der Leserbriefe aus Dalmatien (R. B. in Nr. 13 v.
18.01.1918) anführt, die die von den österr. Behörden erzwungene „Friedhofsruhe“ an der
Küste beklagen. Gleichzeitig wurde auch im Ausland für die südslawische Vereinigung gewor
ben. Vgl. Gmajner, Ivan, Savremeni hrvatski pokret za narodno ujedinjenje. Predavanje
drzano 28. februara 1918. u Zenevi (Die aktuelle kroatische Bewegung f. die nationale Vereini
gung. Vortrag vom 28.02.1918 in Genf), Zeneva 1918, S. 87f. In der selben Reihe der „Biblio-
teka Prosvete“ erschienen 1918 noch mehrere Schriften, die für die „südslawische Einigung
und Befreiung“ warben, so z.B. Slepcevic, Pero, Privatna inicijativa u nacionalnom radu (Die
private Initiative in der nationalen Arbeit) u. Markovic, Bozidar, Nase narodno ujedinjenje
(Unsere nationale Vereinigung).
121 In den fortlaufend von „Novo doba“ abgedruckten Spenderlisten, von Lesern, die die Heraus
gabe des Blattes unterstützten, dominierten eindeutig „bürgerliche“ Berufe.
122 Vgl. Baras, Frano, Glasnik novog vremena (Der Bote einer neuen Zeit), in: ders., Staro zrcalo
splitsko, Split 1994, S. 63-67, hier S. 63.
77
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
gen des einheitlichen Volkes der Kroaten, Serben und Slowenen und Sachwalter seiner
Bedürfnisse auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet“ werden sollte. Als wichtig
ste Aufgabe wurde es bezeichnet, „die Reihen des Volkes zu sammeln“, da es nicht
die Zeit „für Parteienhader“ sei; vielmehr sei das Gebot der Stunde, sich zu „einer
Kraft“ zu vereinigen, um das „große Ziel“ (Hervorh. im Original) zu erreichen: die
staatliche Vereinigung des „einheitlichen Volkes“ (jedinstveni narod) der Serben,
Kroaten und Slowenen. Die Berufung auf die „eigenen Vorläufer“, die Vorkämpfer
der „nationalen Wiedergeburt“, die „vor mehr als einem halben Jahrhundert an der
Küste unserer Adria die reine nationale Fahne entfaltet“ hätten, ergänzte das Angebot
an „alle Patrioten, ohne Unterschied, egal welcher Partei sie angehören, an der Zeitung
mitzuarbeiten, wenn sie nur danach streben, die nationalen Ideale zu verwirklichen
1600 Exemplare der ersten Nummer wurden im Handumdrehen nur in Split verkauft.
Die Redaktion traf sich in den Räumen der Anwaltskanzlei des ehemaligen Bürger
meisters Dr. Ante Trumbic, der als führendes Mitglied des „Jugoslawischen Ausschus
ses“ noch im Ausland war. Die Strategie der Redaktion124 bei der Auswahl der Bei
träge war klar. In den Worten des Chefredakteurs Kisic: „Alles, was schlecht für
Österreich ist, kommt ins Blatt; alles, was gut für die Alliierten ist und für uns, muß
noch stärker betont werden!“125
Die sich überstürzenden Ereignisse am Ende des Weltkrieges, der Zusammenbruch
Österreich-Ungarns erfüllte wohl die kühnsten Träume dieser Juristen-Journalisten-
Politiker.
Wie der gemeinsame Staat der südslawischen Völker am Ende des Ersten Weltkriegs
geschaffen wurde, ist bekannt. Durchaus umstritten ist hingegen, ob die Staatsgrün
dung „Lebensziel ganzer Generationen aller unserer Völker, auch des (...) kroati
schen“ und „Ergebnis der Nationalbewegung der südslawischen Völker“126 oder ein
künstliches Gebilde im Rahmen der neuen europäischen Friedensordnung von Ver
sailles war nach der Niederlage der Mittelmächte, der Auflösung der Habsburgermo
narchie127 und dem Verschwinden des zaristischen Rußland. Ob der „Hauptgrund für
78
Jugoslavenstvo " als Oppositionsstrategie
die Entstehung der multinationalen slavischen Staaten die politischen Zwänge nach
dem Ersten Weltkrieg“ waren oder gar ein „historische(r) Irrtum“ ist umstritten.
Zweifellos waren es auch die Ängste vor der äußeren Bedrohung, die 1918 „den Slova-
ken die staatliche Einheit mit den Tschechen und den Slovenen und Kroaten den
Zusammenschluß mit den Serben als zwingend erscheinen ließen.“128
Der neue Staat, das „Königtum (später Königreich) der Serben, Kroaten und Slowe
nen“ mit einem serbischen Monarchen aus der Dynastie Karadordevic an der Spitze,
entstand durch den Zusammenschluß der südslawischen Länder, die bis dahin Teil
Österreich-Ungarns gewesen waren (Slowenien, Kroatien - inklusive Dalmatien u.
Slawonien-, der Vojvodina und Bosnien/Herzegowina) mit Serbien und Montenegro,
die seit dem Berliner Kongreß von 1878 anerkannte selbständige Staaten waren.
Die Vorstellungen, wie der gemeinsame Staat aussehen sollte, wie die Vereinigung vor
sich gehen und die innere Struktur dieses neuen Staates sein sollte, gingen bei den
Politikern der einzelnen südslawischen Völker deutlich auseinander. Wie heterogen
der neue Staat war, dessen multinationale Bevölkerung bis zu dieser Vereinigung über
Jahrhunderte in verschiedenen Kulturkreisen gelebt hatte, ist gut dokumentiert.129
Bedingt durch die jeweils eigene geschichtliche Entwicklung unterschieden sich auch
die politischen Konzepte selbst jener Politiker, die sich für einen jugoslawischen Staat
einsetzten.
Nicht nur ein Jugoslawismus, der sich auf „romantisch-unitaristische“ Theorien berief
und eine ethnische und sprachliche Gemeinsamkeit aller Südslawen „von der Soca,
der Drau und der Adria, bis nach Saloniki und dem Schwarzen Meer“ postulierte, und
eine machtbewußte staatlich-serbische Expansionspolitik in der Tradition Garasanins
standen sich ab 1918 gegenüber.
Tatsache ist, daß die südslawischen Völker mit unterschiedlichen Konzeptionen und
national-politischen Ideologien in den 1.Weltkrieg gegangen waren. Während des 1.
Weltkriegs setzte sich der in London gegründete „Jugoslawische Ausschuß“ (Jugosla-
venski odbor130), der von kroatischen, slowenischen und serbischen politischen Emi
granten aus den südslawischen Gebieten Österrreich-Ungarns 1915 gegründet wurde,
bei den Ententemächten für die Schaffung eines jugoslawischen Staates ein. Auch der
Gründung des Nationalrates SHS in Zagreb 1918), in: Historijski zbornik VII, 1954, S. 23-
32, u. ders., Raspad Austro-Ugarske i stvaranje jugoslavenske drzave (Der Zerfall Österreich-
Ungarns und die Schaffung des jugoslawischen Staates), Zagreb 1977. Als Quellenband vom
selben Autor zusammen mit Dragoslav Jovanovic: Grada o stvaranju jugoslavenske drzave
(1.1. - 20.12.1918), 2 Bde., Beograd 1964.
128 Vgl. Moritsch, Einleitung, in: ders. (Hg.), Die slawische Idee, S. lOf.
129 Die beste dt. Gesamtdarst. bei Sundhaussen, Geschichte Jugoslawiens 1918-1980.
130 Schon aus der Schreibung des Adjektivs „jugoslawisch“ in der kroatischen Variante „jugosla-
venski“ und nicht serbisch „jugoslovenski“ (slowenisch: jugoslovanski) wird die Dominanz
der kroatischen Mitglieder im Ausschuß deutlich. Zum Ausschuß vgl. Paulova, Milada, Jugo-
slavenski odbor. Povijest jugoslavenske emigracije za svjetskog rata od 1914.—1918. (Der jug.
Ausschuß. Die Geschichte der jug. Emigration im Weltkrieg 1914-18), Zagreb 1924.
79
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
131 Vgl. Jelcic, Dubravko, Politika i sudbine: eseji, varijaeije i glose o hrvatskim politicarima
(Politik und Schicksale: Essays, Variationen und Glossen über kroatische Politiker), Zagreb
1995, hier „Do pakla i natrag (Zur Hölle und zurück): Ante Trumbic“, S. 86-108 u. „Natu-
knice o Jugoslavenskom odboru“ (Stichworte zum Jug. Ausschuß), S. 151-154. Von den 15
Mitgliedern des Ausschusses waren 9 Kroaten (Trumbic, de Giulli, Hinkovic, Marjanovic,
Mestrovic, Potocnjak, Supilo, Trinajstic, Gazzari), von ihnen war nur Hinko Hinkovic aus
dem kontinentalen Kroatien (aus dem Zagorje), alle anderen stammten von der Adriaküste.
132 Vgl. Kessler, Wolfgang, Jugoslawien - Der erste Versuch. Vorgeschichte und Gründung des
„Ersten Jugoslawien“, in: Elvert, Jürgen (Hg.), Der Balkan. Eine europäische Krisenregion in
Geschichte und Gegenwart, Stuttgart 1997, S. 91-118.
133 Die neueste Zusammenfassung des Forschungsstandes bei: Dahlmann, Dittmar, Die Pariser
80
Jugoslavenstvo “ als Oppositionsstrategie
Unter den Südslawen selbst war es aber, um mit den Worten des amerikanisch-serbi
schen Historikers Aleksandar Dragnich zu sprechen, „hauptsächlich der Politik Ser
biens bzw. des serbischen Ministerpräsidenten Nikola Pasic zu verdanken“, daß die
Idee eines jugoslawischen Staates von der Ebene „romantischer Träumereien und ver
baler Manifestationen“134 zu politischer Wirklichkeit wurde. Dragnich hat insofern
recht, als nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bei den Südslawen nur Serbien eine
entwickelte und intakte Staatsverwaltung hatte, die das Vakuum, das nach dem Zusam
menbruch Österreich-Ungarns in Slowenien, Kroatien und Dalmatien entstand, aus
zufüllen vermochte. Der serbische Staat, der sich 1918 auf der Siegerseite fand, schuf
Fakten, unter tätiger Mithilfe südslawischer Politiker der untergegangenen Habsburg
ermonarchie, die in Serbien den Kern eines zukünftigen Nationalstaates aller Südsla
wen sehen wollten. So wurde „der Kern des neuen Staates“ der „administrative und
militärische Apparat des ehemaligen Königreichs Serbien“. Und folglich: „As a victo-
rious power which had undergone tremendous sacrifices (...), Serbia claimed the le-
ading role in the new state.“135 Diese „preußischen Doktrin“ wurde verantwortlich
gemacht für „Zentralismus“ und „Aufoktroyierung des gesamten Staatsaufbaus des
Königreichs Serbien auf den neuen jugoslawischen Staat“, was bei den nicht-serbi
schen Völkern, v. a. bei den Kroaten, zu wachsender Ablehnung führte.136
Die Zahl historischer Untersuchungen, die sich nun damit beschäftigen, ob dieser
Anspruch Serbiens den neuen Staat notwendigerweise scheitern lassen mußte und ob
die nicht-serbischen Politiker überhaupt wußten, worauf sie sich mit dieser Vereini
gung eingelassen hatten, sind Legion. Wendet man den Blick ab von der Achse Zagreb-
Beograd, auf der Jugoslawien beruhte und schließlich zerbrach, und schaut auf die
Provinz, dann stellen sich manche Fragen anders.
Wie genau nämlich die Machtverteilung im zukünftigen Staat aussehen sollte, ob ein
föderativer Bundesstaat oder ein zentralistischer Einheitsstaat anzustreben war, schien
im Sommer 1918 in Dalmatien nicht die drängendste Frage gewesen zu sein. Daß es
aber nicht so bleiben durfte, wie es war, läßt sich trotz strenger Zensur in Kriegszeiten
Friedenskonferenz und die Entstehung eines Staates der Südslaven, in: Potthoff, Wilfried
(Hg.), Konfliktregion Südosteuropa: Vergangenheit und Perspektiven; Vorträge der Ringvor
lesung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Wintersemester 1995/96
und Sommersemester 1996, München 1997, S. 151-163. Nach wie vor grundlegend neben der
Studie von Ivo Lederer, Djordjevic, D. (Hg.), The Creation of Yugoslavia 1914-1918, Santa
Barbara/Oxford 180; Zivojinovic, D., America, Italy and the Birth of Yugoslavia, 1917-1919,
Boulder/New York 1972; Mitrovic, Andrej, Jugoslavija na konferenciji mira 1919-1920 (J.
auf der Friedenskonferenz 1919-20), Beograd 1969.
134 Dragnich, Alex N., Serbia, Nikola Pasic and Yugoslavia, New Brunswick, New Jersey 1974,
S. lllf.
135 Ygj Fogelquist, S. 9ff.
136 Grol, Milan, Dve godine zabluda i lutanja (Zwei Jahre der Irrtümer und des Herumirrens),
in: Misao, V 1921, S. 294, hier zit. nach Popovic, Olga, Stojan Protic i ustavno resenje nacio-
nalnog pitanja u Kraljevini SHS (S. P. und die verfassungsmäßige Lösung der nationalen Frage
im Kgr. SHS), Beograd 1985, S. 101.
81
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
aus fast jeder Nachricht, jedem Bericht der regionalen Tageszeitung „Novo doba“
herauslesen.
Die wichtigste lokale Zeitung war jedenfalls voller Gründe, die nach Meinung des
Konsortiums aus Händlern und Anwälten,137 die die Zeitung finanzierten, dafür spra
chen, mit den bestehenden Verhältnissen unzufrieden zu sein. In den ersten Monaten
ihres Erscheinens fand die Redaktion keine einzige (!) positive Nachricht aus Split
und Dalmatien meldenswert. Die Korrespondenten des Blattes, von Dubrovnik im
Süden bis Zadar im Norden, von den Inseln bis zum dalmatinischen Hinterland, be
richteten aus allen Gebieten und Städten mit demselben Tenor: „Das Leben in Dalma
tien ist unerträglich!“138 Die österreichische Verwaltung „redet viel, aber die Getreide
speicher werden leer sein. (...) Eine Hungerkatastrophe kommt auf uns zu.“ In einem
Bericht aus Kotor hieß es: „Nicht nur die furchtbare Situation, in der wir hungern,
sind wir leid, auch haben wir genug von den Herren, die bestimmen (...) Am schwer
sten ist es, daß wir nicht einmal protestieren dürfen (...) Wir werden gezwungen,
Hunger zu leiden und zu schweigen“.139 Die Frage „Muß es denn wirklich so
sein...?“140 wurde immer öfters gestellt, und die zwischen den Zeilen zu lesende Ant
wort war unmißverständlich: Würde man erst mit den anderen südslawischen Völkern
in einem eigenen Staat leben, würde alles besser werden.
Doch damit dieser entstehen konnte, mußte erst der bisherige, österreichische unterge
hen. Denjenigen, die der Donaumonarchie immer publizistisch loyal gegenübergestan
den waren, war ein solch revolutionäres Ansinnen nicht geheuer. Die Verteidiger der
bestehenden Ordnung des scheinbar geregelten Lebens im abgeschiedenen Kronland
der Habsburgermonarchie standen jedoch mit ihren Warnungen vor den „gefährli
chen, staatszerstörerischen Tendenzen“ nach vier Jahren Krieg, in dem auch zehntau
sende Menschen aus Dalmatien ihr Leben verloren hatten,141 auf verlorenem Posten.
137 Zum zahlenmäßig kleinen dalmatinischen Bürgertum gehörten ohne Zweifel die Advokaten
und Notare. Die ständigen Landstreitigkeiten, eine Folge der überkommenen Agrarverhält
nisse, eine der übergroßen Mehrheit von Nicht-Gebildeten unverständliche Verwaltungsge
setzgebung, zahlreiche Verordnungen etc. schufen ein breites Betätigungsfeld für Juristen. Vor
Gericht und in den Amtsstuben das komplizierte, mit viel Schreibarbeit verbunden „Recht“
zu erstreiten, brauchte man die „Herren Advokaten“, die einer angesehenen und lukrativen
Profession nachgingen. Sie vertraten Landarbeiter wie Grundbesitzer in den zahlreichen Strei
tigkeiten über Abgabepflichen, Feldraine etc. All das sicherte ihnen eine unabhängige, materi
ell abgesicherte Existenz, und es ist kein Zufall, daß infolge dessen zahlreiche Anwälte in der
dalmatinischen Politik eine hervorragende Rolle spielen. 48 Anwälte und vier Notare (Petar
Kamber, Bruno Katalinic, Toma Polic, Dr. Ivo Uglesic) betrieben in Split Mitte der 30er Jahre
ihre Kanzleien; vgl. Mladina, Josip A., Privredni adresar Splita (Spliter Wirtschaftsadressen
buch), Split 1934.
138 Novo doba v. 04.07.1918, S. 3 „Bericht aus der Region: Aus Drnis“.
139 ebenda, „Bericht aus Kotor“, S. 3.
140 Novo doba v. 05.07.1918.
141 Nach Berechnungen von Jozo Tomasevich (Peasants, Politics and Economic Change in Yu-
goslavia, Stanford 1955, S. 225) forderte der Erste Weltkrieg 34.000 Todesopfer aus Dalmatien.
82
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
Nicht der Staat und schon gleich nicht der als fremd empfundene österreichische142
stand am Ende des Weltkrieges mehr im Zentrum des politischen Interesses der sich
publizistisch artikulierenden dalmatinischen Öffentlichkeit, sondern die „dreinamige
Nation“.
Schon lange vor dem endgültigen Friedensschluß beendeten viele k.u.k.-Soldaten aus
Dalmatien für sich den Krieg, indem sie desertierten. Mehr oder weniger jeden Tag,
bis zum endgültigen Ende der österreich-ungarischen Armee, listeten die Chronisten
von „Novo doba“ die neuesten Fälle von Fahnenflucht, Absetzen von der Truppe,
Überlaufen zu den „Feinden der Mittelmächte“ und darauf folgenden Repressions
maßnahmen der Behörden auf. Durfte die Zeitung auch nicht die immer mehr zuneh
menden Desertionen zustimmend kommentieren, so machte sie doch durch das Her
ausstreichen der „ehrbaren Berufe“ und der vormaligen gesellschaftlichen Stellung der
Fahnenflüchtigen deutlich, daß sie sie keineswegs für ehrlose Gesellen hielt. Wenn
die Zeitung herausstrich, daß dem „tüchtigen Fabrikanten Antun Mardesic aus Hvar,
Reservekadett des 22. Infantriebatallions“ wegen „Überlaufens zum Feind“ von „den
Machthabern der Besitz konfisziert“ wurde,143 wurde deutlich, auf welcher Seite die
Sympathien der Redaktion lagen.
Mit den immer offensichtlicheren Erfolgen der Alliierten (und nach der Proklamation
der Wilsonschen 14 Punkte, die u. a. das „Selbstbestimmungsrecht“ für die Völker
einforderten) wuchs auch die offen anti-österreichische Stimmung in Split und Dalma
tien. Offen artikuliert wurden die politischen Interessen und Forderungen der großen
Mehrheit der politisch denkenden dalmatinischen Bevölkerung auf einer „Volksver-
Für das ganze Gebiet des späteren Jugoslawien nennt er die Zahl von 1,9 Millionen durch
den Krieg zu Tode gekommenen (bei einer Vorkriegsbevölkerung von 12,2 Mio.). Das erste
große Schlachtfest des Todes in unserem Jahrhundert forderte den größten Blutzoll von Ser
bien mit 811.300 Toten. Mazedonien hatte 312.500, Bosnien-Herzegowina 312.300, Kroatien
25.1000, Vojvodina 80.700, Montenegro 51.400 und Slowenien 49.900 Opfer zu beklagen.
142 Vgl. die im Museum der Stadt Split (Muzej grada Splita) aufbewahrten schriftlichen Aussagen
und Erinnerungen von Zeitgenossen; Memoarska Grada 1900-1982; davalaca izjava 1.202,
kut. 43; 4,7. A I.
143 Novo doba v. 04.07.1918, S. 3.
83
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Sammlung“ (narodni zbor) am 2. Juli 1918, bei der zwei Resolutionen verabschiedet
wurden: In der „einmütig“ verabschiedeten „Politischen Resolution“144 wurde im Na
men aller „Kroaten und Serben aus allen Gebieten Dalmatiens, Anhänger aller dalma
tinischen Vorkriegsparteien“ erklärt, daß „die gesamte dalmatinische Bevölkerung in
einem politischen Gedanken und einem politischen Ziel geeint“ sei. Das „ethnisch
einheitliche Volk der Serben, Kroaten und Slowenen“ habe „das unveräußerliche
Recht und die Pflicht (...), mittels seines Rechts auf Selbstbestimmung, seinen einheit
lichen, unabhängigen Staat zu schaffen.“ Solange dieses „höchste nationale Ziel nicht
erreicht (...) oder wenigstens gesichert erscheint“, dürfe es keine Parteienstreitigkeiten
geben. Die Durchsetzung dieser Politik machte sich eine neugeschaffene „Nationale
Organisation der Serben, Kroaten und Slowenen in Dalmatien“ (Narodna organiza-
cija) zur Aufgabe, die aus 16 Personen bestand und nach Bedarf „durch Kooptierung“
vergrößert werden sollte.
Genauso „einmütig“ wurden auf derselben Versammlung „Wirtschaftliche Forderun
gen“ angenommen, die in 15 Punkten detailliert auf die katastrophalen ökonomischen
Lebensbedingungen in Dalmatien 1918 eingingen: Es wurde in drastischen Worten
gegen die schlechte Versorgungssituation protestiert. Nach Meinung der Resolution
fehlte es an allen Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs in Dalmatien. Die
gefaßten Beschlüsse wurden umgehend, „wie die Liste der Mitglieder, die in obigen
Ausschuß gewählt wurden“, von den „Initiatoren der Versammlung der Volksvertre
tung, der Regional-, Landes- und Staatsregierung zugestellt“.
Am nächsten Tag berichtete „Novo doba“, daß die Ausgabe mit den Berichten von
der Volksversammlung den Verkäufern aus den Händen gerissen wurde. „Wir blieben
ohne ein einziges Exemplar, obwohl wir das Blatt in einer großen Auflage drucken.
Mit Freude vermerken wir diese Erscheinung, denn sie ist uns Beweis, daß die Be
schlüsse der gestrigen Versammlung den Gedanken und Gefühlen dieser Stadt entspre
chen.“145
In den obigen Resolutionen tauchten die drängendsten Probleme auf, die das Leben
in Dalmatien auch in der Zeit zwischen den Weltkriegen prägten: die unzureichende
Nahrungsmittelversorgung und die schlechten Verkehrsverbindungen. Die Vereini
gung in einen „einheitlichen, unabhängigen Staat“ schien einen Ausweg aus den
Schwierigkeiten zu bieten. Nicht mehr länger wollte man vergessene Provinz sein, die
144 Vgl. „Politicka rezolucija“ (Politische Resolution) und „Gospodarske rezolucije“ (Wirtschaft
liche Forderungen) in: Novo doba v. 03.07.1918, S. 1.
145 Novo doba v. 04.07.1918, S. 3.
84
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
85
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des 'Weltkrieges
Am 2. Juli 1918 wurde in Dalmatien eine „Nationale Organisation der Serben, Kroa
ten und Slowenen“ gegründet, deren Mitglieder am 8. Oktober in Zagreb den Natio
nalrat der Südslawen der Donaumonarchie konstituieren. In den Exekutivausschuß
des Nationalrates wurden der Abgeordnete des Dalmatinischen Landtags Mate Drin-
kovic und Prvislav Grisogono gewählt.153 „Novo doba“ machte seine Leserschaft aus
führlich mit den in Zagreb gefaßten Beschlüssen und Forderungen des „Narodno
86
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
87
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
88
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
serbischen und kroatischen Fahnen geschmückt. Bei aller Begeisterung (die Hymne
„Hej Slaveni“ sei spontan gesungen worden, es wurden Fahnen geschwenkt und „ge-
jubelt“; „die Jugend“ habe „einen anwesenden serbischen Kriegsgefangenen mit der
Fahne“ geschmückt und ihn „auf den Schultern über den Platz“ getragen) wird als
einziger „Exzess“ erwähnt, daß von einem Laden das Schild „Hoflieferant“ abgerissen
wurde“. Ein anderer Laden hingegen, der „in der Auslage die Bilder von Dr. Trumbic
und Wilson ausgehängt hat“, sei von Käufern überrannt worden, nachdem sich „in
Windeseile die Nachricht verbreitet hatte, daß die Freiheit gekommen ist!“170
Die Mitglieder der Narodno vijece in Split: Dr. Josip Smodlaka, Dr. Prvislav Griso-
gono, und die Führung der improvisierten „Volksorganisation“ (narodna organiza-
cija): (Dr. Gajo Bulat, Ivo de Grisogono, Dr. Ivan Majstrovic, Dujam Mikacic, Rak
Simo, Dr. Vjekoslav Skarica, Dragutin Bartulica) erließen folgenden Appell an ihre
Mitbürger, der als Flugblatt in Split kursierte und am 29.10. noch einmal in „Novo
doba“ abgedruckt wurde:
„ Spliter! Das, was seit jeher euer stiller Wunsch war, was bis gestern nur ein Rosentraum war,
ist heute glänzende, herrliche Wahrheit! Unsere Freiheit wird jetzt geboren. Spliter! In dieser
unaussprechlich großen Stunde ist es nur natürlich, wenn die jahrhundertelang unterdrückten
Sehnsüchte mit elementarer Gewalt hervorbrechen. Sollen sie hevorbrechen, das ist gerecht:
das ist unser Recht, das ist unsere Pflicht. Aber, Brüder, vergeßt nicht, auch nicht für eine
Sekunde, daß die ganze zivilisierte Welt auf uns schaut und sehen will, ob wir des einzigartigen
Geschenks der nationalen Freiheit auch würdig sind. Beweisen wir, daß wir die Fundamente
jedes Rechts schätzen: Achten wir jedermanns persönliche Freiheit und Eigentum. Spliter! Un
sere einzige und oberste Autoriät ist das „Narodno vijece SHS“. (...) Kroaten, Serben und
Slowenen, es lebe unser freies Jugoslawien/“ (Hervorh. im Original)171
Daß man entschlossen war, die Lostrennung von Österreich irreversibel zu machen,172
belegt die sofortige Schaffung einer „Volksgarde“, die hauptsächlich aus rund 200
aktiven Mitgliedern des Sokol-Verbandes und einigen Sozialdemokraten bestand. Die
sog. „jugoslawischen Gardisten“ schworen, „die Ordnung und die Sicherheit der Per
sonen und des Eigentums“ zu schützen, und die Befehle des „Narodno vijece SHS“
zu befolgen. Wie die Zeitung weiter berichtete: „Danach setzten sich die Gardisten,
patriotische Lieder und die Marseillaise singend, über die Uferpromenade in Richtung
„Kroatisches Versammlungshaus“ in Bewegung, wo die erste Abteilung ihren Dienst
antrat. Eine Menge Volks begleitete sie, singend und die Freiheit, Trumbic, Wilson
usw. hochleben lassend“.173
170 ebenda.
171 ebenda, S. 3.
172 Die dalmatinischen Mitglieder drohten dem Narodno vijece in Zagreb sogar an, daß Dalma
tien „sich auch alleine mit Serbien und Montenegro vereinigen“ würde, sollten die kroatischen
Politiker noch weiter zögern. Vgl. Macan, Povijest hrvatskoga naroda, S. 390.
173 Novo doba v. 29.10.1918.
89
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
So ruhig endete in Split eine Epoche.174 Dalmatien war damit, über ein Jahrhundert
nachdem es auf dem Wiener Kongreß Österreich zugeschlagen worden war, nicht
mehr ein Kronland der Habsburgerdynastie.
Auch alle alten Parteien hatten sich scheinbar in der Begeisterung über den Zusam
menbruch Österreich-Ungarns und vor Freude über die Chance eines Neuanfangs
„aufgelöst“, wie übereinstimmend von vielen Zeitgenossen nach 1918 bemerkt wurde.
Die Mitglieder des Spliter Nationalrat führten alle Anwaltskanzleien. (Grundsätzlich
dominierten in allen diesen neugegründeten Ausschüssen die Angehörigen des dalma
tinischen Bürgertums.)175 Auch der aus einer alten Spliter Patrizierfamilie stammenden
Publizist und Politiker Ivo Tartaglia,176 der zu den prägenden politischen Persönlich
keiten Dalmatiens von der Jahrhundertwende bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte, war
Anwalt.177 Wie seine anderen Berufskollegen, unter ihnen auch Ante Trumbic, der
den neuen Staat auf der Friedenskonferenz vertrat, strebte er einen „nationalen Staat“
der Südslawen an.178 Später erinnerten sich diese Anwälte-Politiker, daß damals „kei
nerlei Hilfe“ vom „Narodno vijece“ (Nationalrat) aus Zagreb bei der Konsolidierung
nicht nur der finanziellen Schwierigkeiten zu erwarten gewesen sei. Mehr noch: die
„Anordnungen“ und „seltsamen Befehle“, die aus Zagreb kamen, erwiesen sich vor
Ort nur allzuoft als nicht umsetzbar. So landeten etliche dieser Telegramme „im Pa
pierkorb“ und man versuchte, selbst zurechtzukommen.179
174 Vgl. auch Domazetovic, Kosta, 30 dana 1918 (devetstoosamnaeste) gledanih iz Zagreba (30
Tage des Jahres 1918 aus Zagreb gesehen), Zagreb 1938, wo auf Grundlage der zeitgenössi
schen Berichterstattung die ^evolutionären“ Ereignisse des Monats Oktober in allen südslawi
schen Gebieten geschildert werden. Das von ihm gezeichnete Bild von überschäumender Be
geisterung an der Küste, nachdem die Entscheidung des Sabor bekannt wurde, deckt sich
vollständig mit der Berichterstattung von „Novo doba“ und mit Erzählungen von befragten
Zeitzeugen.
175 Vgl. Stanic Grisa, Josip, Na izvorima povijesti Omiske, Poljicke i Krajiske opcine 1911 —
1941 (An den Quellen der Geschichte von Omis, Poljica u. Krajina), Omis 1972, S. 38f.; Das
„Narodno vijece“ in Omis z. B. bestand aus dem Gerichtspräsident Dr. Ante Fabrio, dem
Händler Jerko Skrivanic, dem Anwalt Dr. Stjepo Vukusic, Jakov Tomasovic (Schreibwaren
händler), Petar Franceschi (Apotheker), dem Arzt Dr. Duro Mimica, dem Priester Miroslav
Skrivanic, dem (nun ehemaligen) k.u.k.-Staatsbediensteten Josip Velic, dem Großgrundbesit
zer Jakov Pesic, sowie einem Vertreter der örtlichen Arbeiterschaft, Nikola Buljevic; vgl.
Novo doba v. 20.11.1918.
176 Die Familien Tartaglia und Grisogono gehörten zum nach wie vor begüterten und einflußrei
chen dalmatinischen Adel; vgl. J. Siebmacher’s grosses Wappenbuch, Bd. 29: Der Adel in
Kärnten, Krain und Dalmatien von 1873 (unveränderter Nachdruck Neustadt a.d. Aisch
1980).
177 Machiedo-Mladinic, Norka, Zivotni put dr. Ive Tartaglie (Der Lebensweg von Dr. Ivo Tartag
lia), in: Radovi Zavoda za Hrvatsku povijest 26/1993, S. 281-288.
178 Vgl. Tartaglia, Ivo, Uspjesi i zadaci Narodne organizacije za Dalmaciju (Die Erfolge und
Aufgaben der Volksorganisation für Dalmatien), in: Novo doba v. 18.07.1918.
179 Vgl. Smodlaka, Zapisi „U privremenoj vladi za Dalmaciji“, S. 56-66, hier S. 57. Plastisch
beschreibt er dort die Schwierigkeiten bei der Schaffung einer neuen Verwaltung.
90
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
Tatsächlich gelang es, ohne Blutvergießen die Lage bis zum 20. November, als serbi
sche Truppen in die Stadt kamen, stabil zu halten.180 Bei aller Begeisterung, die damals
herrschte, erwähnt Josip Smodlaka aber auch „eine erste Unstimmigkeit“, die die jugo
slawische Stimmung trübte, als „in Dalmatien nicht gefragt wurde, wer Kroate und
wer Serbe ist“, weil „ein junger Anwalt aus Norddalmatien, demonstrativ sein Serben-
tum in einem besonderen Gruß herausstrich, was sowohl die Armee, als auch die
Bürgerschaft als unpassend und überflüssig empfand.“181 Nichts illustriert wohl deut
licher die 1918 herrschende Stimmung, als Smodlakas Begrüßung der serbischen Ar
mee:
„Gesegnet sei die Stunde, als wir euch erblickten! (...) Willkommen unsere ruhmbedeckten
Brüder, unsere Rächer und jetzt auch Wächter unseres blauen Meeres! (...) Heldenhafte Söhne
des heldenhaften Landes, die ihr nach sechs schweren Kriegsjahren an unsere für euch ge
schmückte Küste kommt, schon lange habt ihr die Grenzen des kleinen und des großen
Serbien überschritten. In dieser Stadt steht ihr heute weit jenseits innerhalb der Grenzen des
Feindesreiches. Ihr schafft ein neues und mächtigeres Reich, Jugoslawien, unseren gemeinsa
men Staat und unsere Mutter. Unsere Wiedergeburt, und jetzt unsere Auferstehung, ist zum
größten Teil euer Werk, das Werk der serbischen Armee. Deshalb lieben wir euch, serbische
Soldaten, deshalb feiern wir euch, deshalb heben wir euren Namen hoch in den Himmel.“182
Die Demonstrationen für den neuen Staat verliefen in Dalmatien ohne größere rekon
struierbare Mißklänge. Und als ob ein Kaisergeburtstag gefeiert würde, berichtete
180 Wie sehr sich die serbische Armee als „Siegermacht“ in Dalmatien nach 1918 gebärdete, ist
bislang noch unzureichend erforscht, genauso ist die Rolle des „Splitski puk“, der Ende No
vember 1918 gegen Italien aufgestellt und dann von der Armee aufgelöst wurde, noch kaum
beleuchtet worden ist. Vgl. die Arbeiten v. Cekic, Smail, Revolucionarni rad KPJ u Jugosla-
venskoj vojsci izmedu dva rata, (=Diss.) (Die rev. Arbeit der KPJ in der jug. Armee zw. den
Weltkriegen), Zadar 1990, S. 91ff. bes. S. 98 u. Pribilovic, Kazimir, Ratna mornarica Kraljevine
SHS i Kraljevine Jugoslavije (1918-1941), (=Diss.) (Die Kriegsmarine des Kgr. SHS u. des
Kgr. Jugoslawien), Split 1980. Pribilovic stellt fest, daß die kroatisch-stämmigen k.u.k.-Offi-
ziere 1918 „abgesehen von sehr seltenen Ausnahmen (...) ohne besondere nationale Empfin
dungen“ waren. Der „Kaiser war alles, die eigene Nationalität sehr wenig (...)“; ebenda, S. 29.
181 Smodlaka, Zapisi, S. 65.
182 Vgl. Grußadresse v. Josip Smodlaka an die serbische Armee, vom 20. November 1918, anläß
lich ihrer ersten Ankunft im Spliter Hafen, unter der Führung des Majors Stojan Trnokopovic,
hier zit. nach Znamenite rijeci i znacajne izjave o Jugoslovenstvu i o Narodnom jedinstvu
(Berühmte Worte und wichtige Aussagen über den Jugoslawismus und über die nationale
Einheit). Sabrao Juraj J. Kalinic, Knjiga I., Sibenik 1936, S. 32; Muzic, S. 29, zit. einen Brief
des serbischen Diplomaten Zivojin Balugdzic v. 26.10/8.11.1918 an den Regenten Aleksandar,
der die Stimmung vieler dalmatinischer Intellektueller jener Zeit einfängt. So berichtet er von
einem Besuch des Spliter Literaten und Politikers Tresic-Pavicic und zweier weiterer Mitglie
der des Zagreber Nationalrates auf der Insel Korfu, deren Serbophilie sogar den serbischen
Berichterstatter erstaunte. Daß die gesamte Macht in Kroatien in den Händen zweier Ser
ben - von Svetozar Pribicevic und Dusan Popovic - läge, fänden sie richtig, angesichts der
Tatsache, daß Serbien ihnen die „Befreiung“ gebracht hätte. Auch seien sie gegen einen födera
tiven Staatsaufbau.
91
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Novo doba von den Demonstrationen und Kundgebungen, bei denen „Feuerwehr,
Musikkapelle, Fahnen, Volksausschuß, der Sokol, der (Singverein) Zvonimir, die Da
men und Fräulein, die Sozialdemokraten, die Schülerschaft und der Rest der Bürger
schaft“ aufmarschierten.183 All diese Gruppen waren im Demonstrationszug in ge
nannter Reihenfolge vertreten und hörten den Schwüren der Redner begeistert zu,
„daß wir unseren Staat, Jugoslawien, schützen und verteidigen werden wie unsere
serbischen Brüder. Zum allerersten Mal in der Geschichte wird vom Timok bis zum
Triglav eine Fahne wehen, vom blauen Meer bis zum Vardar. Es lebe das freie Jugosla
wien! (Rede von Ivo Grisogono).“ Auch „der Führer der Sozialdemokraten Gabric“
sprach zur Menge. Er betonte, daß sich „die Sozialdemokraten mit allen Bürgern
zusammen freuen und die Schaffung des jugoslawischen Staates begrüßen, der auf
demokratischer Grundlage erbaut werden soll. Er sprach weiterhin vom Verhältnis
der Arbeiter zum neuen Staat und meinte, daß der Kampf der verschiedenen Gesell
schaftsschichten auch in ihm nicht aufhören würde, und in diesem Kampf seien die
Arbeiter der ganzen Welt einig. Er appellierte an die Volksführer, Sorge dafür zu
tragen, daß die breiten Volksmassen nicht weiter Hunger leiden und fügte hinzu,
daß auf diesem Wege am besten „weitere Unruhen verhindert würden.“ Zum Schluß
erwähnte der Bericht noch „eine schöne Anzahl Bäuerinnen aus der Umgebung“, und
schätzte die Zahl der Anwesenden auf „über 10.000 Seelen.“184 Der „Kampf gegen die
örtliche Bourgeoisie“, den die neugegründeten Arbeiterparteien aufnahmen, muß hier
nicht interessieren. Doch wie stark in jenen Tagen der jugoslawische Überschwang an
der Küste war, wird auch aus der Tatsache deutlich, daß die Sozialdemokraten sich
sicher waren, daß ihre polemische Kritik der lokalen Machthaber als nur scheinbaren
„großen Jugoslawen“, die im Innersten „Frank-Anhänger, Klerikale, Österreicher“
geblieben seien, die Stimmung ihrer Adressaten treffen würde.185 Dieser verbindende
Jugoslawismus dauerte aber nicht lange, und die Warnungen an die „echten Falken“,
die Mitglieder des „Sokol“, häuften sich, nicht bei a-nationalen Elementen (womit die
Sozialdemokraten gemeint waren) mitzumarschieren.186
Doch in den ersten Tagen wurden noch keine Gegensätze sichtbar. Berichte von „Ju
belfeiern in der Region“, in Sibenik, Solta, Omis, Kastela, Brac, Makarska, Dubrovnik,
92
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
Knin, Zadar, Drnis usw. füllten die Zeitungsspalten,187 die sich alle sehr ähnelten. Am
1. November 1918 faßte die Schlagzeile „Wir haben unseren Staat!“ (Imamo svoju
drzavu!) die „Änderungen von größter historischer Bedeutung“ zusammen;188 ein
neues Kapitel in der Geschichte Dalmatiens hatte begonnen. In allen Teilen Dalma
tiens wurde die Niederlage der Mittelmächte, in den Worten des Zeitgenossen Jaksa
Ravlic, „mit unbeschreiblicher Begeisterung“ begrüßt. Es bildeten sich lokale „Volks
räte“ (Narodno vijece), die sich dem Spliter „Nationalrat für Dalmatien“ unterstellten.
Alles verlief in „tadelloser Ordnung“, wie die Zeitung unterstrich.189 Auch die Prokla-
mierung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen am 1. Dezember 1918
wurde mit Begeisterung begrüßt „im Glauben an bessere Tage“, die damit gekommen
schienen. Die „einzelnen Enttäuschungen, die einsetzten, wurden anfangs als etwas
Unvermeidliches auf dem Weg des Ausbaus und der Stabilität des jungen Staates gese
hen.“190 Mehr noch: Gerade aus Dalmatien rekrutierten sich unter den Kroaten die
aktivsten Kräfte, die die Vereinigung mit allen Mitteln unumkehrbar machen wollten.
In den Erinnerungen des Bildhauers Ivan Mestrovic wird die in Zagreb herrschende
Vereinigungsstimmung so beschrieben: „Pribicevic führt das große Wort und hat sich
zur Hauptperson aufgeschwungen. Und Fanatiker, der er ist, hat er Fanatiker um sich
geschart, vor allem aus Dalmatien (Hervorh. A. J.), und, indem er die Vereinigungsbe
geisterung ausnützte, durchgesetzt was er wollte, und wo das nicht ging, hat er Terror
angewendet. Der einzige, der ernsthaften Widerstand leistet, ist Radic, der nur mit
Mühe und Not sein Leben gerettet hat (...)“. Etwas weiter hieß es gar: „(...) aber die
Dalmatiner terrorisieren die ganze Stadt, alles und jeden, und sagen: „Wenn ihr nicht
wollt, gehen wir alleine nach Belgrad und verkünden die Vereinigung Dalmatiens mit
Serbien“ - denn „so hofften sie, Dalmatien vor den Italienern zu retten.“191 Schon
am 20. November sollte der Nationalrat in Zagreb, auf Antrag der „dalmatinischen
Regierung“ beschließen, daß die serbische Dynastie Karadordevic auf dem ganzen
ehemaligen k.u.k.-Gebiet anerkannt werden und eine gemeinsame Regierung gebildet
werden solle. Durch die Intervention von Stjepan Radic wurde die Entscheidung dar
über auf den 24. 11. verschoben.192
187 Novo doba v. 31.10.1918, S. 2. In dieser Ausgabe auch der vollständige Text des Beschlusses
des Sabor. In Dubrovnik fanden gleichfalls „große pro-jugoslawische Manifestationen“ statt;
vgl. Novo doba Nr. 35 v. 14.07.1918, S. 2.
188 Novo doba v. 01.11.1918, S. 1.
189 Zanini, Juraj, Makarska u proslosti i sadasnjosti (Makarska in Vergangenheit und Gegenwart),
Mostar 1935.
190 Peric, Ivo, Pomorska banka u Dubrovniku (Razlozi osnutka, tokovi poslovanja i uzroci likvi-
dacije) (Die Pomorska banka in Dubrovnik), in: Anali Zavoda za povijesne znanosti Jugosla-
venske Akademije Znanosti i Umjetnosti, Sv. XXVIII, Dubrovnik 1990, S. 227.
191 Vgl. Mestrovic, Ivan, Uspomene na politicke ljude i dogadaje (Erinnerungen an politische
Menschen u. Ereignisse), Zagreb 1969, S. 10 u. lOlf.
192 Vgl. Radic, Stjepan, Seljacka sviest i narodna volja, S. 25, hier zit. nach Muzic, S. 29.
93
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Die dalmatinische Öffentlichkeit wußte in jenen Tagen noch nichts von dem Brief,
den Ante Trumbic aus Paris am 31. Oktober 1918 an Anton Korosec geschrieben
hatte. Wut und Arger über die „armselige Oligarchie, die die Macht (in Serbien, A. J.)
usurpiert“ habe, wurde darin geäußert. Bei aller nach außen zur Schau gestellten Ei
nigkeit der südslawischen Mitglieder des „Jugoslavenski odbor“ und der serbischen
Regierung schienen die Differenzen doch größer zu sein:
„Die gesamte Opposition im serbischen Parlament, die in der Mehrheit ist, wie auch die
öffentliche Meinung des Volkes in Serbien, ist sich einig mit uns und will gleichfalls nicht,
daß Serbien in unserem Volk die Rolle Preußens spielt, sondern danach streben, daß Serbien,
wie auch unsere anderen Länder, ein integraler Bestandteil des Ganzen sein wird, auf Basis
der nationalen Freiheit und der Gleichberechtigung. (...) Auf dieser Grundlage werden wir
nicht nur unser Volk vereinen und einen starken Staat schaffen, sondern wir werden so auch
Teile unseres Territoriums an der Peripherie retten können, die bedroht sind durch die An
sprüche der benachbarten Völker.“193
Trumbic, und mit ihm die gesamte dalmatinische Öffentlichkeit, hatten dabei die Be
setzung großer Teile Dalmatiens durch italienische Truppen im Auge. In einer Protest
note vom 8. November 1918, wurde die Besetzung durch den in Zagreb tagenden
Nationalrat scharf kritisiert und unter Berufung auf das „Manifest des Nationalrates
(Narodno vijece) der Slowenen, Kroaten und Serben vom 19. Oktober“ darauf bestan
den, daß es zur Gründung eines „unabhängigen und freien Staates“ der südslawischen
Völker auf dem Gebiet der untergegangenen Habsburgermonarchie gekommen sei,
und Italien daher kein Recht hätte, seine Truppen in diese Gebiete zu schicken.194
Aufgrund dieser „italienischen Bedrohung“ startete Josip Smodlaka Mitte November
in Dalmatien eine Aktion, zusammen mit der bosnischen Regierung der „nationalen
Einheit“, um den Nationalrat in Zagreb vor die Entscheidung zu stellen: entweder die
Vereinigung sobald als möglich und die Schaffung einer gemeinsamen Regierung mit
Serbien, oder Dalmatien und Bosnien würden sich allein an das Königreich Serbien
anschließen. Offiziell wurde von den Dalmatinern am 16. November 1918 die Ent
scheidung für den Zusammenschluß mit Serbien binnen 5 Tagen verlangt,195 drei Tage
bevor die italienischen Truppen unter Vizeadmiral Mill, der zum „Gouverneur Dalma-
193 Vgl. Paulova, Milada, Jugoslavenski odbor. Povijest jugoslavenske emigracije za svjetskog rata
od 1914.-1918. (Der Jug. Ausschuß. Gesch. der jug. Emigration während d. Weltkrieges
1914.18), Zagreb 1924, S. 552.
194 Vgl. Boban, Ljubo, Hrvatske granice 1918-1993 (Kroat. Grenzen 1918-93), (2. Aufl.), Za
greb 1993, S. 11.
195 Paulova, S. 577.
94
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
tiens und der dalmatinischen Inseln“ ernannt wurde, am 19. November anfingen, auf
der östlichen Seite der Adria Gebiete zu besetzen.196
Insgesamt besetzte die italienische Armee das Territorium von 31 der 88 dalmatini
schen Gemeinden (mit 379 von insgesamt 875 Ortschaften). Flächenmäßig handelte
es sich um knapp 7000 Quadratkilometer. Mancherorts setzte eine rigide Talianisie-
rungspolitik ein, während sich in anderen Teilen Dalmatiens die italienische Besetzung
nur als anwesende Militärmacht manifestierte, die im Alltag kaum in Erscheinung
trat.197 Bis Anfang Juli 1921 räumte die italienische Armee die Orte Knin, Drais,
Vrlika, Split, Trogir, Korcula, Pag und Obrovac, der Abzug aus der zweiten Zone, aus
den Kreisen Benkovac, Skradin und Sibenik, erfolgte etwas später. Im März 1923 blieb
nur noch Zadar als Enklave unter italienischer Kontrolle, das nach der Ratifizierung
eines Freundschaftsvertrages zwischen dem Königreich SHS und Italien vom 27. Ja
nuar 1924 unter die Souveränität Italiens fiel.
Ihre Expansionsbestrebungen waren, nach Meinung der italienischen Regierung, ge
deckt durch den Vertrag von London, in dem 1915 Italien für den Kriegseintritt auf
Seiten der Alliierten u. a. Dalmatien versprochen wurde. Der Vertrag der Siegermächte
untereinander sah, auf Dalmatien bezogen, vor, daß große Teile Norddalmatiens, von
Lisarica und Tribanj im Norden bis zum Kap Ploce südlich von Sibenik, wie auch die
meisten Inseln (bis auf Brac, Veliki u. Mali Drvenik, Ciovo, Solta), an Italien fallen
sollten.198
In Dalmatien selbst stieß die italienische Besetzung auf geschlossene Ablehnung. In
35 dalmatinischen Gemeinden wurden geheime Volksabstimmungen durchgeführt, bei
denen sich eine fast hundertprozentige Mehrheit für den Anschluß Dalmatiens an das
Königreich SHS aussprach.199 Nur weil zwischen November 1918 und September
1921 Einheiten der amerikanischen Marine ein großes Gebiet (einschließlich der In-
196 Vgl. Dahlmann, Pariser Friedenskonferenz, S. 155 mit dem Verweis auf die entsprechende
Sekundärliteratur.
197 Die Verbote der italienischen Militärbehörden slawische patriotische Lieder in der Öffentlich
keit zu singen oder die kroatische bzw. die Fahne des SHS-Königreiches zu hissen, führte,
zumindest soweit es an den Zeitungskommentaren ablesbar ist, regelmäßig zu großen Prote
sten. Vgl. z.B. Jadran v. 28.04.1920. Den Widerstand zeichnet detailliert nach Mirosevic, Po-
celo je, S. 50ff.
198 Der Text des Abkommens in: Temperley, H. W. V. (Hg.), A History of the Peace Conference
of Paris, 6 Bde., London 1920-1934, hier Bd. V, S. 384-393. Genaue Grenzverläufe bei Sisic,
Jadransko pitanje, S. 6-9 u. Marjanovic, Milan, Londonski ugovor iz godine 1915. Prilog
povijesti borbe za Jadran 1914-1917. (Der Londoner Vertrag aus dem Jahr 1915. Ein Beitrag
zur Geschichte des Kampfes um die Adria 1914-17), Zagreb 1960, S. 443-449.
199 Vgl. Krizman, Bogdan, Planovi talijanske vrhovne komande na Jadranu koncem 1918. (Die
Pläne des italienischen Oberkommandos an der Adria Ende 1918), in: Pomorski zbornik 6/
1968, S. 681-693; Mitrovic, Andrija, Italija i stvaranje Jugoslavije 1918. godine (Italien und
die Schaffung des jugoslawischen Staates), in: Znanstveni skup u povodu 50. obljetnice ra-
spada Austro-Ugarske Monarhije i stvaranja jugoslavenske drzave, Zagreb 1969, S. 263-275.
95
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Abb. I: Die von Italien 1918 besetzten Gebiete an der östlichen Adriaküste
CARINTHIA
frUstgy3 •.„} 1 I A
Fiume-Rijeka]
Iistria/c
BOSNIA
[Kotor •
iScutarr
Quelle: Lederer, Ivo, Yugoslavia at the Paris Peace Conference. A Study in Frontiermaking, New
Haven and London 1963, S. 55.
sein) längs der östlichen Adriaküste kontrollierte, das sich von Istrien bis Montenegro
erstreckte, kam es wohl nicht zu größeren Zusammenstößen.200
Admiral Benson bekam von seinem Kriegsministerium den Auftrag, einen möglichen
Krieg zwischen dem SHS-Königreich und Italien zu verhindern, wobei Josephus Da
niels, „Secretary of the Navy“, dem Admiral, der sich auf der USS Birmingham be
fand, schrieb: „our desire (is) to show sympathy with the Slavonic government being
formed in the late Austro-Hungarian Empire“. Das generelle Ziel „the early
establishment of stable govenment in Yugoslavia friendly to ourselves“ war in einem
200 Zivojinovic, Dragoljub, The United States and its unknown role in the Adriatic conflicts of
1918-1921, in: Istorijski casopis XXXVII 1990, S. 169-196; Lederer, Ivo J., Yugoslavia at the
Paris Peace Conference. A Study in Frontiermaking, New Haven and London, 1963.
96
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
„Memorandum“ schon vorher festgelegt worden.201 Aber die Situation vor Ort kom
plizierte sich immer mehr „due to Italians“, wie Benson befand, und Ende November
waren die Verhältnisse zwischen den italienischen und amerikanischen Verbündeten
auf einem Tiefpunkt angekommen. In verschiedenen Denkschriften und Memoranden
an Präsident Wilson wurde die italienische Politik in Rijeka und Dalmatien als „re
pressive, cruel, reactionary and malevolent“ beschrieben, so daß es nur zu verständlich
sei, wenn 750.000 Slawen nicht in den italienischen Herrschaftsbereich fallen woll
ten.202 Das „Schicksal Fiumes hätte auch Split ereilen können“ schreibt Zivojinovic,
„wenn den Italienern (von den Amerikanern, A. J.) erlaubt worden wäre, ihre Pläne
in die Tat umzusetzen.203
Gabriele D’Annunzio stellte mit der Landung seiner Legionäre am 14. November
1919 in Zadar die dalmatinische Regierung und Bevölkerung vor vollendete Tatsachen.
Allgemein wurde dieses Vorgehen als Versuch begriffen, nach Rijeka jetzt auch Mittel
dalmatien erst zu besetzen und dann an Italien anzuschließen. Man erinnerte sich noch
gut in Dalmatien an die kurze Episode von 1918, als drei Lastwagen voller italienischer
Soldaten am 23. September in Richtung Split gefahren waren und kurz vor Split, in
Trogir, Station machten. Wütende Demonstrationen der slawischen Einwohner gegen
die Italiener waren die Folge, und die amerikanischen Soldaten, die schließlich kamen
und die Lage entspannten, wurden stürmisch gefeiert.204 Auch im November 1919
kam es wieder in Split und Trogir zu Unruhen und Demonstrationen gegen die italie
nischen Truppen. Das SHS-Königreich drängte energisch über seine Botschafter in
Washington und auf der Friedenskonferenz auf tatkräftige Hilfe und Unterstützung
durch Präsident Wilson gegen die italienischen Aspirationen. Da sich D’Annunzio
nicht stark genug fühlte für eine mögliche militärische Konfrontation, die ihm zu
drohen schien, verließ er mit seinen Freiwilligen Zadar schon nach ein paar Tagen.205
Bis zum September 1921, als der letzte amerikanische Zerstörer Split endgültig verließ,
kam es nicht mehr zu so bedrohlichen Situationen, obgleich die Spannungen zwischen
den eigentlich verbündeten Amerikanern und Italienern blieben. Nur als es im Juli
1920 zum Mord an dem italienischen Kapitän Gallo in Split kam, und der italienische
Marineminister Secchi drohte, zur Vergeltung Kriegsschiffe nach Split zu schicken,
rückte der Krieg zwischen Italien und seinem neuen Nachbarn an der östlichen
Adriaküste für einen Moment lang wieder näher. Erst als der Friedensvertrag von
201 Vgl. Memorandum #63, „Proposed decisions in the event of revolution in Austria-Hungary
from a naval point of view“, Naval Records, box 571, zit. nach Zivojinovic, S. 170.
202 Vgl. Memorandum by Niblack, Paris, April 5, 1919, Box 51, MSS Library of Congress, hier
zit. nach Zivojinovic, S. 172.
203 ebenda, S. 174.
204 Andrews to McCully, September 25, 1919, Naval Records, box 682; Papers and Diary of
Frank K. Polk, Polk Diary, September 25, 1919, Sterling Memorial Library, Yale University,
hier nach Zivojinovic, S. 190.
205 Vgl. den Brief des U. S.-Admirals Knapp to Chief of Naval Operations, London, November
28, 1919, box 682, hier zit. nach Zivojinovic, S. 177.
97
»
Bayerische
Staatsbibliothek
München 1
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Rapallo geschlossen war und sich die Verhältnisse stabilisiert und der jugoslawische
Staat international anerkannt war, zogen sich die Vereinigten Staaten aus der Adria
zurück.206
Die unsichere und unstabile außenpolitische Lage war es, die Ende 1918 die dalmatini
schen Politiker aufs höchste beunruhigte: Der neuen dalmatinischen Regierung war
die Okkupation einiger Teile Dalmatiens, einiger Inseln und Zadars, neben der desola
ten Versorgungssituation, das dringlichste Problem, das sie zu meistern hatte. Die sog.
„Adriafrage“, womit die Grenzziehung zwischen dem Königreich SHS und Italien in
Dalmatien gemeint war, beschäftigte und emotionalisierte die Bevölkerung an der Kü
ste in hohem Maße. Eine ganze Reihe „künstlerisch-kultureller Manifestationen“ dal
matinischer Künstler, die ihr „jugoslawisches Fühlen“ der in Italien geäußerten Auf
fassung, daß die dalmatinische Kunst eng mit der italienischen verbunden sei, demon
strativ entgegensetzen wollten, spricht für die Emotionalisierung und jugoslawische
Stimmung jener Zeit unter vielen Künstlern und Intellektuellen.207 Für die kroatischen
Mitglieder der SHS-Delegation war die ,Adriafrage' die „Hauptfrage, weit wichtiger
als alle anderen, die auf der Friedenskonferenz verhandelt wurde“,208 einschließlich
der Reparationsforderungen.209
Fast die gesamte östliche Adriaküste mit „mehr als „800.000 unserer Leute (400.000
Kroaten, 300.000 Slowenen und 100.000 Serben)“ sei in Gefahr gewesen, „von Italien
annektiert zu werden“, schrieb Josip Smodlaka in seinen autobiographischen Auf
zeichnungen, und übertrieb die Zahl der Südslawen noch im Rückblick.210 Seine Ein
schätzung der Dramatik der Situation entsprach aber wohl dem Fühlen vieler kroati
scher wie serbischer Dalmatiner. Es existierte sogar eine (bislang so gut wie uner
forschte) Geheimorganisation zur Befreiung der besetzten Gebiete in Dalmatien. In
den Leitungsgremien befanden sich Ivo Tartaglia, Prvislav Grisogono, Dusan Plavsic,
Milan Marjanovic, Juraj Demetrovic, Rudolf Giunio, der Oberst Dusan Gruber, Roko
Jokovic und Ivan Mestrovic. An die 3000 Mann standen unter Waffen bereit, verbor
gen im Dinara-Gebirge. Die Hälfte der 12 Millionen Kronen für Waffen und Muni-
206 Der Vertragstext des Abkommens vom 12. November 1920 und des sog. „Adriapaktes“, der
am 27.01.1924 zwischen Italien und Jugoslawien geschlossen wurde zur Regelung der Grenz
frage, in: Martens, G. (Hg.), Nouveau Recueil General des Traites, 3. serie, Bd. 12, S. 821ff.
u. 906ff.
207 Vgl. Bezic, Nevenka, Likovne izlozbe Splita 1885-1945, (Die Kunstausstellungen in Split
1885-1945) Split 1962, S. 7f.
208 Der Friedensvertrag des Königreiches SHS von St. Germain-en-Laye am 10. September 1919
mit Österreich regelte die Übergabe von Dalmatien, großer Teile von Kärnten und Krain
(Slowenien) an das Königreich SHS.
209 Nach Angaben der Delegation des Königreichs SHS gegenüber der Reparationskomission
der Versailler Friedenskonferenz 1919 betrug der gesamte materielle Schaden, den Dalmatien
während des Krieges erlitten habe, 693,5 Millionen Franken; vgl. Petranovic, S. 55. Es handelte
sich um eine willkürliche Zahl; Forderungen, auch nur in annähernder Höhe, konnten nicht
durchgesetzt werden.
210 Smodlaka, Zapisi, S. 103.
98
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
tion, die der Organisation zur Verfügung standen, hatte die „Erste Kroatische Spar
kasse“ (Prva Hrvatska Stedionica) beigesteuert. Ehemalige k.u.k.-Offiziere standen
an der Spitze des Unternehmens unter dem Kommando von Stanko Turudija. Die
Verhandlungen mit Italien und schließlich der Vertrag von Rapallo vom 12.11.1920
führten dazu, daß sich die Organisation wieder auflöste, ohne militärisch aktiv gewor
den zu sein.211
Aktiven Widerstand gab es aber durchaus auf anderen Ebenen. Die italienischen Ver
suche, die Besatzung eines im Hafen von Split vor Anker liegenden Kanonenbootes
an Land gehen zu lassen, riefen beispielsweise den erbitterten Widerstand einer „auf
geputschten Menge“ hervor, trotz aller Forderungen des amerikanischen Admirals,
„alle Ausschreitungen“ unbedingt zu verhindern.212 Es kam in mehreren dalmatini
schen Orten zu Zusammenstößen mit italienischen Soldaten, manchmal auch mit To
desfolgen.
Ante Trumbic, als eines der führenden Mitglieder des „Jugoslavenski odbor“ während
des Krieges,213 und nach allgemeiner Einschätzung in Dalmatien der „beste Kenner
jener Fragen“, und Josip Smodlaka sahen sich auf der Friedenskonferenz als Vertreter
Dalmatiens offenen italienischen Ansprüchen auf fast rein südslawisch, zum allergröß
ten Teil kroatisch, besiedeltes Gebiet ausgesetzt.214 Bei den Friedensverhandlungen
war daher die Grenzziehung des neugeschaffenen südslawischen Staates gegenüber
Italien das schwierigste Problem für die heterogene Delegation. Das Verhandlungs
klima, das Kroaten und Slowenen seites Italiens entgegenschlug, wird deutlich aus der
bekannten Äußerung des italienischen Premiers Orlando im März 1919, daß er diese
211 Vgl. Mestrovic, Uspomene, S. 138f. u. die Rezension von Bogdan Krizman in: JIC 4/1963,
S. 105-116.
212 Vgl. Smodlaka, Zapisi „U privremenoj vladi za Dalmaciju“, S. 65. Wegen seiner „großen Be
mühungen im Jahre 1919 um den Anschluß unserer Stadt an das Königreich SHS“ wurde
der U. S.-amerikanische alliierte Flottenkommandeur, Vizeadmiral Philipp Andrews, auf der
Sitzung des Stadtrates vom 26. September 1924 zum Ehrenbürger von Split ernannt; vgl.
Splitski almanah 1925, S. 55.
213 Am 1. Mai 1915 in einem Pariser Hotel gegründet gehörten ihm, unter dem Vorsitz des Spliter
Rechtsanwalts Dr. Ante Trumbic (1864-1938), noch folgende Gründungsmitglieder an: Jovo
Banjanin, Dr. Ivo de Gulli, Dr. Julije Gazzari, Dr. Gustav Gregorin, Dr. Hinko Hinkovic,
Dr. Josip Jedlovski, Milan Marjanovic, Ivan Mestrovic, Dr. Mice Micic, Dr. Franko Potocnjak,
Dr. Nikola Stojanovic, Dr. Milan Srskic, Frano Supilo, Dr. Dinko Trinajstic, Dusan Vasiljevic,
Dr. Bogumil Vosnjak u. Dr. Niko Zupancic; vgl. Paulova, Jugoslavenski odbor, Zagreb 1925;
Stojanovic, Nikola, Jugoslavenski odbor, Zagreb 1927; Trumbic, Ante, Suton Austro-Ugarske,
Zagreb 1926; Leontic, Ljubo, O Jugoslavenskom odboru u Londonu, Zagreb 1961; Jugosla-
venska Akademija (Hg.), Jugoslavenski odbor u Londonu, Zbornik radova u povodu 50-
godisnjice osnivanja, Zagreb 1966.
214 Vgl. Ekspose Dr. Trumbica pred Vijecem Desetorice dne 18. februara 1919., in: Jadransko
pitanje na Konferenciji mira u Parizu. Zbirka akata i dokumenata, sabrao ih i objelodanio
Ferdo Sisic (Die Adriafrage auf der Pariser Fiedenskonferenz. Akten- u. Dokumentensamm
lung), Zagreb 1920, S. 23-27, hier S. 25.
99
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Völker als „Feinde“ betrachte.215 Ganz im Sinne ihrer Vorstellungen von Nationalpo
litik hielten die dalmatinischen Politiker daher den neugeschaffenen „Nationalstaat“
für den besten Garanten und Helfer beim „Kampf“ um Dalmatien. Doch zu ihrem
Erschrecken mußten beide Politiker feststellen, daß zwischen ihnen und dem von
Nikola Pasic angeführten serbischen Teil der Delegation ein „unüberbrückbar Unter
schied" zu bestehen schien.
„Trumbic und ich“ erinnerte sich Smodlaka später, „standen zu den Wilsonschen Grundsätzen
und verurteilten mit Gewalt gezogene Grenzen; wir waren für Plebiszite, für Minderheiten
schutz und für die Idee der Verständigung zwischen Demokratien. Pasic, der Wilsons Ideen
gebäude nicht ernst nahm, dachte vollkommen entgegengesetzt. (...) Wie alle Nationalisten,
überdeckte Pasic seine Eroberungsabsichten mit dem Deckmantel historischer Rechte (...),
geographischen oder strategischen Gründen. All diese Gründe wogen für ihn mehr als der
Volkswille. Von Volksabstimmungen wollte er nichts wissen. Eroberungen nannte er „Befrei
ung“ (...) Da er so dachte, ist es verständlich, daß er ruhigen Gewissens von Bulgarien Gebiete
verlangte, wo kein einziger Serbe lebte, oder für Serbien rein albanische Gebiete oder Teile
Ungarns beanspruchte, wo Serben eine kleine Minderheit waren oder gar nicht vorkamen. So
wie er dachten beinahe alle Serben. Doch unter Berufung auf dieselben Grundsätze rechtfer
tigten die Italiener den Raub von Görz, des kroatischen Teils Istriens und Dalmatiens.“216
215 Gilbert in der Maur, Die Jugoslawen einst und jetzt, 2 Bde., hier Bd. 2, S. lOf.
216 Vgl. Smodlaka, Zapisi, S. 93.
217 Pasic hatte 1914 den politisch aktiven Emigranten aus den österreich-ungarischen Gebieten
den Namen „Kroatischer Ausschuß“ vorgeschlagen und eine diskrete Agitation empfohlen,
um die Verhandlungen der Alliierten mit Italien nicht zu gefährden. Schon damals keimte bei
dalmatinischen Ausschußmitgliedern der Verdacht auf, ob sich Serbien nicht „unter Druck“
nur mit „serbischen Zielen“ begnügen würde. Die „große Enttäuschung“, die unter den Mit
gliedern des Südslawischen Ausschusses ausbrach, als Supilo vom Foreign Office ein „Memo
randum“ der serbischen Regierung ausgehändigt bekam, aus dem hervorging, daß Serbien von
den Alliierten alle Gebiete Österreich-Ungarns für sich beanspruche, wo „serbische Klöster“
ständen, und dazu ein Stück von Süddalmatien, das im Londoner Vertrag nicht Italien ver
sprochen war, sollte sich später noch steigern. Die dem Memorandum beigefügte Landkarte
sprach für sich. Vgl. die Erinnerungen von Ivan Mestrovic in seinem Vorwort zu: Smith-
Pavelic, Ante: Dr. Ante Trumbic, München 1959, S. IX f. und in seinen Memoiren, die unter
dem Titel „Erinnerungen an politische Menschen und Ereignisse“ (Uspomene na politicke
ljude i dogadaje) zuerst 1961 in Buenos Aires erschienen.
100
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
gung seitens Lloyd Georges sicherte er weiter zu, daß England und Frankreich „eure
Freunde sein und bleiben wollen“, es läge ihnen sehr am Herzen, daß „Serbien materi
ell, territorial und moralisch erstarkt.“218 Doch unzufrieden mit der unachgiebigen
SHS-Delegation wurde am nächsten Tag gedrägt „endlich einmal zum Schluß zu kom
men“, die Konferenz könne sich doch nicht „unendlich hinziehen“, es könne nicht
angehen, daß „alles abgelehnt“ werde vom Königreich SHS. Die Drohung in den
Worten, daß es in Europa zu einer Situation kommen könne, „deren erstes Opfer Ihr
Staat sein wird“, war unüberhörbar.
„Es scheint mir“, bemerkte Clemenceau, daß es „zwischen Ihnen zwei Einflüsse gibt,
auf der einen Seite den serbischen, auf der anderen Seite den sehr viel unversöhn
licheren kroatischen. Doch wir sind verpflichtet, nur die Tatsache in Betracht zu zie
hen, daß es Serbien war, das vom ersten Tag an auf Seiten der Entente stand und
unzählige Opfer gebracht hat, während Kroatien gegen uns engagiert war, auf der
anderen Seite der Barrikade.“ Im Falle weiterer Unachgiebigkeit gegenüber den italie
nischen Gebietsforderungen würde es zur „Applikation des Londoner Vertrages (...)
in allen seinen Bestimmungen“ kommen.219
Trumbic wies auf die während des Krieges gebildeten Freiwilligenverbände von Süd
slawen aus der Donaumonarchie hin und betonte, daß „Kroaten und Slowenen“ in
einer Situation waren, für die sie „nicht verantwortlich“ gewesen seien, „unter frem
den Herren, unter denen sie gelitten haben“. Doch er war sich wohl der eigenen
schwachen Position auf der Konferenz bewußt. Die Unterstützung Serbiens bei den
Verhandlungen fiel, in den Augen der kroatischen Delegationsmitglieder, jedenfalls
viel zu zurückhaltend aus.
Schließlich führte das lange diplomatische Ringen auf der Pariser Friedenskonferenz
und danach letztlich am 12. November 1920 zum Vertrag von Rapallo, der die Abtre
tung Istriens, der Kvarner-Inseln, von Lastovo und Palagruza, sowie der Stadt Zadar
an Italien vorsah. Die Stadt Rijeka (Fiume) wurde zunächst zum Freistaat deklariert,
und 1924 gleichfalls von Italien annektiert. Für Rijeka/Fiume wurde ein Sonderstatus
als Freistaat vereinbart, der aber durch die Besetzung der Stadt durch die Truppen
D’Annunzios am 12. September 1920, und die Vertreibung der alliierten Kontrollko-
mission, hinfällig wurde.220 Seitens kroatischer Politiker wurde wieder der Verdacht
laut, daß Serbien sich nicht allzu sehr für die dalmatinisch-kroatische besiedelten Ge
biete eingesetzt hätte. Mit der bitteren Feststellung, daß die „serbischen Politiker, die
an der Macht waren, samt und sonders Imperialisten und nur ihrem Reden und Na
men nach Demokraten waren“, war Josip Smodlaka an der Küste nicht allein, wie
auch große Protestdemonstrationen gegen Rapallo im April 1920 bewiesen.221 In den
2is prava audijencija gg. Pasica i Trumbica dne 13. januara 1920., in: Jadransko pitanje hg. v.
Ferdo Sisic, S. 82-89, hier S. 85f.
219 Druga audijencija gg. Pasica i Trumbica dne 14. januara 1920. popodne, in: ebenda, S. 89-97,
hier S. 90f.
22° Vgl. Krizman, Jadransko pitanje, S. 257ff.
221 Vgl. Mirosevic, Pocelo je, S. 55f.; Wenn z.B. es bei einer Gemeinderatssitzung in Dubrovnik
101
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Augen der dalmatinischen Öffentlichkeit war das Ergebnis des Vertrages ein „ver
stümmeltes Jugoslawien“ und eine „Erniedrigung für die jugoslawische Nation“ und
wurde nicht akzeptiert. Ohnmächtig wurde der „Streitkolben des (Kraljevic) Marko
und das Schwert der Zrinski-Frankopan“ für den Tag der Rache beschworen, die
über Italien kommen würde.222 Die slawischen Abgeordneten der an Italien fallenden
Gebiete protestierten auf einer Konferenz am 3. Januar 1921 gegen den Vertrag, da er
ein „Verstoß“ gegen nationale Rechte“ und das „Selbstbestimmungsrecht“ darstelle.
Telegramme an den Monarchen in Belgrad, wie dasjenige der Bewohner der Italien
zugeschlagenen Insel Lastovo, in dem der König gebeten wurde, nicht zuzulassen,
daß diese „Perle der Adria (...) in den Wellen der Fremden versinkt“, waren keine
Seltenheit.223
Auf der anderen Seite dürfte der ehemalige Volkstribun der dalmatinischen Tagelöhner
wohl auch nicht verkehrt gelegen haben, wenn er vermutete: „Sie (die Serben, A. J.)
sahen in uns kroatische Chauvinisten, die nur um kroatische Interessen besorgt waren
und die serbischen Interessen außer acht ließen; sie gingen sogar so weit, uns zu
beschuldigen, auf der Konferenz direkt gegen die serbischen Interessen zu arbeiten.
Unter solchen Umständen verwundert es nicht, daß beide Seiten eine ehrliche Zusam
menarbeit hinfort als äußerst schwierig einschätzten.224
Seit dem Vertrag von Rapallo zwischen dem Königreich SHS und Italien war Dalma
tien auch keine eigenständige Verwaltungseinheit mehr. Das Gesetz über die Verwal
tungsgliederung von 1922 teilte die Region in die Bezirke (oblasti) splitska, dubro-
vacka und zetska mit Kreisen (kotar) und politischen Gemeinden ein.225 Der ganze
Staat wurde in 33 oblasti eingeteilt, wobei jeder Bezirk um die 800.000 Einwohner
umfassen sollte. Die Aufteilung war nicht zuletzt ein Mittel, den staatlichen Zentralis
mus durchzusetzen. Die Vorstellungen Serbiens, wie der gemeinsame Staat einzurich
ten sei, stießen schon bald auf Kritik auch überzeugter Anhänger der Idee einer südsla-
hieß, daß Skadar „nicht jugoslawisch sondern albanisch“ sei und „unser Volk“ nicht „zum
Unterdrücker“ derjenigen werden dürfe, die „um ihre Freiheit kämpfen“ (Novo doba v.
13.04.1920), dann war das klar gegen die serbische Verhandlungsführung gerichtet.
222 Rad v. 13.11.1920 u. Narodna svijest v. 17.11.1920. Vgl. auch Mirosevic, Franko, Mir u Rapallu
i dogadaji vezani uz njegovu primjenu u juznoj Dalmaciji (Der Frieden v. Rapallo u. die
Ereignisse bei seiner Umsetzung in Süddalmatien), in: Radovi zavoda za hrvatsku povijest
24/1991, S. 149-169.
223 Novo doba v. 22.11.1920 u. v. 12.01.1921, vgl. auch Mirosevic, Pocelo je, S. 56.
224 Sisic, Dokumenti, S. 96f. u. 103. Zahlreiche Quellenzeugnisse belegen, daß Serbien „wegen ein
paar hundert kilometer Adriaküste“ keinen hinreichenden Grund sah, dauerhaft mit Italien
im Konflikt zu sein. Und auch wenn Smodlaka den Feldwebel aus der Sumadija in seinen
Erinnerungen erfunden haben sollte, den er 1919, da dieser zum ersten Mal im Leben die
Adriaküste sah, ausrufen gehört habe: „Warum haben wird denn das hier erobert, es ist ja
nur der nackte Fels und nichts wert! “(Smodlaka, Zapisi, S. 117), so illustriert es doch, wie
auch die jugoslawisch eingestellten Intellektuellen den Alltag der Vereinigung gegen Ende der
Zwischenkriegszeit, rückblickend, in der Erinnerung behalten haben.
225 Vgl. Zakon o oblasnoj i sreskoj samoupravi v. 26.04.1922.
102
Das Ende des 'Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
226 Der Aufruf wurde u.a. v. Jovan Cvijic, Ante Trumbic, Bogumil Vosnjak, Vasa Stajic, Ferdo
Sisic, Veljko Petrovic u. Pavle Popovic unterschrieben; vgl. Smodlaka, Zapisi, S. 88ff. Der
Verfassungsentwurf Smodlakas sah die Schaffung von 12 Einheiten vor, wobei er neben den
„Kroatien“ und Slawonien“ genannten Einheiten an der Küste „Dalmatien“, mit Split als
Hauptstadt, und „Primorje“ (Küstenland) mit Dubrovnik als Zentrum vorsah.
227 Der Entwurf Smodlakas, der für eine monarchische Staatsform und eine Aufteilung des Lan
des in 12 Regionen plädierte, die jeweils weitestgehende Budgetrechte haben sollten, wird
meistens außer Acht gelassen. Er spiegelt den in der dalmatinischen Intelligenz zu jener Zeit
zu beobachtenden Willen zu Jugoslawien wider. Die einander entgegengestellten zentralisti
schen bzw. föderalistischen Verfassungsentwürfe sind ansonsten in der Literatur breit disku
tiert worden; vgl. die Studie v. Ivo Banac (m. zahlr. weiteren Lit.-Ang.).
228 Vgl. Mirosevic, Franko, Odraz politickih suprostavljanja u juznoj Dalmaciji u lokalnom tisku
nakon stvaranja jugoslavenske drzave (Reflexe der politischen Auseinandersetzungen in Süd
dalmatien in der Lokalpresse nach der Schaffung des jugoslawischen Staates), in: Historijski
zbornik XLIV (1), S. 119—141 mit Auflistung der Dubrovniker Parteizeitungen.
229 Novo doba v. 19. u. 20.11.1920.
230 In Split demolierten Mitglieder der „Organisation jugoslawischer Natrionalisten“ (Orjuna) in
der Nacht vom 29. auf denn 30.03.21 die Redaktion der Zeitung „Jadran“, die Räume der
Druckgenossenschaft (Tiskarska zadruga) und die Druckerei Leon (Leonova tiskara) und ver
brannten zusätzlich die Exemplare der Zeitung „Das kroatische Wort“ (Hrvatska rijec) derer
sie habhaft werden konten.; vgl. Hrvatska rijec v. 12.04.1921. In Folge kam es sogar zu Mor
den und Mißhandlungen an denen, die, nach Meinung der „Orjuna“, zu den Feinden Jugosla
wiens gehörten.
103
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
104
Das Ende des Weltkrieges in Dalmatien: Kampflose Kapitulation der alten Mächte
zunächst nach dem Krieg die auch nach der Vereinigung immer noch desolate Versor
gungssituation. Die unmittelbare Nachkriegszeit war von akuter Lebensmittelknapp
heit gekennzeichnet. Die eigene Getreideproduktion langte bei weitem nicht, um die
Bevölkerung zu ernähren. Trotz aller Bemühungen der Landesregierung, die 1919 für
1,4 Millionen Kronen Getreide aus Slawonien kaufte, und 3094 Säcken Mehl, die
im selben Jahr die USA als Lebensmittelhilfe nach Dalmatien lieferten, litten v. a. im
dalmatinischen Hinterland, im Gebiet von Imotski und auf den Inseln (wo eine Dürre
periode die Lage verschärfte) die Menschen Hunger.234 Auch wenn die neue Macht
betonte: „Die Landesregierung hat alles getan, was möglich war, um die Ernährung
Dalmatiens zu sichern“, mußte sie doch zugeben, daß große Fortschritte noch nicht
zu verzeichnen waren. Um eine Erklärung war sie nicht verlegen: „Wenn unsere Be
mühungen bis jetzt noch nicht vom Erfolg gekrönt waren (...), so sind die Umstände
und vor allem die feindliche Meeresblockade daran schuld“.235 Wegen der Nahrungs
mittelknappheit wurde von der Landesregierung zeitweilig sogar ein Verbot des Zu
zugs in die Städte beschlossen. Die Bauern sollten auf dem Dorf bleiben.236 Die soziale
Unzufriedenheit bei der großen Mehrheit der dalmatinischen Bevölkerung, den Bau
ern, wuchs weiter. Nicht nur für die Bürger in den Städten, sondern auch für sie
hatten sich handfeste Hoffnungen mit dem neuen Staat verbunden.
Dabei fällt auf, wie wenig die Protagonisten der jugoslawischen Vereinigung, neben
ihren endlosen Debatten um diplomatische und nationalpolitische Aspekte, Wert leg
ten auf die Konkretisierung einer Entwicklungsperspektive, die auf die wirtschaftli
chen Grundlagen Bezug genommen hätte. Es spricht eine deutliche Sprache, wenn,
die „größte artikulierte Affinität für Fragen einer Entwicklungsstrategie und Moderni
sierung (...) in jener Zeit unter den südslawischen Emigranten in Nord- und Südame
rika“ herrschte. Es war also nicht zufällig, daß genau dort, im Dezember 1918 in Chile
unter hauptsächlich dalmatinischen Arbeitsmigranten, das Mitglied des Jugoslawi
schen Ausschusses, Milan Marjanovic, einer der wichtigsten kroatischen Fürsprecher
eines jugoslawischen Unitarismus, versuchte, eine „Diskussion über Nachkriegspro
bleme“ in Gang zu setzen.237
Seine Überlegungen gingen über die ansonsten im Mittelpunkt stehenden nationalpo
litischen Fragen hinaus, verloren sich aber bald in Phantasien einer Baltikum-Donau-
mung, was die Sympathie der dalmatinischen Öffentlichkeit anbelangte, nicht mehr zu wen
den vermochte. Vgl. Pobeda v. 11.12.1926 u. Mirosevic, Odraz, S. 131 ff.
234 Vgl. Mirosevic, Polozaj dalmatinskog tezaka, S. 95ff.
235 Novo doba v. 30.11.1918, S. 1.
236 Sloga v. 31.12.1919.
237 Vgl. Marjanovic, Milan, Obnova. Zbornik za inicijativu i diskusiju poratnih problema (24
clanaka, sa 17 mapa u bojama) (Der Wiederaufbau. Sammelband für die Initiative und Diskus
sion der Nachkriegsprobleme (24 Artikel, mit 17 Farbkarten), Valparais 1918; bis jetzt wurde
darauf meines Wissens nur eingegangen von: Roksandic, Drago, Agrarne ideologije i teorije
modernizacije u Jugoslaviji od 1918. do 1929. (Agrar- und Modernisierungstheorien in Jugo
slawien von 1918 bis 1929), in: ders., Srpska i hrvatska povijest, S. 227-256, hier S. 228f.
105
Nationale Identifikationskonzepte und Politik in Dalmatien am Ende des Weltkrieges
Balkan-Gemeinschaft, deren Völker „immer durch die Geschichte vom Westen durch
die Germanen, vom Osten von den Asiaten“ bedroht gewesen seien, die einen „agrar
ischen Industrialismus“ ausbilden müßten, mit staatlich vorgeschriebener „sozialer
Arbeit für die Gemeinschaft“. In allen Teilen des neugeschaffenen (unitaristisch ge
dachten) Staates fehlte dem jegliche Grundlage. So formulierte Marjanovic im Hin
blick auf Jugoslawien: „Unser Land ist ein agrarisches, wie unser Volk (...) Unser
Problem liegt darin, daß wir dieses unser Land so extensiv und intensiv wie möglich
bearbeiten. Dafür braucht es: Arbeitskräfte, Maschinen, Saatgut und Organisation.
(...) Traktoren in Staatsbesitz müssen die fehlenden Ochsen und Pferde ersetzen. (...)
In unserer jugoslawischen Heimat wird es Land für jeden, Platz für jeden und Brot
für jeden geben.“238 Wie utopisch solche Zukunftsentwürfe waren, zeigt ein Blick auf
die dalmatinische Gesellschaft in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Auf das Leben
von Bauern, Bürgern und Arbeitern.
Abb. II: Bauern aus dem dalmatinischen Hinterland verkaufen ihre Waren auf dem
Markt in Split (um 1930)
106
III. Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und
ihr Scheitern. Kulturelle und sozio-
ökonomische Existenzbedingungen als
Grundlagen nationaler Identität
1 Schilling, Heinz, Nationale Identität und Konfession in der europäischen Neuzeit, in: Giesen,
Nationale und kulturelle Identität, S. 192 -252.
2 Turczynski, E., Konfession und Nation. Zur Frühgeschichte der serbischen und rumänischen
Nationsbildung, in: Geschichte und Gesellschaft 11 (1976).
107
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
3 Goldstein, Ivo, Kroatien zwischen Ost und West, in: Lottes, Günther (Hg.), Region - Na
tion - Europa. Historische Determinanten der Neugliederung eines Kontinents, Heidelberg
1992, S. 213-228, hier S. 213.
4 Völkl, Ekkehard, Jugoslawien - trotz formal guter Ausgangslage ein Auseinanderbrechen, in:
Lottes (Hg.), S. 229-240, hier S. 232 u. 234.
5 Auch manche Konstruktionen eines „Slavic social character“ scheinen problematisch (vgl. die
Diskussion bei Mestrovic, S./Letica, S./Goreta, M., Habits of the Balkan Heart. Social Cha
racter and the Fall of Communism, Texas A&M University Press 1993). Stammväter der
Auffassung von der Existenz einer „dinarischen Rasse“ waren der Anthropologe und Geo
graph Jovan Cvijic und der Psychologe Vladimir Dvornikovic. Unterschieden wird „the po-
wer-hungry, aggressive Rodopian-Dinaric or Ural herdsman“ vom „peacable, rural-plains far-
mer“ und beide wiederum vom „urban-industrial cosmopolitan type. Die Hypothese lautet,
daß die Bewohner abgelegener Bergregionen des ehemaligen Jugoslawien, im Gegensatz zu
den Städtern und den Bewohnern der Ebenen, als „less conducive to democracy“ bezeichnet
werden können. Moderne anthropologische Arbeiten zu archaischen Ritualen wie der Blutra
che (vgl. die im Literaturverz. aufgef. Arbeiten von Karan) betonen gleichfalls die Abhängig
keit bestimmter sozialer Verhaltensweisen von sozial-kulturell geprägten Normen, die sich in
abgelegenen Gegenden länger halten würden.
108
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
sen sind.6 Doch es ist wohl auch nicht zu bestreiten, daß solche Theorien große Berei
che der Alltagswirklichkeit ausblenden.
Tatsächlich zeigte eine Analyse der zeitgenössischen Presse und der Archive der Re
gionalverwaltung, daß sich die Lebensverhältnisse in Dalmatien regional und sozial
stark unterschieden. Doch die Trennlinie in Dalmatien verlief keineswegs zwischen
den Nationen, sondern eher zwischen Stadt und Dorf sowie zwischen dem unmittel
baren Küstenstreifen und dem Hinterland. Ein signifikanter Unterschied, wie zwi
schen den mehrheitlich muslimischen Grundbesitzern und den christlichen Kmeten
(Bauern) im benachbarten Bosnien beispielsweise, war in den Lebensverhältnissen von
Serben und Kroaten, wo sie gemeinsam im dalmatinischen Hinterland lebten, nicht
zu bemerken. Wie sind die oft beschworenen „kulturellen Unterschiede“ überhaupt
zu fassen? Definiert man den Begriff „Kultur“ mit Clifford Geertz als „local produc-
tion of meaning“, also nicht im normativen Sinn, so lassen sich charakteristische Ver
haltens- und Kommunikationsstile bestimmter Gemeinschaften unterscheiden. Unter
schiede zwischen Serben und Kroaten in Dalmatien lagen zuallerest auf religiös-kon
fessionellem Gebiet. Begreift man, wieder im Geertz’schen Sinne, Kulturen als ein
geschichtlich überliefertes Muster von in Symbolen verkörperten Bedeutungen, als
System ererbter Vorstellungen, ausgedrückt in symbolischer Formensprache, wird ihr
Stellenwert im Alltag, und damit auch ihre Relevanz bei der Rezeption und Internali
sierung von verschiedenen Identifikationsangeboten, unmittelbar deutlich. Nur inner
halb einer Kultur, in Symbolsystemen, läßt sich Wissen speichern und lassen sich
Einstellungen zum Leben entwickeln, mitteilen und festschreiben. Kultur als Gesamt
heit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, inklusive der sie tragenden Gei
stesverfassung und Werteinstellungen ist folglich immer auch ein Begriff der politi
schen und wirtschaftlichen Ordnung. Kultur ist also weniger im Sinne von Kunst,
Literatur, Musik und Wissenschaft zu verstehen, als vielmehr im Sinne von Deutungs
mustern, Lebensführung und symbolhaltigen Gebräuchen.7 Auf Basis eines so ver
standenen Kulturverständnisses läßt sich der virulente kirchenpolitische Gegensatz,
was der unterschiedlichen Rolle der orthodoxen und der katholischen Kirche im Ge
samtstaat geschuldet war und keinesfalls Konflikte religiöser Natur waren, übersetzen
in einen Moment, der bei der Abgrenzung von Serben und Kroaten an der Küste
Wichtigkeit erlangte. Will man überhaupt von unterschiedlicher „Kultur“ oder „Men
talität“ von Serben und Kroaten in Dalmatien sprechen, muß also der Bezug zum
6 Leo von Südland (Ivo Pilar), Die südslawische Frage und der Weltkrieg, Wien 1918, unter dem
Titel: Pilar, Ivo, Eine Geschichte Kroatiens, Serbiens und Bosniens. Bearbeitet von Michael
Ackermann (3. Auf!.), Heiligenhof-Bad Kissingen 1995, auf Deutsch neu herausgegeben. Die
Herausgeber der „Heiligenhofer Studien zu Volkstumsfragen“ (Rudolf Grulich u. Ortfried Kot
zian) bescheinigen dem religions-psychologischem Ansatz „brennende Aktualität“ (ebenda,
Zum Geleit, S. 9). Von denselben Herausgebern auch die dt. Übersetzung von Dominik Mandics
„Kroaten und Serben - zwei alte verschiedene Völker“, Heiligenhof-Bad Kissingen 1989.
7 Kocka, Jürgen, Einl., in: ders. (Hg.), Sozialgeschichte im internationalen Überblick, Darm
stadt 1989, S. 1-17.
109
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
110
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
111
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Auch wenn es keinerlei offizielle Stellung der katholischen Kirche bezüglich der
Schaffung des jugoslawischen Staates gab, und der kroatische Klerus zudem verschie
dene Strömungen aufwies,13 so läßt sich wohl mit Recht von einer festen Verankerung
13 Der Zagreber Erzbischof Antun Bauer, der zu Anfang des Jh. auch die Kroat.-Serb. Koalition
unterstützte, begrüßte 1918 die jugoslawische Einigung ausdrücklich.
112
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
SPLITSKA METROPOLIJA
I ZADARSKA NADBISKUPIJA
Quelle: Opci sematizam Katolicke crkve u Jugoslaviji. Izdavac Biskupska Konferencija Jugosla-
vije, Zagreb 1975, S. 19.
14 Muzic, Ivan, Pavelic i Stepinac, Split 1991, S. 126, wo der Verf. den während der Zwischen
kriegszeit amtierenden Spliter Bischof Bonefacic u. den Dubrovniker Bischof Carevic als auf
der Linie der Kroatischen katholischen Bewegung beschreibt. Zur Politik des Vatikan vgl.
Rhodes, Anthony, The Vatican in the Age of the Dictators (1922-1945), New York Chicago
San Francisco 1973, bes. Kap. 10 „The Habsburg Secession States“, S. 141-160 u. Kap. 22
„Anton Pavelitch, a Catholic Dictator“, S. 323-336.
15 Vgl. Okruznica splitskog biskupa katolickom narodu (Rundschschreiben des Spliter Bischofs
an das kath. Volk), in: Narodna svijest v. 22.10.1924.
113
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Fast in jedem größeren Dorf, das nicht ausschließlich orthodox war, gab es zumindest
einen Pfarrer, wie obenstehende Abbildung aus dem „Allgemeinen Schematismus der
katholischen Kirche“ verdeutlicht, aus der die Dichte des Netztes der katholischen
Gemeinden in Dalmatien hervorgeht.
Freilich bedeutete ein katholischer Priester im Dorf noch keineswegs das Vorhanden
sein ganzheitlicher Eingebundenheit und Kohärenz eines katholischen Milieus. Es exi
stierten sowohl auf dem Dorf, als auch in der Stadt überschneidende Loyalitäten.
Nichtsdestotrotz wurde die sogenannte „Kroatische katholische Bewegung“ (Hrvatski
katolicki pokret), als zusammenfassende Bezeichnung für die kirchlichen oder kir
chennahen Laienorganisationen, ein Bollwerk kroatischen Nationsverständnisses, bei
allen Unterschieden, die innerhalb dieser „Bewegung“ bestanden. Die kirchlichen Or
ganisationen, die zur „Kroatischen katholischen Bewegung“ gehörten, waren, wie ihre
Pendants in anderen Ländern, die Antwort der Kirche auf die scheinbar unaufhaltsam
voranschreitende Liberalisierung des öffentlichen Lebens.16 Nach 1925 ließen sich
auch offiziell zwei „Strömungen“ in der katholischen Bewegung ausmachen: Auf der
einen Seite der „Domagoj“-Flügel, den man als „national“-kroatisch eingestellt be
zeichnen könnte, zu dem die Franziskaner sowie die akademischen und theologischen
Laienbewegungen zu rechnen sind, die zusammen mit anderen, auch liberalen, politi
schen Kräften, die „nationale Einheit“ der Kroaten anstrebten. Der andere Flügel, der
als „integralistisch“ bezeichnet worden ist, hatte starken Rückhalt bei den Jesuiten,
und stand den Publikationen „Dan“, „Vrhbosna“, „Hrvatski dnevnik“ u. a. nahe. Er
bestand mehr auf kirchlichen Grundsätzen und dem katholisch-religiösen Charakter
der katholischen Vereinigungen. Nach 1929 sind die Bruderschaften des Kreuzes (Kri-
zarsko bratstvo) vom Vereinsverbot ausgenommen worden, infolgedessen transfor
mierte sich auch die Orao-Bewegung, als Teil des „Gebets-Apostolates“ (Apostolat
molitve), zu einer Bruderschaft. Trotz aller Bemühungen der katholischen Hierarchie
ließen sich aufgrund der programmatischen Differenzen „Katholische Aktion“, Do-
magoj und die Bruderschaften organisatorisch nicht vereinen.17 Doch aus handschrift
lich geführten Gemeindetagebüchern geht eine soziale und stellenweise auch explizit
politische katholische Infrastruktur in den jeweiligen Pfarreien hervor,18 die starke
soziale Prägekraft besaß,19 wobei sich alle Strömungen, wie aus ihren Publikationen
hervorgeht, in einem ausgeprägten kroatischen Nationalgefühl einig waren.20 Am Ver-
16 Die „Katholische Aktion“, von Pius XI. angestoßen, propagierte die „geistige Erneuerung“
der Gesellschaft durch geistige Mittel, unter Anleitung der kirchlichen Hierarchie.
17 Hrvatski leksikon, S. 581; Perovic, B., Hrvatski katolicki pokret - moje uspomene (Die kroat.
kath. Bew. - meine Erinnerungen), Rom 1976; Sanjek, F., Krscanstvo na hrvatskom prostoru
(Das Christentum im kroat. Raum), Zagreb 1991.
18 Vgl. z.B. im PAS „Pravilnik Bratovstine Svetog Kriza za cascenje Presvetoga Sakramenta i za
polaksanje dusa Ocistilista sa sijelom u zupskoj crkvi sv. Kriza V. Varosa u Splitu“ v. 1929.
19 Obicajnik zupa sv. Petra na Luccu - Split 1918-1941, im PAS.
20 Vgl. Blätter wie den Akvinac (hektographiert) hrsg. v. Dominikanska fil.-teol. mladez, Du-
brovnik 1938, wo die „erhabenen Gefühle des Glaubens, der Volkszugehörigkeit und der
114
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
Freiheit“ als die „stärksten psychischen Lebensquellen jedes Volkes“ bezeichnet und verherr
licht wurden.
21 1923 gab es in der Innenstadt vier (Svetog Duha, Gospe od Dobrica, Gospe od Zvonika und
Sv. Kate), im Stadtteil „Lucac“ drei (Sv. Petra, Sv. Roka, Gospe od Pojisana) und im „Varos“
13: „Sv. kriza, Gospe od Zdravlja, Angjela Strazara, Sv. Jerolima, Sv. Antona, Sv. Mikule,
Gospe od Soca, Sv. Petra, Sv. Mande, Gospe od Poljuda, Gospe od Spinuta, Sv. Fabijana und
Sv. Luke). Vgl. Skarica (Hg.), Splitski shematizam za godinu 1923, S. 54.
22 Vgl. z.B. Bebic, Josip, Brela, S. 113f.
23 Vgl. Draganovic, Krunoslav (Hrsg, im Namen des Episkopats Jugoslawiens), Opci sematizam
Katolicke crkve u Jugoslaviji, Sarajevo 1939, Kap. III, S. 179ff. Die „Andersgläubigen“ vertei
len sich auf 14.508 Orthodoxe, 331 Juden, 187 Muslime und 345 „übrige“. Die Diozöse teilte
sich in 7 Dekanate, 143 Gemeinden und sechs Kaplanschaften. Das Konkordat von 1935, das
nicht in die Praxis umgesetzt wurde, hatte vorgesehen, daß Split zum Sitz eines Erzbistums
erhoben werden sollte, welches ganz Dalmatien umfassen sollte. Vorläufer dieses Schematis
mus war: Mrkun, Anton, Crkveni prirucnik za katolicke Jugoslavene, Ljubljana, o.J.
24 Opci sematizam Katolicke crkve, S. 204; In der Diozöse Split waren aktiv: 1. Drustva Kato
licke Akcije (Vereine der Katholischen Aktion): 10 Bruderschaften des Kreuzes (Krizarsko
bratstvo) (326 Mtgl.), 3 Schwesterschaften (Krizarsko sestrinstvo) (243 Mtgl.), 11 Gesellschaf
ten katholischer Männer (Drustva katolickih muzeva) (536), 13 Gesellschaften kath. Frauen
(Drustva katol. zena) (642), 10 Gesellsch. der bäuerlich-katholischen Jugend (Drustva seljacke
katol. omladine SKOM) (325), 5 d. weibl. Jugend (Drustva seljacke katol. zenske omladine
SKOMKA) (243), 3 Kath. Schülerorganisationen (Dacke katol. organizacije) (215), 18 versch.
Kinderorganisationen, v.a. die sog. „Jungen Helden“ (Djecja udruzenja pod raznim naslo-
vima, vecinom „Mladih junaka“ 18 (1073), 1 Gesellsch. der kath. Arbeiterjugend (Drustva
katol. muske radnicke omladine) (65), 3 der kath. weibl. Arbeiterjugend (Drustva katol. rad
nicke zenske omladine) (165);
2. Pobozna drustva (Fromme Gesellschaften): Bratovstine Presv. Sakramenta 68 Vereinigun
gen (5890 Mitglieder), Bratovstine Gospe od Karmela 25 (6301), Bratovstine Gospe od
Zdravlja 7 (450), Treci red 32 (2451), Bratovstine Gospe Lurdske 2 (170), Bratovstine Gospe
od Ruzarija 16 (4236), Sonstige Marien-Bruderschaften (Gospine bratovstine) 6 (285), Mariji-
115
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Tageszeitungen, wie die in Zagreb zwischen 1929 und 1941 erscheinende „Hrvatska
straza“ (Kroatische Wache), vertraten scharf-antikommunistische kroatisch-nationale
Standpunkte.
In Erinnerungen von kroatischen „Nationalisten-Katholiken“, wie Vera Korsky die
Kreise an der Universität Zagreb bezeichnete, denen sie sich anschloß, wurde durch
gängig die „drzavotvornost“ der Kroaten (die Fähigkeit zur Staatsbildung), wie sie
auch von einem Großteil der katholisch-kroatischen Publizistik propagiert wurde, als
das entscheidende Moment in der Überzeugung für die „kroatische Sache“ begriffen.25
Knapp 10 % aller eingeschriebenen Studenten an der Zagreber Universität während
der 1930er Jahre, insgesamt ca. 600, stammten aus der Küstenbanschaft.26 Bei der
großen Mehrheit, die sich später national-kroatisch hervortaten, fällt der enge Zusam
menhang zwischen Katholizismus und nationalem Engagement auf. In vielen Biogra
phien von der Kirche nahestehenden Intellektuellen in Dalmatien wird das deutlich:
Der Spliter Anwalt Stjepan Vukusic beispielsweise war einer der profiliertesten katho
lischen Intellektuellen und kroatischen Patrioten während der Zwischenkriegszeit in
Dalmatien.27 Seine Herkunft aus einer religiösen Familie, der Besuch des Bischofs-
nih kongregacija 7 (425), Bratovstine sv. Kriza 5 (283), Bratovstine sv. Ante 15 (1296), Bratov
stina Krscanskog nauka 32 (1066), Bratovstina u cast raznih svetaca 36 (1115). Misijskih bra
tovstina 5 (180). Drustvo za sirenje vjere 10 (628), Bratovstina s. Obitlji 11 (327). Vojska Srca
Isusova 16 (855). Djevojackih drustava 57 (2473).
25 Korsky, Vera, O mojim pjesmama i uvjerenjima (Uber meine Lieder u. Überzeugungen), in:
Hrvatska obzorja - Casopis Matice Hrvatske-Split Nr. 3 (1994), S. 651-656, hier S. 652: „We
der nannten wir uns Ustascha, noch wurden wir von irgendjemandem so genannt. Die Orga
nisation der Ustascha war geheim, streng verfolgt, und für uns existierten Dr. Ante Pavelic
und die Ustascha nur als eine Art Mythos, geheimnisvolle Pesonen, die sich im Ausland
aufhielten und für die Errichtung des kroatischen Staates kämpften, mit denen wir jedoch
keinerlei Berührung hatten. National vollständig aufgeklärt wurde ich in der Universitätssek
tion der Matica hrvatska, in erster Linie unter dem Einfluß von Professor Ivan Orsanic, und
glaubensmäßig in der „Akademischen Schwesternschaft des Kreuzes“ (Akademsko krizarsko
Sestrinstvo), wo wir vom späteren Kardinal Sejaer und den Jesuiten Grimm, Poglajen und
Kozelj geführt wurden.“ Ebenda, S. 655 Vgl. Zivkovic, Mirko, Hrvatska i njezin problem
pravoslavlje (Kroatien und sein Problem mit der Orthodoxie), in: Zadarska smotra. Casopis
za kulturu, znanost i umjetnost, Nr. 6/1993, S. 49-55, hier S. 51. Die Benachteiligungen, de
nen orthodoxe Studenten an der Zagreber Universität seitens solcher kroatisch-national den
kender Professoren ausgesetzt waren (z.B. durch Prof. Edo Lovric) waren allg. bekannt, ge
nauso, daß bei „Professoren jugoslawischer Orientierung“ (z. B. Prof. Marko Kostrencic) die
Studenten, von denen sie annahmen, daß sie „kroatische Nationalisten“ seien, keine Püfung
bestehen konnte, vgl. Zivkovic, S. 51 F3.
26 Genaue Statistiken f. die 30er Jahre in: Alma mater Croatica. Glasnik Hrvatskog sveucilisnog
drustva u Zagrebu, 3. Jg., 8. April 1940, S. 352.
27 Muzinic, Zdravko, Istaknuti vjernik i rodoljub Dr. Stjepan Vukusic. Jedan u nizu nevinih
zrtava prohujalog (ne)vremena (Der hervorragende Gläubige und Patriot Dr. St. V. Einer in
der Reihe der unschuldigen Opfer vergangener (Un)Zeiten), in: Hrvatska obzorja — Casopis
Matice Hrvatske-Split Nr. 3 (1994), S. 591—594, hier S. 591; Macan, Trpimir, Mladen Kaste-
116
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
117
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Siroki Brijeg, Travnik, die Seminare in Makarska, Mostar und Split oder die Theologi
sche Fakultät in Zagreb als „stärkste Bastionen der Ustascha“ zu qualifizieren,31 wird
der Rolle der katholischen Kirche nicht gerecht.32 Festzuhalten bleibt aber, daß die
katholische Kirche in Kroatien, ihrer grundsätzlich universalistischen Ausrichtung
zum Trotz, eine der entscheidenden Instanzen für die Stabilisierung eines kroatischen
Nationalgefühls im jugoslawischen Staat war, die die Identität von katholischer Reli
gion und Kroatentum betonte. Entsprechend verhielt es sich mit der serbisch-ortho
doxen Kirche, mit dem wesentlichen Unterschied, daß sie sich in Dalmatien in einer
Minderheitenposition sah. Das Verhältnis beider Kirchen zueinander war belastet
durch die Vergangenheit und während der gesamten Zwischenkriegszeit gespannt.
Während seines Aufenthaltes in Moskau veröffentlichte Stjepan Radic am 19. Juli 1924
in der „Izvestija“ einen Artikel, den die Parteizeitung der Bauernpartei „Slobodni
dom“ (Das freie Heim) in kroatischer Übersetzung veröffentlichte. Dort hieß es u. a.:
„Die serbisch-orthodoxen Popen und Lehrer (...) haben eine halbe Million Serben in
Kroatien zu einem eigenen Volk erklärt, und es sogar geschafft, daß der kroatische
Sabor in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts diesen Serben alle Rechte
einer eigenständigen Nationalität anerkannt hat. Politisch war das nicht besonders
bedeutsam, aber genau deshalb entstand der Haß zwischen den kroatischen und serbi
schen Herren, ein Haß, der schon angefangen hat in das kroatische und serbische
Bauerntum einzudringen.33
Historisch hatte die orthodoxe Kirche ein serbisch-nationales Zusammengehörigkeits
bewußtsein in Abgrenzung zum Islam und zum Katholizismus symbolisiert und pro-
31 Petranovic, S. 277.
32 Eine sachliche Erörterung von Politik und Verhalten der katholischen Kirche in Kroatien
während des Zweiten Weltkrieges steht nach wie vor aus. Tatsächlich, wie beispielsweise an
der Diskussion über die Rolle des Erzbischofs Stepinac zu sehen ist, wird nach wie vor eine
(in beiden Extremen wohl kaum zutreffende) Verengung auf die schon im Titel von Stanojevic
Pamphlet gestellte Frage „Alojzije Stepinac: Verbrecher oder Heiliger“ gesucht. Vgl. Stanoje
vic Branimir, Alojzije Stepinac: zlocinac ili svetac. Dokumenti o izdaji i zlocinu, 2. erw. Aufl.,
Beograd 1986; dieselbe pauschale Verurteilung der kath. Kirche in Bausch und Bogen z.B.
bei Veljo Duric (Ustase i pravoslavlje. Hrvatska pravoslavna crkva (Die Ustaschen und die
Orthodoxie. Die Kroat.-orth. Kirche), 2. Aufl. Beograd 1989, Vladimir Dedijer (Vatikan i
Jasenovac, Beograd 1987; auf dt. hg. v. Gottfried Niemietz unter dem Titel: „Jasenovac - das
jugoslawische Auschwitz und der Vatikan“, Freiburg 1988) oder Karlheinz Deschner (Mit
Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler und Pavelic,
Stuttgart 1965, od. ders., Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Die Politik der Päpste im Zeitalter
der Weltkriege, Köln 1983, darin: „Katholische Schlachtfeste in Kroatien oder „Das Reich
Gottes“, S. 210-254) Doch kirchennahe Publikationen wie die unter dem Pseuonym M. Lan-
dercy unter dem Titel „Le Cardinal Stepinac martyr des droits de l’homme, Paris 1980 (kroat.
Übers.: Kardinal Alojzije Stepinac, Dakovacki Selci 1989) oder von Ivan Muzic (Pavelic i
Stepinac, Split 1991) veröffentlichte, genügen genausowenig wissenschaftl. Ansprüchen auf
inersubjektive Überprüfbarkeit.
33 Radic, Stjepan, Hrvatski seljacki pokret u moskovskom „Izvestija“, in: Slobodni dom XVIII/
1924, 31, 1-2.
118
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
pagiert. Bezogen auf die Zwischenkriegszeit und auf die Region Dalmatien war und
ist beispielsweise von orthodox-kirchlicher Seite, als auch von Autoren, die ihre Zuge
hörigkeit zur Orthodoxie betonen, zwar häufig von „Begegnung“, aber immer auch
vom „Zusammenstoß zweier Kulturen, zweier Mentalitäten, zweier nationaler Grup
pen (...) zweier Kirchen“ die Rede.34 Im Extremfall wurde und wird sogar behauptet,
daß es „entscheidende Unterschiede“, bis hin zur „Lebensweise“ gäbe. Es herrsche
zwischen Kroaten und Serben ein „ethnographischer und kultureller Antagonismus“
vor, der sich national und konfessionell äußere und sich durch alle historische Epo
chen hindurchziehen würde.35 Gab es tatsächlich, und wenn ja inwiefern, einen „clash
of cultures“, wo römischer Katholizismus und östliches Pravoslawentum in Dalmatien
aufeinanderstießen? Seit der Kirchenspaltung wird in der konfessionell geprägten Lite
ratur von „zwei affirmierten Kulturen“ und von den „Beziehungen zwischen den
Religionen“ gesprochen, die auch und gerade in Dalmatien „in vielem durch die kultu
rellen und ethnischen Unterschiede bedingt“ gewesen seien.36
Daß diese Vorstellung auch bei zeitgenössischen Intellektuellen und Politikern exi
stierte, ist belegbar. Der Spliter Bürgermeister Ante Trumbic äußerte 1914/15 die Mei
nung, daß „für die Serben Religion und Nationalität vollkommen identisch sind" und
daß sie (die Serben) leider „kulturell noch niedriger stehen als wir“, und faßte damit
eine Überzeugung in Worte, die mit zunehmender Verschärfung des Nationalitätenge
gensatzes eine wachsende Anhängerschaft im kroatisch-nationalistischen Lager finden
sollte.37
Doch worin unterschied sich das „rechtgläubige“, serbische Dalmatien tatsächlich, vor
dem sich, wie der dalmatinische orthodoxe Bischof in seiner Anfang des Jahrhunderts
verfaßten, groß angelegten Geschichte des rechtgläubigen Dalmatien“ anführte, „die
ganze Orthodoxie (...) verbeugen“ müsse, weil das Pravoslaventum in dieser Region
alle Verfolgungen überstanden hätte?38
34 Kasic, Dusan, Srbi i pravoslavlje u sjevernoj Dalmaciji (Serben und Orthodoxie in Norddal
matien), in: Almanah: Srbi i pravoslavlje u Dalmaciji i Dubrovniku, hrsg. v. „Savez udruzenja
pravoslavnog svestenstva SR Hrvatske“ (Almanach: Serben und die Orthodoxie in Dalmatien
und Dubrovnik, hrsg. v. Verband der orthodoxen Priesterschaft der SR Kroatien), Zagreb
1971, S. 7-30, hier S. 7; Popovic, M., Istorijska uloga srpske crkve u cuvanju narodnosti i
stvaranju drzave (Die historische Rolle der serbischen Kirche bei der Bewahrung des Volks
tums und der Schaffung des Staates), Beograd 1933.
35 Cvijic, Jovan, Dva etnicka procesa u Dalmaciji (Zwei ethnische Prozesse in Dalmatien), in:
Almanah: Srbi i pravoslavlje u Dalmaciji i Dubrovniku, S. 141.
36 Bogovic, Mile, Pitanje pravoslavne hijerarhije u Mletackoj Dalmaciji u XVII i XVIII stoljecu
(=Dissertatio ad Lauream in Facultate Historiae ecclesiasticae Pontificie Universitatis Grego-
rianae) (Die Frage der orthodoxen Hierarchie im venezianischen Dalmatien im 17. u. 18. Jh.).
Zagreb 1982, S. V.
37 Mestrovic, Ivan, Uspomene na politicke ljude i dogadaje (Erinnerungen an politische Men
schen u. Ereignisse), Zagreb 1969, S. 46.
38 Milas, Nikodim, Pravoslavna Dalmacija: istorijski pregled (Das orthodoxe Dalmatien. Ein
geschichtlicher Überblick); Vorw. v. Predrag Dragic-Kijuk, (1. Aufl. Novi Sad 1901) Beograd-
119
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
b) Serbisch-orthodoxes Selbstverständnis
Zemun 1989, hier S. 571f. Vgl. auch Jacov, Marko, Venecija i Srbi u Dalmaciji u XVIII veku,
Beograd 1984; Slijepcevic, D., Istorija srpske pravoslavne crkve, 2 Bde., München 1966; Srpska
pravoslavna crkva 1229—1969. Spomenica o 750-godisnjici autokefalnosti, Beograd 1962;
Strika, B., Dalmatinski manastiri (Die Dalmatinischen Klöster), Zagreb 1930; Veselinovic, R.,
Istorija srpske pravoslavne crkve s narodnom istorijom (Die Geschichte der serbisch-ortho
doxen Kirche und die Nationalgeschichte), 2 Bde., Beograd 1966.
39 Vgl. die Arbeiten von Jakovcev, Gojko, Izbori u Sjevernoj Dalmaciji u periodu izmedu dva
rata (Die Wahlen in Norddalmatien in der Zwischenkriegszeit), in: Zadarska revija XVII/1968
6, S. 610-622; Plenca, Dusan, Sjevernodalmatinska zagora i Ravni kotari izmedu dva svjetska
rata 1921 — 1941., in: Zadarska revija XXXI/1982, 5—6, S. 472—486 u. XXXIII/1983, 1, S. 58-
72; ders., Kninska ratna vremena 1850-1946. Knin, Drnis, Bukovica, Ravni kotari, Zagreb
1986 (Die Kriegszeiten von Knin...); ders., Benkovacki kotar izmedu dva svjetska rata (Der
Kreis Benkovac zwischen den Weltkriegen), in: Zbornik „Benkovacki kraj kroz vjekove“,
Zagreb 1987, S. 301-333.
40 Vgl. Sidak, Gross, Karaman, Sepie, Povijest hrvatskog naroda, S. XI; eine Einschätzung, die
vom wohl besten Kenner serbischer Geschichte in Kroatien, Drago Roksandic, auf das 20.
Jh. ausgedehnt wird; vgl. ders., Srbi u Hrvatskoj izmedu rodoljublja i domoljublja (Serben in
Kroatien zwischen Patriotismus und Heimatliebe), in: Danas v. 16.07.1985, S. 17-19.
41 Der Verf. war Professor für „Ökonomische Politik“ an der Universität Belgrad und einer der
Mitbegründer der höheren „Wirtschafts- u. Handelsschule“ in der jugoslawischen Haupt
stadt, die später zur Wirtschaftswissenschaft Fakultät der Belgrader Universität wurde, Verfas
ser zahlreicher Lehrbücher, Mitglied zahlreicher internationaler Statistiker-Vereinigungen etc.
42 Kostic, Lazo, Cija je Bosna? (Wem gehört Bosnien?), Toronto 1955.
43 Kostic, Lazo, Sporni predeli Srba i Hrvata (Die umstrittenen Gebiete der Serben und Kroa
ten), Chicago 1957, S. 13. 1990 erschien in Belgrad ein unveränderter Nachdruck des Buches
unter dem Titel: Sporne teritorije Srba i Hrvata (Umstrittene Territorien der Serben und
Kroaten).
120
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
errechnen und alle jemals veröffentlichten Thesen, daß Dalmatien seit jeher serbisch
war, minutiös aufzuführen. Seine und die „Meinungen ausländischer Wissenschaftler
über den ethnischen Charakter Dalmatiens“ sind wenig weiterführend, illustrieren aber
die Tiefe der Entfremdung zwischen „nationalbewußten Serben“, wie sich der Autor
selbst charakterisiert, und allen Formen kroatischer Politik nach den Schrecknissen
des Zweiten Weltkrieges. Eine Erklärung aber, warum z.B. ein Josip Smodlaka, Ante
Trumbic und andere „Führer der dalmatinischen Kroaten“ „Feinde der Serben“ gewe
sen sein sollen (was sicher nicht der Wahrheit entspricht), sucht man vergebens.44
Wieviel Serben gab es nun tatsächlich in Dalmatien und nach welchen Kriterien er
folgte ihre Zuordnung zum Serbentum? Die Probleme bei der Übernahme von Volks
zählungsergebnissen sind bekannt: Gefragt wurde auch im Königreich SHS nicht nach
Nationalität, sondern nach der Umgangssprache, so daß Serben und Kroaten zusam
mengezählt wurden, zudem konnte die Befragung in den von Italien besetzten Gebie
ten Dalmatiens nicht durchgeführt werden. Wenn man bei der Berechnung von der
(gefragten) Religionszugehörigkeit ausgeht, fallen kleine Minderheiten, wie sich als
Kroaten fühlende Orthodoxe (wie es z.B. die Schriftsteller Petar Preradovic, Dimitrije
Demeter und August Harambasic im 19. Jh. waren) oder Katholiken, die sich als
Serben bezeichneten, wie es sie im Raum Dubrovnik gab, unter den Tisch. Und auch
wenn die österreichische Statistik keine Aussagen zu Volkszugehörigkeit kannte und
die jugoslawischen Serben und Kroaten nicht unterschied, da die „Umgangssprache“
gefragt war, konnte es nicht ausbleiben, daß im Zeitalter des Nationalismus durch
verschiedene mathematische Operationen versucht wurde, auch Nationalitätenstatisti
ken zu erstellen:
Quelle: Diklic, Marjan, Prilog strukturi pucanstva Dalmacije krajem XIX. i pocetkom XX. stol-
jeca (Ein Beitrag zur Bevölkerungsstruktur Dalmatiens Ende des 19. und Anfang des 20. Jh.), in:
Radovi zavoda za povijesne znanosti HAZU u Zadru, Zadar 1994, S. 181 — 190, hier S. 189.
121
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
1921 lebten, wendet man wieder das Konfessions- und Sprachkriterium kombiniert
an, nach der Volkszählung im selben Jahr, 17% Serben und 82,8% Kroaten in der
Region.45 Die seriösesten Berechnungen aufgrund der interpretations- und ergän
zungsbedürftigen Volkszählungsergebnisse durch Drago Roksandic und Ivo Banac
ergeben die Zahl von 86.871 bzw. 105.460 Serben zu Anfang der Zwanziger Jahre in
Dalmatien, wobei die große Mehrheit der Serben vorwiegend in den wirtschaftlich
rückständigsten Gebieten Dalmatiens lebte.46
Quelle: Kraljevina Jugoslavija, Opsta drzavna statistika. Definitivni rezultati popisa stanovnistva
od 31. januara 1921. god., Sarajevo (Drzavna stamparija) 1932 (Die Bev. der von Italien okkup-
pierten Inseln und Zadars wurde nicht mitgezählt).
122
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
Wie bereits betont, spielte die Konfession die zentrale Rolle im Hinblick auf die natio
nale Selbstidentifikatrion: „Womit wird ein Serbe zum Serben? Durch die Zugehörig
keit zum Kult des Heiligen Sava (Svetoslavljem). Das ist die Wurzel und der Urgrund
unserer Volksseele“ sagte beispielsweise Archimandrit Justin zu einer in Belgrad er
scheinenden Zeitung.47
Auch wenn die Gleichung, daß jeder orthodoxe Gläubige automatisch Serbe sei, wie
es von der serbisch-orthodoxen Kirche propagiert wurde, auch teilweise auf Wider
spruch stieß und stößt, setzte sie sich durch.48
Im Gegensatz zu Serben und Kroaten in Dalmatien läßt sich die Stellung der orthodo
xen Kirche von der der katholischen im jugoslawischen Staat ohne Schwierigkeiten
unterscheiden: Im neuen Staat wurde eine einheitliche serbisch-orthodoxe Kirche mit
„Serbisch als Amtssprache und kyrillischer Schrift“49 geschaffen. Auf dem Gebiet des
am 1. Dezember 1918 gegründeten Königreichs gab es vor der staatlichen Vereinigung
zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen drei autokephale orthodoxe Kir
chengebiete im Rang einer Mitropolie: die von Karlovac, Belgrad und Montenegro-
Küstenland (karlovacka, beogradska, crnogorsko-primorska mitropolija). Außerdem
den dalmatinischen Teil der bukowinisch-dalmatinischen Mitropolie und die nationale
autonome serbisch-orthodoxe Kirche in Bosnien-Herzegowina unter Jurisdiktion der
Patriarchen von Carigrad/Istanbul. Am 26. Mai 1919 wurde in Belgrad die Vereini
gung aller dieser Gebiete in eine serbisch-orthodoxe Kirche des Königreichs SHS
erklärt. Das „Gesetz über die serbisch-orthodoxe Kirche“ wurde 1929, die „Verfas
sung der serbisch-orthodoxen Kirche“ am 16. November 1931 erlassen. Der Sitz der
1931 die Zahl von 97.877 Serben anführt. Zur Demographie auf dem Gebiet des ehemaligen
Jugoslawien: Stipetic, Vladimir, Jedno stoljece u brojcanom razvoju stanovnistva na danasnjem
podrucju Jugoslavije (Ein Jh. in der zahlenmäßigen Bevölkerungsentw. auf dem heutigen Ge
biet Jugoslawiens), in: Forum, Nr. 12/1973, S. 885-915. Ustasa-Zahlen bei: Lorkovic, Mladen,
Narod i zemlja Hrvata (Volk und Land der Kroaten), Zagreb 1939.
47 Vgl. Interwiev mit dem Archimandrit Justin in Jugoslovenska posta v. 10.1.1940. Auch wenn
britische Diplomaten aus Belgrad nach London meldeten, daß „nach intensiver orthodoxer
Propaganda kürzlich eine (nicht näher bezeichnete, A. J.) Insel ganz und eine andere zur
Hälfte vom katholischen Glauben abgefallen ist“, blieben Übertritte vom Katholizismus zum
orthodoxen Glauben doch die seltene Ausnahme in Dalmatien; vgl. Bericht der britischen
Botschaft für 1926, in: Avramovski, Zivko (Hg.), Britanci o Kraljevini Jugoslaviji. Godisnji
izvestaji Britanskog poslanstva u Beogradu 1921-1938, Bd. I (1921-1939), Zagreb 1986,
S. 365-426, hier S. 380.
48 Zivkovic, Mirko, Hrvatska i njezin problem pravoslavlje (Kroatien und sein Problem mit der
Orthodoxie), in: Zadarska smotra. Casopis za kulturu, znanost i umjetnost, Nr. 6/1993, S. 49-
55, hier S. 51.
49 Zbirka zakona protumacenih i objasnjenih sudskom i administrativnom praksom (Gesetzes
sammlung erläutert u. erkl. in der gerichtlichen u. administrativen Praxis), hg. v. Nikolaj
Pahorukov: Zakon o srpskoj pravoslavnoj crkvi od 8. novembra 1929. g. (Gesetz über die
serb.-orth. Kirche) u. Ustav Srpske pravoslavne crkve sa registrom od 16. novembra 1931. g.
(Verf. der SPC) Beograd 1932, Art. 4 Verfassung SPC, hier S. 14.
123
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
dalmatinischen Eparchie wechselte nach der Besetzung der Stadt durch Italien von
Zadar nach Sibenik. Insgesamt befanden sich im Jahr 1924 83 orthodoxe Gotteshäuser
auf dem Gebiet, und 44 Priester betreuten 88.255 „Seelen“, wie es im Schematismus
hieß.50 Anfang 1941 waren es 114.373 Pravoslaven in Dalmatien;51 unter der Führung
eines Archimandriten sorgten sich insgesamt 90 Geistliche um die orthodoxen Gläubi
gen in der Region.52
Die Zusammenfassung aller „rechtgläubigen Gebiete im Königreich SHS zu einer
autokephalen, vereinigten, serbisch-orthodoxen Kirche“ wurde vom Königshaus ge
fördert. Proklamationen des Regenten (und späteren Königs), die ausdrücklich „an
die orthodoxen Christen des Königreichs“ gerichtet waren, in der „die besondere und
wichtige Rolle der serbischen Kirche im Leben des Volkes“ betont wurde, machten
das besondere Verhältnis der serbischen Dynastie zu den serbisch-orthodoxen Staats
bürgern deutlich. Die symbolische Einführung des Patriarchen Dimitri durch den
König 1924 in Pec unterstrich nur noch einmal öffentlich, daß von einer Trennung
von Kirche und Staat, wie sie die Verfassung vorsah, zumindest was die orthodoxe
anbelangte, keine Rede sein konnte.53 Auch der Religionsunterricht der „serbischen
Kirche“ war oft ein Forum der serbisch-zentralistischen Agitation.54
Für Serbiens Nationsbildung wurde mit dem Begriff der „Konfessionsnation“ eine
typologische Zwischenstufe auf dem Weg von einer primär konfessionsbezogenen
Gruppensolidarität hin zur modernen politischen Willensgemeinschaft der Nation
ausgemacht55 im „Prozeß der Neuformulierung und des Wandels von Identitäten auf
50 Sematizam SPC 1925, S. 128-134; Radeka, Milan, Dalmatinska eparhija od ujedinjenja SPC
Die dalm. Eparchie seit der Vereinigung der SPC), S. 36-42 u. Oluic, Petar, Svestenstvo epar-
hije dalmatinske (Die Priesterschaft der dalm. Eparchie), S. 43-50; dort detailliert die Kir
chengeschichte der serbisch-orthodoxen Kirche u. Daten der orthodoxen Gläubigen in Dal
matien während der Zwischenkriegszeit.
51 Daß auch diese Zahl von den staatlichen Statistiken abweicht, liegt daran, daß bei Kirchenzäh
lungen alle Getauften und in den Kirchenbüchern verzeichnete mitgezählt wurden, ohne
Rücksicht, ob sie sich zum Tag der Zählung in der Gemeinde aufhielten.
52 Oluic, Svestenstvo eparhije dalmatinske, S. 48.
53 Vgl. Proklamation des Regenten Aleksandar v. 30.08.1920 anläßlich der Schaffung der „Srpska
patrijarsija“ bei der Patriarchen-Versammlung in Sremski Karlovci; zit. nach Petranovic, S. 43.
54 Vgl. Baracki, Nenad, Istorija Srpske pravoslavne crkve za vise razrede srednjih skola (Die
Geschichte der SPC für die höheren Klassen der Mittelschulen), Pancevo o.J., die mit Zustim
mung des Unterrichtsministeriums (Nr. 8585 v. 03.04.32) auf Grundlage der Empfehlung des
Heiligen Synod (Sinbr. 1968 v. 28.06.1929) als Lehrbuch in den höheren Klassen der Mittel
schule zugelassen war: Im Kap. „Siebente Periode“ (1918-heute), S. 72ff., wurde „unsere
nationale Vereinigung“, mit dem „1. Dezember als höchstem nationalen und staatlichen Feier
tag“ ganz im Sinne des Regimes gefeiert. Auch in der „Dalmatinska eparhija“ (Hauptsitz in
Split), wurden die „Verdienste der Serbischen Kirche um die Aufklärung ihres Volkes und
seine Befreiung und Vereinigung“ (S. 78ff.) und der „Ruhm und die Größe unseres heutigen
schönen und weiten Vaterlandes Jugoslawien und die nationale Befreiung und Vereinigung
aller Jugoslawen“ gewürdigt (S. 80).
35 Vgl. Turczynski, Konfession und Nation.
124
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
römisch-katholisch orthodox
Kreis 1890 1900 1910 1890 1900 1910
Quelle: Makale, Manfred, Zadnji popis pucanstva u Dalmaciji (Die letzte Bevölkerungszählung
in Dalmatien), Wien 1912, S. 36-37.58
125
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Die größte national-serbische Homogenität, wenn man so will, ließ sich, wie auch aus
obiger Konfessionsstatistik hervorgeht, in der Stadt Knin feststellen. 1910 waren
14,1 % der etwas über 40.000 Einwohner Kroaten und 84,1 % Serben, wobei seit 1910
die Zahl der Kroaten immer weiter abnahm.59 Die soziale Differenzierung im dalmati
nischen Hinterland blieb noch hinter dem sonstigen dalmatinischen zurück: Noch
Ende des 19. Jahrhunderts waren mehr als 94% der Bewohner Knins und des Um
lands Bauern oder Viehzüchter.60 Als starkes Gravitationszentrum und Anziehungs
punkt für die umliegenden Dörfer, wie Kosovo und Kninsko polje, die Gemeinden
von Zrmanja und Srb (Kreis Gracac),61 wurde Knin auch zum Zentrum des dalmati
nisch-serbischen Partei- und Vereinswesens. Nur dort konnten rein serbische Vereine,
wie die „Serbische nationale Jugend“ (Srpska nacionalna omladina, abgek. SRNAO),
die „Tschetnik-Vereinigung“ (Cetnicko udruzenje), der „Kreis der serbischen Schwe
stern“ (Kolo srpskih sestara) oder der ,Serbische Kulturverein „Aufklärung1“ (Srpsko
kulturno drustvo „Prosvjeta“) mehr Mitglieder gewinnen.
Wie die Ereignisse während des Zweiten Weltkriegs bewiesen, als Knin eine Hochburg
der Cetnik-Bewegung war, setzte in der Zwischenkriegszeit dort eine Entwicklung
ein, die zur Ausbildung eines serbisch-national gefärbten Loyalitätsbewußtseins im
Hinblick auf den jugoslawischen Staat führte. Trotz der im Grunde seit 1927 einhelli
gen Opposition gegen den zentralistischen Staatsaufbau im jugoslawischen Staat durch
die politischen Vertretungen von Serben und Kroaten in den ehemals südslawischen
Gebieten der Habsburgermonarchie in Form der 1927 gebildeten „Bauern- und De
mokraten Koalition“ durch Kroatische Bauernpartei und Serbische Demokratische
Partei, die bis 1941 hielt, radikalisierte sich ein Teil der Serben in Knin. Es überrascht
nicht, daß sich schließlich gerade die religiös aufgeladenen Nationalismen bei Serben
und Kroaten am unversöhnlichsten gegenüberstanden.
Unmittelbar vor dem Krieg 1941 gab es 76 orthodoxe Kirchengemeinden in der dal
matinischen Eparchie:
anzugehören, waren 1910 523 jüdischen Bekenntnisses, die meisten davon im Kreis Split (160
Personen). In den Kreisen Knin und Kotor lebten mehr als 53 % aller Angehörigen des ortho
doxen Glaubens in Dalmatien. In den vier Kreisen Benkovac, Knin, Kotor und Sinj zusammen
lebten über 80 % aller orthodoxen Einwohner der Region. In Cisleithanien waren die Ortho
doxen am stärksten in der Bukowina (547.603 Personen, 82 % der Bev.) und in Dalmatien
(105.335 Personen, 15,8% der Bevölkerung) in der Statistik vertreten.
59 Crkvencic, Ivan, Promjene broja pucanstva Knina od druge polovice 19. stoljeca (Die Ände
rungen der Bevölkerungszahlen von Knin), in: Kninski zbornik, Zagreb 1993, S. 27-35, hier
S. 29. Die Einwohnerzahl stieg von 39.849 im Jahr 1921 auf 45.329 bei der Zählung 1931.
60 Szabo, Agneza, Pucanstvo upravnog kotara Knin u drugoj polovici 19. stoljeca (Die Bev. im
Verwaltungsbezirk Knin in der 2. Hälfte des 19. Jh.), in: Kninski zbornik, Zagreb 1993, S. 36-
50, hier S. 39.
61 Rubic, Ivo, Gravitacija susjednih zitelja Splitu (Gravitation der benachbarten Einwohner
schaft nach Split), Zagreb 1930, S. 126.
126
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
Benkovac 17 21 17 27.288
Knin 14 17 14 32.504
Sibenik 16 25 16 36.431
Split 11 15 11 18.150
Bosanski Petrovac 15 22 15 61.782
Lijevno 8 9 8 32.247
208.402
Quelle: Oluic, Petar, Svestenstvo eparhije dalmatinske, S. 47f.; zieht man die bosnischen Orthodo
xen (94.029) ab, kommt man auf 114.373 orth. Kirchenmitgl. in Dalmatien im März 1941. (Bei
Kirchenzählungen wurden alle Getauften und in den Kirchenbüchern verzeichneten mitgezählt,
ohne Rücksicht, ob sie sich zum Tag der Zählung in der Gemeinde aufhielten.)
Es ist dem Belgrader Historiker Petranovic sicher recht zu geben, wenn er die ortho
doxe Kirche einen „Pfeiler“ des Serbentums nennt, die in der Überzeugung feststand,
daß „die Serben eine auserwählte Nation sind, daß die Dynastie Karadorcfevic im
Volke verwurzelt ist, (und) daß die Orthodoxie der authentische Glaube und die Or
ganisation der Kirche eine „nationale“ sei.“ Die Kirche betonte in der Tat fortlaufend
ihre Verbundenheit mit dem neuen Staat und hatte, nach Aussage des Patriarchen, „im
Verlauf vieler Jahrhunderte nicht aufgehört, zum Allmächtigen zu beten, daß er unse
rem Stamme solch einen ruhmreichen und auf Gerechtigkeit gründenden Staat
schenkt“. Das Patriarchat verkündete, auch weiterhin für die Dynastie zu beten, damit
„Gott mit seiner mächtigen Rechten unser herrliches Vaterland (...) beschütze“.
Auch wenn mit der Diktatur formal der Status der „Staatskirche“ wegfiel, begrüßte
die orthodoxe Kirche doch die Einführung des neuen Regimes. Wie nicht schwer
auszumalen war, betrachteten die anderen Kirchen mit äußerster Skepsis das enge
Verhältnis der SPC zur Macht. Die Gegnerschaft zur katholischen Kirche kulminierte
im Kampf gegen das Konkordat 1937, welches zwischen dem Königreich Jugoslawien
und dem Vatikan schon zwei Jahre zuvor paraphiert worden war. Der heilige Synod
drohte erfolgreich allen orthodoxen Parlamentsabgeordneten, falls sie für die Ratifi
zierung stimmen, mit Exkommunizierung. Der Vertragstext wurde zurückgezogen.
Die katholische Kirche wurde publizistisch als „inquisitorisch“, „Antipode des Evan
geliums“ etc. bekämpft. Der Widerstand der orthodoxen Kirche endete in gewalttäti
gen Demonstrationen.62 Man ging so weit zu erklären, daß „unter Orthodoxen und
im orthodoxen Belgrad alles, was nicht orthodox ist, fremd und ausländisch (strano i
tude)“ sei. Und der Patriarch Varnava unterstützte die „Durchführung der vollkom
menen Einheit der Brüder eines Blutes“. Von nationalbewußten Kroaten wurde das
62 Muzic, Ivan, Katolicka crkva u Kraljevini Jugoslaviji (Die kath. Kirche im Kgr. Jug.), Split
1978, S. 148f.; Text des Konkordats in frz. Sprache: ebenda, S. 207-217.
127
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
als der unverholene Versuch einer Assimilation gewertet. Dieses „jugoslovenstvo“, das
als „nationaler Glauben aller Serben, Kroaten und Slowenen“ begriffen wurde, ging
einher mit den Bekundungen der Loyalität zu „König und Vaterland“ anläßlich von
Fahnenweihen des Sokol oder bei staatlichen Veranstaltungen.63 Theorien, wie die,
daß die „rechtgläubige Serbische Kirche“ in ihrem „innersten Wesen freiheitsliebend,
national und sozial“ dem „jugoslawischen Menschen entspreche“, die römisch-katho
lische aber, die „in Ketten der Unfreiheit und des äußeren Diktats“ weder die Freiheit
des Gedankens noch der Aktion kennen würde, sondern nur „Unterwürfigkeit und
Gehorsam“ als Tugenden hervorbrächte, waren die radikalisierte Form dieser einander
ausschließenden religiös motivierten Nationalismen. Wenn die Kroaten hören mußten,
daß ihr Glaube einem „Verlies“ entspreche, in dem „der freie Gedanke des Menschen
eingekerkert“ sei, und „jene Völker, denen das Schicksal zugedacht war, in jenem
Käfig gefangen zu sein“, hätten sich „in der Geschichte mehr als Sklaven denn als
Herren hervorgetan, da ihnen ihre Mutterkirche dies beigebracht hat“, fachte das einen
exklusiv-kroatischen Nationalismus an. Und wie sollten pro-jugoslawisch eingestellte
Kroaten in der Zwischenkriegszeit reagieren, wenn sie lasen, daß jeder Jugoslawismus
unter den Kroaten seit Strossmayer nur ein „Manöver der römischen Kirche“ sei,
„auch jene slawischen Völker auf dem Balkan in ihr Verlies zu sperren, die diese
Sklaverei niemals wollten“. Die „Persönlichkeit Strossmayers“ sei der „einzigartige
Beweis in unserer jugoslawischen Geschichte, daß es unmöglich ist, gleichzeitig ein
guter Nationalist und ein guter Katholik“ zu sein. (...) Die gestanzte Seele des kroati
schen Menschen, jahrhundertelang von römischer Disziplin geformt, hat die Form
und den Charakter von Kleinmütigkeit, Niedergeschlagenheit, extremer Passivität und
sklavischer Verzagtheit angenommen. (...) Zur Erringung der nationalen Freiheit ist
die Freiheit des Geistes unabdingbar“.64 Solche Positionen stellten im kroatischen
politischen Raum, eingeschlossen Dalmatien, Stellungnahmen orthodoxer Würdenträ
ger von Anfang an unter Verdacht.
Tatsächlich griff in den Augen national denkender Kroaten z. B. das geistliche Ober
haupt der orthodoxen Christen in Dalmatien in seiner Weihnachtsansprache im Na
men des „durch Gottes Gnade geschützten serbisch-rechtgläubigen dalmatinischen
Patriarchats“ in die politische Auseinandersetzung ein: „Gott hat die Seele unseres
Volkes mit dem heiligen Pravoslaventum beschenkt, - dem größten Geschenk, wel
ches bis jetzt der Himmel der Erde gemacht hat.“ (Hervorh. im Original) Und neben
dem Glauben wurde als das zweite Bewahrenswerte „unser heiliges, mit Blut erworbe
nes Land, Jugoslawien“ den Gläubigen ans Herz gelegt. Die „Unglückseligen und
Schamlosen“, die das Vaterland zu verspielen drohten, wurden noch einmal belehrt,
daß „Jugoslawien der Traum und die Sehnsucht und das erhörte Gebet unseres Volkes
63 Petranovic, S. 44 f.
64 Vgl. Ivancevic, Ljubomir, Kritika i priznanje jednoj knjizi (Kritik und Anerkennung f. ein
Buch, anl. der Bespr. von Dvornikovics „Charakterologie der Jugoslawen“), in: Zicki blago-
vesnik, XXII/1940, 7, S. 7-16, hier zit. nach Roksandic, Srpska i hrv. povijest, S. 275.
128
Konfessionelle Prägungen und kulturelle Milieus
durch die Jahrhunderte“ darstelle. „Unser staatliches Haus ist ein großes, mit viel
Platz für jeden (...), aber sollen wir etwa jetzt zulassen, daß jeder in ihm nun machen
kann, was er will und wie er will? Sollen wir etwa ruhig Zusehen, wie Feiglinge die
heiligen Erinnerungen an unsere Flelden verlachen, wie die Gräber unserer Verdienst
vollsten entehrt und aller mögliche Schmutz auf unsere nationale Dynastie und den
heiligen Thron geworfen wird?“ (Hervorh. im Original) Nach weiteren Elogen auf
das Königshaus, die Verpflichtung durch den Märtyrertod des „ritterlichen Vereini
gungskönigs“ und den „wie Salz und Brot“ notwendigen Staat hieß es: „Seht in jedem
Menschen einen Bruder, solange er nicht zeigt, daß er weder Mensch noch Bruder ist
(dokle god ne dokaze da nije ni covek ni brat) (Hervorh. im Original).65
Das „Kosovo und der St. Veitstag“ würden dem serbischen Gläubigen den richtigen,
„heldenhaften“ Weg vorgeben. Der „Gott des Friedens“ und der „gute Wille zwischen
den Menschen“ wurden am Schluß zwar beschworen, aber patriotisch-orthodoxe dal
matinische Gläubige konnten die Weihnachtsansprache auch durchaus als Aufforde
rung verstehen, dem kroatischen Separatismus entgegenzutreten. Umgekehrt fielen bei
nationalbewußten Kroaten die seitens katholisch-nationalkroatischer Propagandisten
herausgestellten Zahlen, daß die orthodoxe Kirche, der 42 % der Bevölkerung im Kö
nigreich angehörte, aus dem Budget des Kultusministeriums 17 Millionen Dinar er
hielt, die katholische bei einem Gesamtanteil von 38% der Gesamteinwohnerzahl
dagegen nur 5 Millionen Dinar, auf fruchtbaren Boden.66
Die Intensivierung des katholisch-kroatischen Engagements rief bei der orthodoxen
Kirche eine noch größere Identifikation mit dem jugoslawischen Staat hervor, der
als der eigene betrachtet wurde. Die Unterschiede zwischen Kroaten und Serben in
Dalmatien auf konfessionellem Gebiet und die fundamental gegensätzlichen Positio
nen, die die jeweiligen Kirchen zum Gesamtstaat bezogen, spielten im Bürgerkrieg
der Nationalisten beider Seiten, der 1941 seinen Anfang nahm, eine wichtige Rolle.
Doch bei einem Blick auf die im dalmatinischen Hinterland ca. 25 km nordöstlich
von Zadar gelegenen Dörfer Islam Grcki, das zum überwiegenden Teil von Serbisch-
Orthodoxen bewohnt wurde, und dem nur 4 km entfernten etwas kleineren Islam
Latinski, mit fast ausschließlich katholischer Bevölkerung, wird deutlich, daß die seit
der Türkenzeit stammenden religiösen Unterschiede zwar geblieben waren, sich aber
die Lebensverhältnisse der dalmatinischen Bauern ansonsten kaum voneinander unter
schieden.
65 Irinej, Episkop Dalmatinski, Bozicna poslanica. Dana u nasoj rezidenciji u Sibeniku, o praz-
niku Rozdestva Boga u telu, Svetosavske Godine 1935., Sibenik 1935, S. 3 u. 6f.
66 Zahlen u. Statistiken bei Rogic, Idee des kroatischen Staates, S. 160ff., der sie gleichfalls als
Beweis für die „enorme Macht“ der serbisch-orthodoxen Kirche anführt. Gleichfalls zit. der
Verf. das „Memorandum des Erzbischofs Bauer“ (S. 166ff.), der am 25. Mai 1935 beim Prinz
regenten Pavle gegen Verfolgung und Folter von Mitgliedern katholischer Vereine in Kroatien
seitens „einzelne(r) Organe der Gendarmerie“ protestierte.
129
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Das Lexikon beschreibt Dalmatien als einen der Hochkarstzone der Dinariden vorge
lagerten, stark gegliederten Küstenstreifen (Ingressionsküste) des Adriatischen Meeres,
zu dem die sich küstenparallel hinziehenden Inseln gehören.67 Schon aus der unter
schiedlichen geographischen Konfiguration ergeben sich Unterschiede zwischen dem
Küsten- und dem Hinterland. Das Meer als Nahrungsquelle muß im kontinentalen
Teil Dalmatiens den nicht sehr fruchtbaren und wegen des Karstes seltenen Acker
boden ersetzen. Dem Wein- und Olivenanbau an der Küste stand im Hinterland, der
Zagora,68 eine nicht sehr extensive Vieh- und Getreideproduktion gegenüber. Auch
sprachlich-kulturelle Unterschiede, neben der noch Anfang des 20. Jahrhunderts zu
bemerkenden italienischen Prägung der dünnen Oberschichten in den Küstenstädt
chen lassen sich feststellen.69 Religiös, als Folge der osmanischen Eroberungen und
der späteren Schaffung der Militärgrenze und der Ansiedlung von orthodoxen Wehr
bauern, überwog im dünnbesiedelten kontinentalen Teil Dalmatiens, im Hinterland
von Zadar und um Knin herum, die Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche, während
jenseits der Berge, an der Küste, die Bevölkerung fast ausschließlich katholisch war.
Geprägt wird dieser Küstenstrich durch sein Mittelmeerklima, dem, wie an der ganzen
Küste und den Inseln, eine mediterrane Flora entspricht. Immergrüne Hartlaubge
wächse (Zypressen, Pinien, Palmen, Aleppokiefern, Agaven, Kakteen, mit nach Süden
zunehmend Buschwald/Macchia) dominieren, außerdem gibt es Steineichen, Lorbeer
und Steinlinden an den Hängen. Kulturpflanzen sind u. a. Oliven-, Feigen-, Mandel-,
Johannisbrotbäume sowie Wein.70 Die noch im frühen Mittelalter bewaldeten küsten
nahen Hochkarstflächen sind aufgrund von Abholzung für den Schiffs- und venezia
nischen Städtebau und Viehverbiß durch Ziegen und Schafe nur spärlich bewachsen
oder kahl verkarstet. Nur in den mit Schwemmerde bedeckten Dohnen und Poljen ist
Felderwirtschaft (Obst, Getreide) möglich. Einzig im Norden Dalmatiens, zwischen
Nin und dem See von Vrana, erstreckt sich ein größeres zusammenhängendes Stück
flachen Landes (Ravni Kotari), das landwirtschaftlich von Bedeutung ist. Der frucht-
130
Dorf und agrarische Lebenswelt
barste Teil erstreckt sich in Mitteldalmatien, von Trogir bis Split, das „Splitsko polje“.
Die subtropische Vegetation der mediterranen Klimazone Dalmatiens, mit den maleri
schen Palmen, Zypressen und Pinien, ihrem Lorbeer, den Feigen, Sauerkirschen (Ma-
raska) und vor allem Oliven- und Mandelbäumen (in geschützten Lagen auch Zitro
nen und Orangen), können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine nennens
werte landwirtschaftliche Produktion nur der Weinbau zu verzeichnen habe, schrieb
der Landwirtschaftsminister Otto Franges in seiner Studie über die Agrarverfassung,
die er 1937 veröffentlichte. Mais, Weizen und Gerste brächten „auch in günstigen
Jahren bloß kümmerliche Ernten“.71
In den Fällen, wo Zeugnisse dörflichen Lebens in Dalmatien zwischen den Weltkrie
gen vorliegen, in Erinnerungen und Dorfchroniken, wird durchgängig Armut und
Abhängigkeit der großen Mehrheit der Landbevölkerung betont („neimastina i
kmetstvo“), sowie das schwere Leben des dalamatinischen „tezak“ (ein fast nur in
Dalmatien gebrauchter Begriff für „Bauer“, „Landarbeiter“ oder „Tagelöhner“). Den
steinigen, karstigen Kleinparzellen wurde mit einfachsten Bearbeitungsmethoden ein
kaum das Überleben sichernder Ertrag abgerungen. Die in mühsamer Flandarbeit
aufgeschichteten Steinmauern um Weinberge und Olivenhaine, um das Wegschwem
men des wenigen fruchtbaren Landes und Bodenerosion zu verhindern, legen heute
noch Zeugnis von vergangenem Arbeitsalltag ab. Die Unwägbarkeiten der Natur -
Dürre, Flagel etc. - hingen dabei ständig wie ein Damoklesschwert über allem Wirt
schaften der Bauern, das auch zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch in großem Maße
durch den Wechsel der Jahreszeiten und die natürlichen Bedingungen bestimmt
wurde.72 Wenn auch Unterschiede von Dorf zu Dorf bestanden, was lokale Traditio
nen, Hauptkulturen, Arbeitsweisen etc. betraf, so überwogen doch die gemeinsamen
131
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
132
Dorf und agrarische Lebenswelt
Die dalmatinischen Zustände faßte 1910 der Abgeordnete Josip Smodlaka in einer
Rede vor dem Wiener Parlament in folgenden Worten zusammen: „Dalmatien ist ein
Bauernland (...) ohne Industrie, Brot, Fleisch, Kartoffeln, Holz; mehr als die Hälfte
der Dörfer haben kein Trinkwasser (.. .).“74 Weiter beklagte er die katastrophalen Ver
kehrsverbindungen, die grassierenden Seuchen, die ungelöste Agrarfrage, Mißernten,
die Auswanderungswelle. In den Beschreibungen von allgemeiner Rückständigkeit
und sozialer Not waren sich Oppositionspolitiker wie Smodlaka mit Beamten und
österreichischen Beobachtern weitgehend einig.75 Alle diese Probleme waren auch
74 Abg. Josip Smodlaka im Reichsrat, Parlamentsprotokoll, 52, 1910, Prilog, hier zit. nach Obad,
Stijepo, Dalmatinsko selo u proslosti. Od sredine osamnaestog stoljeca do prvog svjetskog
rata (Das dalm. Dorf in der Vergangenheit. Von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bis
zum Ersten Weltkrieg), Split 1990, S. 104.
75 Auch in den Erinnerungen des von 1902 bis Anfang 1905 als Statthalter in Dalmatien einge
setzten Erasmus Freiherr von Handel wird die Lage der Landbevölkerung als die „denkbar
133
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
nach 1918 ungelöst. In all seinen Teilen bot das auch zu Zeiten der Donaumonarchie
„rückständige, wenig erschlossene, quasi-koloniale“ und vernachlässigte76 Gebiet des
ländlichen Dalmatien vor und nach 1918 den bedauerlichen Anblick eines wirtschaftli
chen Notstandsgebietes. Das österreichische Kronland, von dem es lange hieß, daß
dort ,auf italienisch gedacht und gesprochen, deutsch kommandiert und slawisch ge
folgt' würde, war die rückständigste Provinz der Monarchie.
Das neuentstandene „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ war zur Gänze
ein ausgesprochenes Agrarland. Mehr als drei Viertel der gesamten Einwohnerschaft
und der Beschäftigten waren Bauern bzw. Landarbeiter.77 Die Verhältnisse in der
Landwirtschaft unterschieden sich in den verschiedenen Regionen des Königreichs
zwar beträchtlich, die statistische Pro-Kopf-Besitzverteilung in den ehemaligen k.u.k.-
Gebieten zeigt aber, daß dem weitaus größten Teil der landarbeitenden Bevölkerung,
sofern er überhaupt eigenen Boden besaß, überall nur parzellisierte, kleine Flächen
zur Bearbeitung zur Verfügung standen.78 In Dalmatien hatten 56.539 bäuerliche Wirt
schaften (was 62,8 % aller Höfe der Region entsprach) sogar weniger als 2 Hektar
Land zur Verfügung, was die extreme Parzellisierung an der Küste deutlich macht.79
Von Großgrundbesitz in Dalmatien konnte man nur bei 0,14% der Höfe sprechen.80
134
Dorf und agrarische Lebenswelt
Eigentümer und teilweise durch abgabepflichtige Bauern. 4018 Besitzungen (4,8%) aus
schließlich durch Kolonen oder durch Bauern unter ähnlichen Vertragsverhältnissen.
81 Vgl. Schödi, Nationalpolitik, Die Agrarkrise als Voraussetzung von Politisierung, S. 114-178.
Zur Bevölkerungsstruktur vor 1914 vgl. Foretic, Dinko, O ekonomskim prilikama u Dalma-
ciji u drugoj polovici XIX stoljeca do prvog svjetskog rata (Uber die wirtschaftl. Verhältnisse
in Dalm. in der zweiten Hälfte des 19. Jh. bis zum 1. WK), in: Hrvatski narodni preporod u
Dalmaciji i Istri, Zagreb 1969, S. 9-71. Zur Lage der Landwirtschaft vor dem Ersten Welt
krieg auch Karaman, Problemi ekonomskog razvitka u. Tomasevich, Peasants, Politics and
Economic Change, bes. Kap. 3, 4 u. 9.
82 Eine eigene Studie zur Agrarreform in Dalmatien liegt bislang nicht vor. Zdenka Simoncic-
Bobetko, die wohl beste Kennerin der Materie, geht in ihrer postum publizierten Studie
„Agrarna reforma i kolonizacija u Hrvatskoj 1918.-1941.“ (Agrarreform und Kolonisierung
in Kroatien 1918-41), Zagreb 1997, fast nur anhand von Sekundärliteratur auf Dalmatien ein.
Für unser Thema wichtig war ihre Arbeit „Agrarno pitanje u Dalmaciji“, in: Povijesni prilozi
8/1989, S. 91-141. In manchen Lokalmonographien und Artikeln wird auf den jeweiligen
lokalen Verlauf der Agrarreform eingegangen, immer mit der Betonung, daß es sich dabei für
die Bauern um das wichtigste Ereignis gehandelt habe; vgl. z.B. Grabovac, Viktor Vito, Prolo-
zac kroz prostor i vrijeme (P. in Raum und Zeit), Prolozac 1995, S. 102-126; Radovanovic,
Robert, Gdinj - Geografsko povijesni prikaz (Gdinj. Geographisch-geschichtliche Darstel
lung), Hvar 1972; Kvesic, Sibe, Hvar izmedu dva rata. Politicke i socijalne prilike (Hvar
zwischen den Kriegen. Politische und soziale Verhältnisse), Zagreb 1969; Salamunic, Niko,
Agrarna reforma i socijalno-ekonomska situacija na Hvaru izmedu dva rata (Die Agrarreform
und die sozio-ökonomische Situation auf Hvar zwischen zwei Kriegen), in: Hvarski Zbornik
6 1978, S. 173-183.
135
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
lien die dringend benötigten Arbeitskräfte.83 Folge des Arbeitskräftemangels war ein
weiteres Absinken der ohnehin geringen Erträge, zunehmende Engpässe in der
Lebensmittelversorgung auch der Städte und schließlich Hunger. Die deprimierenden
Lebensbedingungen auf den dalmatinischen Dörfern und in den von Landarbeitern
bewohnten Vorstädten während der Zwischenkriegszeit finden sich in Memoiren und
lokalen Chroniken beschrieben.84 Die Gemeinden Benkovac, Drnis, Imotski, Knin
Obrovac, Sinj und Vrgorac in der Zagora, gehörten dabei, genauso wie die Inseln, zu
den unterdurchschnittlich entwickelten Regionen Dalmatiens.85 Die in den zerstreuten
Dörfern lebende bäuerliche Bevölkerung war schlecht ernährt und so gut wie ganz
von ihrer Subsistenzproduktion86 abhängig.87 Auf dem wenig ertragreichen Boden88
83 Vgl. Juras, Ivo, Kastela u godinama rata. Ekonomski i demografski prikaz (Kastela in den
Kriegsjahren. Ökonomische u. demographische Darst.), Split 1920, der den „Arbeitskräfte
mangel“, die „schlimmste Folge des Krieges“ nennt. Schon im ersten Kriegsjahr mußten mehr
als 10% der Gesamteinwohnerzahl einrücken, 1915, als Italien in den Krieg eintrat, wurde
dann in Dalmatien „alles mobilisiert“ (vgl. S. 9f.), ab 1917 berichtet er davon, daß zahlreiche
Deserteure wieder zurück ins Dorf kamen.
84 Vgl. Kovacic, Ivan, Smij i suze starega Splita (Lachen und Tränen des alten Split), Split 1971.
Der Autor, Jahrgang 1897, beschreibt (im cakavischen Spliter Dialekt) seine Kindheit in einer
Landarbeiter-Familie; für die Dörfer Vranjic u. Povlja z.B. vgl. Javorcic, Ivo, Vranjicka kro-
nika (1918-1941) (Die Chronik von Vranjic), in: Keckemet, Dusko/Javorcic, Ivo, Vranjic
kroz vjekove (Vranjic durch die Jahrhunderte), Split 1984; Ostojic, Ivan, Povlja - povijesni
prikaz (Povlja - Geschichtliche Darst.), Split 1968.
85 In Novo doba finden sich häufig Artikel und Leserbriefe über die „herzzerreißenden“ Zu
stände in der Zagora. Vgl. z.B. Novo doba Nr. 8 v. 11.01.1923.
86 Vgl. die Diskussion zum Begriff der „Subsistenzökonomie“ bei Plaggenborg, Bauernwelt,
S. 144ff. u. Groh, Dieter, Anthropologische Dimensionen der Geschichte, Frankfurt/M. 1992.
Dort bes. den Beitrag über die zentralen Kategorien, S. 54-113. „Betont man die kulturelle
und soziale Seite des Lebenszusammenhangs Subsistenzökonomie, so fielen alle Wirtschafts
formen darunter, in denen sozialregulative Ideen vorherrschen, die primär auf Erfüllung von
sozialkulturell definierten Bedürfnissen ausgerichtet, aber noch nicht auf das Wachstumspara
digma hin orientiert sind.“ Groh, S. 66 u. die Erweiterung von Plaggenborg: „über die von
ihr gesteckten Grenzen hinaus ist gezielte Überschußproduktion (wenngleich nicht kapitali
stische Mehrwert-Schaffung) als integraler Bestandteil der „sozialkulturell definierten Bedürf
nisse“ anzusehen.“ Ebenda, S. 145.
87 Culinovic-Konstantinovic, Vesna, Tradicijski zivot i razvoj porodice u selima Muckog po-
drucja (Traditionelles Leben und Entwicklung der Familie in den Dörfern der Gegend von
Muc), in: Adrias Zavoda za znanstveni i umjetnicki rad Jugoslavenske Akademije Znanosti i
Umjetnosti u Splitu, Svezak 2, Split 1988, S. 267-298 u. Erlich, Vera, Family in Transition: a
study of 300 Yugoslav villages, Princeton 1977.
88 Verschiedene Qualitätsstufen der Erde wurden von den Bauern unterschieden: Das beste
Land, hieß es bsp. auf der Insel Hvar, war das sog. Ackerland (njivska zemlja), worunter man
fruchtbare rote Erde ohne Steine, auf der Wein, Bohnen, Erbsen, Zwiebeln usw. gezogen
wurden, verstand. Die zweite Landkategorie war die sog. „grahoracina od. skadetna zemlja“,
mit deutlich mehr Steinen, in der Obst- u. Olivenbäume u. Lavendel gedeihen. Die schlech
teste Erde wurde „busak“ oder „grmlje“ genannt, und konnte nur als Weideland für Ziegen
oder zum Brennholzsammeln genutzt werden.
136
Dorf und agrarische Lehenswelt
waren die Unwägbarkeiten der Witterung entscheidend für die Ernte, zudem setzten
sich neue Bearbeitungsmethoden nur langsam in Dalmatien durch.89 Gelebt wurde in
einfachen Steinhäusern auch in den Zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts weitge
hend noch so, wie die Bauern ,seit je her' an der Ostküste der Adria gelebt hatten.90
89 Vgl. Klement, Derado, Trogirska Zagora - suvremeni tokovi razvojnog procesa geografske sre-
dine (Die Zagora von Trogir - aktuelle Entwicklungsprozesse einer geographischen Region),
in: Geografski Glasnik Nr. 38/1976, Sonderdruck. Einzelne Enthusiasten, wie der Agronom
Stanko Ozanic, bemühten sich zwar seit der Jahrhundertwende die Landwirtschaft in Dalma
tien zu modernisieren, doch mit geringem Erfolg. Es gibt so gut wie keinen Artikel, der in Novo
doba, Jadranska straza oder Jadranski dnevnik zum Problem der Produktivitätssteigerung der
dalm. Landwirtschaft erschien, der nicht aus seiner Feder stammte; vgl. Obad, Stijepo, Dalma-
cija u Ozanicevo doba, in: Zadarska smotra 1—2 (Ozanicev zbornik), 1994, S. 29-36.
90 Dalmatinische Bauernhäuser waren meistens aus Stein und Mörtel und hatten mit Ziegeln
gedeckte Dächer. Die Häuser, die aus Trockenmauerwerk bestanden, waren mit Platten, Stroh
oder Zweigen gedeckt. Die Hausbautechnik war in den Gebieten am Meer höher entwickelt
als im Landesinneren. An der Küste und auf den Inseln gab es mehrstöckige Häuser, wobei
die Räume funktional aufgeteilt waren; vgl. Obad, Dalmatinsko selo, S. 184. Zu Brauchtum
u. Volksultur vgl. Gavazzi, M., Das Kulturerbe der Südslawen im Lichte der Völkerkunde,
in: Die Welt der Slawen 1/1965, S. 63-81; ders., Die Kulturzonen Südosteuropas, in: Südost-
137
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Besonders schwer war die Ernährungslage aufgrund langer Dürreperioden 1922 und
1928, die zu regelrechten Hungersnöten führten.91 Auf der wenigen verfügbaren Wirt
schaftsfläche Dalmatiens lebten 1923 mehr als drei Viertel der Bevölkerung der Region
von der Landwirtschaft.92 Von der gesamten Fläche Dalmatiens, etwas über 1,2 Mio.
Hektar, waren überhaupt nur 57% zur landwirtschaftlichen Bearbeitung geeignet,93
nach neueren Berechnungen gar nur 20%.94 Das bearbeitbare Land wurde von ca.
120.000 Bauernfamilien bearbeitet, von denen die Mehrzahl ausschließlich von den
geringen Erträgen, die das Land abwarf, leben mußte.95 Daß die große Mehrheit der
dalmatinischen Bevölkerung auf dem Land lebte, wird auch aus folgender Aufstellung
der Wohnorte deutlich:
europa-Jahrbuch II. Bd., München 1958, S. 11-31; Matl, Josef, Die Kultur der Südslawen, in:
Handbuch der Kulturgeschichte neu hrsg. v. Eugen Thurnher, Lieferung 101-105, Frankfurt/
M, 1966; Schneeweis, Edmund, Serbokroatische Volkskunde, 2 Bde., Berlin 1961 (Original-
ausg. Cilli 1935); Schmaus, Alois, Südosteuropa, Münchenl964; Culina, Sime, Radanje, zivot
i umiranje djece u Pridragi (Geburt, Leben und Sterben der Kinder in Pridraga), in: Zadarska
smotra. Casopis za kulturu, znanost i umjetnost, Jg. XLII, Nr. 4-5/1993, S. 169-174.
91 Vgl. Mirosevic, Franko, Polozaj dalmatinskog tezaka i njegova borba za zemlju od 1919. do
1929. godine (Die Stellung des dalm. Landarbeiters und sein Kampf um Land von 1919 bis
1929), in: Radovi Nr. 20, hrsg. v. Zavod za hrvatsku povijest Filozofskog fakulteta u Zagrebu,
Zagreb 1987, S. 94-98.
92 Der Almanah Kraljevine SHS, Kap. 2 „Landwirtschaft“ sprach v. insgesamt 1923 715.432 ha
Nutzfläche.
93 Vgl. Novo doba v. 30.04.1921, S. 1: „Dalmatien im Übergang vom Agrar zur Industrie“, wo
die Gesamtfläche mit 1.282.257 ha angegeben wurde.
94 Simoncic-Bobetko, Zdenka, Selo u Hrvatskoj 1918.-1934. godine - gospodarski aspekti (Das
Dorf in Kroatien 1918-1941 - Wirtschaftliche Aspekte), in: Povijesni prilozi (hrsg. v. Institut
za suvremenu povijest), Nr. 13/1994, S. 139-178.
95 Auf Dalmatien entfielen im Jahr 1923 wegen der geringen Produktivität ganze 4,7% der
gesamten aus der Landwirtschaft stammenden Erträge im Gesamtstaat. Zum Vergleich: Auf
138
Dorf und agrarische Lebenswelt
Mehr als drei Viertel (75,8 % ) aller Einwohner Dalmatiens lebten also in Ortschaften bis
2000 Einwohner (95,1 % aller Ortschaften), entsprechend sah die Bevölkerungsstruktur
und Beschäftigungsstatistik der Region aus. Der Anteil der Berufsgruppen in den Sekto
ren „Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei“ betrug auch 1910 noch über 82 %.
Bedienstete
oo
Quelle: Diklic, Marjan, Prilog strukturi, S. 184, nach der österr. Statistik. (Die Kategorie „Eigen
tümer“ (vlasnici) bezeichnet „unabhängige“, d. h. nicht abhängig beschäftigte Personen; unter „im
Haushalt“ sind Haushaltsangehörige ohne eigenes Einkommen gemeint.)
die etwa genauso große fruchtbare Vojvodina entfielen 24,27%; vgl. Mirkovic, Ekonomska
historija, S. 345.
139
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Quelle: Statisticki godisnjak 1936, S. 38ff. (Unter „Sonstige“ fällt Beschäftigung im Handel, Bank
wesen, Staatsdienst, Freie Berufe, Militär, sowie Rentner u. Arbeitslose.)
Wenn auch nach Schaffung der Küstenbanschaft96 zusätzlich noch agrarisch struktu
rierte bosnische und herzegowinische Kreise Dalmatien angegliedert wurden und des
halb die österreichischen Daten mit den jugoslawischen Angaben nicht direkt ver-
96 Mit dem Gesetz über Bezeichnung und administrative Aufteilung vom Oktober 1929 wurde
der nun „Königreich Jugoslawien“ genannte Staat in 9 Banschaften aufgeteilt. Sitz der sog.
„Küstenbanschaft“ (Primorska banovina), die Teile des westlichen Bosnien und der Herzego
wina umfaßte, war Split. Der nach „neuesten Zahlen“ und den Volkszählungsergebnissen von
1931 erstellte statistische Almanach der Küstenbanschaft gab als Gesamtfläche der Primorska
banovina 19.613,91 km2 od. 7,98% des gesamten Staatsterritoriums an. Verwaltungsmäßig
war die Küstenbanschaft in 21 Bezirke (srez), 101 Gemeinde (darunter 4 Städte) und 813
Katastergemeinden aufgeteilt. Nach den Ergebnissen der Zählung vom 31. März 1931 lebten
901.660 Einwohner (6,47% der Gesamteinwohnerschaft) in 1.664 Ortschaften, mit 155.909
gezählten Haushalten in 151.459 Häusern. Die Muttersprache „Kroatoserbisch“ gaben
895.292 oder 99,30% der Befragten an. Das Slowenische, Italienische und Deutsche folgen
mit 2.155, 1.580 bzw. 739 gezählten Sprechern. Die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen
Kirche bekannten 692.496 oder 76,80 % der befragten Personen, zur othodoxen zählten sich
138.375 od. 15,35%. Durch die nicht-dalmatinischen Teile der Küstenbanschaft kamen 69.360
od. 7,69% Muslime dazu, andere Konfessionen sind, wie die 17 Personen (0,0%) die sich auf
dem gesamten Gebiet der Banschaft als konfessionslos erklärten, statistisch vernachlässigbar.
Vgl. Kraljevska Banska uprava Primorske banovine (Hg.), Upravno, sudsko i crkveno razdjel-
jenje i imenik prebivalista Primorske banovine po stanju od 1. maja 1938. Priredio Statisticki
ured u Zagrebu (Kgl. Banschaftsverwaltung der Küstenb. (Hg.), Verwaltungsmäßige, gerichtli
che und kirchliche Aufteilung und Wohnortregister der Küstenbanschaft nach dem Stand 1.
Mai 1938 durch das Statistische Amt in Zagreb), Zagreb 1938. „Ein Volk und ein nationales
Empfinden“ würde die Folge dieser Entscheidung sein, waren sich die Vertreter unitaristischer
Positionen sicher. Doch auch die noch so häufige Betonung von „jugoslawischem nationalem
Geist“ schuf ihn nicht herbei. Vgl. Novo doba v. 5. Juli 1929 u. Zakon o nazivu i podeli
140
Dorf und agrarische Lebenswelt
Serbien, Mazedonien
u. Montenegro 1.084,5 149,7 638,3 1.872,5
Serbien allein 1.185,5 222,7 728,4 2.136,6
Mazedonien
und Kosovo 956,2 29,9 510,0 1.496,2
Montenegro 628,3 15,6 333,0 976,9
Kraljevine na upravna podrucja (Gesetz über die Bezeichnung u. Aufteilung des Königreichs
in Verwaltungseinheiten), in: Sluzbene novine v. 5.10.1929, Nr. 233 XCI.
97 Vgl. Definitivni rezultati popisa stanovnistva od 31.03.1931, Bd. IV, Sarajevo 1940, S. VIII-
IX, Tab. III u. IV. Aus den Volkszählungsergebnissen geht auch hervor, daß es 13.488 Beamte
und Angestellte, 20.240 Arbeiter, 21.380 Tagelöhner u. Bedienstete, 2.683 Hausbedienstete
und 2.155 Lehrlinge in der Banschaft gab. 364.935 od. 84,53 % der wirtschaftl. aktiven Bevöl
kerung war im Agrarsektor beschäftigt.
141
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Serbien, Mazedonien
u. Montenegro 80,6 30,7 61,7 65,3
Serbien allein 88,1 45,6 70,4 74,5
Mazedonien
und Kosovo 71,0 6,1 49,3 52,2
Montenegro 46,7 3,2 32,2 34,1
Serbien, Mazedonien
u. Montenegro 57,9 8,0 34,1 100,0
Serbien allein 55,5 10,4 34,1 100,0
Mazedonien u.
Kosovo 63,9 2,0 34,1 100,0
Montenegro 64,3 1,6 34,1 100,0
Quelle: Duricic, V. et al., Nasa narodna privreda i nacionalni prihod (Unsere Volkswirtschaft u.
das nationale Einkommen), Sarajevo 1927; Ministarstvo trgovine i industrije (Handels- u. Indu
strieministerium) (Hg.), Statistika industrije Kraljevine Jugoslavije (Industriestatistik des König
reichs Jugoslawien), Beograd 1941; Stajic, Stevan, Nacionalni dohodak Jugoslavije 1923-1929
(Das Volkseinkomen Jugoslawiens), Beograd 1959; Tomasevich, Jozo, Peasants, Politics and Eco
nomic Change in Yugoslavia, Stanford 1955, S. 225; Udruzenje vojvodanskih banaka, Izvestaj
udruzenja vojvodanskih banaka za godinu 1928 (Bericht des Verbandes der Banken aus der Voj
vodina f. 1928), Novi Sad 1929, S. 70f.
142
Dorf und agrarische Lebenswelt
Obige statistische Angaben98 werden sicher relativiert durch die Tatsache, daß die
dalmatinischen Bauern zu einem großen Teil für den Eigenbedarf und nicht für den
Markt produzierten.99 Doch es blieb bei der Tatsache, daß Dalmatien auch nach dem
Krieg seine Bevölkerung nicht ernähren konnte und erhebliche Mengen von Körner
früchten importieren mußte. Gleichzeitig betrug der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch
bei Körnerfrüchten (einschließlich Reis) in Dalmatien, nach Berechnungen, die im
Auftrag des österreichischen Handelsministeriums für das Jahr 1903 durchgeführt
wurden, nur 177 kg, während man ansonsten in Cisleithanien eine Verbrauchsmenge
von 250 kg pro Kopf als durchschnittlich betrachtete. Ein Vierteljahrhundert später
veröffentlichte das nun zuständige Landwirtschaftministerium in Belgrad Ergebnisse
einer statistischen Befragung aus dem Jahr 1927, die das Ministerium in einzelnen
Gemeinden durchgeführt hatte. Danach wurde durchschnittlich „zum Zwecke der
Ernährung eines erwachsenen Menschen in einer ländlichen Gemeinde“ davon ausge
gangen, daß dieser im Jahr „137 kg Getreide, 117 kg Mais, 33 kg Weizen und 6 kg
Roggen“ zu seiner Ernährung verbrauche. Kartoffeln sah die Statistik nicht vor. Die
durchschnittliche Ernährung eines Stadtbewohners mit Lebensmitteln habe 1927
dagegen aus „145 kg Getreide, 121 kg Mais, 21 kg Hafer, 19 kg Roggen und 5 kg
Kartoffeln“ bestanden.100
98 Der Index des Pro-Kopf-Einkommens für die einzelnen Regionen des Königreichs Jugosla
wien ergibt sich aus der Kalkulation der regionalen Einkommensverteilung für das Jahr 1923
nach folgender Methode: Die Statistiken der Regionalverteilung des Industrieeinkommens
und der -investitionen des Handels- und Industrieministeriums wurden als Grundlage für die
Prozentverteilung auf die einzelnen Regionen genommen. Die Angaben von Duricic bezüg
lich des Einkommens aus Land- und Viehwirtschaft dienten als Berechnungsgrundlage für
die Prozentzahlen in diesem Wirtschaftszweig. Die Zahlen für den Bereich „Dienstleistun
gen“, (im weitesten Sinne), beruhen auf den Angaben für Einkommen, das nicht aus Industrie
arbeit oder Landwirtschaft stammt, und sind gebildet aus dem Mittel von Stajic’ Angaben des
Durchschnittseinkommens in den verschiedenen Sektoren. So ergibt die Multiplikation von
Stajic’ Angaben für das gesamte Volkseinkommen aus Industriearbeit mit der Prozentzzahl
des Industrieeinkommens von Dalmatien, geteilt durch 100 um eine Dezimalzahl zu erhalten,
die Zahl des durchschnittlichen Einkommens aus Industriearbeit in Dalmatien 1923, was dann
durch die Zahl der Bevölkerung nach den Volkszählungsergebnissen von 1921 dividiert wurde
um ein statistisches Pro-Kopf-Einkommen zu erhalten, woraus sich wiederum obiger Index
ergibt, bei dem der jugoslawische Durchschnitt als 100 gesetzt ist.
99 Vgl. auch die Angaben im „Statistischen Almanach“ für 1922-23: Die gesamte Fläche Dalma
tiens betrug demnach 12.729 qkm (ohne Zadar). Fruchtbares Land davon 121.150 ha, Wein
berge 30.839 ha, Olivenhaine u. Obstgärten 28.408 ha, Gärten 4.620 ha, Wiesen 8.782 ha,
Weiden 574.307 ha, Wald 342.640 ha, Berggelände 7.789 ha, unfruchtbares Land 26.828 ha.
Nach diesen wurde auf 18.776 ha Getreide angebaut, Weizen auf 22.863 ha, Futterpflanzen
8.393 ha, Roggen 2.712 ha, Mais 37.514 ha, Ölpflanzen 4.431 ha, Industriepflanzen 1.650 ha.
Vgl. auch Almanah Primorske banovine, S. 31 u. die im Anhang abgedruckte österr. Statistik.
100 Ministarstvo poljoprivrede i voda Kraljevine SHS (Hg.), Potrosnja hlebnih zita u Kraljevini
SHS (Brotgetreideverbrauch im Kgr. SHS), Beograd 1928, S. VI. Die Menschen im Königreich
lebten, nach diesen Angaben des Landwirtschaftsministeriums, hauptsächlich von Weizen und
143
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Quelle: Rezultati popisa dom. stoke, S. X u. XI, mit genauer Differenzierung u. Aufschlüsselung
nach den Kreisen Dubrovnik, Imotski, Kotor, Makarska, Metkovic, Sinj, Split u. Supetar, S. 26f.
und Kommunen, S. 264ff. u. S. 388ff.
Mais (Brot und Polenta), auf dem Dorf bestand die Ernährung zu 78,87 % daraus (wobei der
billigere Mais überwog), in der Stadt lebte die Bevölkerung, nach diesen Angaben, zu 85,25 %
davon.
101 Direkcija Drzavne Statistike u Beogradu (Hrsg.), Rezultati popisa domace stoke u Kraljevini
Srba, Hrvata i Slovenaca od 31. januara 1921. godine (Die Ergebnisse der Viehzählung im
Kgr. SHS v. 31.01.1921), Sarajevo 1927, S. VII. Teils durch italienische Okkupation, teils durch
„Schwierigkeiten anderer Art“, wie es im Vorwort hieß, wurden die Kreise Benkovac, Zadar,
Knin, Hvar, Sibenik, die Gemeinde Mljet aus dem Kreis Durovnik, die Gemeinden Blato,
Vela Luka und Korcula, das Dorf Kijevo in der Gemeinde Vrlika, Teile der Gemeinde Lece-
vica, Muc und Trogir aus dem Kreis Split nicht erfaßt. Das Vieh in den Gemeinden Janjina,
Kuna, Orebic und Trpanj (Kreis Korcula) wurde bei den Ergebnissen für den Kreis Metkovic
mitberücksichtigt.
144
Dorf und agrarische Lebenswelt
Nur der Bestand an Eseln hatte sich also, will man den staatlichen Statistiken Glauben
schenken, in Dalmatien vermehrt. Das dunkle Bild der landwirtschaftlichen Situation
Dalmatiens von vor 1914 hatte sich folglich noch verdüstert.
Die dalmatinischen Bauern sahen sich auch nach dem Ende des Weltkriegs mit inner
halb Dalmatiens regional unterschiedlichen Abgabe- und Leistungspflichten konfron
tiert. Als wesentlichstes Phänomen ist das Kolonat (kolonat od. tezastina) zu nennen.
Daneben gab es noch eine ganze Reihe von unterschiedlich definierten Rechtsverhält
nissen zwischen dem Landeigentümer und demjenigen, der das Land bearbeitete. Die
Abgabepflicht des Kolonen variierte (je nach Gebiet und landwirtschaftlicher Kultur)
von einem Fünftel bis zur Hälfte des Ertrags, den der Bauer dem Eigentümer abzulie
fern hatte. Örtlich bildeten sich starke Gewohnheitsrechte heraus, die de facto dazu
führten, daß Generationen einer Familie von Bauern immer dieselben Flächen bearbei
teten. Weitere prägende Elemente der dalmatinischen Agrarverfassung waren die Zer
splitterung des Grundbesitzes und die große Ausdehnung des gemeinschaftlich ge
nutzten Gemeindelandes.103
Verschiedene quasi-feudale Relikte hielten sich bis ins 20. Jahrhundert in Dalmatien.
Der im Raum Dubrovnik „kmet“ (Leibeigene, Hörige, Fronbauer, Untertan) genannte
Bauer mußte gleichfalls oft bis zur Hälfte des Ertrages in Naturalien abliefern, was
erst nach und nach durch eine Geldrente abgelöst wurde. Im dalmatinischen Hinter
land, der Zagora, regelte das „kmetije“ genannte Rechtsinstitut die Beziehungen zwi
schen Eigentümer und Bauern, das von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden
konnte. Im fruchtbaren Delta des Flusses Neretva, in der Umgebung von Metkovic,
wurde das Vertragsverhältnis zwischen Eigentümer und „kmet“ auf zwanzig oder
maximal neunundzwanzig Jahre beschränkt, bei einer Abgabequote von einem Drittel
bis zur Hälfte des Ertrages. Nach Ablauf der vertraglich festgelegten Frist mußte das
Land vom Bauern dem Eigentümer zurückgegeben werden, ohne Ansprüche auf Ent
gelt für geleistete Meliorisierungen, die in manchen Vertragsformen (z. B. im Falle von
notwendigen Trockenlegungen nach Überflutungen) in der Verpflichtung des Bauern
lagen. In der Umgebung von Split und auf der Insel Brac existierten noch zusätzliche
Unter-Kolonatsverhältnisse. Hier handelte es sich um eine Weiterverpachtung durch
Kolonatsbauern, die beispielsweise Arbeit im Zementabbau gefunden hatten. Kolonen
erhielten hier von ihren Unter-Kolonen eine festgelegte Naturalrente. Weiter nördlich
in Dalmatien hielten sich quasi-feudale Pacht- und Abgabeverhältnisse, die als „livel“
und, im Falle, daß der Vertrag auf die nächste Generation überging, als „vjecni livel“
bezeichnet wurden. Wesentliches Merkmal war auch hier die festgelegte Abgabequote
an den Landeigentümer (in Naturalien oder Geld), wobei es dem Bauern freigestellt
102 Ergebnisse der Viehzählung vom 31. Dezember 1910 in den im Reichsrate vertretenen König
reichen und Ländern, Wien 1912.
103 Vgl. Schödl. Nationalpolitik, Kap. II 3 b) Agrarordnung und soziale Not im kroatisch
serbischen Siedlungsgebiet, S. 123-140 m. Literaturverweisen u. Diskussion des Kolonats,
S. 124ff.
145
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
war, welche Kultur er auf dem Land anpflanzte. So existierte gleichzeitig eine ganze
Palette von ineinander übergehenden Agrar- und Vertragsverhältnissen auf dem Ge
biet Dalmatiens, wobei eine Quantifizierung schwierig ist.104 Zdenka Simoncic-Bo-
betko zitiert eine Enquete aus dem Jahre 1925, wonach 96.953 Bauernfamilien in Dal
matien 53.000 Hektar Land als Kolonen bewirtschafteten.105 Franko Mirosevic dage
gen nennt für 1928 die Zahl von 36.214 Familien, die von der Bearbeitung des eigenen
Landes lebten und von 47.734 Familien, die in Kolonatsverhältnissen standen.106
Festzuhalten bleibt, daß das Kolonatsverhältnis dem Bauern eine festgesetzte Natural
quote abverlangte, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Ernte. Der Landeigentümer
(posjednik, padrone, proprietario) lebte in den meisten Fälllen in der Stadt. Die Lauf
zeit des Vertrages zwischen dem Landbesitzer und dem Kolonen entsprach gewöhn
lich „der Lebensdauer der Kultur“; also im Falle von Weinstöcken etwa eine Genera
tion (25 Jahre). Wegen der kleinen Bearbeitungsflächen und dem Mangel an Kapital
war die Produktion generell klein und rückständig, wobei es keine große Rolle spielte,
ob die dalmatinischen Bauern die eigenen kleinen Parzellen bewirtschafteten oder als
Kolonen oder Kmeten Felder und Weinberge eines Eigentümers bestellten. In Dalma
tien gab es keine riesigen Großgrundbesitze wie in Nordkroatien, was vor allem an
den kleinräumigen natürlichen Bedingungen und der Zerstückelung von Grundbesitz
durch die praktizierte Erbteilung lag. Im gesamten ehemaligen österreichischen Kron-
land hatte es keinen Großbesitzer gegeben, der über 10.000 ha besessen hätte. Nur ein
Gut hatte überhaupt mehr als 1000 ha bearbeitbaren Boden, und zwar das ehemalige
Kirchen- und dann Staatsgut Vrana bei Biograd mit 7034 ha Land und 3001 ha Seeflä
che.107 Ein weiteres Kennzeichen der dalmatinischen Agrarordnung war die große
Ausdehnung von Gemeindebesitz. Zu Zeiten Österreichs standen 260.000 ha anbaufä
higem Boden, den die Bauern bearbeiteten, mehr als 650.000 ha Gemeindegrund ge
genüber; „insgesamt über 7500 qkm, also weit mehr als die Hälfte der gesamten Fläche
dieses Kronlandes (12.830 qkm). Dieser gemeinschaftlich und unproduktiv genutzte
104 Vgl. Hribar, Alfons, Kolonat ili tezastina. Kmetski odnosi u Primorju (Kolonat oder tezastina.
Kmetenverhältnisse im Küstenland), Zagreb 1923; Obad, Sdjepo, Josip Smodlaka i agrarno
pitanje u Daimaciji uoci Prvoga svjetskog rata (J. S. und die Agrarfrage in Dalmatien ange
sichts des I WK), in: Casopis za suvremenu povijest 1/1974, S. 64; Simoncic-Bobetko,
Agrarno pitanje u Daimaciji izmedu dva rata (1918-1941.) (Die Agrarfrage in Dalmatien in
der Zwischenkriegszeit), in: Povijesni prilozi 8/1989, S. 123 — 124; dies., Agrarna reforma i
kolonizacija, S. 79.
105 An anderer Stelle spricht sie für das Jahr 1926 von 43.000 Kolonenfamilien in Dalmatien, von
denen 10.000 ausschließlich fremdes Land bearbeiteten und 32.000 neben der Bearbeitung
von fremden auch noch eigenes Land besaßen. Vgl. Simoncic-Bobetko, Agrarno pitanje, S. 83
u. 212, leider ohne weitere Quellenangabe.
106 Mirosevic, Polozaj, S. 77.
107 Almanah Primorske banovine, S. 31. Dort die Angabe, daß noch zu Anfang der 1930er Jahre
74.300 Höfe in Dalmatien (von insgesamt ca. 83.000), nur zwischen 0,1 und 5 Hektar Land
zur Verfügung hatten.
146
Dorf und agrarische Lebenswelt
108 Schödl, Nationalpolitik, S. 137f. mit dem Hinweis auf die osmanische Agrarverfassung, die
zwischen dem 15. u. 17. Jahrhundert alles unbebaute Land als Eigentum des Sultans dekla
rierte; Zu Zeiten Venedigs überließ die Republik den Gemeinden die betreffenden Weide-
u. Waldgebiete nur gegen Entrichtung eines Weidezinses zur Nutzung. Urbarmachung oder
Umwandlung in Privatbesitz bedurften ausdrücklicher Genehmigung.
109 Vgl. Wendel, Hermann, Die Agrarfrage in Dalmatien (geschr. 1922), in: ders., Aus der Welt
der Südslawen. Politisches, Historisches, Sozialistisches, nebst zwei Südslawienfahrten und
Nachdichtungen südslawischer Lyrik, Berlin 1926, S. 97-100. Zu Wendel vgl. die Untersu
chung: Bauer, Roswitha, Hermann Wendel als Südosteuropa-Publizist, München 1985.
110 Vgl. Milutinovic, Kosta, Josip Smodlaka i jugoslavensko pitanje u Habsburskoj Monarhiji
(J. S. und die jugosl. Frage in der Habsburgermonarchie), in: RAD Nr. 359, Zagreb 1971,
S. 163-289, hier S. 202.
111 Daß das Projekt einer umfassenden Agrarreform vor Kriegsbeginn nicht realisiert wurde, sei
nicht „aus der angeblichen Untätigkeit der Wiener Zentralstelle oder aus einer ,Komplicen
schaft“ von Regierung und dalmatinischer ,herrschender Klasse“ zu erklären“, wichtigster
Grund dürfte vielmehr der Widerstand im Lande selbst gewesen sein, da die führenden Mit
glieder des Neuen Kurses selbst Land durch Kolonen bewirtschaften ließen. Vgl. Schödl,
Nationalpolitik, S. 157-178, hier S. 163 u. 180.
147
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
b) Die Agrarreform
Nicht nur in Dalmatien waren die Bauern davon ausgegangen, daß mit dem neuen
Staat auch endlich ihr Wunsch nach eigenem Land erfüllt werden würde. Schon in
der Proklamation des Nationalrates in Zagreb vom 14. November 1918 wurde „jeder
Familie“ auf dem Gebiet des SHS-Staates „genügend fruchtbares Land“ versprochen.
Auch die „Entschließung zur Agrarreform“ vom 26. November 1918, in der die Ab
schaffung aller feudalen Überreste, bei „gerechter Entschädigung“ der früheren Eigen
tümer, verkündet wurde, zeigte die Dringlichkeit des Problems, dessen Lösung noch
vor der staatlichen Vereinigung mit dem Königreich Serbien, zumindest in Worten, in
Angriff genommen wurde.112 Während des Zusammenbruchs Österreich-Ungarns
war es hauptsächlich in Kroatien und Slawonien zu Plünderungen von Landsitzen
von Großgrundbesitzern und zu spontanen Land- und Viehenteignungen durch den
sog. „Grünen Kader“ (zeleni kadar) gekommen. Unmittelbar nach der Gründung des
Königreichs reagierte nun auch der neue Regent Aleksandar auf den immer stärker
werdenden Druck der Bauern. Am 6. Januar 1919 erließ er folgende Proklamation, in
der es hieß:
„Ich wünsche, daß sofort eine gerechte Lösung der Agrarfrage in Angriff genommen wird
und daß die Leibeigenschaft (kmetstvo) und der Großgrundbesitz abgeschafft werden. In
beiden Fällen wird das Land unter den armen Landarbeitern verteilt werden bei gleichzeitiger
gerechter Abfindung der bisherigen Eigentümer (...). Deshalb habe ich meine Regierung da
mit beauftragt, unverzüglich eine Kommission ins Leben zu rufen, die die Lösung der Agrar
frage vorbereiten wird, und die Bauern-Leibeigenen (seljake-kmetove) rufe ich dazu auf, daß
sie im Vertrauen auf mein königliches Wort ruhig abwarten, daß ihnen unser Staat auf gesetzli
chem Wege ruhig das Land übergibt.“113
Am 27. Februar 1919 wurden die „Vorläufigen Bestimmungen für die Vorbereitung
der Agrarreform“ (Prethodne odredbe zu pripremu agrarne reforme) veröffentlicht.114
Nochmals betonte der Monarch im März in einer Thronrede die Dringlichkeit der
Agrarreform:
112 Dabei wurde vom Nationalrat (in dem kein einziger Bauer saß) betont, daß die Agrarreform
durchgeführt werden müsse, ohne „irgendjemandem Gewalt, Ungerechtigkeit oder Schaden“
zuzufügen. Alles müsse „gesetzlich vor sich gehen“, ansonsten drohe „Mord und Totschlag
und letztlich werden Gewalttäter alles an sich reißen, so daß die Anständigsten, Ruhigsten
und Fleißigsten wiederum ohne alles dastehen werden“. Vgl. „Poslanica Narodnog vijeca
Slovenaca, Hrvata i Srba“ u. „Zakljucak o agrarnim reformama“, in: Sisic, Dokumenti, S. 247
u. 256f.
113 Proglas v. 6.1.1919, veröffentlicht in: „Sluzbene novine“ (Amtlicher Anzeiger) am 28.01.1919.
114 Im Gesetzblatt waren sie auf den 25. Februar 1919 datiert. In manchen Arbeiten (wie bei
Culinovic, Slom stare Jugoslavije, S. 43) wird für die „Prethodne odredbe za pripremu agrarne
reforme“ der 20. Februar genannt.
148
Dorf und agrarische Lebenswelt
„Besonders hebe ich die eilige Notwendigkeit hervor, daß der Landarbeiter nach tausend
Jahren schweren Lebens von den Bindungen befreit wird, die ihn noch abhängig halten vom
Besitzer des Landes, das er bearbeitet, und daß er Herr seiner Scholle wird, die er mit seinem
Schweiße tränkt.“115
So wurde auch in Dalmatien die Agrarreform durch die Anordnung des Landwirt
schaftsministeriums vom 25. Februar 1919 „Uber die vorläufigen Maßnahmen zur
Vorbereitung der Agrarreform“ eingeleitet. § 7 der Verordnung besagte, daß „das Ko-
lonatsverhältnis und alle ihm ähnlichen Kmetenverhältnisse zwischen Grundbesitzern
und Bauern (...) aufgelöst“ werden. Außerdem sollten alle während des Krieges zu
Gunsten der Grundbesitzer gefällten Urteile für nichtig erklärt und der Vorkriegszu
stand wieder hergestellt werden. Die endgültige Regelung blieb der späteren Gesetzge
bung überlassen.116 Kein innenpolitisches Thema bewegte die Menschen in Dalmatien
mehr. Der oben bereits zitierte Josip Smodlaka hatte schon im Oktober 1918 auf einer
„Versammlung der Landarbeiter und Sozialdemokraten“ in Split versprochen: „Der
neue jugoslawische Staat wird in erster Linie ein Staat der Landarbeiter sein (tezacka
drzava), weil neun Zehntel unseres Volkes Land bestellen.“ Er warb dafür, „unseren
neuen Staat zusammen mit unseren Brüdern einzurichten, von denen es, vom Meer
bis zur Donau, viele gibt; mehr als 12 Millionen.“117
Für die Bauern war die Sache einfach und klar; sie erwarteten eine schnelle Aufteilung
des Großgrundbesitzes und Eigentumsrechte an den Parzellen, die sie bewirtschafte
ten. Die lokalen Landeigentümer dagegen schäumten vor Wut nach der Veröffentli
chung der „Vorläufigen Bestimmungen“ und sprachen in ihren Broschüren und Zei
tungsartikeln von „derselben Dummheit“, wie sie beim „Wiener Bürokratismus“ gang
und gäbe gewesen sei, „als sie die Gesetze in Wien gemacht haben, ohne Dalmatien
auch nur vorher zu Gesicht bekommen zu haben.“118 Alte Frontstellungen wurden
149
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
sichtbar, wenn gegen „unsere Dalmatiner mit Doktortitel“ polemisiert wurde, „die
heute die Gelegenheit“ hätten, „ganz Dalmatien zu verteilen, wie weiland, als sie ganze
Besitzungen während langer Studien in Wiener Kaffeehäusern vertrunken haben“. Die
Rede war von „Wahnsinn“, „Aufhetzung der Massen“ und den Zumutungen einer
„Gnade des Staates und des Schätzers“, der die Landeigentümer nun überlassen wür
den. Die „Grundlage dieser Idee“ der Agrarreform wurde „in Rußland“ vermutet und
in Zusammenhang gebracht mit „Lenins Ideen über den Frieden auf Erden, die sich
in Terror, Korruption, Diebereien, Massentötungen, Sozialisierung von Frauen, der
Zerrüttung des ganzen Staatsorganismus verwandelt haben“.119
Doch auch die Landeigentümer bildeten keineswegs eine einheitliche soziale Schicht.
Neben dem reichen padrone gehörten höhere Angestellte und Beamte aus der Stadt,
Anwälte, Professoren oder Händler zu jenen, die ihr Land außerhalb der Stadt durch
Bauern bewirtschaften ließen. Zdenka Simoncic-Bobetko ist Recht zu geben, wenn
sie feststellt, daß es gerade die große Spannbreite der Unterschiede war, zwischen
jenen, die die Grundrente, welche sie erhielten, buchstäblich zum Überleben brauch
ten, und jenen, die auf ihre Einkünfte aus der Verpachtung nicht angewiesen waren,
die vor und nach 1918 eine einheitliche und radikale Lösung der Agrarfrage verhinder
ten. Die Frage rüttelte an den Fundamenten der gesamten gesellschaftlichen Struktur
des agrarisch geprägten Dalmatien. Eine Lösung der Agrarfrage im Sinne der armen
Bauern hätte einen Großteil der gebildeten Mittelschichten in den Städten und Städt
chen Dalmatiens mit einem Schlag ihrer Einkünfte beraubt. Die erwartete Agrarre
form wurde dementsprechend ein „langwieriges, inkonsequentes, unvollständiges,
kompromißhaftes, kompliziertes“120 Unterfangen, das schließlich keine Seite befrie
digte.
gäben dem Landarbeiter die „besten Bedingungen für Stabilität und Dauerhaftigkeit“. Nur
durch „Aufhetzung“ und die „illusorische Idee“, es könne zu einer industriellen Entwicklung
(in Dalmatien, A. J.) kommen und die Landarbeiter könnten dann in Industriebetrieben arbei
ten, hätte die vorher „friedlichen und patriarchale Loyalität und Sympathie“ gestört, die zwi
schen Landbesitzern und Landarbeitern geherrscht habe. Jetzt, bei der Ernte 1909, hätten sich
„die vereinten Landarbeiter (...) in ihrer Aufsässigkeit sogar erfrecht, ohne jegliche Genehmi
gung oder vorheriger Ankündigung die Weinlese zu beginnen, und auch den Teil des Besitzers
mitzunehmen, um dann nach solchen Handlungen, die eigentlich unter das Strafgesetzbuch
fallen, es auch noch zu wagen herumzujammern, daß die entsprechenden Besitzer, die ihre
große Geduld verloren haben, ihre Rechte mit Hilfe des bürgerlichen Gerichts verteidigen.“
119 Grossi, S. 11 u. 15f.
120 Petranovic, Istorija, S. 62. Zur Agrarreform in Jug. allg. nach wie vor aufschlußreich die zeit-
gen. Literatur: Vgl. Bruck, Zdenko, Die Agrarreform des Königreichs der Serben, Kroaten
und Slowenen, Bern 1927; Ristic, Teofan: Agrarne borbre i agrarna reforma (Agrarkämpfe
u. -reform), in: Ek.-fin. zivot, VIII 1938, Nr. 83, S. 14-25; ders., Borba za zemlju i nasa
agrarna reforma (Der Kampf um Land und unsere Agrarreform), Beograd, (8. Aufl.) 1938;
ders., Rezultati agrarne reforme u Jugoslaviji, in: Ek.-fin. zivot, VIII 1938, Nr. 85, S. 77-82;
ders., Uzroci i osnove nase agrarne reforme (Gründe und Ursachen unserer Agrrreform),
in:Ek.-fin. zivot, VIII 1938, Nr. 84, S. 59-66; ders., Zadaci nase agrarne reforme u svetlosti
postignutih rezultata (Aufgaben unserer Agrarref. im Lichte der erreichten Resultate), in: Ek.-
150
Dorf und agrarische Lebenswelt
Wie verlief nun die Agrarreform in Dalmatien? Mit dem 25. Februar 1919 sollten, laut
besagter Verordnung, alle Kolonats- und Pachtverhältnisse zwischen Grundherrn und
Landarbeitern (Kolonen) in Dalmatien als aufgelöst gelten. Die Landarbeiter sollten
zu Eigentümern werden, aber entschädigungspflichtig sein, wofür der Staat bürgte.
Die Höhe der Entschädigung sollte von lokalen Kommissionen festgelegt werden, die
gleichfalls vom Staat bestimmt werden sollten.
Artikel 31 definierte: „Als Kolonatenverhältnisse i.S. des vorherigen Artikel, ohne
Rücksicht auf Eintrag in die Grundbücher, gelten Landarbeiterverhältnisse in folgen
den Fällen:
a) wenn zwischen dem Landbesitzer und dem Landarbeiter ein zeitlich nicht begrenzter
Pachtvertrag geschlossen wurde,
b) wenn die jetzigen Mitglieder der Landarbeiterfamilie oder ihre Vorfahren, die den Besitz
des Landes neben der Verpflichtung zu Landarbeiterabgaben innehaben, das Land selber
bestellen, pflügen, oder auf ihm Weinberge, Obstplantagen, Olivenhaine angebaut haben, un
ter Maßgabe, daß dieses Land zur freien Verfügung des Herrn übergeht, wenn die Ernte
verfällt;
c) wenn das Landarbeitsverhältnis durch ununterbrochenes Bestellen bei Abgabepflichten
während der letzten 10 Jahre nachgewiesen werden kann; auch wenn die Bearbeitung während
dieses Krieges ausblieb, wird gerechnet, als ob es nicht unterbrochen wurde;
weiterhin wird, außer in den Fällen a), b), c), davon ausgegangen, daß es sich um Kolonaten
verhältnisse handelt, wenn der Nachweis eines Landarbeiterverhältnisses an andere Bedingun
gen gebunden ist, die nachträglich durch königlichen Erlaß mit Gesetzteskraft bestimmt wer
den.“
Der bereits angeführte „padrone“ Grossi und seine Standesgenossen sahen dadurch
ihre Interessen in Gefahr und klagten, das „Grundrecht der Vertragsfreiheit, das von
allen Gesetzgebungen der Welt garantiert wird“, sei verletzt und verurteilten dies als
„Unmoral“.121 Sahen sie doch „die Landeigentümer (...) in viel schlimmeren materiel
len Verhältnissen als die Landarbeiter.“ Wer anderes behaupten würde, sei „ein Dem
agoge vom Spliter Marktplatz.“ Ein „kolonatsähnliches Verhältnis“, das „reine Kolo-
nat als Feudalverhältnis“ gäbe es sowieso nicht mehr, sei „nichts anderes als ein (...)
freiwilliges Vertragsverhältnis“. Die Forderungen der Landarbeiter seien unverschämt;
innerhalb von 5 Arbeitstagen pro Saison sei die Bestellung eines Weinbergs zu schaf
fin- zivot, VIII 1938, Nr. 86/87, S. 114-122 u. weiter unten angeführte Literatur. Standard
werke zum Thema sind immer noch Tomasevich, Peasants, S. 350 ff; Brasich, Ranko M., Land
Reform and Ownership in Yugoslavia, 1919-1953, New York 1954.
121 ebenda, S. 16ff.; Die Polemik gegen die Forderungen der Landarbeiter war zudem gespickt
mit kultur-pessimistischen Beschreibungen einer als bedrohlich erlebten Gegenwart von 1919:
„Früher“, hieß es da, „in der goldenen“, der guten alten Zeit, hätte es auch „keine Mode“
gegeben. „Das Weibsvolk hat Zuhause gestrickt und gehäkelt, so daß jedes Haus eine kleine
Fabrik war. Die Menschen haben auch weniger verbraucht (...) Man lebte patriarchal.“ Die
„Massen“ ließen sich „leicht durch Phrasen aufhetzen und verführen.“ Die „Französische
Revolution und der heutige Bolschewismus“ seien die Folge der ins schier Unermeßliche
gestiegenen Ansprüche; ebenda, S. 36.
151
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
fen, die „Unwissenheit“ sei „das größte Problem der dalmatinischen Landarbeiter“,
die nicht „mit Weinstock und Boden“ umzugehen wüßten.122
Tatsächlich schienen auf den ersten Blick diese Bestimmungen für Dalmatien eindeutig
die Auflösung der bestehenden und das Verbot von neuen Kolonats- und Kmetenver-
hältnissen zu bedeuten. Von den übrigen Bestimmungen waren die wichtigsten, die
Aufteilung des Großgrundbesitzes bei Entschädigung für die bisherigen Eigentümer,
die entschädigungslose Konfiskation des ehemaligen Besitzes der Habsburgerdynastie,
der Übergang aller größeren Waldkomplexe in Staatseigentum und die beabsichtigte
Gründung einer staatlichen Agentur für die Agrarreform.123
Doch die Anwendung der „Vorläufigen Bestimmungen“ in Dalmatien wurde im Juni
1919 vom amerikanischen Kommandanten der alliierten Truppen in Dalmatien bis
zur endgültigen Entscheidung der Versailler Friedenskonferenz über die territoriale
Zugehörigkeit der Region untersagt. Auf Drängen der italienischen Seite sollten die
Beschlüsse der Friedenskonferenz abgewartet werden, die über die Zugehörigkeit Dal
matiens entscheiden sollte.124 Die Enttäuschung war groß, als die Landesregierung mit
Rundschreiben vom 6. September 1919 mitteilte, daß die „Vorläufigen Bestimmungen“
auf Dalmatien vorerst keine Anwendung finden sollten.125 Die Bauern kümmerten
sich jedoch nicht um diese Anordnung, sondern stellten unter Berufung auf die „Vor
läufigen Bestimmungen“ die Zahlungen an die Landeigentümer ein.126 Um die stei
gende Unzufriedenheit etwas zu dämpfen, erließ die Landesregierung für Dalmatien
(Pokrajinska vlada) eine „Verordnung über die Regelung der zu leistenden Abgaben“
vom 24. August 1920, nach der einige bis dahin fälligen Abgaben an die Kirche, den
Staat und die Gemeinden wegfielen und andere verringert wurden.127 Es blieb aber
weiterhin ein Massenphänomen, daß Bauern die Abgaben verweigerten. Der dalmati
nische Landarbeiterbund (Pokrajinski tezacki savez za Dalmaciju) organisierte De
monstrationen und Kundgebungen. Anfang 1920 wandte man sich auch mit einer
„Denkschrift“ (Spomenica) an die Regierung in Belgrad, in der bittere Worte dafür
gefunden wurden, daß die gemachten Versprechungen bei der staatlichen Vereinigung
nicht eingehalten werden.128
152
Dorf und agrarische Lebenswelt
Hinter dem Landarbeiterbund, der sich nach seiner Gründung im Oktober 1919
Landarbeiterpartei nannte (Zemljoradnicka stranka, Savez zemljoradnika) und als ge
samt-südslawische Bauernpartei agieren wollte, stand der serbische Genossenschafts
bund mit Mihajlo Avramovic an der Spitze. Die Gründungsversammlung des unitari-
stisch orientierten „Landarbeiter-Bund Dalmatiens“ (Poljoprivredni tezacki savez
Dalmacije) unter der Führung von Jozo Zelic fand am 21. Dezember 1919 in Split
statt.129 Bald gab es 18 Ortsverbände der „Landarbeiter-Eintracht“ (Tezacka sloga)
mit ca. 1500 eingeschriebenen Mitgliedern, wobei jeweils nur das Familienoberhaupt
in den Mitgliederlisten geführt wurde. Der Landarbeiterbund forderte die sofortige
Abschaffung des Kolonats und schnellstmögliche Durchführung der Agrarreform.
1920 vereinigte er sich mit Avramovics Bund der serbischen Landarbeitergenossen
schaften (Glavni savez Srpskih zemljoradnickih zadruga). Bald schon kristallisierten
sich in Dalmatien zwei sich heftig befehdende Flügel innerhalb der Partei heraus.
Der sog. „rechte“ Flügel wurde von Josip Smodlaka und Ljubo Leontic repräsentiert,
während der sog. „linke“ sich an Belgrad und den Vorgaben des „Hauptausschusses
des Landarbeiterbundes“ unter Avramovic orientierte und Smodlaka als „politischen
Greis“ beschimpften, der das Geschäft der Landeigentümer und Händler besorge und
dessen Ziel es sei, die Landarbeiter „ins Joch der kapitalistischen Herren und der
verfaulten bürgerlichen Parteien“ zu zwingen.130 Es gelang zwar, bis 1922210 Ortsver-
bände in Dalmatien zu gründen, Funktionäre und Abgeordnete der Partei131 waren
aber nur in den allerseltensten Fällen Bauern.132 Der Versuch, am 24. Februar 1923 in
Split alle Strömungen des Landarbeiterbundes mit den entsprechenden Jugendgruppen
noch einmal zusammenzubringen, um gemeinsam bei den Wahlen anzutreten, schei
terte.133 Der Kampf um Mandate und das Vorbeireden an ihren Adressaten führten
dazu, daß sich die Bauern der Kroatischen Bauernpartei zuwandten.
Das Maß an Politisierung eines Großteils der dalmatinischen Bauern nach 1918 wird
aber deutlich an den vielfältigen Aktivitäten der Tezacka sloga. Zeitungen, Flugschrif-
Grundlage. Immer wieder wurde eine schnelle und gerechte Durchführung der Agrarreform
gefordert und die Bestrafung derjenigen staatlichen Organe, die anstatt die Reform durchzu
setzen sie sabotieren und den dalmatinischen Landarbeiter schikanieren würden. Alle Zahlun
gen an die Kirche als Grundbesitzer wurden entschieden abgeleht u. Steuerbefreiung und
kostenlose Krankenversicherung für die Bauernschaft gefordert. Vgl. „Zemljoradnicki borac“
(Der Landarbeiterkämpfer) v. 3.11.1923. Zum Landarbeiterbund: Eric, Agrarna reforma,
S. 380 u. Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 214.
129 Auch der Name „Pokrajinski tezacki savez za Dalmaciju“ taucht in der Presse auf. Neben
dem Präsidenten Zelic spielten sein Stellvertreter Roko Pederin sowie die Sekretäre Stjepan
Roca und Roko Culic eine wichtige Rolle. Vgl. Primorski glasnik Split v. 12.11.1922.
130 Primorski glasnik v. 23.02.1923 u. 05.03.1923.
131 In der Konstituante in Belgrad vertraten die Abgeordneten Ante Franic aus Vrgorac, Jure
Vrsalovic von der Insel Brac und Ivan Lovricevic von der Halbinsel Peljesac die Wähler des
Landarbeiterbundes.
132 Tezacka sloga v. 01.04.1922.
133 Tezacka sloga v. 05.02.1923.
153
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
ten und immer wieder öffentliche Versammlungen brachten stets ein- und dieselben
Forderungen vor: Schluß mit den Abgaben an die Landeigentümer! Das Land gehört
denen, die es bearbeiten!
Auch wenn die Gerichte, unter Berufung auf den Vertragscharakter der Agrarbezie
hungen, durchwegs den padrones Recht gaben, weigerten sich die Landarbeiter, die
Urteile zu akzeptieren. In vielen Fällen konnten nur mit massivem Polizeieinsatz und
Gewalt Abgabepflichten durchgesetzt werden. Der Ministerrat in Belgrad sah die Si
tuation auch in Dalmatien, während seiner Sitzung vom 30. März 1920, außer Kon
trolle geraten. Wie entschlossen ein Teil der Bauern war, macht folgende Entscheidung
deutlich: Auf einer Versammlung der Landarbeiter vom Juni 1920, an der mehrere
Tausend tezaci aus Split und der Umgebung teilnahmen, wurde beschlossen, daß die
Weinberge derjenigen Bauern zerstört werden sollten, die weiterhin an den Landeigen
tümer Abgaben leisten.134 Die Situation eskalierte. Immer häufiger kam es auch zu
physischen Zusammenstößen. Ein Richter am Kreisgericht von Trogir wurde wegen
eines Urteils, in dem er einem Eigentümer die Abgabeverpflichtung bestätigte, von
einem aufgebrachten Bauer umgebracht. Schließlich wußte sich die Landesregierung
nicht mehr anders zu helfen, als durch eine Verordnung am 24. August 1920, die zwar
prinzipiell weiterhin an der Abgabeverpflichtung an den Landeigentümer festhielt,
aber die Abgabenlast minderte. So sollte in Zukunft bei jenen Verträgen, die die Ablie
ferung der Hälfte der Ernte vorsahen, nur noch ein Drittel des Ertrags an den Eigentü
mer gehen. Dort wo es sich um ein Drittel gehandelt hatte sollte es nun nur noch ein
Viertel sein, bei einem Viertel in Zukunft ein Fünftel. Um jeweils ein „Recht“ (prav)
sollten die Abgaben verringert werden. Bei Großgrundbesitzen mit über 50 Hektar
Ackerland mußten sich die Eigentümer mit zwei „Rechten“ weniger, also statt der
Hälfte mit ein Viertel der Ernte, begnügen. Mindestens genauso wichtig in der Verord
nung war, daß die Abgabepflichten bei Kirchen-, Staats- und Gemeindeland ausgesetzt
wurden.135 Doch die Erleichterungen, die die Verordnung der Landesregierung
brachte, waren den dalmatinischen Bauern nicht mehr genug. Abermals wurde auf
einer großen Versammlung in Split, am 5. September 1920, die Regierung angeklagt,
daß sie die Agrarfrage nicht löse. Die Verordnung der Landesregierung wurde vom
Vorsitzenden des Landarbeiterbundes, Josip Ruskovic, als „undemokratisch“ gebrand
markt.
Nach der Unterzeichnung des Vertrags von Rapallo am 12. November 1920, in dem
die Grenzziehung mit Italien festgesetzt wurde, häuften sich wieder die Proteste der
Bauern gegen die noch verbliebenen zu leistenden Abgaben an die Landbesitzer und
der Druck wuchs wieder an, endlich die versprochene Landaufteilung ins Werk zu
setzen. Auch war es nach den „Vorläufigen Bestimmungen“ zu vielen Gerichtsverfah
ren zwischen Bauern und Landbesitzern gekommen, und die Bauern hofften auf Ur-
154
Dorf und agrarische Lebenswelt
teile, die sie von allen weiteren Verpflichtungen befreien und ihnen das Land, welches
sie bearbeiteten, endgültig zusprechen würden. Doch der Ministerrat in Belgrad setzte
mit der Anordnung vom 5. März 1921 alle anhängigen Gerichtsverfahren und im
Zusammenhang mit der Agrarreform schon ergangenen Urteile, bis zur endgültigen
„gesetzlichen Klärung“ aus. Diese zog sich hin.
Zahlreiche Gesetzesentwürfe von wechselnden Komission wurden immer wieder ab
gelehnt, weil die Belastungen für den Staatshaushalt (für den Teil der Entschädigungen
an die Landbesitzer, der nicht von den Bauern selbst aufzubringen war), als zu hoch
eingeschätzt wurden oder wegen des heftigen Widerstands der Landbesitzer. Auch in
Dalmatien protestierten nicht nur die Bauern, sondern auch die Landbesitzer, mit
Resolutionen und Eingaben. Ab 1921 gab die Landbesitzervereinigung auch ein Blatt
unter dem Titel „Unser Land“ (Nasa zemlja) heraus, das v.a. gegen entschädigungslose
Enteignungen Sturm lief. Immer wieder brachten sie ihre Argumente vor, daß die
Agrarreform ein Angriff auf das Privateigentum und vollkommen wirtschaftsfeindlich
sei. Erst am 19. Oktober 1930 wurde das Gesetz über die Regelung der Agrarfrage in
Dalmatien endlich verabschiedet. Mit Änderungen und Ergänzungen wurde es erst
vom 6. März 1931 an umgesetzt.136 Bis dahin herrschte ein „provisorischer Zustand“
(provizorno stanje).
Der Einfluß der Lobby der Großgrundbesitzer in den verschiedenen Parteien wird in
den ersten zwei Bestimmungen über die Ausführung der Agrarreform (vom
21.07.1919 und vom 30.09.1920) deutlich.137 Was wurde als „großer Besitz“, den es
eigentlich in Zukunft nicht mehr geben sollte, definiert? Anfangs war das sog. Land
maximum, abhängig von der Bodenqualitätt, auf 57 bis 288 ha festgesetzt. Dann galt
ein sog. „weiteres Maximum“, schließlich ein „Supermaximum“. Letztendlich wurde
eine schwammige Formulierung beschlossen, wonach „der Besitz von jener Größe
sein kann, daß er am besten der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes dient“. Das
bedeutete praktisch, daß jegliche Größenbegrenzung des Landbesitzes aufgehoben
war.138
Für die Bauern in Dalmatien waren diese Ausführungsbestimmungen eine herbe Ent
täuschung. Hatte es im Aufruf des Regenten, „Meinem Volk der Serben, Kroaten und
Slowenen“ nicht geheißen, die „gerechte Lösung der Agrarfrage“ stünde kurz bevor?
Sollte nicht „jeder Serbe, Kroate und Slowene Herr auf seinem Land sein“ und es „in
unserem freien Staat (...) nur freie Landbesitzer geben“?
„Kein Zweifel, daß die Botschaft des Regenten den Landarbeiterstand enorm freuen
wird“, hatte damals die Tageszeitung „Novo doba“ trocken kommentiert.139 Auch
155
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
140 Roca, Stjepan, Narodno jedinstvo - Rijec braci koja su se oslobodila talijanskog ropstva (Die
nationale Einigkeit. Ein Wort an die Brüder, die sich aus italienischer Sklaverei befreit haben),
Split 1921, S. 26.
141 Vgl. den symptomatischen Artikel v. J. Kapic „Agrarno pitanje“ (Die Agrarfrage) in: Novo
doba v. 06.12.1922, S. 2.
142 Vgl. ASS Zupni spisi, fase. IX, (Widerstand der Bauern von Sumartin) u. Soldo, Sumartin,
S. 59.
143 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 163 u. 178f.
156
Dorf und agrarische Lehenswelt
düng von Komissionen auf Kreisebene vor, zur Durchführung der Agrarreform und
zur Bestimmung von Landmaxima. In der Zeitung „Jadran“ (Adria) äußerte er sogar,
daß auch das Kirchenland nicht von der Agrarreform ausgenommen bleiben sollte.
Der Staat sollte durch Kredite den Bauern einen Abkauf des Landes ermöglichen.144
Andernorts sind jedoch auch Drohungen seitens des Klerus belegt, wo Bauern, die
ihre Abgaben verweigern, keine Sakramente mehr gespendet werden sollten, ja ihnen
sogar ein christliches Begräbnis verweigert wurde. Solche Priester brachten in man
chen Dörfern Bauern gegen die Kirche auf.145
Als Reaktion, wenn zwischen Kolonen und Landeigentümer kein Kompromiß gefun
den werden konnte, kam es zu häufigen gerichtlichen Beschlagnahmungen und Pfän
dungen von Wein wegen ausstehender Zahlungen. Gerichtsurteile ergingen auch ohne
Zeugenaussagen oder die Anwesenheit der tezaci, die aus Protest den Ladungen nicht
Folge leisteten. Die Gendarmerie griff hart durch gegen die aufsässigen Bauern und
„schützte das Privateigentum“ (wie es in den entsprechenden Zeitungsartikeln hieß).
Justiz- und Innenministerium gaben in einem Rundschreiben vom 5. September 1922
den dalmatinischen Bauern bekannt, daß die vor Gericht erwirkten Urteile der Lan
deigentümer uneingeschränkte Rechtskraft besäßen. Die nicht abgabewilligen Bauern
wurden mit dem Strafrecht und dem Gesetz über den Schutz der öffentlichen Ord
nung bedroht, falls sie auch weiterhin keine Abgaben zahlten. Zusammenstöße mit
Gendarmerie und Polizei waren die Folge dieser Verschärfung und vielerorts taten
sich ganze Dorfgemeinschaften zusammen, um sich gegen die Abgabeverpflichtungen
aufzulehnen, die sie nicht nur nicht willens, sondern auch in den meisten Fällen wegen
Dürre und des Ausfalls von Arbeitskräften auch nicht in der Lage waren zu erfüllen.
Doch Beschlagnahmungen und Verhaftungen brachen den Widerstand.
In Süddalmatien, in Dörfern bei Dubrovnik (Konavle) und Ston, kam es im Juni 1919
zu einer regelrechten Rebellion der Bauern. Bereits im Mai 1919 verschickten die
Behörden den Angehörigen des Jahrgangs 1885 Einberufungsbefehle für eine zweimo
natige Militärübung. Das volle Ausmaß an Unverständnis, das den dalmatinischen
Bauern von der Belgrader Staatsmacht entgegengebracht wurde, offenbarte sich hier.
Kurz nachdem diejenigen, die den Weltkrieg überlebt hatten, von den Fronten der
Bukowina, Galiziens oder Norditaliens in ihre Dörfer zu den brachliegenden Feldern
und unbearbeiteten Weinbergen zurückgekehrt waren, sollten sie nun, wo auf dem
Feld am meisten zu tun war, wieder einrücken. Die Männer der Dörfer Lisac, Tocio-
nik, Podimoca, Doli, Zaton, Metohija und Cepikuca waren sich einig, sich dagegen
zu wehren. Was diesen Fall von vielen anderen ähnlich gelagerten unterschied, war,
daß es den Bauern hier gelungen war, Waffen aus einem Militärlager zu plündern.
Bewaffnete Wachen zum Schutz von Polizei und Militär wurden vor den einzelnen
Dörfern aufgestellt und aus dem Schriftverkehr der lokalen Behörden läßt sich deren
144 Jadran, Nr. 114-119/1919, hier nach Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 212ff.
145 Tezacka sloga v. 28.08.1921; vgl. auch die Schilderungen bei Kvesic, Hvar izmedu dva rata,
S. 50ff.
157
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Angst herauslesen, der Aufruhr könnte auch auf die übrigen Bauern Dalmatiens über
greifen. Vermittlungsbemühungen von besonnenen Lokalpolitikern und Ortsvorste
hern, bei zugesicherter Amnestie für alle an dem Aufstand beteiligten, führten dazu,
daß die Bauern ihre Waffen abgaben. Allein, in den Worten des Historikers Franko
Mirosevic, „sie wurden verraten“. Starke Polizeikräfte umzingelten die Dörfer, die
Aufständischen wurden verhaftet und an das Militärgericht (Veliki vojni sud) in Bel
grad überstellt. Die große Mehrheit wurde am 31. Oktober 1919 zu verschärften
Zuchthausstrafen zwischen zwei und zehn Jahren verurteilt.
In fast allen dalmatinischen Kreisen gab es solche oder ähnliche Vorfälle. Dort, wo es
den Bauern gelungen war, sich Ende 1918 von den in Auflösung befindlichen österrei
chischen Armeeeinheiten Waffen zu besorgen (v. a. im Konavle-Gebiet), entschlossen
sie sich oft zum bewaffneten Widerstand gegen Einberufungen und Pfändungen wegen
ausstehender Abgaben. Im Dorf Ljuto gelang es beispielsweise 30 Bauern, vier Gen
darmen in ihre Gewalt zu bringen und die Freilassung verhafteter Bauern zu errei
chen.146 Doch auch hier triumphierte nach Verhandlungen letztenendes die Militärge
walt. Oftmals wurden die aufständischen Bauern von den lokalen Militärgerichten der
in Dalmatien stationierten Divisionen viel milder verurteilt als vom Militärgericht in
Belgrad, das, im Fall der Bauern von Ljuto, einer vom Militärstaatsanwalt geforderten
Revision des Urteils zustimmte und die Bauern zu je acht Jahren Zuchthaus verur
teilte. In letzterem Fall setzten sich alle politischen Parteien in Dubrovnik für eine
Begnadigung der verurteilten Bauern ein. Kurz vor dem Inkrafttreten der St. Veitstags-
Verfassung 1921 wurden die Bauern, ausgenommen Ivan Pista und Blaz Burazer, die
für Kommunisten gehalten wurden, durch den König begnadigt.147
Auch an dieser Stelle sei noch einmal betont, daß bäuerlicher Widerstand der geschil
derten Art nicht durch Klassenkampfschemata und revolutionäre Situationen erklär
bar ist, wie das früher versucht wurde, und auch nicht als Widerstand gegen ein groß
serbisches Belgrader Regime. Den Bauern ging es in den Jahren nach 1918 bei ihrem
Widerstand nicht um den Kampf gegen ein Gesellschaftssystem, noch lehnten sie sich
gegen serbische Dominanz auf. Sie hätten sich damals gewiß auch gegen die Einberu
fung zum Dienst in einer kroatischen oder italienischen Armee gewehrt. Vielmehr
sahen sie unmittelbar ihre Rechte und ihre Existenz bedroht und versuchten, sich mit
den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu wehren. Der Preis für Widerstand war
hoch. In den „Kerkern von Split und Sibenik gefangen“, so schrieb die in Dubrovnik
erscheinende sozialistische Zeitung „Rad“ (Arbeit) 1922, seien „Hunderte von Bauern
aus dem Gebiet der Neretva, Brac, Hvar und Split“. In ganz Dalmatien seien die
Bauern „in Aufruhr“.148 Auf dem Höhepunkt der Protestwelle in Dalmatien kam es
146 HAD, Fond Kotarskog poglavarstva Dubrovnika, br. 8515 u. 8480 v. 22. u. 23.06.1919; Miro
sevic, S. 52.
147 Kapovic, Radnicki pokret, S. 187; HAD, Fond Kotarskog poglavarstva Dubrovnika, br. 6929
v. 19.06.1919, hier zit. nach Mirosevic, Pocelo je, S. 51ff.
148 Rad 147/1922, hier zit. nach Mirosevic, Polozaj, S. 85. Auch nach bäuerlichem Widerstand in
158
Dorf und agrarische Lehenswelt
Vrisnik, Vrboska, Pitva, Svirce wurden mehrmonatige Gefängnisstrafen verhängt; vgl. Novo
doba v. 13.11.1922 u. Tezacka sloga v. 30.09. sowie 06. u. 30.10.1922.
149 Uber die Protestaktionen der Bauern auf der Insel Hvar berichtete Novo doba am 22. No
vember 1922 unter der Überschrift „Ausnahmezustand im Kreis Hvar“. Bei Zusammenstößen
mit der Polizei wurden Kampflieder gesungen wie das vom Josip Smodlaka gedichtete „Padaj
silo i nepravdo“ (Die Gewalt und Ungerechtigkeit muß fallen) und selbstgedichtete Strophen
skandiert: „Mi dohotka ne dajemo, vec ga kuci gonimo. Jer je pravo i posteno da za sebe
radimo“ (Die Abgabe geben wir nicht her, sondern bringen sie nach Haus. Denn es ist nur
recht und billig, daß wir für uns selber arbeiten). Vgl. Salamunic, S. 177.
159
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Nikola Rubin zu 3 und Stjepan Barbaric-Macola, Ivan Kuzmicic und Lucija Fistanic
zu einem Monat. So gelang es letztendlich auch, den Bauernprotest zu unterdrücken.
Bei den Wahlen stimmten die Bauern zwar immer geschlossen für die Oppositionspar
teien, doch damit konnte die Macht leben.
Die größte Tageszeitung in Dalmatien, Novo doba, hatte sich der Argumentation der
Landeigentümer angeschlossen und brachte für bäuerlichen Widerstand kein Ver
ständnis auf. In Leitartikeln wurde betont, daß es in Dalmatien „weder feudale noch
Kmeten- noch Kolonatsverhältnisse“ gebe, vielmehr seien das alles nur „privatrechtli
che“ Vertragsverhältnisse. Folglich müsse Dalmatien von der Agrarreform ausgenom
men werden, „denn hier gibt es nichts Wesentliches zu reformieren“. „Niemals“ hätte
sich früher in Dalmatien ein Landarbeiter beschwert, „war es doch viel rentabler für
den Bauern, fremdes fruchtbares Land zu bearbeiten, als eigenes unfruchtbares. Die
Landarbeiter und Kleinbesitzer lebten überall in schönster Eintracht und Liebe, bis
der Feind kam und unseren gemeinsamen Weizen verdarb. Die Landarbeiter in Dal
matien fingen an, auf die Aufwiegler zu hören (...), Abgaben zu verweigern, gegen
die Gerichte aufzubegehren (...). Jetzt haben sie angefangen, wieder nüchterner zu
werden. (...) Hier sieht man, wohin die Demagogie der Heiden führt! Anstatt ungebil
dete Landarbeiter zu ermuntern, sich fremdes, ehrlich erworbenes, Eigentum unter
den Nagel zu reißen, hätte ihnen besser geraten werden sollen, sich von den Eigentü
mern Hilfen für die Anschaffung von Düngemitteln auszubeten, die ihnen sicher ge
währt worden wäre“. Etwas versöhnlicher hieß es dann zum Schluß: „Den ganz armen
Landarbeitern, die überhaupt keinen oder wenig eigenen Boden besitzen, sollte man
Dorf-, Gemeinde oder Staatsland zuteilen.“150 Die Zeitung konnte sich bei ihren An
griffen der Unterstützung der Wirtschaftskammer sicher sein, die die „Eigentums
rechte“ als „konservative Institution“ bei jeder sich bietenden Gelegenheit betonte;
der Auffassung der Gewerbetreibenden nach war „diese Agrarreform“ falsch und
schädlich.151
Eine „offene Wunde“ blieb das Agrarproblem gleichwohl; auch und gerade im Be
wußtsein aller wohlmeinenden Patrioten, die zeitlebens die Lösung der „nationalen
Frage“ für vordringlich gehalten und den jugoslawischen Staat als Lösung aller Pro
bleme begrüßt hatten.152 Auf beiden Seiten, bei den landhungrigen Bauern wie den
ihre Besitzstände verteidigenden Eigentümern, konnte man nun die zu Zeiten Oster-
150 Kapic, J., Agrarno pitanje“ (Die Agrarfrage) in: Novo doba v. 6.12.1922, S. 2.
151 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I. redovite sjednice 17. marta 1927 (Han
dels- und Gewerbekammer in Split. Protokoll der I. ordentlichen Sitzung v. 17.03.1927), S. 54.
152 Ein Beispiel dafür ist der Politiker Dujam Mikacic. In seiner Artikelfolge „Otvorena agrarna
rana“ (Die offene Agrarwunde), in: Novo doba v. 1.-5.4.1926, kritisierte er den Entwurf d.
Agrargesetzes des damaligen Landwirtschaftsministers Stanko Sibenik. Er ist auch der Verf.
eines „Appells der dalm. Kleinbesitzer an die Regierung“ v. 28.10.1926 u. machte mehrere,
folgenlos gebliebene, Vorschläge für eine „Gesunde Lösung des dalmatinischen Agrarpro
blems“.
160
Dorf und agrarische Lebenswelt
Geschickt appellierte die Wahlpropaganda der DP an die Ängste der Bauern, wenn
sie betonte, daß sich alle anderen Parteien in einer bunten Koalition zusammengefun
den hätten, „um die Großgrundbesitzer zu retten“. Die „rückständigen Konservati
ven“ würden die Reform hintertreiben und offenen und geheimen Widerstand leisten.
„Jugoslawien wird wahrhaftig Heimat der freien Bauern sein“, betonte der Verfasser
der in Dalmatien verteilten Broschüre, so daß „unsere nationale Einigung von un
schätzbarer Wichtigkeit für jeden Bauern-Landarbeiter sein wird.“ Das Land gehöre
„jenen, die es bearbeiten“, „auf der nationalen Freiheit“ gründe auch die soziale Be
freiung, d.h. daß die Rechtlosen ihre Menschenrechte erhalten“. Und immer wieder
tauchte der Schlüsselsatz auf, nur derjenige solle in Jugoslawien “Land haben, der es
auch bearbeitet.“ (Hervorh. im Original). (...) Wir machen keine Unterschiede zwi
schen Kroaten, Serben und Slowenen; es ist uns gleich, wer welchem Glauben ange
hört; wir kämpfen für soziale Gerechtigkeit (...) Das ist unser Jugoslawismus“.154
Außer den innenpolitischen Gegnern wurde seitens der jugoslawistischen Parteien
und Verbände auch „Italien“ für „die „Schwierigkeiten unseres Staates bei der Auflö
sung des Kolonatsverhältnisse in Dalmatien“ verantwortlich gemacht. „Italien“ habe
„auch verhindert, „daß in jenem Teil Dalmatiens, wo unser Staat die Macht hat, das
Kolonat abgeschafft wird. Offensichtlich fürchte sich Italien vor einem Aufstand in
den besetzten Gebieten, wenn die Bauern in den freien und benachbarten Teilen Dal
matiens vom Kolonat befreit würden und diejenigen unter ihrer Herrschaft nicht.
Und man sollte auch nicht vergessen, daß dieses Kolonat, was dem kmetstvo ähnlich
ist, aus Italien stamme, d. h., daß die Venezianer es eingeführt haben, während sie über
unser Dalmatien herrschten.
153 Demetrovic, Juraj, Agrarna reforma i Demokratska stranka. Sve uredbe i naredbe o agrarnoj
reformi u Jugoslaviji, izdao sekretarijat Demokratske stranke u Zagrebu (Die Agrarreform
und die Demokratische Partei. Alle Verordnungen über die Agrarreform in Jug., hg. v. Sekre
tariat der DP in Zagreb), Zagreb 1920, S. 3f.
154 ebenda, S. 3, 9 u. 12.
161
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
“So ist auch dieses Kolonat, wie auch das kmetstvo und die Feudalherren, ein Werk von
Fremden (Herv. im Original), uns aufgepreßt, um unser Volk noch stärker zu versklaven.
Und solange wir uns nicht von der italienischen Pest befreien und uns von den italienischen
Herren an unserer Küste des Adriatischen Meeres nicht befreien, d. h. solange wir nicht unsere
Grenzen gegenüber allen unseren Nachbarn sichern, werden sie es nicht zulassen, daß wir
innerhalb unserer Grenzen gegenüber dem Bauernstand volle Gerechtigkeit üben. Aber auch
diese Prüfung wird vorübergehen, und sie wird umso eher Vorbeigehen, wenn unser Volk klar
und deutlich allen zu verstehen gibt, daß es sich nicht mehr in Kroaten, Serben und Slowenen
spalten läßt; daß es sich nicht mehr gegeneinander ausspielen läßt, sondern immer bereit sein
wird seine Einigkeit und den einigen Staat Jugoslawien gegen den inneren und äußeren Feind
zu verteidigen.“ (Hervorh. im Original).155
162
Dorf und agrarische Lebenswelt
Teil der Landarbeiter habe nicht genug eigenes Land, um sein Existenzminimum zu
sichern. „Das Erste, was die dalmatinischen Landarbeiter von ihrem nationalen Staat
erwartet haben (Hervorh. im Original)“, sei gewesen, daß ihnen Eigentum am Land,
welches sie und ihre Vorfahren jahrhundertelang im Schweiße ihres Angesichts bear
beitet haben“, zusprechen würde oder „wenigstens ein existenznotwendiges Landmi
nimum“ (Hervorh. im Original). Immer wieder betonten die Verfasser, „soziale Ge
rechtigkeit und das Staatsinteresse“ würden das erfordern. Würde nun aber der einge-
brachte Gesetzesvorschlag angenommen, ginge es dem dalmatinischen Landarbeiter
„sogar schlechter, als es ihm heute ohnehin geht“.157
Die Klage der Landarbeitervertretung war nicht leicht von der Hand zu weisen: Zwar
verkündete Art. 2 des Entwurfes, daß „Kmeten“ oder „Landarbeiter, die Land in einer
dem Kmeten ähnlichen rechtlichen Stellung bearbeiten“, ohne Entschädigung für die
vormaligen Eigentümer, „zu Eigentümern dieses Landes“ werden. Doch nach Lektüre
der Artikel 3 und 4, in denen definiert wurde, was unter „Kmeten“ und „Landarbei
tern), die Land in einer dem Kmeten ähnlichen rechtlichen Stellung bearbeiten“, im
Sinne des Gesetzes verstanden wird, wurde deutlich, daß die übergroße Mehrheit der
dalmatinischen Landarbeiter nicht darunter fiel. Nach Artikel 3 wurden als „Kmeten-
Verhältnis“ nur Feudalbeziehungen erachtet, bei denen der Landarbeiter zu persönli
chen Diensten verpflichtet war, oder zu Abgaben, die den Charakter persönlicher
Abhängigkeit in Bezug zum Landeigentümer hatten. Solche Agrarbeziehungen waren
in der Tat in Dalmatien kaum anzutreffen. Nach Artikel 4 war ein „Kmetenähnliches
Verhältnis“ dagegen definiert durch die Eigenschaften, daß ,,a) dieselbe Landarbeiter
familie das in Frage stehende Land länger als 30 Jahre bestellt; b) deren Existenz ganz
an dieses Land gebunden ist; c) das Landarbeiterverhältnis an keinerlei Frist gebunden
ist und schließlich wurde in Absatz d) verfügt, daß auf dem in Frage stehenden Land
einst persönliche Dienste oder Feudalabgaben zu leisten waren (wie in Art. 3 beschrie
ben)“. Letztere konnte aber nur in den seltensten Fällen von den Landarbeitern auch
nachgewiesen werden, deshalb die scharfe Gegnerschaft des Landarbeiterverbandes
gegen den Entwurf. Nur „das Recht, vom Herren Land abzukaufen (Hervorh. im
Original)“, so die Landarbeitervereinigung aus Split in ihrer Denkschrift, sei den Bau
ern gegeben worden. Ein Recht, das die Ärmeren niemals ausnutzen könnten. Das sei
nicht die Agrarreform, auf die so lange gewartet worden sei. Von solch einer „Lösung
der Agrarfrage“ hätte der Landarbeiter keinerlei Nutzen. Abkaufen hätten sie den
Eigentümern das Land ja auch schon früher gekonnt. Jetzt stände noch zu befürchten,
daß die Landpreise besonders hoch ausfallen würden, da in der 3-Mann-Kommission,
die im Gesetzentwurf für die Preisschätzung vorgesehen war, nur einer auf Vorschlag
des Landarbeiters ernannt würde.
Auch die in Artikel 45 des Entwurfes vorgesehene Änderung der bisherigen Praxis,
daß in Zukunft die einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen österreichischen
157 ebenda, S. 3. (Darin auch „Vladin Nacrt Zakona o likvidaciji Agrarnih odnosa u Dalmaciji“,
S. 12-22.)
163
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
158 ebenda, S. 4 u. 7. „Kolonat“, „tezastina“ oder „tezacki odnos“ seien in Dalmatien immer als
Synonyme gebraucht wurden, stellte die Spliter Landarbeitervereinigung fest, und dürften
deshalb jetzt auch im neuen Agrargesetz nicht künstlich als unterschiedliche Formen der
Landeigentümer-Landarbeiter-Beziehung genommen werden. Jahrzehntelang war noch zu
Zeiten Österreichs darüber gestritten worden, ob nicht doch, nach Meinung der Landeigentü
mer, das Vertragsrecht auch im Agrarbereich in Dalmatien gelten müsse. Schließlich, und um
keinen Widerstand der Bauern heraufzubeschwören, verfügte die österreichische Verwaltung,
daß Kolonats-Verhältnisse eben kein normaler Arbeitsvertrag waren.
159 Franges, Sozialökonomische Struktur, S. 222; bes. Kap. III, 3 „Die Agrarreform in Jugosla
wien“, S. 159-231, speziell „Die Durchführung der Agrarreform in Dalmatien“, S. 221-225.
Seine (zutreffende) Einschätzung war, daß die „Ideologie, die den ersten Maßnahmen (...)
in Bezug auf eine neue Regelung der Bodenbesitzverteilung zugrunde lag“ von kroatischen
Studenten aus Prag von der tschechischen Bauernpartei Antonin Svehlas herstammte. Die
dort von den „Realisten“ vertretenen Ideen fanden, seiner Meinung nach, um so leichter
Eingang in die jugoslawische Politik, als „das eigentliche Gebiet Serbiens“ von der Agrarre
form nicht betroffen war. „Das Problem bezog sich nur auf die neu hinzugekommenen Ge
biete, und da überließen die Serben ohne weiteres die Lösung der ihnen vollkommen fremden
Frage den Vertretern der Gebiete von Kroatien-Slawonien, des Banates, Dalmatiens, Slowe
niens, Bosniens und der Herzegowina und Südserbiens (gemeint ist Mazedonien, A. J.)“,
ebenda, S. 160.
164
Dorf und agrarische Lehenswelt
erbrachten die Vorschläge für die Art der Aufteilung der Großbesitze, für das jeweilige Aus
maß der Zuteilung an die Einzelnen, für das Ausmaß der eventuellen Entschädigung für
„übernommenes“ Vieh, Getreide, Geräte usw.“160
Während des Intermezzos der Koalition der Kroatischen Bauernpartei mit den Serbi
schen Radikalen vom 18. Juli 1925, als der Neffe Stjepan Radies, Pavao, Minister
mit Zuständigkeit für die Agrarreform wurde, wurden Anstrengungen unternommen
Forderungen der Bauernpartei in der politischen Praxis durchzusetzen.161 Im Endef
fekt liefen aber auch die Vorschläge der HSS nur auf die Möglichkeit des Kaufs von
Großgrundbesitz durch Mittelbauern hinaus. Arme landlose Bauern und Tagelöhner
profitierten so gut wie überhaupt nicht von den verabschiedeten Gesetzen, die sich
jedoch auf Kroatien und Slawonien, nicht auf Dalmatien bezogen. An der Küste hatte
das Versprechen, die Agrarfrage zu lösen der Bauernpartei einen gewaltigen Zuwachs
an Popularität eingebracht. Da hier aber der vom Minister Stanko Sibenik einge-
brachte Gesetzestext vom Parlament in Belgrad abgeleht wurde (unter Federführung
der serbischen Anhänger des dalmatinischen Ablegers der Radikalen Partei und der
Demokraten), kam es in Dalmatien nicht zum Praxistest. Die Klage des HSS-Ministers
Sibenik, daß das Land „nach Regionen und Interessensphären der einzelnen Parteien“
verteilt werde und auch die Frage der Ansiedlung von Kolonisten im höchsten Maße
politisiert sei,162 läßt sich dort, wo die Bauernpartei politische Gestaltungsmacht hatte,
durchaus auch gegen sie selbst erheben.
Erst am 19. Oktober 1930 wurde das Gesetz über die Regelung der Agrarfrage in
Dalmatien endlich verabschiedet. Mit Änderungen und Ergänzungen wurde es erst
vom 6. März 1931 an umgesetzt.163 Das Land sollte jenen zufallen, die es bearbeiten,
doch nur in dem Fall, wenn das Pachtverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Gesetzes älter als 30 Jahre war. Weiters sollte die maximale Fläche nicht größer als 10
Hektar sein. Falls die Familie mehr als sechs Mitglieder hatte, konnte noch je ein
halber Hektar pro Familienmitglied hinzugegeben werden. Die Entschädigungs
summe für die ehemaligen Eigentümer betrug 10.000 Dinar pro Hektar, wenn es sich
um Eigentumsrechte von vor 1878 handelte, 20.000 Dinar pro Hektar sollten gezahlt
werden wenn das Pachtverhältnis nach diesem Termin zustande gekommen war. Für
den ersten Fall zahlte der Staat die Entschädigung in Staatsobligationen mit einer
165
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Laufzeit von 30 Jahren, welche mit 6% verzinst waren. Selbst diese zaghafte Reform
verursachte an die 400 Millionen Dinar Kosten für den Staat.164 Gleichzeitig wurden
mit der endlich in Kraft tretenden gesetzlichen Regelung zahlreiche Gerichtsurteile
der Nachkriegszeit in Frage gestellt. Die Regelung, daß innerhalb einer Frist von sechs
Monaten die Wiederaufnahme von Gerichtsverfahren beantragt werden konnte, führte
zur hoffnungslosen Überlastung der dalmatinischen Gerichtsbarkeit.165 Bis zum Zeit
punkt der rechtsgültigen Übertragung des Eigentumstitels blieben die Bauern freilich
verpflichtet, wenn auch verringerte, Abgaben zu leisten.
Am umstrittensten war natürlich die Höhe der Entschädigung für die ehemaligen
Eigentümer. In Fällen, wo Feudalbeziehungen noch nach dem 11. Januar 1878 einge
gangen wurden, wie in manchen Fällen, in denen die Maximal-Entschädigung von
30.000 Dinar pro Hektar gezahlt wurde, mußten die Bauern die Hälfte der Entschädi
gung tragen. Gleichfalls wurde von den Bauern gefordert, daß sie Entschädigungen
für alle nach obigem Stichtag errichteten Wohn- und Wirtschaftsgebäude zahlen soll
ten. Auch sollten sie die Hälfte von eventuell unbezahlten Steuerschulden, die auf
das Land entfielen, tragen. Für Kirchenland wurde die Entschädigung noch um 10%
angehoben. Nach sofortiger Auszahlung des Betrages durch den Staat an den vorheri
gen Eigentümer, sollte der Anteil des Nutznießers der Agrarreform (also des Bauern)
durch speziell ausgegebene Staatsobligationen (obveznice) beglichen166 werden, die
mit 6 % verzinst waren und in 30 Jahren getilgt werden sollten.
Mit dem zweiten Gesetz vom 19. Juni 1931 sollte die Aufteilung der Großgrundbe
sitze geregelt werden. In Dalmatien war es v.a. die Kirche, die von diesem Gesetz
profitierte, da ihre patrimonialen Rechte anerkannt wurden und Kirchenland wie ge
wöhnlicher Grundbesitz behandelt wurde. Die Entschädigung an die vormaligen Ei
gentümer übernahm auch hier zunächst der Staat, dann die geschaffene „Privilegovana
agrarna banka“, mit vom Staat garantierten 6 %-Schuldverschreibungen. Die von den
Bauern (Kriegsfreiwillige, die Land bekommen hatten, ausgenommen167) jährlich zu
leistenden Abzahlungen beinhalteten nicht nur die Raten für das Land, sondern auch
hier ging der Wert der Wohn- und Wirtschaftsgebäude, rückständige Pachtzahlungen
164 Ristic, Teofan, Borba za zemlju i nasa agrarna reforma (Der Kampf um das Land und unsere
Agrarreform), Beograd 1938, S. 78; vgl. auch Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 316ff.
165 Alle Rechte waren aber dort erloschen, wo Bauern vom Landeigentümer vor dem 25. Februar
1919 nach Zahlung einer Entschädigung das Land zunächst aufgegeben, es dann aber wieder
in Besitz genommen hatten. In diesen Fällen konnte auch nicht mehr prozessiert werden.
166 Insgesamt wurden für 800 Millionen Dinar Staatsobligationen ausgegeben; vgl. Dimitrijevic,
Privredni razvitak, bes. „Likvidacija agrarne reforme“ S. 140-144, hier S. 141.
167 Die Landzuteilung an Kriegsfreiwillige spielte in Dalmatien keine Rolle. Hatten doch, nach
den Angaben des Kriegsministeriums, von ca. 30.000 Freiwilligen insgesamt, nur 2076 Männer
aus Dalmatien auf Seiten der serbischen Armee mitgekämpft. Zudem eignete sich Dalmatien,
von der Besitzstruktur her (ganz im Gegensatz zur fruchtbaren slawonischen Ebene), auch
nicht zur großflächigen Kolonisierung. Vgl. Simoncic-Bobetko, Zdenka, Kolonizacija u
Hrvatskoj 1919-1941., in: Povijesni prilozi 9 (1), Zagreb 1990, S. 85-164, hier S. 94.
166
Dorf und agrarische Lebenswelt
und Entschädigungen für Pflügen, Säen und Saatgut (im Falle, daß sie schon be
pflanzte Flächen erhielten) und Zahlungen für expropriiertes lebendes und totes In
ventar usw. in die Summe mit ein. Dividiert man die insgesamt veranschlagte Entschä
digungssumme, die von den Bauern aufzubringen war (800 Millionen Dinar), durch
die Zahl der Nutznießer, so wird deutlich, daß es eine für die meisten Bauern kaum
zu tragende Belastung war. Auch mußten die Bauern nun alle bisher rückständigen
Abgaben dem ehemaligen Grundherrn derart ersetzen, daß ihr Wert zu gleichen Teilen
vom Staat und vom Verpflichteten getragen wurde. Nun waren viele Landarbeiterfa
milien in Dalmatien dem Staat bzw. dessen Agrarbank, Geld schuldig, das sich dieser
bei Säumigkeit auch mit Zwangsmitteln wie Eintreibungen holte. Die genaue Höhe
der Entschädigung der vormaligen Grundherren wurde durch Kommissionen bemes
sen, die aus je einem Vertreter der Nutznießer und der Grundherren mit einem land
wirtschaftlichen Bezirksreferenten als Vorsitzenden gebildet wurden. Diese Kommis
sionen hatten ihre Schätzungen in den Grenzen von je vier Bonitätsklassen für jede
Kulturart durchzuführen, innerhalb welcher die Entschädigungen zu bestimmen wa
ren.168
Schließlich wurden in Dalmatien als zu enteignender Großgrundbesitz 50 ha bebauba
res Land (Ackerfläche, Gärten, Weinberge) verstanden oder über 100 ha Wald oder
Weideland.169 Bei der Durchführung in den 30er Jahren pendelte das Landmaximum
dann, je nach Region, zwischen 174 bis 869 Morgen Land, und unter bestimmten
Umständen hatten die Besitzer auch das Recht auf ein sog. „Supermaximum“.170 Alle
Nutznießer der Agrarreform, die serbischen Kriegsfreiwilligen ausgenommen, für die
der Staat die Kosten übenahm, mußten das ihnen zugeteilte Land bezahlen. Verteilt
wurden 50.000 bis 60.000 ha Land in Dalmatien, das bis 1941 aus halb-feudalem Besitz
in die Hände der Bauern überging.171 Offizielle Schätzungen gingen von ca. 50.000
Familien aus, die von der Auflösung der Kolonatsverhältnisse in Dalmatien profitier-
168 Alle feudalen Besitze sowie alle sonstigen Grundstücke, die vor dem 11. Januar 1878 von den
derzeitigen Nutznießern (Kolonen) in Gebrauch genommen waren, wurden mit maximal
10.000 Dinar je Hektar entschädigt. Betrug die Gesamtfläche der unter die beiden vorstehen
den Kategorien fallenden Grundstücke weniger als 5 ha, d.h. war der Besitzer selbst als „arm
und bedürftig“ anzusehen, so betrug die maximale Entschädigung 30.000 Din. je Hektar. Nur
bei „Ablösung von Feudal- und Altansässigkeiten“ zahlte der Staat die Entschädigung allein;
ansonsten wurde die Summe zwischen Staat und Nutznießer geteilt. Die Entschädigung für
Gebäude mußte der Nutznießer allein tragen. Für Grundstücke, welche in der unmittelbaren
Nähe von Städten oder Fabrikansiedlungen oder Badeorten liegen, wurde keine Entschädi
gung gezahlt, sondern sie sollten mit Rücksicht auf ihren besonderen Wert in natura zwischen
dem Grundherrn und dem Nutznießer geteilt werden.
169 Vgl. Ministarstvo za agrarnu reformu Kraljevine SHS (Hg.), Agrarna reforma - Uredbe,
naredbe, raspisi, Bd. I, Zagreb 1920; Bd. II Zagreb 1925. Das Gesetz schließlich v. 5.12.31 u.
24.06.1933, in: Ministarstvo poljoprivrede Kraljevine Jugoslavije (Hg.), Agrarna reforma,
Bd. III, Beograd 1933.
170 Almanah Kraljevine Jugoslavije, IV., Jubilarni svezak 1929-1931, Zagreb 1932, S. 350f.
171 Simoncic-Bobetko, S. 153.
167
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
ten.172 Andere Quellen sprechen davon, daß bis 1941 an die 100.000 Bauernfamilien
in Dalmatien zwischen 50.000 und 60.000 Hektar Land erhielten. Bis zur italienischen
Okkupation 1941 wurde über 85.000 Anträge auf Landzuteilung entschieden, über ca.
45.000 Anträge auf Verteilung von weiteren 20.000 Hektar war bis zu diesem Zeit
punkt noch nicht entschieden worden.173
Fiktive Verkäufe oder Schenkungen von Land waren Strategien der Landeigentümer,
um möglichst Flächen unter 5 Hektar zu erhalten, für die die höchsten Entschädi
gungszahlungen geleistet wurden. Auch war das Land in Industrie-, Bade- und städti
schen Zonen174 von den Bestimmungen des Agrargesetzes ausgenommen.175 Dort, wo
es möglich war, wurde das Land auch als einem italienischen Eigentümer gehörend
gemeldet, um der Agrarreform ganz zu entgehen.176
172 ebenda, S. 143. Vgl. auch Eric, M., Agrarna reforma u Jugoslaviji, Sarajevo 1958; Ivsic, M.,
Les problemes agraires en Yougoslavie, Paris 1926; Komadinic, M., Problem seljackih dugova
(Das Problem der Bauernschulden), Beograd 1934.
173 Mihletic, Ante, Agrarna reforma i kolonizacija u Hrvatskoj, Zagreb 1952, S. 6; Simoncic-Bo-
betko, Agrarna reforma, S. 322. Ebenda, S. 354 spricht sie aber davon, daß Ende März 1941 von
102.072 eingegangenen Anträgen in Dalmatien 87.675 rechtskräftig entschieden waren, 1751
Entscheidungen hatten noch keine Rechtskraft erlangt und 12.646 eingegangene Anträge noch
nicht bearbeitet waren. Der Godisnjak banske vlasti Banovine Hrvatske (Zagreb 1940, S. 137)
nennt „an die 50.000 Anträge“, die 1940 in Dalmatien noch auf ihre Entscheidung warteten.
174 Vgl. die Verordnung über die ausgewiesenen „Zonen“ durch den Landwirtschaftsminister
Franges v. 18.07.1931. In diesen Zonen sollte das Agrargesetz keine Geltung haben. Der
Kampf zwischen den Verbänden der Landeigentümer und den Interessenvereinigungen der
Bauern um die Größe dieser „Zonen“ dauerte, auf allen Ebenen, bis zum Untergang des
Staates 1941. Die Gerichte fällten bzgl. der nachträglichen Ausweitung dieser Zonen unter
schiedliche Urteile. Simoncic-Bobetko (HDA, Santic, 3.1.2., in: Agrarna reforma, S. 319) führt
ein Urteil des Spliter Berufungsgerichts v. 24.07.1940 an, in dem eine solche Ausweitung mit
dem Argument abgeleht wurde, daß auf den in Frage stehenden Flächen eine große Zahl
Bauern nach dem Agrargesetz bereits Land zugeteilt bekommen hätte. Diese Landarbeiter
würden sich diesen Boden nun nicht mehr nehmen lassen. „Jede Schmälerung ihrer Rechte,
die sie nach dem Agrargesetz erhalten haben, würde zu einer Revolte unter den Bauern füh
ren“ und jegliches Vertrauen in das Recht ins Wanken bringen. Würde man nun aber die
Zonenregelung nur auf jene anwenden, deren Verfahren nach dem Agrargesetz nur „zufällig“
noch nicht beendet sind, dann würde das „berechtigte Verbitterung gegen die Regierung, wie
gegen die Eigentümer hervorrufen, was unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen könnte“.
175 Auch hier eröffnete sich ein weites Feld potentiellen Mißbrauchs, da sich die Landeigentümer
nach Kräften bemühten die entsprechenden Zonen auszuweiten. In der Stadt und im Kreis
Split beispielsweise waren nicht nur die engeren Stadt- bzw. Gemeindeterritorien, sondern
auch mehr oder minder alle gewerblich genutzten (und damit wertvollen) Flächen, wie die
Mergelabbaugruben (bei Kastei Gomilica, Solin, Split und Omis) und der Boden auf dem die
Zementfabriken (Dalmacija d.d., Adria-Portland, La Dalmatien, Lavoro & Companie) stan
den, von der Durchführung der Agrarreform ausgenommen.
176 Erst mit dem Artikel 75, Absatz 2 des Finanzgesetzes von 1936/37 wurde die Veräußerung
von Land während das Verfahren lief ohne die ausdrückliche Genehmigung des Landwirt
schaftsministers verboten, wie auch der Verkauf an fremde Staatsangehörige untersagt wurde;
HDA, Santic, 3.1.1.10; 3.11.6, hier zit. nach Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 319.
168
Dorf und agrarische Lebenswelt
Konflikte waren an der Tagesordnung und das Gesetz, wie auch seine Durchführung,
blieb umstritten. Nicht nur die Bauern, auch die Eigentümer verbanden dabei gewisse
Hoffnungen mit der Reform. Voraussetzung, um nachträglich die nach dem Krieg
vorenthaltenen Abgaben in Form einer Entschädigung zu bekommen, zur Hälfte vom
Staat und zur Hälfte vom (ehemaligen) Pächter, waren rechtskräftige Gerichtsurteile.
War das Urteil endlich erstritten, so zahlte der Staat, bei Entschädigungssummen von
über 500 Dinar, nicht in Bargeld sondern in Obligationen.177 Diese staatlichen Schuld
scheine, zum nominalen Nennwert von 500, 1000 und 5000 Dinar wurden mit dem
Datum 1.1.1931 ausgegeben, galten als Zahlungsmittel und waren mit 6% verzinst.
Sie konnten jeweils nach Ablauf einer Jahresfrist verkauft werden. Die Gesamtlaufzeit
war auf 30 Jahre festgelegt und sollte 1962 enden. Auch die Bauern konnten mit den
Obligationen ihren Teil der Entschädigungssumme zahlen, wobei sie die Obligationen
auf Kredit vom Staat kaufen konnten, wozu sie Land, das sie bekamen, als Sicherheit
verpfänden konnten. Bei jährlichen Ratenzahlungen, die zusammen mit der Steuerzah
lung geleistet werden sollten, waren sie verpflichtet, die Gesamtschuld bis zum Jahr
1962 zu tilgen.
Alles in allem läßt sich feststellen, daß die Agrarreform in Dalmatien keine Seite be
friedigte. Die damit befaßten Verwaltungsinstanzen waren heillos überfordert, klagten
über zuwenig Personal und zuwenig Geld, und auch die Gerichte kamen mit den
Entscheidungen nicht hinterher. Das Zugeständnis des zuständigen Landwirtschafts
ministers Svetozar Stankovic vor dem Belgrader Parlament, daß auch für 1936/37
wegen „Schwierigkeiten gesetzlicher und personeller Natur nicht mit der Durchfüh
rung der Agrarreform in Dalmatien und Bosnien-Herzegowina“ zu rechnen sei, wobei
er aber beruhigend zusätzliche staatliche Finanzhilfen ankündigte, zeigt das Scheitern
des Projekts auf der ganzen Linie.178 1 939 arbeiteten 58 Mitarbeiter in der Verwaltung
in Split an der Durchführung der Reform. Neben den Beamten im Büro auch noch
eine wechselnde Zahl von „agrarni dnevnicari“ genannten Mitarbeiter, die durch die
Dörfer fuhren, um die in den schriftlichen Eingaben gemachten Angaben zu überprü
fen und Zeugenaussagen zu Protokoll zu nehmen.
Wie wird das Agrarproblem und die Durchführung der Reform in Dalmatien, und
was sie für die Bauern bedeutete, jenseits von Gesetzestexten, politischen Stellungnah
men und statistischen Angaben, quellenmäßig faßbar? Die „Interessen der Landwirt
schaft“ sollten „durch das Ministerium für Landwirtschaft, (...) Abteilungen bei den
Banschaftsverwaltungen und durch besondere, akademisch ausgebildete landwirt
schaftliche Referenten bei den Bezirken“ vertreten werden.179 Das im Historischen
169
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
(Primorska banovina) zugeordnet. Schließlich, nach dem „sporazum“ 1939, fiel die Durchfüh
rung der Agrarreform in den Kompetenzbereich der „Banovina Hrvatska“.
180 Vgl. PAS, Brief des Bischöflichen Ordinariats v. 4.03.1931, Nr. 872/31, in dem über die Land
arbeiter geklagt wurde, die „in den vergangenen 12 Jahren“ teilweise „die Pacht für Kirchen
land“ nicht entrichtet hatten. Nachforschungen des Ordinariats hatten ergeben ( vgl. Elaborat
v. 28.02.1931, in Abschrift in der Akte), daß der Einnahmeausfall die Summe von „über
800.000 Dinar“ betragen habe. Vom Staat sei bis jetzt nur eine Entschädigung von 56.000
Dinar geflossen; vgl. I 6286, BH 20/1.
181 Telegramm v. 24.07.31 (Anordnung Nr. 3172), BH 20/1.
182 Vgl. I 12638 v. 24.07.1931, BH 20/1. Rundschreiben an alle Bürgermeisterämter in Dalmatien
und an die Presse (aufgeführt: Jadranska posta, Sluzbeni glasnik (Erlaß erschien in Nr. 59 v.
28.07.31), Pucki list, Primorska rijec, Novo doba), die unter dem Aktenvermerk „sofort“ zu
informieren waren..
183 Vgl. PAS, Antwortschreiben aus Metkovic (31.08.31), Biograd (26.07.31), Hvar (26.07.31),
Benkovac (28.07.31), Preko ( 28.07.31) Sibenik (27.07.31) Knin (27.07.31), Supetar (27.07.31)
etc.
184 Vgl. Eingabe der „untertänigsten Untertanen Seiner Majestät“, der „Landbesitzer der Ge
meinde Bogomolje von der Insel Hvar“, an den Königlichen Hof. Ihre „Beschwerde“ über
170
Dorf und agrarische Lebenswelt
auf Grund und Boden der Eigentümer „in wahnsinniger anarchistischer Manier“ ver
halten, „als ob ihnen jetzt alles Land gehören würde“. Sie würden jetzt „keine Abga
ben mehr leisten“ und „den Eigentümern nicht einmal erlauben, einen Blick auf ihr
Land zu werfen“, in einigen Fällen hätten sich die Landbesitzer sogar „in ihren Häu
sern in Sicherheit bringen müssen“. Trotz „bewaffneter Staatsmacht“, die sie beschützt
hätte, seien sie „angegriffen worden“. Ihr „gesamtes Eigentum“, und v.a. „unsere eige
nen Wälder“ würden von den Bauern geplündert. Getrost könne man das als „echten
Bolschewismus“ bezeichnen, meinten die „armen, kleinen Grundbesitzer“ (bijedni
mali zemljoposjednici) in ihrer Eingabe an „das Kabinett Seiner Majstät“, die an die
lokale Verwaltung zurückgeleitet wurde. Obwohl die Landbesitzer als „treueste und
opferbereiteste Untertanen“ sich bewußt wären, daß man „es nicht jedem Recht ma
chen“ könne, sei doch „das Agrargesetz für uns Besitzer ein harter Schlag“, und die
„Landarbeiter“ hätten „viel mehr als sie verdienten“ bekommen.
Hauptärgernis waren in ihren Augen die Paragraphen 12 und 43, die die Höhe der
Entschädigung regelten. „5000 Dinar und in den meisten Fällen gar nur 2000 Dinar
für den Hektar, oder sogar noch weniger“, seien ungerechte Preise. Und, „bei einem
Zinssatz von 15-20%“ wären „nur 6% für die Staatsanleihen“, mit denen sie ausbe
zahlt würden, viel zu wenig und geradezu Betrug. „Ohne Geld und ohne Land“ seien
sie so geblieben. Ob die „Nutzung der Wälder“, die „Beweidung der Wiesen“ oder
die „Bezahlung der auf Kosten des Besitzers gesetzten Weinstöcke“, vieles hatten die
Landbesitzer am Agrargesetz auszusetzen. Die „schnelle Hilfe“, die sie nun aus Bel
grad erbaten, sollte folgendermaßen aussehen: „a) ein sofortiger Vorschuß“ (...), ,,b)
die Schätzungskommission“ solle „mild und entgegenkommend“ zu den Landbesit
zern sein und „c) die Höhe der Entschädigung“ solle noch einmal überdacht werden.
„Seit der Gründung unseres lieben Staates“ hätten sie sich ja als „treue Untertanen“
gezeigt. Sie seien auch „weiterhin bereit, unsere Adria-Grenze zu schützen und zu
bewachen“, und man müsse auch „in Betracht ziehen“, daß an ihrer Seite „die Intelli
genz“ stände, die „für den Staat, obwohl in der Minderheit, viel mehr als unsere
kulturlose Masse beitragen“ könne.
Doch im Archiv der Banschaftsverwaltung finden sich auch zahlreiche Eingaben, die
in Orthographie und Schriftbild nicht von denen schreibkundiger Landarbeiter zu
unterscheiden sind, die tatsächlich von „kleinen, armen Kleinstbesitzern“ stammen,
die nicht von der Verpachtung gelebt hatten, sondern vom Land, das sie selbst bestell
ten. Solche wurden in der Tat nun schwer von der Reform getroffen.185 Auch diejeni-
das „Agrargesetz v. 5.11.1930“ wird am 6.4.31 an die Verwaltung der Küstenbanschaft weiter
geleitet. Vgl. Kr. bansk. upr. PB - Poljoprivr. odj. BH 20/I-VIII u. Iskaz predstavnici zemljo-
vlasnika upucenih Ministarstvu zbog likvidacije agrarnih odnosa i dr. spisi 1931. BH 22/1;
Spisi u svezi zakona o l.a.o. 1931., predstavka kralju s otoka Hvara BH 23/11;
185 Vgl. Briefe von Marko Kuvek aus dem Dorf Gizdavac Gemeinde Muc in der Zagora o.
Datum, eingegangen 15.3. u. 2.4.1931, BH 20/1 1930.-1931. An der Küste gab es zahlreiche
ähnliche Fälle, vgl. Br. v. Marin Aljinovic aus Zrnovnica bei Split im Namen seiner ganzen
Familie v. 21.2.1931 an den „gnädigsten Herrscher und König Aleksandar“. Auch er bekam
171
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
gen, die wie z.B. Nikola Melvan, um dem Kriegsdienst in der österreichischen Armee
zu entgehen, in die Vereinigten Staaten emigriert waren und mit etwas Geld nach dem
Krieg in die „befreite Heimat“, in ihr Dorf zurückgekehrt waren und dort Land ge
kauft hatten, standen jetzt vor Problemen. Im vorliegenden Fall ging es um „zwei
Stück gutes Ackerland“, für die die Pächter-Landarbeiter keine Abgaben mehr ent
richteten, nachdem sie von der Agrarreform erfahren hatten. Der Kleinbesitzer aus
dem Dorf Gizdavac in der dalmatinischen Zagora führte an, daß er „jetzt im Alter“186
nicht mehr arbeiten könne und „nicht wieder im Ausland sein Brot suchen“ wolle. Ob
„so etwas denn möglich“ sei, wollte er vom „Herrn Minister“ wissen und erwartete
„Gerechtigkeit“. Das Agrarministerium leitete den Brief an die Verwaltung in Split
mit der Auskunft weiter, daß sich der Antragsteller an das zuständige Kreisgericht
wenden solle.
Generell betrug die Entschädigung für die Kleinbesitze in Dalmatien nur ca. „1/30
des echten Verkehrswertes“, was ungefähr „einer Jahresabgabe“ entsprach.187 Das
würde allen Grundsätzen des „Rechts und der sozialen Gerechtigkeit“ Hohn spre
chen, wie es in zahlreichen Eingaben hieß. Auch die Betonung, was „die Kleinbesitzer
alles auf dem nationalen Gebiet getan“ hätten, was „jedem in die dalmatinischen Ver
hältnisse Eingeweihten bekannt sei“, half da nicht viel weiter. Die Beschwerden häuf
ten sich, daß den „italienischen Optanten“ das Land, das sie durch die Agrarreform
an die Landarbeiter abgeben mußten „nach dem reellen Wert bezahlt werden soll“,
während hingegen „unsere jugoslawische Regierung (...) unsere Leute“ leer ausgehen
lassen würde.188 Es kam zwar aus Belgrad vom Landwirtschaftsministerium abermals
von der Verwaltung die Auskunft seine Einwände dem Gericht vorzutragen; Akte I 3743 BH
20 I u. II.
186 Vgl. Brief v. Nikola Melvan aus Gizdavac v. 25.3.1931, BH 20/1, der anführte, daß ihn die
„lebensgefährliche Arbeit in den Bergwerken Amerikas im 50. (Lebens-)Jahr“ erwerbsunfähig
gemacht habe.
187 Vgl. die Eingabe der „Kleinbesitzer“ (maloposjednika) der Orte Jelsa, Vrboska, Pitava, Vris-
nika, Sviraca u. Vrbanja, alle auf der Insel Hvar (104 Unterschriften), eingegangen 10.01.1931,
BH 20/1. Darin wird die „Pauperisierung“ und „Verschuldung“ beklagt, denen die „Kleinbe
sitzer“ durch die Agrarreform ausgesetzt seien, da ihnen „kein Fußbreit Land“ gelassen
würde, obwohl auch sie „im Schweiße ihres Angesichts“ Land bearbeiten würden. Auch sie
vergaßen nicht, stets, wie es in den Eingaben hieß, ihren „langjährige Kampf gegen die italieni
schen Renegaten um die nationale Bewußtwerdung und die Wiedergeburt in Dalmatien“ zu
betoten. Überall hätten die Landeigentümer „fest und unerschütterlich“ zur „nationalen und
staatlichen Einheit“ gestanden Nun sei aber „bittere Enttäuschung“ eingetreten, weil die loya
len „Bauern, Fischer, Seeleute und Handwerker“, die eigenes Land besäßen, „im eigenen na
tionalen Staat“ nicht als „gleichberechtigte Bürger“ behandelt würden. „2 Hektar Landbesitz“
sei „das Minimum“, was den „Kleinbesitzern“ verbleiben müsse, ansonsten sei „der Unter
gang unvermeidlich“.
188 Vgl. Schreiben mit der Bitte um „Gerechtigkeit“ v. M. Borcic aus Split v. 11.02.1931 an den
General Zivkovic, desgleichen v. Josip Vlasiö aus Podstrana v. 12.02.31, die „den guten König
und Jugoslawien“ hochleben lassen und sich, wie Anka Borcic aus Split (Br. v. 9.02.31), „nicht
vorstellen“ können, daß „euer Hochwohlgeboren in Kenntnis dieser schweren Ungerechtig-
172
Dorf und agrarische Lehenswelt
die Versicherung, daß „das Land denen zufallen soll, die es bearbeiten“,189 aber auch
das half den Antragstellern nicht. Gleichfalls trösteten sie Ausführungen nicht, daß die
„dalmatinischen Besitzer verglichen mit jenen in Bosnien-Herzegowina favorisiert“
worden seien, „im Hinblick auf die Dauer (der Pachtverhältnisse, A. J.), wie auch der
Höhe der Entschädigungen“ (Hervorh. im Original).
Unter das Gesetz fielen landwirtschaftliche Nutzflächen in Dalmatien, die vom Eigen
tümer selbst die letzten 30 Jahre nicht bearbeitet worden waren, sondern Dritten zur
Nutzung verpachtet wurden. Regelmäßig bekamen die dalmatinischen Kleinbesitzer,
vom Minister persönlich unterschrieben, die Auskunft: „Wenn jemand sein Land 30
Jahre lang nicht bearbeitet, sondern es für eine Rente jemandem verpachtet, kann er
im Hinblick auf dieses Land nicht als Landarbeiter (tezak) betrachtet werden und fällt
somit unter das Gesetz. Die Entschädigungen in Dalmatien sind dreimal höher als in
Bosnien, dehalb sind Beschwerden über die Höhe nicht angebracht. (...) Die Aufhe
bung der „Kmeten und kmetenähnlichen Abhängigkeitsverhältnisse“ sei sofort in die
Wege zu leiten. Die „Frage der Entschädigung“ sei nach den „finanziellen Möglichkei
ten des Staates“ zu regeln.
Vor Ort hatte die Verwaltung große Mühe, auch nur die notwendigsten Kreditmittel
für die Entschädigung der Landbesitzer aufzutreiben.190
Die Besetzung der Schätzungskommissionen, die die Höhe der Entschädigung bzw.
den Verkaufswert des Landes bestimmen sollten, entwickelte sich zu einer äußerst
langwierigen und zähen Angelegenheit.191 In fast keinem dokumentierten Fall konn
ten sich Landeigentümer und Bauern sofort mit dem von der Verwaltung vorgeschla
genen Kommissionsmitglied anfreunden. Manchmal lehnte auch die Verwaltung vor-
keiten“ ist. BH 20/1. Tatsächlich war es eine Privilegierung der italienischen Landeigentümer,
die ungefähr 13.000 Hektar Land in Dalmatien besaßen, daß nur mit Zustimmung des italieni
schen padrone ein Verfahren im Sinne der Agrarreform eingeleitet werden konnte. Erst nach
einer Vereinbarung mit Italien vom 19. Mai 1939 wurden auch solche Besitze von der Reform
erfaßt. Im Falle der italienischen Besitzungen in Dalmatien lagen im März 1940 noch über
10.600 ungelöste Anträge vor, die meisten davon bezogen sich auf Ländereien bei Biograd,
auf der Insel Ugljan, in Split und in Sibenik. Der Druck auf die Banovina seitens des Außen
ministers Aleksandar Cincar-Markovic, aus Rücksicht auf die Beziehungen zum Nachbarstaat
die Entschädigungszahlungen an die vormaligen italienischen Eigentümer zu beschleunigen,
führte dazu, daß zu diesem Zweck eine halbe Million Dinar zusätzlich aufgewendet wurde.
Dank eines in diesen Fällen verkürzten Verwaltungsverfahrens waren bis Mitte Dezember
1940 ca. 90 % der Entschädigungsansprüche italienischer Bürger gelöst, während auf der ande
ren Seite die Landverteilung an die übrigen Bauern weiterhin nach dem alten Verfahren lief.
189 Ministarstvo Poljoprivrede Ministarstvu unutr. poslova Nr. 5904/VIa v. 12.02.1931 (BH 20/11).
190 Anordnung des Banus v. 18.11.1930 (Nr. 22049), Schreiben d. Agrarmin. v. 26.11.1930
(Nr. 67376).
191 Insgesamt waren es bis Anfang 1931 allein im Kreis Biograd über 2100 Anträge auf „Auflö
sung des Agrar-Verhältnisses“, davon waren bis zum Februar 1931 nur „251 gelöst“. Ohne
„zusätzliche Kräfte für die Verwaltung“ sei an eine schnellere Beantwortung und Entschei
dung der Anträge „nicht zu denken“. Vgl. Nacelstvo sreza biogradskog Kr. banskoj upravi -
Split Nr. 579/31 v. 12.02.1931 BH 20/1.
173
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
geschlagene Kandidaten ab.192 Grundsätzlich wurde Parteilichkeit für die eine oder
andere Seite unterstellt.193
Sogar mit Schreibmaschine geschriebene anonyme Drohungen erreichten die Verwal
tung, deren Absender anonyme „Kleinbesitzer aus der dalmatinischen Zagora“ waren.
Darin war die Rede davon, daß man sich „mit allen Mitteln“ gegen den „Diebstahl“
des „mit Blut und Schweiß erworbenen Landes unserer Väter und Großväter“ wehren
würde. Der „Herr Banus“ solle zur Kenntnis nehmen, daß „alle Kleinbesitzer - Mär
tyrer der Zagora mit dem Revolver in der Hand ihr Eigentum verteidigen werden“.
Im „freien Jugoslawien“ könne man ihnen „nur über unsere Leichen“ das Land steh
len. „Wie unsere Väter an den verschiedenen Fronten gestorben sind, damit unser
liebes Jugoslawien verwirklicht wird“, so werden „jetzt auch ihre Kinder auf ihrem
Eigentum, von dem sie ausschließlich leben, sterben“. Als „bewußtester und stärkster
Pfeiler“, vielleicht sogar „der einzige“, drohten die Verfasser dem Staat an, ihm „den
Rücken kehren“ und ihn „den destruktiven Elementen zu überlassen.“ Das Schreiben
schloß mit den Worten: „Unsere Augen und Herzen waren immer in Richtung Bel
grad gerichtet, und jetzt müssen wir erleben, daß wir beraubt und versklavt wer
den!“194
Doch die Ungeduld der dalmatinischen Bauern war zu groß, als daß die Verwaltung
den Klagen der Kleinbesitzer hätte nachgeben können, obwohl sie deren patriotischer
Argumentation bestimmt viel abgewinnen konnte. Sofort nach Verabschiedung des
Agrargesetzes stapelten sich die Eingaben von „Kmetenfamilien“ in den Akten der
Banschaftsverwaltung,195 wie die der „Familie Gamulj aus Donji Muc“ in der dalmati
nischen Zagora. In diesem Fall war es eine 34-köpfige Großfamilie, die in ihrer offen
sichtlich von einem schreibkundigen Familienmitglied selbstverfaßten Eingabe for-
192 Vgl. die Beschwerden v. Milutin Pericic aus Sukoisan v. 24.4./10.8.1931 u. 6. 4.1932 (BH 20/
I), der schon im Briefkopf aufführt, daß er „Gemeinderat, Gemeinde-Revisor, Vorsitzender
des Wohlfahrtsvereins, Mitglied der Volksverteidigung und des „Jugoslovenski Sokol“, und
in den Leitungsgremien des örtlichen Sokol-Verbandes aktiv sei. Seine Wahl in die Schät
zungskommission würde von der Verwaltung in Split angefochten, nur weil er „1904, was bei
uns Brauch ist, ein Frauenzimmer mir als Frau entführt habe.“ Seine „Strafe“ habe er 1905
abgebüßt und er sei „1919 rehabilitiert“ worden. Als „treuer Staatsbürger“, der „mit Herz
und Seele“ bereit sei, „wenn es nötig ist, men Blut für Seine Majestät und die Heimat zu
vergießen“ hoffe er darauf, daß ihm vom Hof „Gerechtigkeit“ widerfahren werde.
193 Vgl. Akten I 14274, 53490, BH 20/1. In den meisten Fällen mußte dann das Ministerium in
Belgrad ein Machtwort sprechen.
194 Auf dem Schreiben befindet sich in der Handschrift des Banus Jablanovic der Vermerk: „Be
zieht sich auf § 54 der Reform 1933/34 1“, in: BH 20/1.
195 Vgl. Kraljevska banska uprava Primorske banovine - Poljoprivredno odjeljenje (III). Molbe
za dodjelu drzavnog zemljista 1933.-1940. BH 14/11, Rjesenja o isplati odstete bivsim vlasni-
cima u 6 % obveznicama za likvidaciju agrarnih odnosa 1932.-1939. BH 14/III-IV, likvidacija
agrarnih odnosa 1931.—1938. BH 15/I-IV, 1935.-1939. BH 16/I-IV, BH 17/I-V, BH 18/I-II,
BH 19/I-IX, BH 20/1-VII, Povjerenstvo za l.a. ref. Spisi 1931. -1937. BH 32/11-VII, 1940.-
1941. BH 23/VI; BH 33/VIII; Rjesenja za odstetu 1934.-1940. BH 34/I-III;
174
Dorf und agrarische Lebenswelt
derte, „keine Abgaben mehr leisten zu müssen“. 12 Unterschriften trägt die Eingabe
und neben 22 Namen bezeugte jeweils ein Fingerabdruck die Hoffnung, in Zukunft
von der Abgabepflicht an den vormaligen Landeigentümer befreit zu werden.196 Die
Verwaltung in Split wurde auch mit Telegrammen und Briefen der verschiedenen Ort
schaften auf dem Gebiet der Banschaft eingedeckt, wie genau dieses Agrargesetz nun
konkret umzusetzen sei.197 Auch Organisationen, wie die „Jugoslavenska privredna
zajednica“, drängten die Verwaltung, „im Interesse der Landarbeiter vor der nächsten
Ernte“ die Anträge zu bearbeiten.198
Die königliche Banschaftsverwaltung als erstinstanzliche Verwaltungsbehörde hatte
über Entschädigungsansprüche ehemaliger Landeigentümer zu entscheiden, die teil
weise schon seit 1919 aktenkundig waren.199 Auch die an die dalmatinischen Gerichte
adressierten Anträge zur Auflösung von Abgabepflichten, schnellten nach Verkün
dung der Agrarreform in die Höhe.200 Die Verwaltung versuchte in Zusammenarbeit
mit den Gerichten planvoll und systematisch vorzugehen. So wurden Formulare ver
teilt, in die Katasterangaben und Qualität des Bodens, bzw. Art des Landes vom
Antragsteller einzutragen waren, ebenso, wie lange er, bzw. seine Vorfahren, das Land
schon bearbeiteten. Konkret sah das so aus, daß beispielsweise ein Ante Vukman in
seinem und im Namen seiner Brüder Nikola, Cvitko und Ivan angab, daß sie zusam-
196 Podnesak v. Familie Gamulj aus Donji Muc, archiviert unter Nr. 12164 v. 17.07.31, BH 20.
197 Vgl. Telegramm des Bürgermeisters Jerkunica aus Kastei Sucurac v. 11.05.31, der Tartaglia als
einen „Kenner der Verhältnisse Kastelas“ um „Lösungen für die armen Bauern“ und „Aus
weisung von Zonen nach § 48“ bittet. BH 20/III (In Akte I 4385, BH 20/1 auch ähnlich
lautende Telegramme aus Biograd, Preko, Benkovac, Sibenik, Knin, Sinj, Imotski, Supetar,
Hvar, Makarska, Metkovic). Andere, wie der Bürgermeister von Sinj (Nr. 5188/31 v. 6.5.31,
ebenda) beschwerten sich über die „Usurpation von Gemeindeland“, „gewöhnlich“ seitens
„der reicheren Bauern“, was zu „großer Unzufriedenheit“ in seiner Gemeinde geführt hätte.
Ob es denn angehen könne, daß „nach dem Agrargesetz (...) diese sich so angeeigneten Flä
chen jetzt in deren Eigentum übergehen könne“? Diejenigen, die sich bis jetzt „kein Gemein
deland unter den Nagel gerissen hätten“, hätten nämlich jetzt „in voller Hast angefangen
dieses zu tun, ohne auf Ermahnungen, die sie von den Beamten und der Staatsmacht (sa strane
vlasti) bekämen zu hören“. Die „Gemeinde hätte keinerlei Mittel das zu verhindern“ und
sich am „14. März mit Schreiben Nr. 2840 schon einmal in gleicher Sache an die Banschafts
verwaltung gewandt“ in dieser „wichtigsten Frage“. „Einziges Mittel“ gegen das Unwesen
sei, nach Meinung des Gemeinderats von Sinj, „die Verteilung von Gemeindeland“. Die Ant
wort der Verwaltung bestand im Hinweis auf § 22 des Agrargesetzes, in dem die Frage voll
ständig geregelt sei. Vgl. Nr. 8104/31 v. 23.6.1931.
198 Brief der Jug. privredna zajdnica an d. Ministerium in Belgr. u. an den Banus v. 28.04.31, BH
20/1.
199 Der „große Streit unter den Bauern um Land“, mit „unübersehbaren Folgen“ war direkt nach
dem Krieg ausgebrochen. Vgl. Akte Martin Malic aus Visice, Nr. 5119/20 v. 30.6.20
200 Vgl. z.B. Kotarski sud Trogir. Zahtjeve za razrjesenje agrarnog odnosa po zakonu o likvidaciji
agrarnih odnosa na podrucju ranije pokrajine Dalmacije 1931., in: BH 14/1 od. Kr. banska
upr.- Poljoprivredno odjeljenje (III): Prijave Kotarskom sudu Imotski za razrjesenje agrarnog
odnosa 1931, in: BH 21/1, BH 22/11, BH 23/1;
175
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
men „mehr als 30 Jahre, gerechnet vom 5. November 1930 an“ das in den Grundbü
chern als Parzellen 2508/1 und 2068/1 bezeichnete Land in der Gemeinde Seget bear
beiteten. Der Flurname in Seget sei seit jeher „Musa“ gewesen, offizieller Eigentümer
sei die „Steuergemeinde Seget, nachdem der vorherige Eigentümer für Italien optiert
habe und sich nach 1918 nicht mehr gemeldet“ hätte. Drei Zeugen aus dem Dorf
bestätigten mit ihrer Unterschrift diese Angaben auf dem Antragsformular. Der An
trag ging am 27. Februar 1931 beim Gericht in Trogir ein, laut Eingangsstempel, am
7. Januar 1932 überstellte das Gericht die Akte der Verwaltung, nachdem es zuvor
zugunsten des Antragstellers entschieden hatte.201
„Weinberge und Weiden“ waren es zum allergrößten Teil, die die Antragsteller nach
ihren Angaben schon „vor 1900“ bearbeitet und „der Gemeinde dafür keinerlei Steu
ern oder Abgaben“ entrichtet hatten.202 Oft findet sich das Kreuz neben einer hinge
malten Unterschrift, was den Schluß zuläßt, daß der Anwalt, der den Antrag für den
Bauern einbrachte, für seinen Mandanten unterschrieben hatte. In Fällen, wo das in
Frage stehende Land, zum überwiegenden Teil Weideland, „ohne Vertrag, eigenmäch
tig vom Antragsteller schon vor dem Krieg in Besitz genommen wurde“, war „nach
§ 11 Agrargesetz“ die Banschafts-Verwaltung in Split zuständig und die Akten wurden
ihr überstellt.203
Schon bald stellte sich aber heraus, daß die Durchführung der Agrarreform doch
erheblich mehr Schwierigkeiten nach sich ziehen würde als gedacht. Es zeigte sich
nämlich, daß sich Dorfnachbarn und Verwandte zwar gegenseitig alle Angaben be
zeugten und bestätigten, wenn es um die Aneignung von Staats- bzw. Gemeindeland
ging, sobald jedoch Konflikte zwischen den Dorfbewohnern oder verschiedenen Ge
meinden auftauchten, die Verwaltung heillos überfordert war und sich nur schwer zu
einer Entscheidung durchringen konnte. Ein plastisches Beispiel dafür war der Streit
um die Aufteilung des Staatsgutes am Vrana-See bei Biograd. Vrana lag in den Gemar
kungen der Katastergemeinden Biograd, Filip Jakov, Pakostane, Rastane, Turanj, Ban-
jevac, Polaca, Radasinovac, Tinj, Vrata und Murter.
Die Verhältnisse dort waren verwickelt. Zuständig für die Durchführung der Agrarre
form war der „Agrarno-pravni odsjek“ der Küstenbanschaft in Split. Das Land um
den Vrana-See war entweder im Privatbesitz oder wurde mit Jahrespachtverträgen
oder als Kmetenland bearbeitet. Zusätzlich bestanden diverse Weide- und Flolzrechte
auf 639 Hektar.204 Insgesamt gehörten 7262 Hektar mehrheitlich äußerst fruchtbaren
201 Vgl. Agr. 1597/31 BH 14/1. Die Flut von Anträgen, die einsetzte, weckte bei Verwaltung und
Gerichten in Split den Verdacht, daß von den Antragstellern oftmals fingierte quasi-feudale
Agrarbeziehungen behauptet wurden, um eine Entschädigung zu bekommen, so daß das Ge
setz von 1930 dahingehend geändert wurde, daß Rechtsbeziehungen innerhalb einer Familie
ausgenommen wurden bei der Durchführung der Agrarreform.
202 Antrag von Ante Palada, Agr. 3942/31 aus Marina bei Trogir BH 14/1.
203 Vgl. Agr. 2206/31 Antrag v. Mate Mitar aus Seget v. 2.03.1931, für den wiederum Ivan und
Marin Vukman bezeugt hatten, daß er das Land schon seit 1878 bearbeitet hatte.
204 Hrvatski drzavni arhiv, fond Agrarne reforme veleposjeda, kut..5, svez „Vrana“.
176
Dorf und agrarische Lebenswelt
177
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
. \
f/rtfcorro»« i, vii;'?suu.ta
*••• ' ■ *1' ' ................. .
S u c*-.\ k o-3 ZtCttui '&UMa[füaux luAntjj
uw : iou •»miinrrm; 49 f
X» oU«.t \ tj itliu.a SsuiUi | jteaui auAa&j tXaiyk . a
Quelle: PAS, BH 16; Die Parzellen wurden in den Jahren 1936 u. 37 mit folgenden Kulturen
bepflanzt: 1) Erbsen u. Mais; 2) Mais u. Weizen; 3) Gemüsegarten u. Kartoffeln; 4) u. 5) Mangold
u. Kartoffeln; 6) Kartoffeln; 7) Kartoffeln u. Mais; 8) Mais; 9) Kartoffeln u. Gerste; 10) Kartoffeln,
Mais, Weizen; 11) Weizen; 12) Mais, Kohl; 13) Weizen; 14-16) Wiese; 17) Mais; 18) Hafer; 22)
Klee u. Hafer; 23-25) Wiese u. Weide; 26) Hafer; 27) Weizen; 28) Weide; 29) Klee; 30) Gerste u.
Mais; 31) Gerste u. Klee; 32) Mais; 33 u. 34) Klee; 35) Mais.
Stelle die Sachlage klären sollte.209 § 10 des Gesetzes über die Liquidierung der Agrar
verhältnisse in Dalmatien sah ja tatsächlich vor, daß Staatsland in Privateigentum
übergehen konnte. In diesem Fall handelte es sich um nord-westlich vom Vrana-See
gelegene knapp 2000 Hektar „freies Land“, das zur Verteilung anstand. In einem
11-seitigen Elaborat für den Banus kam die Kommission zum Schluß, daß, nach Ab
zug des in Staatseigentum zu verbleibenden Landes, nur 1755 Hektar Land zur Verfü
gung ständen, davon 255 Hektar Ackerland. Dabei kämen als Nutznießer die Bauern
der umliegenden Dörfer „Pakostane, Filip-Jakov, Turanj, Rastane, Tinj, Polaca, Jago-
Fortschritt bei der „Liquidierung der Agrar-Verhältnisse in der ehemaligen Provinz (bivsa
pokrajina) Dalmatien“; vgl. I 6863, Anforderung des Ministeriums v. 16.04.31 (Nr. 24641) BH
20/1.
209 Vgl. Rjesenje Kraljevske banske uprave III, Nr. 11421/33 v. 14.12.33; der Ortstermin war für
21.-27. März 1934 festgesetzt.
178
Dorf und agrarische Lebensweh
dinja Gornja i Donja, Vrana, Radosinovac, Banjevci, Tkon und Pasman“ in Frage. Die
Komission schlug vor, Parzellen von maximal 2.500 m2 zu verteilen, bzw. „bis zu
einem Morgen Land“,210 so daß eine möglichst große Zahl von Interessenten befrie
digt werden könne. „Freiwillige und Invaliden“ seien bevorzugt zu berücksichtigen,
dann Landarbeiter, die „überhaupt kein eigenes Land zur Bearbeitung haben“, danach
„die übrigen Bauern“, vor allem „aus den umliegenden Dörfern, die auch bis jetzt
Staatsland gepachtet hatten.“ Als „bedürftig“ seien die Bauern anzusehen, die weniger
als den „Duchschnittsbesitz im betreffenden Dorf“ zur Verfügung hätten, wobei die
„Zahl derjenigen, die in einem Haushalt von dem Land leben“ müßten, zu berücksich
tigen sei. In der Region sei „ungefähr ein Hektar bearbeitbares Land“ pro Familie die
Regel, bei einer durchschnittlichen Anzahl von fünf Familienmitgliedern. In diesem
Sinne sollte man es den Bauern ermöglichen, begründete Anträge auf Zuteilung von
Staatsland zu stellen.
Die lokalen Verwaltungsinstanzen nun waren mit solch einem Vorgehen nicht einver
standen. So schrieb der Kreis Biograd, daß „die einzige Lösung“ sei, für „jedes Dorf
in seinen Grenzen die zur Verteilung stehende Fläche zu bestimmen“.211 In „Dorfver
sammlungen“ (seoski zborovi) müßten die Dorfbewohner selbst, ohne Rücksicht dar
auf, wer früher das Land bearbeitet hat, das jedem Dorf zuzuteilende Staatsland unter
sich aufteilen. Nur „bei solchen Versammlungen wird jegliche Ungerechtigkeit ver
mieden“. Die Praxis, daß „Direktoren (der Verwaltung des Staatsgutes, A. J.) nach
persönlicher Sympathie das Land verteilen“, an solche die schon „im Überfluß“
Grund und Boden hätten, könne einzig auf diese Weise vermieden werden. Biograd
sei überhaupt bis jetzt leer ausgegangen und bittet nun um die Gemarkungen „Novak“
und „Sudsko“ bis zur Brücke „Bastiun". Von der Brücke ab könne das Nachbardorf
Pakostane das Land bekommen, so „müßten die Bauern aus einem Dorf nicht über
die Grenze zum anderen Dorf gehen.“ Der Brief vom 27. Februar 1936 schließt mit
der dunklen Drohung: „Jede andere Aufteilung wäre ungerecht und würde zu Blut
vergießen führen“. Schon vorher, am 16. Februar, hatte die Dorfversammlung von
Betina sich an den Banus gewandt und „einstimmig und einmütig“ hervorgehoben,
daß ihr Dorf „dieselben Rechte, wie die anderen Dörfer“ erhalten müsse und ihren
Lösungsvorschlag unterbreitet, wie das zu bewerkstelligen sei.212 Die Dorfversamm
lung von Betina betonte, daß „unsere Alten dieses Land schon bearbeitet haben, als
das Vrana-Land noch der Adelsfamilie Borelli gehört hat und auch Abgaben für den
Fischfang im See an sie zahlen mußten“. Auch als „Österreich“ das Land übernommen
hatte, hätte sich nichts geändert. Detailliert wird aufgezählt, wo die 300 Haushalte des
Dorfes überall Land besitzen, das zum Dorf gehört, wie der größte Teil des Sees.
Doch leider wäre das Meiste nur „wilder Karst“, der „Hunger der Bauern nach Land“
179
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
darum so groß, daß sie „Land aus den Tälern auf die Hügel schleppen um dort einen
Feigen- oder Olivenbaum zu pflanzen“. Es folgten Vorschläge, daß jede Familie einen
halben Hektar bekommen sollte, der einer „Bearbeitungspflicht“ unterliegen sollte,
ansonsten müsse ihnen das Land wieder genommen werden etc. Die „Kinder des
Dorfes“, schloß die Resolution, „hungerten nach Brot“ und das Dorf könne sie „we
der nach Amerika noch auf die Schule schicken“ und bittet deshalb um eine schnelle
Lösung, wie vorgeschlagen.
Auch im benachbarten Pakostane wurde freilich auf die Ankündigung des Landwirt
schaftsministeriums vom 7. Dezember 1935 bzw. der Kreisverwaltung Biograd rea
giert.213 Die 31 Unterzeichner des Briefes vom 10. Februar 1936 hatten wiederum ihre
eigenen Vorstellungen, wie das Land des „Gestüts Aleksandrovo“ (Ergela Aleksan-
drovo) in Vrana aufgeteilt werden sollte. Vor allem wurde dagegen protestiert, daß
„1000 ha des fruchtbarsten Landes“ in Staatsbesitz verbleiben sollte, während das
„größtenteils unfruchtbare Macciabewachsene Land“ unter den umliegenden Dörfern
verteilt werden sollte. „Sozial und rechtlich“ sei das unhaltbar. Es seien v. a. Kmeten
aus Pakostane gewesen, die nun schon „über 32 Jahre“ dieses Land bearbeiteten, wo
für „auch schriftliche Beweise“ vorliegen würden. In den Fluren „Bus“, „Bastijun“,
„Sudski“ u. a. hätten demnach nur abgabepflichtige Bauern aus ihrem Dorf gearbeitet.
Mit „Blut und Schweiß“ hätten sie das Land urbar gemacht, es sei ihnen auch heute
noch die Existenzgrundlage und sie sollten „nun davon vertrieben werden“? Würden
die Vorstellungen der Kommission realisiert wäre „die größte soziale Armut“ die un
abwendbare Folge und die „Staatsmacht müßte sich doch darum kümmern, die Bauern
zu schützen und ihr Recht zu sichern, d. h., daß ihnen rechtmäßig zusteht und ihnen
bleiben muß, was sie durch ihren Schweiß erworben haben“.
Auch das Dorf Rastane, dessen Bewohner „zu den ärmsten in der Umgebung“ gehö
ren würden, bat gleichfalls wiederholt um Berücksichtigung bei der Landzuteilung.214
In der Zwischenzeit erreichten die Banschaftsverwaltung in Split immer mehr Bitt
schreiben auch von einzelnen Kleinbesitzern, wie das von Ante Orlovic aus Stanko-
vac,215 gleichfalls am Vrana-See, gelegen. Unter Berufung auf seinen guten Leumund,
180
Dorf und agrarische Lebenswelt
seine 11-köpfige Familie und die kümmerliche Ausstattung mit nur „3 Tagwerk Ak-
kerland“ bat er um Zuteilung aus dem Bestand des Staatslandes. Manchen Bittschrei
ben sind die Mühen anzusehen, die ihre Verfasser mit der ungewohnten Tätigkeit
des Schreibens gehabt haben müssen.216 Auch meldeten sich immer mehr ehemalige
Kriegsfreiwillige mit derselben Bitte.217 Bei der Aussicht, daß nun Land zur Verteilung
ansteht, kam es sogar zu Streitigkeiten unter Brüdern. So beschwerte sich Luka Saric,
daß sein Bruder Marko ohne sein Wissen einen Antrag auf Landzuteilung gestellt
hätte, obwohl sie in „familiärer und wirtschaftlicher Gemeinschaft“ Zusammenleben
würden. Er sei „der ältere Bruder im Haus“ und „alles Eigentum“ gehöre ihnen ge
meinsam. Als Beweis wird eine „Bestätigung des seoski glavar“ beigefügt. Deshalb sei
das Land am Vrana-See, welches eventuell verteilt würde, „nur beiden zusammen“
zuzuteilen.218 Das „Dorfoberhaupt“ (seoski staresina) Sime Barbarosa aus dem ne
benan hegenden Filipjakov erhob Anspruch, im Namen aller Dorfbwohner, auf 40 ha
in der Gemarkung „Novak“. Die „Bevölkerung“ wachse „jedes Jahr“, und mit ihr
„die Armut.“219 Dazu kamen noch die Eingaben von Kriegsfreiwilligen, die gleichfalls
Staatsland beanspruchten. Grundsätzlich bekam die Verwaltung in Split von den dal
matinischen Kreisen und Gemeinden auf ihre Anfragen nach Gemeindeland, das an
Kriegsfreiwillige verteilt werden könnte, eine Antwort, wie die folgende aus Supetar
von der Insel Brac: „In Bezug auf Ihr Telegramm vom 3. August (Nr. 10221) teilen
wir mit, daß es in diesem Kreis kein freies Gemeindeland gibt.“220 Ende 1931 mußte
die Verwaltung der Küstenbanschaft dem Agrarministerium in Belgrad mitteilen, daß
„trotz Anordnung 70833“ in Sachen „Ansiedlung von Kriegsfreiwilligen“ im Laufe
des vergangenen Jahres „in dieser Banschaft niemand angesiedelt“ wurde. Die Freiwil
ligen der „ehemaligen pokrajina Dalmacija“ hätten Anträge gestellt, auf dem Staatsland
„Vrana“ angesiedelt zu werden, doch für eine Landaufteilung gäbe es noch kein Ver
fahren. Optanten gäbe es auf dem Territorium dieser Banschaft nicht.221
in „Schulden und Armut versinken“ (vgl. Br. v. Mate Kuzmanic v. 27.3.1931 Rogoznica) und
zu „Sklaven und Bettlern“ werden (vgl. Br. v. Pavo Jercic aus Podgrade v. 19.2.1931).
216 Vgl. die Bitte des nach eigener Aussagen „bitterarmen“ Sime Sulina v. 22.2.1936, der „ewige
Dankbarkeit“ gelobte, wenn ihm und seinen fünf Kindern „Vrana-Land zugeteilt würde“. In
diesem, wie in so vielen anderen Fällen, wurden die Eingaben in einer Mischung aus gespro
chenem regionalem Dialekt und Phrasen, die für „vornehme und ehrerbietige“ Hochsprache
gehalten wurden, in eigenwilliger Orthographie zu Papier gebracht. Die ganz des Schreibens
Unkundigen nahmen sich einen Schreiber oder Anwalt und setzten ihr Kreuz unter die Bitte.
217 Schreiben von Bilic Mate pok. Nikole, Jadresic Frane pok. Ante, Bare Tomas pok. Jose aus
Betina v. 1.3.1936, die darauf hinweisen, daß sie schon seit 1922 erfolglos Anträge gestellt
hätten.
218 Bitte von Saric Luka pok. Sime aus Medvigja, Gemeinde Obrovac, Kreis Benkovac v.
10.03.1936.
219 Brief v. Sime Barbarosa aus Filipjakov v. 12.11.1933, BH 20/1.
220 Sresko Nacelstvo Supetar, Nr. 9045 v. 9.8.1932, BH 19,1931.-1940.; vgl. auch Dodjela dobro-
voljacke zemlje „Narodne Jagme“, popisi dobrovoljaca 1931-1940. BH 23/III;
221 Kr. banska upr. PB-Poljopr. odj. III Nr. 35113/31 v. 16.11.1931, BH 19/1.
181
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
222 Vgl. Schreiben der Dörfer Jagodinje, Tinj u.a. wg. Zuteilung von Weideland, worauf ein „hi
storisches Recht“ des Dorfes bestünde v. 8.07.1940.
223 Godisnjak banske vlasti Banovine Hrvatske, Zagreb 1940, S. 137; Simoncic-Bobetko, Dalma-
cija, S. 135f., dies. Agrarna reforma, S. 356.
224 Vgl. Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 320f.
225 Vgl. Briefe v. Mate, Jago, Jure, Ivica, Ivan u Pavo Jercic (unterschrieben von allen ihren Fami
lienmitgliedern) aus Podgrade v. 18./19.02.31, BH 20/1.
226 Vgl. den Fall des Dorfes Glavice bei Sinj, das die Gemarkung „Gale“ erfolglos beanspruchte.
Entsch. Nr. 7507/37 v. 26.1.38 BH 23/1.
182
Dorf und agrarische Lebenswelt
seit wann genau ein bestimmtes Grundstück vom Antragsteller genutzt wurde.227 In
terne Fraktionsbildung im Dorf spielte eine große Rolle dabei, wie energisch gegen
die Nutzung von Gemeindeland vorgegangen wurde.228
Typisch scheint das Beispiel der im Hinterland von Sinj gelegenen Dörfer Maljkovo
und Potravlje. Die „seoski glavari“ Ivan Bilandzic und Marijan Vidosavljevic stellten
im Namen aller Dorfbewohner Anträge auf „Land, welches uns zusteht“. Das Proto
koll vermerkte: „Nach dem Krieg wurde stark bemerkbar, daß einzelne Bauern sich
im großen Stil unbearbeitetes Gemeindeland aneignen, also wurden mehrere Dorfver
sammlungen abgehalten, um zu einer Lösung zu kommen.“ In beiden Dörfern, Malj
kovo und Potravlje, wurde in den Jahren 1919-1922 beschlossen, daß den „Usurpan-
ten zur freien Nutzung nur bearbeitbare Ackerflächen gelassen werden, während alles
andere Land, ob Weideland oder Forst, umzäunt oder nicht, ohne Unterschied dem
Dorf zu gemeinsamer Nutzung zurückgegeben wird, wie es vorher gewesen ist.“ Um
das ganze „offiziell zu bestätigen“, wurde nun die Gemeindeverwaltung in Sinj gebe
ten, alle, die sich Land angeeignet hatten, einzubestellen, daß sie noch einmal das vor
der Dorfversammlung gegebene Einverständnis schriftlich wiederholen. Aus Malj
kovo sei „einzig Luka Bilandzic nicht bereit gewesen, die Beschlüsse der Dorfver
sammlung anzunehmen.“ Der Wald, um den es in diesem Fall ging, und den Luka
Bilandzic als den seinen betrachtete, wurde zum Gegenstand eines langwierigen Pro
zesses zwischen dem Dorf Maljkovo und ihm. Die entstandenen Anwalts- und Ge
richtskosten erforderten in der Zwischenzeit sowohl die Abholzung des Waldes und
den Holzverkauf als auch die Veräußerung von Gemeindeland.
Im Dorf Potravlje ging es ähnlich um die Grenzziehungen zwischen einzelnen Parzel
len. Auch hier stand am Anfang ein Beschluß der Dorfversammlung aus dem Jahr
1923. Alle „neuerrichteten Zäune und Mauern um usurpiertes Gemeindeland“ sollten
niedergerissen werden, andernfalls sollte das „unter Assistenz der Gendarmerie“ erfol
gen. Doch nach diesem Beschluß „wechselten die glavari, und so fingen Einzelne
wieder damit an, Zäune zu errichten und sogar weiter sich Gemeindeland anzueig
nen“. Eine Dorfversammlung von 1927 suchte das Problem durch eine an das Dorf
zu zahlende Geldabgabe zu lösen, aber „bis jetzt“ habe „hier niemand irgendetwas
bezahlt“, denn das Agrargesetz „wurde erwartet“. All diese Sachverhalte gehen aus
einem Protokoll der Agrarverwaltung hervor, die am 22. April 1938 zum wiederholten
227 Im Fall Jandrijevic Nikola gegen die Gemeinde Glavice wurde beispielsweise nach § 9 zugun
sten der Landarbeiterfamilie entschieden, daß das Land „entschädigungslos und hypotheken
frei“ in das Eigentum der Antragsteller übergeht. Vgl. Nr. 9634/38, BH 23/1.
228 Vgl. die Antr. v. Radanovic Ivan, Milun Petar, Zuro Pero, Karetic Franjo u. Capeta Jure aus
Kraj b. Sinj, die sich seit 1931 hinzogen (Nr. 1030/31 v. 4.03.31.) und bis 1938 nicht entschie
den werden konnten, weil sich die Vorsitzenden des Gemeinderats Ante und Pavao Gabrilo
mit immer neuen Argumenten sperrten (vgl. Rasprava v. 16.04.38). Erst 1941 (Nr. 225/41 v.
5.03.41, BH 23/1) wurde im Fall von Jure Capeta entschieden, daß er die „84.500 m2 Weide
land“ zugeteilt bekommt, ohne der Gemeinde eine Entschädigung zahlen zu müssen.
183
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Mal mit den Dörfern Majkovo und Potravlje befaßt war.229 Die Verwaltung als höhere
Instanz sollte auf Antrag der im Namen ihrer Dörfer auftretenden Vertreter entschei
den 230 Viele seien nämlich durch die wilde Aneignung geschädigt. Die „Verteilung
sollte so bald als möglich stattfinden“, und „jede Familie Land besserer und schlechte
rer Qualität bekommen“. Die „schwächeren Familien“ dürften nicht „mit leeren Hän
den“ Zurückbleiben. Doch ohne den Einsatz von Gewaltmitteln gaben die stärkeren
Familien' das von ihnen in Besitz genommene Land nicht mehr her. Immer erfolgte
der Verweis, daß man sich damals nur genommen hätte, was einem seit jeher schon
gehört hätte. Schon die Vorfahren hätten das Land oder den Wald genutzt. Mit 183
Fällen dieser Art allein in Maljkovo und Potravlje war die Verwaltung konfrontiert.
Dabei hatte die Verwaltung versucht, durch „Ortstermine“ (rasprave), die in den Ge
meinden stattfanden, die Entscheidung letztenendes wieder ins Dorf zurückzuverla
gern. So reiste eine Kommission mit den Anträgen und Akten auf Landzuteilung von
Split in die nächstgrößte Gemeinde an und nahm die Aussagen von „Dorfvertretern“
zu Protokoll.231 Meistens war es der „seoski glavar“ und einige ältere Dorfbewohner
(seoski starci), die sich die Anträge aus dem Dorf anhörten und dann ,Recht anerkann
ten' (priznajemo mu pravo) oder auch nicht. Hauptkriterium war dabei, wenigstens
offiziell, ob der Antragsteller schon vor 1914 das Land in Besitz genommen hatte.
Doch noch im Februar 1941 mußte die nun in „Povjerenstvo za likvidaciju agrarne
reforme u Splitu“ umbenannte Abteilung zahlreiche Beschwerden bearbeiten.232 Es
forderte unverdrossen das Dorf zum Beispiel in Privateigentum abgegebenes Weide
land zurück, weil es der neue Eigentümer nicht umzäunt hatte,233 oder einzelne Bau
ern versuchten, mit neuen Eingaben und neuen Zeugen alten Ansprüchen doch noch
zum Erfolg zu verhelfen und Gemeindeland zugeteilt zu bekommen. Dabei unter
schieden sich die dalmatinischen Fälle234 kaum von denen in bosnischen oder herzego-
winischen Gebieten, für die die Verwaltung der Küstenbanschaft ebenfalls zuständig
184
Dorf und agrarische Lebenswelt
war.235 Es lassen sich auch keinerlei Unterschiede zwischen serbischen und kroati
schen Bauern in Dalmatien erkennen, sieht man von der Ausstattung der wenigen
Kriegsfreiwilligen mit Land ab, die in ihren Eingaben ihre serbische Nationalität be
tonten, von der sie sich Vorteile für ihre Sache versprachen. Auch wo hauptsächlich
Serben lebten, wie in der Umgebung von Benkovac, die Anträge auf Land stellten,
welches sie vorher schon als Kmeten bearbeitet hatten, läßt sich kein nationaler Ge
gensatz beobachten. Gestritten wurde auch hier meistens darum, seit wann das Land
vom Antragsteller bearbeitet wurde, bzw. seit wann es brach lag. Da sich die Bauern
aber gegenseitig immer als Zeugen anführten, gab es kaum Anträge, die abschlägig
beschieden wurden, wenn es zwischen ihnen keinen Konflikt gab. An den Anträgen
aus den benachbarten Dörfern Islam-Grcki, in dem fast ausschließlich Serben lebten,
und dem kroatischen Islam-Latinski, kann man eindeutig die Gleichheit der Lebens
bedingungen, wie sie sich in der Landausstattung spiegelt, sehen. Und es ist auch
Anfang der 30er Jahre nicht selten, daß ein „Ivan“ für einen „Jovan“ und ein „Stevan“
für einen „Stjepan“ oder „Stipe“ als Zeuge aufgeführt ist. In hunderten von Fällen, in
denen meist gegen den Staat prozessiert wurde, der die Nachfolge der oft italienisch
adeligen Landeigentümer, die nach dem Krieg das Land verlassen hatten, angetreten
hatte, war man sich einig. Manchmal ging es durch mehrere Instanzen. Malentila
Draca aus Islam-Grcki wandte sich an alle nur möglichen Berufungsinstanzen, und
bekam schließlich das Land, das er und seine Vorfahren, nach Aussage von Zeugen,
„seit jeher“ bearbeitet hatten. Allein sein Fall füllt einen ganzen Ordner. Offensicht
lich handelte es sich um Grundstücke, die die Gemeinde für sich beanspruchte und
auf dem sie vorhatte zu bauen. Gerichtskommissionen, die bei einem Ortstermin in
Augenschein nahmen, ob und wie die in Frage stehenden Grundstücke bearbeitet
waren, entschieden in solchen Fällen. Doch die von Draca gesetzten Weinstöcke gaben
schießlich den Ausschlag und er bekam das Land nach jahrelangem Rechtsstreit doch
zugesprochen.236
235 Vgl. Kotar Stolac 1934-1939. BH 21/11, Rjesenja na potrazivanje odstete za kmetske sume,
sikare i pasnjake u Kotaru Mostar 1936-1940. BH 21/III; Kotar Konjic 1934-1940. BH 21/
IV; Kotar Prozor 1940. BH 21/V, Srez Tomislavgrad 1921.-1922. BH 24/1; Srez Ljubuski,
Prozor, Konjic 1932.-1935, Zahtjeve za odstetu, l.a.o. Konjic, Ljubuski, Stolac, Mostar 1940.,
BH 25/1-IV, BH 28/V-VIII, BH 30/I-III; Likvidacija a.o. Kotar Mostar 1935.-1940., Konjic
1934.-1940., Livno 1939.-1940. BH 26/1—III; Mostar 1935.-1940. BH 27/1, 1934.-1940 BH
28/III, BH 31/II-IV; Rjesavanje a.o. Stolac 1934.-1939. BH 28/1; Tomislavgrad 1935.-1939.
BH 28/11; Bugojno 1935. BH 28/IV-VI; Ljubuski 1935.-1940. BH 28/VII; in diesen Kreisen
waren es v.a., den Namen nach zu urteilen, muslimische Großgrundbesitzer. Tausende von
Entschädigungsanträgen und die dazugehörigen Akten mit Grundbuchauszügen etc. belegen
dies.
236 Gleich gelagert waren z.B. die Fälle von Jovan Baijak aus Islam-Grcki oder Todor u. Pavla
Vidic aus Karin, Pavle Oluic aus Bilisane, Dusan, Simo u. Spasenije Gugleta aus Bilisane, -
Djuro u. Danijel Skoric aus Medvjedje, Grga u. Nikola Knez aus Medvjedje, Jandrija, Bogdan
u. Petar Kubat aus Zegar, Todor Nanic aus Zegar, Lazo Komazec aus Zegar u. noch hunderte
anderer, alle aus dalmatinischen Gemeinden, in denen überwiegend Serben lebten.
185
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Für „Agrar-Beamte“ wie Ivan Seman, der beim „Povjerenstvo za likvidaciju agrarne
reforme“ in Split arbeitete, bedeutete das viel Arbeit. Wie aus seinen offiziellen „Ar
beits-Tagebüchern“ hervorgeht, war er in mehreren hundert verschiedenen Fällen in
den 30er Jahren in Dalmatien unterwegs. V.a. im Hinterland von Sibenik, zwischen
Biograd und Benkovac, so geht aus seinen Arbeitsnachweisen hervor,237 ging er über
die Dörfer und überprüfte vor Ort die von den Bauern in ihren Anträgen gemachten
Angaben. Aus jedem Dorf kam er mit einer neuen Liste zurück, aus der hervorging,
wer alles einen Antrag gestellt hatte oder stellen wollte. Das Reisen war langwierig und
beschwerlich, aber man kann sicher von einer herzlichen Aufnahme bei den Bauern
ausgehen, die bestimmt das Beste anboten, was sie in der Vorratskammer hatten, wenn
der Staatsbedienstete kam. In den allermeisten Fällen blieben aber einzig sichtbares
Resultat der Bemühungen des „Vertrauensmannes“ und der Verwaltung die Listen mit
den, im Laufe der Jahre, tausenden von Namen von dalmatinischen Bauern, die auf
Landzuteilung hofften und hunderte von unerledigten Anträgen auf Entschädigung
oder Zuteilung von Staatsland.238
Die Verwaltung war in jeder Hinsicht überfordert. Die Zahl der Grundbuch-Ämter
in Dalmatien fiel in der Zwischenkriegszeit von 22 auf 14 und die fest angestellten
20 Landvermesser waren ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Nach 1931 wurden zwar
Neueinstellungen vorgenommen, die Kapazität reichte aber weiterhin nicht aus 239
Nur im Zuständigkeitsbereich des „Agrarno-pravni otsjek“ gab es im Juni 1937 immer
noch über „9000 ungelöste Fälle“, die von der Verwaltung noch bearbeitet werden
mußten.240 Als der Zweite Weltkrieg Dalmatien erfaßte und das Königreich Jugosla
wien innerhalb weniger Tage unterging, waren noch Tausende von Bauerneingaben
zwecks Landzuteilung nicht bearbeitet. Erst nach dem Krieg, mit dem „Gesetz über
die Abschaffung der feudalen Agrarverhältnisse auf dem Gebiet Dalmatiens und des
kroatischen Küstenlandes“ („Zakon o ukidanju agrarnih odnosa feudalnog karaktera
na podrucju Dalmacije i Hrvatskog primorja“) vom 20. November 1946 wurde die
entschädigungslose Enteignung des noch verbliebenen Großgrundbesitzes verfügt.
Die Klagen über die „Schwierigkeiten, die aus der Unverhältnismäßigkeit zwischen
den Einnahmen, die der Küstenbanschaft zur Verfügung stehen, und den notwendigen
Ausgaben“ waren Gegenstand zahlreicher „Exposes“ und „Memoranden“, die die
186
Dorf und agrarische Lebenswelt
Verwaltung anfertigte.241 Die „Ausgaben“, so die Weisung des Banus angesichts der
desolaten Finanzlage, sollten „auf das Allernötigste beschränkt“ werden.242 Davon,
daß in Dalmatien „die Lösung der Agrarfrage“ zwar „sehr viel Mühe gekostet“ habe,
„aber schließlich erreicht wurde“, wie es in Propagandabroschüren hieß, konnte keine
Rede sein. Glaubte man den Verfassern solcher Schriften, war alles in Ordnung in der
dalmatinischen Landwirtschaft: Knapp 100.000 Familien hätten um die 50.000 Hektar
Land zugeteilt bekommen, wobei auf jede Familie ca. ein halber Hektar Land entfallen
sei. Der Verkaufspreis für das Land habe zwischen 2-30.000 Dinar, oder im Durch
schnitt bei 8.000 Dinar, pro Hektar gelegen. Dafür habe der Staat Schuldverschreibun
gen in Höhe von 400 Millionen Dinar mit 6% Zinsen aufgelegt. Die Familien, die
dieses Land bekommen hatten, zahlten die Hälfte der Entschädigung, die andere
Hälfte der Staat.243 Doch die Wirklichkeit sah anders aus, ganz abgesehen davon, daß
an der Desintegration der Besitzstrukturen und der Tatsache, daß die meisten Bauern
in Dalmatien zu wenig Boden besaßen, um sich und ihre Familien zu ernähren, alle
Reformversuche und Bemühungen um Intensivierung der Landwirtschaft auch an der
Küste substantiell nichts änderten. Nach dem „sporazum“ 1939 übernahm die Verwal
tung der Banovina auch was die Agrarreform anging, alle Probleme und tausende
ungelöste Fälle von ihren Vorgängern.244 Die autonome Einheit „Banovina Hrvatska“
ab 1939 wollte ein „Bauernstaat“ sein, das war das erklärte Ziel der Kroatischen Bau
ernpartei. Konkrete Auswirkungen verspürten die Bauern in Dalmatien kaum. Die
Abteilung der Verwaltung zur Durchführung der Agrarreform Split wurde nun Za
greb unterstellt und am 22. Januar 1940 in Komission zur Durchführung der Agrarre
form (Povjerenstvo za likvidaciju agrarne reforme) umbenannt. Als übergeordnete
Beschwerde- und zugleich letzte Instanz wurde die Abteilung für Bauernwirtschaft
(Odjel za seljacko gospodarstvo) der Banovina Hrvatska in Zagreb eingerichtet.245
Ihre Arbeit nahm die Komission aber erst am 10. Juni 1940 auf, was bedeutete, daß
bis zum April 1941 kaum rechtskräftige Entscheidungen gefällt wurden. Hauptpro
blem war weiterhin das Fehlen finanzieller Mittel für die Entschädigungen. Anträge,
wie der des Berufungsgerichts Split (Apelacioni sud) von 1940/41, an die Finanzver
waltung der Banovina für Entschädigungszahlungen 2.308.000 Dinar zur Verfügung
zu stellen, wurden im Prinzip zwar als berechtigt akzeptiert, Geld kam aber bis zum
241 Vgl. das 76-seitige „Expoze k budzetu rashoda i prihoda Primorske Banovine za godinu 1931/
32“v. Abt. I, in: BH 34; im selben Karton auch alle Exposes, Etatentwürfe etc. bis 1933/34.
242 Vgl. Anordnung des Banus Nr. 40.482 v. 20.10.1931, BH 38.
243 Zecevic, Sekula, Siromastvo Jugoslavije. Predlog za uvodenje i organizaciju obavezne radne
sluzbe, Beograd 1936, S. 24.
244 Vgl. Naredba Bana o osnivanju Povjerenstva za likvidaciju agrarne reforme u Splitu od 22.
sijecnja 1940. g. br. 49147/VII-1939, in: BH Zakoni, Bd. XVI, Zagreb 1940, die sich auf § 73
des Gesetzes v. 19.06.1931 über die Liquidierung der Agrarreform, Art. 33 berief.
245 Narodne novine v. 30.08.1939 „Uredba o Banovini Hrvatskoj 26. kolovoza 1939“ und v.
09.01.1939 „Uredba o prenosu poslova poljoprivrede sa drzave na BH od 28. studenoga
1939“.
187
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Zusammenbruch im April 1941 keines an.246 So paßten Gerichte wie Verwaltung die
Geschwindigkeit ihrer Urteile bzw. Entscheidungen den vorhandenen finanziellen
Mitteln an. Ab Ende 1940 wurde praktisch jegliche Tätigkeit des Gerichts, so sie nicht
von den Antragstellern selbst finanziert wurde, eingestellt. Die Lage der dalmatini
schen Landbevölkerung hatte sich durch die Agrarreform nicht gebessert.
Das Bild, daß die Wirtschaft biete, sei „kein bißchen rosig“ und biete „Anlaß zu
großer Sorge“, wurde schon zu Beginn der Wirtschaftskrise, Anfang der 30er Jahre,
auf Kongressen von Gewerbetreibenden festgestellt.247 Alle Wirtschaftszweige Dalma
tiens traf die Krise hart, wie auch die Berichte der Verwaltung konstatierten.248 Mit
dem Konjunktureinbruch strömten von den verschiedensten Seiten Bitten um Sub
ventionen auf die Verwaltung ein,249 die ebenso wie die Stipendienanträge und Bitten
um finanzielle Unterstützung stark anstiegen.250 Die Zeitungen schrieben über die
„schwere Wirtschaftskrise“, die Dalmatien durchlebe und die an der Küste viel stärker
246 Simoncic-Bobetko, Agrarna reforma, S. 353; Eine neue Emission von Staatsanleihen des Fi
nanzministers im September 1939 in Höhe von 440 Millionen Dinar, wobei die Obligationen
wieder mit 6% verzinst sein sollten und eine Laufzeit bis 1981 vorgesehen war, führte für
das Berufungssgericht in Split zu einem Kredit von knapp 1 Million Dinar. Damit sollte die
Arbeit der Durchführung der Agrarreform dann in „unverändertem Umfang“ weitergeführt
werden. Vgl. Uredba o izdavanju nove emisije obveznica za likvidaciju dalmatinskog agrara,
in: Politika v. 30.09.1939.
247 Vgl. Mohoric, Ivan, Pregled nase spoljne trgovine, zakljucci koji nam se namecu, i buduci
pravci nase trgovinske politike. Referat podnesen na VIII. kongresu privrednih komora i vazni-
jih privrednih organizacija Kraljevine Jugoslavije, u Beogradu dne 13. septembra 1930 (Über
blick über unseren Außenhandel, Schlußfolgerungen, die sich daraus ergeben und zukünftige
Richtung unserer Handelspolitik. Referat auf dem VIII. Kongreß der Wirtschaftskammern
und der wichtigeren Wirtschaftsorganisationen des Kgr. Jugoslawien), Zagreb 1931, S. 7.
248 Vgl. Izvjestaj (Bericht) 1-39913/31 v. 10.11.1931.
249 Vgl. die Briefe der „Dobrotvorna zenska zadruga Srpkinja, Hrvatica i Slovenkinja“ aus Knin
v. 8.3., 25.4., 24.6., 9.7., 15.7 u. 13.11.1930, die um „Hilfe für die überaus armen Dörflerinnen“
baten, damit diese weiterhin der „schönen und einträglichen Heimindustrie“, i.e. der Herstel
lung von Gehäkeltem und Nationaltrachten nachgehen könnten und ihnen die Genossen
schaft die Wolle und das Garn bezahlen und dann die fertigen Produkte abkaufen könne. BH
37/11.
250 Wie Petar Hristic, kgl. Straßenwächter aus Vrlika f. seinen Sohn bittet, der „seinem Volk“
durch seine elektrotechnische Ausbildung „nützlich sein möchte“, er ihn aber wegen „Armut“
nicht unterstützen könne (Bittschr. v. 19.05.1932, BH 37), füllen hunderte von solchen zu
Verwaltungsvorgängen gewordene Schicksale die Kartons und sind ein weiterer Indikator für
die Folgen der Weltwirtschaftskrise in Dalmatien.
188
Dorf und agrarische Lebenswelt
durchschlage, als in anderen Teilen des Staates. Grund dafür sei „weil wir ärmer sind
und eine zusätzliche Verschlechterung nicht mehr aushalten können, und weil alle
unsere landwirtschaftlichen und industriellen Produkte im Preis verfallen sind und
keine Käufer mehr finden“.251 Die periodischen Berichte der Wirtschaftsabteilung der
Verwaltung kommentierten die sich verschlechternden „wirtschaftlichen und finan
ziellen Bedingungen“ immer besorgter, bis 1932 der Tiefpunkt erreicht war. Nach
„Gerüchten“, die die Tageszeitungen kolportierten, daß es zu einer „Konversion der
Landarbeiterschulden“ kommen solle, sei das Kreditwesen zusammengebrochen: „Die
Bauern sind deshalb in einer äußerst schweren Lage, denn die Preise ihrer Güter sind
katastrophal gefallen, und sie finden manchmal gar keine Abnehmer. Er (der Bauer,
A. J.) steht ohne Geld da, und hat alle Kreditwürdigkeit verloren. Damit ist seine
Kaufkraft zerstört, was den Handel, die Industrie und das Handwerk in eine noch
schwerere Lage gebracht hat“, hielt der Referent der Landwirtschaftsabteilung fest.252
Immer wieder appellierte man aus Split nach Belgrad, „schnelle staatliche Hilfe“ zu
leisten, da „die wirtschaftliche Lage unserer Bevölkerung schon in das Stadium echten
Unglücks, Armuts und Hungers eingetreten ist, und keinen Aufschub der Hilfe mehr
duldet“.253
Bereits 1924 war z.B. von den 25.337 Bauern im Kreis Korcula ein Viertel verschuldet,
bei Zinssätzen zwischen 10-30% (während die Banken auf Guthaben Zinsen von 4-
6% zahlten).254 Die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse fingen schon 1925 an
zu fallen. In der Austauschrelation Industriewaren gegen landwirtschaftliche Produkte
öffnete sich die Preisschere immer mehr zu Ungunsten der Bauern. Produktionsrück
gang, Preisverfall, Rückgang der Ausfuhr und ein weiteres Absinken des Rentabilitäts
niveaus kennzeichneten die Agrarkrise in weiten Teilen des Königreichs. Besonders
stark wurden die „passiven Regionen“ wie Dalmatien davon betroffen. Steuern, Ge
bühren, Geldentwertung und Wucherkredite mit bis zu 120 % Zinsen, die den Bauern
von privaten Kreditgebern abgefordert wurden, die das nackte Überleben in schlech
ten Erntejahren sichern sollten, stürzten viele in einen Strudel der Verschuldung, aus
dem sie bis zum Untergang des Staates nicht mehr herauskamen.255 Die Verschuldung
der dalmatinischen Bauern wurde zum massenhaften Phänomen. Der Rückgang der
Bodenpreise und das Ausbleiben der Geldsendungen aus Übersee an die zu Hause
verbliebenen Angehörigen hatte seit Beginn der Devalvation des Pfundes (20. Septem
ber 1931) und der Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika die Situa
tion noch verschärft.256 Problematisch war von Anfang an auch die Steuerpolitik des
189
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
neuen Staates, die sich negativ auf Dalmatien auswirkte. Die bis 1918 geltende österrei
chische Steuergesetzgebung wurde mit der serbischen kombiniert. Grund-, Haus- und
Verbrauchststeuern, sowie die diversen Gemeindesteuern zusammengenommen, bela
steten den Bauern nun mehr als zu Zeiten Österreichs. V.a. als der Staat nach 1925
verstärkt versuchte, Steuerrückstände einzutreiben, kam es nicht selten zu rücksichts
losen Pfändungen von Vieh und Hausrat.
Als Versuch, die „Kreditnot der Bauern“ staatlicherseits zu lindern, wurde ein „Gesetz
über den landwirtschaftlichen Kredit“ vom 12. Juni. 1925257 beschlossen, welches die
Möglichkeit einer billigeren Kreditbeschaffung für Bauern auf genossenschaftlicher
Grundlage schaffen sollte.258 Eine staatliche Behörde (Direkcija za poljoprivredni kre-
dit) verteilte öffentlich finanzierte Kredite an neu zu errichtende Kooperativen, die
unter ihrer Kontrolle stehen sollten. Mitte 1928 existierten bereits 580 derartige Insti
tutionen. Als das Projekt 1928 aus Finanzmangel scheiterte, übernahm 1929 die Privi
legierte Agrarbank seine Erbschaft. Aber alle Maßnahmen, einschließlich des Ver
suchs, durch Steuersenkungen (am 25. März 1932 von 12 auf 10% auf Landbesitz)
die Landwirtschaft zu stimulieren, schlugen fehl. Zwar wurde eine Zentrale Genossen
schaftsbank in Belgrad gegründet, welche unter dem starken Einfluß der Regierung
Kredite an angeschlossene Genossenschaften zu verleihen hatte, aber von den vorgese
henen 500 Millionen Dinar Kreditmittel wurden im Ganzen nur 120 Millionen zur
Verfügung gestellt. Bis August 1929 schlossen sich aber 1220 Genossenschaften an,
welche in Kreisgenossenschaften vereinigt waren. Nach Einführung der Diktatur trat
eine „Privilegierte Agrarbank“ an die Stelle der bis dahin geschaffenen fünf Kreiszen
tralen.259 Die PAB sollte alle Arten landwirtschaftlicher Verbände kreditieren. Zwi
schen 1929 und 1935 zahlte sie rund 29 Millionen Dinar aus, in deren Genuß jedoch
nur ein Drittel aller Kooperativen kamen, von denen allein 38 % nach Serbien und
weitere 32 % in die Vojvodina flössen.260 Die Hindernisse schon bei der Gründung
dieser Zentralbank waren nationaler, nicht wirtschaftlicher Natur. Es gab kaum Ko
operation zwischen den slowenischen und kroatischen Banken auf der einen und den
serbischen Kreditinstituten auf der anderen Seite. Zudem existierte bei der Kreditver
gabe gleichfalls ein nationales Gefälle.261
Tatsächlich entfiel von den gewährten Darlehen der allergrößte Teil (77,89 %) auf die
Gebiete des früheren Königreichs Serbien. Die hinzugekommenen ehemaligen öster
reich-ungarischen Regionen bekamen von der PAB „fast gar keine Darlehen.“262 Die
190
Dorf und agrarische Lebenswelt
Bank war gegründet worden, um „die Bauern von den großen Schulden an die Wuche
rer“ zu befreien, und die „Produktion anheben“, hatte dafür aber viel zu wenige
finanzielle Mittel.263 Nach den Angaben des staatlichen Amtes für Statistik betrugen
1931 die Schulden der Bauern in ganz Jugoslawien über 6 Milliarden Dinar, wobei die
kleineren Höfe durchschnittlich stärker belastet waren:
Quelle: Komadinic, M., Problem seljackih dugova (Das Problem der Bauernschulden), Beograd
1934, S. 61.
Ein Jahr später (1932) betrug!m die Schulden, nach einer Aufstellung der Gläubiger-
banken exakt 6.879.969.058 Dinar:
Nach einer Rechnung der PAB vom April 1933 hätten die Bauern im Jahr mehr als 1
Milliarde an Zinsen zahlen müssen! Zählte man da noch die steuerlichen Belastungen
aller Art dazu, summierte sich das zu einer Belastung in Höhe von 75 % aller verfüg
baren Einkünfte, die ein bäuerlicher Haushalt für Zinsen, Tilgung und an Steuern
1932 zu entrichten gehabt hatte.264 Mahnende Stimmen wurden laut, die vor einer
völligen Verarmung der Bauernschaft warnten. So wurde am 19. April 1932 das „Ge-
191
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
setz über den Schutz der Landarbeiter“ beschlossen, das ein Schuldenmoratorium für
sechs Monate verfügte.265 Geplant war eine „Konversion der Bauernschulden“, zu der
es aber niemals kam. Das am 25. September 1936 verabschiedete Gesetz über die
„Liquidierung der Bauernschulden“ verpflichtete die Bauern, ihre Schulden innerhalb
von 12 Jahren in Jahresraten zu bezahlen (Art. 6), es kam also nicht, wie häufig in der
Literatur zu lesen ist, zu einer Streichung der Schulden.266 Da die Banken durch diese
gesetzliche Regelung die Altschulden der Bauern, solange die gesetzlich vorgeschrie
benen Jahresraten entrichtet wurden, nicht mehr fällig stellen und eintreiben konnten,
flössen neue Kredite entsprechend spärlich. Auch konnten die Gläubigerbanken unter
Berufung auf das Bauernschutzgesetz die Auszahlung von Spareinlagen einstellen, falls
sie durch das Gesetz unliquid geworden waren. Letzlich stand die PAB, an der sich
die Geschäftsbanken schadlos halten konnten, und damit der Steuerzahler, für die
Altschulden ein.267
Die Tabelle zu der prozentualen Schuldenhöhe nach Besitzgröße zeigt, wieviel
Prozent der Höfe einer Besitzklasse in einer Region verschuldet waren. Am stärk
sten war der Kleinbesitz in den sog. „passiven Gebieten“ von der Schuldenlast
betroffen.
Die „Grenze der Leistungsfähigkeit der Agrarbank“ und der im Zuge der Weltwirt
schaftskrise268 erfolgte Zusammenbruch vieler bäuerlicher Existenzen verschärften die
soziale Situation der Bauern auch in Dalmatien. Die Krise erfaßte gegen Ende 1932
192
Dorf und agrarische Lebenswelt
auch den Bankensektor in Dalmatien mit voller Wucht. Im vertraulichen „Bericht über
die Geschäftstätigkeit der Stadtsparkasse in Sibenik“ berichtete der dortige Direktor
Iljadica-Grbesic davon, daß es seit September 1931 ständig bergab gehe. Die „Anleger“
seien „beunruhigt durch die allgemeine Wirtschaftsentwicklung und die alarmanten
Gerüchte, die sich in Windeseile verbreiten. Bei allen Filialen wurde angefangen, die
Sparguthaben abzuheben (...) Die Panik ist allgemein.“269
Der Höhepunkt der ,Geldnot der Bauern' ist eindrücklich für Serbien von Marie-
Janine Calic beschrieben worden. Hier seien nur die, nach Daten der Privilegierten
Agrarbank, gemachten Angaben über die „Vermögens- und Schuldverhältnisse der
Bauern in den einzelnen Banaten (1933)“ für die Küstenbanschaft (Primorska bano-
vina) aufgeführt:
Tabelle XIV: Vermögens- und Schuldverhältnisse der Bauern in der Küstenbanschaf (1933)
193
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Die „Verschuldung der Bauern“ aus Mitteldalmatien bei den Spliter Geschäftsbanken
betrug zum 15. November 1934 über 60 Millionen Dinar.270 Noch düsterer sah die
Statistik der PAB aus. Danach beliefen sich die Schulden bei den Bauern auf dem
Gebiet der Küstenbanschaft (1932) auf sage und schreibe 839.014.707;- Dinar.
Aufgeschlüsselt nach Gläubigern schuldeten die dalmatinischen Bauern:
Nach diesen Zahlen waren die dalmatinischen Bauern mit durchschnittlich 12.977
Dinar verschuldet, und die Schuldenlast pro Hektar Boden betrug 4.914 Dinar, was
„die höchste Belastung pro Hektar im Staate“ war. Und das angesichts einer Situation,
wo die Bauern ihre Erzeugnisse zu „Schleuderpreisen“ verkaufen mußten.271 Das 1932
erlassene allgemeine Schuldenmoratorium, das den Bauern einen Zahlungsaufschub
gewährte und schließlich die Halbierung der Schulden und bessere Rückzahlkonditio
nen durch die neugegründete staatliche Landwirtschaftsbank 1936, entspannte zwar
die Situation etwas, konnte aber wenig an der privaten Verschuldung ändern. Es ver
wundert jedenfalls nicht, und wirft ein bezeichnendes Licht auf die wirtschaftliche
Situation in Dalmatien, daß die „gesamten Steuerrückstände“ der Küstenbanschaft
Anfang 1933 die imposante Summe von 134.305.602 Dinar erreicht hatten!
Die Bitten an die „Zuständigen“, die Steuerlast zu mildern - die Landbevölkerung
zahlte an direkten und indirekten Steuern bis zur Hälfte ihres jährlichen Bareinkom
mens - stieß angesichts leerer Haushaltskassen in Belgrad auf taube Ohren.272 Die
270 Vgl. Trgovinsko-industrijska komora u Splitu (Hg.), Zapisnik 1. redovite komorske sjednice
odrzane dneva 16. maja 1935 (Protokoll der 1. ordentl. Kammersitzung), Split 1936: Zadu-
zenje zemljoradnika (Landarbeiterverschuldung), S. 122ff. Von „insgesamt 35 Kreditinstitu
ten“ auf dem Kammergebiet, hatten sich 32 an der Umfrage beteiligt. Rechnete man noch die
Wechsel, so schuldeten die Bauern den Geschäftsbanken gar 56.533.766 Dinar, dazu rechnete
die Kammer noch ca. 8 Millionen bei den übrigen drei Geldinstituten.
271 ebenda, S. 123 u. 140. Berücksichtigt werden muß allerdings bei der Schuldenlast und der
errechneten Pro-Kopf-Verschuldung, daß bei den Daten der PAB die gesamte Fläche und
Einwohnerzahl der Primorska banovina zugrundegelegt wurde, die auch einige herzegowint-
sche Kreise, wie Konjic oder Mostar umfasste. Tomasevich hat eine gesamtjug. Durchschnitts
verschuldung je Bauernhaushalt v. 9.800 Dinar errechnet, dem ein Jahresbareinkommen von
3.800-4.300 Dinar gegenüberstand; vgl. Tomasevich, Peasants, S. 671ff.
272 Zapisnik TOK 1935, S. 130ff. Dort die genaue Auflistung nach Arten der Steuern und Gebüh
ren. Das komplizierte Steuersystem wurde allgemein in Dalmatien als ungerecht empfunden.
194
Dorf und agrarische Lebenswelt
Vgl. die Resolutionen der Kammer, die die Regierung aufforderten „die Belastungen der Bür
ger in Einklang mit ihren steuerlichen Möglichkeiten zu bringen“; ebenda, S. 199ff.
273 ebenda, S. 272ff.
274 Bereits 1924 beliefen sich die Schulden auf 100 Millionen Dinar, vgl. Mirosevic, Polozaj,
S. 98.
195
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
und bin auch gezwungen, die Bezahlung auf gerichtlichem Wege zu fordern, womit ich erfolg
reich sein werde, da es ja Neuschulden sind. Im Falle, wenn ich Sie verklage, werden sie
schwere Kosten zu tragen haben und außerdem keinen Kredit bekommen können. Ihnen ist
gut bekannt, daß ich wieder gebe, wenn mir meine Forderungen bezahlt werden. Stellen Sie
sich nur vor, was es für eine Wohltat ist, wenn ein Bauer in den schwersten Wintertagen,
wenn der Flunger am Größten ist, zum Händler kommt und sicher sein kann, daß er Getreide
und übriges bekommt, was er braucht, weil er seine Schulden vom vorigen Jahr bezahlt hat,
und wie es jenem geht, der sie nicht bezahlt hat, und dem die Türen verschlossen sind, und
zahlen muß er obendrein gezwungenermaßen, weil er verklagt wurde. Wer bei mir nicht
bezahlt, den werde ich ohne Rücksicht verklagen und meine Forderungen eintreiben. Wenn
ich das nicht täte, würde ich bankrottgehen, und wenn es den Leuten darum nicht leid ist,
daß ich in Konkurs gehe, wieso soll ich sie denn bedauern.
Wer bei mir seine alten Schulden bezahlt hat, dann war es noch nie der Fall, daß ich ihn
wieder auf die Liste genommen habe und daß er kein Getreide bekommen hat; wenn ich
Ihnen gegenüber gut bin, dann müssen auch Sie mir gegenüber so sein.
Ich nehme getrocknete Sauerkirschen und Insektenpulver zum Tagespreis und zur Schulden
zahlung, wie als Tauschgut für Getreide und Mehl an.
Soviel Ihnen zur Kenntnisnahme und daß Sie Ihr Verhalten danach ausrichten können. Hoch
achtungsvoll Unterschrift für Juraj Jurisic.“
f sa poltooanjmr ä?'
V ! JURAjTCimiÖ
-i i
vT
Quelle: Privatbesitz. Die Aufforderung erging an Frau Manda Bekavac, Witwe des verstorbenen
Nikola aus Brela, „unverzüglich bis zum 15. August 1935“ die Schulden von 460 Dinar zu beglei
chen.
196
Dorf und agrarische Lebenswelt
Festzuhalten bleibt, daß die meisten Bauern in Dalmatien von den Erträgen ihrer
„Zwergwirtschaften“ nicht leben konnten, und daß die wegfallenden Verdienstmög
lichkeiten in Übersee die Lage noch verschärfte. Die „sozialen Motive als Ursache der
Verschuldung“, Sitte und Brauch, die „Normen schaffen auf dem Lande, welche stär
ker sind als irgendeine (vernünftige) Überlegung“, fallen demgegenüber weniger ins
Gewicht, obwohl diese in der zeitgenössischen Literatur beliebte Erklärungsmuster
waren. Unbestritten ist, daß die Ausgaben für Hochzeiten, Mitgift, bei serbischen
Familien Hauspatronsfeier, Taufe, Totenmahl und Begräbnis „unter allen Umständen
beschafft werden“ mußten, „wenn die Familie in ihrem Ansehen, in ihrem sozialen
Range innerhalb ihres Lebensraumes nicht sinken will“. Doch „entscheidend in der
Problematik der Bauernverschuldung“, wie die dalmatinischen Ökonomen meinten,
waren solche Faktoren nicht.275
Wichtiger war sicher die 1932 einsetzende Krise der Geldinstitute. Vom Tag der Ein
stellung der Goldeinlösung des englischen Pfundes an bemächtigte sich der Einleger
der jugoslawischen Banken eine panische Furcht und sie begannen, in Massen ihre
Einlagen abzuheben. Zwischen 1930 und 1934 sank der Stand der Einlagen um fast
die Hälfte, bis die Regierung die Zahlungspflicht für Banken vorübergehend aufhob.
Eine Kreditgewährung war zu dieser Zeit gänzlich ausgeschlossen und die verbliebe
nen Einlagen waren für die Sparer nicht verfügbar. Dadurch stellte sich eine Kreditnot
auch bei ansonsten wohlhabenden Bauern ein, die gezwungen waren, sich Geld unter
schwierigsten Bedingungen anderwärts zu beschaffen. Die „Liquidierung der Bauern
schulden“, die vom Staat in Angriff genommen wurde,276 konnte an den Ursachen
der Schwierigkeiten nichts ändern. Ertragsfähigkeit und Verkaufspreise für landwirt
schaftliche Produkte blieben nach wie vor niedrig, ebenso wie oftmals deren Quali
tät.277 Auch die „Verordnung über den Schutz von Bauernbesitz vor Zwangsversteige
rung“ vom 12. Oktober 1939, die den Bauern der Banovina, somit auch Dalmatiens,
ein nicht-pfändbares Minimum von 20 Ar, samt Haus und Hof und einen halben
Hektar „bearbeitbares Land“ pro Familienmitglied, mindestens jedoch 3 Hektar, ga
rantierte, löste nicht das Problem der geringen Produktivität.278
Der Geschäftsführer der Spliter Arbeiterkammer, der Sozialist Jerko Dorbic, drückte
die Situation, in der sich die dalmatinische Landwirtschaft der Zwischenkriegszeit
befand, 1929 im Telegrammstil fogendermaßen aus: Die Situation in Dalmatien sei
197
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
gekennzeichnet durch „Relikte des Feudalismus (...); wenig Land, schlechtes Land,
schlecht bestelltes Land“. Von Ausnahmen abgesehen, lange es „weder für die Ernäh
rung der Eigentümer noch der Landarbeiter; der wichtigste Zweig der Landwirtschaft,
der Weinbau,279 mit vielen Mängeln behaftet; hohe Produktionskosten, (die Produkte)
nicht attraktiv für den einheimischen Markt, keine Auslandsmärkte; primitive Viehhal
tung, keinerlei Agrarindustrie.“280 Die ärmsten Gebiete Dalmatiens im Hinterland von
Trogir, die Gemeinden Lecevica, Muc, Biskupija, die Gegend um Drnis und Bukovica
waren akute, auch offiziell als solche gesehene, Notstandsgebiete, in denen öfter Hun
gersnöte ausbrachen.281 Selbst aus den offiziösen (und oft geschönten) zeitgenössi
schen Statistiken geht das hervor.282 Durchschnittliche Lebenshaltungskosten wurden
berechnet,283 Getreidepreise analysiert284 und das bäuerliche Wirtschaftsverhalten un
tersucht. In jedem Fall wurde deutlich, wie schlecht im Zwischenkriegs-Jugoslawien
vor allem die ärmeren Bauern von der Landwirtschaft lebten. Es war allgemein be
kannt, daß in vielen Regionen, u.a. in Dalmatien, „auch Bauern, die ihren eigenen
Grund und Boden besitzen, (...) nur allzuoft darauf nicht mehr ernten als so viel, daß
sie bis Weihnachten genügend Brot haben; darüber hinaus müssen in Dalmatien, in
der Herzegowina und auf den Inseln Ziegen und Schafe (Rinder haben nur besser
gestellte Landwirte), Kuhkohl, Kraut, allerlei wildwachsende Pflanzen, kurz alles Eß
bare herangezogen werden, um durchzuhalten.“285 Die Zahl der besitzlosen ländlichen
Familien in Dalmatien wird in der zeitgenössischen Literatur mit 2.796 ohne Haus,
5.650 ohne Boden und 45.536 ohne Vieh angegeben.286 Wo lagen die Ursachen?
Das Problem der ländlichen Übervölkerung wurde als besonders drückend empfun
den und für die Misere verantwortlich gemacht. Autoren, die zumeist der Kroatischen
Bauernpartei und deren Programm nahstanden, verwiesen darauf, daß auf dem Gebiet
der Küstenbanschaft 1931 auf 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche (Ackerboden,
Weiden, Obstgärten, Weinberge) 172 Personen entfielen, die allein von der Landwirt
schaft lebten.287 Verglichen mit westeuropäischen Vergleichswerten (50 Bauern pro
100 ha) waren es in manchen Gebieten Dalmatiens mehr als 6 Mal soviele Bauern pro
100 Hektar. Am Schlechtesten in den ländlichen Gebieten sah es diesbezüglich in
Metkovic aus, wo statistisch 296 Bauern einen Hektar fruchtbaren Bodens zur Verfü
gung hatten, in Sibenik kamen 240 und in Split sogar 323 Bauern auf 100 Hektar
279 „Entweder Weinanbau oder Auswanderung“ hieß die in Dalmatien oft gebrauchte bündige
Formel. Ein Höchststand der Weinproduktion ca. 775.000 hl wurde 1938 erreicht.
280 Dorbic, Jerko, Socijalna struktura Dalmacije, in: Privreda i radnici u Dalmaciji, S. 130.
281 Babic, Ivo, Prostor izmedu Trogira i Splita (Der Raum zw. Trogir u. Split), Kastei Novi 1991,
S. 196.
282 Savic, M., Nasa industrija, zanati, trgovina i poljoprivreda, Beograd 1933, S. 436f.
283 Dubic, S., Prilog istrazivanju seljackog gospodarstva, Krizevci 1933.
284 Franges, S. 85 u. 108.
285 ebenda, S. 116f.
286 Komadinic, M., Problem seljackih dugova (Das Problem der bauernschulden), Beograd 1934.
287 Bicanic, Agrarna prenapucenost, Zagreb 1940, S. 7.
198
Dorf und agrarische Lehenswelt
landwirtschaftlicher Nutzfläche. Damit lag die Region fast doppelt über dem gesamt
jugoslawischen Durchschnitt. Noch ungünstiger war das Verhältnis, wenn man sich
nur die Relation zum verfügbaren reinen Ackerland ansieht. Auf 100 Hektar Acker
land kamen im Kreis Split 486 Personen, in Sibenik sogar 651. Auf dem Dorf herrschte
ein eklatanter Arbeitskräfteüberschuß. Doch die Produktion blieb in einigen Gebieten
hinter den Konsumerfordernissen zurück. Arbeitskraft auf dem Dorf blieb auch zu
einem großen Teil ungenützt, weil nicht genug bearbeitbares Land vorhanden war.288
Wenn man obige Zahlen umrechnet, bei einer Gesamteinwohnerschaft der Küstenban
schaft von 901.660 Einwohnern, von denen 753.164 in der Landwirtschaft beschäftigt
waren, was 83,5 % entsprach, kommt man bei einer Fläche von 19.653 km2, von der
1.203.031 ha produktives und 250.154 ha unproduktives Land war, auf folgendes Ver
hältnis:289 Auf 1 Quadratkilometer (100 ha) entfielen 45,9 Einwohner; auf dieselbe
Fläche (100 ha) bearbeitbaren Landes waren es 62,7 und auf Ackerland sogar 301,2
Einwohner.290 Land- und auch Wassermangel kennzeichneten die Verhältnisse auf
dem Dorf.291
Es handelte sich bei der Überbevölkerung (bezogen auf das Produktionsniveau) um
ein generelles Problem im Königreich Jugoslawien: Im Zeitraum von 1918-1941
wuchs die Bevölkerung in ganz Jugoslawien viel schneller als die Anzahl neuer Ar
beitsplätze außerhalb der Landwirtschaft; sie wuchs zehnmal schneller als Arbeits
plätze in der Industrie geschaffen werden konnten, stellte Mijo Mirkovic fest.292 Die
allgemeine Folge dieser Entwicklung war auch im Falle Dalmatiens eine Überbevölke
rung des Dorfes. Immer mehr Menschen mußten vom Ertrag der rückständigen Land-
288 Simoncic-Bobetko, Zdenka, Selo u Hrvatskoj 1918.-1934. godine - gospodarski aspekt (Das
Dorf in Kroatien 1918-1934 - Wirtschaftliche Aspekte), in: Povijesni prilozi (hrsg. v. Institut
za suvremenu povijest), Nr. 13/1994, S. 139-178, hier S. 139.
289 Die Gesamtfläche an produktivem Land in Dalmatien betrug demnach 1.232.371 ha. Sie ver
teilte sich auf 137.167 (11%) ha Ackerland, 70.701 ha (5,5%) Weinberge, 33.460 ha (3,5%)
Olivenhaine, 4.860 ha (0,5%) Gärten, 10.832 ha (1%) Wiesen, 594.476 (50%) Weiden und
380.884 ha (30 %) Wälder. Doch wie Zdenka Simoncic-Bobetko richtig bemerkt, gab und gibt
es in Dalmatien außer auf den Inseln Mljet, Lastovo und Korcula kaum Wälder. Was die
Statistik als „Wald" bezeichnete, waren die Maccia-bewachsenen Karsthügel des dalmatini
schen Hinterlandes. Schon die Arbeiterkammern bemerkten in ihren Berichten in den 20er
Jahren, daß auch die karstigen „Weiden“ in Dalmatien dem Vieh nicht ausreichend Futter
sichern würden. Man kann daher wohl davon ausgehen, daß das gesamte bearbeitbare Land
nur 246.188 ha umfaßte, was 20% der Gesamtfläche entsprach.
290 Vgl. Simoncic-Bobetko, S. 140 u. Franges, Otto, Problem relativne prenapucenosti u Jugosla-
viji, Beograd 1938. Danach war die allgemeine Durchschnittsdichte in der Primorska Bano-
vina 40,9 Ew. auf 1 km2. In Damatien kamen statistisch auf 1 km2 Ackerland 564,5 Einwohner.
291 Vgl. Bicanic, Rudolf, Agrarna prenapucenost - Gospodarska struktura Banovine Hrvatske/
Die agrarische Überbevölkerung - Die wirtschaftliche Struktur der BH), Nr. 3, Zagreb 1940
u. ders./Macan, Zeljko (Hg.), Kako zivi narod (Wie lebt das Volk), Bd. II, Zagreb 1939 od.
Herakovic, S., Provedba agrarne reforme (Die Durchführung der Agrarreform), Zagreb 1927.
292 Mirkovic, Mijo (Hg.), Grada za gospodarsku povijest Hrvatske (Quellen für die Wirtschaftge
schichte Kroatiens), Knjiga 14, Zagreb 1962, Einleitung, S. V.
199
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
293 In nur einem Jahrzehnt, von 1921-1931, stieg auf dem Gebiet des neuentstandenen König
reichs der Serben, Kroaten und Slowenen die Zahl der landwirtschaftlichen Bevölkerung, der
in der industriellen Produktion Beschäftigten und der abhängigen Personen um 1.445.000,
was 15,8% entsprach, und die Zahl der landwirtschaftlichen Haushalte wuchs um 222.000
oder um 12,7% an. Auf 100 ha Ackerland kamen, in ganz Jugoslawien, 130 in der Landwirt
schaft erwerbstätige Bewohner (zur selben Zeit in Dänemark 36, in Deutschland 52, in Oster-
rreich 64, in Ungarn 72), vgl. Mirkovic, ebenda.
294 Simoncic-Bobetko, S. 145. Daten dazu bei Milosevic, B.D., Poljoprivredne sprave i oruda u
nasoj Kraljevini (Landwirtschaftliches Gerät und Werkzeuge in unserem Königreich), in:
Glasnik Ministarstva poljoprivrde i voda, Nr. 17, sijecanj-ozujak 1927., S. 44-58; Im Kgr.
SHS wurden 1920 u. 1925 statistische Erhebungen über die Ausstattung der Bauernhöfe
durchgeführt. Auch Franges (Socialökonomische Struktur, S. 81f.), Figenwald, Vladimir, Polo-
zaj seljastva u staroj Jugoslaviji (Stellung der Bauern im alten Jugoslawien), Zagreb 1952 od.
Postic, Stjepan, Nekoja fakta i uzrocnici poljoprivredne krize (Einige Fakten und Ursachen
f. die Landwirtschaftskrise), Zagreb 1927 bestätigen diese Befunde. Einen Überblick über
landw. Gerät gibt Bratanic, Branimir, Orace sprave u Hrvata (Pflugwerkzeug bei den Kroa
ten), Zagreb 1939.
295 Fiegenwald, Vladimir, Polozaj seljastva u staroj Jugoslaviji (Stellung der Bauernschaft im alten
Jugoslawien), Zagreb 1952, S. 27f. Vgl. auch Sostaric-Pisacic, Karlo, Upotreba umjetnih gno-
jiva kod nas i u ostalim zemljama (Der Einsatz von Kunstdünger bei uns und in den übrigen
Ländern), in: Ekonomist, Nr. 1, Zagreb 1940, S. 1-11, wonach 1935/36 der Verbrauch von
200
Dorf und agrarische Lebenswelt
tiere oder den Einsatz von Kunstdünger blieb die kroatische Landwirtschaft weit
hinter der westeuropäischen zurück. Selbst wenn man den Weinbau als wichtigen
Landwirtschaftszweig an der Küste in Rechnung stellt, der keinen Ackerboden erfor
derte, bleibt doch festzuhalten, daß beim Stand der Produktivkräfte in der Landwirt
schaft in Dalmatien an eine Ernährung der Bevölkerung auf westeuropäischen Niveau
nicht zu denken war.296 Erschwert wurde die Situation noch durch den vorherrschen
den Klein- und Kleinstbesitz (0-2, bzw. bis 5 ha), die schon von ihrer Größe (abgese
hen von der Bodenkonfiguration) eine rationelle Bewirtschaftung nicht zuließen.
In Artikeln, die die „schwere Krise Dalmatiens“ Anfang der 30er Jahre beschrieben,
wurde errechnet, daß für die Ernährung der Bevölkerung um die 21.000 Wagen Ge
treide benötigt, aber nur 8000 in ganz Dalmatien produziert würden.297 Entsprechen
des galt auch für alle anderen Nahrungsmittel. Auch die 1930 registrierten 15.000
Menschen in Dalmatien, die Fischfang betrieben, davon keine 10% professionelle
Fischer, konnten die Bilanz nicht ins positive wenden.298 Tatsache war, daß nach allen
verfügbaren statistischen Daten die in der Landwirtschaft beschäftigten 3/5 der dalma
tinischen Bevölkerung schlechter lebten als die 5 % in Handwerk, Handel, Industrie
und freien Gewerben Beschäftigten. Die „Angestellten und Bediensteten“ hätten
„trotz ihrer kleinen, nicht einmal für ein mittleres Leben genügenden Gehälter die
größten und sichersten Einnahmen“, befanden die Ökonomen.299 Die ländlichen dal
matinischen Gemeinden „schafften es nicht, ihre Lethargie zu überwinden (...) und
Kunstdünger im jugosl. Durchschnitt für 1 ha bei 250 g lag, während z. B. für dieselbe Fläche
in den Niederlanden 109 kg und in Deutschland 72,7 kg aufgewendet wurden.
296 Franges, Otto, K problemu prenapucenosti u Hrvatskoj, in: Ekonomist, Nr. 1 -2/1942, S. 2-6.
297 Der Agronom Stanko Ozanic bemühte sich zeitlebens die Prouktivität der dalm. Landw. zu
erhöhen; vgl. seine Schriften: Vinogradarstvo na nasem primorju (Der Weinbau in unserem
Küstenland), in: Almanah Jadranske straze za 1926. godinu, Beograd 1926, S. 390-397; ders.,
Poljoprivredni problemi Dalmacije (Die landwirtschaftlichen Probleme Dalmatiens), in: Al
manah Jadranske straze za 1927, Beograd 1927, S. 461-463; ders., Znacaj naseg Primorja za
drzavu (Die Bedeutung unseres Küstenlandes für unseren Staat), in: Almanah Jadranske straze
za 1928/1929, Beograd 1928, S. 637-712; ders., Put do slobodnog zadrugarstva (Der Weg zur
freien Genossenschaft), in: Jadranski dnevnik, Nr. 10, Split 1934, S. 21-22; ders. Poljopriv-
redne organizacije u Dalmaciji (Landwirtschaftsorg, in Dalmatien), in: Jadranski dnevnik,
Nr. 50, Split 1934, S. 10-11. Über sein Wirken informiert Zadarska smotra 1-2 (Ozanicev
zbornik), 1994.
298 Tatsächlich waren noch 1940 von insgesamt 6.900 Fischerbooten an der gesamten kroatischen
Adriaküste nur 345 mit einem Motor ausgestattet, während die anderen noch mit Rudern
oder per Segel betrieben wurden, daher war der Ertrag äußerst gering. Vgl. Soljan, Tonko,
Morsko ribarstvo (Meeresfischerei), in: Dugacki, Zvonimir (Hg.), Zemljopis Hrvatske (Geo
graphie Kroatiens), 2 Bde., Zagreb 1942, S. 532-538, hier S. 534.
299 Dulibic, B., Teska kriza Dalmacije (Die schwere Krise Dalmatiens), in: Socijalna misao, Nr. 2
v. 01.11.1931, S. 37-42 u. Sitin, Tonci, Karakteristike gospodarskog stanja u Dalmaciji tridese-
tih godina 20. stoljeca (Charakteristika der Wirtschaft in Dalmatien in den 30er Jahren des
20. Jh.), in: Radovi Filozofskog fakulteta u Zadru- razdio povijesnih znanosti (20) 1993/1994,
Zadar 1994, S. 183-195, hier S. 184.
201
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
vegetierten weiter in Resignation vor sich hin“, um das traurige Fazit Otokar Lahmans
über die Entwicklung des Küstenstrichs um Makarska zu zitieren,300 obgleich auch
dort mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Schaffung des gemeinsamen Staates
ein neuer Aufschwung erwartet worden war.301 Aus den Zahlen der statistischen Jahr
bücher geht jedoch hervor, daß in den nicht-urbanen Regionen auf keinem Gebiet
während der Zwischenkriegszeit größere Zuwächse erzielt werden konnten. Alle ge
nerellen Kennzeichen der Agrarkrise im Gesamtstaat ließen sich auch in der Region
ausmachen.302
Die Frage, warum die dalmatinische Landwirtschaft so unproduktiv und die Lebens
verhältnisse für die große Mehrheit der kleinen Landwirte so schlecht war, stellte sich
also auch schon den Zeitgenossen. Nicht nur der Landwirtschaftsminister Otto Fran-
ges forderte „eine intensive Tätigkeit auf dem Gebiet der Melioration, der Karstauffor
stung und der Rationalisierung der Produktion“, „um auch diesen Landesteil zu befä
higen, seinen Bewohnern auskömmliche Nahrung und Arbeitsgelegenheiten zu ge
ben.303 Ausländische Gutachten zur strukturellen Verbesserung der Landwirtschaft,
wie es z.B. Hermann Gross 1937 im Auftrag der jugoslawischen Regierung erstellte,
empfahlen eine „schrittweise Entwicklung der Industrie“ und ergänzend „Struktur
verbesserungen in der Landwirtschaft“. Diese sollten „der Bodenzersplitterung entge
genwirken und das regionale Nord-Süd-Gefälle allmählich durch eine „ausgleichende
300 Lahman, Otokar Suvremena drustvena transformacija Makarske (Aktueller Wandel in M.),
in: Zbornik, Makarska 1970, S. 519-544, hier S. 525f.
301 Tudor, Gordana, Prilozi za povijest pomorstva na Makarskom primorju u razdoblju izmedü
dva svjetska rata (Beiträge zur Geschichte des Seewesens im Küstenland von M. während
der Perioden zwischen den Weltkriegen), in: Makarsko primorje Nr. 1/1990, S. 197-207, hier
S. 197.
302 Jackson, Marvin R., National Income and Product in Southeastern Europe before the Second
World War, in: ACES Bulletin, XXIV, 3 (1982), S. 73-103 u. ders., Agricultural Output in
Southeastern Europe, 1910-1938, in: ACES Bulletin, XXIV, 4 (1982), S. 49-87, hier zit. nach
Lampe, Belated Balkan Modernization, S. 31. An spezifischen endogenen Krisenursachen
führt Lampe an: „The expansion of grain cultivation and export in the Western and northern
land just after the war lost much of its rationale when the Hungarian and Austrian economies
began to recover. Nor should we minimize the problems of putting together a national market
for labor and Capital as well as for goods from territories whose economic relations with each
other had previously ranged from limited to non-existent. But the first Yugoslavia’s political
stalemate also played an important retarding role.“
303 Vgl. Franges, Sozialökonomische Struktur, S. 225. In seinen Ausführungen über den, seiner
Meinung nach bitter nötigen, „landwirtschaftliche Unterricht“ (S. 253-260) schildert der
Verf., daß „das Überbrücken der geschilderten Schwierigkeiten schier unmöglich erscheint“.
Er beklagt die schlechte Umsetzbarkeit der Lehrinhalte auf dem Dorf und bedauert, daß der
Unterricht „nach dem Kriege nicht mehr fortgesetzt wurde“. Sein Vorschlag lautete: „Es sollte
die Schule zum Bauern und nicht der Bauer zur Schule kommen, d.h. es sollte der Bauern
junge in seinem gewohnten Milieu verbleiben, aber doch geschult werden. Zu diesem Zwecke
müßten erst Lehrbauern nach Religion und Nationalität getrennt (Hervorh. A. J.) erzogen
werden (...)“.
202
Dorf und agrarische Lebenswelt
203
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
ist eindrücklich zuletzt von Marie-Janine Calic am Beispiel Serbiens gezeigt wor
den.311 Holm Sundhaussen hat darauf hingewiesen, daß die Landwirtschaft in ganz
Jugoslawien zwischen 1926 und 1956 (unter Ausklammerung der Kriegsjahre und
Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums), keinerlei Zuwächse zu verzeichnen
hatte. Vielmehr ergibt sich für diesen Zeitraum sogar ein „Minuswachstum“ von
0,5%.312 Auch ist bekannt, daß die Flächenerträge im jugoslawischen Durchschnitt
„in der ersten Hälfte der 1930er Jahre um 31 %, die Arbeitsproduktivität der männli
chen Erwerbspersonen im Agrarsektor sogar um 57 % unter dem gesamteuropäischen
Durchschnitt“ lag.313
Stand der Forschung ist mittlerweile, daß sich ländliche Unterentwicklung und gerin
ges Produktionsniveau mit Bodenknappheit und Kapitalmangel allein nicht erklären
lassen. Der „Mangel an Motivation und Kompetenz bei den Bauern, deren Wirt
schaftsweise sich jeglichen kapitalistischen Rentabilitätskriterien entzog“, rückt dage
gen immer mehr als Erklärung in den Vordergrund.314 Es scheint sehr plausibel, die
schlechten Lebensverhältnisse der Landbevölkerung in den südosteuropäischen
Agrarstaaten, „wesentlich auf ihr geringes Bildungsniveau“ zurückzuführen.315 Die
wichtige Rolle der Bildung im Prozeß gesellschaftlicher Entwicklung wird zunehmend
betont, und der Zusammenhang von Alphabetismus und Bruttosozialprodukt kann
inzwischen als nachgewiesen gelten. Wie der „funktionale Analphabetismus“ mit nied
rigem „bäuerlichen Fertigkeitsniveau“ zusammenhängt, ist von Holm Sundhaussen
herausgearbeitet worden: „Nicht Bodenknappheit“ und auch nicht „ungleicher
Tausch“ zwischen Zentren und Peripherien des „Weltsystems“ oder „Abhängigkeit
vom internationalen Finanzkapital“, sondern Mangel an Kompetenz und ein am tradi
tionellen „Bedarfsdeckungsprinzip“ orientierter Arbeitseinsatz der Bauern hätten ei-
311 Calic, Sozialgeschichte Serbiens, S. 237ff. Legt man bei der Berechnung der landwirtschaftli
chen Bevölkerungsdichte ausschließlich Ackerböden zugrunde, so kommt sie zum Ergebnis,
daß sich im statistischen Mittel 1931 151,5 Bauern in Jugoslawien einen Quadratkilometer
Ackerland teilen mußten; 1937 waren es dann 156,8. Vgl. Franges, Otto, Problem relauvne
prenapucenosti u Jugoslaviji (Das Problem der relativen Überbevölkerung in Jug.), in: Arhiv
Ministarstva poljoprivrede 5 (1938), 11, 2-46, hier S. 7; zit. nach Calic, S. 237.
312 Sundhaussen, Holm, Die verpaßte Agrarrevolution. Aspekte der Entwicklungsblockade in
den Balkanländern vor 1945, in: Schönfeld, R. (Hg.), Industrialisierung und gesellschaftlicher
Wandel in Südosteuropa, München 1989, S. 45-60, hier S. 46f.
313 Moore, Wilbert E., Economic Demography of Eastern and Southern Europe, Geneva 1945,
S. 35.
314 Zur kontroversen Forschungsdisk. vgl. Calic, Marie-Janine, Bildung als Entwicklungsproblem
in Jugoslawien (1918-1941), in: Reiter/Sundhaussen (Hg.), Allgemeinbildung als Modernisie
rungsfaktor, S. 103ff., die zurecht auch betont, „wie stark sich gerade die Vermittlung von
elementaren Bildungsinhalten auf die landwirtschaftliche Produktivität auswirkt“, ebenda,
S. 113.
315 Mayer, Martin, Elementarbildung in Jugoslawien (1918-1941). Ein Beitrag zur gesellschaftli
chen Modernisierung?, München 1995, hier (mit Verweis auf Carlo Cipolla u. H. Sundhaus
sen) S. 14 u. 212.
204
Dorf und agrarische Lebenswelt
nen breiten Entwicklungsschub über den Rahmen einer vorwiegend extensiven Wirt
schaftsentfaltung hinaus verhindert.316 Mit guten Argumenten ist der „kapitalistische“
Charakter der „Jahrzehnte zwischen Feudalismus und Sozialismus“ in den Balkanlän
dern in Frage gestellt worden, von dem in der „wirtschaftsgeschichtlichen Literatur
(...) wie selbstverständlich“ ausgegangen wird, der sich aber „in weiten Bereichen von
Wirtschaft und Gesellschaft“ der südosteuropäischen Agrarstaaten „nur ansatzweise,
partiell oder gar nicht nachweisen“ läßt. Die weit überwiegende Mehrheit der Gesell
schaft, die Bauern, und darüber hinaus auch Teile des zahlenmäßig schwachen „Bür
gertums“, standen dem „kapitalistischen Geist“ in der Zwischenkriegszeit nach wie
vor fremd gegenüber.317
Marktorientierung, Erwerbsprinzip, Kapitalverwertung und einen darauf basierenden
ökonomischen Rationalismus findet man auch auf dem dalmatinischen Dorf zwischen
den Weltkriegen kaum. In vergleichenden entwicklungsgeschichtlichen Studien ist be
tont worden, daß erfolgreichen und breitenwirksamen Industrialisierungsprozessen in
der Regel eine Modernisierung der Landwirtschaft vorausgegangen sei.318 Wo eine
Modernisierung des primären Sektors ausblieb, kam auch die Industrialisierung nur
schleppend in Gang bzw. geriet - über kurz oder lang - in eine erneute Entwick
lungsblockade. Die Balkanländer generell und auch die Region Dalmatien bieten dafür
reichhaltiges Anschauungsmaterial. Noch in der Zwischenkriegszeit befand sich der
agrarische Sektor in einer entwicklungsgeschichtlich bedingten Sackgasse. Ein ganzes
Jahrhundert, zwischen 1850-1950, des „annähernden Stillstands in der Entwicklung
der landwirtschaftlichen Produktivität“ auf dem Gebiet des jugoslawischen Staates
zeugt, in den Worten von Holm Sundhaussen, von der „verpaßten Agrarrevolution“
in diesem Bereich.319
Die strukturellen Defizite der Agrarwirtschaft in den Balkanländern, wie extrem ein
seitige Nutzung des Ackerlandes zugunsten des Mais- und Weizenanbaus, primitive
Bewirtschaftungsweise, die nur in Ausnahmefällen über die Technik der Dreifelder
wirtschaft hinausreichte, extensiv betriebene Viehwirtschaft, die von fortgesetzten
Qualitätsverlusten gekennzeichnet war, Fehlen jeglicher Ansätze für eine marktorien
tierte Milch- und Molkereiwirtschaft und die fehlende bzw. mangelhafte Verflechtung
316 Sundhaussen, Holm, Historische Statistik Serbiens 1834—1914. Mit europäischen Vergleichs
daten, München 1989, Einleitung, S. 21 -44, hier S. 28. Zu d. versch. Theorien vgl. die bibliogr.
Ang., in: ders., Neue Literatur zu Problemen der Industrialisierung und der nachholenden
Entwicklung in den Ländern der europäischen Peripherie, in: Südost-Forschungen 43 (1984),
S. 287ff.
317 Sundhaussen, Verpaßte Agrarrevolution, S. 45.
318 Senghaas, Dieter, Von Europa lernen. Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen, Frankfurt/
M. 1982, S. 27; Sundhaussen, S. 46.
319 Sundhaussen, Agrarrevolution, S. 46f, der sich auf Daten bei V. Stajic (Realni nacionalni doho-
dak Jugoslavije u periodima 1926-1939 i 1947-1956, in: Ekonomski problemi. Zbornik ra-
dova, Beograd 1957, S. 44) und Vladimir Stipetic (Poljoprivredna proizvodnja na danasnjem
podrucju FNR Jugoslavije 1929-1955, in: Ekonomski problemi. Zbornik radova, Beograd
1957, S. 124) stützt.
205
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
206
Dorf und agrarische Lebenswelt
angeführte Analyse der „ökonomischen ratio der Familienwirtschaft“ von Hans Me-
dick trifft auch auf die durchschnittliche dalmatinische Bauernfamilie, v. a. in den abge
legeneren Dörfern, zu:
„Als zentrales Merkmal der eigentümlichen ökonomischen ratio der Familienwirtschaft er
scheint es, daß ihre Produktionstätigkeit nicht von einem Interesse an der Erzielung eines
monetären Surplus und eines Nettogewinns bestimmt ist. (...) Ihr Produktionsziel ist es statt-
dessen, die ökonomisch und sozial-kulturell normierten Grundbedürfnisse familiärer Subsi
stenz mit dem familiären Arbeitsaufwand in einer „labour-consumer-balance“ (D. Thorner)
zum Ausgleich zu bringen. Auch wenn die von der Familie produzierten Güter objektiv als
Waren in - durch das Handelskapital vermittelte - Markt- und Geldbeziehungen eingingen,
verhält sich die Familienwirtschaft zum Tausch wie ein Produzent von Gebrauchswerten. Es
zählen für sie Brutto-Erträge, keine Netto-Gewinne.“325
325 Medick, Hans, Zur strukturellen Funktion von Haushalt und Familie im Übergang von der
traditionellen Agrargesellschaft zum industriellen Kapitalismus: Die protoindustrielle Fami
lienwirtschaft, in: Conze, W. (Hg.), Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas,
Stuttgart 1976, S. 262f., hier zit. nach Sundhaussen, Verpaßte Agrarrevolution, S. 53. Auch
Ernst Wagemann (Der neue Balkan. Altes Land - junge Wirtschaft, Hamburg 1939) vertrat
eine ähnl. Auff. v. balkanisch. Bauern; vgl Sundhaussen, Transformation, S. 332.
326 Foster, George, Peasant Society and the Image of Limited Good, in: American Anthropologist
67 (1965), S.296f.
207
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Es ist plausibel dargelegt worden, daß sich die Modelle von Cajanov und Foster un
schwer auf die „Ökonomik“ der südslawischen Hauskommunion, der Zadruga, über
tragen lassen. Es blieb bei der „vormodernen Wirtschaftsweise der ehemaligen Haus
genossen, die sich nach wie vor nicht an den Postulaten der Volkswirtschaftslehre,
sondern am Bedarf, nicht am kapitalistischen Gewinnstreben, sondern an der vorkapi
talistischen „Idee der Nahrung“ (Sombart) ausrichteten. Eine vorteilhafte Agrarkon
junktur wurde von den balkanischen Bauern nicht etwa durch Steigerung der Produk
tion, sondern eher durch Einschränkung der Erzeugung und partiellen Rückzug vom
Markt, also durch Reduzierung der Arbeitskraftanspannung, beantwortet. Auch in
Dalmatien wäre es in den Zwanziger Jahren sicher kaum einem Bauern eingefallen,
nach einem guten Jahr neue Vorratskeller zu bauen, geschweige denn darüber nachzu
sinnen, wie ein guter Ertrag noch gesteigert werden könnte.
Die „qualitative Dimension“ des Faktors Arbeit steht in „Wechselbeziehung mit der
Verbesserung des Bildungs- und Informationsniveaus. Ohne entsprechendes know-
how bleibt eine erhöhte Arbeitsleistung zwar nicht wirkungslos, unterliegt aber früher
oder später dem Gesetz des abnehmenden Arbeits- und Bodenertrags. Die Ablösung
der primitiven Brandrodewirtschaft und des Zwei- oder Dreifeldersystems durch eine
geregelte Fruchtfolge, die Verwendung organischen Düngers, die Einführung neuer
Kulturen oder die einfache Bearbeitung landwirtschaftlicher Produkte (wie etwas das
Dörren von Pflaumen) erforderten nur verhältnismäßig wenig flüssiges Kapital, dafür
aber einen Kenntnis- und Informationsstand, der den balkanischen Bauern des vorigen
Jahrhunderts erst vermittelt werden mußte.“327
Das ist gemeint, wenn die Rede davon ist, daß diese Agrargesellschaften nicht nur mit
einem literarischen, sondern auch mit einem funktionalen Analphabetismus zu kämp
fen hatten.
Ausschlaggebend für die Konservierung rückständiger Bewirtschaftungsmethoden
war der Umstand, daß die in Gewohnheit und Sitte verankerten gesellschaftlichen
Verhaltensweisen nicht aufgebrochen werden konnten. Um es in den Worten Holm
Sundhaussens zu sagen: „Die politischen Führungsschichten auf dem Balkan haben -
von wenigen Ausnahmen abgesehen - die Bedeutung des Agrarsektors für die ge
samte Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft grob unterschätzt. Die Überwin
dung des traditionellen sozio-kulturellen Systems auf dem Lande erforderte eine in
tensive Aufklärungs- und Bildungsarbeit, bei der mit schnellen Erfolgen nicht zu rech
nen war. Und dazu fehlte den Regierungen sowohl der Wille als auch die Geduld. Die
Bauern blieben deshalb, was sie unter den fremden oder einheimischen Grundherrn
seit jeher gewesen waren: die misera plebs contribuens.“328 So sehr leider das düstere
Fazit Holm Sundhaussens zutrifft, daß das traditionelle Dorf als multifunktionale
Institution im Modernisierungsprozeß restlos zerstört wurde, so hielten sich doch
noch manche Refugien der Subsistenzproduktion, wo es eine Anzahl der dalmatini-
208
Dorf und agrarische Lebenswelt
sehen Bauern schaffte wenigstens den eigenen Lebensmittelbedarf zu decken und den
Mühlen entfremdender Industriearbeit zu entgehen. Doch grundsätzlich ließ auch an
der Adriaküste und ihrem Hinterland die Transformation der vorkapitalistischen Pro
duktionsverhältnisse eine von den Führungsschichten verratene, weitgehend hilflose,
unzulänglich gebildete Masse von Klein-, Zwerg- und Parzellenbauern zurück, die in
der Erfüllung nationaler Forderungen nun versucht waren ihre Rettung zu sehen.329
Doch das Bild der abergläubischen und rückständigen Bauern im dalmatinischen Hin
terland, die der Meinung waren, daß „Alkohol vorbeugend und heilend bei Malaria
wirkt“, ist sicher ergänzungsbedürftig, ohne dadurch einem „romantisierenden Bild“
vom Dorf und Landleben anhängen zu wollen.330 Viel zu selten wird jedoch hervorge
hoben, daß die Bauern, und das gilt mit Sicherheit auch für Dalmatien in der Zwi
schenkriegszeit, nicht nur passive Objekte sich vollziehender gesellschaftlicher Verän
derungen waren, sondern sehr wohl eigene Vorstellungen und Interessen mit einzu
bringen versuchten.331 Die Selbstorganisation der Bauern in Genossenschaften zum
Beispiel war, trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten, der Versuch der dalmatinischen
Bauern, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Damit soll nicht bestritten werden,
daß die Genossenschaften auch in Dalmatien natürlich nicht ersetzen konnten, was
fehlte oder knapp war, wie Unternehmertalent, Kapital, Erfahrung im Umgang mit
der Markt- und Geldwirtschaft oder betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Wie andere
südosteuropäische Regionen auch, war Dalmatien, wie dargestellt, von vormodernen
Familienformen, Armut und mangelnder Bildung der Bevölkerung, v. a. aber geringer
Ausrichtung auf die Marktproduktion gekennzeichnet.
Als Haupthindernis für die Einführung produktiverer Anbaumethoden erwies sich
der niedrige Stand der Ausbildung. Schon was die Elementarbildung anbetraf, waren
die Defizite gerade im Elementarschulwesen in Jugoslawien bei extremen regionalen
Entwicklungsunterschieden immens.332 Wo lediglich die Hälfte der schulpflichtigen
Kinder zur Schule ging, wovon wiederum nur ein Bruchteil eine weiterführende
Schule besuchte, war an eine Umsetzung moderner agrotechnischer Erkenntnisse
nicht zu denken.333 Dalmatien repräsentierte auch im Hinblick auf das Schul- und
Ausbildungswesen etwa gesamtjugoslawischen Durchschnitt.
Mit Bezug auf die Vermittlung nationaler Bildungsinhalte läßt sich fragen, wie sich
die Erhöhung von „geistiger Mobilität“ durch Bildung und die postulierte „Individua
lisierung und (...) größere Unabhängigkeit des Einzelnen gegenüber den überlieferten
329 Vgl. Sundhaussen, Transformation des Dorfes, S. 335 u. Stipetic, Vladimir, The Development
of the Peasant Economy in Socialist Yugoslavia, in: Stojanovid, Radmila (Hg.): The Functio-
ning of the Yugoslav Economy, New York 1982, S. 166-199.
330 Mayer, S. 211 u. 213.
331 Karaman, Igor, Tradicionalne seoske institueije u procesima modernizaeije (Traditionelle dörf
liche Institutionen im Modernisierungsprozeß), in: Nase teme 33 (10) 1989, S. 2635-2652.
332 Vgl. Calic, Bildung als Entwicklungsproblem in Jugoslawien (1918-1941), S. 104f.
333 Zu Dalmatien vgl. Mayer, S. 43; die Analphabetenquote (über 6 Jahre) gibt er für die Region
mit 72,2% an für das Jahr 1900, bei 457 Elementarschulen im Jahr 1908, was bedeutet, daß
209
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Werten und Gewohnheiten der Gemeinschaft“ (Mayer) im Hinblick auf politische Ori
entierung auswirkte. Die Folge von Bildung und Aufklärung waren in Dalmatien nicht
nur höhere Hektarerträge, sondern anscheinend auch eine wachsende Neigung zur An
nahme bestimmter Ideologieangebote. So erreichte die Genossenschaftsidee und die von
der Kroatischen Bauernpartei propagierte „Bauernideologie“ ihre Adressaten im dalma
tinischen Dorf, im Gegensatz zu jugoslawistisch-unitaristischen Anschauungen oder
sozialistischer Agitation. Im Vergleich zu der Entwicklung und Rezeption sozialisti
schen Gedankengutes in den Küstenstädten - vor allem unter den Industriearbeitern
von Split und Sibenik - läßt sich wohl für das dalmatinische Dorf feststellen, daß es von
marxistischen Strömungen so gut wie unberührt blieb. Zwar blieb der ,Kampf um ein
eigenes Stück Land“ auf dem Dorf ständig aktuell, besonders seit dem Auftauchen und
der Entwicklung der politischen Parteien in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahr
hunderts, doch mit Klassenkampf im Sinne der organisierten Kommunisten hatte das
nichts zu tun. In den Gerichtsakten der Prozesse von Landbesitzern gegen nicht abgabe
willige Kolonen begründeten die Bauern ihren Standpunkt oft auch weiterhin damit,
daß das Land Gott gehöre und demjenigen, der es bearbeitet.
Es läßt sich schwer bestreiten, daß die Bauern in Südosteuropa überwiegend nur „pa-
ternalistisch instrumentalisiertes Objekt der Politik (und) nie wirklich eingebunden in
den Partizipationsprozeß“ waren. Doch sie nur als „Manipulationsmasse“ in den Hän
den der Führungscliquen zu sehen, wird zumindest den dalmatinischen Bauern nicht
ganz gerecht.334 Seit der Jahrhundertwende war es in Dalmatien möglich geworden,
dauerhafte politische Aktivität auch außerhalb der städtischen Führungsschichten in
Gang zu setzen, wie das Beispiel der Kolonenbewegung vor 1914 bewies. Eine zu
nehmende Dichte sozialer Kommunikation, wirtschaftlicher Modernität und sozialer
Differenzierung hatte die Bauern im modernen Sinne politisch ansprechbar werden
lassen. Zwischen Jahrhundertwende und Erstem Weltkrieg fand ein wesentlicher Um
formungsvorgang statt, wie gezeigt worden ist, und machte „den Bauern zu einem
politisch präsenten Faktor“.335 Endgültig mit der Einführung des allgemeinen Män-
im Schnitt 1 Schule auf 1.360 Einwohner kam; die Zahl der Sekundarschulen betrug im selben
Jahr 7, was 1 Schule pro 88.786 Ew. entsprach; ebenda, S. 54.
334 Sundhaussen, Transformation, S. 329, mit d. Verweis auf Lange, Klaus, Versuch über südost
europäische Politik. Studien zum Problem des historischen Subjekts in der politischen Theo
rie, München 1979.
335 Schödl, Nationalpolitik, S. 157-178 u. „Fundamentalpolitisierung“ als Existenzbedingung na
tionaler Politik, S. 178-186, hier S. 181.
210
Dorf und agrarische Lebenswelt
nerwahlrechts wurden die Bauern, bzw. deren politische Vertretung, in Kroatien zur
maßgeblichen Kraft.
Das ,Einsickern“ neuer Ideen in das dalmatinische Dorf vollzog sich unmerklich. Nach
1918 mühten sich die Vertreter aller politischen Parteien Anhänger auf dem Dorf zu
gewinnen, was aber (bis zum Siegeszug der Bauernpartei in den Zwanziger Jahren)
keineswegs in dem Maße gelang, wie sich das v. a. nationale Aufklärer aus den Städten
vorgestellt hatten.
Das galt auch, allen Stilisierungen zwischen 1945-1989 zum Trotz, für die Kommuni
stische Partei. Selbst den „tiefen Eindruck der Oktoberrevolution auf die kroatischen
Länder“336 unterstellt, läßt sich doch eindeutig sagen, daß das dalmatinische Dorf für
kommunistische Agitation unempfänglich blieb. Der kroatische Bauer sei kein - und
könne auch kein - Kommunist sein, war die feste Überzeugung der Aktivisten der
Bauernpartei - er müsse „svoj na svom“ (sein eigener Herr auf seinem Eigentum) sein,
wie es die Gebrüder Radic gelehrt hätten. Dieser Glaubenssatz wurde in zahlreichen
Broschüren und Vorträgen immer wieder wiederholt und fand Anklang unter den
Bauern.337 Die Politik der KPJ dagegen stand im großen und ganzen den Problemen
des Dorfes verständnislos gegenüber.338 Die Anleitung des CK der KPJ „Wie man auf
dem Dorf arbeiten muß“, half den Aktivisten vor Ort wenig weiter. Zwar wurde die
„systematische Arbeit auf dem Dorf“ zur „wichtigsten Aufgabe“ erklärt. Der Klassen
kampf auf dem Dorf, der angeführt von in „Zellen“ organisierten „armen Bauernmas
sen“ gegen die „Wucherer“ und „Kulaken“ geführt werden sollte, kulminierte aber
nicht in Aufruhr und Revolution, wie das die Kommunisten erhofften.339 Die resigna-
tive Feststellung in der Parteizeitung „Der Proletarier“, daß „ohne starkes Netz an
Parteiorganisationen und Zellen auf dem Dorf die sozial und national unterdrückten
336 Vgl. Bozic, Cirkovic, Ekmecic, Dedijer, Istorija Jugoslavije, Beograd 1972, S. 432.
337 Vgl. Pavlek-Miskina, Mihovil, Zasto hrvatski seljak nije komunist (Warum der kroatische
Bauer kein Kommunist ist), Zagreb 1938, hier S. 24. Die bekannten Wahlsprüche der Bauern
partei waren „Vjera u Boga i seljacka sloga!“ (Glauben an Gott und bäuerliche Eintracht) u.
„Svoji na svom, sretan ce biti nas hrvatski dom“ (Eigener Herr auf eigenem Grund, dann
wird unser kroatisches Heim glücklich sein). Ebd., S. 26 u. 27.
338 Das, was die spätere offizielle sozialistische Geschichtsschreibung in Jugoslawien dazu geäu
ßert hat, lohnt kaum die Auseinandersetzung. Vgl. Jovanovic, Zarko, KPJ prema seljastvu
1919-1941 (Die KPJ und ihr Verhältnis zur Bauernschaft 1919-41), Beograd 1984, S. 5ff., wo
von „Spezifika der landwirtschaftlichen Produktion und der Entwicklung der Produktions
verhältnisse in ihr“ die Rede ist, die die Politik der KPJ zur authentischen Interessenvertre
tung der Bauern gemacht habe.
339 Die in der Broschüre „Die Kommunisten für das Wohl des Dorfes“ auf sechzehn Seiten
ausgeführten Parolen erinnerten in vielem an die Agitation der Bauernpartei. Der darin ange
sprochene „Bauer unter dem Regime der großserbischen militärisch-faschistischen Diktatur
unter den Bedingungen der Agrarkrise“ konnte mit dem Ziel einer „Arbeiter-Bauern-Revolu-
tion“ aber nur wenig anfangen. Vgl. Proleter, 8-9, Sept.-Okt. 1934, S. 14 u. die Resolution
„Uber die Aufgaben der Arbeit unter den Bauern und national unterdrückten Massen“ v. 25.
u. 25.12.1934 bei Jovanovic, S. 20ff.
211
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
bäuerlichen Massen nicht zu erobern“ seien, machte deutlich, wie tief die Lücke zwi
schen Anspruch und Realität klaffte.340 Doch sicher wirkte es politisierend, daß sie
mit solch radikal oppositionellen Anschauungen gegen ,die Macht', wie die Bauern
unterschiedslos alle Regierungsformen bezeichneten, in Berührung kamen. Mit der
beginnenden Industrialisierung und Entstehung der Arbeiterbewegung in Dalmatien
erfuhren dalmatinische Landarbeiter und Bauern etwas über Gedanken, die glauben
machen wollten, den Weg zur endgültigen Abschaffung des empfundenen Unrechts
weisen zu können. Die Bauern, die vom Dorf in die Stadt kamen, um als ungelernte
Arbeiter in der Zement-, Karbid- oder Fischkonservenfabrik von Split oder in den
Salzereien von Pag oder beim Schienenverlegen Lohnempfänger zu werden, kamen in
Berührung mit dem Leben in der Stadt, mit Agitatoren, die für die Gewerkschaften,
für den Sozialismus warben. Für sie stand die soziale Frage in der Stadt, der Klassen
kampf zwischen Kapitalistenklasse und Proletariat, im Zentrum ihrer politischen Vor
stellungen. Daher soll vor dem Versuch, die national bestimmten Politisierungsim
pulse nach dem Ersten Weltkrieg auf dem dalmatinischen Dorf zu skizzieren, zunächst
kurz auf die sozialistische Agitation eingegangen werden.341
Die Januar 1919 gegründete dalmatinische „Allgemeine Landarbeitergemeinschaft“
(Opci tezacki skup) propagierte die Lösung der Agrarfrage auf sozialistischer Grund
lage. Immer wieder wurde eine schnelle und gerechte Durchführung der Agrarreform
gefordert und die Bestrafung derjenigen staatlichen Organe, die anstatt die Reform
durchzusetzen sie sabotieren und den dalmatinischen Landarbeiter schikanieren wür
den. Alle Zahlungen an die Kirche als Grundbesitzer wurden entschieden abgeleht,
was unter den dalmatinischen Landarbeitern populär war, genauso wie die Forderun
gen nach Steuerbefreiung und kostenloser Krankenversicherung für die Bauern
schaft.342 Ein Engagement auf Seiten der Linken rief es aber nicht hervor. Nach der
Gründung der Kommunistischen Partei rückte die Landfrage für die Kommunisten
ohnehin erst einmal in den Hintergrund. Die KPJ verabschiedete zwar auf ihrer III.
Landeskonferenz 1923 in Belgrad eine Resolution, in der die entschädigungslose „Ex
propriation der Großgrundbesitzer“ gefordert wurde und die Verteilung des Landes
(mit Inventar) an die ärmsten Bauern, und der III. Parteitag der KPJ 1926 in Wien
blieb bei dieser Position, doch blieb das Dorf in der praktischen politischen Arbeit
außen vor. Die städtischen Sozialisten“, das merkten die Bauern bald, interessierten
sich recht wenig für die Zustände auf dem Dorf, und hätten sie den Antagonismus
von Bauer vs. Landbesitzer auch ernster genommen, so wäre es trotz allem schwierig
gewesen, ins Dorf vorzudringen. Sowohl die Regierung als auch die anderen Parteien,
vor allem die Kroatische Bauernpartei, wurden nicht müde, den Bauern ständig vor
340 Vgl. Proleter, 2-3, Febr.-März 1935, S. 8-9 u. Resolution des CK KPJ v. März 1935 bei
Jovanovic, S. 226.
341 Vgl. Janjatovic, Bosiljka, Povijesna literatura o sindikalnom pokretu u Hrvatskoj izraedu dva
rata (Historische Lit. zur Gewerkschaftsbew. in Kroatien zw. den Kriegen), in: CSP 1/1970,
S. 149-159.
342 Vgl. „Zemljoradnicki borac“ (Der Landarbeiterkämpfer) v. 3.11.1923.
212
Dorf und agrarische Lehenswelt
Augen zu halten, daß die Kommunisten ihnen das Land nicht verteilen, sondern im Ge
genteil wegnehmen wollten, um es zu kollektivieren, und daß das Ziel der Kommunisten
die Errichtung einer Diktatur der Arbeiterklasse über die Bauernschaft war. Im allge
meinen waren die Kommunisten in Orten nahe industrieller Zentren am erfolgreichsten
unter den Bauern, wo sie eine starke Basis unter den Arbeitern hatten. Doch daß die
Bauern deshalb mit ihrem Los zufrieden gewesen wären, läßt sich gewiß nicht aus der
Tatsache schließen, daß sie keine Anhänger der sozialistischen Revolution wurden.
Es ist schwierig, zu allgemeinen Aussagen für die ersten Jahre nach dem Krieg zu
gelangen, was Zustimmung oder Ablehnung nationaler Argumente auf dem Dorf be
trifft, die von den Parteien vertreten wurden. Broschüren und mehr noch Auftritte
von Rednern der Parteien versuchten den serbischen wie den „kroatischen Bauer im
neuen Staat“, so der Titel eines unitaristischen Pamphlets von Milivoj Jankovic von
1919, auf ihre Seite zu ziehen.343 Der Wahlsieg der Kroatischen Bauernpartei in Dal
matien, wo „das jugoslawische Bewußtsein am stärksten“ gewesen war, wie Josip
Smodlaka in seiner Analyse der Wahlergebnisse bei den Wahlen von 1923 schrieb,
schockierte die Anhänger des jugoslawischen Staates in den Städten.344 Die Enttäu
schung über die Stimmung der dalmatinischen Bauern im Hinterland ist Smodlaka
anzumerken, wenn er von einem Besuch in einem Dorf vor dem Wahltag berichtet.
Dort, „auf den Wahlversammlungen, bei einem ansonsten ruhigen und zahmen Men
schenschlag“, wie es der Bauer der Zagora ansonsten sei, hätte er erlebt, „wie die
Dorfjugend wie verrückt auf den Versammlungen schrie: Entweder alle für Radic,
oder wir zünden alle Häuser an und hacken alle Weinstöcke ab. Zu mir, der ich ihr
alter Bekannter und Freund bin, sprachen sie: Laß’ nicht zu, daß wir unter die Serben
kommen, dann sind wir alle für dich, aber du willst uns nicht von der Soldateska
befreien, und Radic schon“. Weiter berichtete Smodlaka: „Sogar die schwer Kranken
trugen sie einige Stunden lang auf Bahren, um keine einzige Stimme zu verlieren. Was
man noch nie zuvor gesehen hatte: in den entlegensten und verstreutesten Bergdörfern
nahmen an den Wahlen 90, und mehr als 90 Prozent der Wähler teil, während in den
Städten nur zwischen 60 und 70 von Hundert zur Wahl gingen. Hunderte Dörfer
stimmten wie ein Mann für vollkommen unbekannte Kandidaten von Radies Liste;
Leute, die in Dalmatien, nachdem sie gewählt wurden, niemand kennt und nach deren
Namen keiner fragt. (...) In keinen Wahlen bisher war dieses Volk so begeistert und
so einig (...) wie es bei diesen Wahlen einig für Radic war.“345
In den serbisch besiedelten Gebieten Dalmatiens dagegen, wo zu Anfang der 20er
Jahre die unitaristische Demokratischen Partei relativ stark gewesen war, schaffte es
343 Vgl. Jankovic, Milivoj, Hrvatski seljak u novoj drzavi (Der kroatische Bauer im neuen Staat),
Zagreb 1919.
344 Smodlaka, Josip, Znacaj Radiceve pobjede u Dalmaciji (Die Bedeutung von Radic’ Sieg in
Dalmatien), in: Srpski knjizevni glasnik IX/1923, 5, S. 371-378.
345 ebenda; vgl. auch die Analyse von Radic: Hrvatski seljacki republikanski plebiscit od 18.
ozujka 1923., (Das kroatische bäuerlich-republikanische Plebiszit vom 18. März 1923) in:
Slobodni dom XVII/1923, 13a, S. 2-3.
213
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
346 Vgl. Gligorijevic, Neki aspekti, S. 361f., der auch Pribicevics Drohung anführt: „Diejenigen,
die ein kroatisches Irland in Jugoslawien schaffen, müssen wissen, daß sie ein serbisches Irland
in Kroatien schaffen; denn ohne die Berücksichtigung des Willens einer halben Million serbi
scher Bauern in Kroatien, läßt sich in Kroatien kein Frieden schaffen“.
347 Vgl. die zahlreichen Artikel wie z. B. in der Radikalen-Zeitung „Samouprava“ (Selbstverwal
tung) v. 01.04.1923 oder Vreme (Die Zeit) III/1923 Nr. 462, S. 1.
348 Im „Obzor“ war schon 1919 der Vergleich mit Stellung und Forderungen Irlands und der
Iren mit den Kroaten beliebt, vgl.: U cemu je Hrvatska sliena Irskoj? (Worin gleicht Kroatien
Irland?), in: Obzor v. 02.07.1919; im Parlament gebrauchten slowenische und kroatische Op
positionsabgeordnete öfter diesen Vergleich, vgl. Popovic, Stojan Protic i ustavno resenje,
passim. Nun griff der unitaristische Innenminister in Bezug auf die Serben in Kroatien dieses
Argument auf. Vgl. auch Krolo, Pregled literature, S. 627.
349 Vgl. Matic, Lazar, Glavna zadruga za narodno prosvjescivanje (Hg.), Severna Dalmacija nekad
i sad, Beograd 1939.
350 Radeka, S. 276f.
214
Dorf und agrarische Lebenswelt
Rebenstationen in Cibaca bei Dubrovnik, Kastei Sucurac und Sibenik, sowie Muster
farmen in Kamenmost und Denovic in der Boka kotorska und eine Landwirtschafts-
Station in Sinj.351
Eine Analyse der Angebote, die die Kroatische Bauernpartei den Bauern in Dalmatien
machte, ist für das Verständnis der nationalpolitischen Orientierung der überwältigen
den Mehrheit der dalmatinischen Bauern unerläßlich. Stjepan Radic hatte noch in der
letzten Sitzung des „Sabor“ zu Zeiten der Habsburgermonarchie, am 29. Oktober
1918, ganz im Masarykschen Sinne betont, daß der „Weg zur Freiheit über die Aufklä
rung“ des Volkes, also der bäuerlichen Massen führe.352 Wie stand es um das Ausbil
dungswesens in Dalmatien?
351 Für die Verbreitung neuer agronomischer Erkenntnisse sollte ein, wenig gelesener, „Poljodjel-
ski vjesnik“ (Agrar-Bote) sorgen.
352 Kulundzic, Zvonimir (Hg.), Stjepan Radic, Politicki spisi. Autobiografija, clanci, govori, ra-
sprave (S. R., Politische Schriften. Autobiographie, Artikel, Reden, Abhandlungen), Zagreb
1971, S. 313.
353 Gross, Mirjana, The Union of Dalmatia with Northern Croatia, S. 279.
215
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Nach Geschlecht unterschied sich die Fähigkeit, Lesen und Schreiben zu können
folgendermaßen (in Prozent):
Quelle: Lecek, Suzana, Pokusaji smanjivanja nepismenosti u Banskoj Hrvatskoj pocetkom 20.
stoljeca, in: Radovi Zavoda za Hrvatsku povijest 26/1993, S. 123-150, hier S. 133 u. 135.
Quelle: Rom, Adalbert, Der Bildungsgrad der Bevölkerung in den österreichischen Alpen- und
Karstländern nach den Ergebnissen der letzten vier Volkszählungen 1880-1910, in: Statistische
Monatsschrift, N. F. XVIII (1913), S, 769-814, hier bes. 785, 805, 814, zit. nach Schödl, National
politik, S. 141.
216
Dorf und agrarische Lehenswelt
Die Unterversorgung Dalmatiens mit weiterführenden Schulen vor 1914 war eklatant.
Die Schlüsselfunktion, die das Schulwesen bei der ,kulturell-politischen Identitätsfin
dung' hatte, war in Dalmatien dadurch beeinträchtigt, daß die erdrückende südslawi
sche Bevölkerungsmehrheit erst eine ,Ent-Italianisierung‘ des Schulwesens durchset
zen mußte. In den Erinnerungen der Aktivisten der Wiedergeburtsbewegung (prepo-
rod) wurde das als „Kampf um die kroatische Sprache“ stilisiert. Um die Jahrhundert
wende war dieser Prozeß abgeschlossen.354 Die Zahl der Grundschulen war von 157
im Jahr 1861 auf insgesamt 401 im Jahr 1918 in Dalmatien gestiegen, wobei in allen
Schulen, bis auf eine in Zadar, wo italienisch die Unterrichtssprache war, auf kroatisch
unterrichtet wurde. Bei den Mittelschulen (1861 neun an der Zahl) gab es nach dem
Weltkrieg 21, in denen der Unterricht ausschließlich auf kroatisch abgehalten wurde,
drei zweisprachige Schulen und in Zadar je eine auf deutsch und auf italienisch.355
Ende der 30er Jahre war die Zahl der Grundschulen in der Region auf 574 gestiegen,
in denen 70.000 Schüler von 350 Lehrkräften unterrichtet wurden. Es existierten zu
dem noch 24 staatliche Mittelschulen mit 1.873 Schülern, eine technische Mittelschule,
drei Handelsakademien, zwei Mittelschulen des musischen Zweiges und einige berufs
bildende Handwerks- und Lehrlingsschulen. Zwei Lehrerausbildungsanstalten mit
531 Referendaren, sieben staatliche Gymnasien und vier private, die zusammen von
5.228 Schülern besucht wurden, ergänzten das dalmatinische Ausbildungssystem.356
Unübersehbar gab es ein starkes Gefälle zwischen dem Küstenland und der dalmatini
schen Zagora. Von den 21 Schulen im hauptsächlich serbischen Norddalmatien waren
vier staatlich, die übrigen 17 in kirchlich-orthodoxer Trägerschaft.357 Damit lag in
354 Schödl, Nationalpolitik, S. 142. Dort die Angabe, daß 1910 ca. 28.000 Kinder überhaupt keine
Schule besuchten u. es noch 1912/13, bei einer dalm. Gesamtbev. von ca. 650.000, nur 1233
Gymnasial- u. 777 Realschüler gab; vgl. auch Foretic, Drustvene prilike, S. 61 -64 u. v. a. Peric,
Ivo, Borba za ponarodenje dalmatinskog skolstva 1860-1918 (Kampf um die Nationalisie
rung der dalm. Schulen), Zagreb 1974.
355 Kunicic, Petar, Spomenica starigradske zenske pucke skole, Sarajevo 1925, S. 30, hier zit. nach
Peric, Borba za ponarodenje, S. 149 u. 151.
356 Vgl. Ogrizovic, Mihajlo, Skolstvo i prosvjeta u Dalmaciji za vrijeme narodnooslobodilacke
borbe (Schul- u. Bildungswesen zur Zeit des Volksbefreiungskampfes), Zagreb 1984, Uvod
(Einleitung). Der Autor gibt die Einwohnerzahl für 1941 mit 721.000 bei einer Analphabeten
quote von ca. 57%, in manchen Gebieten, wie den Kreisen Benkovac, Vrlika, Muc, Sinj u.
anderen sogar mit 80-90% an.
357 Vgl. Radeka u. Lezaic, Mirko, Proslost i sadasnjost osnovne nastave u Dalmaciji (Vergangen
heit u. Gegenwart des Grundschulunterrichts in Dalmatien), Split 1922, wo der Verf. „das
Damoklesschwert des katholischen Prosyletismus über dem rechtgläubigen-orthodoxen Teil
unserer Rasse“ schweben sah, als vor der Vereinigung, „der serbische Teil unseres Volkes
wegen seines Glaubens bittere Prüfungen überstehen und das wahnsinnige Anstürmen des
römischen Fanatismus überstehen“ mußte (S. 6). Nur durch den „vollen und weit aufgefaßten
jugoslawischen Nationalismus“ (S. 7) sei das nun überwunden. Er führt für 1922 die Zahl von
insgesamt 898 Unterrichtskräften (399 Lehrer, 499 Lehrerinnen) in Dalmatien an. An den
Grundschulen 802 (338 m. 464 w.); an den städtischen 59 (34 m., 25 w.), Referendare 30 (26
m, 4 w.).
217
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Dalmatien im Kleinen vor, was auch den Gesamtstaat kennzeichnete. Wie ausgeprägt
das regionale Entwicklungsgefälle im Grundschulwesen in ganz Jugoslawien war, wird
deutlich aus folgender Aufstellung, die die Verteilung im Schuljahr 1931/32 zeigt:
Quelle: Tujkovic, N. S., Statistika skola pod Ministarstvom prosvete na dan 15. maja 1932. god.,
Beograd 1933, S. 50f., hier zit. nach Calic, Bildung als Entwicklungsproblem in Jugoslawien,
S. 125.
Die „Bekämpfung des Analphabetentums - eine aktuelle Frage“ lautete die Schlag
zeile von „Novo doba“ im Oktober 1920 also mit gutem Grund, als sich die Verhält
nisse in Dalmatien scheinbar zu stabilisieren begannen.358 Die Zeitung ging dabei
davon aus, daß 64 % der Einwohner der Region weder des Lesens noch des Schreibens
kundig waren. Eine Aktion des „Bildungsbundes“ (Prosvjetni savez), von der Regie
rung initiiert, wurde lebhaft begrüßt. Der 1. November wurde zum „Tag der Bekämp
fung des Analphabetismus“ erklärt. In Dalmatien waren der Genossenschaftsverband
und der „Jugoslawische Klub der Akademiker, wie die patriotische Intelligenz und
die Wohlhabenden“ aufgerufen, diese Aktion durchführen.359 Rhetorisch fragte die
Zeitung: „Werden die Wahlen dabei nicht hinderlich sein? Nein, ganz im Gegenteil!
Gerade jetzt kommen die gebildeten Herren (gospoda) mehr als je in Kontakt mit den
Bauern, dann können sie auch ein paar Augenblicke, neben anderem, von der Bildung
sprechen. Richtige Volkspolitik (narodna politika) kann es ohne sie nicht geben“.360
358 Novo doba v. 27.10.1927. In den letzten 20 Jahren des 19. Jh., so schrieb die Zeitung, sei die
Analphabetenrate in Dalmatien von 89,3 % auf 78 % gefallen. Für Kroatien war von 47 % die
Rede, für Bosnien 88 % und der jugoslawische Durchschnitt wurde mit 75 % angegeben.
359 Zur Erwachsenenbildung Mayer, S. 145-173, der feststellt, daß diese zum allergrößten Teil
„von privaten Kulturorganisationen“ getragen wurde (ebenda, S. 146).
360 Novo doba v. 27.10.1927.
218
Dorf und agrarische Lebenswelt
Doch „Form und Inhalt“, sowohl der Erwachsenenbildung361 als auch solcher Aktio
nen, entsprachen nur allzuoft „nicht dem Erfahrungshorizont der Bauern“.362 Diese,
wie sich die städtischen Zeitungen auszudrücken pflegten: „für unser ungebildetes
Volk, vor allem den weiblichen Teil, lobenswerten und wahrlich notwendigen“ Alpha
betisierungskurse änderten bis zu den 30er Jahren nicht viel an der Misere. Der erste
Alphabetisierungskurs in Dalmatien war 1906 in Drnis angeboten worden. Doch nach
dem Krieg wiederholte sich in den städtischen Zeitungen oft dieselbe Klage: Organi
sationen, wie der in der Stadt gegründeten „Volksfrauengenossenschaft“ („Narodna
Zenska Zadruga“) gelang es nicht, das Dorf zu erreichen; die von ihr angebotenen
Kurse stießen auf geringe Resonanz.363 Untersuchungen über die bürgerlichen Aufklä
rungsgesellschaften in Kroatien-Slawonien haben auf den belehrenden, manchmal so
gar ins Beleidigende gehenden Ton hingewiesen, den die „Aufklärer“ den Bauern ge
genüber anschlugen, die sie, wegen deren angeblicher Faulheit und Unwissenheit für
„schuldig an dem schlechten Zustand der Nationalökonomie“ hielten.364 Nicht anders
drückten sich die Bürger an der Küste aus, wenn sie zum „ungebildeten Volk“ spra
chen. Und der Analphabetismus war auch noch zu Beginn der 30er Jahre zweifelsohne
hoch:
361 Das galt aber auch für die Stadt; vgl. Narodno sveuciliste (Hg.), Narodno sveuciliste u Splitu
1925-1955 (Die Volkshochschule in Split 1925-1955), Split 1955. Auch der im September
1925 gegründeten Volkshochschule in Split gelang es nicht, ein größeres Publikum anzuspre
chen. Deren Gründer kamen aus der „Jugoslavenska matica“ und wollten etwas für den
„kulturellen Fortschritt“ in der Stadt und der Umgebung tun. Es wurden Vorträge aus den
verschiedensten Gebieten der Wissenschaften und Künste angeboten. Einmal die Woche,
Sonntag Vormittags, versuchten die Aktivisten der Volkshochschule fortan, von November
bis Juni, Referenten zu gewinnen, die, wie es im Eröffnungsvortrag hieß, „zum Volke hinab
steigen und in leicht faßlicher Form die Resultate ihrer Wissenschaft und die Errungenschaf
ten der Zivilisation“ erläutern sollten. Durchschnittlich kamen 87 Hörer pro Vortrag. 1929/
30 waren es nur noch 10 Vorträge im Jahr, 30/31 nur noch fünf. Die Zeitungen kritisierten
die Unverständlichkeit so manches Vortrages, deren Gegenstände die Spliter nicht interessie
ren würden. Bis zum April 1940 fand nur noch ein Vortrag statt. Vielleicht war es aber doch
mehr die erstickende Atmosphäre der monarchischen Diktatur nach 1929, die neben den
Geldproblemen der VHS die Vortragstätigkeit zum Erliegen brachte.
362 Martin Mayer führt als Bsp. auch eine erfolglose Plakataktion zwecks Gesundheitspropa
ganda in Dalmatien an (S. 148), wo „die leseunkundigen Bauern zwischen dem auf dem
Plakat dargestellten und der beabsichtigten Botschaft keinen Bezug hersteilen konnten“.
Vgl. auch Petkovic, Ivo, Zdravstvena Propaganda u Dalmaciji (Gesundheitspropaganda in
Dalm.), in: Glasnik Ministarstva narodnog zdravlja 1921/7, S. 315. Hinweis auch b. Mayer,
S. 150.
363 Novo doba v. 21.05.1921, S. 3.
364 Vgl. „Gradanska prosvjetna drustva“ (Bürgerliche Aufklärungsgesellschaften), in: Lecek, Su-
zana, Pokusaji smanjivanja nepismenosti u Banskoj Hrvatskoj pocetkom 20. stoljeca (Versu
che das Analphabetentum in Banal-Kroatien Anfang des 20. Jh. zu verringern), in: Radovi
26/1993, S. 123-150, hier S. 143ff.
219
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Quelle: Kraljevska Banska uprava Primorske banovine (Hg.), Upravno, sudsko i crkveno razdjel-
jenje i imenik prebivalista Primorske banovine po stanju od 1. maja 1938. Priredio Statisticki
ured u Zagrebu, Zagreb 1938, S. 3. (Je dunkler die Flächen schraffiert sind, desto größer die
Analphabetenquote in den entsprechenden Bezirken.)
Von den 713.196 Einwohnern der „Primorska banovina“ über 7 Jahren konnten, nach
den Angaben der Volkszählung vom 31. März 1931, demnach „lesen und schreiben
307.973 oder 43,18%“, „nur lesen 3.121 oder 0,44%“, während als „Analphabeten“
402.102 oder 56,38% in der Küstenbanschaft geführt wurden. Im Mittel der Städte
war der Analphabetismus mit durchschnittlich 28,3 % deutlich geringer.
Eine andere, und wie sich zeigen sollte, erfolgreichere Methode der Bekämpfung des
Analphabetismus als sie die staatlichen Stellen versuchten, initiierte die Kroatische
Bauernpartei mit ihren Kulturvereinen: Die 1925 von Rudolf Herceg gegründete „Sel-
jacka sloga“ (Bäuerliche Eintracht) bot nur in der Stadt die üblichen Alphabetisie
rungskurse an. Auf dem Dorf dagegen sollten die Bauern sich anhand einer von Her
ceg entwickelten Fibel selbst gegenseitig lesen und schreiben beibringen.365 Jeder, der
lesen und schreiben konnte oder es gerade gelernt hatte, sollte dann wiederum als
Lehrer für die anderen fungieren. Die „Seljacka sloga“ setzte also auf die Eigenverant
wortung und das Engagement der Bauern. Bei einer Kampagne Ende der dreißiger
365 Vgl. Herceg, Rudolf, Nova Abecedarka za poucavanje odraslih nepismenjaka (Neue ABC-
Fibel zum Unterricht erwachsener Analphabeten), Zagreb 1926.
220
Dorf und agrarische Lebenswelt
Jahre wurden innerhalb eines Jahres über 76.000 Fibeln verkauft und verbreitet. Nach
Schätzungen des Vereins sollen damit etwa 100.000 Personen lesen und schreiben
gelernt haben, hebt Martin Mayer in seiner Untersuchung über die Elementarbildung
in Jugoslawien hervor.366 Doch nicht nur das lernten sie. Kroatisches Nationalbewußt
sein wurde gleich mit vermittelt.367
Sicher war der Optimismus, den der Vorsitzende der Kroatischen Bauernpartei, Vladko
Macek, im September 1937 verbreitete, etwas hochgegriffen, als er betonte, daß die
Seljacka sloga dazu aufrufe, „überall, in jedem Dorf das Analphabetentum zu bekämp
fen und die Lese- und Schreibfähigkeit weiter auszubauen. Jeder Mann und jede Frau,
die lesen und schreiben können, sollen es noch dreien beibringen, und diejenigen
dann wieder dreien.“ Er war sich sicher, „daß auf diese Weise in fünf Jahren keine
Analphabeten mehr unter den Kroaten sein werden“.368 Die Aktion, die mit diesem
Apell begann, rief „alle Kroaten“ zur Mitwirkung „an diesem wichtigsten modernen
Kulturprojekt“ auf. Die einen, um zu lernen, die anderen zu lehren und die dritten
(„v. a. Bürger“), um die Bewegung zu finanzieren. Dem dokumentierten Spendenauf
kommen nach (bis Ende 1939 insgesamt knapp 2 Millionen Dinar) war die Aktion
durchaus ein voller Erfolg. Das ambitionierte Ziel, das einer der Vordenker und Ver-
fassser vieler Lehrfibeln, Rudolf Flerceg, vorgab, lautete: „Bis zur nächsten allge
meinen Volkszählung (die 1941 geplant war) muß die Analphabetenrate bei den Kroa
ten unter 10% fallen.“369
Nach dem „sporazum“ forderte die Regierung der „Banovina Hrvatska“ die ihr unter
stellte dalmatinische Verwaltung in Split dazu auf, die Alphabetisierungsaktionen der
„Seljacka Sloga“ und des „ABC Klub“ stärker zu unterstützen“, um sicherzustellen,
die Analphabetenquote „bis zur nächsten Zählung 1941 auf 10% zu senken“. Alle
Schulen in Kroatien sollten sich an der Aktion beteiligen.370 Zweifellos war der Alpha
betisierungsfortschritt, der erzielt wurde, erheblicher, als der statistisch erfaßte Rück
gang des Analphabetismus um durchschnittlich ca. 1,5 % in der Küstenbanschaft. Wie
221
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
oben bereits ausgeführt, existierte ein Gefälle innerhalb Dalmatiens zwischen Küste und
Hinterland, und noch einmal zwischen Dalmatien und den bosnischen und herzegowi-
nischen Kreisen, die gleichfalls verwaltungsmäßig zur Küstenbanschaft gehörten.
Tabelle XVIII: Alphabetisierungsgrad nach Banschaften in Prozent im Jahr 1939
Auch wenn, insgesamt betrachtet, die außerschulische Alphabetisierung, auf ganz Ju
goslawien bezogen, weitgehend scheiterte und „größere Teile der Landbevölkerung“
nicht erreichte,371 sollte man die Auswirkungen der durch die „Seljacka sloga“ ange
botenen Kurse in Kroatien auf die kroatische Bauernschaft nicht unterschätzen. Schon
vor dem „sporazum“ wurde die ganze Phalanx der Parteiorganisationen und Gliede
rungen der Bauernpartei, die „Kroatische Frau“ usw. aufgefordert, die „Volksbildung“
zu intensivieren. Genaue Literaturempfehlungen und der Abdruck zahlreicher Zitate
der „großen Lehrer“ der Bauernbewegung sollten allen Lesern und Sympathisanten
die „Ideologie der kroatischen Bauernbewegung“ nahebringen.372
Nach 1918 hatten auch die integral-jugoslawischen Kräfte versucht, auf dem Dorf für
ihre Auffassungen zu agitieren. Die „richtige Stellung der Intelligenz zum Bauerntum
in unserem neuen Staat“ wurde zu „einer der wichtigsten Fragen“ erklärt, da der
Bauer „das breite und feste Fundament unseres staatlichen Hauses“ sei. Dabei müsse
222
Dorf und agrarische Lebenswelt
„unser Bauer geistig und moralisch auf ein höheres Niveau“ gehoben werden.373 Die
um die Zeitschrift „Nova Evropa“ versammelten Intellektuellen jugoslawistischer
Provinienz erhoben „das Ersticken aller lokalen und provinziellen Tendenzen und
Traditionen, soweit sie noch existieren“, gar zum „Programm“.374 Alle „Aufklärer“,
egal welcher Couleur, waren davon überzeugt, daß Unbildung und Rückständigkeit
der Bauern das größte Hindernis auf dem Weg zur Einheit seien:
„Unser Bauernstand kennt keinen größeren Feind als die Unwissenheit und Unbildung. Ich
sage nicht, daß jeder von unseren Bauern daran glaubt, daß es Meerjungfrauen gibt. Aber
wieviele gibt es, die daran glauben, daß die Kuh wieder gesund wird, wenn er in Krapina
oder Marija Bistrica (Kath. Wallfahrtsorte in Kroatien, A. J.) ein „Gotteskälblein“, d.h. einen
Kalbshuf aus Wachs für einen Groschen kauft und auf den Altar legt! Wieviele von ihnen
werden dem Erkrankten im Haus irgendein Kräuterweiblein rufen (selska baba), die ihren
Medizinzauber mit Kräutern, Schnaps und Petroleum ausführt (...) Ist es da ein Wunder, daß
es so viele kroatische Bauern gibt, die (....) noch immer Franz Joseph und Karl nachtrauern,
und nicht sehen, daß die Serben unsere Freunde und Brüder sind. (...).“375
Aufrufe, daß sich Bauern weltweit zusammenschließen müßten, da sie, als Nahrungs
mittelproduzenten die wichtigste gesellschaftliche Schicht in allen Völkern seien,376
mögen den dalmatinischen Bauern wohl gefallen haben, nur: ein politisches Engage
ment riefen sie nicht hervor. Die Vorschläge der Landarbeiterpartei, „das Dorf auf
eine höhere Kulturstufe“ zu heben und zu diesem Zweck „Dorfräte“ (seoska veca) zu
gründen, schien den Bauern überflüssig, da sie ohnehin alle Fragen, die das Dorf
betrafen, gemeinsam besprachen. Aber „Räte“, die aus Mitgliedern einer Landarbeiter
partei bestehen und die „Grundorganisationsform“ dieser Partei sein sollten, kamen
ihnen nicht in den Sinn. (Wenn solche Räte gegründet wurden, dann standen Landar
beiter- oder Demokratische Partei, bzw. deren Aktivisten dahinter.)
Auch den „Grundgedanken“, den die Landarbeiterpartei zu popularisieren versuchte,
daß „die Rettung der Bauern einzig in deren wirtschaftlichem (in Genossenschaften)
und politischem (eben dem „Bund der Landarbeiter,,) Zusammenschluß“ liege,377 bra-
373 Vgl. den Arikel „Seljacka demokratija“ (Bauerndemokratie) von Tihomir Ostojic in „Nova
Evropa“, Nr. 1 v. 16.09.1920.
374 ebenda, „Iz naseg programa“ (Aus unserem Programm).
375 Vgl. Jankovic, Milivoj, Hrvatski seljak u novoj drzavi. Razgovori za seljacki puk (Der kroati
sche Bauer im neuen Staat. Gespräche für das Bauernvolk) (Pucka prosvjetna knjiznica, br.
1), (Split, Dezember 1918), S. 53.
376 Medjunarodni Agrarni Biro - Jugoslovenska sekcija (Hg.), Idejno obrazlozenje zemljorad
nicke medjunarodne solidarnosti (Die ideelle Begründung der intern. Bauernsolidarität), Prag
1921, S. 3f.
377 Pravila Saveza Zemljoradnika (Zemljoradnicke stranke). (Statuten des Landarbeiterbundes.
(Landarbeiter-Partei)), Sarajevo 1922, Art. 2, 4, 5 u. Art. 10.; vgl. auch Sorokin, P. A., Ideolo-
gija agrarizma (Ideologie des Agrarismus), Zagreb 1924; Ilic, M., Ekonomsko-socialni pro
gram Jugoslovenske Republikanske Stranke, Beograd 1922; Dokic, R. M., Poslanica zemljo-
radnickom narodu (i) Ustav (Statut, Nacela i Program) Zemljoradnicke Stranke, Beograd
1925; Predlog Ustava Zemljoradnicke Stranke, Beograd 1928 etc.
223
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
chen sich nur langsam Bahn, und da auch nur, was die Gründung von Genossenschaf
ten anging. Die Landarbeiterpartei des Jovan Jovanovic, die einen „Genossenschafts
staat“ (zadruzna drzava) auf unitaristischer Grundlage forderte, mußte sich selbst in
den Gebieten, wo sie Stimmen bekam (hauptsächlich Serbien und in der überwiegend
von Serben bewohnten sog. Bosanska krajina) als ,in der Hauptstadt ackernde Landar
beiter“ verspotten lassen. Erst recht hatten sie in Dalmatien mit Vorträgen über die
„nationale Idee“, die nun 1918 unter den Südslawen gesiegt habe und „eine der Haupt
komponenten des Agrarismus“ sei, einen schweren Stand. „Heimat", so erfuhren die
dalmatinischen Bauern, sei „die Verkörperung der Idee des Nationalismus. Denn
wenn die Volksbräuche, die Sprache und die Schrift die Verbindung sind, die die
verschiedenen Mitglieder eines Volkes untereinander bindet, dann ist das Land die
zentrale Verbindung (Hervorh. im Original), die alles zusammenhält. Denn ohne
Land gibt es keine Heimat, keinen Staat“, das solle der „jugoslawische Bauer“ erken
nen.378 Nur gibt es keinerlei Zeugnisse, daß sich die Bauern in Dalmatien „jugosla
wisch“ gefühlt hätten. Auch die Landarbeiterpartei aus Belgrad schien damit konfron
tiert gewesen zu sein, wenn sie betonen mußte, daß nur sie in der Lage sei, „die
Landarbeiter aus unserem ganzen Land zu vereinigen“ und „die nationalen Streitigkei
ten unseres Volkes zu lösen“.379
Auch der Kampf gegen „Trunksucht, Kartenspielen, Faulheit und alle anderen
schlechten Gewohnheiten, die Gesundheit, Familie und Besitz ruinieren“, wofür sich
der Bund einsetzen wollte, wurde auf dem dalmatinischen Dorf nicht populär.380 Die
Flut von Broschüren, Pamphleten und Schriften, die versuchte, das „Bewußtsein“ der
Bauern zu wecken und sie „aufzuklären“, arbeitete gerne mit Schreckensmeldungen
und drastischen Schilderungen der bäuerlichen Rückständigkeit. Doch ob Daten, wie
daß die „Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahr 15,8%“ betrage, es „60.000 Tbc-
Tote im Jahr“ auf dem Gebiet des Gesamtstaates gebe, während „mehr als 2 Milliarden
Dinar jährlich für Alkohol ausgegeben“ würden und „ganze Provinzen unter Ge
schlechtskrankheiten leiden“, ihren Zweck erreichten, bleibt fraglich. Allzugroße
Hoffnungen mögen sich wohl auch die Aktivisten der Landarbeiterpartei nicht ge
macht haben, hatte doch der gern zitierte Parteivorsitzende Mihailo Avramovic, „Vater
unserer Genossenschaftsbewegung“ davon gesprochen, daß sich „nur 3 % der serbi
schen Landarbeiter aus Zeitungen informieren“ würden. Das materielle und kulturelle
Niveau des serbischen Landarbeiters, und das galt nach Meinung des Verfassers der
Broschüre auch für alle anderen Gebiete Jugoslawiens, sei „erbärmlich“.381 Durchgän
gig mußten sich die als „Brüder Bauern“ angesprochenen in den Broschüren des Ver
bandes sagen lassen, daß schon ihre Ernährung „eine echte Schande für das Zwanzigste
224
Dorf und agrarische Lehenswelt
Jahrhundert sei“, woran „nicht nur die Armut, sondern eben die Unwissenheit“
schuld sei. Die „Frauen können nicht einmal kochen“, wo doch „die halbe Lebens
freude“ im Essen läge. Auch sei „die Moral auf dem Dorf sehr niedrig“, „Vater und
Mutter reden vor den Kindern über alles mögliche. Dort kann man die schamlosesten
Worte hören.“ In diesem Ton ging es weiter. Vom Hof über den Stall bis zur Feldar
beit; die Rückständigkeit sei: „eine Schande für Volk und Staat (...). 80 von hundert
unserer Bauern“ hätten „keine Ahnung“ von modernen Anbaumethoden, dem Einsatz
von Kunstdünger und Maschinen. Die ängstliche und untertänige „Persönlichkeit des
Bauern“ sei auch noch 70 Jahre nach Abschaffung der Leibeigenschaft durch die
Rückstände der Leibeigenschaft gezeichnet. Auch Nord-Dalmatien zählte der Verfas
ser unter die Gegenden, wo der Bauer besonders lebensunwürdig vor sich hinvege
tiere, und illustrierte das durch eigene Beobachtungen in verkommenen Dörfern, die
er bereist habe. Die „Sünden und schlechten Angewohnheiten des Volkes“ werden
von ihm in der Manier eines Abraham a Sancta Clara gegeißelt. Doch sein Bild vom
Dorf war mit Sicherheit ein verzerrtes, wenn er überall nur „Alkohol und Dorfka
schemmen“ entdeckte und „Frauen, die keine Mütter mehr sein wollen“, die abtreiben
und verschwenderisch in Dorfläden einkaufen würden, um irgendwelchen Firlefanz
zu erstehen, anstatt „alles, was sie brauchen, selbst herzustellen, aus eigenem Flachs
und Hanf“, wie es „herrlicher und nützlicher Brauch unseres Volkes war.“382
Doch der „aufklärerische Geist“, der „unserer Bauernschaft“ eingehaucht werden
sollte, damit diese an der „Schaffung und am Ausbau unseres Staates teilnehmen und
mitarbeiten“ könne, wirkte nur langsam,383 wie sich aus der Resonanz auf die zahlrei
chen Broschüren und Flugschriften, die verteilt wurden, ersehen läßt. Pamphlete, die
gegen den „unbäuerlichen Marxismus und Liberalismus“ gerichtet waren, in denen
versichert wurde, daß „nur die Bauernbewegung (...) der Menschheit, neben den
Früchten des Feldes - Brot und Nahrung, auch die „teuersten Früchte des Lebens“,
nämlich „Liebe und Frieden, Kultur des Herzens und Kultur des Geistes“ bringen
könne,384 stießen dabei auf geringeres Interesse als praktische Ratschläge zur Erhö
hung der Produktivität. Unter der Überschrift „Was müssen Bauern und Genossen
schaftler lesen“, bot der Genossenschftsverband daher in günstigen Ausgaben den
Roman „Bauernaufstand“ von August Senoa neben etlichen Fachbüchern des Typs
„Die Konservierung von Oliven“ an. Darunter stand die Mahnung: „Genossenschaft
ler! Gründet in jedem Dorf eine Genossenschaftsbuchhandlung, denn ohne Aufklä
rung gibt es keinen Fortschritt.“385
225
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Die Sprache der kroatischen Verfechter der Genossenschaftsidee war von Anfang an
(nicht nur linguistisch) etwas anders. In ihrer Agitation wurden anti-intellektuelle
Ressentiments leichtverständlich, und für viele Leser und Zuhörer wohl auch plausi
bel, bedient, was v. a. gegen die jugoslawisch orientierten städtischen Intellektuellen
ausschlug, die sowieso als der Bauernschaft feindlich gesonnen gezeichnet wurden.386
Der enorme Einfluß der Kroatischen Bauernpartei ging auf deren Verwurzelung im
Dorf zurück. Ein ganzes Netz von Kultur- und Wirtschaftsorganisationen schuf die
Basis. Ob Gesangs- und Folkloreverein387 oder Alphabetisierungskurse: die Mobilisie
rung des Dorfes war das Anliegen der HSS. Die Bedeutung von Genossenschaftsorga
nisationen der HSS, wie der „Gospodarska sloga“, die beispielsweise den Verkauf von
dalmatinischem Gemüse und Kartoffeln in Zagreb organisierte und für billigeres Saat
gut und Düngemittel sorgte, war immens. Ende 1937 organisierte sie bereits 157.000
Mitglieder.388 Dabei nahm die „aufklärerische“ Tätigkeit, und zwar mehr noch im
nationalen, als im technisch-bildungsmäßigen Sinn, den ersten Platz bei allen Aktivitä
ten der Bauernpartei ein.389 In zahlreichen Büchern und Broschüren bemühten sich
die HSS und ihr nahestehende Publizisten, dem Dorf ihre ausformulierte sozial-utopi
sche Agrarideologie anzubieten.390 Dabei prallten Kritiken, wie die von Veselin Vuki-
cevic in „Nova Evropa“, an den Aktivisten der Bauernbewegung ab. Seit der Staats
gründung attestierten sozialistisch-integralistisch gesonnene Intellektuelle den bäuerli
chen kroatischen „Kleineigentümern“ eine „konservative, kleineigentümerische wan
kelmütige Psyche“, die „ihren Besitzstand bewahren“ wolle. Die kroatischen Bauern
würden „gewissenlosen und ihrer Aufgabe nicht gewachsenen Politikern“ nachlaufen
und ihre Hoffnungen auf ein „'tausendjähriges’ historisches Kroatien“ setzen, obwohl
dieses für die Bauern „nur Erniedrigung und Unglück“ bedeutet hätte. Diese Bauern
würden „Ideologen, die noch immer Utopisten sind“, vertrauen, die die „zeitgenössi
sche Struktur des modernen Kapitalismus“ nicht begriffen und kein wissenschaftliches
Programm hätten. Die „Ideologen“ der Bauernpartei seien „weder Gelehrte noch
Männer der Tat. Ihr Leben besteht in der Negation der industriellen Gegenwart und
in der Rückkehr zu einer patriarchalen Vergangenheit, was sie gleichzeitig revolutionär
und reaktionär“ mache.391 Immer wieder tauchte als Erklärungsmuster für den Erfolg
386 Sarinic, Ivo, Ideologija Hrvatskog seljackog pokreta (Ideologie der Kroat. Bauernbew.), Za
greb 1935.
387 Peran, Srecko, Ivan Bansin (u povodu 100-godisnjice roctenja), in: Kastelanski zbornik 2,
Kastela 1989, S. 106-109.
388 Vgl. Calic, Genossenschaften, S. 72.
389 Sarinic, S. 239-247 u. 248-254.
390 Vgl. ebenda; Alle Biographien der „Führer und Vorkämpfer der kroatischen Bauernbewe
gung“ im Anhang (S. 175-189) strichen heraus, daß HSS-Politiker allesamt „Bauernsöhne“
seien, von Stjepan Radic über Antun Radic, Juro Valecic, Josip Predavec, Duro Basaricek,
Pavle Radic, Ivan Pernar bis Vladimir Macek, obwohl letzterer mittlerweile einen der größten
Schweinemastbetriebe im Zagorje besaß.
391 Vukicevic, Veselin, Ideologija i ideolozi seljacke klase. Mojsije - Tolstoj - Hriscanski socijali-
226
Dorf und agrarische Lebenswelt
der Bauernpartei unter den kroatischen Bauern der Vorwurf auf, sie seien „von dem
Demagogen Radic“ verführt, wie auch der Spliter Dichter Ante Tresic-Pavicic über
zeugt war, bevor er wieder zu kroatischen Staatsrechtspositionen zurückkehrte. Als
Botschafter des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen in Washington, der
sich als „serbischer Botschafter“ vorstellte und in seinen Briefen gegen die „primitiven
dalmatinischen Bauern, größtenteils aus Dalmatien, die emigriert sind und ansonsten
so geblieben sind, wie sie waren“, wetterte, weil sie auch in den Vereinigten Staaten
die Forderung nach einer kroatischen Bauernrepublik unterstützen, ist auch Tresic ein
Beispiel für die Kluft, die sich zwischen Intellektuellen und den von ihnen als „wirr“
apostrophierten Ideen der Bauernbewegung auftat, bevor sich viele beeindruckt von
dem enormen Erfolg der HSS der „kroatischen nationalen Bewegung“ unter der Füh
rung der Bauernpartei in den 30er Jahren anschlossen.392
Auch wenn man wohl davon ausgehen kann, daß die meisten Sympathisanten, die
sich bei den unermüdlich organisierten Kundgebungen der Bauernpartei als Zuhörer
einfanden, die propagierte „bäuerliche Wissenschaft“ und „Ideologie“ von der natio
nalen und sozialen Befreiung nicht bis in die letzten Verästelungen studiert hatten,
waren der großen Mehrheit doch die Hauptparolen eingängig und nachvollziehbar.393
Wenn Miroslav Krleza, der dem impulsiven Radic ansonsten kritsich gegenüberstand,
davon sprach, daß dessen Thesen z.B. über eine eigene kroatische Konstituante „prin
zipiell und formal demokratisch, überaus lapidar, eindeutig und den Massen leicht
verständlich (waren), weil sie logisch waren und weil 99 % der Bevölkerung über diese
Frage so dachten“, drückte er damit genau diese instiktive Zustimmung aus, die sich
bis 1939/40 in Wahlergebnissen spiegeln sollte, die nur den Schluß zulassen, daß es
die Kroatische Bauernpartei geschafft hatte, zur unumschränkten Vertretung der Na
tion zu werden.394
Tatsächlich konnte man aber der Ideologie der Kroatischen Bauernpartei eine gewisse
Nebelhaftigkeit bescheinigen. Neben der Idealisierung des ermordeten Stjepan Radic,
des „großen und unsterblichen Lehrers und Führers des kroatischen Volkes“, wurde
den „Millionen, die instinktiv dieser Bewegung folgen“, aber eine verständliche und
faßbare „Ideologie der kroatischen Bauernbewegung“ an die Hand gegeben, die es
offensichtlich schaffte für die Bauern zentrale Punkte anzusprechen und eine beträcht
liche Mobilisierungsenergie freisetzte 395 Obwohl sicher die meisten nichts genaues
sti - Stj. Radic Ideologie und Ideologen der Bauernklasse. Moses - Tolsoj - die christlichen
Sozialisten - S. R.), in: Nova Evropa, III. Jg., Nr. 6 v. 01.10.1921.
392 Mestrovic, Ivan, Uspomene na politicke ljude i dogadaje (Erinnerungen an politische Men
schen u. Ereignisse), Zagreb 1969, S. 165 u. Korrespondenz v. Tresic im „Historischen Archiv
Split“ (PAS) B ATP.
393 Vgl. Herceg, Rudolf, Die Ideologie der Kroatischen Bauernpartei, Zagreb 1923.
394 Krleza, Miroslav, Deset krvavih godina (Zehn blutige Jahre), Zagreb 1937, S. 544.
395 Bislang ist dieem Themenbereich keine große wissenschaftliche Beachtung geschenkt worden.
Vgl. Boban, Branko, Shvacanja Antuna i Stjepana Radica o mjestu i ulozi seljastva u gospodar-
skom, drustvenom i politickom zivotu (Die Auffassungen v. A. u. S. R. über die Rolle des
227
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
über Begriffe wie „Bauernstaat“, „Bauernkultur“ oder „Volk“ wußten, was die Eck
punkte der „Lehre“ der Bauernpartei waren, überzeugte doch augenscheinlich die
Behauptung ihrer Aktivisten, daß keinerlei „künstliche Ideen“, wie „Sozialismus,
Kommunismus, Faschismus oder Technokratie“ die Probleme des Dorfes lösen könn
ten, sondern einzig die „Idee der Bauerndemokratie“.396
Zu bezweifeln ist aber, ob viele der sogenannten „stolzen Söhne ihrer 1000-jährigen
kroatischen Volkskultur“ die in manchen Publikationen der Bauernpartei gezeichnete
Idylle des bäuerlichen Lebens als solche empfanden. Auch wenn Sarinic in seiner
„Ideologie der Bauernpartei“ es als „Unwahrheit“ bezeichnete, „daß unsere nationale
Bauernwirtschaft rückständig und konservativ ist“ und auf die „modernsten Pflüge“
hinwies, die benutzt würden, ließen sich die Zustände auf dem Dorf doch nicht schön
reden.397 Deswegen hieß es schon fünfzig Seiten später vom selben Verfasser, daß „die
Armut“ ein großes Problem sei und es werden Armut, Krankheit, Alkoholismus und
Analphabetismus auf dem Dorf geschildert.398 Am meisten beklagte er die „Apathie“
auf dem Dorf, das Fehlen jeglicher Initiative, was oft mit Armut entschuldigt würde,
wo mehr die Faulheit schuld sei.399
So wurde für ein aktives Genossenschaftswesen plädiert, das die eingeforderten „wirt
schaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Bauernrechte“400 helfen sollte durch
zusetzen. Die These der „Schwäche der Gesellschaft“ (W. Höpken), die mit dem Ver
weis auf die marginalisierte Rolle aller intermediärer Organisationen und Interessen
vereinigungen versucht wurde zu belegen, die eher „Transmissionsriemen“ des Staates
als autonome pluralistische Interessenvertretungen gewesen seien, relativiert sich et
was mit Blick auf die Mikroebene der Gesellschaft in Dalmatien.401 Was die aus dem
Bedürfnis nach nicht-staatlicher Selbstorganisation entstandenen Genossenschaften
anbelangt, so läßt sich zwar nicht leugnen, daß sie „schnell dem Zugriff politischer
Parteien oder des Staates“ erlagen,402 doch läßt sich der Gedanke auch umkehren.
Die Bauern sahen in der Bauernpartei eben ihre politische Interessenvertretung. Die
Genossenschaften in Dalmatien waren, auch wenn ihre Mitgliederschaft „ökonomisch
Bauerntums im wirtsch., gesellsch. u. politischen Leben), in: Radovi 12 (1979), Zagreb 1981,
S. 265-301; Fischer-Galati, S., Peasantism in Interwar Eastern Europe, in: Balkan Studies 8
(1967), S. 103ff; Moritsch, Andreas, Bauernparteien.
396 Sarinic, Ideologija, S. 8f.
397 ebenda, S. 63.
398 ebenda, S. 156f.
399 ebenda, S. 160.
400 Unter den wirtschaftlichen Rechten wurde das „Recht auf ein Heim (...), auf Land, auf Wald
(...) wirtschaftliche Freiheit und staatliche Hilfe für die Entwicklung der Bauernwirtschaft“
verstanden (ebenda, S. 74 ff); die geforderten politischen Rechte waren „allgemeines und ge
heimes Wahlrecht“ und die Beteiligung an allen Staats- und Verwaltungsaufgaben (S. 77f.);
unter „gesellschaftlichen Rechten“ wurden „ungeschriebene Gesetze oder Bräuche“ und
„Achtung des Bauernstandes in der Gesellschaft“ verstanden (S. 78).
401 Vgl. Höpken, Demokratiepotential, S. 121 ff. u. Sundhaussen, Institutionen, S. 47f.
402 Höpken, Demokratiepotential, S. 123.
228
Dorf und agrarische Lebenswelt
schwach war und der Staat die Genossenschaften mit seiner Kreditpolitik relativ be
nachteiligte“,403 Ausdruck bäuerlicher Selbstorganisation und Fundament der nationa
len Überzeugungsarbeit der Kroatischen Bauernpartei in Dalmatien. Die „Gospodar-
ska sloga“ der HSS, gesetzlich erst 1935 zugelassen, organisierte nach zwei Jahren
(!) schon über 4.500 dörfliche Untergliederungen. Die „Unabhängige Demokratische
Partei“ (Samostalna demokratska stranka), die politische Vertretung der Serben in
Kroatien, versuchte sehr viel weniger erfolgreich, im „Seljacko kolo“ die serbischen
Bauern zu mobilisieren.404
Zum Leidwesen der Propagandisten der Genossenschaftsidee405 in Dalmatien, die sich
von der Gründung von Genossenschaften die Überwindung der Krise versprachen,
waren die dalmatinischen Landarbeiter unmittelbar nach dem Krieg „ziemlich konser
vativ und „Neuerungen“ gegenüber reichlich unzugänglich.“406 Deshalb hätte die dal
matinische Genossenschaftsbewegung „am Anfang mehr wie eine nicht gelungene
Nachahmung dessen“ gewirkt, „was anderenorts von allein und original entstanden
war“ 407 Anhänger der Genossenschaftsidee sahen aber gerade „im armen Dalmatien“
dringenden Handlungsbedarf.408 16 verschiedene Genossenschaftsverbände existierten
1920 im gesamten Königreich SHS.409 Die Zahl der Genossenschaften in der Region
(die erste wurde 1896 gegründet) nahm kontinuierlich zu.410 Eine große Rolle in der
Entwicklung der Genossenschaftsbewegung in Dalmatien spielte dabei der „Genos
senschaftsbund“ (Zadruzni savez) mit Sitz in Split.
Er war 1907 als Zusammenschluß hauptsächlich von Genossenschaften verarmter
Bauern aus Bezirken im Landesinneren wie Benkovac und Knin entstanden, und hatte
403 Die Nationalbank gab 1923 bis 1932 nie mehr als 1,5% ihrer Kreditsumme an die Genossen
schaften aus, meist lag sie erheblich darunter. Vgl. Lakatos, Jozo, Jugoslovenska privreda,
Zagreb 1933, S. 207, hier zit. nach Calic, Genossenschaften, S. 74.
404 Vgl. Bakovic, M., Gospodarska sloga i njeno djelovanje (Die G. S. und ihr Wirken), in: Pre-
gled XIII/163 — 164, S. 501-506, hier zit. nach Roksandic, Agrarne ideologije, S. 256. 1926
fanden in verschiedenen serbisch-orthodoxen dalmatinischen Klöstern Kurse statt, die zu
künftige Leiter von Genossenschaften ausbilden sollten; vgl. Cimbur, Pero, Slovo o dalmatins-
kim manastirima. Krka na Krki, Krupa na utoku Krupe i Dragovic ukraj Dragovica (Zajednica
Srba u Hrvatskoj), Zagreb 1996, S. 47ff. Nach der Mißernten 1928 u. 1929 organisierte die
serbisch-orthodoxe Kirche Klosterspeisungen für Kinder im Kloster Krka.
405 Vgl. Calic, Marie-Janine, Zur Geschichte der Genossenschaften in den jugoslawischen Ländern,
von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Oberländer, E./Lemberg, H./Sundhaussen,
H. (Hg.), Genossenschaften in Osteuropa - Alternative zur Planwirtschaft?, S. 63-78.
406 Vgl. Milicic, Drag., Nase zadrugarstvo (Unser Genossenschaftswesen), hgg. v. Primorska priv-
redna i zadruzna biblioteka, Split 1935, S. 7ff.
407 ebenda, S. 17.
408 Novo doba v. 11.12.1922.
409 Vukmir, Mladen, Predavanje o zadrugarstvu (Vorträge über das Genossenschaftswesen),
Knjiznica Hrv. slav. gospodarskog drustva kao sredisnje zadruge u Zagrebu, Zagreb 1920,
S. XII.
410 Vgl. die Jahresberichte Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Poslovni izvjestaj Upravnog vijeca
Zadruzne Matice u Splitu o stanju i poslovanju.
229
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
1910 bereits 180 Genossenschaften umfaßt. Nach der Fusionierung 1913 mit 68 dalma
tinischen Zweigorganisationen, die vorher zum „Genossenschaftsverband“ (Zadruzna
zveza) in Ljubljana gehört hatten, war der Genossenschaftsverband in Split die eindeu
tig stärkste Dachorganisation der dalmatinischen Genossenschaften.411 Auch wenn
das bloße zahlenmäßige Anwachsen nicht zwangsläufig für eine entsprechende Ver
besserung der Kreditversorgung und Intensivierung des Wirtschaftslebens spricht,
sind sie als wichtige bäuerliche Organisationsformen, über ihre wirtschaftliche Bedeu
tung hinaus, in ihren nationalpolitischen Ausrichtungen eine gute Quelle für die Stim
mungslage unter den dalmatinischen Bauern.
Ganz in der Tradition ihrer Entstehung dominierten auch im Königreich SHS zuerst
Kreditgenossenschaften, deren Ziel es war, die bäuerlichen Subsistenzwirtschaften
durch die Versorgung mit Kapital mehr an den Markt zu binden. Erst in den dreißiger
Jahren gab es mehr Erzeuger- als Kreditgenossenschaften. Produktionsgenossenschaf
ten aller Art, die die Anschaffung von Geräten, Saatgut etc. kreditierten und sich auch
um den Absatz der Produkte kümmerten, gab es bald in fast jedem dalmatinischen
Dorf. Die dem Spliter Genossenschaftsverband angeschlossenen Genossenschaften be
ruhten alle auf dem „Raiffeisen und Schulze-Delitzsch-Prinzip“. Vorträge mit den
Titeln „Genossenschaftsarbeit für die Wiedergeburt des Dorfes“, „Der Ausweg aus
der Wein-Krise“412 oder „Bringen wir den Garten- und Obstbau voran!“ etc. wurden
gehalten, und dann auch in Broschürenform gedruckt und den einzelnen Genossen
schaften zugeschickt.413 Punkt 2 des Jahresberichts „Zadruzna Propaganda“ betonte
(von „ein paar Fällen, wo der genossenschaftliche Geist noch nicht so verbreitet“ sei,
abgesehen) das „hohe genossenschaftliche Bewußtsein“ der Mitglieder. Der monatlich
zugehende „Genossenschaftsbote“, mit Mustervorträgen „für die Vorsitzenden“,
schuf eine feste genossenschaftliche Infrastruktur in den dalmatinischen Dörfern.414
411 Zudem bestand seit 1908 ein „Bund serbischer Landarbeiter-Genossenschaften“ (Savez
srpskih zemljoradnickih zadruga) mit Sitz in Dubrovnik, der 1914 an die 60 Genossenschaften
organisierte.
412 Gemeint war damit, daß neben der italienischen Besetzung von knapp der Hälfte des Gebietes
des ehemaligen Kronlandes, sich besonders der Wegfall des vormaligen österreich-ungarischen
Marktes für die dalmatinischen Produkte, v. a. für Wein, negativ bemerkbar machte. Produk
tion und Verkauf des dalmatinischen Weins halbierten sich. Wurden 1913 noch 1.023.200
Hektoliter produziert, so waren es 1922 erst wieder 535.345 Hektoliter. Entsprechend sank
auch der Exportumsatz, der bis 1927 nicht das Vorkriegsniveau erreichen sollte.Vgl. Bicanic,
Rudolf, Ekonomske promjene u Hrvatskoj izazvane stvaranjem Jugoslavije 1918. godine. Pri-
lozi za ekonomsku povijest Hrvatske (Wirtschaftliche Änderungen in Kroatien, hervorgeru
fen durch die Schaffung Jugoslawiens 1918. Beiträge zu einer Wirtschaftsgeschichte Kroa
tiens), Zagreb 1967, S. 82-87.
413 Vgl. Poslovni izvjestaj 1930, S. 4.
414 Die Titel der verteilten Mustervorträge für die Mitgliedsgenossenschaften lauteten: „Die Not
wendigkeit der Organisierung der Landarbeiter“, „Bilanz der Jahreshauptversammlung“,
„Rede anläßlich der Feier des Genossenschaftstages“, „Über die Agrarkrise“, das „Neue
Agrargesetz“, „Die Aufklärungsarbeit im Winter in den Genossenschaften“, „Wieso sind die
230
Dorf und agrarische Lebenswelt
Wie gleichfalls aus den Jahresberichten hervorgeht, wurden all diese Vorträge im Na
men der „Zadruzna matica“ von insgesamt sechs Personen verfaßt.415
Regionale Ungleichgewichte blieben aber unverkennbar: Zu den „jährlichen Genos
senschaftskursen“ hätten einige „Genossenschaften aus der Zagora niemanden ge
schickt“, obwohl bekannt wäre, daß „sie niemanden haben, der fähig ist, Bücher zu
führen“. Andererseits hält der Bericht fest: „mußten einige Teilnehmer (aus der Za
gora, A. J.) gleich zu Beginn den Kurs wieder verlassen, weil sie keinerlei Grundlagen
wissen mitbrachten.“ Die „Rückständigkeit mancher Mitglieder“, die „große Zersie-
delung in der Zagora“ und „das Fehlen guter und arbeitswilliger Führer“ werden
herangezogen für die Erklärung der Schwäche des Genossenschaftswesens im dalmati
nischen Hinterland.416 Die regionale Verteilung belegt das:
Benkovac 1 1
Biograd 3 2 5
Hvar 8 5 25 1 39
Imotski 2 1 3
Knin 3 1 2 6
Korcula 1 1 2
Livno 1 1
Ljubuski 1 1
Makarska 2 6 6 14
Metkovic 2 3 3 8
Mostar 2 2
Preko 2 8 9 19
Sinj 7 2 2 11
Split 10 6 10 7 33
Supetar 6 4 7 1 18
Sibenik 1 9 1 11
Insgesamt: 174
Quelle: Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o
stanju i poslovanju u god. 1937., Split 1938, S. 9.
Preise für Landarbeiterprodukte so gering?“. Die Zentrale in Split sparte auch nicht mit
„praktischen Handreichungen“ für die Arbeit „im Feld, auf der Weide, im Olivenhain, bei
der Ölverarbeitung, im Obstgarten, Weinberg, Weinkeller, Garten, Stall usw.“, ebenda, S. 8.
415 Die „verdienten Agrarfachleute“ Mato Bobanovic und Ivo Kuljevan, den Angestellten im
Dachverband, „Ingenieur Franjo Tabain“ und „Dr. Vjekoslav Boglic“, sowie den Vorsitzenden
Dr. Tripo Ciko und seinen Stellvertreter „Don Jerko Vodanovic“ belieferten die Mitgliedsge
nossenschaften mit entsprechendem Schrifttum.
416 Poslovni izvjestaj 193, S. 9 u. 16.
231
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
417 Die 8287 auf dem Gebiet des Gesamtstaates registrierten Genossenschaften teilen sich auf in:
4624 Kreditgenossenschaften u. 1566 Beschaffungs- u. Konsumgen., 470 Agrar-, 368 Vieh-
züchtungs-, 170 Milch- u. Käse-, 124 Getreid-, 116 Kleinproduzenten-, 90 Winzer- u. Wein-,
88 Gesundheit-, 88 Wohnungs- u. Bau, 58 Fischerei-, 27 Öl-, 12 Rosmarin- sowie 145 übrige
landwirtschaftliche und 281 sonstige Genossenschaften; Der Verband der Genossenschaften
für Dalmatien in Split zählte im selben Jahr 208 Genossenschaften mit 18.349 Mitgliedern,
die sich aufgliederten in: 69 reine Kreditgenossenschaften, 20 Konsumgen., 119 Landarbeiter
gen., 53 Fischereigen., 14 Ölgen., 14 Winzergen., 10 Rosmarin- und Imkergen., 6 Gartengen.
und 4 Milchgenossenschaften, und das ohne sog. „wilde“ Genossenschaften, deren Zahl auf
ca. 200 geschätzt wurde. Der Verfasser meinte aus seiner Kenntnis der dalmatinischen Gege
benheiten heraus, es müßten in dieser Region sogar 10 mal so viele sein; vgl. Milicic, S. 21.
418 Statisticki godisnjak Kraljevine Jugoslavije 1940, S. 332, hier zit. nach Calic, Genossenschaf
ten, S. 70.
419 Milicic, S. 23.
420 ebenda, S. 31 u. 34.
232
Dorf und agrarische Lebenswelt
Quelle: Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju i poslovanju u god. 1937. za
glavnu godisnju skupstinu 14. studenog 1938. (Bericht des Leitungsrates des Genossenschaftsver
bandes in Split über die Geschäftstätigkeit 1937 für die Jahreshauptversammlung am 14.11.1938),
Split 1938, S. 60f.
wenn es gerade zwischen den Leuten vom Dorf und den Städtern keinerlei Gleichberechti
gung gibt bei uns in Dalmatien. (...) In der Stadt, wo sie unbeschreiblich viel reicher sind,
müssen sie den Popen und den Klosterbrüdern keine Abgaben (redovina) geben, aber der
Bauer aus der Zagora muß alles geben, und wenn er nicht gibt, dann schickt die Macht den
Eintreiber. Ist das wohl Gleichberechtigung?“421
Genossenschaften schienen ein Weg der Selbstorganisation, der ohne zu große Ein
griffe in überkommene Strukturen Vorteile versprach. Trotz der Krise, da der dalmati
nische „Küstenbauer-Weinbauer um die nackte Existenz kämpfen muß“ und viele
Genossenschaften auch wegen der Absatzkrise in Konkurs gingen, nahm ihre Zahl
doch kontinuierlich zu.422
1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937
Kreditgen. 22 37 42 44 45 45 45 48 48 48
Konsumgen. 5 7 8 11 15 23 25 31 36 44
bäuerl. Produktionsgen. 7 20 28 39 47 51 57 60 75 92
Handwerkergen. 1 3 3 4 4 5 5 5 5 6
Übrige - 1 1 3 5 6 8 10 10 12
Ges.: 35 68 82 101 116 130 140 154 174 202
233
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Quelle: Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju i poslovanju u god. 1937. za
glavnu godisnju skupstinu 14. studenog 1938., Split 1938, S. 60f.
Verglichen mit den Zwanziger Jahren ließ sich ein Wachstum bei weiblichen Mitglie
dern feststellen, doch waren Frauen noch immer deutlich unterrepräsentiert. Nur in
der Milchgenossenschaft auf der Insel Silba überwogen Frauen. Auch ist ein kontinu
ierliches Sinken der Analphabetenrate, von 1935 bis 1937, von 27,7 % auf 18 % festzu
stellen. Im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt war das ein hoher Alphabetisie
rungsgrad unter den Genossen, die in ihren Jahresberichten dann auch stolz die An
alphabetenquoten der Kreise Split (54%), Imotski (63%), Sinj (64%) und Mostar
(73 %) als Kontrast anführten.423
Nach Berufsgruppen gliederte sich die Mitgliederstruktur 1936/37 in Dalmatien fol
gendermaßen:
Der Besitz der Genossen in Dalmatien 1936/37 geht aus nachfolgender Statistik her
vor:
Es überwog auch bei den Genossenschaftsmitgliedern der Kleinbesitz bei weitem. Das
spiegelt einerseits die allgemeine Besitzstruktur in Dalmatien wider (in der gesamten
423 Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju i poslovanju u god. 1937. za
glavnu godisnju skupstinu 14. studenog 1938., Split 1938, S. 61.
234
Dorf und agrarische Lebenswelt
Quelle: Zadruzna Matica u Splitu (Hrsg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o
stanju i poslovanju kroz god. 1936., Split 1937, S. 31 u. Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice
u Splitu o stanju i poslovanju u god. 1937. za glavnu godisnju skupstinu 14. studenog 1938., Split
1938, S. 61.
Küstenbanschaft gab es nur 3903 sog. „mittlere Besitzer“, die zwischen 10 und 20 ha
Land zur Verfügung hatten, während es in der Donaubanschaft beispielsweise 38.172
waren), als auch die Tatsache, daß es v. a. die kleinen Landwirte waren, die sich in
Genossenschaften zusammenschlossen. Die Genossenschaften waren Katalysator und
Initiator der Modernisierung auf dem dalmatinischen Dorf. Die Elektrifizierung, um
nur ein Beispiel zu nennen, der Inseln Brac und Hvar konnte durch einen langfristigen
Kredit der Postsparkasse und die Gründung von „Elektro-Genossenschaften“ ver
wirklicht werden. Bei den Inselbewohnern, die finanziell von ihren ausgewanderten
Verwandten aus Ubersee unterstützt wurden, weckte der Elektrifizierungsplan durch
ein auf dem Meeresgrund verlegtes Fernleitekabel große Begeisterung.424 Überall galt
„als Genossenschaftszweck und Vorteil unserer Genossenschaft“, daß „durch die
Elektrifizierung das kulturelle, soziale und ökonomische Niveau der Bevölkerung zu
heben“ ist, „um v. a. die Entwicklung des Tourismus, des Handwerks und aller anderen
Wirtschaftszweige zu ermöglichen.“425
Die zahlreichen „Lesesäle“, die die Genossenschaften in ihren Gebäuden einrichteten,
zeugten vom Bestreben, wirtschaftliche Aktivitäten kulturell zu ergänzen. Doch sol
che Aktivitäten beschleunigten auch die Spaltung der Genossenschaften auf nationaler
Grundlage. So wurden festliche Eröffnungen von Lesegesellschaften, je nach Gebiet,
besonders einmal von der „Serbischen Kreditgenossenschaft“, ein anderes Mal von
kroatischen Genossenschaftlern begrüßt.426 Ab 1935 wurden viele dalmatinische Ge
nossenschaften kollektiv Mitglied in der Gospodarska sloga (Wirtschafts-Eintracht)
der Kroatischen Bauernpartei. Auch aus den Jahresberichten des Genossenschaftsver-
424 Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju
i poslovanju u god. 1939., Split 1940, S. 29ff.
425 Pravilnik zadruga za elektrifikaciju otoka Braca i Hvara, Split 1937, S. 3.
426 Novo doba v. 15.11.1929. Der „Almanah Primorske banovine“ verzeichnet an die 50 „Serbi
sche Landarbeitergenossenschaften“; ebenda, S. 86.
235
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
•V ELEKTRiriKACIJU-
Quelle: Zadruzna Matica u Splitu (Hrsg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o
stanju i poslovanju u god. 1939., Split 1940, S. 30. Der Text lautet: „Die wirtschaftliche Entwick
lung unserer Inseln hängt von der planvollen und rationalen Elektrifizierung ab. Die Hebung der
Industrie und des Genossenschaftswesens ermöglicht die bessere Ausnützung heimischer Pro
dukte und hebt den Lebensstandard. Gute Beleuchtung ist die Voraussetzung des Fortschritts, der
Kultur und der Gesundheit des Dorfes. Bewohner von Brac und Hvar! Propagiert die planmäßige
Elektrifizierung unserer Inseln durch das Schicken von Postkarten in alle Welt. - Bewußte Insel
bewohner! Erfüllt eure Pflicht mit angemessener Begeisterung und Fanatismus. Die Elektro-
Genossenschaft.“
427 Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju
i poslovanju u god. 1937., Split 1938, S. 30.
236
Dorf und agrarische Lebenswelt
1940 hieß es: „Unsere Genossenschaften waren auch in schwersten Zeiten starke Fe
stungen, die dem Ansturm der verschiedenen Regime getrotzt haben. Deshalb haben
sie auch mit höchster Freude die Gründung unserer Banschaft Kroatien (Hervorh. im
Original) als schrittweise Verwirklichung der jahrhundertelangen Bestrebungen des
kroatischen Volkes begrüßt.“ Die Genossenschaften „erwarten von der Banschaft
Kroatien Schutz und Hilfe, so daß sie mit noch größerem Erfolg ihre Aufgabe erfüllen
und aufholen können, wo sie die Gegner der kroatischen Genossenschaftsbewegung
zwei Jahrzehnte lang behindert haben. (...) Auf die Banschaft Kroatien warten viele
wichtige Aufgaben der wirtschaftlichen Erneuerung unseres Dorfes, die Steigerung
der dörflichen Produktion und des Verkaufs, generell der Schutz der Interessen der
Bauern. Im kroatischen Bauernvolk kann auch gar keine andere Politik betrieben wer
den, als eine bäuerliche.“428
Daß der Bauer „Subjekt“ und Gestalter seiner Gegenwart und Zukunft werden müsse,
wurde von der Bauernpartei unermüdlich vertreten.429 Die zu diesem Zweck gegrün
dete „Seljacka sloga“ (Bauerneintracht) entfaltete eine immense Wirkung. Sie war wohl
die bei weitem wichtigste Organisation der Bauernpartei.430 In ihren Statuten wurde
als Vereinszweck die „Beförderung und Verbreiterung der bäuerlichen Kultur durch
Bildungs- und Freiwilligenarbeit“ angeführt, was durch die Gründung von Ortsglie
derungen, Lesesälen und Büchereien, die Herausgabe von Zeitschriften und die Abhal
tung von Alphabetisierungs- und Weiterbildungskursen erreicht werden sollte. Allge
mein war die Rede von „Hilfe für bäuerliche Familien durch Rat und Vermittlung,
die Verbreitung der Genossenschaftsidee“ und alles, was zur „Erleichterung und Ver
schönerung des bäuerlichen Lebens“ dienlich ist. Genauer wurde in den Statuten der
Ortsgliederungen ausgeführt, daß die Gründung von Lesesälen, Büchereien, die Ab
haltung von gemeinsamen Lesekursen, Vorträgen, Alphabetisierungskursen, Rechen
kursen neben den verschiedensten künstlerischen Sektionen (wie Gesang-, Tamburica-,
Laienspielgruppen etc.) und sozialen Aufgaben das Ziel der „Seljacka sloga“ sei.431
Als wichtigstes Aufgabenfeld wurde zunächst die Bekämpfung des Analphabetismus
428 Zadruzna Matica u Splitu (Hg.), Izvjestaj Upravnog vijeca Zadruzne Matice u Splitu o stanju
i poslovanju u god. 1939., Split 1940. S. 3.
429 Vgl. Herceg, Rudolf, Tesko je covjeku u mraku (Schwer hat es der Mensch im Dunkeln),
Zagreb 1919; ders., Svrha, zadaca i rad „Seljacke sloge“ (Zweck, Aufgabe und Arbeit der „Selj.
Sloga“), in: Seljacka prosvjeta 1/1926, S. 5ff. u. ders., Etnografija i etnologija kao znanost.
Seljacka sloga kao pokret (Ethnographie und Ethnologie als Wissenschaften. Die Selj. Sloga
als Bewegung), Zagreb 1941.
430 Vgl. Lecek, Suzana, Organizacija i oblici djelovanja „Seljacke sloge“ (1925.-29.) (Die Organi
sation und die Aktivitäten der „Bauerneintracht“ (1925-29)), in: Casopis za suvremenu povi-
jest (1997), 3, S. 357-378; dies., „Seljacka sloga“. Osnivanje i prestanak djelovanja (1920/
1925-1929), in: Spomenica Ljube Bobana, Zagreb 1996, S. 285-295. Diese Aufsätze sind ne
ben der Magisterarbeit von Anthony M. Sraka (“Peasant Concord“ between the wars: an
examination of the cultural wing of the Croatian Peasant Party with special reference to
the 1920s“, McGill University, Montreal, 1992) die einzigen, mir bekannten, Versuche, sich
intensiver mit der Rolle der Seljacka sloga auseinanderzusetzen.
237
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
gesehen. Schlußendlich sollten alle Aktivitäten jedoch auf eine Hebung des bäuerli
chen Selbstbewußtseins hinauslaufen, ganz im Sinne der Verteter der sog. „Bauerni
deologie“ der HSS. Die gegründeten Organisationen sollten eine Art „Übungsfeld“
für spätere verantwortliche öffentliche Aufgaben sein, die die Bauernschaft in einem
zukünftigen Bauernstaat übernehmen sollte. Rudolf Herceg, einer der Vordenker der
Bauernpartei, an der Spitze der Sloga, sah die Arbeit der Bauern in den Untergliede
rungen als „Vorbereitungen für die Arbeit in den Gemeinden, im Kreis und auch im
Parlament.“432 Seit 1926/27 wurden auch in Dalmatien Untergliederungen in verschie
denen Dörfern gegründet. Zentrum der Entwicklung, die in den Zwanziger Jahren
schon zur Gründung von 217 Ortsgliederungen führte, die 1929 schon mehr als 9300
registrierte Mitglieder umfaßten, war jedoch eindeutig Zagreb und das nordwestliche
Kroatien.433
Die wichtigsten Aktivitäten der Bauernpartei und ihrer Nebenorganisationen wie der
Seljacka sloga begannen erst Anfang November und fielen hauptsächlich in die Win
termonate, also nicht in die Vegetationsperioden, wo die Arbeit auf dem Feld und
der Besuch von Alphabetisierungskursen oder Vorträgen nur schwer zu vereinbaren
gewesen wären. Auch an der Anzahl der eingesandten Beiträge in der Verbandszeit
schrift „Seljacka prosvjeta“, läßt sich der Lebensrhytmus auf dem Dorf bemerken.434
Suzana Lecek hat die enge Verzahnung von bestehenden Ortsgruppen der Bauernpar
tei und Neugründungen von Ortsverbänden der „Seljacka sloga“ nachgewiesen. In
172 Orten ging die Existenz einer Parteiuntergliederung der Gründung einer lokalen
Filiale der „Seljacka sloga“ voraus. Zumal die Parteipresse der Bauernpartei regelmäßig
Werbung für die Idee veröffentlichte und in fast jeder Nummer des „Dom“ Aufrufe
zu finden waren, in jedem Dorf Gliederungen der „Sloga“ zu gründen. Daneben er
wies sich natürlich auch die finanzielle Unterstützung durch die HSS (sofern die poli
tischen Verhältnisse und die Finanzlage der Partei dies zuließen) als äußerst wichtig.
Das Verbot für einige Jahre nach Ausrufung der Diktatur konnte den Wachstumspro
zeß nur bremsen, nicht verhindern, der durch hunderte von Absolventen der Alphabe-
tisierungs- und übrigen Kurse initiiert wurde.
431 Vgl. Pravila „Seljacke sloge“ hrvatskoga prosvjetnoga i dobrotvornoga drustva u Zagrebu
(Statuten der „Selj. Sloga“), Zagreb 1925, hier zit. nach Lecek, Seljacka sloga, S. 359ff.
432 Vgl. Prva glavna skupstina „Seljacke sloge“, tajnicki izvjestaj R. Hercega (Erste Hauptver
sammlung der Selj. sloga, Bericht d. Sekretärs R. Herceg), in: Seljacka prosvjeta 1/1926, S. 5-
8 u. 107f. u. die Broschüre „Sto je i sto hoce „Seljacka sloga“ (Wer ist und was will die Selj.
Sloga), (2. Aufl.), Zagreb 1938.
433 Vgl. die Auflistung m. Gründungsdaten bei Lecek, Seljacka sloga, S. 372-377 u. S. 364. Jede
der Untergliederungen umfaßte in der Praxis mehrere benachbarte Dörfer, manchmal sogar
bis zu 15.
434 Vgl. Druga glavna skupstina „Seljacke sloge“, tajnicki izvjestaj R. Hercega, in: Seljacka pro
svjeta 2/1927, S. 3 u. 62; hier zit. Lecek, Seljacka sloga, S. 362.
238
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
435 Zur Entwicklung vor dem Weltkrieg vgl. Karaman, Igor, Privreda i drustvo Hrvatske u 19.
stoljecu (Wirtschaft u. Gesellschaft Kroatiens im 19. Jh.), Zagreb 1972; Foretic, Dinko, Drust-
vene prilike u Dalmaciji pred prvi svjetski rat s osobitim obzirom na radnicku klasu (Gesell-
schaftl. Verh. in Dalm. vor dem Ersten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der
Arbeiterklasse), Zagreb 1963; ders., Ekonomske prilike u Dalmaciji u drugoj polovici XIX
stoljeca do prvog svjetskog rata (Wirtschaftliche Verh. in Dalm. in der zweiten Hälfte des 19.
Jh. bis zum Ersten Weltkrieg), in: Hrvatski narodni preporod u Dalmaciji i Istri, Zagreb 1969,
S. 9-45; Stulli, Bernard, Ekonomsko-drustvene prilike u Dalmaciji u XIX stoljecu (Wirt-
schaftl.-gesellschaftl. Verh. in Dalm. im 19. Jh.) Dubrovnik 1962.
436 Belin, Ivo, Industrijalizacija Dalmacije, in: Novo doba v. 13.01.1928, S. 3.
437 Novo doba v. 21.06.1919, S. 3.
438 Novo doba v. 22.02.1921, S. 1.
439 Jutronic, Petar, Prikaz elektrifikacije Dalmacije i energetska situacija (Darst. der Elektrifizie
rung Dalm. u. der Energieversorgung), in: Zbornik Drustva inzenjera i tehnicara u Splitu
1958 hrsg. v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 441-466, hier S. 448.
239
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
ken Majdan, Solin und Sucurac aus den Spliter Vororten verbrauchten 1931 „mehr als
ganz Zagreb mit all seiner Industrie“.440
Durch die neue Energie schienen auch viele Intellektuelle beflügelt worden zu sein.
In zahlreichen Artikeln wurde das Bild einer gewandelten Stadt gezeichnet. Zukunfts
entwürfe hatten Konjunktur. Marko Car schrieb 1922 über seine „Eindrücke aus
Split“: „Split ist momentan ein Ort, der hauptsächlich für die Zukunft lebt. (...) (Split)
hat für sich die Rolle des dritten kulturellen und ökonomischen Zentrums innerhalb
des Staates bestimmt. Nach Belgrad und Zagreb, so meint man hier, muß gleich Split
kommen. Und das wird auch unausweichlich so sein, sobald sich um die Stadt herum
die Anfahrtswege verbessert haben, sobald sich in ihren Hafen ein kräftigerer Strom
wirtschaftlichen Lebens ergießt.“441 In den „Spliter Impressionen“ des Schriftstellers
und Historikers Lujo Vojnovic, die in Fortsetzungen 1928 in der Tageszeitung Novo
doba erschienen, wurde die industrielle Entwicklung bilanziert und begrüßt.442 Es
hatte sich vieles geändert: Blickte man nun vom Südosten über die Stadt, sah man das
Stadtpanorama vor der Kulisse der Rauchschwaden, die aus den Schornsteinen der
Zementfabrik aufstiegen. Auch die Steinbrüche am Fuße des „Marjan“, der vorgela
gerten bergigen Halbinsel, waren nicht zu übersehen, und auch die im Hafen angele
genden Dampfschiffe legten Zeugnis ab von einer neuen Zeit. Es waren zwar noch
nicht die Visionen eines Milan Marjanovic verwirklicht, aber der Weg in Richtung
Industriestadt war unverkennbar. Und das nicht nur in Split. In allen Städten und
Städtchen Dalmatiens schien die erwartete „schöne Zukunft“ 1918 kurz bevorzuste
hen.443 Die folgende Schilderung der Entwicklung Splits, als insbesondere für die
440 Gizdic, Drago, O razvoju dalmatinske cementne industrije i o klasnoj borbi u njoj do pocetka
narodnooslobodilacke borbe (Über die Entwicklung der dalmatinischen Zementindustrie und
des Klassenkampfs in ihr bis zum Beginn des Volksbefreiungskampfes), in: Zbornik IHRPD
1, Split 1970, S. 167 u. Kraljevina SHS, Almanah 1924-1925, S. 113-115.
441 Vgl. Marko Car: Utisci iz Splita (Eindrücke aus Split), der 1922 eine ganze Reihe von Beiträ
gen in Novo doba veröffentlichte. Zahlreiche Artikel „Über die Entwicklung Splits und seiner
Umgebung“ erschienen. Die Meinung Marcel Martinis setzte sich durch, daß, „sobald Split
billige Energiequellen zur Verfügung haben wird“, es „zum Aufschwung kommen“ müßte,
da Split im Hinblick auf seine geographische und topographische Lage „bedeutende Vorteile
vor anderen Städten“ aufzuweisen hätte. Sicher sei, „daß Split als Industriestandort eine wich
tige Rolle spielen wird (...)“; vgl. Novo doba v. 17.06.1919, S. 3.
442 Das bemerkt auch Ivo Dellala, wenn auch mit anderer Intention und Wertung — nostalgisch,
die vermeintlich alten ruhigen Zeiten erinnernd -, in seinem Aufsatz „Split koji iscezava,
kucice na obali“ (Das verschwindende Split, die Häuschen an der Hafenpromenade), in: Novo
doba v. 15.04.1924. Darin bedauert der Autor, daß „heute der Rauch der Fabriken dieses
klassische Gebiet bedeckt und daß das Reich der Technik jegliches weitere romantische Phan
tasieren zunichte macht“. Er schließt mit den Worten: „Die Atmosphäre ist grau, jetzt kom
men die Aktien und das Kapital, und das individuell-menschliche verschwindet.“
443 Jadran v. 10.03.1920, S. 2. Ebenso „Tezacka sloga“, Nr. 14 v. 15.03.1920. Einzelaufstellung der
verschiedenen gemeldeten Gewerbe u. Liste der Gewerbetreibenden in der Region bei Stanic,
S. 58-111. Für die 30er Jahre vgl. PAS, Fond TOK, Nr. 601/1936; 1936 sind es auf dem
240
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
a) Split nach dem Krieg: Das Gesicht der Stadt wandelt sich
Die „Wichtigkeit Splits und seine Entwicklung“ war ein Thema, dem die lokalen
Zeitungen gerne und oft breitesten Raum einräumten.445 Wenn im Vorwort des Her
ausgebers von „Savremena opstina“ (Die moderne Gemeinde), Milorad Stojadinovic,
von Split die Rede war, als der „Stadt mit einer großen Zukunft“, deren „allseitiger
Fortschritt uns im allgemeinen nationalen Interesse ehrlich am Herzen liegen muß“,
las man das gern. Das Problem, daß „unsere Küste zweifach isoliert ist, von der übri
gen Welt und von seinem großen nationalen Hinterland446 (Hervorh. im Original)“,
sah man freilich in Dalmatien nur zu genau. Der Diagnose des Belgrader Verfassers,
daß für die Verbindung mit der Welt „Häfen und Schiffe“ und „für die Aufhebung
der nationalen Isolation der schnellstmögliche Eisenbahnausbau“ erforderlich sei, der
„das Küstenland fest mit den übrigen Teilen des Staates verbinden würde“, schloß
man sich ohne Einschränkungen an.
An die Möglichkeit der „grenzenlosen Entwicklung dieses jugoslawischen Hamburg“
die in den leuchtendsten Farben geschildert wurde, glaubte man ja selbst nur zu gern.
Schien „die Zukunft“ nicht „zweifelsohne gesichert“, und mußte Split nicht zu einem
Gebiet der Gemeinde schon 323 angemeldete Gewerbe, vom Lebensmittelhändler, über den
Fuhrunternehmer bis zum Gastwirt.
444 Daten zur Wirtschaftsentwicklung der Region, vgl. PAS, Veliki zupan splitske oblasti. Odjel-
jenje trgovine i industrije. Izvjestaji o privrednim prilikama po srezovima: Benkovac, Biograd,
Knin, Preko, Rab, Split, Sibenik 1929. BH 7/1, Privredni periodicni izvjestaji 1929-1930,
Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Opce odjeljenje. Izvjestaji sreskih
nacelstava o privrednim prilikama 1930.-1931. BH 7/XII, Kraljevska Banska uprava Pri
morske banovine - Split. Odjeljenje za trgovinu, obrt i industriju. Izvjestaji o privrednim
prilikama za srezove: Benkovac, Biograd, Hvar, Imotski, Knin, Korcula, Makarska, Metkovic,
Preko, Sinj, Supetar, Sibenik 1933-1940. BH 7/X, BH 7/11, Periodicni izvjestaji srezova 1933.
Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Odjel za trgovinu, obrt i industriju.
Izvjestaji o ekonomskim prilikama 1935.-1939. BH 7/IV-VIII, Ispostava Banske vlasti Bano
vine Hrvatske u Splitu. Odjel za trgovinu, obrt i industriju. Izvjestaji o privrednim prilikama
1940. BH 8/IX
445 So die Überschrift in Novo doba v. 11.01.1923.
446 Vgl. Vorwort v. Milorad Stojadinovic, in: Bego, Krunoslav, Grad Split i njegova opcina (Split
u. seine Gemeinde), Beograd 1927.
241
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
447 Siriscevic Slavko, Nase morske luke (Unsere Meereshäfen), Beograd 1927, S. 57 u. 70.
448 Bego, S. 10 u. 19.
449 Novo dova v. 18.12.1920.
450 PAS, Sumarni inventar arhivskog fonda, Javni biljeznici srednje Dalmacije (1612-1944)
(Notare in Mitteldalmatien. Inventarliste) inventar izradila Natasa Bajic Zarko, Split 1992.
Neben den Notaren, zählte das Anwaltsverzeichnis der Region (Alfabetski imenik advokata
Advokatske komore u Splitu, Split 1933) während der 30er Jahre in 25 Orten 158 Anwälte
auf, die Mitglieder der Anwaltskammer waren, davon in Split 48.
242
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
um Medizin und einen Arzt zu sorgen, auf sie aufzupassen und sie zu pflegen, mit
wahrer Sohnesliebe, und schließlich gemäß ihrer Zugehörigkeit zum Stand der Land
arbeiter“ (prema njihovom tezackom stalisu) oder „Bürger“ (prema gradjanskom sta-
lisu) zu beerdigen.451 Deutlich geht aus vielen vom Notar aufgezeichneten Testamen
ten, in denen durch ein Kreuzzeichen das Gehörte bestätigt wurde, eine statische
Auffassung von Gesellschaft hervor, die sich nicht wandelt und wo man in seinen
Stand hineingeboren wird.
Doch die Änderungen, die in das tägliche Leben der Menschen wirkten, waren nicht
zu übersehen, obwohl hier nur kursorisch darauf eingegangen werden kann und eine
genaue Darstellung neuer Formen gesellschaftlichen Verhaltens, wie sie sich im Ver
halten der Stadtbewohner widerspiegelten, unterbleiben muß. Die „verrückten Spliter
Jahre“ (lüde splitske godine), unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, waren voller
Ereignisse, die das bis dahin in der tiefsten Provinz dahinschlummernde Städtchen
mit einem (für dalmatinische Verhältnisse) sensationell neuen, modernen Lebensstil
konfrontierten und viele Änderungen initiierten.452
Nicht nur das Aufblühen der Zementindustrie und die einsetzende Elektrifizierung
änderten das Leben in der größten Stadt Dalmatiens. Die Anwesenheit der alliierten
Kriegsschiffe im Hafen, die fremden Soldaten und Matrosen, die heftigen politischen
Auseinandersetzungen, die ersten Touristen,453 die Split besuchten, das (erst recht
nach der aufoktroyierten Grabesruhe der vier Kriegsjahre) enorm intensivierte öffent
liche Leben - all das beschleunigte den Puls der Stadt, den Rhytmus des Lebens
in Split. Wahrscheinlich, wie Anatolij Kudrjavcev schreibt, war die Interferenz des
Traditionellen und des Modernen niemals so deutlich spürbar wie in jenen Jahren.
Split wollte in den zwanziger Jahren kein Städtchen „aus halbvergessenem Lande“
mehr sein, wo in den Gäßchen zwischen buckligen, nichtnumerierten Häusern zer
lumpte, hungrige Gestalten herumlungern, wie das 1875 ein Theodor Schiff beschrie
ben hatte, die winters ihre Wohnungen nicht heizen, wo es „schrecklich langweilig“
sei.454
Wie auch seine Vorgänger, seitdem die Narodna stranka 1882 die Wahlen gewonnen
hatte, stand der Bürgermeister (die „von oben“ eingesetzten Kommissare ausgenom
men) im Fokus nicht nur der lokalen, sondern - auf Dalmatien bezogen - auch der
„nationalen“ Politik.455 Ob als „Vorsitzender“ der „Pucka kuhinja“ (Volksküche) oder
451 Vgl. Katalinic Bruno 1913-1944, PAS AN/LXXXI Testamente 1914-1939 u. N.s./LXXXIV
1918-1939.
452 Kudrjavcev, Anatolij, Vjecni Split (Ewiges Split), Split 1985, S. 41.
453 Vgl. den Artikel von Frane Ivanisevic „Im Land der Sonne und des Meeres - Für einen
Tourismus in Dalmatien“, in: Novo doba v. 05.03.1921, S. 1.
454 Schiff, Theodor, Aus Halbvergessenem Lande, Wien 1875.
455 An der Spitze Splits standen: 1882-85 Dujam Rendic-Miocevic; 1885-93 Gajo Bulat; 1893 —
97 Ivan Manger; 1897-99 Petar Katalinic; 1899-1906 Vinko Milic; 1906-07 Ante Trumbic;
1907-11 Vicko Mihaljevic; 1911-12 Vinko Katalinic; Nov. 1912-März 1913 als Kommissar
Teodor Sporn; 1913-Aug. 14 Vinko Katalinic; als Kommissar Aug. 1914-Okt. 17 Frano
243
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Madirazza; als Kommissar Nov.-Dez. 1917 Vicko Niseteo; als Kommissar Dez. 1917-Okt.
1918 Teodor Sporn; im Okt. 1918 Josip Smodlaka; Oktober 1918—Juli 1928 Ivo Tartaglia; als
Kommissar Juli-Nov. 1928 Petar Bonetti; Nov. 1928-Feb. 1929 Josip Berkovic; Feb. 1929-
Juni 1933 Jaksa Racic; Juni 1933 —Juni 1938 Mihovil Kargotic; Juni-Aug. 1938 Mirko Buic;
Okt. 1938-März 1939 Vlado Matosic; März-Sept. 1939 Ivan Zlatko Vrdoljak; als povjerenik
der BH Sept. 1939-Mai 1940 Stjepan Spalatin; Mai 1940-April 1941 Josip Brkic, vgl. Baric/
Jurisic (Hg.), Splitsko iverje, Split 1983, S. 45 u. Baras, S. 49f.
456 Neben dem Bürgermeister Dr. Ivo Tartaglia waren dies die Beisitzer Jakov Culic, Dr. Edvard
Grgic, Dr. Ivo Cuzzi, Dr. Jaksa Racic. Kaj Jelaska u. Jozo Zelic sowie die Mitglieder des
Gemeinderats: Bartul Barisic, Dr. Josip Berkovic, Ante Boban, Jakov Bozic, Rok Culic,
Franjo Donadini, Marin Feric, Dr. Silvestar Giunio, Dr. Prvislav Grisogono, Dujam Ivanise-
vic, inz. Vjekoslav Ivanisevic, inz. Petar Jozevic, prof. Ivo Juras, Blaz Katic, Ivan Kovacic,
Ante Kuzmanic, Dr. Ivo Majstrovic, Dr. Vlade Matosic, Neven Matulina, Marin Mihanovic,
Milan Mitrovic, inz. Petar Senjanovic, Ivan Tente, Dr. Ante Trumbic. Vgl. Splitski almanah
za god. 1925-26., Izdanje Splitske opcine, Split 1927, S. 47.
457 Vgl. Pervan, Budimir/Vekaric, Zivko, Urbanisticki razvoj Splita od antikne Salone do savre-
menog Splita (Urbanistische Entw. Splits seit dem antiken Salona bis zum modernen Split),
in: Siriscevic (Hg.), S. 25-44.
458 Grad Split 1927 (Typographisches Manuskript im Historischen Archiv in Split) Signatur 116.
459 Z. B. Direkcija Pomorskog Saobracaja, Apelacioni Sud, Drzavno Nadodvjetnistvo, Inspekto-
rat Ministarstva Narodnog Zdravlja, Inpekcija Rada za Obiasti Splitsku, Dubrovacku i
244
Städtische Lebenstedt und Industrialisierungshoffnungen
Milan Marjanovic hatte Split visionär eine Zukunft als Großstadt vorausgesagt. „Die
Zukunft Dalmatiens“, so war er überzeugt, „liegt darin, daß es ein starkes Zentrum
bekommt, eine große, verkehrsreiche Stadt. Erst dann (...) ist Fortschritt möglich,
Entwicklung im großen Stil. Split ist die Stadt der Zukunft (Hervorh. A. J.). Split ist
jenes zukünftige Zentrum Dalmatiens, der zukünftige große Hafen, die Stadt des Ver
kehrs und des Lebens“.460 Pläne wurden geschmiedet für einen „Welthafen an der
Adria“ (svjetska luka na Jadranu), und von der Handelskammer wurden ernsthaft
drei Häfen und eine Börse geplant.461 Die Bevölkerungszahlen und Einnahmen der
Stadtkasse aus Gewerbe-, Boden- und Haussteuern, die nach dem Krieg in die Höhe
schnellten, schienen solch einen Optimismus zu rechtfertigen: In nur 50 Jahren, zwi
schen 1890 und 1941, verdreifachte sich die Einwohnerzahl von Split. Grund dafür
war nicht eine höhere Geburtenrate,462 sondern der Zuzug aus den Dörfern. Um die
Jahrhundertwende zählte das aus den Stadtteilen Grad, Varos, Dobri, Manus, Lucac,
Bacvice, Pojisan, Primorje, Marjan,und Polje bestehende Split 18.000 Einwohner, 1918
waren es etwas über 20.000.463 Zwischen 1921 und 1931 nahm die Bevölkerung der
Stadt von 25.000 auf 43.711 Menschen zu, was einer Steigerungsrate von 57% ent
sprach.464 Die Einwohnerzahl der Stadt hatte sich seit dem Zusammenbruch Öster-
245
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
*0000
7.000
| ,____ A—. V )
& AffOA/'o v::t itf/upcjcj. untsrAmcA'
,NP CCMIKTA IVCKI HfOriCT tfOvt »O
Quelle: Siriscevic, Slavko, Zbornik, S. 28. Text unter den jeweiligen Jahreszahlen: Pest, Dürre/
Pest/Krieg, Pest/Pest/Zementindustrie, Stummelstrecke, Bahnverbindung durch die Lika, Hafen
umsatz, Bahnverbindung durch das Una-Tal, Neue Industrien.
246
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
reich-Ungarns in nur 20 Jahren mehr als verdoppelt. Split breitete sich nach allen
Seiten aus.465
1925 wurde die Eisenbahnlinie durch die Lika endlich fertiggestellt, als erste schwache
Verbindung Splits mit seinem Hinterland und dem europäischen Schienennetz. Nun
konnten Waren aus Europa mit der Eisenbahn transportiert werden, ohne sie in Triest,
Rijeka oder Susak umladen zu müssen. Die megalomanische Euphorie, die die Stadt
verwaltung daraufhin erfaßte: „Die ganze Bucht von Kastela kann zu einem einzigen
Hafen werden, der in der ganzen Welt nur schwer seinesgleichen fände“,466 besaß den
realen Kern, daß durch den Wegfall der Adriahäfen Rijeka/Fiume und Triest, die Ita
lien zugeschlagen wurden, die Bedeutung des Spliter Hafens tatsächlich gewachsen
war.
465 Lag die Einwohnerzahl zwischen 1553 und dem Anfang des 19. Jahrhunderts konstant zwi
schen 3-4.000, ausgenommen zu Zeiten von Pest oder Choleraepidemien, steigt sie erstmals
nach der Zeit der französischen Verwaltung auf über 10.000 und erreicht 1860 23.000. 1921
werden 25.622 Einwohner gezählt, 1926 schon über 30.000, 1941 über 40.000 und 1948 wer
den bei der Zählung 48.248 Einwohner registiert, 1953 dann schon 75.377. Nach Novo doba
v. 15.02.1928 lebten, nach Konfession unterteilt, 1928 in der Region Split 43.416 Einwohner
katholischen Glaubens und 1358 orthodoxe, 293 Israeliten 70 Evangelische, 46 Muslime, 18
Griechisch.-Kathol., 25 ohne Konfession und 24 Einwohner anderen Glaubens.
466 Grad Split 1927, S. 22.
247
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Die zunehmende Wichtigkeit des Spliter Hafens wird deutlich an der steigenden Zahl
der beim Hafenamt beim Einlaufen registrierten Schiffe und den Nettoregisterton-
Quelle: Fijo, Oliver, Splitsko brodarstvo u razdoblju od 1800. do 1940. godine, in: Zbornik, hg.
v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 135-148, hier S. 144f.
467 Vgl. „Pomorska statistika“ hrsg. v. Direkcija pomorskog saobracaja ab 1926, veröffentlicht
von der Trgovinska komora Split; Lit.: Fijo, Oliver, Splitsko brodarstvo u razdoblju od 1800.
do 1940. godine (Die Spliter Schiffahrt in der Zeit zw. 1800 und 1940), in: Siriscevic (Hg.),
S. 135-148, hier S. 144f. Die gesamte jug. Handelsflotte bestand 1941 aus 176 Schiffen mit
398.130 BRT; vgl. Ivulic, Gracijan, Split u razvitku Jugoslavenske trgovacke mornarice (Split
in der Entw. der jug. Handelsmarine), in: ebenda, S. 149-164.
248
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
speichern (auf dem Berg Marjan und im Stadtteil Gripe) bekamen die höhergelegenen
Stadtteile und die oberen Stockwerke der Häuser der Innenstadt fließendes Wasser.
Ein neues Leitungsnetz, das 1932 fertiggestellt wurde, verbesserte die Wasserversor
gung noch. Nach dem Asphaltieren der Uferpromenade 1926 wurden auch andere
städtische Straßen mit modernen Fahrbahnen ausgestattet und die bis dahin nach je
dem Regen zu Schlammlöchern werdenden Straßen eigneten sich nun auch an Regen
tagen für den Verkehr von Menschen und Fahrzeugen.
Die rasche Zuwanderung" habe „eine große individuelle und gesellschaftliche Aktivi
tät in Split" hervorgerufen, die zu einer „Blüte der Stadt“ geführt habe. Deshalb seien
„in keiner anderen Küstenstadt, und in wenigen im Binnenland, solche Fortschritte
auf allen Gebieten der Kultur und der Zivilisation nach der Gründung unseres Staates
zu beobachten, wie in Split“, hieß es in der zeitgenössischen Publizistik.468 Statistische
468 Rubic, Ivo, Gravitacija susjednih zitelja Splita (Gravitation der Umlandsbevölkerung in Rich-
tung Split, Sonderdruck aus „Hrvatski geografski glasnik“ br. 2/1930), Zagreb 1930, S. 114.
249
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Daten als Gradmesser des Aufschwungs und Argument in der öffentlichen Rede er
oberten einen wichtigen Platz in der Lokalpolitik.469
Neben den zugezogenen neuen Einwohnern der Stadt gravitierte auch das gesamte
Umland zu diesem neuentstandenen Zentrum: Ivo Rubic stellte genaue Untersuchun
gen Ende der 20er Jahre an und zählte 1928 717 Menschen, die jeden Wochentag nach
Split pendelten. Dabei räumte er freilich eine große, nicht genau erfaßbare Schwan
kungsbreite ein.470 Diejenigen, die nicht jeden Tag in die Stadt kämen, aber als Markt
frauen, Anbieter von Kleinwaren oder Einkäufer regelmäßig die Stadt aufsuchten,
bezifferte er auf „wenigstens 441 und höchstens 1769“ Personen durchschnittlich pro
Tag. Das Maximum würde „bei Feierlichkeiten, sportlichen Wettkämpfen, Paraden“
etc. erheblich anwachsen.471 In Split waren 104 Tage als Markttage (pazarni dan) de
klariert, an denen man wohl vom oben erwähnten Maximum ausgehen kann. Insge
samt 16 Tage gehören in die Kategorie der „besonderen Tage“, also vor Feiertagen.
Im Resultat kam er auf eine Zahl von 1828 Dorfbewohnern, die mehr oder weniger
regelmäßig Split besuchten. Von insgesamt 37.972 Dorfbewohnern im Einzugsbereich
waren das 5%. Split wurde „faktisch zum Zentrum der Bevölkerung des gesamten
Küstenlandes, in dem sich aus allen Gemeinden und aus einer großen Zahl von Orten
Vertreter befinden“. Diese kämen oft zusammen „sei es auf der Straße, in den Häusern
oder Gaststätten und reden am meisten über ihre Dörfer, erneuern alte Erinnerungen,
sprechen über bekannte Personen oder schließen neue Bekanntschaften.“ Es gab auch
zahlreiche Vereine dieser Zugezogenen. Die zahlenmäßig stärkste Vereinigung war die
aus der „Zagora“ (Zagorska Zajednica), die angeblich 6000 Mitglieder hatte. Auch
deren Leitungsgremien und Aktiven trafen sich regelmäßig im Kaffeehaus, um über
ihre lokalen Fragen zu reden. Diese Vereinigung hatte auch einen eigenen Priester.472
469 Selbst ein „gesundheitlicher Zahlenspiegel“ wurde vom „opcinski statisticki anagrafski ured“
in den 20er Jahren erstellt, der von Geburt bis Tod versuchte, einen „statistischen Überblick“
über das Leben in der Stadt zu liefern. Bis hin zur Zahl der erfaßten „öffentlichen Prostituier
ten“ (281 im Jahr 1924) und den „Kriminal- und Polizeidaten“, die auch „Anzeigen wegen
Majestätsbeleidigung“ oder die im Jahr 1924 103 Anzeigen wegen „Fluchens und Gebrauchs
unhöflicher Ausdrücke“ verzeichnete. 848 Gendarmen und Soldaten sicherten die staatliche
Gewalt. Leider wurden diese Daten nur im „Splitski almanah“ für 1925 ausführlich publiziert
und später nicht mehr. Vgl. Splitski almanah i adresar za 1925. g., Split 1926.
470 Eine Befragung unter den Schulleitern der Spliter Schulen erbrachte die Daten, daß 248 Schü
ler täglich aus der Spliter Umgebung zum Unterricht nach Split fuhren. Die Meisten davon
aus Solin (88), Donja Kastela (25), Kastei Sucurac (23) und Trogir (23). Auch pendelten täglich
128 Arbeiter zu ihrem Betrieb nach Split. Die größte Zahl aus Dicmo (68), Kastei Sucurac
(20) und Klis (11). 303 sog. „Milchfrauen“ (mljekarice) kamen gleichfalls jeden Morgen von
den Dörfern außerhalb in die Stadt; vgl. Rubic, S. 117.
471 Am größten sei der Zustrom „in der Woche vor Weihnachten, v.a. am Heiligabend, vor
Ostern, am Tag des Schutzheiligen von Split (Sv. Duje), vor den Marienfeiertagen (Mala i
Velika Gospa (8.09. u. 15.08.)), oder am zweiten Pfingsttag“, ebenda, S. 119.
472 ebenda, S. 114. Auch fremde Staatsangehörige gründeten Vereine, wie die „Tschechisch-Jugo
slawische Liga“ (Cesko-Jugoslavenska Liga); „Freunde Polens“ (Prijatelji Poljske), oder den
„Russischen Gesangs- und Kulturverein“ (Rusko Pjevacko i kulturno udruzenje). Während
250
Städtische Lehenswelt und Industrialisierungshoffnungen
Sah man auf die steigenden Einwohnerzahlen, das immer weitere Ausgreifen der
Randbezirke, wo vorher nur Felder gewesen waren; blickte auf die Zunahme des
Schiffs- und Straßenverkehrs473 - der Hafen von Split wurde zum „größten im neuen
Staat“- so schien sich in den Zwanziger Jahren vieles vom Vorhergesagten zu verwirk
lichen.
Der Bedarf an Wohnraum in der Stadt stieg daher auch stark an: In den ersten 15
Jahren nach der Vereinigung „wurden alle Straßen in der Stadt asphaltiert, und eine
gewaltige Anzahl moderner Häuser gebaut“, so daß Split „ein ganzes neues Stadtvier
tel bekam.“474 Der neue Bebauungsplan, der aufgrund eines internationalen Wettbe
werbs vom bekannten Architekten Werner Schürmann entworfen worden war, zeigte
plastisch die gewollte Stadtentwicklung.
Es wurde nicht zuletzt wegen der drängenden Wohnungsnot „sehr lebhaft gebaut“ in
Split, nach Zagreb und Belgrad „am stärksten im ganzen Staat.“475 V.a. der Zuzug aus
der vormaligen dalmatinischen Hauptstadt Zadar und deren Umgebung, die Italien
zugeschlagen wurden (die Zahl der Einwohner Zadars sank von 14.056 im Jahr 1910,
auf weniger als 9000 1925), verschärfte die Wohnungsnot. Wegen des Verlustes von
Rijeka und Triest suchten auch zahlreiche Handelshäuser, Schiffahrtsgesellschaften
und andere Unternehmen in Split Wohn- und Geschäftsräume. Die Bautätigkeit476 in
der Stadt wurde angekurbelt durch eine städtische Bau-Aktiengesellschaft, an deren
Spitze der Bürgermeister Ivo Tartaglia stand.477 Ein neuer, moderner Schlachthof,
Ozeanographisches Institut, Hauptpostamt und zahlreiche Wohnhäuser, die einer der
wichtigsten Architekten und geichzeitig Bauunternehmer in der Zwischenkriegszeit
der Zwischenkriegszeit gab es auch noch ein „Cabinetto di Lettura“ der Italiener, die auch
eine Schule und eine eigene Kirche, mit Priester aus Italien, unterhielten, aber im politischen
Leben der Stadt, vor der Besetzung durch italienische Truppen 1941, so gut wie keine Rolle
spielten.
473 Die Bedeutungszunahme Splits als Hafenstadt war v.a. begründet durch den Ausfall des
(nachher bedeutendsten) Hafens von Rijeka und den Häfen von Zadar und Lastovo.
474 Durdevic, Svetozar (Hg.), 20 godina kulturnog i privrednog razvitka Kraljevine Jugoslavije
(20 Jahre kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Königreichs Jugoslawien), Beograd
1938, S. 127.
475 ebenda.
476 Über die Architektur während der Zwischenkriegszeit in Split und Dalmatien vgl. Tusek,
Darovan, Arhitektonski natjecaji u Splitu 1918-1941. (Architektonische Wettbewerbe), Split
1994; Keckemet, Dusko, Splitska meduratna arhitektura (Architektur Splits in der Zwischen
kriegszeit), in: Arhitektura, Nr. 156-157/1976, S. 65-79; ders., Stambena arhitektura u Splitu
u razdoblju izmedu dva svjetska rata (Wohnungsarch. in der Zeit zwischen den Weltkriegen),
in: Arhitektura, Nr. 1-3/1989-91, S. 208-210 u. 25-27; Muljacic, Slavko, Kronoloski pre-
gled izgradnje Splita u XIX. i XX stoljecu (1806-1958) (Chronologischer Überblick des Aus
baus Splits im 19. u. 20 Jh.), in: Zbornik Drustva inzenjera i tehnicara, Split 1958, S. 61-95
u. zahlreiche Artikel über einzelne Architekten od. Bauvorhaben die auch in diese Zeitspanne
fallen von Stanko Piplovic, vgl. Bibliographie bei Tusek, S. 142.
477 Novo doba v. 5.03.1921, 7.04.1921 u. 19.04.1921. Die „Wohnungsfrage in Split“ (Artikelüber
schrift v. 16.04.1921) wurde in „Novo doba“ häufig erörtert.
251
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
in Dalmatien, Marin Marasovic, entwarf und baute, prägen auch heute noch manche
Teile Splits.478 Allein in den Jahren 1925 und 1926 wurden 84 öffentliche und private
Gebäude in Split neu erbaut oder von Grund auf rekonstruiert. 27 große Ausschrei
bungen in der Zwischenkriegszeit, an denen sich viele Architekten beteiligten, zeugen
für den Aufschwung in der öffentlichen Bautätigkeit, die in den Zeitungen auch breit
diskutiert wurde.479 Es entstanden Bürogebäude in Kommunaleigentum (1921-24),
eine Wetterstation (1925-26), ein neuer städtischer Friedhof „Lovrinac“ (1928), neue
Schulgebäude für die Grundschulen in den Stadtteilen Manus-Dobri und Veli Varos
(1929-30), ein Ozeanographisches Institut (1932-33), Hygieneamt (1932-33), Ar
beitsamt (1934-35), Lagerhäuser für zu verzollende Waren und zur Vermietung
(1935-38), ein neues Hauptpostamt (1936-39), verschiedene Klinikbauten (1933 u.
1936-40), das Verwaltungsgebäude der Küstenbanschaft (1938-40), ein neues Gym
nasium im Stadtteil Lovret (1938-40) und das Meeresfreibad Bacvice (1940-41).480
All diese neuen Bauten änderten das Gesicht der Stadt. Doch die politischen Rahmen
bedingungen waren weit von den hochfliegenden Vorstellungen entfernt, die das dal
matinische „Bürgertum“ 1918 erfüllt hatten.
Erste kritische Stimmen waren bald zu vernehmen. Die Bilanz von „Novo doba“ nach
einem Jahr des „gemeinsamen“ Lebens im lang ersehnten südslawischen Staat fiel
nicht gerade erhebend aus. Der Schreiber des Leitartikels mußte feststellen: „Als im
Dezember 1918 die große Tat der nationalen Vereinigung unseres ganzen Volkes voll
bracht war, waren wir alle überzeugt, daß das Jahr 1919 ausgefüllt sein wird mit
ernsthafter und konstruktiver Arbeit, was den Ausbau und die Festigung unseres Na-
478 Piplovic, Stanko, Graditelj Marin Marasovic. U povodu 100. obljetnice rodenja, in: Hrvatska
obzorja. Casopis Matice hrvatske - Split 4/1995, S. 953-960. Auch Marasovic gehörte zu den
Architekten, die Entwürfe des Bildhauers Ivan Mestrovic umsetzten, u. a. sein Mausoleum in
Otavice, das Haus der Kunst in Zagreb, Werkstatt und Haus des Künstlers in Split. Er arbei
tete auch am „Denkmal der Dankbarkeit für Frankreich“ am Kalemegdan in Belgrad, dem
Lovcen-Mausoleum f. Njegos in Montenegro und der Kirche „Krista Kralja“ in Zagreb mit.
479 Karaman, Ljubo, Regulacioni plan grada i Dioklecijanova palaca u Splitu. Glasnik Primorske
banovine, br. 5, 1939, S. 90-95; Dr. I. B., Buduci Split, in: Novo doba v. 29.10.1924; ders., Za
jugoslavenski Stil u graditeljstvu, in: Novo doba v. 06.02.1920; Brajevic, Vinko, Urbanisticki
problemi Splita, in: Novo doba v. 11.06.1938; Culic, Prosper, Razvitak grada Splita 1919—
1929, in: Jugoslavija na tehnickom polju - zbornik hg. v. Udruzenje jugoslavenskih inzenjera
i arhitekata, Zagreb 1930, S. 272-277; Schürmann, Werner, Ein Vorschlag zur Neugestaltung
der nördlichen Umgebung der Domkirche in Split (Spalato), in: Prilog III Vjesniku za arheo-
logiju i historiju dalmatinsku god. 1924-1925, Split 1925.
480 Eine detaillierte Auflistung der zwischen 1918 und 1941 verwirklichten Bauvorhaben in Split
findet sich bei Muljacic, S. 61-96, besonders S. 69ff. („Period izmectu dva rata“). Vgl. auch
Cicin Sain, C., Historijski razvitak grada Splita, hg. v. Muzej grada Splita, Split 1950; ders./
Pervan, B./Vekaric, Z., Direktivna regulaciona osnova Splita. Od antikne Salone do suvreme-
nog Splita, in: Urbanizam i arhitektura Nr. 5-8, Zagreb 1951, S. 5-36; Keckemet, D., Deset
stilova arhitekture jednoga grada, in: Covjek i prostor Nr. 19, Zagreb 1954, S. 2ff., Smodlaka,
J., Dioklecianova palaca i splitska obala drzavno pitanje, in: Novo doba v. 12.04.1936; Radica,
B., Novi Split 1918.-30., Split 1931.
252
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
481 Bei der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung am 18.11.1920 bekam die Kroatische
Volkspartei 27,9%, die Landarbeiterpartei 21,3%, die Kommunisten 16,2%, die Radikale
Partei 11,4% und die Demokraten 10,4% der Stimmen. Die Radikale und die Demokratische
Partei teilten die Stimmen der serbischen Minderheit in Dalmatien unter sich auf. Vgl. Novo
doba v. 23.12.1920, S. 1.
482 Novo doba v. 31.12.1919, S. 1.
483 Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 124-131.
484 Das aktive Wahlrecht für die Wahl zur Konstituante hatten alle Männer über 21 Jahren, die vor
dem 1. Dezember 1918 Staatsangehörige Serbiens und Montenegros waren oder „bis zum 1. De
zember 1918 die Staatsangehörigkeit in Kroatien, Slawonien und Dalmatien, die Zugehörigkeit
in Bosnien-Herzegowina oder das Heimatrecht in einer Gemeinde anderer jugoslawischer Län
der hatten, die nun zum Königreich SHS gehöre.“ Nach Artikel 9 waren als „Staatsangehörige
im Sinne dieses Gesetzes“ all jene zu betrachten, die „ihrer Stammeszugehörigkeit und ihrer
Sprache nach Slawen sind, und ihren festen Wohnsitz im Moment der Erstellung des Wählerver
zeichnisses in einer Gemeinde des Königreiches SHS haben.“ Diejenigen, die nach dem Frie
densvertrag „für ihre Nationalstaaten optieren dürfen“ und jene, „die vor dem November 1915
aus Südserbien ausgesiedelt sind“, waren ausdrücklich vom Wahlrecht ausgeschlossen; vgl. „Ge-
253
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Dabei bemühten sich die Kreise, die in Dalmatien publizistisch den Ton angaben,
den neugegründeten Staat im besten Licht darzustellen.485 Daß Radic in Zagreb und
Slawonien 157.669 Unterschriften gesammelt hatte, um das seiner Meinung nach mit
Füßen getretene Selbstbestimmungsrecht der Kroaten von der Pariser Friedenskonfe
renz und eine eigene kroatische verfassungsgebende Versammlung einzuklagen, erfuh
ren die Leser in Dalmatien keineswegs aus den jugoslawisch orientierten Zeitungen.486
Zwischen 1919 und 1925 war v. a. die Parteipresse der Demokraten am vielfältigsten.
In Zagreb erschien ihr Organ „Rijec“ und in Belgrad „Demokratija“, die gleichlau
tende Kommentare und Parteierklärungen veröffentlichten, nachdem am 10. April
1919 auf dem Kongreß in Sarajevo Svetozar Pribicevic und seine Hrvatsko-Srpska
koalicija und die Samostalna Demokratska Stranka unter Ljuba Davidovic fusionier
ten. In Split übernahmen sie die Zeitung „Zivot“ (Leben) und die alte „Zastava“ von
Oskar Tartaglia. „Novo doba“ war zwar nominell unabhängig, stand aber in seinem
politischen Teil der Demokratischen Partei eindeutig nahe. In Sibenik wurde 1921 die
Zeitung „Demokrat“ für Norddalmatien aus der Taufe gehoben, die aber nur zwei
Jahre lang erschien.
So sehr sich die Demokraten unter Führung ihres Parteivorsitzenden, der Innenmini
ster war, auch bemühten, die „nationale Frage“ für inexistent zu erklären, so wenig
gelang ihnen dies. Schon Ende Januar 1919 häuften sich die Klagen über den neuen
serbisch-dominierten Staat auch in Dalmatien. Die serbisch-zentralistische Bürokratie
rufe immer mehr Unzufriedenheit hervor. Sie habe eine Stimmung hervorgebracht,
die sehr verschieden von jener sei, die vor zwei Monaten noch geherrscht habe. Das
Regime im Land sei „absolutistisch und reaktionär“, schrieb Ivan Lorkovic an Ante
Trumbic,487 und drückte damit die Sorge vieler politisch denkender Kroaten aus, daß
man unter Umständen mit dem neuen Staat nur vom Regen in die Traufe gekommen
war. Und Trumbic selbst, der sich als Vorsitzender des Jugoslawischen Ausschusses
und erster Außenminister für das Zustandekommen dieses gemeinsamen Staates einge
setzt hatte, bemerkte im Nachhinein, daß „das kroatische Volk wirklich nicht befragt
setz über die Wahl der Abgeordneten für die verfassungsgebende Versammlung des Königreichs
der Serben, Kroaten und Slowenen“ (Zakon o izboru Narodnih Poslanika za Ustavotvornu
Skupstinu Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca) vom 02.09.1920, Art. 45ff., in: Sluzbene Novine
v. 06.09.1920, Nr. 195 mit Änderungen durch das „Gesetz über Änderungen im Gesetz auf
Grundlage dessen die Wahlen am 28. November 1920 abgehalten wurden“ (Zakon o izmjenama
u zakonu na osnovi koga su izvrseni izbori na dan 28. novembra 1920. godine“) vom 27. Juni
1922, in: Sluzbene Novine v. 10.07.1922, Nr. 150 XXV.
485 Horvat, Povijest novinstva, S. 374.
486 ebenda, S. 387.
487 Vgl. den Brief von Ivan Lorkovic an Ante Trumbic v. 26. Januar 1919, hier zit. nach Hrvoje
Matkovic: Svetozar Pribicevic i Samostalna Demokratska Stranka do sestojanuarske diktature
(S. P. und die Unabhängige Demokratische Partei bis zur Diktatur des 6. Januar), Zagreb
1972, S. 33.
254
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
worden war und diese Vereinigung niemals plebiszitär bestätigt hat und (nun) unter
einer militärischen Hegemonie, die in jeder Hinsicht türkischer Art" sei, zu leiden
hätte.488
Äußerungen, wie daß die „dringlichsten Wünsche der überwältigenden Mehrheit in
Dalmatien und Split - der Eisenbahnausbau -, vom „jetzigen Regime“ nicht beachtet
würden, tauchten in der ansonsten jugoslawisch gesinnten Tageszeitung auf; die bis
lang völlig ungenügende Vertretung der Kroaten in Belgrad wurde zum Thema.489
Eine „falsche Einheit" würde der Führer der Selbständigen Demokraten, Svetozar
Pribicevic, anstreben; er hätte aus den Kroaten „staatsfeindliche Elemente“ gemacht;
seine Politik habe „die Kroaten keinesfalls zufriedenstellen können“. Pribicevic ver
lange, daß die Kroaten „einfach ihre Vergangenheit und ihre Traditionen vergessen
und eine mechanische Einheit annehmen, in der sich Kroaten nicht wiederfinden kön
nen.“ Dies könne unmöglich funktionieren, zumal ja auch die Serben ihre nationale
Individualität niemals bereit wären aufzugeben.490
Als das ehemalige Mitglied des Spliter Volksrates von 1918, Dujam Mikacic, seinen
Antrag auf Pensionierung vom Amt des städtischen Gemeindesekretärs am 5. Dezem
ber 1925 einreichte, war auch er tief enttäuscht über den „Polizei-Zentralismus“ aus
Belgrad. Seine Denkschrift über die „Verfassungs- und andere aktuelle Probleme Jugo
slawiens“ auf 368 Seiten fand, wie soviele andere konstruktive Vorschläge, keine Be
achtung.491 Anläßlich des 40. Jahrestags der „Volksverwaltung Splits“ hielt Mikacic
einen Vortrag, der auch in „Novo doba“ abgedruckt wurde. In seinem Vortrag, und
auch in einem Brief an seine Tochter, beklagte er das „politische Chaos“ und warnte
mit Blick auf den italienischen Nachbarn vor „dem Unglück, in welches uns unsere
Uneinigkeit stürzen kann“.492 Die „Einigkeit zwischen Serben und Kroaten, wie sie
während des preporod in Split geherrscht“ habe, die er sich bei öffentlichen Auftritten
zurückwünschte, kam nicht mehr zustande. Seine Appelle wurden ignoriert. Nach
Meinung seines Biographen Kortsek, der ihn als Berichterstatter verschiedener Zeitun
gen aus der Bezirksversammlung erlebt hat, war er ein „Anhänger strenger Gesetzlich
keit“. Er verkörperte den Typ des slawischen Oppositionspolitikers im alten Oster-
488 Vgl. Ante Trumbic: Elaborat o hrvatskom pitanju (Denkschrift zur kroatischen Frage), hier
zit. nach Muzic, Ivan, Stjepan Radic u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca, Zagreb 1988, S. 36.
489 Novo doba v. 14.12.1922.
490 Vgl. den Leitartikel „Die falsche Einheit“, in: Novo doba v. 04.09.1925.
491 Vgl. Kortsek, Dujam Mikacic, S. 33ff., S. 49-57 u. S. 85 F 63. In der von ihm gewünschten
„ehrlichen Einheit aller wertvollen und fortschrittlichen Kräfte“ hätte er, neben Slowenen,
Serben und Kroaten, gerne zumindest auch die Bulgaren dabeigehabt, und war überzeugt,
daß „wir nur gemeinsam etwas in der Welt bedeuten“. Immer wieder beschwor er das
Schreckgespenst der drohenden „Fremdherrschaft“, die wieder die notwendige Folge von
„Uneinigkeit“ sein würde (ebenda, S. 34).
492 Dujam Mikacic, Narodna pobjeda u Splitu, govor odrzan u Narodnom kazalistu prigodom
proslave ustolicenja hrvatskog opcinskog upraviteljstva (Der Sieg des Volkes in Split, Rede
anl. d. Jahrestages d. Amtseinf. der kroat. Gemeindeverw. in Split), in: Novo doba, Split,
Nr. 259-262, hier zit. nach Kortsek, S. 21.
255
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
reich, dessen Zeit im neuen, von Belgrad dominierten Staat, abgelaufen war. Es gab
schlechterdings kaum eine slawisch-patriotische Vereinigung oder Organisation in
Split vor 1918, wo Mikacic nicht freiwillig aktiv geworden wäre, später blieb davon
sein großes Engagement im Genossenschaftsverband.493
In Split, wie in den anderen dalmatinischen Städten, wurde Politik traditionell von
einer kleinen Schicht materiell unanbängiger Bürger ,gemacht“. Erst Bauern- und Ar
beiterbewegung aufgrund von Massenpolitisierung artikulierten neue politische Inter
essen von Schichten, die vorher vom politischen Betrieb ausgeschlossen waren, wo
alle anhängigen Fragen mehr oder minder „untereinander“ im begrenzten Kreis ein
flußreicher Stadtbürger verhandelt wurden. In Dalmatien stand auch noch nach dem
Weltkrieg, anders als in schon konsolidierten Industriegesellschaften, der parlamenta
risch-parteipolitische Raum noch nicht unter dem prägenden Einfluß korporativ ver
faßter Wirtschaftsinteressen. Wirtschaftliche Interessen im politischen Leben zur Gel
tung zu bringen, war hier, wie herausgearbeitet wurde, in wesentlich höherem Maße
noch Sache selbstständig handelnder Einzelpersonen und Unternehmen. Ohne daß
die Wechselbeziehungen von Wirtschaft und Politik in verbandsmäßig-dauerhafter
Form durchorganisiert gewesen wären, konnten einzelne Politiker bzw. Unternehmer
oder kleinere Gruppen ihre Interessen verfolgen. Sowohl in der parlamentarisch-par
teipolitischen Szene wie im Wirtschaftsleben waren daher zu Zeiten Österreichs klien
telähnliche, locker formierte und zu häufigem Koalitionswechsel fähige Kleingruppen
weithin einflußreicher als Parteien, Vereine, Genossenschaften u. ä. gewesen.494 Dieses
Merkmal des politischen Lebens änderte sich nur langsam. Doch wenn noch zur Jahr
hundertwende „politische Dynamik“ in engem Zusammenhang mit den Interessen
493 Vgl. Zadrugar, Nr. 9 v. 01.09.1933, der dem Andenken an den verstorbenen Präsidenten Mika
cic gewidmet ist. Aktiv, oft an führender Stelle, war Mikacic auch im: „Slavjanski napredak“,
in den er mit 16 eintritt, (Slawischer Fortschritt), dessen Präsident er später (1899) wird, als
der Verein „Hrvatski napredak“ heißt. Am 19.01.1892 schon wird er Mitglied und Nutzer
der „Slavjanska citaonica“. Seit der Gründung des „Hrvatski sokol“ (1893) hat er auch im
Turn- und Sportverein zahlreiche Ämter inne. Gründungsmitglied der Freiwilligen Feuer
wehr, oft auch im Vorstand. Sekretär des Vereins zur Förderung der Errichtung eines Denk
mals für Gajo Bulat, einen der Führer des preporod in Split. Gleichfalls in zahlreichen anderen
Vereinen (Kroatischer Archäologieverein, Kulturverein „Matica Hrvatska“ (seit 1890), der
„Srpska knjizevna zadruga“ und „Matica srpska“ in Novi sad, Drustvo hrvatskih knjizevnika,
Hrvatsko novinarsko druztvo, JAZU, seit 1898 Gründungsmitglied des „Drustvo za prosvjetu
puka“ in Split. In der Bibliotheksverwaltung 1914 in Split. Seit 1910 Delegierter im „Dalmatini
schen Eisenbahnrat“, im Ausschuß des Vereins zur Errichtung einer neuen Kathedrale in Split,
Aufsichtsratsmitglied der Dampfschiffahrtsgesellschaft „Dalmacija“ seit 1910, in etlichen
„Wirtschaftsräten“, seit 1912 im „Spliter Ausschuß zur Verschönerung der Stadt“, 1921 ist er im
Aufsichtsrat des „Zemljisno-vjeresijskog zavoda za Dalmaciju“, seit der Gründung 1907 hat er
zahlreiche herausgehobene Funktionen im „Genossenschaftsverband für Dalmatien“ inne. An
der Spitze des „Oblasni odbor“ der „Jadranska straza“ stand er bis zu seinem Tod, etc. etc.
494 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 189f. u. Gross, Mirjana, Social structure and National Move-
ments among the Yugoslav Peoples on the Eve of the First Worl War, in: Slavic Review 36
(1977), S. 628-643.
256
Städtische Lehenswelt und Industrialisierungshoffnungen
495 Wie stark die kroatische Homogenisierung geworden war belegen auch die „Rechtfertigun
gen“ von Josip Smodlaka gegen „Vorwürfe aus Zagreb an die Adresse der Dalmatiner“, daß
diese Kroatien mit seinem Drängen auf sofortige Vereinigung mit Serbien „ins Unglück ge
stürzt“ hätten. Josip Smodlaka wies dies entschieden zurück mit dem Argument, daß damals
nicht „zwischen Jugoslawien und Groß-Kroatien“ zu wählen gewesen wäre, sondern „Zwi
schenjugoslawien und Groß-Serbien“. Wie sich das kroatisch-nationale Bewußtsein durchge
setzt hatte, ersieht man aus dem Fortgang der Argumentation: „Groß-Kroatien war nicht zu
verwirklichen, denn der größte Teil jener Länder, in denen Kroaten leben, war okkupiert von
der serbischen Armee, im Einverständnis mit den Großmächten. Kroatien hatte dagegen kein
einziges eigenes Battallion, noch einen einzigen Verbündeten in der Welt, und hätte die Serben
weder aus Osijek, Travnik oder Dubrovnik herausdrängen können.“; vgl. Smodlaka, Zapisi,
S. 74f.
257
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
496 Vgl. Tartaglia, Ivo, Nas drzavni Problem (Unser Staatsproblem), in: Srpski knjizevni glasnik -
Beograd Nr. 1/1922, S. 37-39 u. in: Novo doba v. 21.11.1920; vgl. auch Machiedo-Mladinic,
S. 284.
497 Der „Kongres javnih radnika“ in Zagreb vom 10.9.1922, der von einem gemäßigt integal-
jugosl. Intellektuellenkreis um die Zeitschrift „Nova Evropa“ zusammengerufen wurde, rich
tete seine Hoffnungen auf die nachwachsende Generation. Von den alten Politikern, die, wie
sie argwöhnten, von Groß-Serbien oder Groß-Kroatien träumten, war der Aufbau eines ge
meinsamen Staates der Südslawen nicht zu erwarten. Auch wenn fast 3000 Intellektuelle an
diesem, bis jetzt in der Literatur so gut wie unbeachteten, Kongreß teilnahmen: viel bewegen
konnte diese Initiative tatsächlich nicht. Die wüsten Angriffe der Serbischen Radikalen Partei
von Pasic, der Kroatischen Bauernpartei von Radic und der Demokraten Pribicevics machten
deutlich, daß sie auf Unterstützung in den politischen Kreisen tatsächlich nicht rechnen konn
ten. Den Vorsitz während des Kongresses führte Josip Smodlaka. Zu den Initiatoren zählten
die Redakteure v. „Nova Evropa“ Laza Popovic, Milan Curcin u. Marko Kostrencic. Vgl.
Vorwort v. Marko Kostrencic, in: ders.(Hg.), Zapisi dra Josipa Smodlake, S. 7f.
498 Tartaglias Lebensunterhalt war durch seine Anwaltskanzlei und Ländereien gesichert. Auch
stand er bis zum Beginn des 2. Weltkriegs z.B. der Pucka Trgovinska Banka vor und bezog
ein Direktorengehalt. Vgl. BH 49/IL Zu seiner Biographie vgl. den Aufsatz v. Machiedo-
Mladinic; dort auch Auflistung aller von T. initiierten Maßnahmen zur Verbesserung der
Spliter Infrastruktur, wie Straßenbau, Elektrifizierung, Heimgründungen etc. Die Protokolle
der Stadtratssitzungen der Zwischenkriegszeit „Zapisnici sjednica Opcinskog vijeca Splita“,
wie auch Tartaglias Privatarchiv, befinden sich in der „Naucna biblioteka“ in Split. Auch Ante
Trumbic erfreute sich solch materieller Unabhängigkeit; neben den guten Einkünften, die er
durch seine Kanzlei erzielte, sicherte ihm auch seine Druckerei große Summen. Daneben
besaß auch er noch Bankaktien und Beteiligungen. Während der Zeit seiner Emigration, zwi
schen 1914-18, unterhielt er sich und seine Frau ohne fremde materielle Hilfe. Im genannten
Zeitraum gab er ca. 65.000 österr. Goldkronen, 1400 Pfund Sterling und 10.700 Schweizer
Franken aus, ein eindrucksvoller Nachweis seiner finanziellen Möglichkeiten; vgl. Peric,
S. 160.
258
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
ratistische Forderungen; zu Radic und seiner Bewegung pflegte er zeitlebens ein di
stanziertes Verhältnis. Doch alle konstruktiven Vorschläge, wie größere Dezentralisie
rung des Staates etc. verhallten ohne Wirkung. Nicht einmal die lokale „Selbstverwal
tung der dalmatinischen Städte“, die er einforderte, wurde von Belgrad gewährt.499
Sein Aufruf nach dem Attentat auf Radic, „an diejenigen, die das Ruder des Staates
führen, daß in einem brüderlichen Staat auch brüderlich gemeinsam regiert werden
muß, daß es in ihm weder Besiegte noch Privilegierte oder Ausgebeutete geben darf,
sondern daß Kroaten und Serben das Recht haben, die gleichen Vorteile und Nutzen
für ihre Entwicklung und ihren Fortschritt aus dem Staat zu ziehen“,500 blieb gleich
falls wirkungslos. Nachdem die Polarisierung in Split zwischen den verschiedenen
nationalpolitischen Optionen so groß geworden war, daß die Mehrheit im Stadtrat die
staatlich verordnete Feier des serbischen St. Veit-Feiertages ablehnte, trat Tartaglia
am 30. Juni 1928 als Bürgermeister zurück, blieb aber Stadtratsvorsitzender. Seine
Funktionen und Mitgliedschaften, als Direktor der Volks- und Handelsbank, Mitglied
des Aufsichtsrates der Stadtsparkasse, Mitglied des Vorstands des Fremdenverkehrs
vereins, Vorsitzender des Verbandes der Adria-Städte, Vorsitzender der „Wacht an der
Adria“ und zahlreichen anderen Vereinigungen und Vereinen zeigen ihn als einen
Mann, der vollständig eingebunden war in die lokale politische und wirtschaftliche
Infrastruktur.
Sein Verhalten nach der Ausrufung der Diktatur am 6. Januar 1929, als er zum ersten
Banus der Küstenbanschaft wurde, aber 1932 von diesem Posten zurücktrat, ist sym
ptomatisch für das Verhalten der Kreise, die er repräsentierte. Man wollte dem Ge
samtstaat, und sei es auch unter der Diktatur des Königs, noch eine Chance geben.
Als Tartaglia im Artikel „Das Problem Jugoslawien“ seinen Rücktritt damit begrün
dete, daß es Selbstverwaltung nicht einmal in geringstem Ausmaß gäbe, Beamte ge
zwungen seien, „hegemonistische Ziele“ zu vertreten und dadurch in den „kroatischen
Gebieten“ die Unzufriedenheit mit dem staatlich verordneten Zentralismus immer
größer werde, und er diese Politik nicht mehr mittragen könne, bündelte er in seiner
Position wieder, wie in einem Brennglas, die politischen Einstellungen des dalmatini
schen Bürgertums, was nun endgültig auf den Kurs der Bauernpartei einschwenkte.
Aussagen Tartaglias, wie daß die Kroaten „ihre Individualität, ihre Traditionen und
Errungenschaften, ihr Eigentum und Leben, ihr Recht auf Wohlstand, Fortschritt und
Entwicklung“ nicht opfern könnten noch wollten, sind von denen der Kroatischen
Bauernpartei nicht mehr zu unterscheiden. Auch sie erhob die Forderung nach einer
„freien, gerechten und auf Gleichberechtigung beruhenden Übereinkunft“, eben ei
nem „sporazum“, als „Akt der Souveränität und Ausdruck des Volkswillens“, um
„eigene Einheiten in nationalem, politischem, kulturellem, wirtschaftlichem, verkehrs-
499 Vgl. Tartaglia, Ivo, Samouprava dalmatinskih gradova (Selbstverwaltung der dalm. Städte), in:
Nova Evropa, Nr. 3-4/1927.
500 Vgl. Tartaglias Redenentwurf in seiner Hinterlassenschaft, hier zit. nach Machiedo-Mladinic,
S. 285.
259
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
501 Tartaglia, Ivo, Problem Jugoslavije, in: Nova Evropa, Nr. 2/1934, hier zit. nach Machiedo-
Mladinic, S. 286.
502 Vgl. z.B. Tartaglia, Ivo, Hrvatsko pitanje - Jugoslavensko pitanje (Kroatische Frage - Jugo
slawische Frage), in: Jadranski dnevnik, Nr. 155 v. 05.07.1935.
503 Vgl. Opcina Split (Hg.), typographische Manuskripte im PAS, Predracun opcine Split f. d.
Jahre 1928ff. u. Budzet opcine Split 1928ff.
260
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
504 Vgl. Opcina Split (Hg.), Budzet opcine Split za godinu 1932., Split 1933.
505 Die Aufklärungsschriften eines Milan Marjanovic, der sich noch zu Zeiten Österreichs be
mühte, die „falsche Auffassung im Volke“ zu widerlegen, daß wenn „viele Fremde nach Dal
matien kommen, sie sich hier einnisten und den Heimischen das Brot wegnehmen“, hatten
Wirkung gezeigt. Marjanovic war wohl nicht allein mit seiner Auffassung, daß „von der Re
gierung zu erwarten, daß sie Dalmatien reich machen wird“ der „reine Wahnsinn“ sei. Er sah
eine „wirtschaftliche Wiedergeburt“ nur durch den Tourismus in Dalmatien. Nach und nach
hatte die Bedeutung des Tourismus als Wirtschaftszweig in der Region tatsächlich zugenom
men; vgl. Marjanovic, Milan, Promet stranaca u Dalmaciji, (Der Fremdenverkehr in Dalma
tien) Split 1909, S. 3 u. 9 u. Mastrovic, Vjekoslav, Prvi turisticki savezi u Dalmaciji g. 1899. i
1909. (Die ersten Fremdenverkehrsvereine in Dalmatien 1899 und 1909), Zadar 1960. Doch
die Versuche der lokalen Politiker in der Zeit zwischen den Weltkriegen, den Fremdenverkehr
anzukurbeln, blieben, da „ohne genügende Mittel und ohne Unterstützung des SHS-Staates“,
ohne großen Erfolg; vgl. Pederin, S. 283.
506 Vgl. den Vortrag des Ingenieurs Petar Senjanovic „Die dalmatinische Eisenbahn in Jugosla
wien“, abgedruckt in Novo doba v. 13.,14. u. 15.03.1919.
507 Dimitrijevic, Privredni razvitak, S. 7. Im Vergleich dazu waren es in Kroatien/Slawonien im
merhin schon 96 Schienenkilometer auf 100.000 Einwohner. Zum Bahnbau in Dalm.: Jelino-
vic, Zvonimir, Borba za Jadranske pruge i njeni ekonomski ciljevi (Der Kampf um die
Adriaeisenbahnen und seine wirtschaftl. Ziele), Zagreb 1957 (Neuaufl. 1972).
261
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
ausgezeichnet hätte, zusammen mit dem „nationalen Element der Umgebung“, ein
„aufgeklärtes, wohlhabendes und rein nationales Bürgertum“ besitzen. Split würde
„zu einem bedeutenden kulturellen und wirtschaftlichen Zentrum“ werden. Aus dem
„rein kroatischen Element“ würde nun „ein jugoslawischer Typus, der in sich mit
derselben Liebe alle Elemente des Jugoslawismus, wie des Kroaten- und Serbentums
umfaßt. Das kroatische Split wird so zu einem der Zentren des nationalen Jugoslawis
mus.“ Darum „verdiene Split die allseitige Hilfe des gesamten Staates und Volkes“,
„langsam“ dringe das auch „den maßgeblichen Faktoren im Staat ins Bewußtsein“.509
Doch das „aufgeklärte, wohlhabende und rein nationale Bürgertum“ tat sich immer
schwerer, positive Seiten an der Vereinigung zu entdecken. Hatte man nicht seit jeher
immer nur Versprechungen und Versicherungen von den Herrschenden gehört? Hat
ten kroatische Politiker jeder Couleur nicht in den Jahren vor dem Untergang der
Habsburgermonarchie schmerzhaft gespürt, daß tatsächlich mit „Journalisten ä la Su-
pilo, mit intellektuellen Volkstribunen vom Schlage eines Smodlaka oder demagogi
schen Bauernpolitikern wie Stjepan Radic, mit Josip Frank, dem jüdischen Wortführer
eines nationalistisch-hysterischen kroatischen Kleinbürgertums oder mit,Geldleuten“
der Balkanprovinz wie Pero Cingrija gemeinsam Politik zu machen, (...) für Franz
Joseph und seine engere Umgebung unvorstellbar“ war?510
Mit zahlreicher Entourage bereiste der Kaiser Franz Joseph sein Kronland Dalmatien
und weilte vom 20. bis zum 23. April 1875 auch in Split, nachdem er vorher das
dalmatinische Hinterland mit seinem Besuch beehrt hatte. Es verwundert nicht, daß
die lokalen Honoratioren seinen Besuch als den Höhepunkt ihres Beamtenlebens be
schrieben.511 Seine Beteuerungen in Zara/Zadar, daß er „sich immer um die Entwick-
262
Städtische Lebenswelt und Industrialisiemngshoffnungen
lung dieses Landes“ sorgen würde, das „wegen seiner Lage und der hervorragenden
Eigenschaften seiner Bewohner darauf wartet, einen wichtigen Platz“ unter den Pro
vinzen seines Kaiserreichs einzunehmen, widersprachen offensichtlich der Stellung des
unterentwickelten Kronlandes in der Monarchie.512 Der Präsident der Handelskam
mer „Herr Ritter Petar Abelic“ durfte das Wort an „Seine Majestät“ richten und
ihm die Treue der lokalen Gewerbetreibenden versichern. Doch unterließ er es nicht,
schließlich doch zu erwähnen, „wieviel noch dafür getan werden muß, das Fortschrei
ten dieses Landes voranzubringen, das im Vergleich mit anderen, glücklicheren (Län
dern) Eures weiten Reiches zurückbleibt“. Der Kaiser betonte in seiner Antwort seine
„ununterbrochene Sorge, die der Entwicklung des Handels und des Gewerbes in die
ser Region“ gelte und versicherte seine Zuhörer seiner „kaiserlich und königlich apo
stolischen Huld“.513
Vorliegende Arbeit vertritt die These, daß es nicht zuletzt das Bewußtsein der eigenen
Unterentwicklung war, welches die nationale Emanzipation als Uberwindungsstrate
gie, zuerst unter den Gebildeten, hervorbrachte. Exemplifiziert werden soll das an
einer der Haupthoffnungen der dalmatinischen Peripherie, die sich auf den Eisenbahn
bau richtete. Ein Blick auf die Geschichte dieser, nicht nur im Bewußtsein der Gewer
betreibenden, „Uberlebensfrage“ der Region wird eine der Ursachen für die Generie
rung von nationalem Denken an der Küste identifizieren.
Für die Darstellung der Entwicklung eines spezifischen Bewußtseins unter jenen, die
im Anschluß an das europäische Streckennetz die Vorbedingung jeglicher Verbesse
rung der Lebensverhältnisse sahen, muß nicht auf die kontroverse Forschungsdiskus
sion eingegangen werden, die die Bedeutung des Eisenbahnbaus in den südosteuropäi
schen Ländern für deren Modernisierung durchaus unterschiedlich beurteilt.514 Für
die dalmatinischen Wirtschaftsvertreter und die Öffentlichkeit stand es außer Frage,
daß mit der Eisenbahnanbindung an das Hinterland der Aufschwung an der Küste
einsetzen würde. Ganz in der europäischen Tradition des 19. Jahrhunderts war die
Eisenbahn dem zahlenmäßig kleinen Bürgertum der dalmatinischen Städte Symbol
die „begierig nach Wissen und Wissenschaft“ dürsten, den Unterricht in der „Sprache ihrer
Mutter“ erlaubt hätte (ebenda, S. 48).
512 ebenda, S. 31.
513 ebenda, S. 34. Es wird auch das „Neue Fremdenblatt“ zitiert, daß den „Bau von Straßen,
Eisenbahnverbindungen“ und eine „wichtige Rolle“ für Dalmatien vorhersieht. (S. 69) Jeden-
fall sind als handfeste Ergebnisse des Besuches, neben den „Spenden für die Armen“ in den
Orten, die Franz Joseph besuchte, auch die verteilten Auszeichnungen und Orden für die
Gastgeber auf den 317 Seiten aufgezählt, neben den Reisestationen und der detaillierten Schil
derung des Protokolls. Zu den eingeladenen Gästen beim Bankett in Split gehörte so z.B.
auch als „posjednik“ (Landbesitzer) der „Edle Petar Tartaglia“; vgl. S. 144.
514 Von „Fehlinvestition“ (Senghaas) bis zur Einschätzung, daß es sich um einen der wichtigsten
Industrialisierungsimpulse handelte (Berend-Ränki) gehen die Positionen, vgl. m. genauen
Literaturang. Sundhaussen, Probleme der Industrialisierung und der nachholenden Entwick
lung, S. 299f.
263
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern
erwünschter gesellschaftlicher und politischer Veränderungen, mit dem sich die Hoff
nung auf wirtschaftlichen Aufstieg und Fortschritt verbanden.
Der erste Vorschlag, den Bau eines Eisenbahnnetzes in Dalmatien betreffend, erschien
in der 29. Nummer der in Zadar erscheinenden Zeitschrift „La Dalmazia - Foglio setti-
manale letterario economico“ schon 1846. In einem Artikel, der die Überschrift „Eisen
bahnen in Dalmatien“ trug, schrieb der anonyme Verfasser515 über das Projekt des ge
planten Suez-Kanals und über die publizierten Erfahrungen mit den in Nord-Amerika
zum ersten Mal eingesetzten zugstärkeren Gebirgs-Lokomotiven. Der Autor schlug
den Bau von Eisenbahnverbindungen entlang der alten bosnisch-türkischen Karawa
nenwege vor, auf denen vormals mit dem Osmanischen Reich gehandelt worden war.
Den zahlreichen Eingaben, Petitionen, Denkschriften und Forderungen zu Zeiten
Österreichs, den Bau einer Eisenbahnverbindung betreffend, muß hier nicht weiter
nachgegangen werden.516 Daß man sich „in Wien nicht entschließen (konnte), mit
großem finanziellen Aufwand in einer Region einzugreifen, die allenfalls unter militä
rischstrategischen Gesichtspunkten eine gewisse Bedeutung zu haben schien“, wurde
wohl schon bald in Dalmatien erkannt.517 Wichtig ist, den überragenden Stellenwert
dieser Frage in Dalmatien festzuhalten. Schon 1897 hatte Ante Tresic-Pavicic im Über
schwang seiner damaligen jugoslawischen Einigungsideen ein entwickelteres Split ent
worfen, das durch die Eisenbahn mit Bosnien und Serbien verbunden sein würde.518
Unter dem bezeichnenden Namen „Zeljeznica“ (Eisenbahn) gab der Sekretär im Spli-
ter Rathaus, Dujam Mikacic, als Herausgeber und Redakteur in einer Person, am
12. Januar 1901 ein Blatt heraus, was das wichtigste Anliegen aller am Aufschwung
Dalmatiens Interessierten schon im Titel führte. Im Leitartikel wird von dem „Wun
der“ berichtet, daß alle Parteiunterschiede, wenn die Rede auf die Eisenbahnverbin
dung komme, vergessen seien, und diese Verbindung „Symbol der politischen Verbin
dung, der nationalen Einheit und der Bestrebungen einer neuen Generation“ gewor
den sei. Die Verbindung „der Donau und des blauen Meeres“ würde das „Aschenput
tel Dalmatien“ erlösen.519 In der Nummer 22 der Zeitschrift hieß es dann schon mit
dem Unterton der Verzweiflung: „Seit 30 Jahren enden alle politischen und wirtschaft
lichen Fragen bei uns mit dem Wort Eisenbahn (Hervorh. im Original)“.520
515 Nach Meinung von Hugo Kolb wahrscheinlich Augustin Grubisic aus Makarska; vgl. detaill
iiert: Kolb, Hugo, Zeljeznice u Dalmaciji (Eisenbahnen in Dalmatien), in: Zbornik Drustva in-
zenjera i tehnicara u Splitu 1958 hg. v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 255-280, hier S. 255.
516 Vgl. Kap. XIII bei Seaton Watson, Hugh, The Southern Slav Question and the Habsburg
Monarchy, in dem die politischen Widerstände gegen einen Zusammenschluß Dalmatiens und
Kroatiens und jeglicher Verbindung Dalmatiens mit seinem Hinterland (wegen eines mögli
chen wirtschaftlichen Aufschwungs) geschildert werden.
517 Vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 106, der zeigt, daß der nur rudimentäre Eisenbahnausbau (wie
das fehlende Engagement des großen Kapitals) als Elemente des Modernisierungsprozesses
im 19. Jahrhundert nicht voll zum Tragen kamen; ebenda, S. 106-113.
518 Vgl. Ante Tresic-Pavicic: Po moru (Über das Meer), Sarajevo 1897, S. 45.
519 Zeljeznica, Split Nr. 1 v. 12.01.1901.
520 ebenda, Nr. 22 v. 31.07.1901.
264
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
Sieht man sich die Protokolle der Sitzungen der dalmatinischen Wirtschaftskammer
an, läßt sich gut erkennen, welches Bild der Situation die Vertreter der dalmatinischen
Wirtschaft während der Zwischenkriegszeit hatten und welchen Stellenwert die Frage
des Eisenbahnbaus in ihren Augen besaß.
Um Mentalität des dalmatinischen Bürgertums, Frustrationen und schließlich seine
Hinwendung zu exklusiv national-kroatischer Identifikation während der Zeit zwi
schen den Weltkriegen besser zu verstehen, soll die Betrachtung im Jahr 1912 einset-
zen: Der dalmatinische Statthalter hatte gewechselt, und die Kammermitglieder und
ihr Sekretär Gajo Bulat beeilten sich, den „Herrn Grafen Attems“ in ausgesuchten
Worten „ehrlich erfreut“ zu begrüßen in der Hoffnung, daß „Euer Hochwohlgeboren
seine edlen Absichten zum Wohle des Landes, vor allem in Bezug auf unseren Handel
und Handwerk“ würde verwirklichen können. Man verband die Grußadresse gleich
mit der Bitte um finanzielle Hilfen.521 Auch der neue Statthalter kannte bald die
„Frage der Eisenbahnverbindungen, die gebaut werden müssen zum Zwecke der An
bindung Dalmatiens und Splits mit Bosnien“, die die Kammer in Resolutionen, Einga
ben und Protokollen aufwarf.522 Die Klage über die industrielle Rückständigkeit, un
genügende Verkehrsanbindung und niedriges Ausbildungsniveau der Arbeitskräfte
hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg in Dalmatien Tradition.523 Die Geschichte des
Ausbaus der dalmatinischen Eisenbahn war, in den Augen ihrer lokalen Befürworter,
zu diesem Zeitpunkt bereits eine traurige. Selbst die lokalen dalmatinischen Klein
bahn-Streckenabschnitte waren sehr langsam verwirklicht worden. Am 1. April 1873
hatte nach jahrzehntelangem Drängen der Reichsrat in Wien das Gesetz über den
Bau einer Eisenbahnverbindung von Split über Knin bis zur dalmatinischen Grenze
beschlossen. 1877 wurde die Strecke nach Zadar und Sibenik für den Verkehr freigege
ben, im selben Jahr die Strecke Split - Siveric mit der Abzweigung nach Sibenik, 1888
die Verbindung Siverics mit Knin. 1903 wurde die Strecke Split - Sinj eingeweiht,
und dabei blieb es dann auch, bis 1913 auf Drängen des österreichischen Generalstabes
und aus militärstrategischen Gründen mit dem Bau der Eisenbahnstrecke durch die
Lika begonnen wurde. Auf dalmatinischer Seite gingen die Bauarbeiten auch während
des Krieges weiter, bis am 31. Januar 1918 Knin von italienischen Truppen besetzt
wurde.524 Eine richtige Verbindung mit dem Hinterland war also am Ende des Welt
krieges immer noch nicht hergestellt. Immer wieder wurde der „vollkommene ökono
mische Verfall Dalmatiens“ in zahlreichen Sitzungen von den Kammermitgliedern be
schworen. Grund dafür seien die „Schikanen der ungarischen Regierung“ und weil
521 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Spljetu. Zapisnik I. redovite sjednice obdrzavane 3. aprila
1912, S. 6f.
522 Vgl. TOK u Spljetu Zapisnik II. redovite sjednice obdrzavane dne 16. studenoga 1913, S. 6.
523 Vgl. Juras, Ivo, Pregled gospodarstva i trgovine u Dalmaciji (Übersicht über Wirtschaft u.
Handel in Dalmatien), Zadar 1910.
524 Kolb, S. 256ff. u. Milenkovic, Petar, Istorija gradenja zeljeznica i zeljeznicka politika kod nas
(1850-1935) (Geschichte des Eisenbahnbaus u. der Eisenbahnpolitik bei uns), o.O o.J. (Split
1936).
265
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
525 Zapisnik sjednice obdrzavane dne 22. studenoga 1914 (Sitzungsprotokoll v. 22.11.1914), S. 15,
27f., 149.
526 Zapisnik sjednice obdrzavane dne 21. ozujka 1915, S. 16.
527 Zapisnik sjednice obdrzavane dne 24. lipnja 1917, Akt. Nr. 1605/1916, S. 4.
528 ebenda, Akt. Nr. 40/1917, S. 5 u. Akt Nr. 1572/1916, S. 6.
529 Zapisnik sjednice obdrzavane dne 20. listopada 1918, S. 25.
266
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
österreichische Regierung zerfiel, unfähig auch nur den Konkurs abzuwickeln, was man auch
von einem bankrotten Händler erwartet. Die Kammer, deren Aufgabe die Förderung des
Handels und des Handwerks ist, (...) beobachtete diese großen Ereignisse, die sich schließlich
in rasender Geschwindigkeit entwickelten, was die Folge eines jeden Zusammenbruches ist,
und konnte nicht anders als froh sein, daß ein System begraben wurde, das die politische und
wirtschaftliche Ausbeutung der nicht-deutschen und nicht-magjarischen Völker bedeutete.
Müssen wir den Kampf erwähnen, der über 70 Jahre dauerte, um eine Eisenbahnlinie zu
bekommen, die uns mit unserem Hinterland verbinden würde und mit dem Eisenbahnnetz
der verblichenen Monarchie? (Hervorh. A. J.)
Alle unsere wichtigsten ökonomischen Fragen waren nichts als ein einfaches bürokratisches
Spiel gewesen. (...) alle Gesetze blieben bloß auf dem Papier. (...) Der größte Hafen auf dieser
Seite der Adria - Split - der alle Voraussetzungen für den Welthandel erfüllt, mußte sich
auf den Regionalverkehr beschränken, ohne eine einzige direkte Verbindungslinie mit dem
Mittelmeer und den Ozeanen. Deshalb bedeutet der Zerfall Österreichs und die Proklamation
des einheitlichen SHS-Staates für uns eine politische Wiedergeburt und eine ökonomische
Befreiung, und voller Zuversicht gehen wir einer besseren Zukunft entgegen. (...) Das rein
jugoslawische Volk darf nie mehr politischer und ökonomischer Ausbeutung ausgesetzt sein.
(...) So wie unser einheitlicher Staat SHS das Erreichen unserer politischen Bestrebungen und
Ideale bedeutet, so bürgt er auch für das Erreichen von all unseren ökonomischen Forderun
gen. Wir werden nun zur Küste eines Volkes von über dreizehn Millionen Menschen, das
jetzt alleine über seine wirtschaftliche Zukunft entscheidet; wir hören auf, ein Volk der Bettler
zu sein, das ergebnislos über ein Jahrhundert lang seine ehemaligen Herren bitten mußte, uns
das zu geben, was seit langem schon Sibirien und wilde afrikanische Gegenden besitzen: ein
Stück Eisenbahn. (...). Deshalb begrüßt das Präsidium mit großer Begeisterung die Gründung
des neuen Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (...).“
Hatte doch der neue Herrscher aus Belgrad seinen „lieben Dalmatinern“, deren Sinnen
und Trachten seit jeher auf die Vereinigung gerichtet war, versichert, daß seine „beson
dere Sorge auch der Hebung des wunderbaren, bis jetzt vernachlässigten Dalmatien
sein“ gelten würde, dem er „aus der Tiefe des Herzens meinen königlichen Gruß“
entsandte, mit der Versicherung, daß „an der freien Adria der alte Glanz und Wohl
stand zurückkehren“ wird.530
530 Vgl. Telegramm des Regenten Aleksandar v. 5.12.1918, hier zit. nach Bosnjak, Ilija, Rijec
narodu o narodnom ujedinjenju i proglasenju jedinstvenog Kraljevstva svih Hrvata, Slovenaca
267
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Die Versammlung der Handwerks- und Handelskammer beschloß, den Bericht des
Präsidiums über die „ökonomische Befreiung Dalmaties“ in den lokalen Zeitungen
„Novo doba“ und „Jadran“ zu veröffentlichen.531 Endlich schien also der Moment
gekommen zu sein, wo sich im neuen nationalen Staat auch das wichtigste dalmatini
sche Anliegen erfüllen würde. In Zeitungsartikeln und Vorträgen wurde die Eisen
bahnfrage unter Anteilnahme einer interessierten Öffentlichkeit diskutiert.532 Der
„Vertrauensmann für die Eisenbahnen“ des Zagreber Nationalrats hatte den Ingenieur
Nikola Plavsic schon am 23. November 1918 mit dem Befehl Nummer 115 mit der
Fortführung und vollständigen Übernahme der von der M. A. V. (Magyar ällamvasu-
tak = ungarische Staatsbahn) begonnenen Bautätigkeit an der Eisenbahnstrecke beauf
tragt, die Zagreb über Ogulin - Gospic - Knin mit Split verbinden sollte. Der Strek-
kenabschnitt bis Gospic wurde am 21. Januar 1921, bis Gracac am 15. Juni 1922 in
Betrieb genommen.533
In der Broschüre,534 die zwei Vorträge enthielt, die zuvor schon in der Tageszeitung
„Novo doba“ erschienen waren, stellte einer der Wortführer in dieser Frage, der Inge
nieur Senjanovic, fest, daß die „Eisenbahnfrage bei uns immer ein Symbol der Freiheit
war“. Der Kampf um die Eisenbahn bedeutete gleichzeitig auch Kampf um wirtschaft
liche und politische Unabhängigkeit, „denn gerade bei der Eisenbahnfrage war das
deutsch-magjarische System am drückendsten zu spüren, das uns politisch unter
drückte und ökonomisch aussaugte. Heute in der Freiheit ist es unsere Aufgabe, un
sere größten national-ökonomischen Bedürfnisse zu verwirklichen und andere Wege
zu beschreiten.“ Der Verfasser konnte sich sicher sein, daß seine Aufzählung von
„Erniedrigungen, unerhörten Bitten, gegebenen und verratenen Versprechungen, die
trotz Gesetz und Unterschrift des Kaisers niemals erfüllt wurden“, seine Feststellung,
daß Dalmatien „zwei Generationen lang mit einer Stimme flehte: Gebt uns eine Eisen
bahn!“ von seinen Lesern und Zuhörern gleichfalls als Skandal empfunden wurde.535
i Srba. Izdao Obavijesni ured kr. zemaljske vlade u Splitu (Leonova tiskara) (Ein Wort an das
Volk über die nationale Vereinigung und die Proklamation eines einigen Königreichs aller
Kroaten, Slovenen und Serben. Hg. v. der kgl. Landesregierung in Split), Split 1918, S. 22.
531 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I 23. veljace 1919, Akte Nr. 2027/1918,
S. 5-9.
532 Vgl. Senjanovic, Petar, Dalmatinska zeljeznica u Jugoslaviji. Predavanje odrzano u Splitu dne
12. i 13. ozujka 1919., Split 1919.
533 Vgl. Udruzenje jugoslavenskih inzenjera i arhitekata (Vereinigung der jugoslawischen Inge
nieure und Architekten) (Hg.), Dalmacija, 1923, wo gleichfalls wortreich Klage geführt wurde
über die verkehrstechnische Isolation Dalmatiens.
534 Vgl. auch Senjanovic, Petar, Nasi izlazi na more. U Dalmaciju ili na Neum-Klek? (Jedan
odgovor), Split 1920, wo er auf eine ganze Serie von Artikeln, die M. Jovanovic im „Bosanski
Lloyd“ (1919, Nr. 1-13 u. 1920, 1-2) verfaßt hatte antwortet. Die „Frage des Eisenbahnbaus“
sei für Split „bei weitem“ die wichtigste. Seitens der „Verbündeten“ sei Split jetzt schon über
ein Jahr „von der Meerseite blockiert“ (S. 2).
535 ebenda, S 3. Schon 1856 ersucht der dalm. Statthalter Frano Borelli um eine Eisenbahnanbin
dung Dalmatiens nach, um die Adria mit der Donau zu verbinden. Die Handelskammer
268
Städtische Lehenswelt und Industrialisierungshoffnungen
Selbst auf der Pariser Friedenskonferenz wurde die Eisenbahnfrage als Argument ver
wendet. Der ehemalige Spliter Bürgermeister und 1919 Außenminister des Königrei
ches SHS, Ante Trumbic, gab zu Protokoll: „Ich muß noch betonen, daß es sich (im
Falle Dalmatiens, A. J.) um arme Gebiete handelt, die sich wirtschaftlich nur in einem
unabhängigen Staat entwickeln können, zusammen mit ihrem Hinterland.“ Im Gegen
satz zur vorherigen Politik Österreichs, der es nur um „Eindringen auf den Balkan
gegangen“ sei, werde das neue Königreich SHS diese Politik der Nichtanbindung
„vollständig ändern durch den Bau von transversalen Eisenbahnlinien, um auf diese
Weise den Handel über das Meer zu verstärken.“536
Nun, so freute man sich nach der „Befreiung“ in Dalmatien, im Königreich der Ser
ben, Kroaten und Slowenen, könne man die günstigsten Streckenführungen beschlie
ßen und es würde nicht mehr nur geschehen, was die „fremden Herren“ wollten und
„nur ihren Zielen und Bedürfnissen gedient“ habe. Die erste Aufgabe wäre nun „die
Verbindung Split-Mostar-Sarajevo“; der Verfasser ahnte „phantastische“ Möglichkei
ten, nur die Kostenfrage machte ihm „angesichts der heutigen Umstände“ etwas Sor
gen. Doch „wir in Dalmatien sind glücklich, daß unsere Wünsche und Bedürfnisse
nicht nur nicht konfligieren mit den Interessen anderer Regionen unseres Königreichs,
sondern daß sie identisch sind mit den wirtschaftlichen Interessen und Forderungen
aller anderen, sowohl Sloweniens, als auch Kroatiens, Bosniens und Serbiens.“537
Doch die „identischen Interessen“, die Senjanovic 1919 gesehen hatte, führten noch
lange nicht zu schnellen Verbesserungen der Situation. Die „Probleme Dalmatiens“,
die die Region im Habsburgerreich bedrückt hatten, blieben dieselben.538 Anfangs
war man sich in Wirtschaftskreisen durchaus einig über die Notwendigkeit von Geset
zesangleichungen, die von dem Kongreß aller jugoslawischen Wirtschaftskammern in
Belgrad auf allen Gebieten gefordert wurden.539 Verbaler Unterstützung, wenn der
in Split übergab 1861 dem Minister Wickenburg die erste Petition in der Sache. Auch der
Bürgermeister Bajamonti setzt sich in einer Rede vor dem Stadtrat am 9.6.1862 dafür ein. Im
dalmatinischen Landtag wurde 1863 die Streckenführung verlangt. 1866 wurde erneut ein
ausführliches Memorandum von den Spliter Stadtvätern übergeben, bis, nach vielen Memo
randen, endlich 1873 das erste Eisenbahngesetz verabschiedet wurde, welches vorsah, daß
Split über Knin mit Sibenik verbunden werden sollte. In der Begründung hieß es, daß Split
„als östlichster Hafen der Monarchie (der 200 Meilen näher am Suezkanal liegt als Triest, 308
Meilen von Genua und 380 von Marseille) als Vorposten von Triest den Transitverkehr mit
Ostindien und der Levante übernehmen soll.“ Nach einigen Monaten wurde von diesem
Plan abgegangen und nur zwei Teilstrecken Split-Siveric und Perkovic-Sibenik in Angriff
genommen.
536 Vgl. Ekspose Dr. Trumbica pred Vijecem Desetorice dne 18. februara 1919., in: Sisic (Hg.),
Zagreb 1920, S. 23-27, hier S. 25.
537 ebenda, S. 4 u. Off.
538 Vgl. den Artikel d. Redakteurs v. „Novo doba“, Vinko Kisic, „Problemi Dalmacije“, in: Nova
Evropa, Bd. XV/1925.
539 Fünf verschiedene Gesetzgebungssysteme waren zu diesem Zeitpunkt im Gesamtstaat in
Kraft. Das in Dalmatien (u. Slowenien, sowie auf der Insel Krk und in der Gemeinde Kastav)
269
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
„Ausbau der Verkehrswege“ angemahnt wurde, konnte man sich sicher sein. Der
Kongreß aller Wirtschaftskammern im Königreich beklagte die eigene Einflußlosigkeit
und hoffte auf einen „starken, fortschrittlichen und einheitlichen Staat“, wie die Bel
grader „Politika“ am 21. September 1925 schrieb, was im Nachwort des Protokoll-
Bandes zustimmend zitiert wurde.540
Doch auch Jahre nach der Vereinigung waren nicht einmal vereinheitlichte gesetzliche
Grundlagen geschaffen. Noch 1927 beklagte der Präsident der Spliter Handels- und
Handwerkskammer, Juraj Dubokovic, die Uneinheitlichkeit der geltenden Gewerbe
gesetze (es galten 4 unterschiedliche im Staat). Erst mit dem Gewerbegesetz vom
9. November 1931, das ein Jahr später in Kraft trat, wurden die Rechtsnormen auf
dem Gebiet des Königreiches vereinheitlicht.541 Alle jugoslawisch-patriotischen Re
den konnten darüber nicht hinwegtäuschen.542
Die 1923 verabschiedete Resolution faßte noch einmal zusammen: „Das nördliche und
mittlere Dalmatien verspürt die unabdingbare Notwendigkeit, sich sobald als möglich
mit den schon existierenden Eisenbahnarterien zu verbinden und so mit unserem gan
zen jungen Staat eine wirtschaftliche Einheit zu bilden. Da es im Moment keine Hoff
nungen gibt, daß sofort alle notwendigen Verbindungen zustande kommen, drücken
wir den Wunsch aus, daß wenigstens die Verbindung Knin-Pribudic-Gracac so bald
wie möglich ausgebaut wird. (...) Uns dem Wunsch der gesamten Bevölkerung des
nördlichen und mittleren Dalmatien anschließend, möchten wir, die wirtschaftlichen
Kreise dieses Gebietes, die herzliche Bitte an alle staatlichen Faktoren richten, daß
wenigstens alle notwendigen Mittel für die Verbindung Knin-Pribudic-Gracac gesi
chert werden, und daß mit aller Macht die Ausführung vorangetrieben wird, daß
wenigstens eine der Lebensfragen des nördlichen und mittleren Dalmatien einmal ge
löst wird.“543
Ab jetzt trug das Eisenbahnprojekt den Namen „Unska zeljeznica“, und die Kammer
traf die Erkenntnis hart, daß „nur 2 Millionen Dinar für die Arbeiten an der Eisen
gültige österreichische Steuerrecht ging bei den sog. „Realsteuern“ von einem Durchschnitt
sertrag pro Klafter (=0,575 ha), in Kronen, von Werten aus, die anläßlich der Katasterrevision
1897 (bzw. 1912) festgesetzt worden waren. Vgl. Letica, Dusan (Hg.), Zakonski sistemi nepos-
rednih poreza u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca (Das gesetzliche System der direkten
Steuern im Kgr. SHS), Sarajevo 1921.
540 Vgl. Beogradska Trgovacka komora (Hg.), III redovni kongres privrednih komora i organiza-
cija Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, odrzan na dane 19. i 20.09.1925. godine u Beogradu,
Beograd 1925, S. 100 u. 109f.
541 Vgl. Marcic, Stjepan, Vaznije odredbe zakona o radnjama (9. novembra 1931. g.) za sluzbo-
davce i pomocno osoblje (Die wichtigeren Bestimmungen des Gewerbegesetzes für Arbeitge
ber u. Hilfspersonal), Split 1931.
542 Trgovacko-Obrtnicka Komora - Split (Hg.), Obrtni zakon. Izvjestaj o konferenciji privrednih
komora Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, Split, 7.-8.VI.1927. (Das Gewerbegesetz. Bericht
über die Konferenz der Wirtschaftskammern des Kgr. SHS in Split 1927), Split 1927, S. 119f.
543 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I. komorske sjednice obdrzavane 10. srpnja
1923, S. 13.
270
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
Generell wies die Kammer darauf hin (und tat das immer wieder), daß Dalmatien bei
allen vorgeschlagenen Gesetzen benachteiligt würde. Ob bei den unmittelbaren Steu
ern, den Einkommensteuern, den administrativen Gebühren oder anderen, überall
rechneten die dalmatinischen Finanzexperten dem Ministerium vor, daß Dalmatien
benachteiligt und die angestrebte Gesetzessynchronisierung in sich widersprüchlich
sei.548 Tatsache war, daß die ungarischen und österreichischen Steuergesetze, die bis
Anfang der 30er Jahre auf dem Gebiet Dalmatiens galten, mehr oder weniger alle
544 Trg. i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik II komorske sjednice obdrzavane 24. novembra
1923, S. 26.
545 Zu den verschiedenen damals diskutierten Streckenvarianten vgl.: Senjanovic, Petar, Nove
dalmatinske zeljeznice i splitska luka, in: Tehnicki list Nr. 6 v. 15.10.1919.; ders., Dalmatinske
zeljeznice u Jugoslaviji, Split 1919; ders., Nasi izlazi na more, Split 1920.
546 Jugoslovenski Lloyd Nr. 52/XVIII v. 04.03.1926, S. 2.
547 ebenda.
548 Prilozi Zapisnika II. plenarne sjednice Trgovacke i Obrtnicke Komore u Splitu obdrzavane
dneva 24. novembra 1923., Predmet: Kr. Ministarstvu Financija Beograd.
271
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Steuersubjekte und -objekte erfaßten, während es im serbischen System sehr viel leich
ter war, dem Steuerzugriff des Staates auszuweichen.549
In den „Resolutionen“ und der regen Korrespondenztätigkeit der Kammer der folgen
den Jahre dominierte die Eisenbahnfrage und der angemahnte dringende Hafenausbau
in Split und Sibenik.550 Als der Sekretär Bulat am 31. Januar 1925 in Pension ging,
der am 23.11.1880 die Stelle angetreten und dann ununterbrochen mehr als 35 Jahre
lang maßgeblich die Aktivitäten der Kammer gesteuert hatte, folgten ihm 2 Sekretäre,
die ob des stark gestiegenen Arbeitsanfalls nötig geworden waren.551
Durch „große Mühe, und größtenteils durch eigene Mittel der daran Interessierten“,
wie der Spliter Bürgermeister es ausdrückte, wurde 1925 die umständliche, langsame
und nicht direkte Eisenbahnverbindung Split-Zagreb durch die Lika endlich komplet
tiert. Die Teilstücke bis Knin wurden am 22. Juli 1925 fertiggestellt, volle 65 Jahre
nach den ersten Vorschlägen für den Bau dieser Strecke. Und dabei konnte von einer
schnellen Verbindung bei dieser Streckenführung nicht die Rede sein. Das langerwar
tete, frohe Ereignis war Anlaß einer von den Städten Split und Sibenik gemeinsam
veranstalteten „Adria Ausstellung“ (Jadranska izlozba), um den Reichtum, „den Dal
matien der Gemeinschaft anbieten konnte, zu zeigen“.552 Auch schien das einsetzende
Industriewachstum den Forderungen nach besserer Verkehrsanbindung im Nachhin
ein Recht zu geben.553 In nur einem Jahr sei „der Warenumsatz (...) um mehr als 2
Millionen Tonnen gestiegen, wozu hauptsächlich die Eröffnung der Eisenbahnlinie
Ende Juli 1925“ beigetragen habe. Nun hatte Split eine Eisenbahnverbindung mit
normaler Schienenbreite durch Ostarije aus Zagreb bzw. Susak, die bei Knin auf die
schmale Schienenbreite stieß und die durch die Srnetica aus Prijedor von der einen
Seite und aus Jajce von der anderen Seite kam, wobei es bei Perkovic - Slivno eine
Abzweigung nach Sibenik gab. Das sei „nur ein kleiner Beweis“, meinte nun die
Kammer, was auch mit dem Bau der übrigen Streckenführungen für Split, als den
größten Ausfuhrhafen Jugoslawiens, getan werden könnte“. Bald würde die Stadt „alle
Bedingungen“ erfüllen, um „die wichtigste Plattform des Handels und der Industrie
unseres jungen Nationalstaats“ zu werden. Nur „die einzig richtige, direkte Verbin
dung“ mit dem Staat müsse noch geschaffen werden, und zwar „von Bosanski Novi
durch das Tal der Una nach Bihac und über Knin nach Split und von Belgrad über
549 Vgl. Lunacek, Valdemar/Skaric, Mate, Zbornik zakona o neposrednim porezima, Zagreb 1931,
S. VII. Auf knapp 1000 Seiten die ausführlichste Darstellung der Steuergesetzgebung. Dalma
tien war mit 3,23 % am geringsten am Gesamtsteueraufkommen beteiligt.
550 Zapisnik redovite komorske sjednice 28. listopada 1924, S. 8f. u. 14-19. Im Rechenschaftsbe
richt sind an die 100 vom Präsidium im Namen der Kammer abgeschickte Briefe aufgeführt
(S. 19-27).
551 Trgovacka i Obrtnicka Komora u Splitu. Zapisnik I. redovite sjednice 18. prosinca 1924.
552 So der Bürgermeister Ivo Tartaglia in „Nova Evropa, Nr. 3-4/1927 (Samouprava dalmatins-
kih gradova); vgl. Machiedo-Mladinic, S. 283.
553 Die Zementproduktion wuchs explosionsartig von 354.423 t im Jahr 1925 auf 617.450 Tonnen
vier Jahre später.
272
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
273
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
habe, „Split z.B. nur mit einem Hafenkran (zum Be- und Entladen von Schiffen) zurechtkom
men müsse bis jetzt“. Das „Wichtigste“ wäre jetzt ein „Kredit zur Finanzierung dieser großen
Investitionen“. Weiter sagte der Minister: „Ich weiß, daß die Schienen auf der Strecke Split-
Knin 50 Jahre alt sind (...) Das sind sicher die ältesten Schienen in Europa und es ist sehr
ungünstig, daß der Schnellzug auf ihnen seine Geschwindigkeit auf 25 km, und an manchen
Stellen gar auf 15 km, in der Stunde drosseln muß. (...) Die ersten Schienen, die in unseren
Staat kommen werden, werden für diese Strecke verwendet werden, (...) wofür sich sogar
seine Majestät höchstselbst interessiert hat.“558
Doch den Ankündigungen folgten wieder keine Taten. In einem auch als Sonderdruck
verteilten „Memorandum“ der Kammer vom Juli 1927 an den „Herrn Verkehrsmini
ster“ standen wieder einmal Hafen- und Eisenbahnausbau, Bau eines modernen Post
amtes, die Eisenbahntarife und die Gebühren und Steuern im Mittelpunkt. Es erklang
wieder einmal das alte Lied.559 Kein Jahr verging ohne Sitzungen und Versammlungen,
bei denen die Spliter Handwerker, Händler und Industriellen nicht die Eisenbahnlinie
durch das Una-Tal gefordert hätten.560 In einem 1930 herausgegebenen Sonderband
hieß es: „Noch vor 70 Jahren hat Split seinen Wunsch geäußert, mit einer Eisenbahnli
nie durch das Tal der Una mit dem europäischen Schienennetz verbunden zu werden.“
Nach der Aufzählung der vielen vergeblichen Interventionen der Handels- und Hand
werkskammer Split wird darauf hingewiesen, daß es doch „nur noch um den Bau der
Verbindung Bihac-Knin von 109 km“ ginge, was „in nationaler, staatlicher, wirtschaft
licher und kultureller Hinsicht den größtmöglichsten Nutzen“ stiften würde.561 Auch
die Plenarsitzung der Kammer vom 16. Januar 1930 war wieder dieser, in den Augen
der Wirtschaftstreibenden der Region herausragenden, Frage gewidmet. Wieder wurde
eine Resolution mit dieser Forderung verabschiedet. Alle Diskussionsbeiträge um
Streckenführung und Finanzierungsvorschläge wurden auf 126 Seiten in Buchform
veröffentlicht.562
Vertreter der verschiedenen Küstengemeinden, Vereine und Verbände, von den Bür
germeistern, über die Kammerpräsidenten bis zu den Vorsitzenden der Barbier- und
Schusterinnungen - alle, die im Wirtschaftsleben Dalmatiens eine Rolle spielten, wa
ren bei der Kammersitzung anwesend. Zudem erschienen Pressevertreter dalmatini-
274
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
563 So z.B. Mate Barisic von „Novo doba“ und der Redakteur Makale der „Jadranska posta“,
sowie für die „Politika“ aus Belgrad und „Novosti“ aus Zagreb Josip Kortsek.
564 Trgovinsko-Industrijska i Zanatska Komora - Split: Zapisnik sjednice vijeca T. I. Z. komore
Splita odrzane 19. januara 1933.
565 Trgovinsko-Industrijska Komora u Splitu, Izvjestaj o radu komore za 1937-1938 godinu.
Zapisnik plenarne sjednice T. I. Komore 18. svibnja 1938, Split 1938, S. 3f.
566 Vgl. Referat Splitske trgovacke i obrtnicke komore za konferenciju komora odrzanu u Beo-
gradu dne 10. decembra 1929., in: Cuvaj, Adolf/Mohoric, Ivan (Hg.), Zadaci i znacaj Privred-
nih komora Kraljevine Jugoslavije (Aufgaben u. Bedeutung der Wirtschaftskammern Jugosla
wiens), Zagreb 1930, S. 117-123.
567 Vgl. ebenda, S. 3. Der Band ist voller Klagen über die hemmende Staatsbürokratie.
568 Vgl. Alacevic Jerko, Treba li graditi Unsku prugu?, Sonderdruck Split o.J., aus: „Privrednicka
rijec“ 1930.
569 Vgl. Arhiv Jugoslavije, fond MIT, 65-299-912, hier nach Sitin, Karakteristike gospodarskog
stanja, S. 184.
275
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
570 Auch bei der „Gedenksitzung“ der Industrie- und Handelskammer Split, anläßlich „des tragi
schen Todes Sr. Majestät König Aleksandar I.“, nahm, nach den Trauerbekundungen und
nach der Begrüßung der vollzählig erschienenen Vertreter des politischen und wirtschaftlichen
Lebens der Region, die Frage der Anbindung Dalmatiens an sein Hinterland wieder den
größten Raum ein. Die Berichterstatter der dalm. Blätter waren gleichfalls geladen um die
Botschaft zum wiederholten Male in den Zeitungen, für die sie schrieben, zu verbreiten. Vgl.
Trgovinsko-Industrijska Komora u Splitu, Zapisnici plenarnih komorskih sjednica 11/10
1934, 24/2 1935 i 16/5 1935, Izvjestaj o radu komore za 1934 godinu, Split 1934, S. 11-13.
571 ebenda, S. 14-20.
572 ebenda, S. 46ff. Vgl. auch den Sonderdruck: Trgovinsko-Industrijska komora u Splitu (Hg.),
Unska pruga. Zapisnik I. vanredne komorske sjednice odrzane dne 24. februara 1935., Split
1935. Vom „Prestige des Staates“ bis zum „Überleben Dalmatiens“ stand wieder alles auf dem
Spiel. Split hätte doch „so begeistert die serbischen Brüder begrüßt“ und sich „wirtschaftliche
Entwicklung“ erhofft. Doch „auch nach 15 Jahren intensiven Bitten und Forderns“ hätte „die
Arbeit noch nicht einmal angefangen“ (S. 14f.). Den Beteuerungen des „Senators Majstrovic“,
der aus Belgrad angereist war, daß es sich „keineswegs um plemenske makinacije“ (Manipula
tionen auf nationaler Grundlage gegen die Kroaten) handeln würde, die den Bau bis jetzt
verhindert hätten, wurde wohl kein rechter Glaube mehr geschenkt (S. 39f.).
276
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
ken und Fuhrunternehmer, Vereinigung der Händler aus Split, Supetar und Hvar,
Sibenik, Knin und Biograd am Meer, der Gaststätten- und Hotelverbände und der
Vereinigung der diplomierten Ökonomen und Kommerzienräte stellten gemeinsam
fest, daß der Ausbau der 109 Schienenkilometer der Verbindung Bihac - Knin, durch
das Tal der Una, eine „erstrangige Staatsaufgabe“ sei, baten alle staatlichen Stellen um
Unterstützung und forderten, daß die Bahnlinie „sofort gebaut“ werden müsse.573
Doch bis der Ministerrat in Belgrad auf seiner Sitzung am 8. November 1935 endlich
den Beschluß faßte, offiziell ein Projekt für die Streckenführung Bihac - Knin ausar
beiten zu lassen, waren auch im neuen Staat schon 17 Jahre vergangen. Die ersten
Bauarbeiten begannen im Frühjahr 1936.574 Die 112 km lange Strecke wurde erst
nach dem II. Weltkrieg, am am 25. Dezember 1948, d.h. ca. 90 Jahre nach den ersten
Vorschlägen für ihren Bau in Betrieb genommen.
Der Umschwung in Identifikation und Bewertung des Staates, für den man sich vorher
eingesetzt hatte, vollzog sich etappenweise. Sicher beschleunigt wurde die Entwick
lung durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in der ohnehin strukturschwa
chen Region. Als die Krise „durch weltweite Erschütterungen ausgelöst, aber in unse
rem Gebiet auch noch durch die unglaubliche Trockenheit, den schlechten diesjähri
gen Fischfang, der Unmöglichkeit, unseren Wein zu verkaufen, durch so gut wie keine
Devisenüberweisungen von unseren Aussiedlern, keine Arbeit und Entlassungen von
Werftarbeitern“ kulminierte, und alle Forderungen und Vorschläge ignoriert wurden,
verlor der jugoslawische Staat nach und nach die Loyalität derjenigen, auf der er an
der Küste beruht hatte.575
Als der Kammerpräsident Marin Feric (im Protokoll als „Industrieller, Schiffseigner
und Händler“ bezeichnet) den Rechenschaftsbericht über die Arbeit der Organisation
der dalmatinischen Wirtschaft 1937-38 gab, bezeichnete er „die Geschäftstätigkeit in
allen Wirtschaftszweigen“ als unverändert schlecht; die sowieso schon hohe Abgaben
belastung sei sogar noch größer geworden. Der „Handel“ sei „im allgemeinen rückläu
fig, und vor allem die Industrie, in erster Linie die Zementindustrie, die die führende
in unserer Region ist,“ sei „in einem besorgniserregenden Rückgang begriffen“. Das
Präsidium der Kammer, fuhr er fort, hätte „aufmerksam die Entwicklung aller wirt
schaftlichen Verhältnisse verfolgt und Maßnahmen ergriffen, die es für nützlich für
unsere Wirtschaft hielt. Wenn wir dabei nicht in ausreichendem Maße Erfolg hatten,
muß man die Gründe auch bei anderen suchen, vor allem beim ungenügenden Inter
esse für die Bedürfnisse unserer Region, seitens jener, deren Pflicht es in erster Linie
sein müßte, den Wünschen der Wirtschaft entgegenzukommen, besonders, wenn diese
277
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
berechtigt sind, und wir haben uns in unseren Forderungen immer auf das beschränkt,
was wir für unser Recht hielten.“ (Hervorh. A. J.)576 In der Diskussion über seinen
einstimmig angenommenen Rechenschaftsbericht sagt der ehemalige Bürgermeister
und ehemals höchste Verwaltungsbeamte der Küstenbanschaft Dr. Ivo Tartaglia (im
Protokoll als „Bankier aus Split“ vorgestellt): „Selbst unsere Schiffahrt wird aus Bel
grad geleitet, und die Direktion kann keine 100 Dinar ohne Bewilligung aus Belgrad
ausgeben. So kann man keine Schiffahrtsprobleme lösen“. Nach zahlreichen Beispielen
für die ökonomische Vernachlässigung Dalmatiens warf der ehemalige Spliter Bürger
meister die Frage der „Polizeitaxen“ auf. Im Wortlaut des Protokolls:
„Dieses ist eine interessante „jugoslawische Einnahme“. Neben den Gebühren, die durch
Gesetze bestimmt werden, kann die Administration noch spezielle Gebühren erheben, zum
Schutze der Interessen von Privatleuten. Am höchsten sind diejenigen für die polizeiliche
Anwesenheit bei öffendichen Tanzvergnügen, und unser Kammermitglied Matic könnte Ih
nen sagen, daß diese Gebühr seine schwerste Belastung darstellt, und daß er jährlich 100.000
Dinar dieser Gebühren zahlt. § 85 bestimmt, daß die Höhe dieser Gebühren der Innenmini
ster regelt unter Zustimmung des Finanzministeriums. Das Innenministerium hat nun diese
Verordnung erlassen unter Zustimmung des Finanzministeriums, welches in all seiner Unbe-
darftheit geantwortet hat, daß diese Gebühren nicht für das ganze Land erhoben werden
dürfen; weder Serbien noch Montenegro zahlen diese Gebühren. Diese Sache muß die Kam
mer stärker angehen. Ich denke, daß es genügt, was ich hier angeführt habe, daß Sie sich
überzeugen können, wie unsere innere staatliche Verfassung aussieht. Deswegen sind auch
unsere inneren politischen Verhältnisse nicht nur eine politische Frage, sondern auch eine
wirtschaftliche, ja, es ist eine Lebensfrage. Wir müssen deshalb daran arbeiten, daß das gelöst
wird.“577
Durch diesen Redebeitrag brach der Damm, und die üblichen Problembeschreibungen
bekamen eine bis dahin in den Protokollen der Kammersitzungen unbekannte Schärfe.
Außerdem ging nun bei jedem Redebeitrag auch im- oder explizit hervor, wer für
die desolate Situation verantwortlich gemacht wurde: der jugoslawische Staat Die .57S
576 Zapisnik I. redovite sjednice Trgovinske industrijske Komore u Splitu 18. svibnja 1938, S. 6.
577 ebenda, S. 12ff.
578 ebenda, S. 15. So berichtete z.B. das Kammermitglied Stjepan Ivankovic (Händler aus Bu-
gojno) über die katastrophalen Verkehrsverbindungen und von der ungerechten Bestrafung
von „Beamten in langjährigem Dienst“ durch das Belgrader Verkehrsministerium, und fragt
rhetorisch am Schluß seiner Ausführungen: „Vielleicht ist ihre Geburt daran schuld, vielleicht
ist die Tatsache schuld, daß sie Kroaten sind?!“
278
Städtische Lebenswelt und IndustrialisierungshÖffnungen
mehr zubilligte.579 Das ehemals „jugoslawische“ Split der 20er Jahre580 war dies nun
schon lange nicht mehr. Gründe dafür, die sich über all die Jahre aufgestaut hatten,
schien man genug zu haben.
Im Juli 1939 ließ die Rede des Kammerpräsidenten keine Zweifel mehr über die politi
sche Option des dalmatinischen Bürgertums: Die „politischen Verhältnisse“ hätten
sich, was bekannt sei, „sehr schädlich auf die Entwicklung der kroatischen Gebiete“
ausgewirkt. Die Führung der Bauernpartei wurde als „ unsere politische Führung“ be
zeichnet. Vladko Macek war „unser Präsident, der alles von sich gibt, daß wir Kroaten
endlich in diesem Land unsere nationalen und ökonomischen Rechte erhalten.“581
Von einer „Vereinbarung zwischen Serben und Kroaten“ hänge „der weitere Bestand
dieses Staates ab“. Die „Frage der Ordnung der inneren politischen Angelegenheiten“
sei „von eminenter Wichtigkeit für die Entwicklung unserer Wirtschaft. Unter den
bisherigen Verhältnissen hatte die kroatische Wirtschaft keinerlei Aussichten auf Er
folg, da sie systematisch unterdrückt wurde; während wir mit der Verwirklichung
der politischen und ökonomischen Autonomie endlich zu unseren Rechten kommen
werden, wo wir bisher nur mit den unausweichlichen Pflichten rechnen konnten.“582
Das Referat stieß laut Protokoll auf völlige Zustimmung und wurde oft „durch Beja
hung unterbrochen“. Am Ende „lassen die Ratsmitglieder den Präsidenten Herrn Fe-
ric mit den Rufen „Zivio!“ hochleben.“ (Hervorh. im Original)583 Das wiedergewählte
neue Präsidium schlug vor, „unserem Führer Herrn Präsidenten Doktor Vladimir
Macek“ ein Telegramm folgenden Inhalts zuzuschicken: „Von der heutigen konstituie
renden Sitzung des Kammerrates bitten wir Sie, den Ausdruck unserer Treue anzuneh
men und gewiß zu sein, daß wir zur Verteidigung der nationalen und ökonomischen
Interessen des Gebietes dieser Kammer bereitstehen, vor allem der kroatischen
Adriaküste, der Kraft und des Stolzes unserer Heimat. Der Vorsitzende der Industrie-
und Handelskammer.“ Das Protokoll vermerkte daraufhin: „Die Ratsmitglieder neh
men den vorgeschlagenen Telegrammtext einstimmig an, unter Hochrufen auf
Dr. Macek. (Zivio!)“584 Unter Hochrufen wurde auch Dr. Ivo Tartaglia in den Ver
kehrs-, Finanz- und Tourismusausschuß gewählt. Mit dem „Dank an die Presse für
die Hilfe, die sie der Kammer leistet und geleistet hat in Wirtschaftsfragen“, endete
die Sitzung.585
In der dem Protokoll beigelegten Resolution, die wieder eine Minderung der Steuer
last, die Verbesserung der Infrastruktur, steuerliche Erleichterungen für Handwerker
279
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
und Landarbeiter etc. forderte, hieß es unter Punkt 15: „Der versprochene Ausbau
der Verbindung Bihac - Knin durch das Tal der Una und Butisnica hat noch immer
nicht angefangen, obwohl es doch eine erstrangige Lebens- und Staatsfrage der Kü
stenbanschaft und der Vrbaska-Banschaft ist. Es wird gebeten, daß für die Strecke
Mittel gefunden werden, daß der Bau so schnell wie möglich in Angriff genommen
werden kann, wie man ja auch für die Strecke Kursumlija - Pristina (im zu der Zeit
„Südserbien“ genannten Mazedonien u. Kosovo, A.J.) die Mittel aufgebracht“
habe.586
Und schließlich 1940 hieß es: Nachdem „volle 20 Jahre die kroatische Frage wie ein
Alpdruck“ auf dem Staat gelegen habe, seien nach dem „sporazum vom 26. August
im letzten Jahr (...) endlich die Voraussetzungen für gesunden Fortschritt“ gegeben.
„Unbeschreibliche Begeisterung“ habe die Vereinbarung im Lande hervorgerufen,
„vor allem im kroatischen Volk. Der Vorstand unserer Kammer (...) hat auf die Stim
mung des Volkes und der Wirtschaftssubjekte seiner Region immer genauestens geach
tet und begrüßt daher dieses historische Ereignis, wie auch die Faktoren, deren staats-
männische Weisheit dies ermöglicht hat.“ Unter dem „Führer des kroatischen Volkes
Dr. Vladimir Macek“ könne es jetzt zu einer Zusammenarbeit „zwischen dem serbi
schen und dem kroatischen Volk kommen“.587
Die Antwort der Kammer auf eine Anfrage der Regierung der neuen Banovina Hrvat-
ska in Zagreb über die wirtschaftlichen Zustände an der Küste war datiert auf den 20.
Februar 1940, hätte aber auch in einem beliebigen früheren Jahr des nun in das vierte
Jahrzehnt gehenden Jahrhunderts verfaßt sein können: „Dalmatien“, so stand da zu
lesen, sei eine „passive Region“. V.a. „in den ehemals dalmatinischen und herzegowini-
schen Bezirken“ gäbe es „fast nur nackten Fels und ein paar verkrüppelte Wälder, die
Landwirtschaft ist nicht in der Lage, die Bevölkerung selbst zu versorgen, die Vieh
zucht (...) leidet am Trinkwassermangel, was gleichzeitig auch eines der Hauptpro
bleme unserer touristischen Orte ist“. Die Industrie sei „noch zu schlecht entwickelt,
um den Bevölkerungsüberschuß zu beschäftigen.“ Die „Verkehrswege“ seien „ziem
lich ungünstig“, die Eisenbahnverbindungen „peripher“, die Häfen „noch nicht ausge
baut für ein größeres Verkehrsaufkommen“.588
Alle Probleme, die auch schon bisher die Kammer und die Menschen in Dalmatien
beschäftigt hatten, tauchten wieder auf und waren nach wie vor ungelöst.
„Warum wird die Eisenbahnlinie durch das Una-Tal nicht intensiver gebaut?“, fragte
sich auch das neue „einzige Wirtschaftsorgan an unserer ganzen Küste“, der „Jadran-
ski Lloyd“ in seiner ersten Ausgabe. Nach Meinung der Zeitung, sei das „Erstaunlich
ste von allem, daß Split nicht nur nicht zu unserem Hamburg oder London geworden
ist“, sondern daß es die Stadt nicht einmal geschafft hatte, die Spitzenstellung, was
280
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
den Güterumschlag anbelangte, zu halten. Und das trotz der so hervorragenden „na
türlichen Konfiguration“ seines Hafens und all der anderen „wirtschaftlichen und
technischen Vorteilen“, die zum tausendsten Mal in extenso aufgezählt wurden. Der
Absatz schloß mit den Worten: „Split hat bis jetzt nicht die jahrelang in diese Stadt
gesetzten Hoffnungen erfüllt.“589 Doch was war die „unsichtbare Krankheit“, die das
verhindert hatte? War es wirklich „die Psychologie der Spliter“, ihr „sorgloser“, zu
„Scherz und Lachen aufgelegter Charakter“? Jede „gute Initiative“ stoße auf unzählige
Schwierigkeiten und Hindernisse“. Zwei Jahrzehnte lang seien „viele Fehler“ gemacht
worden.590 Was waren die Gründe für die offensichtliche Entwicklungsblockade, un
ter der die Region litt?
c) Industrialisierung
Hält man sich an das, was allgemeinhin unter „industrialisierten Gesellschaften“ ver
standen wird, so läßt sich auch die Region Dalmatien durchaus als „typische Periphe
rie“ beschreiben, der es „im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts lediglich partiell
gelang, den Entwicklungsvorsprung der westlichen Nationen aufzuholen.“591 Nur
3,8 % der vorhandenen Industriebetriebe des gemeinsamen Staates befanden sich in
der Region.592 Überzeugend ist auf den zweifelhaften Gebrauchswert und Erklärungs
kraft hochaggregierter Daten, wie Volkseinkommen etc. hingewiesen worden. „Volks
wirtschaftliche Gesamtgrößen sind - ebenso wie Pro-Kopf- und Prozentzahlen -
lediglich als „Potentialgrößen“, nicht aber als „Synonyme für Entwicklung“ zu be
trachten.593 Als „Ausweg aus dem Dilemma“ greift die Verfasserin der „Sozialge-
589 Vgl. Jadranski Lloyd (Nr. 1/Jg. I) v. 25.11.1938. Doch bei allem demonstrativ zur Schau getra
genen Realismus, konnte man die hochfliegenden Pläne nicht lassen. Schon in der sechsten
Nummer der Zeitung wurde die Idee, einen „Donau-Adria“-Kanal zu bauen auf Seite 1 favo
risiert, außerdem sah man bald „ein ganzes Netz von Autobahnen durch Jugoslawien“, erbaut
mit „deutscher Technik und finanzieller Hilfe“; vgl. Nr. 3 v. 09.12.1938 u. Nr. 4 v. 27.01.1939.
590 Jadranski Lloyd v. 30.12.1938.
591 Vgl. Calic, Marie-Janine, Sozialgeschichte Serbiens, S. 13. Die Ausführungen der Verfasserin
zu „Inhalt und Methode“ (S. 13-27) bieten einen ausgezeichneten zusammenfassenden Über
blick über den Stand der Diskussion über Modernisierungs- u. Dependenztheorieansätze und
die leider „erst relativ diffuse(n) Kenntnisse“, v. a. was „Voraussetzungen, Verlaufsformen und
Mißerfolge nachholender Entwicklung“ in Südosteuropa anbelangt. Zur Industrialisierung
Dalmatiens vgl. die im Lit.verz. angef. Arbeiten v. I. Karaman.
592 Vgl. das vom Industrie- und Handelsministerium herausgegebene Jahrbuch „Statistika indu-
strije Kraljevine Jugoslavije“, Beograd 1941, S. 72f. In Kroatien-Slawonien befanden sich
26,1 % der Fabriken, 21,5 % des Kapitals und 24,3 % der Arbeiter im Gesamtstaat, für Serbien
lauteten die entspr. Daten 13,6/23,8/19,0%.
593 Vgl. Calic, S. 23, die hinweist auf: „(E)rhebliche Unsicherheitsfaktoren“, wie „Vernachlässi
gung aller nichtmateriellen Güter (Gesundheit, Bildung etc.), zweifelhaften gesellschaftlichen
Nutzen der im Sozialprodukt gewichteten Güter und mangelnde Aussagekraft über „kon-
281
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
schichte Serbiens" das „Konzept der regionalen Industrialisierung“ auf, das auf den
englischen Wirtschaftshistoriker Sidney Pollard zurückgeht.594 Da der Schwerpunkt
vorliegender Arbeit der Wandel kollektiver Einstellungen in Dalmatien, besonders in
Bezug auf die nationale Frage während der Zwischenkriegszeit ist, soll nur kurz als
Grundlage für das Folgende auf die Wirtschaftsentwicklung in diesem Zeitraum einge
gangen und die wichtigsten Probleme geschildert werden, da in den wirtschafts-histo-
rischen Standardwerken, die sich mit Südosteuropa befassen, Dalmatien nur sehr am
Rande erwähnt wird.595
In Dalmatien war innerhalb der Städte das Handwerk der wichtigste Wirtschafts
zweig.596 Industrie, sieht man von der Zementherstellung ab, war nur in Ansätzen
entwickelt.597 Die Organisation der Handwerker und Gewerbetreibenden (die auch
die Industriellen mit einschloß) war der wichtigste Ansprechpartner der Staatsbüro
kratie und quasi halb-amtliche Erfassungs- und Datensammelstelle der Wirtschaft.
Doch gleichgültig, ob es um Kammerstatistiken ging, die durch Mitgliederumfragen
versuchten, das Wirtschaftsleben in ihrer Region detailliert zu erfassen, oder um die
Statistiken der Verwaltung.598 Die einschränkend vorausgeschickte Bemerkung eines
„Berichtes über die Konferenz der Wirtschaftskammern im Königreich SHS“ von
1926, bei der es um das Fischereiwesen ging, sollte ernstgenommen, und alle quantifi-
282
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
zierenden Angaben jener Zeit mit Vorsicht benutzt werden.599 Dort hieß es nämlich:
„Diese Statistik kann nicht genau sein, denn in vielen Regionen, wo Fischerei betrie
ben wird, gibt es keine Hafenämter und Exposituren, die Daten aufnehmen könnten.
Das gesamte Kontroll- und Offentlichkeitsreferat der Direktion wird von einer Person
geführt.“600 Das Problem einer genauen Datenerfassung stellte sich sicher nicht nur
im Fischereiwesen.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Region während der Zwischenkriegszeit läßt sich
grob periodisieren, wie diejenige des Gesamtstaates: Zunächst eine Aufschwungphase
zwischen 1918-1924, die 1925-29 abflacht und schließlich in Rezession und Depres
sion mündet, die durch das Durchschlagen der Weltwirtschaftskrise 1930-33 ausgelöst
werden.601 In den ersten Jahren nach Ende des Krieges läßt sich eine intensivere Inve
stitionstätigkeit im Bereich der Industrie Dalmatiens beobachten. Ein ungesättigter
jugoslawischer Binnenmarkt und geringe Inflation waren die Gründe für zweistellige
Wachstumraten in jener Zeit. Zwischen 1919 und 1923 nahmen 20 neue Fabriken in
Dalmatien die Arbeit auf, in die mehr als 66 Millionen Dinar investiert wurden. Die
Gesamtmaschinenleistung, ausgedrückt in engagierten Pferdestärken, betrug 1.184 PS.
Dabei waren in diesem Zeitraum 1.253 Arbeiter im industriellen Sektor beschäftigt.602
Eindeutiges Zentrum der Industrie und des dalmatinischen Bankenwesens war Split.
Nach einer Erhebung der Handels- und Handwerkskammer waren Ende 1921 auf
dem Gebiet Mitteldalmatiens 57 Industriebetriebe registriert, davon in Split 32, dazu
kamen noch 22 Industriebetriebe in Nord-Dalmatien und 15 in Sibenik.603 Nach 1924
ist ein Rückgang der Investitionen feststellbar. Zwischen 1924 und 1928 ging das in
die 29 neugegründeten Fabriken in Dalmatien investierte Kapital um das dreifache
zurück (auf etwas über 22 Millionen Dinar) und die Zahl der dauerhaft beschäftigten
Arbeiter sank auf ganze 391. Noch vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise wurde
599 So stand an der Spitze des „Odeljenje Ministarstva trgovine i industrije - Split“, die für ganz
Dalmatien zuständig war, Savo Boskovic, der von insgesamt nur 8 weiteren Mitarbeitern
unterstützt wurde; vgl. Part. poz. 2423 v. 8. Mai 1923.
600 Vgl. Nase pomorstvo. Izvestaj o konferenciji privrednih komora Kraljevine Srba, Hrvata i
Slovenaca odrzanoj na dane 24.-26. juna 1926. godine u Ljubljani, S. 31.
601 Vgl. auch Simoncic-Bobetko, Zdenka, Karakteristike ekonomskog razvoja u Hrvatskoj u me-
duratnom razdoblju (1918-1941) (Kennzeichen der Wirtschaftsentw. in Kroatien während
der Zwischenkriegszeit), in: Acta historico-oeconomica Iugoslaviae, 7/1980, S. 21-44; dies.,
Kriza u industriji Jugoslavije 1930-1934. s posebnim osvrtom na Hrvatsku, in: Svetska eko-
nomska kriza 1929-1934. godine i njen odraz u zemljama jugoistocne Evrope, Beograd 1976,
S. 367-386.
602 In der Geschichtsschreibung zu Zeiten der SFRJ (vgl. z. B. Sitin, Sindikalni pokret, S. 78f.)
war es üblich, die „Erzielung von schnellem und einfachen Profit“ durch Aktiengesellsch.,
welche sich „in den Händen von Fremden“ befunden hätten, zu kritisieren; es bleibt aber
festzuhalten, daß „einheimisches Kapital“, trotz großer patriotischer Anstrengungen der loka
len Politiker, nicht mobilisierbar, da so gut wie nicht vorhanden war.
603 Vgl. Spisak industrijskih poduzeca na podrucju trgovinske i obrtnicke komore 1921. i 1929.
godine (Auflistung der Industriebetriebe auf dem Kammergebiet 1921 u. 1929).
283
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
604 Vgl. (mit genauen Zahlenangaben) Sinn, Sindikalni pokret, S. 184f. u. Dulibic, B., Teska kriza
Dalmacije, in: Socijalna misao, Nr. 2 v. 1.11.1931, S. 37-42; Dorbic, J., Socijalna struktura
Dalmacije, in: Privreda i radnici u Dalmaciji, Split 1929, S. 130.
605 Vgl. Kukoleca, Stevan, Industrija Jugoslavije 1918-1938, Beograd 1941, S. 74-165.
606 privrednicka rijec v. 02.03.1929.
607 Vgl. Sinn, Tonci, Karakteristike brodarstva, brodogradevne industrije i prometa luke u Splitu
meduratnog razdoblja (1918-1941) (Kennzeichen der Schiffahrt, der Werftindustrie u. des
Hafenumschlags im Split der Zwischenkriegszeit), in: Adria — Zbornik Zavoda za znanstveni
i umjetnicki rad Hrvatske Akademije Znanosti i Umjetnosti u Splitu, Bd. 4-5, Split 1993/
1994, S. 197-213.
608 Ygj Nage pomorstvo. Izvestaj o konferenciji privrednih komora Kraljevine Srba, Hrvata i
Slovenaca odrzanoj na dane 24.-26. juna 1926. godine u Ljubljani (Unsere Seefahrt. Bericht
über die Konferenz der Wirtschftskammern im Kgr. SHS), S. 31, S. 56 u. 116.
609 Zur Vorgeschichte industriewirtschaftlicher Entwicklung vgl. Schödl, Nationalpolitik, S. 92-
113 sowie die Arbeiten v. Karaman, Problemi privrednog razvitka, S. 266-281 u. ders., Os-
novna obiljezja, S. 340-347.
284
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
Trotz der Zunahme von Fabriken, Arbeitsplätzen und Maschinenleistung, wie sie aus
obiger Tabelle ersichtlich ist, wird deutlich, daß auch in den ersten Jahren nach dem
Krieg von einem „Boom“ in Dalmatien keine Rede sein konnte.610 Nur in der zweiten
Phase (1924-1929), die durch währungspolitische Stabilität und günstigere Zolltarife,
die den Export förderten, gekennzeichnet war, ließ sich eine nennenswerte Zunahme
der Investitionstätigkeit auf dem Gebiet der späteren Küstenbanschaft feststellen.
Auch blieb der Aufschwung nach der Depression (1929-33) moderat. Es kann deshalb
nicht verwundern, daß in Dalmatien 1938 nur 3,8% aller Industrieanlagen und 3,3%
aller Industriearbeitsplätze im Gesamtstaat zu finden waren.611 Es fällt auch auf, daß
alle großen Industrieunternehmen, wie die Zementherstellung, noch zu Zeiten Öster
reichs gegründet worden waren. Als Mitte 1929 die Karbid- und Kalcium-Zyanamid-
fabrik in Dugi rat nach einer italienischen („Sufid“) eine französische Kapitalmehrheit
(„La Dalmatienne“) und Firmenleitung erhielt, und die neuen Eigentümer in neue
Anlagen investierten, stieg die Zahl der auf dem Gebiet Dalmatiens engagierten Ma
schinenleistung (ausgedrückt in Pferdestärken) mit einem Schlag um über 23 %.612
610 Die genauen statistischen Angaben in den Quellen und der Literatur variieren, stimmen aber
sicher ihrer Tendenz nach. Im vom Industrie- und Handelsministerium herausgegebenen Jahr
buch „Statistika industrije Kraljevine Jugoslavije“, Beograd 1941, S. 72f. od. bei Lakatos
(Jugoslovenska privreda (Wirtschaft Jugoslawiens). Jubilarno izdanje Jugoslovenskog Lloyda,
Zagreb 1933) finden sich abweichende Zahlen: Demnach gab es in ganz Dalmatien 1918 21
Fabriken, die mit einem eingesetzten Gesamtkapital von 323.631 Dinar 1189 Arbeiterinnen
und Arbeiter beschäftigten. Die Zahl der Fabriken nahm, nach diesen Angaben, von 29 in der
Zeitspanne 1899-1908 (bei einem Kapitaleinsatz von 401.754 und 3854 Beschäftigten) auf die
oben angeführten 323.631 Dinar (bei 1189 Beschäftigten) ab. Die PS-Leistung der Maschinen
stieg aber von 35701 auf 102381 an. Nach dem „Industriezensus“ von 1938, waren es 1938
70 Fabriken in Dalmatien, die 5826 Beschäftigte hatten bei einem Kapitaleinsatz von 798.163
Dinar, bei einer Maschinenleistung von 146.385 PS.
611 Vgl. auch die Statistiken im Anhang.
612 Eine genaue Auflistung aller Bauxit-, Kohle-, Lignit-, Asphalt- und Salonitabbaubetriebe u.
ihrer Produktionsziffern findet sich in den Berichten der HWK in den 20er und 30er Jahren
sowie den „Periodischen Berichten“ des zust. Referenten der Banschaftsvrwaltung (BH fase.
9), desgl. in: Statistika industrije Kraljevine Jugoslavije sa adresarom industrijskih poduzeca,
Beograd 1941.
285
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Exemplarisch für die Art und Weise, wie nach dem Ersten Weltkrieg die „Industriali
sierung“ vorangetrieben wurde, war der Fall der „Industriellen Gemeinschaft“ aus
Omis:
Megalomanische Hoffnungen und deren baldiges Scheitern beherrschten nicht nur in
Split die lokalen Publikationen. Ein Beispiel dafür ist auch die Euphorie, mit der
die Gründung einer „Industriellen Gemeinschaft“ (Industrijska zajednica) nach 1918
begleitet wurde, die aus acht neuen Fabriken in Omis entstehen sollte.613 Der Bürger
meister Marusic aus Omis war der Initiator dieses Projektes, für das durch den Ver
kauf von Aktien auch an Kleinstaktionäre das Gründungskapital von 120 Millionen
Kronen aufgebracht werden sollte. Es wurde mit großem Aufwand versucht, „natio
nales Kapital“ zu mobilisieren. Und tatsächlich nahmen bis 1923 eine Zement-, Mö
bel-, Leder, Seil-, Netz, sowie eine Maschinen- und Baumaterialfabrik die Arbeit
auf.614 Aber obwohl sich auch Industrie-Experten wie Jozo Lakatos sicher waren, daß
„alle Fabriken der „Industriellen Gemeinschaft“ alle notwendigen Erfolgsvorausset
zungen haben, v. a. günstige und reichlich vorhandene Rohstoffe, billige Arbeitskräfte
und eine gute Verkehrsanschließung“,615 nahm der Versuch der forcierten Industriali
sierung des Städtchens Omis kein gutes Ende.
Nicht nur die organisierte Arbeiterbewegung sah im Bürgermeister einen „kleinen
korrupten Diktator“, und machte ihn und die „Pfaffen, Ärzte und Schreiber“ (gemeint
waren diejenigen, die nach dem Wechsel 1918 als gefeierte Patrioten im „Narodno
vijece“ saßen, A. J.), die sich „zu sogenannten Fachleuten erklärt“ hätten, verantwort
lich für Veruntreuungen und tödliche Arbeitsunfälle in den „Baracken“ der „Indu
striedilettanten“.616 Tatsächlich war, auch was Korruption und Vorteilsnahme seitens
der beteiligten Politiker betrifft, die „Industrielle Gemeinschaft ein exemplarischer
Fall, wie „Geschäfte“ im jugoslawischen Staat gemacht wurden. Dieses dalmatinische
Beispiel stand für den Zustand im Gesamtstaat: Verschiedene Autoren, die sich mit
dem politischen Leben im Königreich Jugoslawien beschäftigt haben, haben das unge
heure Ausmaß an Korruption und die Verfilzung der aufgeblähten Bürokratie617 her-
613 Vgl. Stanic, Na izvorima povijesti, S. 81-11; ders., Radnicki pokret, S. 78f. u. 83ff. Die Presse
berichtete sehr ausführlich über das Projekt; vgl. die Artikel in „Jadran“, „Tezacka sloga“,
„Dalmatinski glasnik“ und „Novo doba“ zw. März 1920 u. April 1921.
614 Genaue Auflistung mit Angabe aller Produktionskapazitäten bei Stanic, Radnicki pokret,
S. 84f. u. Gesamtdarstellung bei Stanic, Na izvorima, S. 81-111.
615 Vgl. Lakatos, Industrija Dalmacije, Zagreb 1923, S. 28, 92, 94, 98, 99 u. 107. Zur euphorischen
Berichterstattung besonders Jadran, Nr. 102 v. 09.05.1920, Novo doba, Nr. 50 v. 03.03.1921,
Tezacka sloga, Nr. 25 v. 11.06.1920.
616 Vgl. Oslobodenje, Nr. 46 v. 17.11.1920. Der ein oder andere Bericht mit leicht kritischen Ein
schlägen, bzw. kritische Leserbriefe gegen die „fixe Idee einer Industriegemeinschaft“ und die
„Schädigung unserer wirtschaftlichen Interessen“ des Ingenieurs Bruno Skrivanic, in: Jadran,
Nr. 226 v. 12.10.1920 u. Nr. 232 v. 19.10.1920, Nr. 233 v. 20.10.1920. Vgl. auch Stanic, S. lOlff.
617 Vorkriegs-Serbien unterhielt einen Beamtenapparat von 40.000, das Königreich SHS (bei nur
dreimal sovielen Einwohnern) besoldete 280.000 Staatsbedienstete (und das, wie die Opposi
tion nicht müde wurde hervorzuheben, weit überproportional serbische Beamte).
286
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
vorgehoben. Die Allgegenwart der Korruption spiegelt sich auch im geflügelten Wort
„Kakvo pecenje, takvo rjesenje“ wider, nach dem die Qualität und Quantität des Bra
tens, zu dem man Amtsträger einzuladen hatte, das Urteil oder die Verordnung maß
geblich beeinflußte. Die Diagnose im Bericht der englischen Botschaft in Belgrad 1925
macht deutlich, welchen Stellenwert ausländische Beobachter der Bakschisch-Mentali-
tät beimaßen: „Mehr als die sensible religiöse Frage, mehr als der besorgniserregende
Belgrader Zentralismus, mehr als das herausfordernde Groß-Serbentum ist die Ineffi
zienz und die Korruptheit der Verwaltung mit der traditionellen Einmischung der
Politiker in die Arbeit der Beamten am Zustand des Landes schuld.“618
Doch zurück zur „Industriellen Gemeinschaft“, die in Omis entstehen sollte: Alles
Kapital der Gemeinde, der Stadtsparkasse und des Genossenschaftsbundes floß in das
Projekt, welches in den Lokalzeitungen gefeiert wurde. Bei Lichte betrachtet war es
zwar nichts anderes, als eine normale Aktiengesellschaft mit Gewinnerwartung und
Verwertungsinteressen, verkauft wurde es aber als Unterpfand eines jugoslawischen
Aufschwungs. Da nicht genügend dalmatinisches Eigenkapital mobilisiert werden
konnte und der finanzielle Zusammenbruch immer näher rückte, mußte schon nach
einem Jahr die Zementfabrik in Ravnice, die die IG erst ein Jahr zuvor erworben
hatte, an die französische Gesellschaft „L’Avocat et Comp.“ verkauft werden. 1925/
26 kam in der Presse die Geschichte der enormen Bestechungsgelder auf, die für
notwendige Bescheinigungen von diversen Belgrader Ministerien gefordert und von
den dalmatinischen Möchtegern-Kapitalisten bezahlt worden waren.619 Der baldige
Zusammenbruch der IG, der durch den Verkauf nur etwas herausgezögert werden
konnte, zog auch die Kreissparkasse sowie die Genossenschaftsbank und den Genos
senschaftsverein ins finanzielle Verderben.620 Schließlich mußte sogar Milan Marusic,
der den verschiedenen Aufsichtsräten vorsaß, seinen Bürgermeisterposten räumen, ob
wohl die wichtigste Tageszeitung, „Novo doba“, ihn nicht im Stich ließ und sogar
eine Unterschriftenaktion für den Bürgermeister veranstaltete, eingedenk seiner „un
zähligen Verdienste um die Gemeinde“.621 Der „Meteor in der Industriegeschichte
von Omis“622 verglühte sehr schnell. Noch nicht einmal in Ansätzen zum erhofften
„Koloß“ geworden, knickten die tönernen Füße, auf denen er ruhen sollte, schon ein.
Ein Blick auf die Probleme der Wirtschaftsentwicklung im Dalmatien der Zwischen
kriegszeit macht deutlich warum.
Die strukturellen Probleme der industriellen Entwicklung, wie sie in jener Zeit in
ganz Südosteuropa anzutreffen waren, waren auch im dalmatinischen Fall ausschlag
gebend. Die Notwendigkeit kostspieliger Maschinenimporte, extreme Zinsbelastung,
618 Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 136; vgl. auch Kulundzic, Zvonimir, Politika i korupcija u
kraljevskoj Jugoslaviji (Politik und Korruption im königlichen Jugoslawien), Zagreb 1968.
619 Novo doba v. 25.03.1926, Jadranska posta v. 08.10.1926, Stanic, Na izvorima, S. 105ff.
620 Novo doba v. 21.08.1925. Die Kredite, die der Genossenschaftsverband zu seiner Rettung
bekam, belasteten die Genossenschaft noch bis zum Zweiten Weltkrieg.
621 Novo doba v. 04.07.1924, mit 802 Unterschriften auf den Seiten 5-7.
622 Vgl. Stanic, Na izvorima, S. 109.
287
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
623 Vgl. Calic, Sozialgeschichte Serbiens, Kap. „Strukturprobleme der Industrie“, S. 269-320,
hier S. 269.
624 Zwischen 1930 und 1939 stieg die Zahl der registrierten Arbeitslosen im gesamten Königreich
von 150.000 auf über 651.000 an. Vgl. die Situation in Serbien/Jugoslawien insgesamt bei
Calic, Kap. 5.2. „Die Verschärfung der sozialen Frage“, S. 368-401.
625 Vgl. Javni radovi u Jugoslaviji (Öffentliche Arbeiten in Jug.), in: Narodno blagostanje v.
27.08.1938, S. 547-549, hier zit. nach Calic, S. 406f.; vgl. ebenda, Kap. 6.1.1 „Öffentliche Ar
beiten“, S. 406-410.
626 Sitin, Tonci, Nezaposlenost u Dalmaciji uoci i poslije velike gospodarske krize tridesetih
godina 20. stoljeca (Arbeitslosigkeit in Dalm. angesichts und nach der großen Wirtschaftskrise
288
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
in den 30er Jahren des 20. Jh.), in: Radovi Filozofskog fakulteta u Zadru 34 (21) 1994/95,
S. 221-228.
627 Wegen der Rohstoffe, die für die Zementherstellung notwendig und in ausreichender Menge
in Dalmatien vorhanden waren (insbesondere des qualitativ hochwertigen Mergelkalks), wur
den in der Region Split bis zum Zweiten Weltkrieg 2/3 der gesamten jugoslawischen Zement
produktion gefertigt. Die dalmatinische Zementindustrie war nicht nur die älteste, sondern,
bis zum Zweiten Weltkrieg, auch die bei weitem wichtigste Industrie Dalmatiens. Vgl. Ante
Sapunar: Prva dalmatinska tvornica cementa (Gilardi-Bettiza) i njeni dekorativni proizvodi
u arhitekturi Splita (Die erste dalm. Zementfabr. und ihre dekorativen Produkte in Splits
Architektur), in: Kulturna bastina Nr. 11-12 1981, S. 105-112 und Gizdic, D., O razvoju
dalmatinske cementne industrije i o klasnoj borbi u njoj do pocetka narodnooslobodilacke
borbe (Über die Entwicklung der dalmatinischen Zementindustrie und des Klassenkampfs in
ihr bis zum Beginn des Volksbefreiungskampfes), in: Zbornik IHRPD 1, Split 1970, S. 147-
262, hier S. 147.
628 Neben den Zementfabriken waren sechs Getreidemühlen und eine Eisfabrik die einzigen wei
teren Industriebetriebe vor dem Ersten Weltkrieg in Split. Was die Bauern davon hielten, daß
auf dem von ihnen bebauten Land Fabriken errichtet werden sollten, zeigt folgender Fall:
„Der Versuch eines gewissen Schwartz in Dujmovaca (Vorort von Split, A. J.) eine Ziegelfa
brik zu errichten schlug fehl. Er wurde eines Morgens tot aufgefunden. Höchstwahrscheinlich
wurde er von Bauern erschlagen, da er die Ziegelei auf fruchtbarstem Land erbauen wollte.
Viele wurden deswegen verhaftet. Vor Gericht antworteten sie auf die Frage, wer ihn getötet
hat: „Wir alle haben ihn getötet“ (vgl. Gizdic, S. 148).
629 Und zwar die Fabriken Dalmatia d.d., za tvorenje cementa Portland - Kastei Sucurac; Ja-
dransko a.d., cement Portland - Solin, Sv. Kajo; Lavocat & Cie., tvornica umjetnog Portland
cementa; Prva dalmatinska tvornica cementa Portland Feric M. & Co.; Split a.d., za cement
Portland; Tvornica cementa - Solin; Tvornica salonita - Vranjic; vgl. Mladina, Privredni
adresar, Split 1934.
289
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
630 Bardua, Sven, Zementindustrie - Vom staubigen Gewerbe zum Ressourcen-Sparer, in:
F. A. Z. v. 20.08.1996, S. T 1. Wichtigster Rohstoff für die Zementherstellung ist der im Tage
bau gewonnene Kalkstein oder die reinere Kreide. Im Verhältnis von etwa 4:1 wird sie mit
Ton als Aluminat-, Silikat- und Eisenträger vermischt und bei 1450 Grad zu Zementklinker
gebrannt. Dieser wird pulverfein gemahlen und mit Gips versetzt, damit er bei der Zugabe
von Wasser nicht sofort hart wird.
631 Zur Entwicklung der Zementindustrie vgl. Simoncic-Bobetko, Zdenka, Razvoj cementne in-
dustrije u Hrvatskoj u razdoblju izmedu dva svjetska rata (1918-1941) (Die Entw. der Ze-
mentind. in Kroatien in der Zwischenkriegszeit), in: Povijesni prilozi 2/1983, S. 97-167; Mor-
purgo, J. u. a. (Hgg.), 50 godina tvornice salonita u Vranjicu (50 Jahre Salonit-Fabrik in Vran-
jic), Split 1971.
632 Aus Split gingen in den 20er Jahren nur 59 Personen zur Arbeit in die vor der Stadt erbauten
Zementfabriken. In „Majdan“ 6, Vranjic 15, „Dalmacija“ 20 und „Adria Portland“ 18; vgl.
Rubic, Ivo, Gravitacija, S. 121.
290
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
633 Vgl. z.B. die „Einigung“ (pogodba) des bei Split gelegenen Dorfes Mravinci mit der Zement
fabrik „Split“. Opcinsko upraviteljstvo br. 10.718/19., 29.-7.-1927.
634 Vgl. das Referat des Sekretärs d. Belgrader Industrie- u Handwerkskammen, Stevan Popovic,
über „Das Gesetz über den Arbeitsschutz“, in: III redovni kongres privrednih komora i
organizacija Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, odrzan na dane 19. i 20.09.1925. godine u
Beogradu, Beograd 1925, S. 27-32, hier S. 29.
635 Izvjestaj Radnicke komore za 1928-29. godinu, Split 1929, S. 204.
636 Vgl. z.B. Thompson, Edward P., Plebeische Kultur und moralische Ökonomie. Aufsätze zur
englischen Sozialgeschichte des 18. u. 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Dieter Groh, Berlin 1979.
637 Voppel, Götz, Die Industrialisierung der Erde, Stuttgart 1990, S. 22.
291
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
638 Calic, S. 246-258 „Die Genese der Fabrikarbeiterschaft“, hier S. 251 m. Literaturangaben.
Wie aus einer Befragung der Zagreber Flandels- u. Industriekammer 1929 hervorging, waren
es in der Branche „Steine, Erden“, wozu die Zementindustrie Dalmatiens gehörte, sogar 73 %
„Arbeiter-Bauern“; vgl. Trgovinsko-industrijska komora u Zagrebu, Anketa o radnickim nad-
nicama i zaradi u industriji, Zagreb 1935, S. 94.
639 Vgl. Halpern, Joel M., Peasant Culture and Urbanization in Yugoslavia, in: Human Organiza
tion 24 (1965), S. 162-174; ders. u. Halpern, B. K., A Serbian Village in Historical Perspective,
New York 1972; ders., Town and Countryside in Serbia in the Nineteenth Century. Social
and Household Structure as Reflected in the Census of 1863, in: Laslett, P. u. Wall, R. (Hg.),
Household and Family in Past Time, Cambridge 1972, S. 335-373.
640 Vgl. Vranjic kroz vjekove, S. 154ff. mit eindringlicher Beschreibung des mühevollen Alltags
und der Traditionen der Dorfbewohner. Die „falsche Psychologie“ der „Arbeiter-Bauern“,
deren ländliche Verwurzelung und Widerstand gegen eine ideologisch aufgefaßte „Proletari
sierung“ beklagen die Briefe des dalmatinischen KP-„Aktionskomitees“, das sich bemühte
diese Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren.
641 Vgl. Ivasovic, Frane, Kastel-Stari. Crtice iz njegove povijesti i zivota (Bilder aus Geschichte
und Leben von Kastel-Stari), Split 1940., S. 83ff.
642 Halpern, Peasant Culture, S. 170; Calic 255.
292
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
hatten. Belege, auch auf dem Gebiet der Wirtschaft, warum die Vereinigung von Scha
den sei, ließen sich unschwer finden:
Hoch schlugen die Wellen der Empörung schon 1921 auch an der Küste, als die frü
here Serbische Nationalbank, nun unter der Bezeichnung Nationalbank des König
reichs SHS, die ohne Zweifel Zeit ihres Bestehens „konsequent serbisch dominiert“
war,643 den Zwangsumtausch von Kronen in Dinar durchführte. Der Umtausch zog
sich über 2 Jahre hin und machte manche Ersparnisse wertlos.644 Dieser Zwangsum
tausch wurde ein klassischer Topos „nationaler“ Argumentation. Die Vorstellung, man
sei von „den Serben“ übervorteilt worden, ließ sich in Dalmatien v. a. in Krisenzeiten
gut vermitteln. Doch die Frage des Geldumtausches war keineswegs der einzige Fall,
wo solche nationalen Argumentationsmuster griffen. Das Erklärungsmuster war uni
versell und beliebig einsetzbar. Wie wenig sich wirtschaftliche von national/nationali-
stischen Überlegungen in der verunglückten Staatskonstruktion des Zwischenkriegs
jugoslawien trennen lassen, beweisen auch die Bemühungen des Ministeriums für
Handel und Industrie während der Amtszeit des Ministers Milivoje Savic. Seine Idee,
daß „mindestens 55 % des Aktienkapitals eines Industrieunternehmens jugoslawisch
sein solle und daß sich der Aufsichtsrat zu wenigstens zwei Dritteln aus Serben konsti
tuieren müsse“, ließ sich zwar nicht verwirklichen, wirft aber ein bezeichnendes Licht
auf die Denkungsart der Belgrader Verwaltung.645 Hierher gehören auch die Wider
stände gegen die Beschäftigung von Ausländern, obwohl es überall an Facharbeitern
mangelte. Das Ministerium für Handel und Industrie war „konsequent“ der Meinung,
daß „wir eine Industrie (...), die sich um den Preis einer Stärkung des anationalen
Geistes (...) entwickelt, nicht brauchen“.646 Die „banska uprava“ wurde „eiligst“ und
„streng vertraulich“ vom Handelsministerium in Belgrad zu Berichten über die Situa
tion an der Küste aufgefordert.647 Nicht selten betonte die „Königliche Landesregie-
643 Djekovic-Sachs, Liliana, Die Jugoslawische Notenbank - ein Lehrstück für Europa?, in: Süd
osteuropa Mitteilungen 1993/Nr. 1, S. 104-108, hier S. 105.
644 Vgl. den Artikel im Dom (Das Heim) Nr. 36 v. 29.08.1923, „Die Wohltaten der Befreiung“
wo sogar behauptet wurde, daß der, ohnehin schlechte, Umtauschkurs von 4: 1 in Dalmatien
nur bis zum Betrag von 10.000 Kronen galt. Für größere Beträge hätten die Menschen noch
weniger, bis zum Kurs 16:1, bekommen; vgl. Mirosevic, Pocelo je 1918., S. 73; Sundhaussen,
Holm, Die jugoslawische Währungsreform von 1920: Zur Interdependenz ökonomischer und
politischer Integrationsprobleme in einem multinationalen Staat, in: Österreichische Osthefte
27 (1985), 1, S. 19-39.
645 Vgl. Arhiv Jugoslavije 65-398-1078. MTI, Nr. 5325 v. 13.11.1922; dort auch die Daten aus
ländischer Kapitalbeteiligungen an Fabriken 1938: danach befanden sich von 100 Fabriken in
Dalmatien 86 in „vorwiegend jugoslawischer“ Hand, 13 „vorwiegend ausländisch“ und 1
„unbekannt; vgl. Statistika industrije, Belgrad 1946, hier zit nach Calic, S. 288.
646 Arhiv Jugosl.: 65-1007-1893.MTI, Nr. 16.414, Beogr. v. 16.10.1925 an MSP, hier zit. nach
Calic, S. 306f.
647 So sollte die Verwaltung herauszufinden, „ob unsere vertraulich bekommenen Informationen
zutreffen, daß die Aktien der Zementfabrik Sv. Kajo aus den Händen von Ausländern in das
Eigentum von Einheimischen, angeblich in das von Marin Feric aus Split übergegangen sind“.
293
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
rung“ (Kr. Pokrajinska Vlada) aus Split in ihrer Korrespondenz mit dem Handels
und Industrieministerium in Belgrad „Patriotismus und Loyalität zum Königreich
SHS“, wenn sie um Bestätigung oder Erlaubnis für Verwaltungsakte nachsuchte.648
Daß es also nicht nur die Denkungsart des Ministeriums in Belgrad war, sondern auch
in Dalmatien „national“ in Wirtschaftsfragen gedacht wurde, sei durch folgende Fälle
illustriert, die die Durchsetzung „nationaler Kriterien“ in der öffentlichen Rede am
Beispiel der Ökonomie zeigen.
Vor allem das italienische Kapital sah sich in Dalmatien von vornherein patriotischem
Verdacht ausgesetzt: Beispielsweise war die „Sufid AG“ mit italienischer Kapitalmehr
heit, die die Wasserkraft Dalmatiens zur Stromerzeugung nutzte, den national gesinn
ten „Jugoslawen“ ein Dorn im Auge. Immer wieder forderten die dalmatinischen
Zeitungen, die Gesellschaft zu nationalisieren.649 Arbeiter und Bürger aus Omis prote
stierten 1919 häufig gegen „die Italiener“.650 Gleichzeitig wurde ein erbitterter Kampf
um die Beflaggung von Handelsschiffen geführt; die Handelsschiffe mußten in italieni
schen Häfen die italienische Flagge aufziehen, an der östlichen Adriaküste war dies
nicht ratsam.651 Wie solch eine „nationale Kampagne“ verlief, zeigt das Beispiel der
Firma „Sufid“:
Anfang 1919 schrieb die Zeitung „Zora“ unter der Überschrift: „Für unsere Fabri
ken“: „Heute hat in Split ein Treffen der Jugoslawen stattgefunden, die Aktien der
Fabrik „Sufid“ in Dugi Rat bei Omis besitzen. Es geht darum, daß diese Fabrik voll
ständig in unsere Hände übergeht. Wir dürfen es nicht zulassen, daß Fremde die
Herren in unserem Haus sind. Diese Fabrik wird von großem Nutzen für unsere
ganze Region und Umgebung sein.“652 In den dalmatinischen Zeitungen brach eine
„Herausfinden und ausführlich berichtet“ sollte weiter dem Ministerium werden, „ob Auslän
der Aktien für sich behalten haben (...) oder ob Marin Feric (...) nur ein Vetreter einer
Gruppe von Finanziers“ sei, und wenn ja „wer hat Feric als seinen Vertreter und Bevollmäch
tigten beauftragt. Es ist eilig!“ Schon eine Woche später konnte Tartaglia das Ministerium mit
der Auskunft beruhigen, daß Feric die Aktien auf eigene Rechnung gekauft habe. Vgl. str.
pov. III Br. 1286 v. 16.12.1937, in BH 52/1.
648 Vgl. Molba za dozvolu osnutka dionickog drustva (Bitte um Erlaubnis zur Gründung einer
Aktiengesellschaft. In diesem Fall waren Anwälte u. Großgrundbes. die Gründer) v.
30.10.1920, positive Antw. am 17.11 20, BH 40/1.
649 Vgl. Jadran, Nr. 122 v. 05.06.1920, S. 1; Jadran, Nr. 40 v. 19.02.1920, S. 3; Zivot, Nr. 467 v.
19.07.1921, S. 2; Novo doba, Nr. 132 v. 11.06.1921, S. 24 usw.
650 Novo doba v. 18.02.1919.
651 Jadran v. 14.02.1919.
652 Zora Nr. 7 v. 20.02.1919. Die Aktiengesellschaft „Sufid“ (Societä anonima per l’uttilizazione
294
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
delle forze idrauliche della Dalmazia), wurde 1902 von italienischen Firmen aus Rom und
Venedig und dem Rechtsanwalt Richetta aus Triest gegründet. Ziel war die Ausnützung der
Wasserkraft in Dalmatien zur Gewinnung von Karbid, Zyanamid, Soda, Aluminium etc. und
die Stromerzeugung. Lakatos (S. 40ff.) schreibt, daß sich vor dem Ersten Weltkrieg ca. 15%
der Aktien in Händen der „Jadranska banka“, der Gemeinde Sibenik und von Privatleuten
befanden.
653 Jadran v. 05.06.1920, Seite 1.
654 Novo doba v. 11.06.1921, Jadran v. 19.02.1920; Vgl. auch Stanic, S. 68ff.
655 Jadran v. 19.02.1920.
656 Zivot v. 09.02.1920.
657 Novo doba v. 19.07.1921, S. 1, Jadranska posta v. 05.07.1929, Dalmatinski Glasnik v.
19.04.1922.
295
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Daß damit ein „befreundetes Volk“, von dem man „Verständnis für unsere ökonomi
sche Situation“ erwarten könne, die Stromerzeugung in Dalmatien übernommen hatte,
freute den Kommentator von „Novo doba“. Zumal „zwei ehrenvolle Dalmatiner, der
Banus der Küstenbanschaft Dr. Ivo Tartaglia und der ehemalige Minister Dr. Niko
Subotic“, im Aufsichtsrat sitzen würden. Damit war, „bei der heutigen Krise in Dal
matien, wo das Volk ums Überleben kämpft, weil es seine Produkte nicht verkaufen
kann“, wieder einmal Anlaß zu großer Hoffnung gegeben.658 Doch auch nachdem
die französische Gesellschaft „La Dalmatienne“ 1929 die Rechte der Ausbeutung der
Wasserkraft der Flüsse Krka und Cetina auf 50 Jahre erworben hatte (laut Vertrag,
den die lokale Presse veröffentlichte, bis 1979), hörten die Proteste nicht ganz auf,
obwohl es natürlich auch Artikel gab, die ihre Leser dazu aufforderten, „froh zu sein“,
weil „das arme Dalmatien“ durch fremdes Kapital nun große Wasserkraftwerke und
eine Karbid- u. Zyanamidproduktion bekommen würde.659 Als die versprochenen
Investitionen aus Frankreich ausblieben und im Gegenteil noch 800 Arbeiter und 30
Angestellte in Dalmatien entlassen wurden, wurden „unsere nationalen Interessen,
und nicht die Interessen des französischen Kapitals“ einhellig von der dalmatinischen
Öffentlichkeit eingefordert.660
Die Beschwerden über den italianisierenden Einfluß und gesetz- oder zumindest sit
tenwidriges Verhalten italienischer Unternehmen wurden häufig laut. Aus Konkur
renzgründen und aus nationalem Eifer: So wurde die Banca Dalmata di sconte -
Filiale Sibenik, die „von einer großen Zahl der lokalen Händler, Unternehmer, Indu
striellen und Landbesitzer genutzt“ wurde, und deren Privatkunden „hauptsächlich
italienischer Nationalität sind oder italienisch fühlen“, nach der Reintegration Sibeniks
in das Königreich SHS systematisch behindert und brach schließlich zusammen.661
V.a. die unitaristischen Demokraten boten sich den „jugoslawischen Industriellen“ in
deren Kampf gegen die nicht-slawische Konkurrenz an. Je mehr sich herausstellte,
daß sich „Hoffnungen“ auf wirtschaftlichen Aufschwung, wie das Wirtschaftsblatt
„Jugoslawischer Lloyd“ über das Jahr 1920 schrieb, „kein bißchen erfüllten“ und die
„politischen Verhältnisse nicht konsolidiert werden konnten“, vielmehr das „Prinzip
der nationalen Einheit“ ernsthaft erschüttert sei,662 desto mehr geriet die Kampagne
gegen ausländische Industriebeteiligungen in Fahrt.
296
Städtische Lehenswelt und Industrialisierungshoffnungen
Die lokale dalmatinische Verwaltung unterstützte nach Kräften den Kampf gegen das
„italienische Kapital“, und war enttäuscht, wenn aus Belgrad die Direktive kam, daß
„aus politischen und ökonomischen Gründen“ den Wünschen einer italienischen Bank
nach Eröffnung einer Filiale in Dalmatien „Entgegenkommen gezeigt“ werden sollte.
In diesem Fall war der Bank von der Spliter Behörde, trotz erteilter Konzession des
Belgrader Handelsministerium, die Aufnahme der Geschäftstätigkeit untersagt wor
den. Nun wurde der Spliter Verwaltung klargemacht, daß mit der Konzessionsertei
lung „den Italienern eine kleine Kompensation für die Anerkennung von fünf unserer
Banken in Rijeka, Triest und Görz gegeben worden“ sei. Außerdem seien „die Zinsen
bei uns mit 30 % viel zu hoch“ und „fremdes Kapital nötig“. Doch mit „Zufrieden
heit“ konstatierte das Außenministerium, daß der „Veliki Zupan“ in Split die „italieni
schen Maßnahmen und Aspirationen“ genau beobachte, könne aber seiner Meinung
nicht zustimmen, daß die Eröffnung einer einfachen Filiale einer italienischen Bank
eine „ernsthafte Gefährdung der nationalen Bedeutung Dalmatiens“ darstellen würde.
Heute, „im nationalen Staat, wo die gesamte öffentliche Verwaltung in nationaler
Hand ist, wo die Italiener nur toleriert werden als fremde Staatsbürger und keinerlei
politische Rechte genießen“, könne es nur „Bedauern hervorrufen, daß unsere Wirt
schaft noch nicht stark genug ist, auch alle italienischen Unternehmen zu übernehmen,
aber dies könne „auf keinen Fall die nationale Bedeutung unseres Landes schmä
lern.“663
Doch die lokale Verwaltung gab nicht auf und erdachte immer neue Wege, auf denen
sie ihrem Ziel, die unliebsame Banken-Konkurrenz loszuwerden, näherkommen
könnte. Das „Splitsko sresko poglavarstvo“ bestimmte in seiner Entscheidung,664 daß
die „Banca Dalmata di Sconto“ nur noch „in der Staatssprache“ in Dalmatien für sich
werben dürfe. Über den Namen dieser „Staatssprache“ war man sich nicht ganz sicher,
jedenfalls nicht italienisch. Die mit dem Fall in Belgrad befaßten Ministerien, Handels
und Außenministerium, konnten nun nicht anders, als auf „der Grundlage der Rezi
prozität“ zu bestehen. Das bedeutete, solange die jugoslawischen Banken „in Rijeka
und Zadar ihre Namen nur in italienisch benutzen dürfen“, solange sollte auch die
Spliter Entscheidung Geltung haben.665 Auch als sich die Bank dann in „Dalmatinska
eskontna banka“ umbenannt hatte, hörten die Warnungen vor einer „Abhängigkeit
unserer Leute von italienischen Banken“ aus Split nicht auf. Alle nur möglichen Stellen
der Verwaltung bis zum Staatsschutz wurden damit befaßt.666
663 Das Außenministerium (Ministarstvo Inostranih Dela Kraljevine SHS) Br. Pov U. 90 v.
23.04.1926 antwortet dem Verwaltungschef („Veliki Zupan“) in Split auf dessen Brief (Pov. br.
2105/26 v. 04.04.26), in dem er die Verhinderung der Eröffnung einer Filiale der „Banca di
Skonto Dalmata“ aus Zadar verlangt, BH 40/11.
664 Vgl. Nr. 27.459/26 v. 22.09.26.
665 Vgl. Akt d. Handelsm. m. Durchschrift an d. Außenministerium, Nr. 2680 v. 21.12.1926, in:
BH 40/11.
666 Vgl. Kraljevina Jugoslavije. Ministarstvo unutranjih poslova Odeljenje za drzavnu zastitu
(Staatsschutzabteilung) I Pov.I br. 44746 v. 9.12.31 an die Kraljevska banskauprava Split, BH 40.
297
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Ihren Niederschlag fanden die Klagen über „die Italiener“ in Schreiben an die ver
schiedenen Ministerien und Abteilungen der Verwaltung: So schwärzte der Fabrikant
von eingedosten Sardinen, Antun Mardesic, z. B. seine Konkurrenz die „Itak AG“ mit
Hauptsitz in Komiza auf der Insel Vis an. Auf deren Dosen und Etiketten sei nämlich
fälschlicher- und „beschämenderweise „Packed in Italy“ aufgedruckt“, obwohl sie
doch in Dalmatien gefüllt würden. Die Geschäftsführer ihrer mittlerweile fünf Fabri
ken seien allesamt „italienische Untertanen“, und trotz des „mehrheitlich einheimi
schen Kapitals“ würden vollständig „die Italiener“ bestimmen. Die „Bücher würden
auf italienisch geführt“, die „Korrespondenz mit der Zentrale in Split“ ebenso. Der
„Direktor Leva, ein ital. Faschist“ verbreite „Angst und Schrecken“ unter der kroati
schen Arbeiterschaft und hätte bei Protesten gedroht, daß sie, wie in Istrien, „sareb-
bere tutti fucilati“ (alle an die Wand gestellt) würden.667 Obwohl der volle Name der
Firma „Itak - Jugoslawische Alu-Konservenfabrik d.d.- Split“ war, und der angese
hene Spliter Bürger Viktor Morpurgo als Präsident fungierte, kam die Firma als
„feindlich unterwandert“ unter Beschuß.
Aber auch einfache Bürger fühlte sich aufgerufen, ihre diesbezüglichen Beobachtun
gen zu Protokoll zu geben. So schrieb Ante Benzon aus Vranjic, daß er „heute um 11
Uhr von einem Kahn aus, am Ufer der Zementfabrik „Split“ in Vranjic beobachtet
habe, wie „200 Zementsäcke“, die zur Verladung bestimmt waren, „Etiketten in italie
nischer Sprache und die Aufschrift „Salona Dalmazia“ und „Made in Italy“ trugen.
Da er „als Bürger dieses Landes“ der Meinung war, daß dies eine „gravierende Unre
gelmäßigkeit und eine Herausforderung unseres Staates ist“, melde er hiermit den
Vorfall an die „zuständigen Stellen“.668 Die Verwaltung wurde auch sofort aktiv und
gab sich in ihrem Brief an die Staatsanwaltschaft überzeugt davon, „daß es sich (bei
den Etiketten für die Zementsäcke, A. J.) um systematische Propaganda“ handelte, die
„darauf gerichtet ist, diese Region aus dem Bestand unseres Staates zu entreißen“ und
legte als Beweis ein beschlagnahmtes Etikett bei. Die „Eil-Antwort“ des Unterneh
mens wies darauf hin, daß es „nach 22-jährigen Bemühungen“ endlich gelungen sei,
den Weltmarkt mit Zement aus Dalmatien zu beliefern, und daß die Aufschriften noch
nie Anlaß zur Beunruhigung waren. Außerdem wäre ein zusätzlicher roter Papieran
hänger an der Produktion an jugoslawischen Standorten befestigt, auf dem „Made in
Jugoslavia“ stände. Man bat aber trotzdem auch „um Rückgabe von 200.000 beschlag
nahmten grünen Etiketten mit dem Aufdruck: Adriaportland: Societä Anonima Ce-
mento Portland dell’Adriatico Stabilimento di Salona (Dalmazia) Artificiale“. Da der
gesamte Verkauf ins Stocken kam, geriet die Geschäftsführung in Panik. Die verschie
denen Untersuchungskommissionen, die gegründet wurden, drohten, die gesamte
Ausfuhr zum Erliegen zu bringen.669
667 Vgl. Zalbe na nepravilnosti „Itak“. Nr. I 6681/30 v. 26.03.1930, in: BH 51/1.
668 Vgl. Durchschrift der Anzeige v. Ante Benzon vom 19.02.1930, in: Zementfabrik (Bergamo
1907/08), in: BH 52/1.
669 ebenda.
298
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
670 Vgl. Izvjestaj o glavnoj skupstini Prve pucke dalmatinske banke u Splitu, sowie Brief an die
Kraljevska banska uprava - odsjek za trgovinu i industriju - Split v. 20.04.1932 - BH 48/
III.
671 Vgl. Br. v. P. Didolic Opcinska stedionica Selca (Brac) Vladinom Povjereniku Velec. Don
Slavku Stambuk v. 07.03.1928, sowie weitere Korrespondenz u. Protokolle; BH 47/11.
672 Vgl. Brief v. Aleksa Durendic v. 06.01.1931 an Dr. Tartaglia, Spisi Srpska Banka d.d. Bugojno,
in: BH 50/1. Vgl. auch „Srpska stedionica d.d. u Lijevnu“, BH 50/11.
299
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
kamen, wie die, daß „unsere fleißigen Dalmatiner noch gewissenhafter und fleißiger
werden müssen“, wenn es voran gehen solle, wo doch „unser Dalmatien, mit seinen
klimatischen Verhältnissen alle Voraussetzungen“ habe, auf dem Gebiet der Landwirt
schaft (v.a. Heilkräuter, Öle etc.) „mehr auszuführen“,673 rief das nicht nur in der
Spliter Wirtschaftskammer kontroverse Diskussionen hervor. Ob es die Gründung
einer eigenen dalmatinischen Sparkasse war674 oder eine größere Investition: In den
Augen der dalmatinischen Politiker tat Belgrad kaum etwas, um die Wirtschaftsent
wicklung Dalmatiens zu fördern. Sieht man sich diese Entwicklung an, so wird deut
lich, wie wenig reale Grundlage die hochfliegenden Prognosen und megalomanischen
Entwicklungspläne von Anfang der Zwanziger Jahre hatten. Die „Probleme der dal
matinischen Wirtschaft“, wie sie die Kammer mit ihren Resolutionen und das dalmati
nische Wirtschaftsblatt „Jadranski Lloyd“ in seinen Artikeln ihrer Leserschaft mitteil
ten, blieben immer die gleichen: Schlechte Verkehrsanbindung und Infrastruktur,675
zu hohe steuerliche Belastungen, zu wenig öffentliche Hilfe.676
Gegen Ende der 30er Jahre hatte der ideologisierte Diskurs in Dalmatien keine
Alternative mehr:677 Zustimmende Kommentare auf der ersten Seite fast aller dalmati-
673 Vgl. Beogradska Trgovacka komora (Hg.), III redovni kongres privrednih komora i organiza-
cija Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca, odrzan na dane 19. i 20. septembra 1925. godine u
Beogradu, Beograd 1925, S. 72f.
674 Vgl. Brief von Tartaglia Nr. 44730/30 v. 14.11.30, BH 39 I, in dem er zum wiederholten Mal
gegenüber dem Innenminister in Belgrad, inzwischen wird die Korrespondenz nur noch auf
Kyrillisch geführt, die Notwendigkeit der Gründung eines eigenen Geldinstituts betont. Als
es 1931 so weit ist, wird Prvislav Grisogono in den Aufsichtsrat berufen, Ante Tresic-Pavicic
wird zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats der „Stedionica Primorske banovine“, vgl. Ver
ordnung Nr. 1-34722 v. 3.6.31, in: Sluzbeni glasnik Jg. XIV, Nr. 47 v. 12.06.31.
675 Generell war die Verkehrs-Infrastruktur in keinem guten Zustrand. Um 1920 betrug die Ge
samtlänge aller im weitesten Sinne verkehrsgeeigneten Straßen in Dalmatien 1589 km, wobei
alle Arten von Gemeindewege und -Straßen dabei mitgezählt sind. 1941 waren es 2.206 km.
Zwar waren die zu Zeiten Österreichs gebauten Staatsstraßen meist recht solider Qualität, im
Hinblick auf die damaligen Ansprüche, aber für motorisierten Verkehr waren sie freilich nicht
geeignet. Eine Geschwindigkeit über 20 km/h konnte für Fahrer und Insassen leicht lebensge
fährlich werden, da weder Straßenbelag, noch Steilheit der Kurven oder Straßenbreite etc. für
modernen Verkehr geeignet waren. Zwischen 1920 und 1941 wurde das Straßennetz in Dalma
tien um 617 km ausgebaut, was einer Steigerung um 38% entsprach. Die meisten neuen
Straßenverbindungen wurden in Nord-Dalmatien neu geschaffen. Zu den 259 km neugebau
ten oder instandgesetzten Gemeindestraßen kamen „einige hundert km Gemeindewege II.
Ordnung“, die von den Dörfern selbst erbaut wurden und durch den sog. „kuluk“, einer
Arbeitsverpflichtung für Männer zwischen 18 und 60 Jahre, die 6 Tage im Jahr ihre Arbeits
kraft unentgeltlich für Gemeindezwecke zur Verfügung stellen mußt, durch staatliche Gelder
finanziert; vgl. Krulj, Uros, Nasa saobracajna politika (Unsere Verkehrspolitik), Beograd
1935; Nezic, Herman, Ceste u Dalmaciji (Straßen in Dalmatien), in: Zbornik hg. v. Slavko J.
Siriscevic, Split 1958, S. 301-322, hier S. 301 u. 308.
676 Jadranski Lloyd v. 10.02. u. 17.02.1939.
677 Bei der Zusammenstellung einer „Wirtschafts-Bibliographie für das Jahr 1938“ konnten die
Autoren auf nur sechs Publikationen aus Dalmatien, von insgesamt knapp 200 Titeln die im
300
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
Abb. XIII: Ausbau des Straßennetzes in Dalmatien zwischen 1920 und 1941
* A k
Quelle: Siriscevic, Slavko, Zbornik. Die Dicke der Linien entspricht der Klassifizierung der Stra
ßen als Staats-, Banschafts- oder Gemeindestraßen.
Königreich erschienen, zuruckgreifen. Überall waren die nationalen Töne unüberhörbar. Vgl.
Publikacije Trgovinske komore u Zagrebu Br. 114, Bibliografija jugoslavenske privredne knji-
zevnosti za godinu 1938 (izradeno u knjiznici Trgovinske komore), Zagreb 1939.
678 Jadranski Lloyd v. 21.04.1939.
301
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Bauten, die aus der gemeinsamen Kasse bezahlt worden seien, wurden nun in Belgrad
entdeckt, und die serbische „Engstirnigkeit“ und „Uninformiertheit“ beklagt.679 Die
„Wirtschaft und die Lösung der kroatischen Frage“ wurden hinfort in jeder Ausgabe
in solcher oder ähnlicher Form diskutiert: „Die letzten 20 Jahre“ hätten „alle Schich
ten des kroatischen Volkes in diesem Kampf (um nationale Rechte) alle moralischen
und materiellen Ressourcen investiert, und Opfer gebracht, die nur ein Volk bringen
kann, welches sich seiner nationalen Rechte, frei über sein Schicksal zu entscheiden,
bewußt ist.“ Auch „in wirtschaftlicher Hinsicht“ hätte dieser „Volkskampf große Op
fer gefordert“. Jetzt, mit der bevorstehenden Lösung des serbisch-kroatischen Kon
flikts, könne endlich „die konstruktive sozial-ökonomische Aufbauarbeit“ anfangen.
Eine „neue Epoche des nationalen Lebens“ breche an, die „Wichtigkeit Splits und
ganz Dalmatiens im Leben des kroatischen Volkes“ sei dabei evident, denn „Dalmatien
stellt das nationale Tor zur ganzen Welt dar“. Die „kroatische Wirtschaftspolitik“
müsse „aufs Meer hin orientiert sein“, die „pomorska orientacija“ müsse das Zentrum
jeder Wirtschaftspolitik bilden, zumal „durch die Jahrhunderte ein zähes, widerstands
fähiges und arbeitssames nationales Element“ die Küste besiedelt hätte. Deshalb „ste
hen auch der dalmatinischen Wirtschaft nach dieser Lösung der kroatischen Frage
bessere Tage bevor“, und Dalmatien begrüße als „bewußter Teil des kroatischen Volkes
(Hervorhebung A. J.) diese Lösung mit ganzem Herzen und ganzer Seele.“680
Am 26. August 1939 meldete das Wirtschaftsblatt triumphierend, daß „der sporazum
erreicht“ sei und die kroatische Wirtschaft nun viel von dieser Lösung erwarte.681
Immer wieder versicherte man sich selbst, daß dies nun der „Anfang eines besseren
Lebens in der freien Heimat nach langjährigem Kampf und Leiden“ sei. Nach der
„politischen und territorialen Vereinigung aller historischen kroatischen Provinzen“
würde nun endlich der Aufschwung einsetzen.682
Vor dem erwarteten Aufschwung erfolgte aber erst die publizistische Abrechnung der
dalmatinischen Wirtschaftskreise mit der ehemaligen Zentrale: Die „Belgrader Regie
rungen“ hätten „weder den Willen noch das Interesse für unsere Meeresküste und die
Schiffahrt“ aufgebracht; die Häfen nach 20 Jahren im jugoslawischen Staat seien „in
einem schlimmeren Zustand, als zu Zeiten Österreichs“; während „bis 1937 nur 59
Millionen Dinar für die Renovierung der Häfen ausgegeben“ würde, seien „96 Millio
nen Dinar an Hafengebühren eingenommen wurden“, die man hätte abführen müssen.
Auf Entgegnungen aus Belgrad, daß „in Jugoslawien immer die Kroaten das Seewesen
in Händen gehalten“ hätten und daß diese eben, im Gegensatz zur „erfolgreichen
serbischen Binnen-Flußschiffahrt“, „trotz aller Subventionen“ nicht in der Lage gewe
sen seien, damit umzugehen, lautete die Antwort des Jadranski Lloyd:
302
Städtische Lebenswelt und Industrialisierungshoffnungen
„1. Die Kroaten, die in der Verwaltung tätig waren, (...) mußten die Befehle des Regimes
ausführen und konnten keine kroatischen Interessen vertreten. 2. Unsere Häfen sind heute in
einem schlimmeren Zustand als unter Österreich, denn sie verfielen schneller, als sie repariert
werden konten. Österreich hatte seinen Haupthafen in Triest, Dalmatien war ohne Eisenbahn
anbindung ans Hinterland, doch trotzdem hat Österreich für den Bau und Ausbau unserer
Häfen mehr aufgewendet als Jugoslawien. (...) Und 3. Zwischen 1920 und 1935 sind in Jugo
slawien 3,377 Millionen Dinar in den Eisenbahnausbau investiert worden, davon 2.852 Millio
nen allein für Serbien. (...) Slowenen und Kroaten haben damit am meisten bezahlt“. So sähe
es bei allen öffentlichen Arbeiten aus: „Der Bau und die Ausbesserung von Straßen, Brücken,
öffentlichen Gebäuden: immer ging der Löwenanteil an Serbien und Belgrad.“
„Wer beutet da wen aus}“ (Hervorh. im Original) fragte der JL rhetorisch. In diesem
Stil ging es seitenweise weiter.683 Kroatisch-nationale Argumentationsmuster, wie sie
jahrelang (nicht nur) von der HSS ins Feld geführt worden waren, hatten sich vollstän
dig durchgesetzt.
Doch auch ohne nationale Rhetorik standen die Zeichen für die Wirtschaft Dalmatiens
auf Sturm. Angst vor Geldentwertung prägte „den psychologischen Zustand unseres
kleinen Mannes“, wie das Blatt schrieb.684 Die Krisenzeichen wurden unübersehbar.
Die „Zementindustrie in unserem Land“ stehe „vor dem Kollaps“. Eine „schnelle
Intervention der zuständigen Stellen“ wurde angemahnt. Da dieser Industriezweig
83 % der gesamten dalmatinischen Industrie ausmache, sei es eine Uberlebensfrage
der Region.685 Als schließlich die Zementindustrie aufgrund der Kriegssituation in
Europa die Arbeit einstellte, und 1300 Arbeiter mit einem Schlag ohne Lohn blieben,
wurde spätestens deutlich, daß mit dem erreichten Autonomiestatus Kroatiens 1939
die schweren Probleme Dalmatiens keineswegs gelöst waren.686 Weder die im Dezem
ber 1939 vom Banus der Banovina, Ivan Subasic, erlassene „Verordnung mit Gesetzes
kraft“, die „Hortung, Teuerung und gewissenlose Spekulation“ mit Lebensmitteln auf
dem Gebiet der Banovina unter Strafe stellte,687 noch das „Verbot des Betreibens
großer Warenhäuser“ verbesserten Güterversorgung oder Wirtschaftslage.688 Vor Be
ginn des Zweiten Weltkriegs stand die dalmatinische Wirtschaft nicht viel anders da,
als es gegen Ende des Ersten der Fall gewesen war.
303
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Eines der offensichtlichsten Krisensymptome im Dalmatien der 30er Jahre war die
steigende Arbeitslosigkeit. Das Arbeitsamt konnte kaum Stellensuchende vermitteln,
immer mehr Facharbeiter, wie Maurer, Schreiner, Steinmetze, Schmiede und Maler
wurden arbeitslos.689 Doch gleichzeitig füllten auch immer mehr Arbeitskräfte vom
Dorf, die in der Statistik als „nekvalificirani radnici“ auftauchten, die Statistik. Für
die wachsenden Defizite der Sozialversicherungsbehörde (Okruzni ured za osiguranje
radnika) machten deren Funktionäre das Fehlverhalten von Arbeitgebern und Arbei
tern verantwortlich: „Es gibt genügend Arbeiter, vor allem solche, die vom Dorf kom
men, die schon krank sind, wenn sie sich versichern, nur damit sie die Behandlung
bezahlt bekommen. Es gibt Arbeitgeber, die denken, daß sie so etwas wie ein gutes
Werk tun, wenn sie Kranke anmelden, auch wenn sie gar nicht gearbeitet haben. Es
gibt Arbeiter, die bekommen Essenszuschüsse für Arbeitslose, arbeiten jedoch
schwarz, was mit dem Arbeitgeber vereinbart ist, der sie als arbeitslos meldet.“ Weiter
klagte die Behörde über „Arbeitgeber, die im Einvernehmen mit ihren Arbeitern, diese
erst dann anmelden, wenn diese krank werden“. Andere würden ihre Arbeiter gleich
gar nicht melden, was gleichfalls nicht in Ordnung und eine „schmutzige Konkurrenz
gegenüber den gewissenhaften Arbeitgebern“ sei. Auch würden manche Arbeitgeber
ihre Zahlungen nicht leisten, sondern darauf warten, daß „ihnen die Behörde mit
Mahnbescheiden hinterherläuft“.690 Als 1930 die Zementfabriken ihre Produktion
durch neue Rotationsöfen rationalisierten und an die 2.500 Arbeiter entließen, spitzte
sich die Situation zu. Zwischen 1931 und 1932 verdoppelte sich noch einmal fast die
Zahl der gemeldeten Arbeitslosen auf knapp 6.000.691 Die Berichte des Delegierten
689 Die „Javna burza rada“, das staatliche Arbeitsamt, in Split, mit seinen Zweigstellen in Sibenik,
Dubrovnik und Kotor, führte im Jahr 1932 12.180 Personen auf ihre Gebiet (7.904 od. 64%
davon in Split) in seiner Erwerbslosenstatistik. Verglichen mit den Zahlen von 1928 war dies
ein Zuwachs um 5.523 Arbeitssuchende. Mehr als die Hälfte der gemeldeten (6366 od.
52,26%) waren qualifizierte Facharbeiter, gefolgt von unqualifizierten, festangestellten Arbei
tern (3.875 od, 31,81 %), unqualifizierten Saisonkräften (1.760 od. 14,45) und 179 oder 1,48%
Angestellten. Izvjestaj Trgovacke i obrtnicke komore u Splitu za 1928-1929. godinu, Split
1929, S. 236f.; Sitin, Nezaposlenost, S. 222.
690 Privrednicka rijec v. 12.10.1929; Sitin, Nezaposlenost, S. 232, ders., Karakteristike gospodar-
stva, S. 187.
691 Vgl. PAS, Banska uprava Primorske banovine, Periodicni izvjestaj o poslovima opce uprave,
Izvjestaj RK Split Ministarstvu socijalne politike i zdravlja o stanju neuposlenih v. 01.05.1932,
fase. 9.; Arhiv Instituta za suvremenu povijest, Fond Radnicke komore - 223/32 - Zapisnik
sjednice Upravnog odbora Radniclke komore u Splitu od 30.12.1932 u. 27.01.1933; Sitin,
Nezaposlenost, S. 223. Aus den Berichten der Arbeiterkammer zwischen 1931 und 1933 geht
304
Folgen des sozialen Wandels
hervor, daß die Zahl d. Arbeitslosen in diesem Zeitraum v. 3.510 auf 5.922 stieg, davon 2.400
arbeitslose Saisonkräfte.
692 Peti kongres Radnickih komora 1932, Beograd 1933, S. 44-47, Sitin, Karakteristike, S. 189.
693 Arhiv Instituta za suvremenu povijest, RK-1675/33, Protokoll v. 24.02.1933, Arhiv Jugosla-
vije, Fond Ministarstva trgovine i industrije, 65-1008-1894, Izvjestaji Radnicke komore o
nezaposlenosti radnika, hier zit. nach Sitin, Nezaposlenost, S. 224 u. 227 u. ders., Karakteri
stike gospodarstva, S. 190f.
694 1 932 stieg die Arbeitslosigkeit auf 10.076, 1933 auf 13.789 gemeldete Fälle. Erst in der zweiten
Hälfte der 30er Jahre ging sie wieder leicht zurück: 1936 sind es nach den Angaben der
Arbeiterkammer noch 7.485 und 1937 6.890 gemeldete Arbeitslose in der Region. In den
Jahresstatistiken fällt der leichte statistischen Rückgängen in den Wintermonaten auf, bedingt
durch die Rückkehr vieler Bauern-Arbeiter in ihre Dörfer im Hinterland. PAS, Banovinska
uprava Prim, ban., Izvjestaj o privrednim prilikama, fase. 7; genaue Zahlen f. die einzelnen
Berufsgruppen b. Sitin, Nezaposlenost, S. 224ff. od. ders., Karakteristike gospodarstva, S. 188.
695 PAS, fase. 7, Izvjestaj o privrednim prilikama, Statistika kvalificiranih i nekvalif. radnika v.
14.01.1934.
305
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
dauerhaft oder zeitweise arbeitslos waren, sicher authentisch.696 Die Fluktuation war
(wg. der höheren Löhne) bei Männern deutlich größer als bei Frauen.697 Viele blieben
dauerhaft ohne Arbeit und reisten in andere Orte, auf der Suche nach irgendeiner, wie
auch immer gearteten Arbeit. Tatsache ist, daß es bis zum Auseinanderfallen des Staa
tes nicht gelang, das Arbeitslosenproblem in den Griff zu bekommen, „welches eines
der akutesten Probleme der Sozialpolitik des alten Jugoslawien war.“698
Eine in Dalmatien oft gebrauchte Strategie, Arbeitslosigkeit und Not zu entkommen,
war die Auswanderung. Unter den Auswanderern aus dem damaligen Königreich Ju
goslawien waren jene aus Kroatien am zahlreichsten, und unter ihnen die Bauern.
Viele kehrten jedoch wieder zurück, v. a. in den Jahren der Wirtschaftskrise, als die
Arbeitslosigkeit in den Aufnahmeländern stark zunahm.699 Zehntausende Menschen
wanderten in der Zwischenkriegszeit aus Dalmatien aus, darunter besonders viele
Bauern von den Inseln.700 Für viele war die wirtschaftliche Emigration „trbuhom za
kruhom“ (mit dem Bauch dem Brot nach, wie es sprichwörtlich in Dalmatien hieß
und heißt) die einzig verbliebene Chance. Mehr als drei Viertel wurden in den Aus
wanderungsstatistiken als „Landarbeiter“ geführt.701 Nach 1921, nach Verabschiedung
eines Immigrationsgesetzes in den Vereinigten Staaten, durften jährlich 6.426 Personen
aus Jugoslawien einwandern, ab 1924 durften jährlich nur noch 671 Südslawen in die
Vereinigten Staaten von Amerika einreisen.702 Die Zahl der illegalen Immigranten muß
aber erheblich gewesen sein, da die von der „Handels- und Gewerbekammer“ geführ
ten Statistiken z.B. für das Jahr 1927 verzeichneten, daß von 21.976 Personen, die
nach Übersee ausgewandert waren, 3.652 aus Dalmatien stammten.703 Während der
306
Folgen des sozialen Wandels
Personen in die Heimat zurückgekehrt, davon 718 nach Dalmatien. Viele Inseln hatten einen
Bevölkerungsrückgang wg. der Auswanderung zu verzeichnen; so fiel die Einwohnerzahl auf
Brac V. 22.969 (1910) auf 17.321 Ew. 1931.
704 Die Quotengesetze waren von den USA schon Ende des Ersten Weltkriegs eingeführt worden
und sollten 2% des Anteils der Bevölkerungszahl von 1890 nicht überschreiten. Mit der
Verdrängung von Ausländern vom amerikanischen Arbeitsmarkt kam es zu Remigrationswel-
len. Zwischen 1920 und 1923 kehrten 43.148, zwischen 1919 und 1938 114.200 „Transatlantik
wanderer“ (Calic) in ihre alte Heimat zurück. Vgl. Ostojic, Despot, Nase zakonsko uredjenje
iseljavanja i doseljavanja (Unsere gesetzliche Regelung der Ab- u. Zuwanderung), in: Eko-
nomsko-finansijski zivot 4 (1934), S. 276-281 u. Statisticki godisnjak 1929, S. 131.
705 Zwischen 1929 und 1934 wanderten 80.548 Arbeitssuchende aus dem Gesamtstaat in die euro
päischen Aufnahmeländer ab, während im gleichen Zeitraum 34.427 Personen von dort zu
rückkehrten; Calic, S. 374.
706 Allein in den Jahren 1924 und 1927-29 mußten 20.439 Menschen aus diesem Gebiet emigrie
ren; Holjevac, S. 41 f. Im Zeitraum 1921-29 kehrten 6288 Emigranten nach Dalmatien zu
rück; ebenda, S. 56, Tab. 6. Sitin (Karakteristike gospodarstva, S. 192f.) spricht von „1000
jährlich“ bis 1924, u. zw. 1921-28 von 20.119 bzw. 3,16% der dalm. Bevölkerung. Weiterf.
Lit.: Antic, Ljubomir, Hrvati i Amerika, Zagreb 1992; Bartulica, M., Iseljenicko pitanje s
osobitim obzirom na Dalmaciju (Die Auswanderungsfrage unter besonderer Berücksichti
gung Dalmatiens), Zagreb 1928; Mirosevic, Franko, Iseljavanje iz Dalmacije u razdoblju od
1921. do 1929. (Auswanderung aus Dalmatien in der Zeit von 1921 bis 1929), in: Radovi
Zavoda za hrvatsku povijest, 21/1988, S. 109-111.
707 Privrednicka rijec v. 10.07.1929.
708 Zapisnik sjednice TIK u Splitu od 24.02.1934 u. Zapisnik plenarne komorske sjednice 1934,
Split 1934, S. 12; Sitin, Karakteristike gospodarstva, S. 193; Hauptsächlich kamen die Emi
granten aus d. Kreisen Split, Metkovic, Korcula, Hvar u. Sibenik; Glasnik Primorske banovine
v. 1.03.1939.
709 Vgl. Dunda, Jovan N., Znacenje iseljenickih ustednji za nasu placevnu bilancu (Die Bedeutung
307
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
der Ersparnisse der Emigranten für unsere Zahlungsbilanz), in: Ekonomist 6 (1940), S. 142—
154, hier S. 144
710 Ivsic, Milan, Finansiranje nase privrede putem iseljenickog kapitala (Finanzierung unserer
Wirtschaft durch Emigrantenkapital), in: Finansijski arhiv 1 (1931), S. 235-248.
711 Die Analphabetenrate für das Jahr 1921 in Dalmatien wird mit 49,5 % angegeben; vgl. M. C.
Kaser u. E. A. Radice (Hg.), The Economic History of Eastern Europe 1919-1975 Bd. 1
Economic structure and performance between the two wars, Oxford 1985, S. 139.
712 Die Sterberate in den Elendsvierteln stieg sogar noch an., Novo doba v. 3.1.1925, S. 3; im Jahr
1924 starben 777 Personen in jenen Vierteln in Split, 1923 599.
713 ebenda, S. 8.
714 Marjanovic, Milan, Spljet, in: Zvono Nr. 22 (Zagreb) v. 22.10.1909, S. 588.
715 Vekaric, Zivko, Split u par poteza (Split in groben Zügen), Istarska Rijec v. 13.1.1927, hier
zit. nach Kudrjavcev, S. 273.
716 Adamic, Louis, The Native’s Return, New York 1934, S. 171.
717 So „originell und interessant“ die Spliter Altstadt auch sei, schrieb der Spliter Architekt
Hranko Smodlaka, „so ungesund und ungeignet zum Wohnen“ wäre sie auch. Es gäbe „ganze
Straßen, deren Boden im Laufe von 1000 Jahren kaum ein Sonnenstrahl gestreichelt hat, die
308
Folgen des sozialen Wandels
vor der Stadt gewesen; im 20. Jahrhundert gehörten sie nun vollkommen zur Stadt,
ohne daß ihre Einwohner damit zu „Stadtbürgern“ im eigentlichen Sinne geworden
wären. Noch in den 20er Jahren berichtete die Tageszeitung für ihre Leser, die obige
Stadtviertel nur vom Hörensagen kannten, von einer anderen exotischen, armen, ar
chaischen Welt, wo Landarbeiter, Fischer, Tagelöhner, Hafenarbeiter, kleine Handwer
ker und „Gesindel“ lebte. Dieser anderen Welt konnten die Bürger zwar jeden Tag an
bestimmten Plätzen der Stadt begegnen, sie blieb ihnen aber dennoch fremd. Berichte
von Überfällen und Schlägereien in den verwinkelten und unbeleuchteten Gäßchen
des „Varos“, und Schlagzeilen, die die Entdeckung und Verhaftung irgendwelcher
Übeltäter in jenem Stadtteil verkündeten, bestärkten die Bürger in ihrer Auffassung,
daß es besser sei, jene Welt zu meiden. I. V. Skurle faßte die damalige Auffassung der
„besseren Kreise“ in Novo doba so zusammen: „Veli Varos ist eine Brutstätte der
Kriminalität, eine Höhle des Lasters und der Armut“.718
Die Häuser in jenen Vierteln sahen nicht viel anders aus, als auf den Dörfern. Marko
Uvodic hat die „normalen, gewöhnlichen Unterkünfte“ so beschrieben: „Vor jedem
Haus ein Hof mit den dazugehörigen Schweinekoben, dem Häuschen für den Eber. In
einem Hof eine Eberesche, am Hofende ein Stechapfel, im anderen Hof eine große Feige,
ein Stechapfelstrauch und Stricke zum Wäschetrocknen. Die Häuser sind aus Stein. Un
ten ist die konoba (Vorrats-, Weinkeller) mit der großen Holztür. Dann die „bala-
tura“;719 der erste Stock sind zwei Kammern, drüber die Küche mit ein paar Fensterchen,
auf den Dachziegeln ein Haufen kleiner Schlote. Direkt über dem Fenster ist ein Stück
Dachziegel, der nach oben gebogen ist, den nennen sie „Schwalbe“, doch die Kinder
haben sie schon lange mit Steinen zerschmisssen. (...) nur durch die Fenster sieht man
die Schwärze der Küche, (...) doch auch die Fenster sind schwarz, denn der Rauch ent
weicht mehr durch die Fensteröffnungen, als durch den Schornstein.“720
man mit Fug und Recht als Brutherde von Bazillen bezeichnen kann“; Smodlaka, Hranko,
Regulacioni plan Splita, Split 1939, S. 4.
718 Ilijic Skurla, Verka, Mlada Nedija, in: Novo doba v. 21.4.1935, S. 7f. In ihren Beschreibungen
der Zustände schildert sie quasi dehumanisierte Wesen, wobei es unklar bleibt, ob sie sie als
Mitmenschen sah, sicher jedoch nicht als Mitbürger: „In einer der Sackgassen des Varos,
beinahe schon unterirdisch, hauste eine seltsame Gesellschaft (cudna skupina celjadi): Vater,
Mutter, Oma, Uroma, die Söhne, Töchter, männliche und weibliche Kinder, (...) kaum kann
man die Gesichter unterscheiden. Und dort in ihrem Loch war es unglaublich dunkel, selbst
Kerzen zündeten sie so gut wie nie an (...) sie waren überhaupt keine Spliter. (...) Sie spitzten
aus ihren Löchern, wie die Ratten, dann wieder schwupp! - hinein, sobald jemand kommt.
(...) Ein kleines eisernes Bettgestell, von irgendwoher angeschleppt, die heilige Jungfrau über
dem Kopfende angenagelt, ein par umgestürzte Kisten, ein Bildchen an den Spiegel, ein
Tisch - so - fertig ist das Haus.“
719 Von lat balatorium; charakteristischer Teil eines dalmatinischen Steinhauses: es handelt sich
um eine Fläche, eine Art kleiner Terrasse oder Balkon, meistens vor dem Eingang im Oberge
schoß - gewöhnlich führt eine Steintreppe an der Außenseite des Hauses zu ihr; man muß
diesen (manchmal nur lxl m) freien Raum durchqueren, um ins Haus zu kommen; unter ihr
befindet sich der Eingang in die konoba, den Wein- bzw. Vorratskeller.
720 Vgl. Uvodic, Marko, Libar I, Zagreb 1940, S. 65, hier zit. nach Kudrjavcev, S. 281.
309
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Über die Menschen, die in den „schlechten Vierteln“ Splits lebten, hieß es 1928 in „Novo
doba“: „Es ist große Armut und viel Unglück in der Gesellschaft. Überall wird nach
Hilfe verlangt. Der Staat hilft nach allen Seiten hin, aber so groß die Hilfe auch ist, sie
reicht nicht hin!“721 Die Opposition mahnte die Sanierung der „Tuberkulose-Gebiete“
im Varos immer wieder an. „Kultur und Fortschritt auf der einen, und Primitivität und
Armut auf der anderen Seite“ würden sich nach Meinung des HSS-Stadtrats Jozevic
nicht vertragen. Von der Opposition im Gemeinderat wurde gefragt, was die Gemeinde
verwaltung zu tun gedenke, angesichts der „fast täglich zu lesenden Nachrichten“ über
die Unglücksfälle unserer Armen, die in der Zementfabrik Split-Majdan arbeiten müs
sen. Es sähe so aus, als ob „weder der Fabrikleitung noch den staatlichen Behörden die
Leben unserer Arbeiter sehr wichtig“ seien, da „nichts unternommen“ würde.722 Die
Stimmen, die die KP z. B. bei den Gemeinderatswahlen vom 15. August 1926 in Dalma
tien erhielt (in Split 1267 Stimmen von insgesamt 5792 abgegebenen), wobei ihre Hoch
burgen die Dörfer Vranjic, Kucina, Mravince und Zrnovnica waren, allesamt Spliter
Vororte in denen viele Arbeiter der Zementfabriken lebten, sind ein Indikator für die
soziale Unzufriedenheit.723 Auch die Zustimmung, die das Sozialrevolutionäre Pro
gramm der KPJ unmittelbar nach dem Krieg bekommen hatte und der aggressive An-
ikommunismus des Regimes sprechen für die Relevanz der sozialen Frage.
310
Folgen des sozialen Wandels
damit vorbei. Die steigende Zahl von Hausierern war ein Indikator für den Fortschritt
bei der Zerstörung traditioneller ländlicher Lebenswelt bei gleichzeitigem Defizit von
Arbeitsplätzen in der Stadt. Sofern sie nicht gleich Objekt staatlicher Polizeirepression
wurden, waren sie den eingesessenen Händlern eine lästige Konkurrenz. Einerseits
sah sich die Kammer zwar verpflichtet zu betonen, daß „diese Leute nicht anders
überleben können“, aber trotzdem würde es sich um eine nichtloyale Konkurrenz für
die einheimischen Geschäftsleute handeln; auch würden „diese Leute, ja im Gegensatz
zu den ordentlichen Händlern, dem Staat keinerlei Abgaben zahlen“. So schlugen die
Kammerfunktionäre vor, wie ihrer Meinung nach das Problem gesetzlich zu regeln
sei. Lichtbildausweise für genau definierte Personengruppen (Kriegsinvaliden etc.), die
nur bestimmte Waren (aus Heimarbeit hergestellte und „Nürnbergerische Kleinwa
ren“ etc.) feilbieten dürften und in Zwangsvereinigungen organisiert sein sollten, wa
ren Maßnahmen, die Abhilfe schaffen sollten. Vor allem in den Städten und Ortschaf
ten, wo es genügend Händler gäbe, sollte Hausieren generell verboten sein.725 Die
„Bekämpfung des Hausierertums“ wurde mit den Jahren ein „drängendes Problem“.
Die Kammer in Split befürwortete Ende 1939 bei einer geplanten gesetzlichen Rege
lung, daß „den Bewohnern der passiven Regionen auch weiterhin Genehmigungen
zum Hausieren ausgestellt werden“ sollten, denn „vielen“ würde sonst „die Existenz
grundlage entzogen“. Das gelte „besonders“ für die passiven Gebiete in Dalmatien,
Bosnien und der Herzegowina. „Diese Hausierer (kucari) gibt es auch genug bei uns“,
hieß es in einem Bericht. Doch dürfe der Verkauf nicht „auf Erzeugnisse aus Heimar
beit“ beschränkt werden, denn „unsere Hausierer gehen seit jeher mit Fabrikware von
Haus zu Haus, d.h. Messern, Scheren, Rasierklingen, Nähgarn, Seife, Schnürsenkel
und anderen Kleinwaren“. Jede Beschränkung dieses Sortiments würde diesen Men
schen „die Möglichkeit entziehen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen“. Dieses würde
„die Revolte jener Menschen, die seit jeher von solcher Arbeit leben“, heraufbeschwö
ren. „Wir zweifeln, daß der Banus von Kroatien diesen Vorschlag annehmen möchte,
und so diesen einfachen Menschen ihr Brot nehmen würde.“726
Dem „Ansturm“ der Arbeitssuchenden „aus der Lika, aus Dalmatien und aus Bos
nien“ auf die Hauptstadt des gemeinsamen Staates, und den „elenden Lebensverhält
nissen“, die nicht nur die „Neuankömmlinge“ in Belgrad erwarteten, sind sehr ein
dringliche Kapitel in der „Sozialgeschichte Serbiens“ gewidmet worden.727 Wie hatte
die Lebenssituation derjenigen, die Dalmatien verlassen hatten, zuhause ausgesehen?
725 Trgovacka i obrtnicka komora u Splitu (Hg.), Izvjestaj o djelovanju trgovacke i obrtnicke
komore u Splitu Mart 1927. - April 1928., Split 1928, S. 105-108.
726 Nach Mitteilung der zuständigen Behörden wurden 1938 im Kreis Imotski 382, Tomislavgrad
165, Livno 115, Split 114, Sinj 97, Bugojno 25, Benkovac 12, Travnik 9, und Prozor 2 Geneh
migungen ausgegeben bzw. verlängert. Vgl. Privredni problemi podrucja T. I. Komore Splita
(Wirtschaftsprobleme auf dem Gebiet der Handels- u. Gewerbekammer Split), S. 1, PAS Sign.
Inv. h. 2593, S. 210f.
727 Calic, Kap. 5 „Hungerberufe und soziale Anpassungsreaktionen“ u. „Alte und neue Armut“,
S. 390-401.
311
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Nach den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Januar 1921 zählte Dalmatien
620.432 Einwohner, davon entfielen 31.549 auf die Stadt Split.728 In der Statistik der
Arbeiterkammer, die knapp 15 % der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze
sah, gliederte sich die Einwohnerschaft folgendermaßen auf:
Quelle: Privreda i radnici u Dalmaciji. Izvjestaj Radnicke komore o radu u 1928. i 1929. godini
(Die Wirtschaft und die Arbeiter in Dalmatien. Bericht über die Tätigkeit der Arbeiterkammer
1928 u. 1929), Split 1929, S. 2.
86.000 Menschen lebten nach den Statistiken der Arbeiterkammer in den 18 stadtähn
lichen Ansiedelungen oder Städten Dalmatiens, davon seien „6000 Pauper, die größ
tenteils in den Vororten leben (...) und insgesamt 14,72% der Gesamtbevölkerung
ausmachen“.729 Tatsächlich hatte, durch Landflucht und Pauperisierung des Dorfes,
ein spürbarer sozialer Differenzierungsprozeß stattgefunden. In wenigen Jahrzehnten
war die städtische Bevölkerung um 121 % angestiegen. Was läßt sich über die Lebens
und Arbeitsbedingungen der Arbeiter in den dalmatinischen Städten während der
Zwischenkriegszeit sagen?
Wie gezeigt worden ist, war die Einrichtung der Sozialversicherung und die Verab
schiedung von Arbeitsschutzgesetzen im Königreich der Serben, Kroaten und Slowe
nen „eindeutig Resultat internationaler Vereinbarungen, welche die Siegermächte ih-
728 Die Zählung umfaßte die Kreise (Kotar) Benkovac, Dubrovnik, Zadar, Imotski, Knin, Kor-
cula, Kotor, Makarska, Metkovic, Sinj, Split, Supetar, Hvar und Sibenik. Aufgrund der italieni
schen Okuppation von Teilen der Kreise Benkovac, Zadar, Knin, Hvar und Sibenik, sowie
der Gemeinden Mljet, Blato, Vela Luka, Korcula, Lecevica, Muc, Trogir und Kijevo wurden
die Daten der 1910 durchgeführten Erhebung miteinbezogen. Vgl.: Definitivni rezultati po-
pisa stanovnistva od 31.01.1921, Sarajevo 1932, S. 250.
729 Privreda i radnici, S. 2. Die IHK sah in den Arbeiterkammern die für Sozialpolitik zuständige
Institution. 1930 gab es auf dem Gebiet des Königreiches 6 dieser Arbeiterkammern. Die
Kammer in Split war mit 26.101 Mitgliedern die kleinste. Die Industrie- und Handelskam
mern fungierten als eine Art Arbeitgeberinteressenvertretung und stritten sich mit den Arbei
terkammern um Arbeitszeit, Versicherung der Arbeiter und die Befugnisse der Arbeitsinspek
tionen; vgl. Cuvaj, Adolf/Mohoric, Ivan (Hgg.), S. 52f. Dort auch die Mitgliederzahlen für
die Arbeiterkammern in Sarajevo (26.101), Novi Sad (77.184), Ljubljana (79.683), Beograd
(78.837) und die größte in Zagreb, mit 150.777 Mitgliedern.
312
Folgen des sozialen Wandels
730 Calic, Sozialgeschichte Serbiens, Kap. 4.1.3 „Die Anfänge des Sozialstaats“, S. 229-235, hier
S. 229f., die die „Reorganisation von Staat und Gesellschaft“ und den mit der Industrialisie
rung einhergehenden Aufbau der Wohlfahrtspflege beschreibt.
731 Vgl. Zakon o osiguranju radnika od 14. Maja 1922. sa objasnjenjem od Dra Vilima Helebranta
(Gesetz über die Arbeiterversicherung v. 14.05.22 mit Erläuterungen), Zagreb 1925., S. III.
732 Novo doba Nr. 50 v. 01.03.1930.
733 Grcevic, Duro, Socijalno osiguranje u Jugoslaviji (Die Sozialversicherung in Jugoslawien), in:
Radnicka zastita21/1939, S. 252-266; Ugarkovic, Stipe, Razvoj socijalnog osiguranja. Historij-
ski razvitak socijalnog osiguranja Jugoslavije od prvih pocetaka do konca 1941. godine (Die
Entw. der Sozialvers. Hist. Entw. der Sozialvers. in Jug. von den ersten Anfängen bis Ende 1941),
Zagreb 1957; Lakicevic, Dusan, Misao i praksa socijalne politike Jugoslavije izmedu dva svetska
rata (Theorie u. Praxis der jug. Sozialpolitik zwischen den Weltkriegen), Beograd 1976.
734 Ganz abgesehen von den evidenten Schwächen, die dieses Sozialversicherungssystem von An
fang an kennzeichneten, das „auf die Einrichtung einer Arbeitslosenvorsorge“ vollkommen
verzichtet hatte. Auch „schloß das Gesetz einige Berufsgruppen (wie Landarbeiter, Gesinde
und Hausangestellte) von der Versicherungspflicht aus; (...) (und) die jugoslawische Sozialver
sicherung (leistete) ihren Mitgliedern im Bedarfsfall nur geringste medizinische und finanzielle
Unterstützung.“ Schließlich „hat sich die Verwirklichung des Projektes um Jahre verzögert.
Während man die Kranken- und Unfallversicherung unmittelbar einführte, wurde der Ausbau
der übrigen Zweige aus finanziellen Gründen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und
praktisch erst 1937 verwirklicht. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten also keinerlei Ansprüche
auf eine Alters-, Invaliden- oder Hinterbliebenenrente erworben werden“. Vgl. Calic, S. 231.
735 Noch 1938 „gestand“ sogar der Gesundheitsminister „freimütig ein“, daß „die meisten sozial
politischen Verordnungen weit von ihrer Verwirklichung entfernt“ seien.
313
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
zwei Dritteln des Arbeitslohnes für eine Dauer von maximal 26 (in Ausnahmefällen
52) Wochen. Arbeitgeber und Arbeiter zahlten je 3 % der Lohnsumme für die Kran
kenversicherung. Die Kosten für die Unfallversicherung in Höhe von durchschnittlich
1,8% des Gehaltes trugen die Arbeitgeber allein.736 Ein Fünftel der jährlich 240 Mil
lionen Dinar, die in die Krankenversicherung eingezahlt wurden, verschlang die Büro
kratie.737 Aufgrund des großen Verwaltungsaufwandes sowie der Größe der Arbeiter
haushalte waren einige Versicherungsträger bereits in der Mitte der 1920er Jahre in
die roten Zahlen gerutscht. Die Weltwirtschaftskrise riß später noch tiefere Löcher in
die Kassen der Sozialbürokratie.738
Der Widerstand gegen jegliche Sozialpolitik, den Marie-Janine Calic seitens der Klein
gewerbetreibenden und der Industrieunternehmerschaft „während der gesamten Zwi
schenkriegszeit“ in Serbien und der Vojvodina ausmachte, ließe sich auch für Dalma
tien dokumentieren. Die „zweite Säule des modernen Wohlfahrtsstaates“ neben der
Sozialversicherung, der gesetzliche Arbeiterschutz, wurde zwar in Form eines „Arbei
terschutzgesetzes“ in Jugoslawien errichtet, sie war aber genauso brüchig wie die er
ste.739 Zeigen läßt sich das mit einem Blick auf die Arbeit der Kontrollorgane, die
die Durchführung der Sozialgesetze und der Arbeitsschutzvorschriften überwachen
sollten. Tatsächlich war der Wirkungskreis der Inspektoren aus institutioneilen und
materiellen Gründen beschnitten. Es fehlten Personal und finanzielle Mittel.740
Auch dem Sozialministerium war bewußt, daß die 390 Paragraphen, die von der Aus
gestaltung der Arbeitsräume, über Unfallschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz, bis zu
detaillierten hygienischen Vorschriften alles bestens regelten, eine Sache, deren Umset
zung vor Ort eine ganz andere war.741 Mit der Verordnung des Sozialministers vom
21. April 1920 (Nr. 9851) nahm die Arbeitsinspektion in Dalmatien ihre Arbeit auf.
Für die Kreise Split, Makarska, Imotski, Brac, Hvar, Vis, Sinj, Knin und Sibenik wurde
736 Ostojic, Despot, Nase radnicko i namestenicko zakonodavstvo (Unsere Arbeiter- u. Angestell
tengesetzgebung), Beograd 1934, S. 79ff; hier zit. nach Calic, S. 232, m. Literaturnachweisen.
737 1 6% der Gesamteinnahmen gab das Zentralamt für Arbeiterversicherung (SUZOR) in den
15 Jahren seines Bestehens für die Verwaltung aus; Calic, S. 429.
738 ebenda, S. 232.
739 ebenda, S. 327ff.; dort auch Aufzählung aller Neuerungen des Gesetzes v. 28.02.1922, wie
gesetzliche Regelung der Tages- und Wochenarbeitszeit, Gewährung von Erholungszeiten bei
der Arbeit, Schutz v. Frauen u. Jugendlichen, Koalitionsfreiheit, Einrichtung v. Arbeiterkam
mern, Sicherheitsvorschriften in den Betriebsräumen, Einrichtung einer amtlichen Arbeitsver
mittlung u. Aufstellung v. Betriebsräten und Berichte der Gewerbeaufsichtsämter über die
tatsächlich katastrophale Situation in serbischen Betrieben.
740 Zakon o inspekciji rada (Gesetz über die Arbeitsaufsicht) v. 20.12.1921. Aber von vornhereihn
unterlagen auch in Dalmatien, was gleichfalls für Serbien festgestellt wurde, „(w)eite Teile
der Wirtschaft, wie die Hausindustrie, die Verkehrsbetriebe und die Bergwerke (...) keiner
unabhängigen Kontrolle“ (Calic).
741 Ministarstvo Socijalne Politike (Hg.), Pravilnik o higijenskim i tehnickim zastitnim merama
u preduzecima (Verordnungen über hygienische u. technische Schutzmaßnahmen in den Un
ternehmen), Beograd 1922.
314
Folgen des sozialen Wandels
Marko Mladineo zum Inspektor 1. Klasse ernannt. Bis zum Zusammenbruch der Do
naumonarchie hatte er einer „Handwerksaufsicht“ mit Sitz in Zadar vorgestanden.742
Nach der ersten Inspektion stellte Mladineo fest, daß „die einschlägigen Vorschriften
nur sehr selten beachtet werden“, „Fabriken werden ohne jegliche Genehmigung, und
erst recht ohne den Inspektor zu konsultieren, errichtet“. Aufgezählt wurden „1 große
Zementfabrik, 1 Steinbruch, 1 große Karbid-Fabrik, 1 mechanische Schlosserei, 1
Schnapsbrennerei“. Gleichfalls sei ohne Genehmigung mit dem Bau von etlichen
neuen Industriegebäuden begonnen worden. Und „sehr gern werden (von den Unter
nehmern, A. J.) alle Schutzmaßnahmen das Leben und die Gesundheit der Arbeiter
betreffend vergessen.“ Auch den „allgemeinen hygienischen und technischen Bedin
gungen“ könne „kein zufriedenstellendes Zeugnis ausgestellt werden“.743
Tatsächlich spotteten die Zustände in den Werkstätten und Fabrikhallen Dalmatiens
jeder Beschreibung, wie die Zahl der Arbeitsunfälle und die Berichte der Arbeitsin
spektion deutlich machten: „Auch große Unternehmen, von denen einige heute mit
geradezu gewaltigen Gewinnen arbeiten, weigern sich, die ihnen aufgetragenen Ver
besserungen einzuführen und versuchen, den wenigen Pflichten (gemeint sind Arbei
terschutz- u. Hygienebestimmungen, A. J.), die ihnen aufgrund des noch geltenden
österreichischen Gesetzes auferlegt sind, auszuweichen.“744 Besonders erwähnt in die
sem Zusammenhang, und mit zahlreichen Beispielen belegt, wird die Zement- und
Metallindustrie. Mangelhafte Verpflegung, schlechte Wasserversorgung, schwerste Ar
beitsbedingungen und extreme gesundheitliche Schädigungen und Gefahren waren am
dalmatinischen Arbeitsplatz die Regel. Wenn von 27 besichtigten Fabriken nur zwei
sanitäre Anlagen hatten, so spricht das eine deutliche Sprache.745 Dasselbe gilt für die
Unterbringung. Von den zahlreichen Fällen sei einer zur Illustration herausgegriffen:
„In einer ansonsten modernen Zementfabrik dienten einige alte Holzbaracken, die
noch vom Bau der Fabrik übriggeblieben waren, als Arbeiterwohnungen. Darin lagen
die Arbeiter einer neben dem anderen in der größten Unsauberkeit auf dem Boden.
Obwohl die Fabrik eine eigene elektrische Beleuchtung besaß, waren die Bretterbuden
vollständig ohne Licht und hatten auch keinen Wasseranschluß.“746
742 Der „Inspektor (nadzornik) I. Klasse“ Guido Malesevic und sein Stellvertreter Marko Mladi
neo sowie eine Kanzleikraft waren für die gesamte ehemalige k.u.k.-Provinz zuständig. Nach
der Besetzung Zadars durch Italien (4.11.1918) und der Bitte der dalmatinischen Bezirksregie
rung in Split (Nr. 3492 TR) übernahm Mladineo für den SHS-Teil Dalmatiens die Funktion,
mit Sitz in Split. Zusammen mit einem Helfer, einem Praktikanten und einem Angestellten
(Verordnung d. Sozialministeriums v. 24.9.1920, Nr. 41500). Seine Arbeit nahm er am 19.
August 1920 auf, die ersten Kontrollen fanden ab dem 1. September 1920 statt. 107 Gewerbe
betriebe mit 3039 Beschäftigten wurden so bis zum Ende des Jahres besichtigt. Ministarstvo
Socijalne Politike (Hg.), Izvjestaj inspekcije rada Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca o njenom
poslovanju u g. 1920., Beograd 1921, S. 186ff.
743 ebenda, S. 27.
744 ebenda, S. 190.
745 ebenda, S. 200.
746 ebenda, S. 202.
315
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Abb. XIV: Die Praxis des Kündigungsschutzes in Dalmatien während der Zwanziger Jahre
Br*jj
Hl
OCITOVANJR
■Ni i
'f p
fl (_
/
__%.
Quelle: Privatbesitz, zitiert auch bei Stanic, Radnicki pokret, S. 135. Das Dokument lautet in dt.
Übersetzung: „ERKLÄRUNG. Ich, der unterzeichnende Ivan Jakir erkläre, daß ich bei Arbeits
antritt in der Fabrik in Dugirat (Omis), im Besitz der Aktiengesellschaft zur Ausnützung der
Wasserkraft in Dalmatien (Sufid), die geltende und von der Arbeitsinspektion in Split am 19.
Januar 1924 bestätigte, Arbeitsordnung genau zur Kenntnis genommen habe (nachdem ich sie
gelesen und nachdem sie mir von einer Vertrauensperson vorgelesen und erklärt wurde).
Weiter erkläre ich, daß ich keinerlei Recht auf eine Kündigungsfrist habe, die Arbeit in jedem
Moment verlassen kann und anerkenne, daß mich die Fabrikleitung jederzeit, ohne irgendeine
Entschädigung, entlassen kann. Schließlich erkläre ich, daß ich auch keinerlei Rechte auf Lohn
oder Entschädigung irgendwelcher Art habe, im Falle, daß ich für mehrere Stunden oder Tage
ohne Arbeit bleibe durch Unterbrechung der Arbeit aufgrund höherer Gewalt, des Fehlens oder
Mangels von Rohstoffen, Schadens an den Maschinen oder Apparaten usw.
Dugirat (Omis) am 29.09.1926. Unterschrift Ivan Jakir, geb. 1882 in Brela, Gemeinde Makarska.“
316
Folgen des sozialen Wandels
747 Izvjestaj Radnicke komore 1928-1929. godine, S. 152; Stanic, Radnicki pokret, S. 136ff.
748 Izvjestaj Inspekcije rada Kraljevine SHS o njenom poslovanju za 1922. god., S. 239.
749 Izvjestaj inspekcije rada Kraljevine SHS o njenom poslovanju u g. 1920., Beograd 1921, S. 209.
750 ebenda, S. 217.
751 Ministarstvo Socijalne Politike (Hg.), Godisnjak o radu Ministarstva Socijalne Politike u god.
1918-1921., III. deo: Izvjestaj Inspekcije Rada za god. 1921., Beograd 1922, S. 6. Es gab
zahlreiche Versuche von Unternehmern und Handwerkern mit Verweis auf die „Obznana“-
das Staatsschutzgesetz, durch die Denunzierung des Inspektors und seiner Helfer als Kommu
nisten einer Kontrolle und Inspektion ihrer Unternehmen zu entgehen. Dies rief große Unter
suchungen hervor, und sogar ungerechtfertigte Kündigungen von Hilfskräften, was zur Folge
hatte, daß die Inspektionen ihren Dienst nicht so ausführen konnten, wie es das Gesetz eigent
lich vorsah.
752 ebenda, S. 476.
753 Okruzni ured za osiguranje radnika u Splitu, Godisnje izvjesce o poslovanju, zakljucnim
racunima i bilanci za godinu 1932., Split 1933.
317
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern
318
Folgen des sozialen Wandels
im Jahr 1936 mit 38.254 angegeben, die der durchgeführten Untersuchungen mit
94.808.759 Wenn es zu den „Mißständen, die Dalmatiens soziale Wirklichkeit“ vor
1914 bestimmten und im Bewußtsein der Bevölkerung „Opposition gegen Österreich
als Akt der Selbsterhaltung erscheinen lassen konnten“ die „unzureichende medizini
sche Versorgung“ gezählt werden muß,760 dann galt das sicher auch für die Zustände
im jugoslawischen Staat.
Die Krankheiten, unter denen die Menschen in Dalmatien litten, sagen durchaus etwas
aus über die Verhältnisse, in denen sie lebten. Das „Belgrad der Zwischenkriegszeit“
war „eine der am stärksten von Tuberkulose befallenen Städte der Welt“, aber auch
andere Städte auf dem Territorium des Gesamtstaates erzielten in dieser Hinsicht trau
rige Rekorde.761 Es ist vermutet worden, daß die massive Zuwanderung vom Land
direkt und indirekt für die starke Verbreitung von Tbc in den Städten verantwortlich
war. Die „niederschmetternden“ Berichte serbischer Kreisärzte finden ihr Pendant bei
denen ihrer dalmatinischen Kollegen. Entsprechend gehörten die Lungenkrankheiten
trotz der „guten frischen Meeresluft“ auch an der Küste zu den häufigsten Krankhei
ten, v. a. Berufskrankheiten. Die Zeitschrift „Arbeiterschutz“ errechnete, daß im Jahr
1932 ca. 35% der Sozialversicherten an Tbc und 9% an anderen Ansteckungskrank
heiten gestorben waren.762 So schrieb der Leiter der Spliter Klinik für Atemwegser
krankungen Dr. Ferri: „Wenn man schon jetzt etwas Großstädtisches in Split beobach
ten“ könne, so seien das „mehrheitlich die schlechten Seiten der Großstadt“. Die Stadt
schicke sich an, „an unserer Küste die Rolle zu übernehmen, die vorher Triest und
Rijeka innehatten.“ Es gäbe zwar „noch keinen richtigen Kapitalismus, aber schon ein
Proletariat. Das gesunde Landarbeiter-Element wird schnell zum Arbeiter und ver
kauft seine Arbeitskraft für einen unsicheren Wochenlohn. (...) Wohnungen, in die
durch die Jahrhunderte niemals die Sonne hineingeschienen“ habe, seien für ihre ar
men Bewohner ein „Brutherd der Tuberkulose.“ In den letzten 25 Jahren seien „min
destens 2.718 Personen in Split an Tuberkulose gestorben, wobei die Dunkelziffer v. a.
bei der Säuglings- und Kindersterblichkeit“ hoch sei. Nach dem Krieg sei die Lage
aber „durch Maßnahmen der Stadtverwaltung - das Pflastern von Straßen, neue Kana
lisation, neue Anschlüsse an Leitungswassernetz etc - besser geworden“. Auch „Ge-
319
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Slika VI. Pomor od tuhcrkulozc u Splitu 191 1.- 1924. god. (10% fali). — Izradio Dr. II. F.
(Svuku crna tnf'ku znu'üi jedtin slm-nj smrli od tubcrkulozc).
Quelle: Dispanzer za grudne bolesti u Splitu (Hg.), Dr. R. Ferri, Tuberkuloza u Splitu i a sanacija
gradu, Split 1925, S. 26. Jeder schwarze Punkt markiert einen Todesfall in genanntem Zeitraum,
10% der gemeldeten Fälle sind nicht eingetragen.
763 Die drei nach dem Krieg in Split gegründeten Sportvereine (Gusar, Baluni, Firule), mit zusam
men 1100 Mitgliedern, hätten sehr positiv gewirkt. Auch die Pflege des Marjan-Parks, den
wöchentlich 3000 Menschen zur Erholung aufsuchen würde, hätte das hygienische Niveau
der Stadt gehoben. In den städtischen Meeres-Badeanstalten würden während der Saison
durchschnittlich 2800 Eintrittskarten wöchentlich verkauft. Insgesamt kam Ferri auf 6-7000
Menschen, die im Sommer wenigstens einmal in der Woche baden; Ferri, a.a.O., S. 13.
764 Gerade Veli Varos, das „bis vor kurzem ein großes Dorf war“, hätte „noch immer größtenteils
seinen primitiven Charakter beibehalten“. Wie auch innerhalb der Mauern des Diokletianspala
stes, so gäbe es auch in Veli Varos keine Kanalisation, nur Senkgruben und „halboffene Kanäle
in manchen Straßen“. Auch -würde die Wasserversorgung in den höher gelegenen Teilen nicht
funktionieren und die Straßen seien nicht asphaltiert. Die „einzige Medizin“, die Ferri sah, „be-
320
Folgen des sozialen Wandels
sonders in Veli Varos“, sei „das Abreißen dieser Häuser, was man aber nur machen könne, wenn
man „neue Landarbeiter- und Arbeiterwohnungen dafür baut“; Ferri, S. 25.
765 Zwischen dem 1. August 1923 und dem 31. Dezember 1924 wurden 4.184 Untersuchungen
durchgeführt, davon 1.460 Nachuntersuchungen, wobei 2.506 Fälle von Tuberkulose der ver
schiedenen Formen in unterschiedlichen Krankheitsstadien diagnostiziert wurden. Es wurden
noch 868 Fälle von anderen Lungenkrankheiten bis Ende 1924 diagnostiziert, 810 der Unter
suchten wurden für vollkommen gesund befunden. Offene Tbc wurde von den 2.506 Fällen
bei ca. 12% festgestellt; Röntgenuntersuchungen wurden bei 3.835 Personen vorgenommen.
Von den Patienten waren 28% Arbeiter, 26% Landarbeiter, 24% Kinder, 12% Angestellte,
4% Studenten, 3% Soldaten, 1,5% Händler und übrige 1,5%. Die Hilfsschwestern der Sta
tion hätten 1662 Häuser und Wohnungen besucht, wo die Patienten und ihre Familien über
die notwendigen hygienischen Maßnahmen der Tbc-Bekämpfung in Kenntnis gesetzt wurden.
Gegen die „akute Wohnungsnot“ sei man machtlos, aber „materielle Hilfe“ in Form von „25
Fieberthermometern, 548 tragbaren Spucknäpfen, 200 Flaschen lacto-creosotic-Sirup, 865 kg
Öl vom Stockfisch, 1.100 Schachteln Milchpulver“ und „7.495 Aufklärungsflugblättern“ habe
man leisten können; Ferri, S. 30ff.
766 Bericht über die Tätigkeit der Tuberkolozeambulanz im Jahr 1936 von Dr. Fran Sorib,
S. 37.
767 ebenda, S. 40.
321
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
322
Folgen des sozialen Wandels
Tabelle XXVI: Übersicht über Lebensmittelpreise und Löhne 1914 und 1922
Durchschnittlich war also am 1. November 1922, verglichen mit der Situation vor
dem Krieg, alles um über 60% teurer geworden. Die Löhne dagegen, wie aus der
nächsten Statistik hervorgeht, waren im gleichen Zeitraum nur um 45,85 % gestiegen.
„Die Aufstellung der Löhne“, hieß es dazu in der sozialistischen Zeitung „Das freie
Wort“, zeige, daß „nicht einmal die am besten bezahlten Arbeiter jetzt auch nur ihren
Vorkriegslohn erhalten“; einige schlechter bezahlte Berufszweige, wie Eisenbahner,
Schlosser, Maschinisten, erhielten nun sogar nur noch die Hälfte des früheren Lohns.
Doch die ihrer Meinung nach „zu hohen“ Löhne, Sozialabgaben und „unnötigen Aus
stände“ beklagten die Arbeitgeber jedes Jahr, wie es schien, konjunkturunabhängig.774
323
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
1.06.1914 1.11.1922
in Kronen in Kronen Steigerungsfaktor
a) qualifizierte
Schlosser 2;- 4;- 6;- 96 144 200 36,66
Schuster 2;80 3;50 5;- 120 150 220 43,36
Steinschneider 4;- 3;50 5;- 200 280 320 50
Kellner 8;- 5;- 7;- 100 110 130 12,50
Schmied 2;- 3;- 5;- 96 114 200 44,44
Schneider 3;- 4;- 7;- 200 250 330 55,78
Blechmacher 3;- 4;- 6;- 160 200 320 52,30
Maschinisten 4;- 8;- 10;- 160 240 280 30,89
Mechaniker 4;- 6;- 8;- 160 240 280 37,77
Maler 3;50 6;- 7;- 200 280 330 49,08
Bergleute 3;- 3;50 4;- 100 110 120 39,80
Bäcker 5;- 6;- 7;-
Angestellter 1;50 8;- 11;- 50 206 233 38,92
Tischler 3;50 5;- 7;50 200 280 320 50
Typographen 4;50 6;. 13;- 236 300 400 41,08
Bodenverleger 3;50 5;- 7;50 200 280 320 50
Schreiner 3;50 6;- 7;- 200 280 320 48,40
Maurer 3;50 6;- 7;- 200 280 320 48,40
Eisenbahnarbeiter 3;- 4;- 6;- 140 160 208 38,46
b) unqualifizierte
Holzarbeiter 2;50 3;- 3;50 70 110 160 37,77
Bauarbeiter 2;- 2;50 3;- 70 80 100 33,18
Arbeiter im Sägewerk 1;50 2;- 3;- 60 80 100 36,76
Druckerei 2;- 3;- 3;50 86 120 100 41,04
Eisenbahnarbeiter 1;60 2;- 3;- 76 128 156 56,19
Quelle: Slobodna rijec v. 1.11.1922 u. Graficki radnik, Nr. 3 v. 20.01.1923, Cazi, Nezavisni sindi-
kati (1921-1929), Bd. 2, S. 42f.
Auf der anderen Seite standen die Berichte der Arbeiterkammer, die feststellten: „Oft
muß die ganze Familie arbeiten, nur um die Versorgung mit Lebensmitteln sicherzu
stellen. Oft müssen auch die Kinder sich als Tagelöhner verdingen und dies ist der
Hauptgrund, daß die Kinder keinen Beruf lernen. Während der Ausbildung nämlich
verdienen sie nichts und können keinen Beitrag zum Haushalt leisten.“775 Fanden
Kinder und Jugendliche keine Arbeit, so hieß das keineswegs, daß sie notwendiger
weise eine Schule besuchten. Die Klagen der Kreisverwaltung aus Sibenik, die sich
häufig an die Verwaltung in Split wandte mit der Bitte, die Berufssschule unbedingt
wieder zu eröffnen, wurde mit streunenden Jugendlichen begründet. Die Stadt sei
775 Izvjestaj Inspekcije rada Kraljevine SHS o njenom poslovanju za 1922. god., S. 148.
324
Folgen des sozialen Wandels
„eine Landarbeiter-Stadt“, von den Eltern könnten die Kinder nur „geringe Bildung“
erwarten. Die Kinder würden den ganzen Tag unbeaufsichtigt „herumstreunen“ und
seien damit der „moralischen Verderbnis“ ausgesetzt. „Kommunismus und Bolsche
wismus“ fänden so den „besten Nährboden vor“. Dem müsse man entgegenarbeiten
und endlich die Schule wieder eröffnen.776 Noch 1940 verlieh Jozica Juras, Direktorin
des „Heimes zum Schutz der Mädchen“, einer Institution, die seit 1928 alleinstehen
den Haushaltshilfen Zimmer vermietete, gleichfalls ihren Subventionsanträgen für
Kurse in Haushaltsführung Nachdruck mit dem „Argument“, daß der Kommunismus
sonst auf gefallene Mädchen lauere. Die „Mädchen, die vom Dorf kommen“, seien
„kein bißchen in Hausarbeiten bewandert“. Sie kämen „unerzogen und als Analpha
betinnen in diese Hafenstadt, wo gewissenlose Arbeitgeber ihre Unwissenheit ausnüt
zen und Kommunisten sie aufhetzen“. Ohne „moralische Stützung“ würde aus den
meisten nichts Rechtes werden.777
Die Angst, die Kommunistische Partei könnte unkontrollierbar anwachsen, spricht
vor allem Anfang der 20er Jahre aus zahlreichen Verwaltungsvorgängen. Die Arbeiter
bewegung in Dalmatien während der Zwischenkriegszeit stellte im neuentstandenen
Arbeitermilieu die Reaktion auf die geschilderten sozialen Verhältnisse dar:
In Dalmatien nahm sie ihren Anfang im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts.778 Die
Sozialdemokratische Partei Dalmatiens wurde im November 1902 gegründet. 1914,
kurz vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, gab es 1540 eingeschriebene Gewerk
schaftsmitglieder und 312 Parteimitglieder (sowie 136 Jugendliche in den Nachwuch
sorganisationen) in der Region. Die Arbeiter-Aktionsausschüsse, die 1917 aufgrund
der katastrophalen Versorgungslage entstanden, riefen zum 1. Mai 1918 einen General
streik in Dalmatien aus; am 27. Oktober 1918 fand die Versammlung der dalmatini
schen Sozialisten und die Wiedergründung der Sozialdemokratischen Partei in Split
statt. Die Partei nahm gleich die Resolutionen der Konferenz der jugoslawischen So
zialisten vom 6. Oktober in Zagreb an, an der auch dalmatinische Vertreter teilgenom
men hatten. Eine „Arbeiter-Zeitung“ wurde gegründet, bei einer Versammlung am 22.
Dezember, die vom Aktionskomitee einberufen wurde, wurde eine Gewerkschaftsfüh
rung für Dalmatien gewählt. Zu dieser Zeit gab es schon wieder lokale Gewerkschafts
organisationen in Split, Makarska, Sibenik, Pucisce, Imotski, Sinj usw.779 Der erste
325
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Volkes der Serben, Kroaten und Slowenen in einen freien und unabhängigen Staat“ gefordert
wird. Die „nationale Frage“ könne freilich nur durch auf „sozialistisch-proletarische Art und
Weise“ gelöst werden. „Nur durch die Abschaffung aller Grenzen, durch den Sieg des Sozia
lismus, werden alle Nationen befreit werden, wie auch alle Klassen, die ganze Menschheit.“
780 Zezelj, Mirko, Hrvatska 1918-1945, in: Majstorovic, Petar (Hg.), Ilustrirana Povijest Hrvata
(Illustrierte Geschichte der Kroaten), Zagreb 1971, S. 268.
781 Vgl. die Berichterstattung von Novo doba u. der „Arbeiterzeitung“ (Radnicke novine), die
bis zum Vereinigungsparteitag der Sozialisten/Kommunisten v. 20. u. 23. April 1919 erschei
nen. Danach hieß die Zeitung „Oslobodenje“ (Die Befreiung) und war offizielles Organ der
Sozialistischen Arbeiterpartei.
782 Der Fabrikant Marin Feric aus Split, Haupteigentümer der Zementwerke, war gleichzeitig
auch Reeder. 1935 belieferten seine Schiffe, trotz Embargo des Völkerbunds während des
italienischen Angriffs auf Äthiopien, das faschistische Italien mit Kohle. In den 20er Jahren
war er Mitglied der Orjuna, der jugoslawischen Nationalisten, um in den 30ern zur Kroati
schen Bauernpartei überzuwechseln, „als die HSS die führende politische Kraft in Dalmatien
und Kroatien wurde“ (Gizdic, S. 247). Lange Jahre war er auch Präsident der Industrie- und
Handelskammer von Split.
783 Novo doba v. 28.4.1920, S. 3. In dem Bericht über „die Verhaftung von Kommunisten in
Solin“, ist auch die Rede von der Beschlagnahme mitgebrachter Gelder aus Amerika.
784 Milenkovic, Toma, Socijalisticka partija Jugoslavije (1921-1929), Beograd 1974; Dimitrijevic,
Sergije Stvaranje i razvitak Komunisticke partije Jugoslavije u Legalnom periodu njenog post-
ojanja (1919. - august 1921.) (Schaffung und Entwicklung der KPJ in der legalen Periode
326
Folgen des sozialen Wandels
gung der verschiedenen sozialdemokratischen Parteien auf dem Gebiet des späteren
Jugoslawien ist als ein Reflex der geänderten staatlich-politischen Bedingungen be
schrieben worden, wobei der Zentralismus innerhalb der KPJ als Spiegelbild des staat
lichen Zentralismus gesehen werden kann.785 Gegründet wurde die Sozialistische Ar
beiterpartei Jugoslawiens (Kommunisten) am 23. April 1919. Seit 1920 nannte sie sich
KPJ und warb für eine Republik, in der alle Macht den „Arbeiter- und Bauernsowjets“
gehören sollte, nach dem Vorbild Sowjet-Rußlands.786 Als der Parteitag in Vukovar
abgehalten wurde, hatten die Gewerkschaften in Dalmatien um die 8.000 Mitglieder.
2.092 Mitglieder gehörten gleichzeitig der KP an, das Parteiorgan Oslobodjenje (Be
freiung) erschien in der stattlichen Auflage von 4.500 Exemplaren.787
Die in den Arbeiterkammern, Arbeiter-Versicherungsanstalten etc. dagegen vertrete
nen reformistischen Positionen, oder die im auch regional tätigen „Jugoslavenski stru-
kovni savez“ seit 1919, als einer christlichen Gewerkschaft, die an der katholischen
Soziallehre orientiert war, wurden in der Literatur bisher als marginal und bedeu
tungslos bezeichnet. Es wurde lediglich zugestanden, daß sich „geschickte Agitatoren
der christlichen Gewerkschaftsbewegung den hungrigen und allgemein analphabeti
schen Arbeitern und Bauern des rückständigen Nord-Dalmatien“ mit ihren „anti
revolutionären Organisationen unter den Bergleuten von Drnis-Siveric, Sibenik, den
Salzanlagen auf der Insel Pag und anderswo aufzudrängen wußten.“788 Was nicht
hieß, daß die spätere Parteigeschichtsschreibung nicht auch dort leuchtende Inseln der
richtigen Gesinnung entdeckt hätte.789
ihrer Existenz 1919 - August 1921), in: Pero Moraca (Hg.): Pregled istorije Saveza komunista
Jugoslavije, Beograd 1963; Avakumovic, Ivan, History of the Communist Party of Yugoslavia,
Aberdeen 1964.
785 Die heftigen Meinungsunterschiede der einzelnen Parteiführungen untereinander: zwischen
der Serbischen Sozialdemokratischen Partei (SSDS) und der Sozialdemokratischen Partei Dal
matiens, Kroatiens u. Slawoniens (SDSHS) sind gut dokumentiert. Wenn man nun davon
ausgeht, daß die Parteiführungen den politischen Willen der Parteibasis widerspiegelten, so
läßt sich einiges über die unterschiedliche Stimmungslage in den verschiedenen Landesteilen
feststellen.
786 Rajcevic, Vojo, Revolucionarni omladinski pokret u Hrvatskoj 1919/28. (Die revolutionäre
Jugendbewegung in Kroatien 1919/28) Zagreb 1979; auch das Kap. 5 „Revolutionary stirrings
in Yugoslavia 1918-20“ bei Alan Fogelquist, S. 217-244, mit zahlreichen weiteren Literatur
angaben. Generell gilt, daß „nowhere in the Yugoslavia of 1918 to 1920 was there a revolutio
nary threat to the state of the magnitude that occurred in Italy, Germany, or Spain during the
same period“ (Fogelquist, S. 219).
787 Polozaj radnicke klase u Jugoslaviji, Izvjestaj Izvrsnog odbora centralnog medusaveznog sin-
dikalnog odbora za Zemaljsku konferenciju Nezavisnih sindikata (Die Lage der Arbeiter
klasse in Jug., Bericht des Exekutivausschusses des zentralen Gewerkschaftsausschusses für
die Landeskonferenz der Unabhängigen Gewerkschaften), Beograd 1923, S. 23; Izvjestaj F.
Filipovica o radu SRPJ(k), in: Radnicke novine VI/1929, S. 17-19.
788 Sitin, Tonci, Sindikalni pokret, S. 46f.; ders., Revolucionarni radnicki pokret u Dalmaciji (Die
revolutionäre Arbeiterbew. in Dalm.), in: Zadarska revija Nr. 5—6/1979, S. 461-482.
789 Jakovcev, Gojko, Stvaranje i rad organizacija Komunisticke partije Jugoslavije na podrucju
327
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
sjeverne Dalmacije od 1919. do 1941. godine (Organisation u. Tätigkeit der KPJ auf dem
Gebiet Norddalmatiens v. 1919 bis 1941), in: Zbornik Istorije XX veka, XIII, Beograd 1975;
ders., Drustveno-ekonomski polozaj naroda sjeverne Dalmacije u periodu 1918-1921. godine
(Die gesellsch.-pol. Stellung der Völker Norddalmatiens in der Zeit 1918-1921), Slavonski
Brod 1972. Zur KP: Banac, Ivo, The Communist Party of Yugoslavia during the Period of
Legality, 1919-1921, in: ders. (Hg.), The Effects of World War I: The Rise of the Communist
Parties, War and Society in East Central Europe, Atlantic Highlands, N.J 1983.
790 Foretic, Radnicki pokret, S. 23-70.
791 Novo doba v. 24.03.1919 „Von der sozialistischen Versammlung“ S. 1.
792 Splitski tipografi, Gradjanstvu do znanja!, Flugblatt, Split 01.04.1919. Bei Srecko Diana (Pri-
lozi dokumentaciji o razvoju radnickog pokreta u Splitu 1918.-1920. godine (Beiträge zur
Dokumentation der Entw. der Arbeiterbew. in Split 1918-20), in: Izdanja Historijskog Ar-
hiva - Split, Bd. II, S. 7-34) Faximiles etlicher solcher Beispiele.
328
Folgen des sozialen Wandels
329
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
werfen. So wurde vorgeschrieben, daß jede Vereinigung, die gegen „den gesellschaftli
chen oder staatlichen Aufbau oder gegen die Moral gerichtet ist oder als Vereinigung
für Körperertüchtigung auf religiöser, Stammes- oder regionaler Grundlage beruht“,
von der zuständigen Behörde in schriftlicher Form innerhalb von sechs Wochen zu
verbieten ist“ und „alle Versammlungen und Verabredungen, die die Verhandlung von
politischen Fragen zum Ziel haben oder sich überhaupt in irgendeiner Weise politisch
betätigen wollen, benötigen vorher die schriftliche Genehmigung der zuständigen Be
hörde“.798 Neben der nationalen Opposition traf das die Kommunisten.
Der „Bund der Arbeiter und Bauern“, eine Tarnorganisation der KP, der sich bei den
Kommunalwahlen 1926 zur Wahl stellte und recht gut abschnitt - in Split reichte es
sogar zur relativen Mehrheit - bestimmte seine Politik größtenteils nach Maßgabe
der Einschätzungen der örtlichen Aktivisten. Parteiintern zog sich solches Verhalten
nur allzuoft das Verdikt des „Abweichlertums“ und der „Fraktionsbildung“ zu. Doch
die Kämpfe um höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, besseren Arbeitsschutz etc. ver
liefen nicht nach dem Fahrplan der Weltrevolution. Darin war auch kein „Kroatischer
Arbeiterbund“ (Hrvatski radnicki savez) vorgesehen, der seit 1926 als Gewerkschaft
der Bauernpartei, ähnlich den reformistischen sozialistischen Gewerkschaften ORS
und URSSJ, die materiellen Lebensbedingungen der Arbeiter verbessern wollte.799
„Aufgabe der Arbeitervertretungen in der Wirtschaft“ und eine der dringlichsten Auf
gaben, in den Augen der sozialistischen Gewerkschafter, sei es, „den Nationalismus
zurückzudrängen“.800
Mancherorts in Dalmatien, wie in Dubrovnik, gab es zwar Arbeiter, aber, selbst nach
Aussagen von Sozialisten, „gar keine Arbeiterbewegung, obwohl es sie nach Lage der
Wirtschaft geben könnte“. Für Süddalmatien beschrieb ein Bericht die Lage stattdes-
sen so:
„Es gibt zwei nationalistische Vereinigungen, den Serbischen und Kroatischen Arbeiterverein,
die sich um klassenmäßige oder professionelle Fragen nicht kümmern. Die Wohnungssituation
ist für die Arbeiter katastrophal. Wie die Leibeigenen im Mittelalter wird gearbeitet und gelebt
am selben Ort: die Straßen höchstens 2 m breit, die Werkstätten klein, eng, ohne Licht, modrig,
stinkend; in den Wohnungen die Betten übereinander, Wasser, Holz und andere Notwendigkei
ten müssen über hunderte von Stufen von unten nach oben geschleppt werden. Niemals wärmt
die Sonne diese Wohnungen. Und wenn diese feuchten, dunklen, engen, Steinhölen nicht stän
dig offen gehalten würden, was das Klima zuläßt, - würden die Leute in diesen Wohnungen
völlig verkommen. Und doch gibt es mehr als genug Tuberkulose. (.. .).“801
798 Vgl. §§ 4 und 31 des „Gesetzes über die Änderungen und Ergänzungen des Gesetzs über
Vereinigungen, Versammlungen und Verabredungen“ (Zakon o izmjenama i dopunama za-
kona o udruzenjima, zborovima i dogovorima) vom 12.September 1931, in: Sluzbene Novine
19.09.31, Nr. 217.
799 Janjatovic, Bosiljka, Politika HSS prema radnickoj klasi (Die Politik der HSS gegenüber der
Arbeiterklasse), Zagreb 1983.
800 Topalovic, Zivko, Jadranske luke (Die Adriahäfen). Izdanje Centralnog Sekretarijata Radnic-
kih komra, o.O. 1925, S. 10 u. 13.
801 ebenda, S. 16.
330
Folgen des sozialen Wandels
Durch Gründung von kurzlebigen Zeitungen, wie dem „Radnicki odjek“ (Arbeiter
echo) für „Arbeiter und arme Bauern“ sollte der Kampf um die Legalisierung von
„Unabhängigen Gewerkschaften“ vorangebracht werden. Da die KPJ bei den Wahlen
zur verfassungsgebenden Versammlung 1920 nach der Zahl der Abgeordneten den
dritten Platz errang, wurde sie vom Regime einen Monat nach den Wahlen verboten
und ihre Mandate kassiert. Seitdem befand sich die Kommunistische Partei in der
Illegalität. Die Parteizeitung „Oslobodjenje“ (Befreiung) hatte auch in der Region den
„großen Sieg der Kommunisten“ gefeiert und ließ die „Diktatur des Proletariats“ und
das „rote Split und Dalmatien“ hochleben.802 Genau einen Monat nach den Wahlen
wurde die „Obznana“ erlassen. Zuerst kam es zu keinen Verhaftungen, „weil die
führenden Kommunisten bis gestern herausragende Gegner der Österreich-Ungari
schen Monarchie gewesen waren, brennende Befürworter des neuen jugoslawischen
Staates (...). Viele Führer des wirtschaftlichen und politischen Lebens jener Zeit waren
noch bis gestern zusammen mit den Kommunisten im Hrvatski sokol gewesen, so
daß sie es jetzt, da jeder jeden kannte, nicht wagten, drastische Mittel im Kampf
gegen die Kommunisten einzusetzen.“803 Nach der Obznana änderte sich das jedoch
gründlich.
Die Repressionsmaßnahmen, denen die Kommunisten in Dalmatien ausgesetzt waren,
waren vielfältig: Schon seit Ende April 1920, acht Monate vor dem Erlaß der berüch
tigten „Obznana“, wurden in Split und ganz Dalmatien Arbeiterheime geschlossen
und linke Aktivitäten verboten und verfolgt.804 Kommunistische „Agitation“, bzw.
was die Herrschenden dafür hielten, wurde nach § 493 Strafgesetzbuch strengstens
verfolgt. Dafür gibt es im offiziellen dalmatinischen Gesetzblatt „Dalmatinski glas-
nik“, das Urteile und Beschlagnahmungsverordnungen veröffentlichte, zahlreiche Be
lege. Das Maß des staatlichen Antikommunismus wird auch deutlich durch die Lek
türe der jugoslawistischen Blätter:
„Auch bei uns in Dalmatien, vor allem in Split, erheben die Kommunisten ihr Haupt. (...)
Nicht alle Arbeiter sind Kommunisten. Es gibt auch unter den Arbeitern gute Patrioten,
Jugoslawen und staatsbildende Elemente. Solche müssen unterstützt werden. Ihnen muß ge
holfen, sie müssen unterstützt werden, in ihrem Kampf um Rechte und berechtigte Anliegen.
Unterscheiden wir die nationale Arbeiterschaft von der kommunistischen. Die nationalen
Arbeiter muß man unterstützen, den Kommunisten muß man den Fuß auf den Hals stellen
und zutreten - denn der Staat und die staatliche und nationale Einheit sind heilig und für
uns alle eine Hoffnung.“805
Die Zeitung „Pobeda“ der jugoslawischen Nationalisten rief zum „scharfen und kom
promißlosen Kampf gegen den Kommunismus“ auf. Die Arbeitgeber sollten „Kom
munisten sofort entlassen, der Käufer den kommunistisch eingestellten Händler boy
kottieren“. Es sei nötig, „sie vollkommen zu vernichten“. „Pflicht aller Bürger“ sei,
802 Oslobodjenje v. 29.11.1920.
803 Stanic, Na izvorima, S. 129 u. ders., Radnicki pokret, S. 64ff., der auch viele Bsp. f. die Agita
tion der Kommunisten gegen den „nationalistischen Sokol“ (S. 74) anführt.
804 Vgl. die Berichterstattung der Zeitungen Novo doba, Obzor, Novi list v. 27.04.1920.
331
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern
„diejenigen zu melden, die diesen Boykott unterlaufen, und zwar mündlich in den
Räumen unserer Organisation, im II. Stock, von 15.00-17.00 Uhr nachmittags.“806
Hinter solchen Aufrufen zur Denunziation stand die Demokratische Partei. Ihr pro
klamiertes Ziel, das sie durch Geheimorganisationen wie die „Narodna obrana“
(Volksverteidigung) zu erreichen hoffte, war, „mit organisierter Aktion unser Volk
zu schützen, vor äußeren, als auch vor inneren, anti-staatlichen, zerstörerischen und
defaitistischen Elementen“. „Anti-staatliche Elemente“ waren in erster Linie die Bol
schewisten genannten Linken. Diese waren davon überzeugt, daß der König selbst
direkt hinter dieser Organisation stand. Die Sprengung von sozialistischen Versamm
lungen in Dalmatien807 waren entweder direkt unter der Kontrolle der staatlichen
Organe, bzw. die „faschistische Falange“, wie die Arbeiterpresse sie nannte, kam
gleich in Polizeiuniform.
Die sozialistische Presse berichtete immer wieder ausführlich über den Widerstand
der Spliter Arbeiter.808 Vom August 1923 an trat die Orjuna offen zusammen mit der
Polizei auf. Gerade in Split kam es zu immer häufigeren brutalen Übergriffen. Anläß
lich der schweren Verletzungen, die der Arbeiter Piplovic erlitt bei solch einem Or-
juna-Überfall, schrieb die „Borba“ vom „einzigen Recht auf Selbstverteidigung“, was
den Proletariern in Split noch bliebe.809 Im Juni 1924 kam es zur großen Abrechnung
zwischen organisierter Arbeiterschaft und Orjuna in Split. Das Zentralorgan der Or
juna „Pobeda“ (Der Sieg) beschrieb die „Schlacht“, die Borba druckte die Schilderung
mit ihren Kommentaren ab.810 Doch die Zusammenstöße nahmen in Dalmatien nie
so blutige Ausmaße an, wie z.B. in Slowenien.811 Am 8. August 1926 wurde der 26-
jährige Josip Grgin aus Donja Kastela bei einem Zusammenstoß zwischen Orjuna und
Linken ermordet. Der Vater des Ermordeten, Marko Grgin, rächte den Tod seines
Sohnes dadurch, daß er den lokalen Führer der jugoslawischen Nationalisten, Valentin
Zica, am 2. Januar 1927 tötete.812 Zwischen dem 1. Mai 1924 und dem 10. April 1925
wurden 557 des Kommunismus verdächtige Arbeiter in Dalmatien verhaftet und zum
Teil zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.813 Immer wieder kam es aber zu Wider-
805 Vgl. den Artikel „Die Kommunisten erheben ihr Haupt“, in: Novi list Nr. 488 v. 18.09.1922,
S. 1.
806 Pobeda v. 04.08.1921, S. 5-6.
807 Borba v. 16.03.1922, Radnicka stampa v. 3.06. u. 01.07.1922, Organizovani radnik v.
10.07.1922.
808 Organizovani radnik v. 18.04.1924, Borba v. 7.02.1924.
809 Borba V. 6.9.1923.
810 Borba v. 19.06.1924.
811 Dort kamen im Bergarbeiterzentrum Trbovlje im Juni 1924 drei Menschen ums Leben, sechs
wurden schwer und zehn leicht verletzt; vgl. Cazi, S. 309.
812 Lucin, Ante, Osnovni podaci o razvoju revolucionarnoga radnickog i komunistickog pokreta
i NOB-a u Kastelima (Grundlegende Daten über die Entw. der revolutionären u. komm.
Bew. und des Volksbefreiungskampfes in Kastela), in: Kastelanski zbornik 1, Kastela 1987,
S. 45-52.
813 Borba v. 08.07.1925; Okovani radnik v. 05.10.1924.
332
Folgen des sozialen Wandels
Standsaktionen. Unter der Überschrift „Bewohner aus dem Varos verhaftet“ berichtete
die „Jadranska posta“ von Unruhen in diesem Stadtviertel. Im Zuge einer Polizeikon
trolle kam es zu Ausschreitungen und dann zur „Verhaftung von 20 Bewohnern aus
dem Varos“.814
Der Staat suchte durch Zentralisierung die Lage zu kontrollieren. Die lokale Selbstver
waltung in Dalmatien, wie sie auf dem Papier stand, war so gut wie abgeschafft wor
den durch die eingesetzten staatlichen Kommissare: „Von 92 Gemeinden, wieviel es
in Dalmatien gibt“, schrieb „Novo doba“ 1924, „haben nur 5-6 gesetzlich gewählte
Vertretungen. In allen anderen ersetzten Kommissare die Gemeinderäte und Vertre
tungskörperschaften, oder (...) Ausschüsse, als eine Art nicht-verfassungskonformes
Surrogat der Gemeinderäte und -Verwaltungen.“815 Auch nach den Gemeindewahlen
vom 16. Mai 1926 wurden alle Mandate, die von Listen errungen wurden, die dem
Regime nicht genehm waren, kassiert. Unter Berufung auf Artikel 18 des Gesetzes
zum Schutz des Staates wurden die entsprechenden Listen oder Personen vom Innen
ministerium zu Kommunisten erklärt, und ihre Mandate waren somit hinfällig.816
Systematisch wurde versucht, die politisch-propagandistischen Aktivitäten der Linken
so weit es ging zu verunmöglichen. Flugblätter und Zeitungen wurden meistens schon
in der Druckerei beschlagnahmt. Selbst ein Teil der nicht-kommunistischen Presse
protestierte gegen die Zensur und Verfolgung.817 „Das, was die österreichischen Be
hörden mit gewisser Schamhaftigkeit und verdeckt getan haben“, klagte die Linke,
„wird in diesem Lande jetzt offen und in viel größerem Maße getan.“818
Unter der von oben ausgegebenen Parole „Die Kommunisten müssen ausgerottet wer
den“, handelten die jugoslawischen und serbischen nationalistischen Vereine, unter
stützt vom Staatsapparat.819 Nicht nur für den zeitweiligen Regierungschef, der in
verschiedenen jugoslawischen Zwischenkriegskabinetten Ministerposten bekleidete,
Anton Korosec, war der Kampf gegen „die gottlose und anationale Jugend“, die „anti
staatlichen, subversiven und illegalen Elemente“ innere Verpflichtung. Der „Kampf,
immer und überall, gegen die größte Schande unserer Zeit, den Kommunismus“,
wurde erbarmungslos geführt. „Wer unsere nationale Dynastie, die Errungenschaften
der christlichen Zivilisation bewahren will“, führte der Minister in einem vertraulichen
Rundschreiben des Unterrichtsministeriums aus, müsse „den Kommunismus liquidie-
333
Dalmatien 1918—41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Durchgängig übertrieb der Staat die Stärke der KP. Nach dem Einsetzen der Repres
sionspolitik in den 20er Jahren hatten die Kommunisten in Dalmatien jegliche Massen
basis verloren. Für die „Arbeit auf dem Dorf“ sah das Büro des Zentralkomitees
als wichtigste Aufgabe an, „die Stellung der Dorfjugend und deren Forderungen in
Dalmatien“ herauszufinden, da sich die Zentrale über „den bäuerlichen Charakter
eurer Provinz“ im Klaren sei.821 Doch aller Agitationsarbeit zum Trotz: selbstkritisch
mußte sich die Partei ihren „Sektencharakter“ nach der Repressionskampagne einge
stehen.822 Die Kommunisten waren sich nur zu gut bewußt, daß die „stärkste und
massenhafteste politische Gruppierung“, wie es in einem internen KP-Bericht hieß,
die Kroatische Bauernpartei war und die meisten Arbeiter aus dem Dorf in der Ze
mentfabrik im HRS organisiert waren, dem der HSS nahestehenden Kroatischen Ar
beiterbund.823 Bereits nach den Wahlen im März 1923 war deutlich geworden, daß in
den kroatischen Gebieten die Bauernpartei und ihre Forderungen nach einer souverä
nen und selbstständigen kroatischen Bauernrepublik im Rahmen eines konföderativen
südslawischen Staates die entscheidende politische Kraft darstellte.824 Die KPJ mußte
daher ihr Verhältnis zur Bauernpartei und zur nationalen Frage bestimmen. Die er
folgreiche Bauernpartei schien da sogar so etwas wie ein Vorbild. In internen Rund
schreiben betonte das ZK, daß es gelte, „die nationalen Gefühle der werktätigen Mas
sen“ auszunutzen als den „wichtigsten Hebel in unseren Händen zum Sturz des herr
schenden Regimes“.825
In den 30er Jahren verschärfte sich die Repression gegen die KP noch.826 Die Briefe
der lokalen Parteiorganisationen berichteten von Polizeifolter, Verhaftungen, Razzien
etc.827 Am 20. Oktober 1932 schrieb die Spliter Organisation von nur noch 12 „funk-
820 Korosec, Anton, Vertrauliches Rundschreiben Nr. 921/7 24 vom 16.9.1940, hier zit. nach Ri-
bar, S. 140f.
821 Vgl. die photokopierten Bestände Archiv CK KPJ im PAS, Brief aus Split v. der Parteizelle
an das Büro des ZK SKOJ v. 21.03.1926 u. Büro d. ZK SKOJ v. 21.08.1926.
822 Auch anderswo taucht diese Bezeichnung in der parteiinternen Korrespondenz auf; vgl. Raj-
cevic, S. 254f.
823 Vgl. die Berichte an das ZK über den Organisationsgrad der Kommunistischen Jugendorgani
sation Jugoslawiens, Februar 1925, Signaturen im PAS: S-197, S-162. S-173 u. S-175.
824 Vgl. Muzic, Ivan, Stjepan Radic u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca, (3. Aufl.) Zagreb 1988,
S. 11 ff.
825 Vgl. Vlajcic, Gordana, Ideoloska polazista Stjepana Radica i Seljacke internacionale u prego-
vorima o suradnji 1924. (Die ideologischen Ausgangspunkte v. S. R. u. der Bauerninternatio-
nale bei den Gesprächen über eine Zusammenarbeit 1924), in: Politicka misao 1996/2-3,
S. 234-253, hier S. 241ff. u. dies., Jugoslavenska revolucija i nacionalno pitanje 1919-1927
(Die jug. Revolution und die nationale Frage), Zagreb 1987, S. 102ff., 397ff. u. 410ff., sowie
Perovic, Latinka, Od centralizma do federalizma - KPJ o nacionalnom pitanju (Vom Zentra
lismus zum Föderalismus - Die KPJ zur nationalen Frage), Zagreb 1984.
826 Vgl. PAS Brief aus Split v. 8.03.1933, S-171.
827 Vgl. Brief aus Split - Nr. 5/18.2.1935, S-148, v. 20.03.1933, S-170 u. Gerichtsurteile gegen
Kommunisten des Kassationsgerichts in Zagreb (Kre 176/33/14 v. 21.12.33) wegen des Versto
ßes gegen das „Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und des Staates“, S-176.
334
Folgen des sozialen Wandels
tionierenden Zellen in Dalmatien“ (Split, Solin, Kastela, Sibenik, Trogir, Vodice, Ma-
karska, Dubrovnik, Stari Grad u. Vrbovska auf Hvar, Vis u. Komiza auf Vis u. Vela
Luka u. Blato auf Korcula, die beiden letzteren reine Jugendorganisationen). In zahl
reichen chiffrierten Briefen an die Zentrale in Belgrad war die Rede von den „ziemlich
pessimistisch ausgerichteten Genossen in Dalmatien“, die gegen von der Zentrale be
stimmte Funktionäre rebellieren würden.828 Auch auf ZK-Plenen wurde der „Pessi
mismus“ der Genossen aus Dalmatien bezüglich der Partei- und Gewerkschaftsarbeit
beklagt. Es wurde zugegeben, daß das Büro des ZK „tatsächlich zu wenig Unterstüt
zung“ geleistet hätte und noch keine „klare Vorstellung über den Stand und die Akti
vitäten der dalmatinischen Organisation“ habe. Aus den „knappen Berichten, die das
Büro aus Dalmatien erhält“, ließe sich nicht viel ersehen. Es wurde auf dem Plenum
beschlossen, einen Genossen auf längere Zeit nach Dalmatien zu schicken, der „die
dortigen Zustände genau untersuchen soll“.829 Am 8. Juli 1933 beschwerte sich die
Bezirksorganisation, daß nicht einmal die Parteizeitung „Proleter“ ankommen würde
und auch keine sonstigen Nachrichten, vom Wichtigsten, der finanziellen Unterstüt-
zunng, ganz zu schweigen.830 Im August 1935 schrieb das ZK, „verwundert über eure
Uninformiertheit“, daß die angeforderte Parteizeitung „schon drei Monate nicht mehr
herauskommt, und unter den jetzigen Umständen auch in Zukunft nicht mehr erschei
nen wird“. Man könne an solchen Anfragen sehen, „was ihr für einen guten Willen
habt“. Den langen und opferreichen Kampf könne man nicht auf einem Fundament
aus Sand aufbauen „v. a. in diesem Moment, wenn sich Macek für eine Politik des
Abwartens entschieden hat“. In einem undatierten handschriftlichen Protokoll einer
Sitzung des Bezirkskomitees (wahrsch. Herbst 1933) wurde bemerkt, daß „die
Bauernfrage“ betont werden müsse. Man könne „nicht aufs Dorf kommen, ohne kla
ren Standpunkt zur nationalen Frage“, schrieben die dalmatinischen KP-Aktivisten
und schlossen: „Unsere Direktiven im Hinblick darauf sind ungenügend.“831
Massenwirksamkeit, so zeigte man sich bald überzeugt, könne nur durch Zusammen
arbeit mit der Bauernpartei erreicht werden. Doch die lokale Parteiorganisation fragte
sich, „wie die Einheitsfronttaktik bei uns umzusetzen ist.“832 So schlug die KP vor,
gemeinsame Jugendausschüsse mit der HSS zu bilden und in legalen Organisationen
(kulturellen, humanitären, sportlichen etc.) für gemeinsame Forderungen zu agitie
ren.833 „Keinen Zweifel“ könne es daran geben, daß „die überwältigende Mehrheit
des kroatischen Volkes in Dalmatien unter dem Einfluß der HSS steht“, die seit Jahr
zehnten in „Opposition gegen das Belgrader großserbische Regime“ stände, deren
„Anhänger verfolgt wurden und werden“, hieß es in den Briefen der örtlichen KP-
828
Vgl. „Brief an Leo“v. 20.02.1927 (eingegangen in Belgrad 26.02.27), S-192.
829
Büro des ZK SKOJ v. 16.02.1927, S-194.
830
S-228.
831
S-178.
832
S-159.
833
Brief aus Split an das ZK - Nr. 5/18.2.1935, S-148.
335
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Funktionäre an das ZK.834 Die Bauernpartei lehnte aber alle Volksfrontangebote der
KP auch in Dalmatien ab. Kommunismus sei eine den kroatischen Bauern „fremde
Idee“, die die Bauernbewegung nicht brauchte. „Wir haben unsere Ideologie, das ist
die kroatisch-bäuerliche Ideologie (...) wir brauchen weder einen Faschismus, noch
Hitlerismus, noch Kommunismus, das ist alles fremd und von außen aufgepfropft,
und ihr wißt: nicht jeder Stiefel paßt auf jeden Fuß, noch jede Mütze auf jeden Kopf“,
beschied die Bauernpartei die Aktivisten der KP.835
Ein Bericht aus Sinj eines Kommunisten an sein ZK vom 9. August 1935 illustrierte
die politische Stimmung jener Zeit in Dalmatien: Der Bericht schilderte neben den
Problemen der Parteiarbeit auch die Totenmesse zum Jahrestag von Stjepan Radic Tod
in Sinj:
„1500 Personen, darunter 100 Frauen, formierten sich nach der Messe zu einem Demonstrati
onszug. Hochrufe auf Radic, Macek, Kroatien, die Freiheit, gegen Polizeiprügel, die Armee,
den Faschismus (...). Auf Verlangen der Menge, und gegen den Versuch des Pfarrers, dies zu
verhindern, sprach der Bauer Vicko Buljan, der eine Amnestie für alle „Kämpfer für die
nationalen Rechte“ forderte und verlangte, daß auf der Alka (trad. Ritterspiel, das seit dem
ersten Drittel des 18. Jh. aus Anlaß eines milit. Sieges über die Türken in Sinj abgeh. wird,
A.J.) kroatische Fahnen wehen müßten. Danach sprach der Pfarrer, der u.a. dem Volk anfing
zu erklären, was Politik ist und daß dies eine große Sache sei, für die es viel Verstand bedürfe,
den die Bauern nicht hätten. So müßte die Politik von den klugen und gelehrten Köpfen
geführt werden. Von den Bauern wurde er dafür angegriffen; der Bauer Stipan Romac tat sich
dabei besonders hervor. (...) Zwei Tage später griff der Pfarrer in der Predigt Romac für
dessen Rede scharf an und nannte ihn einen Kommunisten, verdammte ihn und seine Familie,
und rief das Volk auf, ihn zu meiden, woraufhin 150 Bauern aus Protest die Kirche verließen.
Nach der Alka ließ das Volk die übliche Rede nicht zu, die der verhaßte Jugonationalist und
ehemalige Österreicher Vice Grabovac halten wollte. Gruppen sammelten sich an verschiede
nen Ecken, Polizei griff ein, Unruhen, MGs, Patrouillien, ein Toter, zahlreiche verletzte De
monstranten und Polizisten.“ Und anläßlich des von Katholiken begangenen Marien-Feierta-
ges Himmelfahrt (Velika Gospa) berichtete die dalmatinische KP-Bezirksorganisation an die
Zentrale: „(...) riesige Manifestationen mit vielen kroatischen Fahnen in Sinj, nach dem Feuer
werk Hochrufe auf Macek (...) bewaffnete Tschetniks aus den orthodoxen Dörfern und Ge
heimpolizei aus Split waren neben der kompletten Garnison des 13. Inf Bat und des 7. Art.
Reg. zur Bewachung von Recht und Ordnung aufgeboten. Es war alles bewaffnet und auf
den Beinen, was als vertrauenswürdig galt. Der 26-jährige Bauer Sipic aus Vedrina wurde vom
montenegrinischen Polizisten Perovic erschossen. (.. .).“836
Wegen Verhaftungen existierte zwischen 1935 und 1938 praktisch keine Parteiorgani
sation mehr in Split. Doch weiter trafen sich kommunistische Sympathisanten in Zir
keln und machten Propagandaarbeit. In den Beschreibungen nach dem Krieg herrschte
der Tenor vor, daß die Jungkommunisten so gut wie alle anderen Organisationen
336
Folgen des sozialen Wandels
unterwandert hatten, vom Roten Kreuz bis zu den Nähkursen des „Kroatischen Her
zens“ (Hrvatsko srce) und der „Seljacka sloga“, von den Schulen ganz zu schweigen.
An dieser Darstellung scheinen erhebliche Zweifel angebracht. Wohl nicht nur „wegen
des starken Einflusses der reaktionären Kräfte“, spielten sich die „wesentlichsten Akti
vitäten“ der Kommunisten in Dalmatien in „Sportvereinen, bei organisierten Aus
flügen, auf Feiern (...) etc. ab.“837 Publizierte Erinnerungen der Aktivisten bestätigen
dieses Bild, liest man zwischen den Zeilen der parteiamtlichen Darstellung der Gene
rallinie, von der es im Nachhinein hieß, sie sei „immer“ befolgt worden.838 Dabei ist
der „Manifestationscharakter“, wenn in den Arbeiterkulturclubs „Split“ u. „Nada“
Tanzveranstaltungen stattfanden und „rote Papierrosen als Eintrittskarten“ benutzt
wurden, sicher nicht nur ein ausschließlich politischer gewesen. Ob im Gesangsverein
„Jedinstvo“ mit kämpferischen Arbeiterliedern, den Sportvereinen „Istok“, „Krupa“
und „Osvetnik“, Lesezirkeln, Esperanto-Kursen oder Wandervereinen wie „Dinara“,
„Prijatelj prirode“(Naturfreund), „Mosor“ etc., im Kulturverein oder etlichen ande
ren - es entstand ein eigenes sozio-kulturelles linkes Milieu.839 Seit dem Juli 1928 war
nach der Bezirkskonferenz des Kommunistischen Jugendbundes häufig in Flugblät
tern die Rede von der „nationalen Unterdrückung“. Die „serbische Bourgeoisie“ habe
„die Reaktion verstärkt“, „Morde“ seien an der Tagesordnung. Die „jungen Arbeiter
und Bauern“ wurden aufgerufen, auch dagegen ihren Kampf zu führen.840 Wie stellte
sich die Linke zur „nationalen Frage“?
Anfangs fand sich kaum ein Wort über „nationale Themen“ in den Dokumenten der
Kommunistischen Partei.841 „Die Lebens- und Arbeitsbedingungen“, die sich „von
Tag zu Tag verschlechtern“ würden, währenddessen „die Kapitalistenklasse Orgien
unter den Klängen des größten Abschaums und Verräters der Arbeiterklasse, der So-
837 Sitin, Tonci, O razvitku omladinskig revolucionarnog pokreta u Splitu 1941-1942. godine
(Über die Entw. der rev. Jugendbew. in Split 1941-42), in: Institut za historiju radnickog
pokreta Dalmacije (Hg.), Split u narodnooslobodilackoj borbi i socijalistickoj revoluciji
1941-1945. (Split im Volksbefreiungskampf und in der Sozialistischen Revolution 1941-45),
Split 1981, S. 377-405, hier S. 379. Vgl. auch N. Marovic, SKOJ u Dalmaciji 1939-1941.
godine, in: Zbornik, Split 1972, S. 521-546, u. Josip Ugrina, O revolucionarnom omladins-
kom pokretu u Splitu od 1941. do 1945. (Über die rev. Jugendbew. in Split 1941-45), in:
Zbornik: Revolucionarni omladinski pokret u Hrvatskoj 1941-1948., Zagreb 1972, S. 133 —
140. Arbeitersportvereine gab es in allen Städten Dalmatiens: Grgurevic, Dragutin, Crveni
„Sibenik“ 1932-1972. - Cetrdeset godina Radnickog sportskog drustva i kluba „Sibenik“
(Das rote Sibenik, 40 Jahre Arbeitersportverein), Sibenik 1972.
838 So z.B. Radmilovic, Jerko, Otok Brac u Narodnooslobodilackoj borbi (Die Insel Brac im
Volksbefreiungskampf), in: Bracki zbornik 2, Split 1954, S. 5-83., Marovic, Neda, SKOJ i
revolucionarni omladinski pokret u Splitu 1935-1941. (Der Bund der Komunistischen Jugend
Jugoslawiens und die rev. Jugendbew. in Split 1935-41), in: IHRPD (Hg.), S. 63-99.
839 Marie, Milomir, Deca komunizma (Kinder des Kommunismus), Beograd 1987, mit zahlrei
chen Biographien kommunistischer Sympathisanten u. Aktivisten der Zwischenkriegszeit.
840 Vgl. internes Rundschreiben für die dalm. Bezirksorganisationen Juni 1928 S-185.
841 S 66-280, Karton 214/625 (1923-1945).
337
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
338
Folgen des sozialen Wandels
als „Endziel des Kroatischen Blocks die Gründung eines eigenständigen kroatischen
Klein-Staates“. Dieser Block sei „die Vereinigung der klerikalen und kleinbesitzer
lichen dörflichen Bourgeoisie, unterstützt von den österreichischen und ungarischen
Reaktionären des alten Regimes, die die Rückkehr der Habsburger und die Verhinde
rung der Agrarreform herbeiwünschen.“ Deswegen wurde protestiert gegen diese „re
aktionären“ und „mittelalterlichen Forderungen“, deren Verwirklichung in den Augen
der Sozialisten die „Vernichtung des ganzen jugoslawischen Volkes, und besonders
seines kroatischen Stammes“, nach sich ziehen würde.845 Keine Ausgabe der Parteizei
tung „Das freie Wort“ (Slobodna rijec) erschien ohne Wiederholung oder Paraphrase
der Beschlüsse der Partei und Aussagen des Parteiführers Korac, das Kroatische „Pro
blem“ (Anführungszeichen im Original) würde sich schon „von alleine durch gesunde
und forcierte Entwicklung unseres Volkes“ ein für allemal lösen. Die „Lösung“ behin
derte seiner Meinung nach nur der „pathologisch belastete Demagoge“ Radic, den er
denn auch als Hauptschuldigen für die Virulenz der „nationalen Frage“ in Jugoslawien
ausmachte.846 Jeder Versuch, die Vidovdan-Verfassung in Richtung Dezentralisierung
und größere Autonomierechte für einzelne Völker und Regionen zu ändern, bewerte
ten die Sozialisten als reaktionäre Politik, die zur Zerstörung Jugoslawiens führen
würde, und griffen sie scharf an.
Nicht viel anders war es bei der KPJ. Bis zum Jahr 1923 wurde die Bedeutung von
Nationalität oder Nation als äußerst gering eingeschätzt. Viel bedeutender war die
„soziale Befreiung des Proletariats“. Doch unter dem Eindruck „des Kampfes der
nationalen Kräfte in Kroatien gegen die großserbische Bourgeoisie“847 begann im
Laufe des Jahres 1923 innerhalb der Arbeiterbewegung eine kontroverse Diskussion
um die Standortbestimmung im durch Nationalitätenkonflikte aufgeheizten innenpo
litischen Klima des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen. Das Marxsche
Diktum, daß der Kampf der Proletarier gegen die Bourgeoisie, wenn auch nicht dem
Inhalt, so aber doch der Form nach, „zunächst ein nationaler“ sei, konnte im südslawi
schen Bereich durchaus unterschiedlich interpretiert werden.848 In den kommunisti-
845 Slobodna rijec v. 7.01.1922, Proletarijatu citavoga svijeta!, (An das Proletariat der ganzen
Welt!) Milenkovic, S. 671. Kapitel „Stellung der SPJ zur nationalen Frage und der staatlichen
Organisation Jugoslawiens, S. 658ff.
846 Korac, Vitomir, Hrvatski „problem“, Beograd 1922, S. 35ff.
847 Lukac, Dusan, Ucesnici iz Hrvatske u diskusiji o nacionalnom pitanju u NRPJ 1923. godine
(Die Teilnehmer aus Kroatien in der Diskussion über die nationale Frage in der Nationalen
Arbeiterbewegung Jugoslawiens 1923), in: Casopis za suvremenu povijest, Nr. 3, Zagreb 1972,
S. 31-43.
848 Marx Engels Werke Bd. 4, S. 473. Die prinzipielle Kritik des Nationalismus bei Marx findet
sich in seiner Schrift „Zur Judenfrage“, wo er den Nationalismus nicht als bloße Ideologie,
sondern als ein praktisches Verhältnis von Staat und Bürgern darstellt (MEW 1, S. 354f.).
Dort ist die Notwendigkeit des Gegensatzes zwischen Staat und Gesellschaft beschrieben, die
Beherrschung der Klassengesellschaft sei der Dienst des Staates an der Gesellschaft; der Staat
wird benannt als notwendige Voraussetzung des Kapitalverhältnisses; durch die bewußte
Antizipation des Unterwerfungsverhältnisses wird der Bürger zum aktiven Nationalisten.
339
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
sehen Zeitungen „Radnik-Delavec“ (Der Arbeiter) und „Borba“ (Der Kampf) kamen
mehrere Strömungen und Anschauungen zu Wort, doch lassen sich die Standpunkte
im großen und ganzen „auf zwei grundsätzliche Linien“ reduzieren: „(D)iejenige, die
den alten Auffassungen der Negation der nationalen Frage in Jugoslawien näher war
und diejenige, die um die Anerkennung der nationalen Besonderheiten der Kroaten,
Slowenen und Serben kämpfte“.849
Letztere Auffassung kam im Artikel eines anonymen Autors aus Serbien gegen Ende
Juli 1923 zum Ausdruck, der „als sinnvollste Einrichtung der zwischennationalen Ver
hältnisse in Jugoslawien“ eine „Föderation gleichberechtigter Länder“ vorschlug, die
„durch eine freie Volksabstimmung eingerichtet werden soll“.850 In dieselbe Richtung
ging der Beitrag des kroatischen Kommunisten Ante Ciliga aus Zagreb.851 Er erkannte
an, daß die vielen Elemente des gegenseitigen Einflusses, der ethnischen Nähe usw.
zur nationalen Einheit der Serben, Kroaten und Slowenen geführt haben, doch er
unterstrich, daß es zur richtigen Einheit nicht kommen könne wegen der „wirtschaftli
chen Unterschiede“, der „unterschiedlichen Entwicklungsstufe“ und der „verschiede
nen fremden Einflüsse“. Seiner Meinung nach kam es zur Schaffung des Gesamtstaates
vor allem durch den Einfluß der äußeren Faktoren ohne echten Wunsch der einzelnen
einheimischen Politiker. Die „großserbische Bourgeoisie“, die eigentlich ein Großser
bien angestrebt hatte und die „großkroatische Bourgeoisie“, die an einer trialistischen
Lösung innerhalb der Donaumonarchie interessiert gewesen war, wären durch den
Ausgang des Weltkrieges dazu gezwungen worden, die Einheit der Serben, Kroaten
und Slowenen anzuerkennen, die „ehrlich keine einzige gesellschaftliche Gruppe in
den südslawischen Ländern gewollt hatte“. Der „mit Gewalt geschaffene“ künstliche
Staat sei eben wegen der allgemeinen wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Unter
schiede nur der Apparat zur nationalen Unterdrückung, was zu zwischennationalen
Kämpfen geführt habe. Die großserbische Bourgeoisie würde nun, bedingt durch die
Erfolge im Krieg und die Gunst der Ententemächte, alle Macht im Staate in ihren
Händen konzentrieren, die eigene Kapitalakkumulation hintenanstellen und rück
sichtslos die anderen Völker ausplündern. Gegen diesen Raub und gegen die Herr
schaft der Serben würden nun alle anderen Provinzen (pokrajine) und Klassen rebellie
ren, vor allem Kroatien. Doch die kroatische Bourgeoisie würde unter der Parole der
Autonomie nur den Kampf um politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung mit
der serbischen Bourgeoisie führen.
In der „Borba“ vom 30. August 1923 wurde die serbische Bourgeoisie auch vom
Schriftsteller August Cesarec852 dafür verantwortlich gemacht, daß „keine Bedingun
gen für eine richtige Vereinigung entstehen können“. Vielmehr sei durch die Hegemo-
849 Radnik-Delavec v. 24. u. 28. Juni 1923. Borba v. 27. Juli 1923. Hier zitiert nach Lukac, S. 31ff.
850 „Nacionalni problem u Jugoslaviji“, in: Radnik-Delavec, Nr. 65 v. 29. Juli 1923.
851 Ante Ciliga, in: Borba v. 30. August 1923 u. Lukac, S. 34.
852 Cesarec, August, Osnovni nas nacionalni stav federalizam (Unser grundsätzlicher nationaler
Standpunkt Föderalismus), in: Borba v. 30. August 1923.
340
Folgen des sozialen "Wandels
nie des serbischen Bürgertums, durch die Herrschaft der Gewalt und der nationalen
Unterdrückung die gegenseitige Entfremdung der südslawischen Völker sehr gewach
sen: „Obwohl wir objektiv ein Volk sind, fühlen sich die Massen heute weniger denn
je subjektiv als ein solches, sondern im Gegenteil; das ist die Tatsache, aus der wir
unvermeidlich den Schluß ziehen müssen, daß Jugoslawien, als Nationalstaat gegrün
det, heute faktisch einen Staat der Nationalitäten darstellt“. Infolgedessen müsse nun
also auch die Kommunistische Partei, die zuerst eine der „heftigsten Verfechter der
nationalen Einigkeit gewesen war“, ihre Politik ändern, da „diese Parole keinen Wi
derhall in den unterdrückten Ländern findet“. Die korrekte Linie sei die Betonung
des „Rechts des Volkes auf nationale Selbstbestimmung“. Den Mitgliedern der Partei
müßten „die wahren Orientierungen des Volkes heilig und unantastbar“ sein. Wenn
die Völker der „einzelnen Provinzen nach Autonomie verlangen, sei es innerhalb des
Staates wie die Slowenen, die bosnischen Muslime und die Montenegriner, oder außer
halb oder nur im Rahmen einer weiteren Föderation wie die Mazedonier und vielleicht
die Montenegriner, oder eine Konföderation verlangen, wie es die Kroaten tun, so
müssen sie dies achten“.853 Die Arbeiterbewegung würde alle Regierungsformen ak
zeptieren, die zur Befreiung und zum freieren Leben des Volkes führen, um so mehr,
als Föderation, Autonomie oder Konföderation und ähnliches ja sowieso nicht Ziel
der Arbeiterklasse seien, sondern nur das Mittel für die wahrhafte Befreiung des Vol
kes und letzten Endes für das Absterben der Nation.
Die wichtigsten Ergebnisse der innerhalb der KPJ geführten Diskussion waren „die
endgültige Abkehr von der Idee des integralen Jugoslawismus“854 und die Anerken
nung der nationalen Unterschiede zwischen Serben, Kroaten und Slowenen, wie sie
in den Resolutionen der „Dritten Landeskonferenz der KPJ“ zum Ausdruck kamen.
Schon in der 1923 veröffentlichen Schrift „Die nationale Frage im Lichte des Marxis
mus“ hatte sich der Parteitheoretiker Sima Markovic gegen die staatlicherseits propa
gierte „Stammestheorie“ ausgesprochen. Historisch argumentierend betonte er, daß es
sich 1918 schon um drei formierte Völker - Serben, Kroaten und Slowenen - gehan
delt hätte. Die „groß-serbische Hegemonie“ erklärte er aus dem Bestreben der serbi
schen Bourgeoisie heraus, mit der fortgeschritteneren kroatischen und slowenischen
gleichzuziehen. Sein Plädoyer für Autonomierechte, die man Slowenen und Kroaten
gewähren sollte, verband er mit der Hoffnung, damit die nationale Frage erledigen zu
können und die Rahmenbedingungen des Klassenkampfs für das Proletariat zu schaf
fen, auf das es ihm ankam. Die Linke der Partei argumentierte dagegen. Es handele
sich nicht nur um eine Revision der Verfassung, die anstünde. Vielmehr müßten die
verschiedenen Völker erst ihre „national-bourgeoisie Revolution“ durchführen, um in
einem zweiten Schritt zum Sozialismus voranschreiten zu können. Die Parteirechte
hielt die gesamte nationale Frage für eine „Fatamorgana“, die den „Antagonismus der
Klassen“ überdecken würde. Es ginge nur um den Konkurrenzkampf der verschiede-
853 ebenda.
854 Lukac, S. 42.
341
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Diese „Resolution" der KPJ zur „nationalen Frage“ von 1926 bedeutete den endgülti
gen Umschwung der Partei auf eine föderalistische Linie. Die scharfen Angriffe gegen
das „imperialistische Regime der herrschenden serbischen Bourgeoisie, welches auf
der Politik der nationalen Unterdrückung und der ökonomischen Ausbeutung der
nicht-serbischen Nationen“ beruhe, nahmen Parolen der Bauernpartei auf. Gleichlau
tend hatte Radic die „nationale Unterdrückung“ kritisiert, die sich im „Vorenthalten
der politischen und bürgerlichen Rechte, Parzellisierung der Regionen“ manifestieren
würde, sowie in der „privilegierten Stellung der Serben in Bürokratie und Militär,
Verbot der Verwendung der Muttersprache, Schließung und Verbot der nationalen
Schulen, Kolonisierung mit Gewalt, sehr viel stärkerer Besteuerung der nicht-serbi
schen Gebiete, benachteiligenden Kreditpolitik der staatlichen Finanzinstitutionen
(Staatsbank, Staatliche Hypothekenbank, Postsparkasse usw.“ „Völlig zurecht“, be
tonte nun auch die KP, habe solch eine Politik die „Unzufriedenheit aller nicht-serbi
schen Völker“ hervorgerufen, was zur „Formierung von Nationalbewegungen in
Kroatien, Slowenien, Mazedonien, Vojvodina und Montenegro“ geführt habe. Noch
855 Hier zit. nach „Odbor za obiljezavanje 50. obljetnice pobjede Antifasisticke koalicije u Europi
i svijetu Sabora Republike Hrvatske“ (Ausschuß für die Begehung des 50. Jahrestages des
Sieges der Antifaschistischen Koalition in Europa und der Welt des Parlaments der Republik
Kroatien). Za grupu autora predsjednik provedbenog vijeca odbora (Für ein Autorenkollektiv,
der Präsident des Durchführungsrates des Ausschusses): Milivoj Kujundzic (Hg.), Doprinos
Hrvatske pobjedi Antifasisticke koalicije (Der Beitrag Kroatiens zum Sieg der Antifaschisti
schen Koalition), Zagreb 1995, S. 14.
342
Folgen des sozialen Wandels
stände zwar die „Bourgeoisie“ an der Spitze dieser Bewegungen, die „sich bemüht,
die nationale Frage zur Stärkung ihrer Stellung in den Volksmassen“ auszunützen,
aber die „Erfahrung hat auch in Jugoslawien, wie in anderen Ländern, gezeigt, daß
die Bourgeoisie unfähig ist, den nationalen Kampf zu Ende zu führen“. Sie würde ihn
in dem Moment „verraten, wenn die nationale Bewegung der Massen zur Gefahr für
ihre Klassenherrschaft zu werden droht.“856 Im „Siebenten Thema“ seiner „Ge
schichte der Kroaten“, in dem die Zeit von 1918 bis 1938 behandelt wird, stellte
Otokar Kersovani die bekannte These auf, daß die „hegemonistische groß-serbische
Borgeoisie“ die „wirtschaftliche Entwicklung der kroatischen (und generell der nicht
serbischen) Länder bremste.“ Dieses System habe einzig der „wirtschaftlichen Unter
drückung und Ausbeutung der Arbeiterklasse außerhalb Serbiens“ gedient. Und nicht
nur die Arbeiterklasse wurde, was Kersovani anhand von Arbeitslosigkeit, niedrigen
Löhnen etc. nachzuweisen suchte, „gnadenlos ausgebeutet“. 20 Jahre stand Jugosla
wien auch „für die große Masse des kroatischen Kleinbürgertums und der Intelligenz
als Synonym für Pauperisierung, Verfall und immer tiefere Krisen.“ Die daraus fol
gende „Unzufriedenheit“ habe „schon von Anfang an die Form des nationalen Kamp
fes der kroatischen arbeitenden Massen gegen ihre Unterdrücker“ (Hervorh. im Origi
nal) angenommen.857 Die „Volksmassen wollten keinen solchen Staat“, wie er 1918
geschaffen worden war. Das in den Städten konzentierte „kroatische Kleinbürgertum
und die Intelligenz hat anfangs im großen und ganzen den neuen Staat und den Jugo-
slawismus angenommen, doch später in schnellem Tempo diese Positionen verlassen
und sich kroatisch orientiert.“858 Anfänglich sei im neuen Staat die „kulturelle Ent
wicklung der Kroaten“ in bestimmter Weise befördert worden. Die „Hindernisse, die
das deutsche und magjarische Regime (vor allem in Dalmatien)“ dargestellt hatten,
seien gefallen.859 Doch da die „teorija jugoslavenstva“ sich „vollständig als Waffe der
groß-serbischen Hegemonisten demaskiert und sich als vollkommen unrealistisch er
wiesen“ habe, siegte sowohl in der politischen als auch in der kulturellen Sphäre,
bald „das Kroatentum und die kroatische nationale Kultur“ über die „jugoslawische
Orientierung“. Der Jugoslawismus wurde nur noch „von einigen Gebildeten, beson
ders von Fanatikern und Söldnern der Orjuna akzeptiert, die als Versuch formiert
wurde, eine Art jugoslawischen Faschismus nach Vorbild des italienischen zu schaf
fen“. Die KP habe demnach vollständig die Positionen des Jugoslawismus und Zentra
lismus verlasen.860
856 Istoriski arhiv KPJ, Bd. II, Resolution d. III. Parteitags in Wien im Juli 1926, Beograd 1950,
S. 111.
857 Kersovani, Otokar, Povijest Hrvata, Rijeka 1971, S. lllf. u. 115f. Seine 1939/40 fertiggestellte
„Geschichte der Kroaten“ ist hauptsächlich im Gefängnis verfaßt, und symptomatisch für
die Sichtweise eines kroatischen marxistischen Intellektuellen. Sie trägt als Ausdruck dieser
Überzeugungen und ihrer Entstehungszeit Quellencharakter.
858 ebenda, S. 117f. u. 123.
859 ebenda, S. 142.
860 ebenda, S. 126 u. 142.
343
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
Obige Ausführungen zeigen, wie massenwirksam die KP die .nationale Frage' ein
schätzte. Man meinte, daß „im Kampf gegen die Klassensolidarität der Arbeiter und
Bauern“ die „stärkste und gefährlichste Waffe“ der „stark mobilisierten Bourgeoisie
mit ihrem ganzen Apparat (...), die Lüge von der Anationalität (anacionalnost)“ der
Arbeiterbewegung sei.861 Daher wurden Fragen von „Internationalismus und Volks
zugehörigkeit“ von der KP oft und ausführlich erörtert.862 Tenor der Artikel war
jedesmal, daß die klassenbewußte Arbeiterbewegung keineswegs ein Feind des kroati
schen Volkes und der kroatischen Freiheitsbewegung sei. Überall ständen die Kom
munisten an vorderster Front auch für die nationale Befreiung, trotz ihres grundsätz
lich internationalistischen Eintretens für die Befreiung der Arbeiterklasse weltweit.
Der „kroatische Kommunist“ sei „kein „Internationalist“, der in der Luft hänge, son
dern er sei “Kommunist und Kroate (Flervorh. im Original), der sich mit ganzer Kraft
für den Sieg des kroatischen Volkes einsetze. Für einen serbischen Kommunisten be
deute Internationalismus in erster Linie konsequenten Kampf gegen die großserbische
Politik der serbischen herrschenden Klasse. Und für den kroatischen Kommunisten
bedeute Internationalismus in erster Linie „aktivste Mitwirkung im Befreiungskampf
des kroatischen Volkes und brüderlicher Bund zwischen den kroatischen Arbeitern
und Bauern und brüderliche Übereinkunft mit dem serbischen arbeitenden Volk.“863
Immer wieder waren die „Kommunisten und das kroatische Volk“ Thema der Partei
zeitung. Die Partei war sich bewußt, daß die „Kroatische Bauernpartei in ihren Reihen
die große Mehrheit des kroatischen Volkes vereinigt“. Nur deren „rechter Flügel“,
und dessen „Klerikalismus“ und „Anti-Kommunismus“ müsse politisch bekämpft
werden. Auch wollte man sich in punkto kroatisches Nationalgefühl in der Agitation
von der HSS nicht übertreffen lassen. Daher wurden einige „Führer der Bauernpartei“
sogar als „Helfer der Belgrader Regierung“ und „Feinde des kroatischen Volkes“ ge
brandmarkt. Die Partei empfahl sich als „konsequentesten Kämpfer und Anhänger
des Rechtes eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung“. Die Kommunisten, so hieß es
in der Erklärung, seien „entschlossene Gegner jeder gewaltsamen Assimilation, des
Einschmelzens einzelner Völker. Deshalb verurteilen und kämpfen sie gegen alle Ver
suche der Belgrader Machthaber, das kroatische Volk vom Angesicht der Erde zu
tilgen, die Kroaten in Serben zu verwandeln, oder zu einem Stamm (...) zu machen.
Die Kommunisten gehen davon aus, daß Kroaten, Serben und Slowenen drei eigene,
brüderliche Völker sind.“864
344
Folgen des sozialen Wandels
Den logischen Endpunkt dieser Agitation stellte die Gründung der „Kommunisti
schen Partei Kroatiens“ dar, die im Juni aus der Taufe gehoben wurde, „über zwei
Jahre zu spät“, wie der Leitartikel im „Proleter“ mit kommunistischer Selbstkritik im
Oktober 1937 befand, und die Parole ausgab, daß nun, als „erste und wichtigste Auf
gabe: der Kampf um die nationale Freiheit des kroatischen Volkes“ (Hervorh. im Ori
ginal) höchste Priorität habe.865 Die „Reorganisation der Partei, d. h. die Organisation
der KP Kroatiens und Sloweniens“ sei „ein wichtiger Faktor in unserer Politik zur
nationalen Frage.“ Den „breitesten ausgebeuteten Massen“ würde so die Stellung der
KP zur nationalen Frage deutlich gemacht, unser Kampf gegen die Unterdrückung der
nicht-serbischen Völker und für deren Recht auf Selbstbestimmung bis zur Loslösung
(pravo na samoodredjenje sve do ocjepljenja). Wir (...) parieren damit der Demagogie
der National-Reformisten und National-Faschisten, die unsere Partei vor allem in
kroatischen und slowenischen Gebieten verleumden und eine Kampagne gegen sie
führen, daß sie nicht slowenisch, nicht kroatisch, sondern „jugoslawisch“ d.h. angeb
lich großserbisch sei.“ Doch weiter hieß es: „Mit dieser Reorganisation ist keine Föde-
ralisierung der Partei verbunden, vielmehr bleibt unsere Partei einheitlich-geschlossen,
von einer Stelle aus geführt - vom ZK - eine proletarische Partei.“ Als Folge dieses
Beschlusses verschwanden aber die Gebietskomitees für Dalmatien. In Zukunft sollte
ein neues ZK der kroatischen Partei gewählt werden. Zur KP Kroatiens sollten gehö
ren:
„alle Organisationen in Kroatien und Slawonien, einschließlich Vukovar und Vinkovac, weiter
alle Organisationen in Dalmatien, einschließlich Dubrovnik, und schließlich Banja Luka,
Livno, Duvno, das rechte Ufer der Neretva und die Herzegowina, einschließlich Mostar, d. h.
die westlichen Teile Bosnien-Herzegowinas, die kroatisch besiedelt sind und an Dalmatien
angrenzen. (...) Es versteht sich von selbst, daß auf dem Gebiet der KP Kroatiens oder Slowe
niens (...) alle Kommunisten in diesen Ländern der Partei angehören, d.h. neben Kroaten
und Slowenen, auch Serben, Deutsche, Ungarn, Juden usw.. Wie der Name unserer Gesamt
partei: KP Jugoslawien nicht bedeutet, daß wir eine nicht-existierende „jugoslawische“ Nation
anerkennen, sondern vielmehr das Organisations-Territorium unserer Partei bezeichnet, so
bedeutet die Gründung der KP Kroatiens und Sloweniens nicht, daß wir damit die Existenz
anderer nationaler Minderheiten auf dem Gebiet Sloweniens und Kroatiens nicht anerkennen,
oder daß Mitglieder der Partei in diesen Ländern nur Kroaten oder Slowenen werden kön
nen.“866
Es war daher kein Wunder, daß die KPJ die Gründung einer autonomen Banschaft
Kroatien im August 1939 zunächst positiv bewertete, als Beginn der Schaffung eines
föderativen Staates, wobei sie sich aber gegen den Anschluß von Teilen Bosnien-Herz
egowinas an die Banovina aussprach. Freilich überwog in den Augen der Parteifüh
rung der Klassengegensatz zu der als „bourgeois“ empfundenen kroatischen Führung
345
Dalmatien 1918-41: Hoffnungen und ihr Scheitern
alle Gemeinsamkeiten. Die lokalen Parteigliederungen müssen das aber anders gesehen
haben: Im geheimen „Referat des Genossen Walter“ (Tarnname des Generalsekretärs
der KPJ Josip Broz - Tito) am 17. September 1938 in Moskau wurden in der Analyse
der politischen Situation ausdrücklich die „liquidatorischen Tendenzen“ der kroati
schen Parteimitglieder gerügt: „Macek und anderen Führern des kroatischen Volkes
stehen unsere Genossen sehr unkritisch gegenüber. Vor allem in Dalmatien kam dieses
vor“, betonte der Generalsekretär. In seinem „Bericht über Organisationsfragen auf
dem V. Parteitag der KPJ“ vom 19. Oktober 1940 sprach Tito sogar von der „schwä
renden Wunde namens Dalmatien in unserer Partei“, wo das Zentralkomittee der
Partei „die Sache in die eigenen Hände nehmen mußte“, um „die Lage zu konsolidie
ren“. Gemeint war damit der Parteiausschluß von „undisziplinierten, fraktionsbil
denden, trotzkistischen und verdächtigen Elementen“.867 Herauslesen aus dieser Kri
tik läßt sich aber sicher die fraglose Durchsetzung der kroatischen nationalpolitischen
Orientierung an der Küste. Alle Aktionen der KP, was den Kommunisten damals auch
bewußt war, aber im Nachhinein freilich verklärt wurde, wurden aus der Position
einer politischen Minderheit heraus unternommen, in Dalmatien wie in Kroatien. Die
zu jener Zeit eindeutig wichtigste Kraft auf der politischen Bühne war die Kroatische
Bauernpartei. Zwar war sie, sah man genauer hin, innerlich gespalten, ihre Parolen
dominierten aber eindeutig die politische Diskussion. Wie war die Entwicklung ver
laufen, die die Kroatische Bauernpartei zur führenden Kraft einer „nationalen kroati
schen Bewegung“ gemacht hatte?
867 Gemeint waren die langjährigen KP-Aktivisten Vicko Jelaska, Baljkas, Marie, Culic. Vgl. das
Geheimreferat des Genossen Valter (Tito), in: Josip Broz Tito, Jugoslavenska revolueija i
socijalizam (Die jugoslawische Revolution und der Sozialismus)., 2 Bde., hg. v. Milos Nikolic,
Zagreb 1982, S. 74-85, hier S. 77 u. ders., Izvjestaj o organizacionom pitanju na V konfereneiji
KPJ 1940. god. (Bericht über Organisationsfragen auf der V. Parteikonferenz der KPJ 1940),
ebenda, S. 99—143, hier S. 114.
346
VI. Vom ,integral-jugoslawischen£
Einheitsverständnis zur Durchsetzung
kroatischen Nationalbewußtseins in
Dalmatien
Anfang des Jahrhunderts entwickelten die Brüder Antun und Stjepan Radic die Pro
grammatik ihrer Kroatischen Volkstümlichen Bauernpartei (Hrvatska pucka seljacka
stranka), die sich an den Ideen der Fortschrittlichen Jugend, Masaryks Realismus und
an der Praxis der russischen Narodniki orientierte. Das Ziel der Partei, wie es ihr bis
zu seinem gewaltsamen Tod unumstrittener „Präsident“, Stjepan Radic, 1902 formu
lierte, war die „größte, weitestgehende und tiefgreifendste Selbständigkeit Kroatiens
(Kroatien-Slawonien-Dalmatiens)“. Im Einklang mit den „Wünschen und Erforder
nissen der Bauern, Handwerker und Arbeiter“ sollte, wie es in der Schrift „Die größte
der Parteien in Kroatien“ hieß (deren Titel die tatsächliche Entwicklung vorweg
nahm), „unser neuer Nationalismus“ propagiert werden. Dieser sollte „gleichzeitig
politisch und sozial sein“.1 Zudem postulierte das Parteiprogramm das Recht des
kroatischen Volkes auf seinen eigenen, unabhängigen Staat.2
Der Siegeszug der Kroatischen Bauernpartei des kroatischen Nationalgefühls auch im
Dalmatien der Zwanziger Jahre, mit der beharrlichen Argumentation für die kroati
schen Souveränitätsrechte“ und der Forderung nach ,Gerechtigkeit“ für das kroatische
Volk (das mehr oder minder mit den kroatischen Bauern in eins gesetzt wurde), ver
deckt leicht die anfangs gleichzeitige Existenz anderer Optionen, wie die Feinheit der
Linie, die jugoslawistische von kroatischen Orientierungen auch 1918 noch schied,
ganz abgesehen von den verschiedenen Strömungen und Flügeln innerhalb der Bau
ernpartei selbst.
Das Scheitern jugoslawistischer Auffassungen angesichts der machtpolitischen Realität
im Zwischenkriegsjugoslawien bedeutete dabei mehr als nur den Wegfall einer ohne
hin reichlich nebulösen politischen Fiktion. Im kroatischen Fall im 20. Jahrhundert
traf wohl zu, daß nicht nur „Erinnerung“, sondern auch konkrete historische „Erfah
rungdie Solidargemeinschaft Nation begründeten.3 Die Substituierung eines südsla-
1 Vgl. Radic, Stjepan, Najveca stranka u Hrvatskoj (Die größte der Parteien in Kroatien), Rieka
1902, S. 43, hier zit. nach Muzic, Ivan, Stjepan Radic u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca
(3. Aufl.) Zagreb 1988, S. 12.
2 Muzic, S. 20ff.
3 Vgl. Höpken, Konfession, S. 243 m. Verweis auf N. Glazer u. D. P. Moynihan, Introduction,
in: dies. (Hg.), Ethnicity, Cambridge, Mass. 1975.
347
,
Vom integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
4 Krleza, Miroslav, O patru dominikancu Jurju Krizanicu (Über den Dominikanerpater J. K.),
in: Eseji III, sv. 20 Sabranih djela, Zagreb 1963, S. 65f. u. Banac, Ivo, Juraj Krizanic u djelu
Miroslava Krleze (J.Krizanic im Werk von Miroslav Krleza), in: Encyklopaedia moderna Jg.
XII/1991, Nr. 36, S. 9-13, wo der Verf. überzeugend darlegt, wie sich das Bild Krizanics als
des Prototyps eines kritischen Intellektuellen und Fokus des kroatischen politischen Wollens
bei Krleza ändert vom Prometheus-Leninhaften Überhelden und Vorboten der slawischen
Vereinigung (1919) über den Donquichottesk-Enttäuschten zu Zeiten des Attentats auf Radic
(1928), bis zum „desperately mad Krizanic of the wartime period (1942)“.
5 Vgl. Banac, Nacionalno pitanje, Kap. „Nacionalne ideologije“ (Nationalideologien), S. 54ff.;
Sidak, Jaroslav, Poceci politicke misli u Hrvata - J. Krizanic i P. Ritter Vitezovic (Die Anfänge
politischer Gedanken bei den Kroaten), in: Nase teme, Bd. 16, Nr. 7-8 (1972); Golub, Ivan,
Slavenstvo Jurja Krizanica (Das Slawentum J. K.s), Zagreb 1983.
6 Krizanic, Juraj, Politika ilirazgovori o vladalastvu (Razgowori ob wladatelystwu — 1661 — 1667)
(Politik oder Gespräche über das Herrschen), übersetzt v. Mate Malinar, Zagreb 1947, S. 342.
7 Es ist mit dem Verweis auf das Scheitern aller einschlägigen Versuche argumentiert worden,
daß nur Sprachen der einzelnen Nationalitäten, und keine konstruierten Mischsprachen, zum
348
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
gen eher gering ein, wie sein folgender Apell zeigt: „Wenn Du ihnen (Kroaten, Serben
und Bulgaren, A. J.), o Zar, in dieser schweren Zeit nicht helfen kannst, daß sie sich
vollständig befreien und Staaten, wie sie sie hatten, gründen und einrichten, kannst
Du wenigstens die slawische Sprache in den Büchern verbessern und fördern und mit
geeigneten und klugen Büchern jenen Menschen die Augen öffnen, damit sie lernen
ihre Ehre hochzuschätzen und an ihre Befreiung zu denken.“8
Am Beginn aller Identitätskonzepte im kroatischen Raum standen der Rückgriff
auf eine (vermeintliche) großartige staatliche Vergangenheit und die Hoffnung auf
Fortschritt. Ivo Banac sieht den Gedanken von der „slawischen Gegenseitigkeit“
(slavenska uzajamnost) als „wichtigste nationale Konzeption unter den Kroaten“
auch als Folge der Zersplitterung der kroatischen Teilregionen, die verschiedene
regionale Identitäten hervorgebracht habe. Das Bemühen, sich einen größeren Be
zugsrahmen für seine politischen Forderungen zu schaffen, ist tatsächlich seit der
Zeit der dalmatinischen und Dubrovniker Intellektuellen des Barock an der Küste
feststellbar.9
Noch in den sogenannten „Wahrheiten“, die in den Erläuterungen ihres Parteipro
gramms von 1905 durch die Gebrüder Radic zum serbisch-kroatischen Verhältnis zu
finden sind, werden Kroaten und Serben in diesem panslawischen Sinne als „ein Volk“
bezeichnet. Ganz im Sinne einer lange Zeit durchgehend auch in der wissenschaftli
chen Literatur so verstandenen Entwicklungslinie. Doch gibt es wirklich so etwas wie
eine „einzig mögliche Linie jugoslawischer Kulturtradition und Kontinuität“, von der
Miroslav Krleza mit dem Verweis auf „Bogumilen-Krizanic-Kranjcevic“ sprach?10
Zieht sich wirklich durch alle kroatischen kulturgeschichtlichen Phasen, von Krizanic
zum Illyrismus und vom Illyrismus zum Jugoslawismus und vom Jugoslawismus zum
20. Juni 1928, dem Attentat auf Stjepan Radic, ein roter Faden?
Beide unter den Kroaten wirkungsmächtig gewordenen Identitätsvorstellungen, die
jugoslawistische wie die exklusiv-kroatische Variante, sahen sich in der Zwischen
kriegszeit als Erben einer langen Tradition: Nachdem aus Belgrad ein diktatorisches
„Königreich Jugoslawien“ proklamiert worden war, wurde auch von kroatischen An
hängern einer jugoslawischen Integration in Dalmatien beispielsweise die haltlose Be
hauptung aufgestellt, das „Nationalprogramm der Illyrer“ sei „beinahe identisch unse
rem heutigen nationalen Programm“ gewesen; das „heutige Jugoslawien“ sei „nur ein
anderes Wort für das Groß-Illyrien von Gaj, Draskovic und Jelacic und Garantie für
349
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
eine bessere Zukunft“. Der Weg führe „über das erwachte und kompakte Kroatentum
zum mächtigen Jugoslavenstvo und zum allmächtigen Slawentum“.11
Auf der anderen Seite stand die von der kroatisch-nationalen Geschichtsschreibung
seit dem 19. Jahrhundert postulierte Kontinuitätslinie, bei der die kroatischen Eigen
heiten betont wurden. Anhänger der staatsrechtlichen Argumentation wiesen (und
weisen) daraufhin, daß von allen Slawen die Kroaten als erste ihren eigenen Staat
gegründet hätten, als erste das Christentum angenommen, als erste ihre eigenen ge
krönten Herrscher gehabt, als erste die heilige Schrift in die kroatische Sprache über
setzt und sich ihrer Volkssprache im Gottesdienst bedient hätten. Dabei sollten diverse
Staatsakte - Personalunion mit Ungarn (1102), Wahllandtag zu Cetin (1527), Zustim
mung zur Pragmatischen Sanktion (1712) usw. - diese staatsrechtliche Kontinuität
und Eigenheit bezeugen.12
Nach dem Weltkrieg dominierte im kroatischen politischen Raum bald eindeutig die
exklusiv-kroatische Variante. Wenn Stjepan Radic 1919 noch betonte, daß Slowenen,
Kroaten, Serben und Bulgaren ihrer Sprache und ihren Bräuchen nach, als auch wegen
ihrer gemeinsamen Leiden und Hoffnungen und ihrem Bedürfnis nach Gerechtigkeit
und Freiheit, ein Volk seien, und deshalb nach außen, d.h. „gegenüber Italienern,
Deutschen, Ungarn, Rumänen, Türken, Griechen und Albanern, einen Staat wollen“,
so schränkte er schon ein, daß Kroaten damit aber keine Serben seien, und daß es
daher weder gut noch möglich sei, daß „alle“ in einem einheitlichen serbischen Staat
zusammen lebten. Drei Jahre später behauptete er auf der 21. Sitzung der gewählten
kroatischen Abgeordneten (die die Arbeit im Parlament in Belgrad boykottierten), am
25. November 1922, daß alle Vorkriegs-Einheitsrhetorik nur unter dem machtpoliti
schen Druck der damaligen Verhältnisse zu sehen sei: „20 Jahre lang haben wir erzählt,
daß wir und die Serben eins sind. Wir haben dies deshalb getan, weil wir uns gegen
die Ungarn, Italiener und Deutschen verteidigen mußten.“13
Geht man aber weg von einer nur an politischen Ideen, Konzepten und Parteipro
grammen orientierten Betrachtungsweise, so lassen sich die Irrungen kroatischer Na
tionalpolitik der letzten beiden Jahrhunderte auch begreifen als Reflex der sich wan
delnden gesellschaftlichen Bedingungen. Für die letzten Jahrzehnte der Habsburger
herrschaft im südslawischen Bereich ist offensichtlich, in welchem Maße nationales
Selbstbestimmungsverlangen die „politisierte Reaktion auf soziale Not“ war. Für Dal
matien im 19. Jahrhundert wurde die „grundsätzliche Unklarheit“ über die inhaltliche
Bestimmung der anzustrebenden nationalen Identität im Widerstreit von „dalmati
nisch-italienischer, von kroatischer, kroato-serbischer und süd/-jugoslawischer Orien-
11 Herceg, Jaksa, Ilirizam preteca jugoslavenstva (Der Illyrismus, Vorläufer des Jugoslavenstvo)
Jugoslavenska matica u Splitu (Hg.), Split 1930, S. 101 u. 110.
12 Vgl. dieses bes. v. den versch. Rechtsparteien, unter Berufung auf Starcevic, propagierte Ge
schichtsbild auch bei Marijan Rogic in seiner Dissertation von 1983, Die Idee des kroatischen
Staates bei Ante Pavelic, hier S. 38.
13 Krizman, Korespondencija, Bd. II, S. 58 u. Zapisnici sjednica Hrvatskog narodnog zastupstva.
350
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
tierung“ und von zumindest unterschwelligen lokalen Egoismen aufgezeigt. Vor allem
das Faktum, daß in der bäuerlich-kleinbürgerlichen Gesellschaft Dalmatiens nur in
den Städten vor 1914 eine bürgerliche Öffentlichkeit im westeuropäischen Sinne ent
stand, ließ eine „gleichmäßig-umfassende Durchdringung und Mobilisierung der Ge
samtbevölkerung im Sinne einer kroatischen Nationalidee“ noch nicht zu. Der extrem
hohe Anteil an Analphabeten in der Bevölkerung erwies sich dabei als verzögerndes
Moment. Weiterhin wurde die „bremsende Wirkung des Stadt-Land-Gegensatzes“,
die „Kampanilizam-Tradition“, das Fehlen einer landesweit anerkannten, entschiede
nen nationalen Elite und nicht zuletzt die katholisch-orthodoxe Kirchenrivalität als
wesentliche Merkmale kroatisch-serbischer Konkurrenz identifiziert.14 Nach 1918
waren zwar in Dalmatien manche Optionen, wie die dalmatinisch-italienische, nach
30 Jahren forcierter slawischer lokalpolitischer Überzeugungsarbeit obsolet geworden,
doch nach wie vor konkurrierten verschiedene Identifikationsangebote miteinander.
Die „fortschrittliche Jugend“, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Explosion des
„Völkerkerkers“ Österreich-Ungarn herbeisehnte, aktivierte die alten Ideen von „sla-
venska uzajamnost“ (slawischer Gegenseitigkeit) und somit auch der südslawischen
Einheit wieder neu.15 Durch „einen vereinfachten, offensiven und schöpferischen
Jugoslawismus, - den die serbischen Politiker und Intellektuellen in ihre Vorstellun
gen von der Lösung der südslawischen Frage einzuspannen wußten, glaubte diese
Jugend, sowohl die politische Zersplitterung und Ohnmacht der Kroaten als auch die
komplizierten und unterschiedlichen Vorstellungen von der nationalen Emanzipation
der nachillyristischen Generationen überwinden zu können.“16
Die künstlerische Beschreibung und Überhöhung der Krönung des Königs Petar Ka-
radordevic 1903 durch den Dichter Aleksa Santic führte Miroslav Krleza treffend an
als ein Beispiel des „falschen Pathos, das in den Köpfen der Jugend um die Balkan
kriege 1912 die Form eines höheren, fanatischen Glaubens angenommen hatte.“ Die
Parolen der „jugoslavenstvujusca Omladina“ fanden ihre Apotheose in der „St.-Veit-
stags-Ethik und in den Mysterien der Dinarischen Rasse bis hin zur Karikatur des
royalistischen Zynismus“, womit Krleza den vom serbischen Königshaus propagierten
Mythos einer „dreinamigen“ u. später „jugoslawischen Nation“ meinte.17 Das falsche
Pathos, von dem Krleza sprach, wurde subjektiv von den jugendlichen kroatischen
Vertretern des integralen Jugoslawismus vor dem Ersten Weltkrieg wohl als innigste
351
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
und wahre Überzeugung empfunden. Die Schriftsteller Vladimir Cerina und Os
kar Tartaglia gründeten 1911 in Split die „Kroatisch-serbische Radikale Jugend“
(Hrvatsko-srpska Radikalna omladina), die die „Befreiung“ durch die südslawische
Vereinigung vollbingen sollte. Ganz im Sinne von jugoslawisch orientierten Blättern,
wie Ujedinjenje (Vereinigung), Jug (Der Süden), Val (Die Welle), Zastava (Die Fahne),
Novi zivot (Das neue Leben), Naprednjak (Der Fortschrittler), Nova rijec (Das neue
Wort), Narodno jedinstvo (Nationale Einigkeit) und den in Prag erscheinenden Zeit
schriften Jugoslavija oder Zora (Der Morgen) sahen sie in Belgrad das historische
Piemont der Südslawen. Durch „Vereinigung zur Befreiung“ hieß es auch in einem
1912 in Split kursierenden Flugblatt. Denn erst national vereinigt im jugoslawischen
Sinne würde es gelingen, „den völligen und beschämenden Bankrott unseres nationa
len Bewußtseins und unseres Stolzes“ zu überwinden.18
Am Ende des Weltkrieges hatte ein serbisch und/oder kroatisch sprechender Einwoh
ner Dalmatiens theoretisch die Möglichkeit zwischen verschiedenen nationalpoliti
schen Optionen zu wählen. Doch der Blick auf tatsächliche Lebensoptionen, wie sie
durch Änderung der politischen Rahmenbedingungen und durch die materiellen Ver
hältnisse bestimmt waren, relativiert den jeweiligen Stellenwert der unterschiedlichen
Ideologieangebote, sowie das Bedürfnis, sich überhaupt national zu engagieren, und
die Wahlmöglichkeit der großen Mehrheit.
Daß die Macht des Faktischen nach 1918 dabei ganz auf Seiten des Königreiches
Serbien stand, dessen Vertreter nicht müde wurden, ihren Überlebenskampf im über
standenen Weltkrieg zum von Anfang an geplanten Krieg um Vereinigung aller Südsla
wen in einem Staat hochzustilisieren, erklärt die Dominanz jugoslawischer Vereini
gungsideen anfangs in Dalmatien aber nur zum Teil. Als zugkräftigstes „Argument“
für das „Jugoslavenstvo Dalmatiens“ sollte sich unmittelbar nach 1918 der Hinweis
auf den „gefährlichen“ italienischen Nachbarn erweisen, der, ohne die Verankerung
der Region im jugoslawischen Staat, Dalmatien schon längst erobert hätte. Doch jugo
slawisch-zentralistische Auffassungen verloren in der repressiven Wirklichkeit des
Königreichs SHS schnell ihre politische Unschuld*. Auch in Dalmatien wurden nach
Verkündung der Obznana19 1920 und des Gesetzes zum Schutze des Staates von 1925
die meisten oppositionell eingestellten Vereinigungen und Parteien, zumindest zeit
weise, verboten; dazu gehörten neben den Kommunismusverdächtigen auch kroati
sche Vereine und Parteien.20 Terror und Einschüchterungen des Staates, vor allem
durch die brutal vorgehende serbisch dominierte Armee und Polizei, gegen alle föde-
18 V. Raic, Predratna omladina (Die Vorkriegsjugend), in: Obzor. Spomenknjiga, S. 54, od.
Krleza, Deset krvavih godina (Zehn blutige Jahre), Zagreb 1957, S. 435.
19 Die „Obznana“ v. 29.12.1920 verbot die Kommunistische Partei und von ihr beeinflußte
Organisationen, nachdem sie bei den Parlamentswahlen drittstärkste Partei im Land (59 Man
date) geworden war. 1921 wurden mit dem „Gesetz zum Schutz des Staates“ auch die Man
date der KPJ eingezogen. Diese Gesetze wurden nach 1925 auch auf die antizentralistischen
nationalen kroatischen Parteien ausgedehnt.
20 Novo doba v. 04.01.1925, S. 1.
352
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
21 Jankovic, Dragoslav, Drustveni i politicki odnosi u Kraljevstvu Srba, Hrvata i Slovenaca uoci
stvaranja SRPJ (komunista) (Gesellschaftliche u. pol. Verh. im Königtum SHS am Vorabend
der Schaffung der Sozialistischen Arbeiterpartei Jugoslawiens (Kommunisten)), in: Istorija
XX. veka, Zbornik radova I, Beograd 1959, S. 86-93.
22 Vgl. Muzic, S. 28f., der den Plan einiger dalmatinischer und serbischer Offiziere anführt, die
erwogen den Bauernführer am 24. November 1918 zu ermorden. Auch Svetozar Pribicevic
trug sich ernsthaft mit dem Gedanken Radic umbringen zu lassen und forderte Anfang der
1920er Jahre sogar drei Mal eine Militärexpedition serbischer Truppen nach Kroatien. Sadko-
vich, James J., Serbian Hegemony revisited, or Blaming the Perpetrator, not the Victim, in:
Journal of Croatian Studies (1993-94), S. 252-270, hier S. 252
23 Novo doba v. 04.05.1921, S. 1.
24 Novo doba v. 25.05.1921, S. 1.
25 Vgl. Dzaja, Intelligentsia, S. 148f., dort auch Diskussion d. Thesen von serbischen Historikern
wie Milorad Ekmecic (Ratni ciljevi Srbije 1914. (Die Kriegsziele Serbiens 1914), Beograd 1973
od. Dorde Stankovic (Nikola Pasic, saveznici i stvaranje Jugoslavije (N. P., die Alliierten und
die Schaffung Jugoslawiens), Beograd 1984 od. ders., Nikola Pasic i jugoslovensko pitanje, 2
Bde., Beograd 1985), die, wenig überzeugend, den „echt jugoslawischen Charakter“ der serbi
schen Politik behaupten.
353
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Pasic wurde im Nachhinein von der Forschung überzeugend als ein „Aktionspro
gramm“ bestimmt, das zuallererst an der „Befreiung“ der Serben interessiert war.
Zwar sollten auch die anderen Südslawen von der Fremdherrschaft „erlöst“ werden.
Immer aber im Hinblick auf ihre Vereinigung mit dem serbischen Staat. Die politische
und soziale Wirklichkeit in den ehemals südslawischen Gebieten der Donaumonarchie
wurde nur oberflächlich und sehr mangelhaft wahrgenommen. Der Versuch, einen
jugoslawischen Nationalstaat zu schaffen, ging von vornherein mit einem serbischen
Zentralismus Hand-in-Hand, der außerhalb des ehemaligen Königreichs Serbien nicht
akzeptiert 'wurde. Im serbischen politischen Denken erhielt der Jugoslawismus un
deutliche und schwache Konturen, im Föderalismus witterte man auf der serbischen
Seite etwas typisch Habsburgisches und erklärte die föderalistische Verfassung für
unvereinbar mit der serbischen Mentalität.26 Daß nach der Vereinigung in „allen Berei
chen des öffentlichen Lebens Serben dominierten“,27 führte dann sehr schnell dazu,
daß immer mehr politisch denkende Kroaten alle Spielarten des ,integralen Jugoslawis-
mus‘ nur für die ideologische Maske eines groß-serbischen Hegemoniestrebens hiel
ten.
Die unmittelbare Folge davon war ein mächtiges Erstarken der Kroatischen Bauern
partei unter der Führung von Stjepan Radic, die solch eine Unzufriedenheit artiku
lierte und geschickt die Lösung sozialer Fragen mit der Lösung des kroatischen Natio
nalstaatproblems verknüpfte. In der Verbindung von Nationalpolitik, umfassender
Agrarreform und Demokratisierung, so versprach es die Bauernpartei unermüdlich
den Massen, läge der Schlüssel einer besseren Zukunft für das kroatische Volk, das in
eins gesetzt wurde mit der Bauernschaft. So schlug mit der Einführung des allge
meinen Männerwahlrechts nach 1918 die Stunde der Bauernpartei, deren ursprüngli
cher schwärmerischer Panslawismus, der auch nach dem Weltkrieg noch zu bemerken
war, die Prägung durch einen kulturellen Jugoslawismus nicht verleugnen konnte. Wie
wenig aber der Jugoslawismus als nationalpolitische Praxis zur Festigung auch nur
einer serbisch-kroatischen Einheit staatlicher Art taugte (und das trotz des politischen
Schubs durch die Ereignisse am Ende des Weltkrieges), zeigt seine Entwicklung nach
1918 in Dalmatien. Die Parole Fedor Nikics, des Herausgebers des Belgrader „Dnev-
nik“ (ab Juli 1930 „Jugoslovenski dnevnik“): „Ohne Jugoslawismus kein Jugoslawien“
bewahrheitete sich anders als sie gemeint war. Womit versuchte der Jugoslawismus an
der Küste Anhänger zu mobilisieren?
354
Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie
Wie für den Jugoslawismus nach 1918 in Dalmatien geworben wurde, wird deutlich,
wenn man sich seine Propagandaschriften ansieht: An die Bewohner Splits und Dal
matiens wandten sich verschiedene, im Dezember 1918 verteilten, Broschüren und
Flugblättern. Dort wurden alle Vorteile der Vereinigung und der glänzende Akt selbst
blumig beschrieben und die Bevölkerung aufgerufen, sich zu freuen. In den düstersten
Farben wurden all das „vergossene Blut und die Tränen“ evoziert, die „unser Volk
unter der Tyrannei der Osmanen, Venezianer, Deutschen und Ungarn“ vergossen
habe. Von den „Erniedrigungen“, die es habe erleiden müssen, war die Rede, bis nun
„dieses große Glück, von dem wir bis vor wenigen Jahren nicht einmal träumen durf
ten“, über es hereingebrochen sei. „Jawohl, Volk“ wurden die Bewohner Dalmatiens
angesprochen: „Deine Stellung ist seit dem 1. Dezember nun klar und schön wie die
Sonne! Bisher waren wir immer Untertanen fremder Herren. Wem unterstehen wir
jetzt? Sind wir jetzt, wie einige versuchen, Dich in die Irre zu führen, ,den Serben
untertan'?“ Im Versuch, diesen Verdacht zu zerstreuen, bemühte der Verfasser immer
wieder, „das gleiche Blut, das in uns fließt, dieselbe Sprache, dieselben Lieder, in denen
wir dieselben Helden und dieselben vom Feind erlittenen Qualen besingen.“ Kurzum:
Kroaten, Serben und Slowenen seien „ein Volk (Hervorh. im Original), obwohl es
„drei Namen“ trage und obwohl es „Gott in drei Religionen“ erkenne. Die Volksein
heit (narodno jedinstvo) der Serben, Kroaten und Slowenen sei „das feste Fundament“
des neuen Volksstaates. Heute sei „unser Ivo froh (der als „echter österreichischer
Soldat (...) gegen Serbien gezogen ist“), daß er mit Jovo (die serbische Variante dessel
ben Namens, A. J.) und allen Serben im selben Staat mit dem selben König lebt“.
Nicht nur aus dem Grunde, weil die serbische Dynastie heldenhaft und gut sei, war es
nötig, daß sich „alle unsere Länder mit Serbien verbinden und einig um die Dynastie
Karadordevic scharen“, sondern es sei zugleich „die einzige Art und Weise, daß die
Entente und Amerika unsere Freiheit und Unabhängigkeit anerkennen und uns vor
Italien schützen werden. Hinterhältig versuche der Nachbar vom anderen Ufer der
Adria „sich einen wertvollen Teil unseres Landes und unseres nationalen Meeres unter
den Nagel zu reißen“. Ohne Serbien wären die Kroaten „nur ein Teil des Feindstaates
Österreich“ und würden „nicht berücksichtigt“. Auf „Gnade und Ungnade“ würde
Dalmatien Italien ausgeliefert werden, während „auch wir mit Serbien zusammen zu
Verbündeten der Entente und Amerikas werden.“28 Deswegen sollten die Dalmatiner
jetzt Serbien unverbrüchliche Treue schwören, weil „die Vereinigung“ ein „heiliges
Werk“ sei.29
355
Vom ,integral-jugoslawischen‘ Einbeitsverständnis
Im Anschluß daran entwarf der Verfasser in der Broschüre unter der Überschrift „Wie
wir uns vereinigt haben“ ein teleologisches Geschichtsbild, wonach seit jeher, und
spätestens seit der illyrischen Bewegung der „nationalen Wiedergeburt“, alles in der
Geschichte der südslawischen Völker auf die staatliche Vereinigung mit Serbien hin
ausgerichtet war.30 Immer gingen in den zahlreichen patriotisch-jugoslawischen Bro
schüren, die in Dalmatien während der ersten Jahre nach der Vereinigung kursierten,
seitenweise Einheitsbeschwörungen mit Elogen auf die „heldenhafte serbische Armee“
einher.31 Nie wurde auch vergessen hervorzuheben, wie „reich und mächtig“ der neue,
große Staat der Südslawen nun sei, verglichen mit den vormaligen kleineren Gebilden.
Zur Megalomanie war es dann nur noch ein kleiner Schritt, wenn es hieß: „wenn wir
die Eisenbahnen ausbauen, die Fabriken errichten, die Häfen erneuern und den Han
del ankurbeln, (...) werden wir unter den ersten in Europa sein“. Alles sei vorhanden,
nur bräuchte es noch „brüderliche Eintracht zwischen den Brüdern gleichen Blutes,
den Kroaten, Serben und Slowenen“. Zusammen bilde man einen „großen und starken
Staat von dreizehn Millionen Menschen“. Dies sei „eine große Macht. Die Ungarn
werden vor uns Angst haben, denn wir werden doppelt so stark sein wie sie, und
noch mehr Angst werden die „Svabi“ (pejorativ f. Deutsche, A.J.) und die Italiener
haben. Alle anderen Staaten werden uns dann achten und keiner wird uns dann mehr
auf dem Kopf herumtanzen können.“ Für die Kroaten jedenfalls sei wichtig, daß sie
allein nur „einen kleinen Staat von drei Millionen, vor dem niemand Angst hätte“,
bilden könnten. „Jeder könnte dann mit uns Kroaten machen, was er will, denn wir
wären schwach und klein.“ Nach diesen „Argumenten“ schließlich kam wieder die
Wirtschaft ins Spiel: „Auch wegen unserer Wirtschaft und dem Schulsystem, den Steu
ern und unserer landwirtschaftlichen Produkte ist es nötig, daß wir eins und vereinigt
sind.“ Nur „ein Fremder, der Ungar, Deutsche oder Italiener, aber kein richtiger Jugo
slawe“, könne sich also wünschen, „daß unser Jugoslawien zerfällt“. Der „aufrichtige
Jugoslawe“ müsse den gemeinsamen Staat Jugoslawien unter der serbischen Dynastie
wollen. Lehrreiche Anekdoten über die Volksverbundenheit und Güte des Königs
rundeten den Band ab.32
30 Vgl. ebenda, S. 15-20, dort auch die emphatischen Grußtelegramme der dalm. Landesregie
rung an den Regenten u. dessen Antwort.
31 Roca, Split 1921, S. 7ff.
32 Das „kleine brüderliche Serbien“ habe „für unsere Befreiung“ „die größten Opfer gebracht“
und „soviel Kraft, Heldenmut, Opferbereitschaft und Stolz gezeigt, wie kein anderes Volk
auf der Welt, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart.“ Als die „wilden Rudel der
Deutschen und Ungarn sich auf das kleine Serbien warfen und der verräterische Nicht-Bruder
(gemeint war Bulgarien, A. J.) von hinten zuschlug“ sprach dem ganzen Volk „die große Idee
der Befreiung und Vereinigung“ (Hervorh. im Original) Mut zu. „Alle Opfer und alles Lei
den, das Sterben und Vergehen hatten nur das Ziel der Befreiung und der Vereinigung der
Serben, Kroaten und Slowenen“ (Hervorh. im Original). Das „brüderliche Serbien“ hätte
„eine Million seiner Kinder, seines Blutes, die sein Stolz waren, dafür geopfert. „Ein Drittel
der Bevölkerung“ (Hervorh. im Original) Serbiens sei ums Leben gekommen, „um die Bestre
bungen unserer herausragendsten Männer und Denker“ zu verwirklichen, ebenda, S. 20f. Die-
356
Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie
Deutschland und Italien, die nach ihrer jeweiligen Vereinigung „über Nacht aufblüh
ten und reiche und mächtige Staaten wurden“, galten als Vorbild: „So wird es auch
uns gehen. Alleine werden wir schwach und arm sein.“ Nur „zusammen mit den
Serben“ würde sich auch die Steuerlast vermindern.33 Nach etlichen anderen Beispie
len und „Argumenten“, warum das gerade aus der Taufe gehobene SHS-Königreich
Anlaß zur Freude gerade der Kroaten sein müsse, merkte dieser Autor an, daß eine
Trennung von Kroaten und Serben in Kroatien schlechterdings, aufgrund derselben
Sprache und nicht genau einzugrenzende Siedlungsgebiete, unmöglich sei: „Wir müs
sen daher, wie man es auch dreht und wendet, mit den Serben in Eintracht und Liebe
leben, ob wir wollen oder nicht.“34
Alle Herleitungen und „Argumente“, die in den folgenden Jahrzehnten in Dalmatien
für die jugoslawische Integration sprechen sollten, tauchten in diesen drei Broschüren
auf, die in großer Auflage in Split kurz nach der Vereinigung zirkulierten.
Die intensive Agitation für die „staatliche und nationale Einheit“, wofür die „An
nahme der jugoslawischen Ideologie“ unabdingbare Voraussetzung sei, fiel jedoch
nicht auf fruchtbaren Boden, was auch deren glühendste Verfechter zugeben mußten.
Daß sich in den 1918 gebildeten „Nationalräten“, nicht nur in Dalmatien, kaum Ver
treter anderer gesellschaftlicher Gruppen befunden hatten als Angehörige des schwa
chen Bürgertums, verhinderte eine massenwirksame Propagierung jugoslawistischer
Zielsetzungen.35 Daß „nach sechs Jahren gemeinsamen Lebens“ das „Jugoslovenstvo“
noch nicht „verwirklicht und zur Tatsache geworden“ sei, lag, nach Meinung von
jugoslawisch orientierten Intellektuellen daran, daß „ein Teil unserer Intelligenz, in
erster Linie die aktiven Politiker und Journalisten, alles tun, um den Jugoslawismus
zu kompromittieren, verhaßt zu machen und zu Fall zu bringen." Selbst der Staat
leiste solchen Tendenzen Vorschub. Doch selbst die engagiertesten Verfechter des
(bald auch gewalttätig auftretenden) Unitarismus übersahen nicht, daß das, was sie
357
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einbeitsverständnis
propagierten, nur ihre Idealvorstellung der Zukunft war, und daß diese entweder „in
Richtung der Trennung oder in Richtung der vollkommenen Vereinigung“ verlaufen
könne. Die Forderung war, daß „unser serbischer, kroatischer und slowenischer Na
tionalismus“ einfließen solle in eine „erhabene nationale Gemeinschaft, durch die er
sich dem Slawentum annähert, aus dem unser Volk stammt. Der Jugoslawismus muß
vom Serben-, Kroaten- und Slowenentum alles nehmen, was schön, gut und nützlich
ist für uns.“36 Doch die Synthese, die sich die Anhänger des Jugoslawismus wünsch
ten, kam nicht zustande. „Nach dem jugoslawischen Staat mit der jugoslawischen
Fahne und dem Wappen“ entstand kein „jugoslawisches Volk“, zur Herausbildung
einer „jugoslawischen Sprache und Schrift und zum jugoslawischen Volkstum, zu (ei
nem einheitlichen, A. J.) Bewußtsein und Gefühl“ kam es nicht.37
Daß „die Jugend in ihrer Mehrheit von jugoslawischem Geiste durchdrungen“ und
damit die „Kontinuität des Jugoslovenstvo gesichert" sei, erwies sich gleichfalls als
Wunschdenken.38 Wenn Svetozar Pribicevic in Interwievs zu Protokoll gab, „daß der
Separatismus immer schwächer“ und die „Volkseinheit immer stärker“ werde, so
drückte er damit wohl mehr seine damaligen Hoffnungen aus. Er leugnete schlechthin
die Existenz der „nationalen Frage“ im neuen Staat. Verschiedene Nationen existierten
in Jugoslawien gar nicht, es gebe nur ein jugoslawisches Volk. Und dieses, wie er oft
und gerne betonte, könne und bräuchte sich wohl nicht mit sich selbst zu einigen.
Nur die politischen Parteien als Vertreter ihrer Wähler, und nicht als Vertreter von
Nationen, könnten miteinander verhandeln.39 Daß der damalige jugoslawische Innen
minister auf die Frage des Journalisten: „Wird es in kürzester Frist zur Vereinigung
mit den Bulgaren kommen?“ antwortete: „Ich glaube nicht (...). Die hinter uns liegen
den vergangenen Tage (gemeint waren Weltkrieg und 2. Balkankrieg, A. J.) sind im
Bewußtsein noch zu nah und frisch, außerdem gibt es keinerlei subjektive oder objek
tive Elemente, die uns mit den Bulgaren zu einem Volk machen“,40 verwirrte zudem.
Waren nicht „subjektive und objektive Elemente“, die alle Südslawen zu einem Volk
machen würden, von vielen Vertretern des Jugoslawismus lange behauptet worden?
Deutlich wurde, daß der unitaristische Jugoslawismus der Zwischenkriegszeit zu einer
Integrationsideologie des jugoslawischen Staates geworden war.
Zahlreiche offiziöse „Geschichts-Chronologien“41 bemühten sich nach Kräften, die
oben skizzierte unitaristische Sichtweise zu popularisieren, wo als teleologischer End-
36 Malin, Franjo, Jugoslovenstvo kroz istoriju (Der Jugoslawismus durch die Geschichte).
Knjige Orjune. Izdanja Direktoriuma Orjune, Split 1925, S. 5ff. Zu tatsächlichen Kontinui
tätslinien die bei Petar Korunic im Anhang abgedr. Quellentexte zu Ideen u. Programmen für
ein südslawisches Gemeinwesen, S. 159-247.
37 Malin, S. 10.
38 ebenda, S. 75.
39 Boban, Ljubo, Svetozar Pribicevic u opoziciji (1928-1936), Zagreb 1973, S. 1.
40 Zivot — List dalmatinskih Demokrata v. 20.09.1921 (Direktor i odgovorni urednik Dr. Prvis-
lav Grisogono).
41 Istorijska hronologija jugoslovenskih zemalja (od VI. veka do ujedinjenja) (Historische Chro-
358
Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie
punkt der geschichtlichen Entwicklung der Serben, Kroaten und Slowenen immer
der jugoslawische Staat stand. Popularisieren wollte man diese Sichtweise auch mit
„historischen Illustrationen unserer Künstler“, die jene behauptete „gemeinsame Ge
schichte“ in Historiengemälden bebilderten.42 Intellektuelle wie Viktor Novak, der
den Jugoslawismus als „so alt, wie das Slawentum auf dem Balkan“ bezeichnete, oder
Schriftsteller wie Niko Bartulovic stellten sich mit ihren Elogen auf das „unteilbare
jugoslovenstvo“ willig in den Dienst des Regimes.43 Doch selbst die blumigsten Be
schwörungen des „Blutes Aleksandars des Ersten, des Vereinigers und Märtyrers“ als
„ewiges Unterpfand von Jugoslawiens Zukunft“ konnten nicht herbeischreiben, was
es nicht gab.44 Bezeichnenderweise findet sich in all diesen Werken aus den Zwanziger
Jahren, bis zur Ausrufung der Diktatur, kaum einmal ein brauchbares zeitgenössi
sches, patriotisch-jugoslawisches Zitat.45
nologie der jug. Länder v. 7. Jh. bis zur Vereinigung). Pod opstom redakcijom Prof. Stanoja
Stanojevica sastavila Vera Stojic. Izdanje glavnog urednistva Almanaha Kraljevine Jugoslavije,
Zagreb 1930. Die Verordnung des Bildungsministers Nr. 5105 v. 10.02.1930 „empfahl“ das
Büchlein „für alle Schul- und Lehrerbibliotheken“ und als Lehrbuch f. „alle Mittel- und
Fachschulen“, Novak, Dragan, Prirucnik maraka jugoslavenskih zemalja; Svezak 9 — Zajed-
nicka izdanja Stare Jugoslavije 1921-1941, I i II dio, (Manuel de timbres-poste des pays
yougoslaves; Tome IX - Emissions generales de l’anciene Yougoslavie 1921-1941, Iere et Ile
partie), Zagreb 1951. Die Zahl der Briefmarken mit genuin serbisch-nationalen Motiven
(Schlacht auf dem Amselfeld, orthodoxe Heilige etc.) überwiegt.
42 Stanojevic, S. 41-48. Von der „Ankunft der Kroaten am adriatischen Meer“ im VII. Jh. von
C. Medovic über das „Mädchen vom Amselfeld“ (Uros Predic) bis zur Darstellung des „29.
Oktober 1918. Der kroatische Sabor beendet die staatsrechtlichen Bindungen mit Österreich-
Ungarn“ von Ivan Tisov reichte das Panoptikum.
43 Vgl. Novak, Viktor, Antologija jugoslovenske misli; Milosav Janicijevic (Stvaralacka inteligen-
cija meduratne Jugoslavije, Beograd 1984) hat an der Zagreber Universität die Professoren
Antun Barac, Milan Resetar, Toma Maretic, Ferdo Sisic, Grga Novak, Milan Prelog, Marko
Kostrencic, Vladimir Dvornikovic u. a. als - zumindest zeitweilige - Anhänger dieses „syn
thetischen Jugoslawismus“ identifiziert; entsprechend verfaßten sie ihre Geschichtsdarstellun
gen. Vgl. Sisic, Ferdo, Jugoslovenska misao. Istorija ideje jugoslovenskog narodnog ujedin-
jenja i oslobodenja od 1790-1918 (Der jug. Gedanke. Geschichte der Idee der jug. nationalen
Vereinigung u. der Befreiung von 1790-1918), Beograd 1937.
44 Znamenite rijeci i znacajne izjave o Jugoslovenstvu i o Narodnom jedinstvu (Berühmte Worte
und wichtige Aussagen über den Jugoslawismus und über die nationale Einheit). Sabrao Juraj
J. Kalinic, Knjiga I., Sibenik 1936, S. 7.
45 Bei der von Kalinic hrsg. Sammlung ist es nur die Grußadresse des Erzbischofs Antun Bauer
anläßlich des Besuchs des Monarchen am 24. Juni 1920 in Zagreb, wo dieser davon spricht,
daß „heute Kroatien ein lebendiges Glied in einem lebendigen Jugoslawien“ sei, nicht nur
„kulturell, sondern auch politisch geeint in einen freien Staat, dem Königreich der Serben,
Kroaten und Slowenen, der das feste Fundament für einen kulturellen, wirtschaftlichen und
politischen Fortschritt aller Teile unseres Vaterlandes“ sei, welches „schwer gelitten hat.
Heute, nach bald 350 Jahren, kann unser Kroatien zum ersten Male in seiner altehrwürdi
gen Hauptstadt Zagreb seinen Herrscher von unserem Blut und Sprache begrüßen. (...)“,
S. 30f.
359
Vom,integral-jugoslawischen“ Einheitsverständnis
46 Cvijic, Jovan, Balkansko poluostrvo i juznoslovenske zemlje (Die balkanische Halbinsel und
die südslawischen Länder), 2 Bde., Beograd 1922 u. 1934; Males, Branimir, Dinarski tip i rasne
odlike nasega naroda (Der dinarische Typ und die rassischen Eigenschaften unseres Volkes),
Beograd 1932.
47 Dvornikovic, Vladimir, Karakterologija Jugoslovena, Beograd 1939.
48 Roksandic, Drago, „Karakterologija Jugoslovena“ Vladimira Dvornikovica i njezina recepcija
u srpskoj i hrvatskoj kulturi (1939-1941) (Die „Charakterologie der Jugoslawen“ Vladimir
Dvornikovics und ihre Rezeption in der serbischen und kroatischen Kultur (1939-41), in:
ders., Srpska i hrvatska povijest, S. 257-281.
49 Perkovic, Vlatko, Manipulirano kazaliste. Osporavanja autenticnog kazalisnog promisljanja u
Splitskom profesionalnom glumistu (Das manipulierte Theater. Die Bestreitung des authenti
schen Theaterdenkens im professionellen Spliter Theater), Split 1993, Kap. A. „Nase“ - To
nije bilo nase (1921-1928) („Unseres“ gehörte nicht uns (1921-1928), S. 11-32, hier S. 13f.
50 ebenda, S. 17.
360
Jugoslawismus nach 1918 als Befreiungsideologie
361
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
54 In Sinj erreichte der beliebte Landbesitzer Mirko Tripalo das niemals wieder überbotene Spit
zenergebnis von 35,86 % für die Demokraten. Zur Demokratischen Partei Banac, Nacionalno
pitanje, S. 136ff.
362
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
55 Die „beste Presse“ hatten die „unpolitischen“ Feiertage, wie der (vor 1918 nur in orthodoxen
Gebieten begangene) Georgitag, eine Art Frühlingsfest, das am 23. April gefeiert wurde. 1919
wurde er „zum ersten Mal in der ganzen Heimat“ begangen, und „viele Sokol-Verbände
Dalmatiens“, wie die Zeitung schrieb, „laden ein zu Ausflug, Freudenfeuer, Volkstänzen und
Wettspielen“. Novo doba v. 15.04.1919, S. 3.
56 Hier das Beispiel der Insel Korcula, Dalmatinski glasnik v. 8.04.1932.
57 Jadranski Institut JAZU (Hg.) Rapallski ugovor 12. novembra 1920. Zbirka dokumenata.
(Der Vertrag v. Rapallo. Dokumentensammlung) Odabrao i uredio Vojislav M. Jovanovic,
Zagreb 1950 u. Vojnovic, Lujo, Borba za Jadransko more (Kampf um das Adriatische Meer),
Beograd 1925, S. 19. Darin auch etliche zustimmende Pressestimmen zum ersten „Almanah
Jadranske straze“, auch v. Novo doba v. 23.04.1925. Machiedo-Mladinic, Norka, Zivotni put
dr. Ive Tartaglie, S. 287.
363
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
versuchten sie damit, auf der Klaviatur der anti-italienischen Ressentiments zu spielen.
Diese waren hauptsächlich aus sozialen Gründen an der Küste verbreitet. Auch die
jugoslawischen Nationalisten wußten das, wenn sie von der „ökonomischen Verskla
vung“ durch die fremden Herren sprachen und den Großgrundbesitz italienischer
Adliger herausstrichen und betonten, daß zudem „bis zum Weltkrieg die ganze dalma
tinische Industrie in den Händen der Italiener war.“58 Die „Jadranska straza“ war die
Verein gewordene Umsetzung des anti-italienischen Ressentiments. Nicht zufällig war
die „Wacht an der Adria“ die mitgliederstärkste Organisation im Zwischenkriegsjugo
slawien. 1939 waren 180.000 Mitglieder eingeschrieben. Im ganzen Land (und selbst
unter südslawischen Emigranten) hatte der Verein Ausschüsse und Unterausschüsse.
Die Zahl der Mitglieder und deren Beiträge, der Verkauf von Postkarten, Briefmarken
und verschiedenstem Kleinmaterial, bürgte für die finanzielle Kraft des Vereins, die
im Bau von Ubernachtungsheimen für Ausflügler, eines Meeresmuseums in Split und
in ihrem Beitrag zur Gründung des Ozeanographischen Institut in Split zum Vor
schein kam. Der Verein organisierte Ausstellungen genauso wie Tanzveranstaltungen
und gab zahlreiche Kalender, Almanache und Broschüren heraus. Auch Sport und
Fremdenverkehr an der Küste wurden von den Aktivisten des Vereins angestoßen.
Wenn die Zeitungen in Rubriken, die „Aus den unterjochten Gebieten“ hießen, aus
den südslawisch besiedelten Gebieten unter italienischer Verwaltung berichteten und
Artikel über den „Terror der Faschisten in Triest“ (gegen die Slawen) publizierten,
versuchten sie damit, den patriotischen Zorn auf konstant hohem Niveau zu halten,
weil sie sich seiner Funktion als Bindekitt einer disperaten Gesellschaft wohl bewußt
waren.59 Ins gleiche Horn stieß die „Jugoslavenska matica“: „Zum Jahrestag des trau
rigen und schweren Tags von Rapallo (...) der seit vollen 7 Jahren der Göttin der
Gerechtigkeit bittere Tränen für die „unerlösten Brüder“ entlocke, wurde patriotisch
„der feurige Entschluß, die unerbittliche Rache“ für die „verlorenen Gebiete: Istrien,
Gorica, Notranjsk, Triest, Rijeka, Zadar, Lastovo, Losinj und Cres“ beschworen. Der
Vorsitzende des Bezirksausschusses der Jugoslavenska Matica in Split, der Gymnasial
lehrer Silvije Alfirevic, tat sich mit einer regen Vortragstätigkeit hervor.60 Die „Jugosla
venska matica“ bot „jugoslawische Lesebücher“ und Titel an wie „Unsere Grenze zu
Italien“ (Ivo Rubic), „Schmerzhafte Seiten zum Tag von Rapallo", „Der Traum des
Mädchens vom Amselfeld“ (Marina Bozic-Spaiceva), „Die Hoffnung Istriens“ (Kloni-
mir Skalko) etc. Veranstaltungen der „Jugoslavenska matica“ und der „Jadranska
straza“, wenn sie Propagandafilme wie „Unsere Kriegsmarine“ vorführten, wurden
364
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
von der Verwaltung prinzipiell als „äußerst wertvoll“ eingestuft.61 Auch die antikom
munistische Ausrichtung der „Jugoslavenska matica“ lag ganz auf der Linie der staatli
chen Politik. So organisierte die „Jugoslavenska matica“ eine ganze Reihe von Diavor-
trägen des anti-kommunistischen russischen Emigranten Nikola Klimenko in Dalma
tien, durch die der „ganze Schrecken des Bolschewismus“ anschaulich präsentiert und
die „all-slawische Idee“ gestärkt werden sollte.62
Wegen der „ungeheuren Wichtigkeit für unser Volk“ verlangte das Ministerum für
Handel und Industrie, die Tätigkeit der „Jadranska straza“ in allen Schulen auch sei
tens der regionalen Behörden zu unterstützen.63 Die Probleme des Rektors der
„Drzavna tehnicka srednja skola“ in Split, die er in einem Brief an die „Kraljevska
banska uprava“ formulierte, mögen das illustrieren: Der „Verband der Reserveoffi
ziere“ hatte seine Mitglieder unter der Lehrerschaft aufgefordert, bei allen „Feierlich
keiten anläßlich von Staatsfeiertagen“ anwesend zu sein.64 Jetzt würden aber regelmä
ßig an solchen Tagen „Vorträge für Schüler, an denen alle Lehrer verpflichtend teilneh
men müssen“, in den Schulen abgehalten. Die Verwaltung sollte nun entscheiden,
„welcher Verpflichtung die Lehrer (die gleichzeitig Reserveoffiziere sind) in diesem
Falle nachkommen müssen“? Die Meinung des Direktors war, daß es „auf jeden Fall
unabdingbar sei, daß die Lehrkräfte ohne Unterschied bei den angeführten Vorträgen
anwesend sind, wegen des Beispiels, das sie den Schülern bieten, und wegen Aufrecht
erhaltung von Ordnung und Disziplin.“65
Nachdem eines der Hauptmotive, die „Abwehr“ der italienischen Aspirationen auf
die östliche Adriaküste,66 mit dem Vertrag von Rapallo etwas in den Hintergrund
365
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis
gerückt war, wurde 1927 ein neues Programm beschlossen. Nun gab man sich ausge
sprochen jugoslawisch, königs- und regimetreu. Neben der Monatsschrift „Jadranska
straza“ (zw. 1923-41) gab die Organisation noch einen „Almanach“ und die „Pomor-
ska biblioteka“ heraus. Vom „Universitätsprofessor Dr. Petar Skok“ erschien 1934 in
dieser Reihe ein Buch über „Die Ankunft der Slawen am Mediterran“,67 welches einen
Vortrag im Foyer des Spliter Theaters vom 26. März 1933 und eine Artikelserie im
gleichnamigen Verbandsorgan der „Jadranske Straza“ zur Grundlage hatte. Vortrag,
Artikel und Buch sollten „die wissenschaftliche Grundlage unserer Adria-Ideologie“
(jadranska ideologija) bieten, in einfachen Worten, für „unseren mittel-gebildeten
Menschen“, inklusive Fremdwörterglossar am Ende, „damit das Werk auch Leute
ohne Matura lesen können“.68 Die Widmung auf dem Vorsatzblatt ließ keinerlei Zwei
fel über den politischen Standort des Autors und der „Jadranska Straza“ aufkommen:
„Dem lichten Angedenken an den heldenhaften Märtyrer-König Aleksandar I., dem
Vereiniger und größten Beschützer der jugoslawischen Adria, dem Apostel der jugo
slawischen Einheit und der balkanischen Solidarität widmen dieses Werk der Autor
und der Vorstand“. Vom Vor- bis zum Nachwort zog sich der Gedanke, daß nur
„entschlossene Arbeit an der jugoslawischen nationalen Einheit unsere Adria vom
wahnsinnigen Imperialismus unserer Nachbarn bewahren“ könne. „Das Vermächtnis
des „Märtyrer-Königs“, es folgte die schon in der Widmung aufgetauchte Ode, für
die „Versöhnung aller Südslawen“ sei „genauso wichtig für unsere Adria wie für das
Schicksal des gesamten slawischen Südens.“69
Dieser Gedanke war auch Ausgangspunkt der Anfang 1921 in Split unter dem Namen
„Fortschrittliche jugoslawische nationalistische Jugend“ (Jugoslavenska napredna na-
cionalisticka omladina, abgekürzt JNNO) gegründeten Organisation, die unter ihrem
späteren Namen „Orjuna“ „Organisation der jugoslawischen Nationalisten“ (Organi-
zacija jugoslavenskih nacionalista) wegen ihrer terroristischen Methoden gefürchtet
werden sollte.70 Als ursprünglicher Entstehungsgrund wurde gleichfalls die Notwen
digkeit einer starken jugoslawischen Vereinigung zur Verteidigung der durch den ita
lienischen Imperialismus gefährdeten jugoslawisch-dalmatinischen Regionen ange
führt. Besonders taten sich dalmatinische Studenten in dieser Organisation hervor.71
Hinter JNNO und Orjuna stand die Demokratische Partei Pribicevics.
67 Skok, Petar, Dolazak Slovena na Mediteran (Ankunft der Slawen am Mediterran), Split 1934.
68 ebenda, S. 5 u. S. 263.
69 ebenda, S. 6.
70 Vgl. Gligorijevic, Branislav, Organizacija jugoslavenskih nacionalista (ORJUNA), in: Zbornik
Istorija XX veka, Bd. V, Beograd 1963, S. 320-322; Nach Sime Dodan, der den Standpunkt
kroatischer Nationalisten artikuliert, wurde die Orjuna vollständig vom Innenministerium
in Belgrad finanziert und mit Waffen ausgestattet, um „alles was nicht für einen integralen
Jugoslawismus war (lies: für ein Großserbentum) mit Terror zu verfolgen“. Dodan, Sime,
Opasne zablude jugozanesenjaka (Die gefährlichen Irrtümer der lugo-Schwärmer), in: Novi
Vjesnik v. 22.07.1992, S. 21.
71 1919 gaben die jugoslawischen Nationalisten das zweimal wöchentlich erscheinende Blatt
366
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
Mehr noch als gegen den „äußeren Feind“ war sie gegen den „inneren“ gerichtet.72
In der von der Gründungsversammlung verabschiedeten Resolution hieß es, daß die
Organisation „am entschiedensten mitwirken wird an der Eliminierung der Erschei
nungen, die den Stempel des Stammes-, Religions- oder Klassenseparatismus tra
gen“.73 Nicht zufällig wurde die Vereinigung unmittelbar nach der „Obznana“ und
nach dem Erfolg der Kroatischen Bauernpartei gegründet. In einem Manifest brand
markten die „jugoslawischen Nationalisten“ dann auch als Hauptgefahren für den
neuen Staat „die soziale Revolution“ und die „unheilvollen Stammesseparatismen“.
Nach dem Attentat auf den Innenminister Draskovic veranstalteten die jugoslawi
schen Nationalisten auch in Split antikommunistische und antikroatische Demonstra
tionen. Mussolinis Schwarzhemden dienten dabei als Vorbild. Die Orjuna ist aufgrund
der von ihr angewandten Methoden, als in vielerlei Hinsicht faschistische Bewegung
charakterisiert worden.74 Die geistigen „Führer“ in Dalmatien waren Berislav Andeli-
novic, der Anwalt Krstulovic, Edo Bulat, der Beamte Marko Nani und Ljubo Leontic.
Die JNNO, später die Orjuna, begann mit einem Terror gegen alle Separatismus-
und Kommunismus-Verdächtigen.75 Dazu gründete sie Orts- und Sturmabteilungen.76
Besonders die „Verräter“ aus dem „Kroatischen Block“, die so genannten „Zerstörer
„Narod“ (Das Volk) heraus und ab dem St. Veitstag 1921 die zweimal im Monat ersch. Zei
tung „Pobeda“ (Der Sieg). Untertitel: narodne, napredne i nerazdelive Jugoslavije (des natio
nalen, fortschrittlichen und unteilbaren Jugoslawien). Die letzte Nummer erschien am
8.2.1929. Neben ihrem regionalen Zentrum in Split hatten die jugoslawischen Nationalisten in
Dalmatien auch noch in Solin, Trogir, Kastela, Omis und Sibenik Ortsgruppen. Ein geplanter
„Marsch auf Belgrad“ 1924 von Split aus, als Imitation des faschistischen Marsches auf Rom,
mußte mangels Mitläufer abgesagt werden.
72 Beinahe gleichzeitig mit den nationalistisch-jugoslawischen Vereinigungen wurden verschie
dene kroatische Vereinigungen gegründet, die gegen eben jenen „nationalen Unitarismus“
arbeiteten. Das Pendant zur JNNO bzw. seit Mai 1922 zur Orjuna war die „Hrvatska nacio-
nalna omladina“, die gegen den serbischen und jugoslawischen Integralismus und Zentralis
mus wirkte. Später wurden auch der „Kroatische Bauernschutz“ (Hrvatska seljacka zastita),
der „Kroatische Kulturverein Fortschritt“ (Hrvatsko kulturno drustvo napredak), der „Kroa
tische Akademikerverein „Matija Gubec“ (Hrvatsko akademsko drustvo „Matija Gubec“),
der „Kroatische Falke“ (Hrvatski sokol) und andere aktiv.
73 Gligorijevic, S. 345.
74 Vgl. Avakumovic, Ivan, Yugoslavia’s Fascist Movements in: Sugar, Peter F. (Hg.), Native Fas-
cism in the Successor States, Santa Barbara 1971, S. 135-143, bes. S. 136f.
75 Die Begräbnisse der von Aktivisten der Orjuna Ermordeten wurden in ganz Dalmatien regel
mäßig zu politischen Demonstrationen gegen den Gewaltjugoslawismus der Orjuna. Auch
die staatlichen Stellen schätzten den Straßenterror der Orjuna ab 1923 als kontraproduktiv
und „schädlich für den Staat und die Staatsidee“ ein. Selbst ansonsten „Staatstragende Perso
nen“, schrieb der Verwaltungschef der Region Dubrovnik z. B., würden aufgrund der verbre
cherischen Aktivitäten der Orjuna zur Opposition des „Kroatischen Blocks“ umschwenken.
Zur Geschichte und Aktivitäten der Orjuna in Süddalmatien, insbesondere des Terrors, den
sie gegen ihre Gegner anwandte, Mirosevic, Pocelo je, S. 125ff.
76 Pobeda v. 24.09.1921.
367
Vom,integral-jugoslawischen1 Einheitsverständnis
Jugoslawiens“, zogen sich den Haß der jugoslawischen Nationalisten zu.77 Manche
Mitglieder des „Centralni odbor“, des obersten Leitungsgremiums der Orjuna, wie
Edo Bulat, sollten in den nächsten zwei Jahrzehnen eine Entwicklung vom militanten
jugoslawischen Nationalisten, über die Mitgliedschaft in der Bauernpartei bis zum
„Ustasa-Funktionär“78 durchmachen.
Anfang der 20er Jahre waren die jugoslawischen Nationalisten in Dalmatien in der
Offensive. Im Gegensatz zu ihren Gegnern von links waren sie überzeugt, daß „der
Sozialismus“ gescheitert sei. Ebenso wurden die „reaktionärsten Elemente unseres
Volkes: die Makedonstvujusci und die kroatischen Separatisten“ belehrt, daß sie weder
„sozialen noch ökonomischen Rückhalt“ im Volke hätten und deshalb „keinerlei Aus
sicht, auf Dauer zu existieren“.79 Doch daß die Orjuna zusammen mit den „Cetnik-
Verbänden“ auftrat,80 war nicht dazu angetan, bei nationalbewußten Kroaten den Ver
dacht zu zerstreuen, daß es sich um eine Organisation handelte, die in letzter Konse
quenz das Verschwinden nur der kroatischen Eigenheiten zum Ziel hatte und eigent
lich im Dienst des serbischen Nationalismus stand. Es war ein offenes Geheimnis,
daß sie mit den Cetnik-Vereinigungen (Udruzenje cetnika) zusammenarbeitete.81 Der
„Splitski almanah“ verzeichnete die Anwesenheit der „Cetnik-Vojvoden Ilija Trifuno-
vic Bircanin und Kosta Pecanac“ bei der lokalen Gebietsversammlung der Orjuna für
Dalmatien am 11. Mai 1924.82
Die Propagierung des unitaristischen Jugoslawismus und die Bekämpfung „separatisti
scher“ kroatischer und sozialistischer Parteien erfolgte hauptsächlich mit Argumenten,
die die Demokratische Partei unter der Führung des langjährigen Innenministers des
SHS-Königreichs, Svetozar Pribicevic, lieferte, der auch bei der Gründung der Orjuna
eine herausragende Rolle gespielt hatte. Nach der „geistigen Einheit“, die auch mit
terroristischen Mitteln im „dreinamigen Volk“ hergestellt werden sollte,83 strebte die
Orjuna die Vereinigung, die „Unifikation“ wie es hieß, mit Bulgarien und die Schaf-
77 Pobeda v. 12.03.1922.
78 Stanic, S. 132.
79 Pobeda v. 15.10.1922, S. 2.
80 Pobeda V. 21.09.1926, S. 2.
81 Die Aufspaltung der serbischen Nationalisten in „Serbische Nationale Jugend“ (SRNAO),
die „Cetnik-Vereinigung f. Freiheit und Ehre des Vaterlandes“ (Udruzenje cetnika za slobodu
i cast otadzbine), ab 1924: „Vereinigung der serbischen Cetniks f. König und Vaterland“ u.
„Vereinigung der serbischen Cetniks ,Petar Mrkonjic“1 spielten in Dalmatien keine Rolle, da
hier die Regimekräfte versuchte hauptsächlich über die Orjuna ihre Gegner zu treffen.
82 Splitski almanah i adresar za 1925. g., Split 1926, S. 286. Viele der Orjuna-Anhänger serbischer
Nationalität sollten sich im Zweiten Weltkrieg den Cetnik-Verbänden anschließen; vgl. Pulic,
Nikola, Sinovi Orjune. Uz tridesetu obljetnicu ustanka (Die Söhne der Orjuna. Zum 30. Jah
restag des Aufstandes), Zagreb 1971, der die Taten der Tschetnik-Verbände in Dalmatien de
tailliert beschreibt u. auch Namen der Mitglieder nennt (S. 96f.).
83 Um ein Beispiel aus Dalmatien aufzuführen: Bei einem Besuch der örtlichen HRSS-Gliede-
rungen, wurde August Kosutic, einer der Führer der Bauernpartei, in Kastei Stari bei Split
im Herbst 1925 mit Gewehrkolben zusammengeschlagen und schwer am Kopf verletzt. Erst
368
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
fung eines „Groß-Jugoslawien“ von Varna bis Triest und von Szeged bis Saloniki an.
Bald schon erwarb sie sich einen Ruf als gefürchtete Schlägertruppe, die auch vor
Mord nicht zurückschreckte.84 Später arbeitete die Orjuna auch offen mit militaristi
schen Organisationen, wie der staatlich geförderten „Volksverteidigung“ (Narodna
odbrana) zusammen. Finanziert aus staatlichen Fonds, die in den Haushaltsentwürfen
unter der Überschrift „Istrien und nationale Propaganda“ auftauchten, erreichte ihr
„jugoslawischer Nationalismus“ selbst in Dalmatien, wo sie gegründet wurde, niemals
eine relevante Anzahl von Unterstützern, geschweige denn die bäuerliche Bevölke
rung.85 Sang- und klanglos löste sie sich in den 30er Jahren wieder auf. Im Gegensatz
dazu existierte die „Jadranska straza“ mit dem weiter gesteckten Ziel einer Förderung
des Küstenlandes und der Seefahrt weiter.
Wenn der Präsident der Jadranska straza, Ivo Tartaglia, auf der Jahreshauptversamm
lung 1932 zum wiederholten Male daran erinnerte, daß die darniederliegende Werft
industrie und die Handelsmarine „ein Problem ganz Jugoslawiens“ und damit auch
der „kontinentalen Teile“ sei, konnte er sicher sein, daß er die Sorgen vieler Küstenbe
wohner artikulierte.86 Auch an dieser Stelle läßt sich dasselbe Phänomen beobachten,
wie berteits dargestellt: Nach vielen erfolglosen Appellen, die Lebensbedingungen in
Dalmatien zu verbessern, wurde die anfängliche jugoslawische Orientierung in den
30er Jahren zunehmend aufgegeben. Immer mehr wurde der „kroatische Charakter“
der Küste betont und der jugoslawische Staat kritisiert. Unter dem dalmatinischen
Bürgertum bildete sich das Bewußtsein heraus, nur mit der Erfüllung national-kroati
scher Forderungen könne sich die Lage zum Besseren wandeln. Der Kongreß in Za
greb Anfang 1939 und der Eintritt des Bauernführers Vladko Macek in die Organisa
tion markierten die endgültige Abkehr vom Jugoslawismus und die Wende in der
ideologischen Entwicklung des Vereins. Aus Schreiben an die Expositur der Regierung
der Banschaft Kroatien in Split 1940, in denen geklagt wurde, daß „wegen der finan
ziellen Schwierigkeiten auch die Jadranska straza vor der Auflösung steht“ und um
„finanzielle Hilfe aus dem Etatposten, den die Regierung der Banovina zur Förderung
des Tourismus vorgesehen hat“, gebeten wurde, geht hervor, daß zumindest die dalma
tinische Sektion loyal zur „Banovina Hrvatska“ stand.87
Auch anhand der Geschichte des „Jugoslavenski sokol“, der sich für den neuen Staat
einsetzte und maßgeblich in der Region für die Verbreitung eines „neuen Nationalbe-
nach einem längeren Krankenhausaufenthalt wurde er wieder gesund. Der Gendarm, der ihm
die Verletzungen zufügte, wurde dafür nicht zur Verantwortung gezogen.
84 Gligorijevic, S. 315-396.
85 Petranovic, S. 161ff., spricht von den „stärksten Stützpunkten der Orjuna“ in Dalmatien und
Slawonien.
86 Tartaglia, Ivo, Na moru je nasa sudbina. Programatski govor na glavnoj skupstini Jadranske
straze u Skoplju 30.X 1932 (Das Meer ist unser Schicksal. Programmatische Rede auf der
Jahreskonferenz der JS in Skopje), Split 1932, S. 16.
87 Vgl. d. Briefe „Izvrsni odbor Jadranska straza“ an „Ispostava Banske Vlasti Banovine
Hrvatske“ Nr. 4866/40 v. 16.11.40 u. 148/41 v. 16.01.41, BH 38.
369
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Rolle und Charakter der Sokol-Bewegung, die unter dem Namen „Prager Gymnasti
sche Gesellschaft“ 1862 vom „Jungtschechen“ und späteren Reichsratsabgeordneten
Dr. Miroslav Tirs als national-tschechische Organisation gegründet wurde, sind um
stritten. Der Beitrag von Wolfgang Kessler über den „Sokol in den jugoslawischen
Gebieten“88 ist eine der wenigen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem
Phänomen, das in seiner Gesamtheit „bislang nicht historisch untersucht worden“ ist,
v. a. auch nicht in seiner „Zweigleisigkeit“, als Turnverband und als national-politische
Bewegung.89 Der Name „Sokol“ (Falke) wurde von Emanuel Tonner vorgeschlagen,
der in den südslawischen Volksepen den Falken „als das Synonym für alles mutige,
heldenhafte und edle“ gefunden zu haben glaubte.90 Die roten Hemden, in denen
die Mitglieder öffentlich auftraten, sollten an den italienischen Volkshelden Garibaldi
erinnern, der als Kämpfer für die nationale und staatliche Einheit Italiens als eine Art
Vorbild betrachtet wurde.
In den südslawischen Gebieten der Donaumonarchie wurde in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts der „Juzni Sokol“ (Südlicher Falke), 1863 in Ljubljana und ein Jahr
später der „Hrvatski Sokol“ in Zagreb gegründet. Sie vereinigten sich 1919 mit ihrem
serbischen Pendant (Beogradsko gimnasticko drustvo Soko) zum „Sokolski Savez
Srba, Hrvata i Slovenaca“, der sich 1920 in „Jugoslavenski sokolski savez“ (Jugoslawi-
88 Kessler, Wolfgang, Der Sokol in den jugoslawischen Gebieten (1863-1941), in: Blecking,
Diethelm (Hg.), Die slawische Sokolbewegung. Beiträge zur Geschichte von Sport und Natio
nalismus in Osteuropa, Dortmund 1991, S. 198-218, dort bes. „Der Sokol im Königreich
SHS 1918-29“ u. „Der Sokol des Kgr. Jugoslawien 1929-1941“, S. 212-217; Jakovcev,
Gojko, Idejno-politicni i strucni profili sokolske organizacije jugoslavenskih naroda od 1863.
do 1941. godine (Ideenpol. u. berufliches Profil der Sokol-Organisationen der jug. Völker v.
1863-1924), in: Povijest sporta 20 (1989), S. 251-257; Vrdoljak, S., Hrvatski sokol u Splitu
od 1893. do 1910. godine (Der kroatische Sokol in Split 1893-1910), in: Povijest sporta 3
(1972), S. 889-903.
89 Enciklopedija leksikografskog zavoda Jugoslavije, Bd. 7, Zagreb 1964, S. 543. Zur Geschichte
des Sokol bei den Südslawen: Jakovcev, Gojko, Sokolska organizacija u borbi za bratstvo
jugoslavenskih naroda do 1918 godine. Progon sokolske organizacije u Hrvatskoj, (Der Sokol
im Kampf für die Brüderlichkeit der jugoslawischen Völker bis 1918. Die Verfolgung der
Sokol-Organisationen in Kroatien), Zagreb 1970 u. Kessler, Der Sokol in den jugoslawischen
Gebieten, hier S. 199 u. 201.
90 Mudrinic, M., Istorija telesnog vezbanja (Gesch. d. Körperertücht.), Zagreb 1938, hier nach
Jakovcev, S. 10.
370
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
371
Vom ,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
96 Vgl. Smodlaka, Zapisi: „Rad u Sokolu“, S. 34-41, hier S. 36. Der Verf. schildert auch das
militärische Zeremoniell, Grüßen der (vor 1918 kroatischen) Fahne, Abspielen der kroati
schen Hymne; ebenda, S. 38.
97 Spomenica 1905 — 1935, hg. v. Sokolsko drustvo Sinj, Sinj 1935, S. 32.
98 Kessler, S. 212 u. Sokolski Veleizdajnicki proces u Zagrebu iz 1915 —1916.g. (Der Sokol-Hoch-
verratsprozeß in Zagreb 1915-16), Zagreb 1927.
99 Slijepcevic, Pero, Nasi dobrovoljci u svetskom ratu (Unsere Kriegsfreiwilligen im Weltkrieg),
Zagreb 1925, S. 11-14 u. 17-21.
100 Sveslavensko sokolstvo (Der Allslawische Sokol), S. 183 u. Jakovcev, S. 28, der genaue biogra
phische Informationen bringt; dazu auch Sokol na Jadranu (Der Sokol an der Adria), Glasilo
sokolskih zupa Susak-Rijeka, Sibenik-Zadar i Split, Jg. III, 1928, S. 78-80.
372
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
Dezember 1918 „heldenhaft die Stadt (Zagreb, A. J.) und das Volkseigentum vor dem
Mob und dem sicheren Untergang“ verteidigt habe.101 Tatsächlich handelte es sich um
das Niedermähen unbewaffneter, republikanisch-kroatisch gesinnter Demonstranten
durch Maschinengewehre am 5. Dezember 1918 am Jelacicplatz im Stadtzentrum. Das
Blutbad, das mindestens 14 Tote unter den Demonstranten forderte, wurde durch
„dalmatinische Matrosen, Polizisten und Sokol-Mitglieder unter der Führung des Dr.
Grga Andjelinovic“ verübt.102 Was genau an jenem Tag geschah, und eine Woche
vorher, als 300 bewaffnete Mitglieder des Sokol, ebenfalls in Zagreb, diesmal unter
der Führung eines Bogdan Stopar, am 28. November eine erste anti-jugoslawische
Demonstration erstickten, ist immer noch unzureichend erforscht.103 Bekannt ist, daß
die bewaffneten „Legionen“ oder „Nationalgarden“, die hauptsächlich aus Sokol-Mit-
gliedern bestanden,104 bei verschiedenen Zusammenstößen mit aufständischen kroati
schen Bauern im Zwischenmurgebiet gleichfalls Verluste erlitten. Diese, in der Diktion
des Sokol und späterer jugoslawischer Historiker, „Opfer auf dem Altar der vereinig
ten Heimat“,105 wurden während der Zwischenkriegszeit zu Märtyrern des Jugosla-
venstvo erklärt.
Dementsprechend war im Selbstverständnis des Sokol „in keiner anderen Organisa
tion die jugoslawische Sichtweise so klar, bestimmt und fest“, was den Autor des
in der Mitgliederzeitschrift publizierten Artikels „Jugoslovensko Sokolstvo“ zu dem
Schluß führte, daß „nur die jugoslawische Sokolidee“ die alten „Stammessichtweisen“
überwunden habe.106 Doch nicht einmal innerhalb des Verbandes waren diese über
wunden. Obwohl es anfangs so aussah, als könnten die Mitglieder des 1874 gegründe
ten „Hrvatski sokol“ in dem 1919 gegründeten Sokol-Verband im Königreich SHS
eine Heimat finden, spaltete sich am 28. Mai 1922 ein wieder „Kroatischer Sokol“
genannter Teil ab.107 Nach dem Krieg hatten vor allem die Sokol-Verbände aus Dalma
tien, die sich auf eigene Initiative in „Jugoslawischer Sokol“ umbenannt hatten, auf
101 Vgl. Jakovcev, S. 30f.; damit lag der Verf. ganz auf der damals vorgegebenen Linie von Culino-
vic (Jugoslavija izmedu dva rata, (Jugoslawien zwischen den Kriegen), Zagreb 1961), S. 163f.
102 Vgl. Kulundzic, Zvonimir, Atentat na Stjepana Radica, Zagreb 1967, „Masakr republikanaca“,
S. 119ff., Horvat, Hrvatska na mucilistu, S. 54ff., Jankovic, Drustveni i politicki odnosi, S. 94f.
u. Muzic, S. 35f. u.auch die Erinnerungen des Garden-Führers in Zagreb Lav Mazzura (Pribi-
cevic i Radic, in: Obzor LXIII/1922, 58, 3).
103 Kolar-Dimitrijevic, Mira, Gospodarsko-socijalni rad narodne vlade narodnog vijeca drzave
SHS 1918. godine (Wirtschaftl.-soziale Arbeit der nationalen Regierung d. Nationalrates SHS
1918), in: Radovi Zavoda za Hrvatsku povijest 26/1993, S. 209-218.
104 Nach dem 28. November 1918 übernahmen so praktisch der Sokol (und desertierte Soldaten)
in manchen Orten kurzzeitig die Macht, wie in der Gemeinde Tijesno in Nord-Dlmatien od.
der „Grüne Kader“ aus Betina, der ausschließlich aus Mitgliedern des „Sokol“ bestand; Sokol-
ski zbornik, S. 201 u. Jakovcev, S. 31.
105 ebenda.
106 petranovi£; Istorija Jugoslavije, S. 201.
107 Einstimmig beschloß der „Hrvatski sokol“ auf seiner letzten, außerordentlichen Sitzung am
15. Dezember 1929, als mit der Gründung des Sokol des Königreichs Jugoslawien alle anderen
373
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis
eine Vereinheitlichung des Verbandes gedrängt.108 Die Parole „Ein Volk, ein Staat, ein
Sokol“ wurde am St. Veitstag 1919 mit der Gründung des „Sokolski savez Srba,
Hrvata i Slovenaca“ in die Tat umgesetzt. Ein Jahr später wurde der Name dann in
„Jugoslovenski sokolski savez“ umgeändert.109 Die „Sokolska Zupa Split“ gliederte
sich in 24 Unterabteilungen und organisierte 1922/23 3167 männliche und 491 weibli
che Mitglieder.110
Auch im Selbstverständnis der Bewegung war der Sokol „niemals“ nur beschränkt auf
Körperertüchtigung: „Der Körper wird in der Sokol-Bewegung begriffen als Materie,
aus der die Mittel des organisierten Kampfes für das Bestehen der Nation gewonnen
werden, die nicht nur nach außen stark sein will, sondern auch von innen wiedergebo
ren werden will“, hieß es. Die jugoslawische Orientierung berief sich auf die obskuren
Ideen eines „jugoslawischen Typus“, den Jovan Cvijic den dinarischen (Hervorh. im
Original) genannt hatte und der „uns den Staat erkämpft“ habe. Dieser Typ Mensch
sei in „Montenegro, in der Herzegowina und in Bosnien, in Dalmatien, Serbien, der
Lika, im südlichen Krain und im Küstenland“ zu finden. Die angestrebten „großen
Ziele des Sokol“ waren neben dem Nationalstaat „echte Demokratie, vollkommene
brüderliche Gleichheit und Solidarität.“111 Daneben war es wohl auch die Freude an
der Geselligkeit und daß man sich in den bunten Uniformen bei Aufmärschen zeigen
konnte.112 Wichtigster Punkt war der Kampf für einen jugoslawisch verstandenen
Nationalstaat. In Dalmatien, so wurde in den Verbandsschriften betont, habe sich der
Sokol „schon immer“ für die Vereinigung eingesetzt und „gegen die Talianisierung“
gekämpft.113 Daneben finden sich auch in den Mitgliederzeitschriften des Sokol die
Vereine mit nationalen Bezeichnungen aufgelöst werden mußten, nicht dem gesamt-jugosla
wischen Verband beizutreten, sondern alle Untersektionen aufzulösen.
108 Mudrinic, Istorija telesnog vezbanja, 2. Teil, Zagreb 1938, S. 217; ebenso Jakovcev, S. 45.
109 ebenda.
110 Gruppen gab es in Donja Kastela, Dugi Rat, Hvar, Igrane, Imotski, Jelsa, Jesenice, Sucurac,
Klis, Knin, Makarska, Milna, Nerezisce, Omis, Podgora, Postire, Selca, Sinj, Solin, Split,
Stobrec, Supetar, Trogir und Vranjic. Als „aktive Ubungstreibende“ der Region Split galten
626 Männer und 70 Frauen. Der männliche Nachwuchs zählte bei den männlichen Jugend
lichen 319, bei den weiblichen 206. Bei den Kindern waren es 589 Jungs und 454 Mädchen.
In der Stadt Split sah die Mitgliederstruktur folgendermaßen aus: 3 Ehrenmitglieder, 16
Gründungsmitglieder, 328 „ausgeübte Mitgliedschaften“, davon 239 männliche (100 Aktive
Sportler) und 89 weibliche (40 aktive Sportlerinnen); Männliche Jugendliche (14-18 Jahre)
80, weibliche 60; Kinder (6-14 Jahre): 140 Jungs und 80 Mädchen; Skarica, Splitski shemati-
zam 1923, S. 77.
111 Prohaska, Dragutin, O juznoslovenskom tipu coveka - Govor izrecen na proslavi drzavnoga
blagdana u centrali praske Sokolske Jednote, dne 12. prosinca 1920 (Uber den südslawischen
Menschentyp - Rede, gehalten auf der Feier des staatlichen Feiertags in der Zentrale der
Prager Sokol-Einheit, 12.12.1920); ebenda, S. 34ff.
112 Vgl. Smodlaka, Zapisi, S. 37f. u. die Berichte über die regionalen Aktivitäten im „Sokolski
Glasnik“.
113 Sokolski Glasnik, 1/1921, S. 255.
374
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
114 Osvrt na sokolske prilike u Primorju u god. 1920., in: ebenda, S. 115.
115 ebenda.
116 Vgl. Stanic, Radnicki pokret, S. 72ff., 118f. u. 125f. mit Quellenangaben; vgl auch zahlreiche
Artikel im Organ der Orjuna, „Pobeda“ (Sieg), z.B. Nr. 1 v. 06.01.1925, S. 3.
117 Jakovcev führt zahlreiche Beispiele an, wie die Kirche publizistisch und in Predigten vor
dem „atheistischen und gottlosen Sokol“ warnte. Auf den Inseln Brac und Hvar drohten die
katholischen Priester den Gläubigen sogar an, ihnen keine Sakramente mehr zu spenden und
auch keine Beerdigungen von Sokol-Mitgliedern durchzuführen. Die Agitation gegen den
Sokol gipfelte in der Warnung eines Kaplans: „Was willst Du als Kroate im Sokol? Das ist
ein serbischer Verein.“ Sokolski glasnik v. 19.03.1933 u. Jakovcev, S. 49ff.
118 Sokolski glasnik, S. 261f.
119 ebenda.
120 ebenda, S. 365. Imotski Sokol u kulturnoj borbi (Der Sokol von Imotski im Kulturkampf).
375
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis
„Auch wenn ihr euren Einfluß und eure Macht in unserer unglücklichen Heimat (was sich
hier auf das dalmatinische Hinterland bezieht, A. J.) verbreitert habt, so braucht ihr nicht
einmal davon zu träumen, daß die Falken aus Imotski es zulassen werden, daß der Klerikalis
mus, der seine giftigen Pfeile auf die Sokol-Bewegung abgeschossen hat, siegen wird. Wir
wissen zu gut, daß es unsere Pflicht ist, im Volke all das zu suchen, was uns national einigt,
und wir stehen auf gegen alles, was uns entzweit. Eine Sprache, gleiche Bräuche, gemeinsame
Ziele und Glaubenstoleranz einigen uns, während uns religiöser Fanatismus und starrsinniger
Klerikalismus entzweien.“121
Unterstützung in diesem Kampf fand der Verein natürlich bei der gesamten integralen
Presse, vornehmlich den Organen der Demokratischen Partei. Diese riefen den Staat
wiederholt dazu auf, „alle Mittel, die zur Verteidigung seiner Sicherheit zur Verfügung
stehen“, einzusetzen, wenn „die Kirche oder ihre Vertreter direkt gegen die Interessen
und gegen die Sicherheit des Staates arbeiten“. Gegen diese „Feinde des Staates“ könne
ruhig mit aller Härte vorgegangen werden. Bei all der finanziellen staatlichen Hilfe,
könne die Kirche „wenigstens neben der fremden papistischen Fahne und der kroati
schen Stammesfahne auch die Staatsflagge tolerieren, was keine staatliche Instanz, vom
Gendarmen bis zur Provinzverwaltung, bis jetzt z. B. in Sinj erreichen konnte." Im
„dalmatinischen Klerus“ gebe es zwar auch vereinzelt „Patrioten“, aber sie seien ganz
offenkundig in der Minderheit. Dem Sokol wurde, da er ja dieselben Anliegen hatte,
entsprechend viel Platz in der Zeitung eingeräumt.122 Der „klerikale Zorn auf die
Falkenbewegung“, so der Verband, könne den Sokol nicht davon abbringen, „anstän
dige Bürger und Staatsbürger körperlich und moralisch zu erziehen“.123
Auch die Ortsgruppe aus Vranjic in der Nähe von Split sah sich „allen möglichen
anti-nationalen Elementen“ gegenüber, von denen es, so der „Sokolski glasnik“: „hier
viele gibt“.124 Doch hoffnungsvoll wurde „die harmonische Opferbereitschaft unserer
Kinder als schönstes Unterpfand einer glücklicheren Zukunft“125 gepriesen. Diese
„glückliche Zukunft“ sah der Sokol in Dalmatien immer mehr durch wachsende natio
nal-kroatische oder sozial-kommunistische Stimmungen gefährdet. Erst nach der Pro
klamation der Königsdiktatur äußerte sich auch der dalmatinische Sokol wieder zu-
121 Nach eigenen Angaben hatte der Sokol von Imotski, zwei Jahre nach seiner Gründung, 150
Übende beiderlei Geschlechts (Kinder eingeschlossen), und beinahe 200 übrige Mitglieder
(ebenda, S. 438), bei einer damaligen Einwohnerzahl von „1600-1800 Seelen!“. Der Ortsver
ein war „mit eigenem Blasorchester, Kultur-, Tamburizza- und Schauspielabteilung und Ver
gnügungsausschuß“ ausgestattet. Er besaß einen „eigenen Lesesaal, eine Bücherei, einen Som
merübungsplatz und beinahe alle nötigsten Turngeräte“. Eine eigene Turnhalle fehlte dem
Verein „noch“. Die Mitglieder übten „in der Gymnastikhalle der örtlichen Schule, die jedoch
zu klein ist“. An Aktivitäten wurden viele öffentliche Veranstaltungen aufgezählt, „Akade
mien, Ausflüge und öffentlichen Übungen“. Vgl. Sokolski glasnik, S. 265f.
122 Zivot - List dalmatinskih Demokrata v. 22.09.1921.
123 Vgl. „Klerikalni bijes na Sokolstvo“ (Der klerikale Zorn auf d. Sokol), in: Sokolski glasnik,
S. 440ff.
124 ebenda, S. 370.
125 ebenda, S. 439.
376
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
frieden und betonte in einem Telegramm an den Monarchen, den „ersten aller Falken
im Staate“, daß „ein Staat auch nur ein Volk und einen Namen haben muß, genauso
wie nur einen Sokol.“126 Aus zahlreichen Akten im Archiv der Banschaftsverwaltung
wird deutlich, daß der Staat solche Loyalität belohnte und den Sokol logistisch und
finanziell nach Kräften unterstützte.127
Schenkt man etlichen Dorfchroniken Glauben, so versuchten Sokol und Orjuna, in
vielen Regionen Dalmatiens „jugoslawische Brüderlichkeit“ auch mit Gewalt durch
zusetzen. „Die kulturelle und bildungsmäßige Hebung des Volksniveaus durch Vor
träge und Körperertüchtigung“ artete nicht selten in Schlägereien mit kroatischen oder
linken Vereinen aus. Kroatische Vereine und Parteien hoben hervor, daß sich im Sokol
überdurchschnittlich viele Serben in führenden Positionen befanden, wenn es auch
vorkam, daß eine zum Empfang in voller Montur angetretene Sokol-Formatien die
kroatische Nationalhymne „Lijepa nasa“ intonierte.128 Doch es war nicht zu überse
hen, daß der Sokol immer offener ein Instrument der serbischen Dynastie wurde. Daß
sich beispielsweise der Leiter des Sokol in Mostar, Cedo Milic, nach 1941 Cetnik-
Verbänden anschloß, war in der Entwicklung der Zwischenkriegszeit angelegt.129
Doch je mehr der Staat an Akzeptanz verlor, umso stärker wirkte sich die massive
staatliche Unterstützung für den Sokol negativ für den Verband aus.130 Ab Mitte der
30er Jahre nahm die Zahl der Mitglieder rapide ab. Immer mehr ehemalige Sokol-
Mitglieder blieben einfach weg und zahlten keine Beiträge mehr.131
Das Urteil, daß „die Verfolgung der Sokol-Mitglieder permanent während der gesam
ten Existenz des alten Jugoslawien andauerte und (...) besondere Intensität (...) zwi
schen 1935 und 1939 und v.a. von 1939-41 bekam, zur Zeit der Banovina Hrvatska,
als die Existenz des „Kroatischen Bürger- und Bauernschutzes“ (Hrvatska seljacka i
126 Telegramm des Sokol an den König, hier zit. nach: Kraljevina Jugoslavija i njena upravna
podjela na banovine (Das Königreich Jugoslawien und seine Verwaltungsgliederung in Ban-
schaften), Zagreb 1930, S. 20.
127 Vgl. die Akten und Korrespondenz der Kgl. Banschaftsverwaltung bzgl. des Massenaufmar
sches (6-8.000 Falken) am St. Veitstag 1931:„Slet sokolstva na Jadranu - Split 1931“,
Nr. 1355/31 v. 13.05.1931.
128 Jadranska posta v. 26.08.1929.
129 Grabovac, S. 123.
130 Offiziöse Statistiken gaben für 1927 noch die Zahl von 126.567 Sokol-Mitgliedern an (107.223
erwachsenen männlichen u. 19.334 weiblichen), sowie 63.912 Nachwuchsmitgliedern im Kin
der- und Jugendalter. Von den insgesamt 845 Sokol-Sektionen im gesamten Königreich waren
in der Region Split 33 und in Sibenik 22 registriert. Durdevic, S. 32f. Die Organisationsstruk
tur des Sokol für das Jahr 1938 wird dort (S. 33) angegeben mit: 25,2% Bauern, 13,6% Be
amte, 11,9% Handwerker, 9,3% Lehrer, 8,0% Angestellte, 7,9% Arbeiter, 7,6% Händler,
3,2% Soldaten, 2,4% Schüler u. Studenten, 1,4% Apotheker u. Ärzte, 0,8% Anwälte, 0,6%
Geistliche, 0,5 % Matrosen u. Fischer sowie 7,5 % sonstige.
131 Glavna skupstina Sokolskog Saveza Jahreshauptversammlung des Sokol), Beograd 1933,
S. 117; Jugoslavenska rijec v. 09.03.1936 u. Izvestaj o radu uprave Saveza sokola Kraljevine
Jugoslavije za godinu 1938, Beograd 1938, S. 126f.
377
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einheitsverständnis
gradjanska zastita, Formation der HSS, A.J.) legalisiert wurde“, ist besonders dort,
wo eine Verfolgung des Sokol bis 1935 behauptet wird, absurd. Man kann wohl eher
davon sprechen, daß sich der aggressive Bekehrungsdruck, den der Sokol in der ersten
Zeit nach der Vereinigung im gesamten Königreich, auch in Dalmatien, entfaltete, nun
gegen seine Urheber wandte.
Als der Vorsitzende der Bauernpartei, Vladko Macek, seine Anhänger dazu auffor
derte, den Sokol zu verlassen, weil dieser unter der Maske des Jugoslawismus die
groß-serbische Unterdrückung Kroatiens unterstütze, hatte sich die politische Situa
tion vollständig geändert.
Auch in vielen Orten Dalmatiens schlug dem Sokol in den 30er Jahren, wie dem Staat,
für den er stand, heftiger Widerstand entgegen, so daß mancher Ortsverein des Sokol
seine Tätigkeit ganz einstellte. Der Sokol mußte konstatieren, daß sich die „Feinde
der nationalen und staatlichen Einheit“, wie es in der Diktion des Verbandes hieß,
durchgesetzt hatten. Der Ortsverein Stankovci aus Nord-Dalmatien schrieb am 9. Juli
1936, daß er mit „Stammes- und religöser Intoleranz“ schwer zu kämpfen habe, und
den „Schlägen der Klerikalen und des Kroatischen Bauernschutzes“ ausgesetzt sei.
Dem Ministerium für Körperertüchtigung in Belgrad teilte die Dachorganisation des
Sokol Ende März 1937 mit, daß die Gemeindeverwaltungen von Trogir, Donja Ka-
stela, Kastei Luksic und Omis den Sokol-Vereinen Gemeinderäume kündigen wollten.
In Orebic und Cavtat seien die Gemeindesäle bereits gekündig worden. Vorher sei
in Cavtat das Vereinsheim sogar angesteckt worden. Es wurden fünf Mitglieder der
Bauernpartei verdächtigt, den Brand gelegt zu haben. Am 17. Januar 1938 beschwerte
sich der Verband, daß in Gornje selo auf der Insel Solta der Bürgermeister die Einrich
tung der an den Sokol vermieteten Räume und die Sportgeräte der Turnhalle einfach
auf die Straße gestellt hätte. Die Räumlichkeiten hätte er nun der Bauernpartei zum
Abhalten von Tanzveranstaltungen überlassen. Das gleiche Vorgehen wurde in Jese-
nice bei Omis befürchtet. Solche Fälle von Vandalismus und Feindseligkeit gegen den
Sokol in Dalmatien häuften sich.132
Mitte Juli 1938 riefen in einem Demonstrationszug zu Ehren des Geburtstags des
Vorsitzenden der Bauernpartei, Vladko Macek, seine Anhänger wüste Drohungen ge
gen den Sokol aus. Rufe wie „Es lebe König Macek“ und „Nieder mit dem Sokol“
wurden laut. Der Ortspfarrer, so beschrieb es der örtliche Sokol-Vorsitzende, „drohe
damit, den Verband auseinanderzujagen. Unter solchem Druck hätte der Eigentümer
des angemieteten Gebäudes die Kündigung des Vereins annonciert“. Vielerorts kam
es nun in Dalmatien zu Übergriffen auf Vereinsheime des Sokol, wie in Solin und
Rogiznica Ende Juni 1938. Es werde, wie die Organisation in einem Brief schrieb,
„öffentlich gegen den König, Jugoslawien und die Serben“ gehetzt, die Mitglieder
sollten außerdem innerhalb von 8 Tagen in den Bauernschutz übertreten. Der Verband
132 Vgl. die Berichterstattung der dalm. Zeitungen. Im Arhiv Jugosl. wurde das Archiv des Sport
ministeriums (Fond MFVN, inv.br. 71 fase. 3 jed. 8) von Jako veev ausgewertet; Jakovcev a.a.
O, S. 52-67.
378
Der organisierte jugoslawische Nationalismus an der Küste
in Rogoznica erbat eine „dringliche Intervention bei der Regierung“, daß es möglich
bleibe, „im freien Vaterland frei die jugoslawische Idee vertreten zu können“. In einem
weiteren Schreiben vom 28. Juli 1938, das der Dachverband des Sokol an das Sportmi
nisterium richtete, war die Rede von einem Vorfall in Dalmatien, wo sich 500 Mitglie
der des Kroatischen Bauernschutzes mit Messern, Revolvern und großen Prügeln be
waffnet vor der Sokol-Ubungshalle „zusammengerottet“ hätten. Zwei Stunden später
seien „aus Primosten und Umgebung noch 800 weitere Mitglieder, die auf dieselbe
Weise bewaffnet waren“, dazugestoßen. Die Polizei habe sich nicht auf die Straße
getraut, für „(jugoslawisch)national gesinnte Menschen“ sei das alles „furchtbar“.
Doch der Tag ging glücklicherweise ohne Tote und Verletzte, nur mit Sachschaden zu
Ende.133 Nicht nur für Dalmatien ließen sich etliche solcher und ähnlicher Fälle be
richten. In Zagreb und Slawonien hatte der Sokol einen noch schwereren Stand seit
Mitte der 30er Jahre. Vor allem nach der Schaffung der „Banschaft Kroatien“ war es
endgültig mit der staatlichen Unterstützung des Sokol in Dalmatien vorbei. In Sinj
wurde das Falken-Heim von der Verwaltung der Banovina versiegelt, so daß es nicht
mehr benutzt werden konnte, nachdem sich vorher der Sokol geweigert hatte, der
Aufforderung des Bürgermeisters Anicic Folge zu leisten und das Haus zu räumen.134
Im Dorf Betina in der Gemeinde Sibenik, das 1918 eine komplette Sokol-Garde ge
stellt hatte, wurde der „psychische und physische Druck“ der Anhänger der Bauern
partei schließlich so stark, daß am 16. Oktober 1939 aufgebrachte Demonstranten
während einer Sokol-Veranstaltung die Teilnehmer zwangen, das Heim zu verlassen,
um es dann zu demolieren. Am nächsten Tag kehrten sie noch einmal zurück, warfen
die zertrümmerten Möbel auf die Straße und zündeten sie an, „tanzten um das Feuer
und schossen in die Luft aus Pistolen und Gewehren“. Dem Sokol sei ein „Schaden
von ca. 15.000 Dinar“ entstanden. In seinem Brief machte der örtliche Vorsitzende
dafür „die Mitglieder des Bauernschutzes und der „Gospodarska sloga“ von Betina“
verantwortlich.135 Auch die Konfiskation von 3 Jagdgewehren durch Mitglieder des
Bauernschutzes in Sukosan, für die die Sympathisanten des Sokol und der Regime-
Partei JRZ „eine Erlaubnis“ gehabt hätten, und eines Revolvers am 11.Februar 40 in
Vrsina bei Zadar, führt Jakovcev als Beispiele der „Verfolgung“ des Sokol an.136 Nach
133 Arhiv Jugoslavije, Fond MFVN, inv.br. 71 fase. 14 jed. 8, hier zit. nach Jakovcev, S. 56ff.
134 AVII, k. 6, f. 2 dok. 24, hier zit. nach Jakovcev, S. 67.
135 AVII, k.6f. 2 dok. 26, hier zit. nach Jakovcev, S. 67f. Interessanterweise schreibt der Verf., der
für seine Arbeit Mitglieder d. Sokol aus Betina befragt hat, in einer Fußnote, daß „die jünge
ren Mitglieder des Vereins auch nach der Zerstörung ihrer Ubungsräume (...) mit der vor
militärischen Ausbildung (...) fortfuhren, um sich so auf die Verteidigung des Landes vorzu
bereiten.“ Jakovcev lobt dieses „patriotische und enthusiastische“ Verhalten der Sokol-Orga-
nisation. Vielleicht hätte er darin aber auch den Grund, der ihm unklar bleibt, für die Verwü
stungsaktion entdecken können. F 46, S. 69.
136 Vgl. Jakovcev, S. 70f. Er dokumentiert aber nur einen einzigen Fall von Körperverletzung
und Mord. Karlo Kuzmanic, Mitglied des Sokol von Milna auf der Insel Brac, wurde am
16.07.1940 von „einer Gruppe von Mitgliedern des Bauernschutzes“ verprügelt und erlag
später im Krankenhaus in Split den Folgen seiner Verletztungen; „Soko na Jadranu“, Nr. 8-
379
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
den Angaben der Zeitschrift „Soko na Jadranu“ (Der Falke an der Adria) gab es
zwischen 1939 und 1940 90 Fälle von „Entlassungen und Versetzungen“ von Sokol-
Mitgliedern als Schikanen der kroatischen Behörden an der Küste. Immer mehr Orts
vereine in Dalmatien lösten sich auf.
Am 26. Oktober 1940 fand die 10. Ordentliche Versammlung des jugoslawischen So-
kol in Belgrad statt, wo eine ernüchternde Bilanz gezogen wurde: „Das Jugoslawien,
für das die Sokol-Bewegung gekämpft hat und für dessen Verwirklichung es eingetre
ten ist“, gäbe es nicht mehr. Der Kampf gegen den Sokol in der Banovina Kroatien
sei „ein Kampf gegen den Jugoslawismus, gegen die Idee der staatlichen und nationa
len Einheit.“ In einer besonderen „Resolution“ wurden die unter „gesetzlosen Angrif
fen leidenden Brüder und Schwestern“ in Kroatien der „vollen Hilfe und Unterstüt
zung“ versichert.137 Die „Feinde des Sokol“ würden „alle Mittel“ nutzen, um die
Arbeit des Verbandes zu verunmöglichen. Falken-Heime würden geschlossen oder
konfisziert, weswegen „viele Untergliederungen auf dem Gebiet der Banovina die
Arbeit verringern oder einstellen“ müßten.138 Letztlich wurden fast alle Ortsvereine
in der Banovina aufgelöst. Alle noch verbliebenen Mitglieder des Sokol wurden aufge
fordert, „unbedingt“ zur Jahreshauptversammlung zu kommen.139
Das völlige Fiasko der 1918 angetretenen Kräfte, die eine „jugoslawische Synthese
erstrebt hatten,140 wurde nicht nur in der Geschichte des dalmatinischen Sokol deut
lich. Auch in den staatlichen Schulen141 konnte sich trotz allen Drucks die jugoslawi
sche Option in Dalmatien nicht durchsetzen.
9/1940, S. 72. Jakovcev spricht von Listen von Leuten, die „liquidiert“ werden sollten, weil
sie „Kommunisten, Jugo-Nationalisten und herausragende Mitglieder des Sokol waren“
(S. 71), führt aber keinen Beleg dafür an.
137 Izvestaj o radu uprave Saveza sokola Kraljevine Jugoslavije za godinu 1939, podnet na redov-
noj glavnoj skupstini Saveza SKJ 26. oktobra 1940, S. 63f. u. S. 10.
138 ebenda, S. 17.
139 Auch wenn eine halbe Stunde nach dem angesetzten Beginn der Veranstaltung „kein Drittel
der eingeschriebenen Mitglieder“ erscheinen sollte, würde „die Versammlung trotzdem abge
halten. Narodni list v. 16.01.1941.
140 Noch 1938 gaben manche Verf. die Hoffnung darauf nicht auf; Mitrovic, Cedomil, Zivotni
krugovi hrvatstva (Die Lebenskreise des Kroatentums), Beograd 1938.
141 Pokrajinska vlada za Dalmaciju u Splitu. Odjeljenje za trgovinu i industriju: Skolski odsjek.
1920-1924 BH 5/1 f. u. Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Odsjek za
trgovinu, obrt i industriju. Odjeljenje za strucnu nastavu. Vazne naredbe 1934.-1939. BH 6/
I-VIII.
380
Jugoslavenstvo in der Schule
Für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit sind hauptsächlich die vermittelten
Bildungsinhalte während der Zwischenkriegszeit interessant. Die wertvollen Arbeiten
von Charles Jelavich geben ein genaues Bild davon.142 Seine Forschungsergebnisse
sind eindeutig: Bis zur Vereinigung 1918, und teilweise noch bis 1929, so stellt er
fest, „the students were not taught Yugoslavism, but Serbianism, Croatianism and
Slovenianism.“143 Der als „beherrschendes Grundmotiv“ der Belgrader Schulpolitik
der Zwischenkriegszeit herausgearbeitete, von oben aufgesetzte, Unitarismus und
Jugoslawismus entfaltete offensichtlich keine große Überzeugungskraft.
Staatlicherseits ging es darum, „einen neuen Typ des Jugoslawen zu schaffen“, wie es
auch im Grundschulgesetz von 1929 festgeschrieben war. Zunächst wurden in den
Zwanziger Jahren die Lehrziele in Geographie und Geschichte noch umschrieben als
„Kennenlernen des Vaterlandes und die Erweckung der Liebe zu ihm“, „Kennenler
nen und Geschichte der Serben, Kroaten und Slowenen“ und „Erweckung nationaler
und patriotischer Gefühle“,144 mit dem Ziel, das Bewußtsein zu wecken, einem
„dreieinigen Volk“ anzugehören. Nach Ausrufung der Königsdiktatur wurde dann
versucht, auf Biegen und Brechen den Jugoslawismus einzuführen. Eine Mitteilung
des Bildungsministeriums von 1930 ließ keine Zweifel offen: „Die Lehrer sind aufge
fordert, im Unterricht, in der Erziehung und überhaupt, wo sich eine Gelegenheit
dazu ergibt, die jugoslawische Ideologie zu entwickeln und zu pflegen: ein Volk, ein
Staat, ein König.“145 Daß es um „serbische Vorherrschaft“ ging, wurde nicht nur durch
die Repressions- und Disziplinierungsmaßnahmen gegen nicht-serbische Lehrer deut
lich.146 In den hauptsächlich serbischen Schulbüchern, die in ganz Jugoslawien ver
wendet wurden, manifestierte sich die betriebene Zentralisierungspolitik.147 Im ver-
142 Jelavich, Charles, South Slav Nationalisms. Textbooks and Yugoslav Union before 1914, Co-
lumbus, Ohio 1990; ders., Education, Textbooks and South Slav Nationalisms in the Interwar
Era, in: Reiter, N./Sundhaussen, H. (Hg.), Allgemeinbildung als Modernisierungsfaktor, Ber
lin 1994, S. 127-142; ders., Serbian Textbooks: Toward a Greater Serbia or Yugoslavia, in:
Slavic Review 42/4 (1983), S. 601-619.
143 Jelavich, Education, Textbooks and South Slav Nationalisms in the Interwar Era, S. 127 u.
130.
144 Nastavni plan (Lehrplan) za I, II, II i IV razred osnovnih skola Kraljevine SHS, Beograd
1926, S. 11, hier zit. nach Mayer, S. 122. Jelavich (Education, S. 130f.) weist darauf hin, daß es
während des ersten Jahrzents, aufgrund des Widerstands der Ex-k.u.k.-Gebiete, nicht gelang
ein unifiziertes Schulgesetz zu verabschieden.
145 Vgl. Note des Bildungsministeriums v. 22.2.1930, hier zit. nach Mayer, S. 60 u. das Kap.
„Bildungskonzeption und Bildungspolitik nach 1918“, ebenda, S. 58-80, sowie Jelavich, Edu
cation, S. 132ff.
146 Mayer, S. 128f. mit zahlreichen Belegen.
147 Jelavich, Education, S. 134ff., Mayer S. 64.
381
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis
breitetsten Lesebuch für die vierte Grundschulklasse wurden in allen Auflagen, bis
zum Auseinanderfallen dieses Staates, „alle südslawischen Gebiete außer Slowenien“
zu „Serbischen Ländern“ erklärt. Auch Dalmatien gehörte dazu.148 Dagegen ergab die
Analyse von Schulbüchern der Zwischenkriegszeit, die von Kroaten verfaßt waren,
daß der in ihnen propagierte Patriotismus bzw. Nationalismus sich ebensogut auf ein
kroatisches Vaterland beziehen konnte wie auf ein jugoslawisches.149
Als entscheidend im kroatischen Fall erwies sich, daß die Generation, die vor 1918
die Schulen in Kroatien, Slawonien und Dalmatien durchlief, die jugoslawischen Ideen
als Mittel, mit deren Hilfe die territoriale und sprachliche Einheit der Kroaten zu
erreichen war, rezipierte, und nicht als Aufruf zur Bildung eines Einheitsstaates. „Fe
ste Grundlagen“ gab es also auch nicht auf ideologischem Gebiet für das nach dem
Krieg gegündete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Es war offensichtlich,
daß „the new kingdom was precisely what its name implied, a political Union of three
distinct nations, the Serbian, Croatian and Slovenian, whose members did not conceive
of the state in similar terms nor share a common goal. Once this became apparent,
the leadership in each nation, not only the major statesmen, but,.more important,
those individuals on the regional level who would assume positions of responsibility,
that is, Supervisors, clerks, mayors, councilmen, teachers, policemen, etc. reverted to
the views they gained from their prewar education.“150
Die Analyse von Aktenbeständen der regionalen Verwaltung, die sich auf das dalmati
nische Schulwesen bezogen, sowie die Jahresberichte dalmatinischer Schulen151 er
möglichten es, den von Jelavich anhand einer Untersuchung von verwendeten Schul
büchern postulierten Befund nachzuvollziehen.
Im Schuljahr 1922/23 besuchten 402 Schüler, die auf acht Klassen verteilt waren, das
„Große Gymnasium“ (Velika gimnazija) in der Nodilova in Split. Abgesehen vom
neuen Direktor Vid Petricevic - der alte war in Pension gegangen - waren es zum
allergrößten Teil dieselben Professoren im Kollegium, die noch zu Zeiten Österreichs
unterrichtet hatten, genauso wie in den anderen Schulen der Stadt.152 Und auch in
148 Vgl. beispielsweise Protic, Lj./Stojanovic, V. D., Srpska citanka za IV razred osnovnih skola
(Serbisches Lesebuch für die 4. Grundschulklasse), Beograd 1920/26, S. 136f., hier zit. nach
Jelavich, Education, S. 135.
149 ebenda, S. 138.
150 Jelavich, South Slav Nationalisms, S. 133 u. Conclusion, S. 263-277, sowie ders., Education
and Nation-Building, S. 53.
151 Mitte der 20er Jahre gab es folgende Mittelschulen in Dalmatien: Staatl. Realgymnasium in
Dubrovnik u. Herceg-Novi, Staatl. Gymnasium in Kotor, Realgymnasien in Knin u. Sinj,
Staatl. Gymnasium u. Staatl. Realschule in Split, Staatl. Realschule f. Mädchen in Split, Staatl.
Realschule und z.Zt. mit ihr vereinigtes ehemaliges Gymnasium in Zadar in Sibenik. Kralje-
vina SHS, Almanah 1924-1925, S. 24.
152 In den Jahresberichten der Schule werden genannt: Sivije Alfirevic, Josip Barac, Petar Bulat,
Humbert Girometta, Ante Grgin, Dr. Josip Gugliemi, Ante Ivcic, Ivo Juras, Martin Katunaric,
Dr. Vinko Lozovina, Frano Maroevic, Josip Namar, Don Ante Petravic, Don Ivan Pivcevic,
Marin Rabadan, Dr. Vinko Radatovic, Josip Sasso, Sr. Mladen Skarica, Zvonimir Zlatar.
382
Jugoslavenstvo in der Schule
den sechs Grundschulen Splits (jeweils 4 Klassen mit insgesamt zwischen 168 und 450
Schülerinnen und Schülern pro Schule) sah es nicht anders aus.153
Was hatte sich in den Schulen geändert? Jetzt, im neuen Staat, schlug die Stunde von
jugoslawisch eingestellten Patrioten, wie der Lehrer Silvije Alfirevic einer war. Als
„Präsident“ der „Jugoslovenska Matica“ und des „Lehrervereins“ (Profesorsko
drustvo)154 und Mitglied in vielen anderen patriotisch-jugoslawischen Organisationen
arbeitete er aktiv an der Durchsetzung der Idee des „dreinamigen Volkes“. Auch aus
den Akten der lokalen Schulbehörden wird deutlich, daß der „jugoslawische Nationa
lismus“ den Schülern bei jeder sich bietenden Gelegenheit nahegebracht werden
sollte.155 Die „Verordnungen über die Arbeit, die Ordnung und den Unterricht“ in
den Schulen atmeten diesen Geist. Sie waren auch schon vor 1929 in Kyrillisch gehal
ten, mit serbischer Terminologie und lösten die vorherigen k.u.k.-Verordnungen ab.156
Der „national-patriotische Charakter“ wurde vom Unterrichtsministerium durchaus
auch in Aktionen von exklusiv serbischen Vereinen wie dem „Kolo srpskih sestara“
(Kreis der serbischen Schwestern) entdeckt, deren aufklärerische Bemühungen die lo
kale dalmatinische Verwaltung angewiesen wurde zu unterstützen, doch niemals in
kroatischen Organisationen.157
Auch der Religionsunterricht im neuen Staat bot Anlaß für zahlreiche Konflikte. Trotz
zahlreicher Auflagen staatlicherseits, daß die „religiösen Gefühle“ von der „nationalen
jugoslawischen Schule“ nicht verletzt werden sollten, vielmehr die Kinder „im Geiste
religiöser Toleranz“ zu erziehen seien,158 rief der Religionsunterricht immer wieder
Proteste nicht-serbischer Eltern hervor. Die Eltern von Kindern islamischen und ka-
153 Die Stadt Split hatte ein, für südslawische Verhältnisse, ausgebautes Schulwesen. Dort gab es
eine „Velika Realka“, eine Gractevinska skola (Mittelschule m. Fachrichtung Bautechnik), ein
Mädchen-Gymnasium (Zenska realna Gimnazija), u. Mittelschule f. Mädchen („Zenska grad-
janska skola“), eine Handelsakademie (Trgovacka akademija), Berufsschulen (Obrtnicka
skola, Niza segrtska skola, Srednja Tehnicka skola“, „Muska zanatska“ und „Zenska obrtna
skola,,) und eine „Landwirtschaftsschule“ (Poljoprivredna skola) mit angeschlossenem Heim.
Eine „Musikschule“ (Muzicka skola) und eine private Kunstakademie vervollständigten das
Bildungsangebot in der Stadt. 1928 wurden zwei neue Grundschulgebäude gebaut. Skarica,
Splitski shematizam, S. 55.
154 Darin waren die Gymnsiallehrer organisiert. Das „Udruzenje Jugoslavenskih ucitelja - Povje-
renistvo u Splitu“ war für die Lehrer der übrigen Schulen gedacht; Skarica, Splitski shemati
zam, S. 72.
155 Veliki zupan splitske oblasti. Odjeljenje trgovine i industrije: Skolski odsjek 1929. BH 3/1,
BH 3/II u. Kraljevsko banska uprava - Split. Prosvjetno odjeljenje. Okruznice Ministarstva
prosvjete Kraljevine Jugoslvije 1934. - 1939. ISV-BH 4/1-VI,. Explizit z.B. in Rundschreiben
Nr. 3774 v. 8.02.1934, Nr. 38333 vom 31.10.1934, Nr. 4303 v. 19.11.34, Nr. 63531 v. 26.11.34
etc.
156 Kraljevska Banska uprava Primorske banovine - Split. Odjeljenje za trgovinu, obrt i indu-
striju. Skolski odsjek. Prijedlog pravilnika za Srednju tehnicku skolu, za Zensku srednju skolu
i dr. 1928.-1931. BH 8/1, Nr. 2829 v. 8.02.1928.
157 Nr. 8990 v. 03.05.1934.
158 Vgl. z.B. Nr. 6965 v. 1.02.1935.
383
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einheitsverständnis
tholischen Glaubens wehrten sich gegen die Bevorzugung der orthodoxen Kirche in
den staatlichen Schulen. So durfte beispielsweise nach Bitte des Heiligen Synod der
Serbisch-orthodoxen Kirche zwischen dem 25. Januar 1935 und 27. Januar 1936 in
allen Schulen das „Jahr des Heiligen Sava“ (Svetosavska godina) begangen werde. Der
Verkauf von „Büchern und Broschüren über den Hl. Sava und Bilder und Medaillen“
wurde erlaubt, die der „Ausschuß zum Begehen des Jahres des Hl. Sava“ herausgab.
„Kinder orthodoxen Glaubens“ durften in den Schulen auch „Spenden für den Bau
eines Tempels des hl. Sava sammeln“.159 Vor allem im stark katholisch geprägten dal
matinischen Hinterland führte das dazu, daß manche Bauern ihre Kinder nicht mehr
in die Schule schicken wollten. Der „Boykott der Volksschulen durch die Bevölke
rung“, wie es in einem vertraulichen Bericht an den Banus der Küstenbanschaft hieß,
hatte solche Ausmaße angenommen, daß die „Gemeinde- und Polizeiverwaltungen“
in Dalmatien darauf hingewiesen werden mußten, daß „vor allem aus politischen oder
religiösen Gründen“ in einigen Regionen eine „Bewegung gegen die Volksschulen“
entstanden sei. „Boykott-Maßnahmen“ gegen unliebsame (serbische od. jugoslawisch
eingestellte) Lehrer dürften aber keinesfalls hingenommen werden. Der Unterricht sei
Pflicht und die Strafen für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken, im
Gesetz klar definiert. Besonders gegen die „Rädelsführer“ und „Aufwiegler“ würde
polizeilich vorgegangen werden. Keinesfalls würden Lehrer versetzt, die Eltern von
Schülern nicht paßten. Die „strengsten Maßnahmen“ drohte der Banus der Küsten
banschaft Jablanovic in seinem Schreiben an.160 Mit allen ihm zur Verfügung stehen
den Mitteln versuchte der Belgrader Staat seine Auffassung von Integration durchzu
setzen. Jedes Lehrbuch, das im Unterricht Verwendung finden oder in der Schulbi
bliothek aufgestellt werden durfte, mußte vom Ministerium genehmigt sein.161 Doch
die Klagen, daß „in vielen Volksschulen Lehrbücher im (katholischen, A. J.) Religions
unterricht verwendet werden, die vom Unterrichtsministerium überhaupt nicht bewil
ligt worden“ seien, verstummten nicht über die Jahre.162
Die auch sonst vorgebrachten „Argumente“ für den Gesamtstaat wurde in allen Schul
typen versucht, Jugendlichen und Heranwachsenden nahezubringen. Anläßlich der
Eröffnung der neuen Spliter Handelsakademie erfuhren die Schüler beispielsweise aus
dem Mund des Bürgermeisters: „Nachdem die weißen Adler, die Blüte unseres Volkes,
die heldenhaften Serben, auf blutigen Schwingen die Freiheit gebracht“ hätten, würde
nun „unsere sich auf alle Felder erstreckende Rückständigkeit in Dalmatien, überwun
den“ werden. Das „schon baldige Aufblühen des Welthandels, in dem Dalmatien, und
vor allen Dingen Split, eine wichtige Rolle spielen wird“, würde Split zum „wichtig-
384
Jugoslavenstvo in der Schule
sten Ausgang unseres jungen Staates zum Meer“ machen und die Stadt „im Verkehrs-,
Handels- und industriellen Mittelpunkt Dalmatiens“ würde zwangsläufig zum
„Haupt- und Zentralhafen“ werden. Das würde dann auch bald Wohlstand nach sich
ziehen.163
Jugoslawischer Patriotismus war das Gebot der Stunde. Es verwundert nicht, daß
die schriftlich zu beantwortende Frage im Fach Serbo-Kroatisch 1931 war: „Welche
Wirtschaftszweige haben besonders günstige Entwicklungsbedingungen in der Kü
stenbanschaft?164 In den Jahresberichten wurden die Schüler aufgerufen, sich in jugo
slawischen Patriotenvereinen wie der „Jadranska straza“ und dem „Sokol“ zu engagie
ren, deren Statuten vom Bildungsministerium offiziell gebilligt wurden.165 Vor allem
der Sokol erfuhr jede nur mögliche Unterstützung seitens des Ministeriums. Die Ban-
schafts-Administration in Split bekam die Anordnung, die „patriotischen Aktionen
des Jugoslawischen Sokol wärmstens zu unterstützen“. Beschwerden, die dem Mini
sterium zu Ohren kamen, daß „es Lehrer gibt, die das Tragen von Sokol-Abzeichen im
Unterricht den Mitgliedern des Falken-Verbandes untersagen“,166 zogen von höchster
Stelle jedesmal Klarstellungen nach sich, daß nicht nur das Tragen der Abzeichen in
der Schule erlaubt, sondern der Verband auch aktiv durch die Lehrerschaft zu unter
stützen sei.167
Die Jahresberichte der Schulen verzeichneten alle während des Schuljahres stattge
fundenen jugoslawischen Gedenkfeiern, wie den Vereinigungstag, Tag des hl. Sava
etc.168 Von der obligatorischen Kranzniederlegung am Denkmal des Vereinigungs
königs, Vereinigungsfeiern,169 zahlreichen „bewegenden und erhebenden patriotischen
Vorträgen“, bis zu den Prüfungsthemen: „Auf der Einigkeit liegt Segen“; „Der in uns
lebende ritterliche König Aleksandar I, der Vereiniger, als Kämpfer für den Frieden
der Welt“; „Serbe, Kroate und Slowene sind zusammen der schönste brüderliche
Kranz“ etc. Immer war es das gleiche Lied.170 Nicht anders liest sich die Liste der
„Schulaufgabenthemen aus dem Fach Serbo-Kroatisch“ für das Mädchengymnasium:
163 Vgl. die Rede v. Ivo Tartaglia, in: Drzavna trgovacka akademija Split, Izvjestaj za skolsku
godinu 1930-1931, Split 1931, S. 8-10.
164 ebenda, S. 79.
165 PAS BH IV Nr. 704 v. 13.01.1934.
166 Schreiben des Verbandes an das Ministerium Nr. 13505 v. 31.10.1936.
167 Vgl. Nr. IV/7670 v. 28.03.1934, Erlasse in den Akten unter Nr. 46553 v. 21.11.1936, Nr. 83480
v. 26.12.1936.
168 ebenda, S. 53ff. Nicht anders sehen die Jahresberichte in anderen dalmatinischen Schulen aus;
z.B. Drzavna realna gimnazija u Sinju, Izvjestaj za skolsku godinu 1927-38.
169 Im Jahresbericht las sich das so: „Die Schuljugend feierte fröhlich und voller Liebe diesen
großen und wichtigen Tag, in dem unser ganzes Volk sein schönstes und höchstes Ziel erreicht
hat, die Vereinigung mit unseren Brüdern vom gleichen Blute in einen mächtigen Staat, dem
ein glückliches und friedliches Leben garantiert ist.“
170 Vgl. Jahresbericht 1934/35, S. 38. Die meisten Eltern der Schüler der Handelsakademie waren
Beamte (67) gefolgt von Handwerkern (19), Händlern (16) und Anwälten (11). Bericht
f. 1935-1936, S. 5f. u. llf.
385
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Von der „V. Klasse 1.Thema: Es lebe Jugoslawien!“ bis zur „VIII. Klasse, auf kyril
lisch“: „Warum ist es notwendig, daß sich Abiturienten vor allem in den nationalen
Fächern hervortun“ oder „Worin liegt die Kraft eines Volkes?“171 Mit allen Mitteln
wurde staatlicherseits versucht, den Jugoslawismus in der Schule zu propagieren.
Durchgehend bestätigt die Lektüre der Jahresberichte der Spliter Gymnasien172 und
Mittelschulen173 dieses Bild. Doch alle Vorträge „zur Stärkung des Nationalgefühls
und Vervollständigung der Bildung“, die in den Berichten aufgelistet sind, und der
von den Lehrern propagierte und abgefragte jugoslawische Nationalismus erreichten
ihr Ziel nicht. Die Worte, die im Jahresbericht der Staatlichen Technischen Mittel
schule der Direktor Josip Guglielmi 1935 an seine Schüler richtete, illustrieren, welche
Blüten der staatliche patriotische Erziehungsauftrag trieb:
„Von der Wiege bis zur Bahre seid ihr verpflichtet nur Jugoslawien und der jugoslawischen
Idee zu dienen. Jugoslawien gehören eure Muskeln und eure Herzen, ihm müssen alle frohen
Stunden und Ideale gehören, eure Bestrebungen und all eure Anstrengungen. (...) Schwört,
daß ihr treue Hüter und Verteidiger der Einheit unseres schönen Landes sein werdet und daß
ihr nicht zulassen werdet, daß gekaufte Seelen den Staat und die Freiheit zugrunde richten,
die mit einem Meer von Blut errungen wurden, daß euch die Rettung und das Wohlergehen
der staatlichen Einheit einziger Leitgedanke und einzige Sorge sein wird, im Bewußtsein, daß
unsere Zukunft nur dann am sichersten sein wird, wenn wir weiterhin auf dem Weg gehen,
auf dem uns König Aleksandar geführt hat: auf dem Weg der nationalen und staatlichen
Einigkeit. (...).174
Doch ab dem Schuljahr 1938/39 brachen auch die Schulen als Bastionen des staatlich
propagierten Jugoslawismus zusammen und schwenkten auf die kroatische Linie ein.
Selbst an der Technischen Mittelschule wehte im Schuljahr 1939/40 ein anderer Wind.
Der neue Direktor, Zvonimir Zlatar, der alte blieb mit 33 Dienstjahren aber noch im
Kollegium, hielt nun keine schwülstigen Jugo-Vorträge mehr, sondern sprach zu sei
nen Schülern (nicht viel weniger pathetisch) über „Eugen Kvaternik“ (am 11. Okto
ber), den „Tod der Frankopanen“ (30. April) oder die „Kroatische Enzyklopädie“ (6.
Mai); die unterrichtete Sprache hieß jetzt im Jahresbericht „kroatisch“ und nicht mehr
„serbo-kroatisch“, wie noch im Jahr zuvor.175 Entsprechend lautete das Aufsatzthema
für die Sixta „Split- der Mittelpunkt des dalmatinischen Kroatien“, und von der Septa
sollte „Einfluß des Nationalismus auf unser Volksleben“ untersucht werden.176 Auch
wurde zu Anfang des Schuljahres eine „Reorganisation“ des Jugendverbandes der
386
Jugoslavenstvo in der Schule
„Jadranska straza“ in allen Klassen durchgeführt und eine neue Leitung gewählt. Die
einzige verzeichnete Aktivität der „Jadranska straza“ war das festliche Begehen des
„Tags der Adria“ am 30. Oktober. Die 152 Falken unter den Schülern hatten sich laut
Jahresbericht auf sportliche Übungen beschränkt und jegliche Vortragstätigkeit ihrer
Sektion eingestellt. Das übernahm nun die Organisation „Der kroatische Held“
(Hrvatski junak). Vertrauenslehrer war Zivko Kljakovic, der seit „8 Jahren, 9 Monaten
und 28 Tagen“ im Staatsdienst war, wie der Bericht gleichfalls vermeldete, und neben
dem „geometrischen und räumlichen Zeichnen“, das er unterrichtete, nun offiziell
auch für den kroatischen Patriotismus zuständig war. In seinem Beitrag im Jahresbe
richt der Schule hieß es: „Um die nationalen, moralischen und sozialen Erziehungs
ziele zu erreichen, ist die Arbeit in einen kulturellen und einen körperertüchtigenden
Teil geteilt. Die aufklärerischen Zusammenkünfte finden in den Räumlichkeiten des
„Hrvatski junak“ und die Körperertüchtigung in der schuleigenen Turnhalle fast jeden
Abend statt. 70 aktive Mitglieder hatte unser Verband. (...) Während des Schuljahres
haben alle Schülerhelden an allen kulturellen Manifestationen des Hrvatski junak teil
genommen.“177
Im Schuljahr 1939/40 hieß es auch im Mädchengymnasium von Split sich umstellen,
wenn am 11. Oktober „auf einer Trauer- und Gedenkveranstaltung anläßlich des Jah
restags von Eugen Kvaterniks Tod“ dieses „idealen Kämpfers für die Freiheit des
kroatischen Volkes" gedacht wurde. Nach der Rede wurde „die kroatische Hymne“
angestimmt und nicht mehr die jugoslawische, die noch im letzten Schuljahr „zur
feierlichen Manifestation der 20. Wiederkehr des großen Vereinigungstages“ am 1.
Dezember gesungen worden war, bevor der Schülerinnenchor das Lied „Jugosla
wien!“ zur Aufführung gebracht hatte. Nun stand am 10. Februar „zum Todestag
von Dr. Antun Radic, des großen Volksaufklärers und Gelehrten, des heldenhaften
Kämpfers für die nationalen Rechte“ ein Vortrag über dessen „Leben, Persönlichkeit
und wichtigsten Ideen und deren Bedeutung im kroatischen nationalen Leben“ auf
dem Programm. Die Schulaufgaben wurden jetzt auch hier im Fach „kroatische Spra
che“ geschrieben und die VIII Klasse sollte sich Gedanken machen über „Hat unser
Volk das Recht so zu leben, wie es will?“ oder „Die Eigenschaften unseres Volkes im
Lichte seiner Geschichte und Volkspoesie“ zu erörtern.178 Der Sieg der kroatischen
Option in Dalmatien war offensichtlich. Im folgenden Abschnitt soll gezeigt werden,
wie sich das kroatische Nationsverständnis an der Küste durchsetzte.
387
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Der „Senator und Minister im Ruhestand“, Grga Andjelinovic, sah in einer Parla
mentsrede im März 1937 „die Existenz des Staates“ in Gefahr, da die „Staatsgrund
lage“, der Gedanke der Einheit der Serben, Kroaten und Slowenen als eines jugoslawi
schen Volkes, „zerfallen“ sei.179 „Wir Kroaten, die wir jugoslawisch orientiert sind“,
klagte er, „haben es nun mit einer schweren Situation zu tun, denn als Nationalisten
und Jugoslawen kommen wir uns seitens der Führung der HSS, die die kroatisch
nationale Volksbewegung und den kroatischen politischen Kampf überhaupt anführt,
aus dem kroatischen Volk ausgeschlossen vor. (...) In Zagreb gelten wir als von Bel
grad bezahlt. In Belgrad sind wir Exponenten von weiß ich wem; (...) Wir sind Men
schen ohne Heimat - „vogelfrei“ (im Original auf deutsch).“ Mit ihm fragten sich
wohl alle überzeugten jugoslawischen Nationalisten: „Wie ist es gekommen, daß die
Kroaten, entgegen ihrer jugoslawischen Ideologie, ihrer ganzen Tradition (...) jetzt
auf einmal die vollkommen entgegengesetzte Stellung eingenommen haben und die
nationale Einheit negieren?“ In den Augen von Andjelinovic, was wohl die überwälti
gende Mehrheit der Kroaten genauso sah, war es „eine Reaktion auf die Politik Bel
grads“. Die einzige Lösung der verfahrenen Situation sei nun ein „Kompromiß“, eine
„Übereinkunft“ (sporazum) mit der Bauernpartei. Die „Nationalisten, die bei der
Fahne und ihrem Ideal der Volkseinheit treu geblieben sind“, für die der Redner
vorgab zu sprechen, stellten schon lange keine relevante Gruppierung mehr dar.180
Das politische Leben des dalmatinischen Anwalts (und ehemaligen Anwaltspraktikan
ten Ante Trumbics) Grga Budislav Andjelinovic (1886-1946) spiegelt exemplarisch
den Werdegang derjenigen Intellektuellen, die nach 1918 zum gemeinsamen Staat der
Serben, Kroaten und Slowenen standen. Andjelinovic’ Weg vom Vorsitzenden der
Starcevic-Jugend an der Zagreber Fakultät, vom exklusiven kroatischen Nationalis-
179 Angjelinovic, B. Grga, Za jedinstvo i ravnopravnost. Govor u budzetskoj debati u senatu dne
18. marta 1937. (Für die Einigkeit und Gleichberechtigung. Rede in der Haushaltsdebatte im
Senat am 18.03.1937), Split 1937, S. 3 u. S. 5. Während seines Jurastudiums um die Jahrhun
dertwende noch Anhänger Starcevics und einer der Initiatoren der „Mlada Hrvatska“ (Junges
Kroatien) vollzog Andjelinovic später dann den Schwenk zum terroristischen Ultrajugosla-
venstvo. Als Obmann für die öffentliche Sicherheit des Volksrates 1918 in Zagreb war er
für die blutige Niederschlagung der Dezemberdemonstration verantwortlich. Ab 1919 in der
Demokratischen Partei. Während der Diktatur war er Minister und Botschafter in Prag und
Wien und er gehörte zu den Mitbegründern der (so gut wie einflußlosen) „Jugoslawisch Na
tionalen Partei“ (Jugoslovenska nacionalna stranka) in den 30er Jahren.
180 Angjelinovic, S. 25f., S. 11 u. 34.
388
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
mus, dessen Mission die Schaffung einer kroatischen Nation mit orginärer nationaler
Kultur in einem eigenen Staat war, der noch 1918 das Organ der Rechtspartei „Hrvat-
ska drzava“ (Der kroatische Staat) in Zagreb redigierte, und unter dem Eindruck der
Ereignisse am Ende des Weltkrieges integraler Jugoslawe und Mitglied der Demokrati
schen Partei Pribicevics wurde, steht für die politischen Hoffnungen auf Gestaltungs
macht nach dem Ersten Weltkrieg von zu k.u.k.-Zeiten so gut wie einflußlosen Oppo
sitionellen. Andjelinovic wurde für seinen Jugoslawismus belohnt. Während der Dik
tatur von König Aleksandar war er Minister und Botschafter, von 1935 an Senator. Die
Geschichte seiner Entfremdung von der übergroßen Mehrheit der übrigen kroatischen
Politiker, sein Festhalten am nach dem Weltkrieg angenommenen Jugoslawismus und
die folgende, immer größere, Isolation spiegelt den Niedergang der jugoslawischen
Idee im kroatischen politischen Raum wider.
Alle seine Berufungen anläßlich einer Senatsdebatte 1937 auf zahlreiche frühere „jugo-
slawistische“ Aussagen, ob von Trumbic („Kroaten und Serben sind ihrem Blute und
ihrer Sprache nach ein Volk“) oder anderen kroatischen Politikern, konnten daran
nichts mehr ändern. Selbst seine Erinnerung daran, daß „der verstorbene Radic 1918
für einen „Bundesstaat“ gewesen sei und eine Resolution vorgeschlagen habe, die
lautete: „Das ethnographisch einheitliche, durch geschichtliche, kulturelle und politi
sche Entwicklung in drei Stämme geteilte Volk der Slowenen, Kroaten und Serben,
schafft auf Grundlage der nationalen Einheit und der nationalen-stammesmäßigen
Gleichberechtigung einen gemeinsamen Bundesstaat auf seinem gesamten ethnogra
phisch zusammenhängendem Gebiet“,181 überzeugte nach den Erfahrungen der letz
ten zwei Jahrzehnte die Kroaten nicht mehr vom gemeinsamen Staat. Resigniert muß
ten die Verfechter integraler Auffassungen feststellen: „Es ist eine Tatsache, daß die
Kroaten in ihrer übergroßen Mehrheit (aufgrund der „engstirnigen Belgrader Politik“)
auf die bestehenden Zustände auf eine Art und Weise reagieren, die die Entwicklung
und Existenz dieses Staates in Frage stellt!“182
Schon ein knappes Jahrzehnt früher war auch von wohlmeindenden jugoslawisch
orientierten Publizisten aus Dalmatien eindringlich gefordert worden: „Im Staatsappa
rat muß man sofort aufhören mit der unseligen Praxis, die unserem Volk soviel Böses
zugefügt und soviel böses Blut zwischen den brüderlichen Kroaten und Serben verur
sacht hat (...) Man kann nicht verneinen, daß in diesem Staat ständig über alle kroati
schen Wünsche hinweggegangen wurde und wird.“183 Nach dem Attentat auf Radic
im Juni 1928 war selbst den brennendsten Befürwortern eines jugoslawischen Gesamt
staates klar, daß „der heutige Staatsaufbau (...) nicht weiter Bestand haben“ konnte.184
Nicht einmal ein Jahrzehnt nach der umjubelten Vereinigung war jede Begeisterung
181 ebenda, S. 5. Dieses war durchaus in Übereinstimmung mit dem Vorkriegsprogramm der Bau
ernpartei, in dem es hieß: „Kroaten und Serben sind ein Volk“.
182 ebenda, S. 10.
183 Vgl. Sto sada? (Was nun?), in: Novo doba v. 23.06.1928, S. 1.
184 Novo doba v. 26.08.1928, S. 1.
389
Vom ,integral-jugoslawischen‘ Einheitsverständnis
für diesen Staat in Dalmatien erloschen. Jeder Enthusiasmus für Jugoslawien war,
wie sich zeigen sollte, endgültig verflogen. Da halfen auch keine „Anthologien des
jugoslawischen Gedankens und der Volkseinheit“ mehr, die von gelehrten Professoren
verfaßt wurden und nachzuweisen trachteten, daß sich seit 1390 eigentlich alle Südsla
wen einen zentralistischen Obrigkeitsstaat gewünscht hatten, mit einem serbischen
König als unumschränktem Herrscher an der Spitze, um die „Stammes-Nationalismen
in einen neuen jugoslawischen Nationalismus einzuschmelzen“.185
Dieses Vorhaben schlug so gründlich fehl, daß sich in Folge zahlreiche Intellektuelle, die
sich für einen gemeinsamen Staat der Südslawen eingesetzt hatten, von diesem abwand
ten. Ob Ante Trumbic oder Ante Tresic Pavicic: bei vielen dalmatinischen Politikern ließ
sich dieselbe Entwicklung verfolgen. So war auch der Spliter Dichter und Politiker Tre
sic zuerst Anhänger der staatsrechtlichen Ideen von Ante Starcevic. Nach dem für Ser
bien siegreichen Balkankrieg und bis zum Ausscheiden aus dem diplomatischen Dienst
des nach 1918 gegründeten Staates (dessen einziger kroatischer Botschafter er war) ver
trat er unitaristisch-jugoslawische Standpunkte. Ende der Zwanziger Jahre zog er sich
aus dem politischen und öffentlichen Leben zurück. Schließlich kehrte er wieder zu sei
nen anfänglichen Positionen zurück, kritisierte die „serbische Hegemonie im Staat“ und
kämpfte für die Verwirklichung der Ideen des kroatischen Staatsrechts.186
Zensur und Schikanen aus Belgrad trafen nach Einführung der Diktatur auch ehemals
fanatisch überzeugte Jugoslawen wie Oskar Tartaglia.187 In den Worten Tresics hatte
sich Belgrad „als anders herausgestellt, als ich es mir vorgestellt hatte. Es wurde nicht zur
Hauptstadt Jugoslawiens, sondern möchte Hauptstadt Groß-Serbiens sein, (...) unsere
nationale Einheit war noch nie so gefährdet, nie war der Haß zwischen Serben und
Kroaten so tief und gefährlich“.188 In einem Brief an die Spliter Gemeindeverwaltung
vom 8. Oktober 1932,189 in dem er es ablehnte, an der 50-Jahr-Feier zum Gedenken an
185 Prof. Dr. Viktor Novak: Antologija jugoslovenske misli i narodnog jedinstva 1390-1930 (An
thologie des jug. Gedankens und der nationalen Einheit 1390-1930), Beograd 1930, im Vor
wort S. LXV. Bis zum Zusammenbruch des Königreiches wurde eine Vielzahl solcher Werke
verlegt. Die offiziöse Gedenkliteratur zum 20-jährigen Bestehen des Königreichs Jugoslawien,
also 1938, bemühte sich nach Kräften den Aufschwung auf allen Lebensgebieten auszumalen,
den das Land v. a. nach Einführung der Diktatur genommen hätte.
186 Vgl. Arhiv Dr. Ante Tresic Pavicic (B ATP) im PAS Briefe, Reden-, Artikelentwürfe in seinem
Nachlaß; Endpunkt seiner politischen Entwicklung ist ablesbar in seinen Brief an Zelimir
Mazuranic v. 20.11.40, in dem er sein Kroatentum betont; vgl. auch Galic, Maja, Hrvatske
prilike u dopisivanju Ante Tresica Pavicica (Die kroatischen Verhältnisse in der Koresspon-
denz von ATP), Split 1995, die Teile seines Briefwechsels bis 1908 veröffentlicht hat u. den
Sammelband eines Kolloquiums über den Dichter v. 15.11.1993, Zbornik, Split 1995.
187 ATP Brief Oskar Tartaglias v. 10.01.1931.
188 Tresic Pavicic, Ante, Buducnost juznih Slavena (Die Zukunft der Südslawen), Zagreb 1928,
S. lllff.
189 Vgl. Brief Josip Smodlakas an Dujam Mikacic v. 10.10.1932 neben beigelegtem Brief an die
Gemeindeverwaltung in Split vom 8.10.1932 im Familienarchiv Mikacic, hier. zit. nach Kort-
sek, S. 18.
390
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
die Übernahme durch die „Narodna stranka“ teilzunehmen, weil der Festakt durch eine
kommissarische Verwaltung ausgerichtet wurde, schrieb Josip Smodlaka: „Aus dieser na
tionalen Festung (gemeint war die Spliter Verwaltung, A. J.) ist volle 30 Jahre lang an unse
ren Ufern das Terrain für die Befreiung und Vereinigung der Jugoslawen vorbereitet wor
den“; so hätte die Spliter Gemeinde „als einzige in ganz Österreich unmittelbar vor dem
Ersten Weltkrieg gewagt, eine ihrer Hauptstraßen nicht nur nach Zagreb, sondern sogar
nach Belgrad zu benennen. Und das zu einer Zeit, „als für Belgrad zu sein nicht bedeutet
hat, alles zu bekommen, sondern alles zu verlieren.“190 Auch aus seinen Worten sprach
tiefe Enttäuschung angesichts der politischen Bedingungen im jugoslawischen Staat.
Das Experiment Jugoslawien war gescheitert. Die Probleme Dalmatiens waren diesel
ben geblieben. Was hatte sich gebessert, nur weil man nun Teil eines jugoslawischen Staa
tes geworden war? Wegen eines regenarmen Jahres stand wieder, wie die Zeitungen
schrieben, „Die Hungerfrage vor dem Regionalparlament“191 an. Für die Menschen in
der Zagora, auf den Inseln und in den Küstendörfern hatte sich nichts geändert. Als Bi
lanz läßt sich festhalten, daß man während der Zwischenkriegszeit auch in Dalmatien,
einer wie auch immer gearteten „jugoslawischen Synthese“ keinen Schritt näher gekom
men war. Ganz im Gegenteil. Es wurde offensichtlich, daß Serben, Kroaten und Slowe
nen „were three seperate nations, which were not ready to sacrifice a millenium of hi-
story and tradition for the Yugoslav concept, which was nebulous at best and which was
not understood by the overwhelming majority of the citizenry.“192 Vielmehr hatten sich
im Gegenzug die jeweiligen kroatischen, slowenischen und serbischen nationalen Iden
titäten gefestigt.
Lange vor dem politischen Bruch war es schon deutlich geworden, daß in den mehrheit
lich kroatischen Gebieten neben den offiziell propagierten Einheitsideen eine andere,
eigene Identitätsmatrix existierte.193 Dies verdeutlichte der öffentliche Diskurs, wie er
sich z. B. rekonstruieren läßt in den Debatten um die Errichtung von Denkmälern.
Aufstellung und Einweihung von Denkmälern waren und sind eminent ideologische
und (zumindest ihrer Intention nach) gemeinschaftsstabilisierende Veranstaltungen.194
Gemeinsames Bewußtsein muß sichtbar und erfahrbar sein, muß eingeübt, bestätigt
und stimuliert werden. Das Medium, das diese Voraussetzungen in idealer Weise er
füllt, ist das Denkmal. Es ist Träger erinnerter Geschichte und beschworener Nation.
Denkmäler verweisen auf den zu Legitimationszwecken der Gegenwart beschworenen
historischen Kontext. Das Geschichtsbild einer nationalen oder nationsähnlichen
Gruppe stellt selbst ein wesentliches Element des Nationalismus dar.195 Die „soziale
190 Mikacic, Dujam, Narodna pobjeda u Splitu. Rede in Novo doba Nr. 259-262/1922.
191 Novo doba v. 11.12.1928, S. 3.
192 Jelavich, Education, Textbooks, S. 139.
193 Vgl. z.B. Znameniti i zasluzni Hrvati te pomena vrijedna lica u hrvatskoj povijesti od 925-
1925 (Berühmte u. verdiente Kroaten und erinnerungswerte Personen der kroatischen Ge
schichte 925-1925), Zagreb 1925.
194 Vgl. die Einweihung des Denkmals f. Marko Marulic (1925) u. Grgur Ninski (1929) in Split.
195 Lemberg, Eugen, Nationalismus, Bd. I, S. 13.
391
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Praxis“ der Nation verkörperte sich in den Denkmälern. Sieht man sich nun aber
z.B. die Denkmalseinweihungen in Split jener Jahre an, wird deutlich, wie wenig von
gemeinsamen Identifikationssymbolen, allen oben dargestellten slawischen Theorien
zum Trotz, die Rede sein konnte. An zwei Beispielen sei das kurz ausgeführt: Zwar
wurden die aus Belgrad angereisten Politiker und Vertreter des Königshauses anläßlich
der Denkmaleinweihung des Gregor von Nin in Split, das vom Bildhauer Ivan Me-
strovic geschaffen war, der „patriotischen nationalen Gefühle des jugoslawischen Kü
stenlandes“ versichert. Und auch bei dieser Gelegenheit wurde wieder einmal die
„große Zukunft“ der Stadt beschworen.196 Doch es gelang den Propagandisten des
Gesamtstaates in keinem Fall, mit eindeutig und ausschließlich jugoslawischen Identi
fikationsangeboten den öffentlichen Diskurs zu prägen. Viel kroatische Gelehrsamkeit
wurde nämlich darauf verwendet, die eigene tausendjährige Geschichte der Kroaten
ins Bewußtsein der Leser zu heben.197 Die 1929 auf dem „Peristil“, direkt vor dem
Glockenturm des Domes, inmitten des Diokletianspalastes in Split aufgestellte riesige
Statue des Bischofs von Nin konnte daher, je nach Standpunkt des historisch gebilde
ten Betrachters, zum Kronzeugen aus dem 10. Jahrhundert für das unbeugsame Sla
wen- oder Kroatentum erklärt werden. Bei der Frage nach dem Standort des monu
mentalen Denkmals198 versicherten auch die Freunde des antiken Erbes ihr vollstes
Verständnis für die „starke geistige Bewegung, die der zeitgenössische Nationalismus“
darstelle.199 Welchen „Nationalismus“ sie damit meinten, blieb aber unklar. Zweideu
tig konnte die „nationale Idee in Split und Dalmatien“ eben gleichzeitig kroatisch
oder jugoslawisch ausgelegt werden: Aus den zeitgenössischen Broschüren war zu
erfahren, daß das Denkmal des „episcopus Chroatorum“ aufgestellt werden sollte „zu
Ehren der 1000-Jahr-Feier des kroatischen Königreichs 1925“, um „jeden Besucher
Splits daran zu erinnern, daß wir schon seit mehr als 1000 Jahren hier sind, unter den
Fittichen unseres unabhängigen nationalen Staates (nezavisne nacionalne drzave).200
196 Ivanisevic, Frano, Pobjeda glagolice kroz dsucljetnu borbu (Der Sieg der Glagolica im
1000jährigen Kampf). Izdala Jugoslavenska matica prigodom podignuca spomenika Grguru
Ninskom, Split 1929, S. 74f.
197 Jugoslavenska Akademija Znanosti i Umjetnosti (Hg.), Zbornik Kralja Tomislava u spornen
tisucugodisnjice hrvatskog kraljevstva (Sammelband „König Tomislav“ im Andenken an das
1000jährige Jubiläum des kroatischen Königreichs), Zagreb 1925.
198 Alle Proteste von Konservatoren und Denkmalschützern, daß eine bronzene Kolossalfigur
schlecht in das Ambiente vor das als Kathedrale genutzte antike Diokletians-Mausoleum passe,
konnten sich gegen den nationalen Überschwang nicht durchsetzten; vgl. die Schrift des damali
gen „Haupt-Konservators für Dalmatien“: Karaman, Ljubo, O Grguru Ninskom i Mestrovi-
cevu spomeniku u Splitu (Über Gregor von Nin und Mestrovics Denkmal in Split), Split 1929.
(Abgedruckt auch in: Karaman, Ljubo, Odabrana djela, Split 1986, S. 643-677.) 1941 demon
tierten die italienischen Besatzer aus politischen, nicht ästhetischen, Gründen das Standbild.
Nach dem Krieg wurde es außerhalb der Mauern des Diokletianspalastes wieder aufgestellt.
199 Karaman, S. 670.
200 ebenda, S. 644; vgl. auch Perojevic, Marko, Hiljadugodisnjica hrvatskoga kraljevstva (g. 925.-
1925.) (Das tausendjährige Jubiläum des kroatischen Königreiches 925-1925), Split 1925.
392
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
Damit konnte also nicht der 1918 geschaffene Staat gemeint sein. Bei der Würdigung
der im 19. Jahrhundert von kroatischen Historikern erkannten nationalen Verdienste
Gregors im frühen Mittelalter, die u. a. in seiner Verteidigung der slawisch-glagoliti
schen Liturgie gegenüber dem Verdikt Roms, nur das Lateinische als Kirchensprache
zu benutzen, bestanden haben soll, blieb es nicht. Man müsse „immer vor Augen“
haben, daß die „kroatischen Herrscher (...) durch mehrere Jahrhunderte hindurch (...)
die Kroaten in den Kreis der aufgeklärten Völker Europas“ geführt hätten, was ihr
bleibender Verdienst gewesen sei.201 Wenn Split als „Mutterzelle des kroatischen Staa
tes'“ gefeiert wurde, wo sich „der jahrhundertelange Kampf und schließlich der endgül
tige Sieg unseres nationalen Elements an den östlichen Ufern der Adria, der Sieg des
Kroatentums“ am Besten erkennen lasse, und der Verfasser mit der Bekräftigung
schloß, daß Split „für immer kroatisch bleiben“ würde,202 wird erkennbar, daß hier
Versatzstücke eines exklusiv kroatischen Nationsverständnisses in Anschlag gebracht
wurden, die bei Bedarf zu einem ideologischen Gegenentwurf geeignet waren.203
Wohl nicht zufällig wurde dagegen das geforderte eindeutig jugoslawische „national
symbolische Mahn - und Denkmal“ für den in Marseille erschossenen König in Split
nie realisiert.204 Und das, obwohl die „entscheidende Wichtigkeit“ und „die ungeheure
nationale Bedeutung“ bei jeder Gelegenheit von den Verfechtern der jugoslawischen
Integration hervorgehoben wurde.205
393
Vom ,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
206 Janigro, Nicole, Die Schlacht der Sprachen. „Falsche Akzente“ und die neuen serbokroati
schen Wörterbücher, in: Sonderheft „Hommage ä Sarajevo“ Lettre International 31/1995,
S. 83-84.
207 Vgl. Nikola Andic: „Jedan narod treba i jednu knizevnost da ima“ (Ein Volk muß auch eine
Literatur haben), in: Savremenik, 14/1919, S. 305-309.
208 Anordnung des Ministarstvo prosvjete Nr. 15149, hier zit. nach Novo doba v. 26.08.1929,
S. 4.
209 Vgl. Katicic, Radoslav, Serbokroatische Sprache - Serbisch-kroatischer Sprachenstreit, in:
Lauer, Reinhard u. Lehfeldt, Werner (Hg.), Das jugoslawische Desaster. Historische, sprachli
che und ideologische Hintergründe, Wiesbaden 1995, S. 23-79, hier S. 56. Dort auch zahlrei
che weiterführende Literaturangaben zum „Sprachenstreit“. Vgl. auch Banac, Ivo, Main
Trends in the Croat Language Question, in: Picchi, R./Goldblatt, H. (Hg.), Aspects of the
Slavic Language Question, New Haven Yale 1984, S. 235-240.
394
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
Kroatisch „als eigene, von der serbischen verschiedene Sprache empfunden wurde“
und daß der „sich allmählich steigernde Druck in Richtung auf standardsprachliche
und terminologische Unifizierung (...) nur zur Verfestigung dieser Einstellung beige
tragen“ hat,210 deckt sich voll und ganz mit zahlreichen Zeugnissen aus den zeitgenös
sischen publizistischen Quellen. Die „große Mehrheit der gebildeten und weniger
gebildeten Kroaten empfand, daß sie eine eigene kroatische Schriftsprache besaß“ und
sah genau darin einen Teil ihrer „nationalen Identität“.211 Dabei hatte die Schaffung
eines gemeinsamen neu-stokavischen Standards seinerzeit am Beginn des Prozesses
der Konstruktion einer modernen nationalen Identität gestanden.
Das Medium der Sprache, ein gemeinsames Kommunikationsmittel aller Südslawen,
hatte doch seinerzeit den Vorkämpfern der nationalen Bewegung als Basis eines zu
schaffenden gemeinsamen Staates gegolten. Und tatsächlich wurden die Lesesäle zu
Geburtsstätten des politischen Diskurses in Dalmatien. Seit den Zeiten der „slavjanska
citaonica“, des „slawischen Lesesaals“, die seit September 1861 Treffpunkt der „na-
rodnjaci“ in Split gewesen war, waren Lesegesellschaften Generatoren der „nationalen
Wiedergeburt“ in Dalmatien und Keimzellen des „nationalen Gedankens“.212 Das Be
wußtsein jedenfalls, daß die „Slawen aus Dalmatien und jene aus Kroatien, weil sie
die gleiche Bildungssprache (ucen jezik) sprechen, alle demselben Volke angehö
ren“,213 setzte sich bei den Gebildeten in Dalmatien im zweiten Drittel des 19. Jahr
hunderts vollständig durch.
Über Rolle und Funktion der zahlreichen „Lesesäle“ und Vereinigungen, die erst „sla
wische“, dann „kroatische Eintracht“ hießen und die im Zuge der „nationalen Wieder-
210 Vgl. Katicic, S. 59. „Wenn das Kroatische von serbischer Seite unter Druck stand, und daß
dies der Fall war, mußte jeder empfinden, dann konnte es eben nicht dieselbe Sprache wie
das Serbische sein. So wurden die aktivsten und aggressivsten Verfechter der schriftsprach
lichen Einheit von Serben und Kroaten zu Kronzeugen für deren schriftsprachliche Verschie
denheit.“
211 ebenda, S. 60; Ivsic, Stjepan, Hrvatski knjizevni jezik (Die kroatische Literatur/Hochsprache),
in: Hrvatski jezik Nr. 2-3, S. 33-39, Zagreb 1938; Guberina, Petar/Krstic, Kruno, Razlike
izmedu hrvatskoga i srpskoga knjizevnog jezika (Die Unterschiede in der kroat. u. serb.
Literatur/Hochsprache), Zagreb 1940. Theorien aber, wie die von Vlatko Perkovic vertreten
werden (S. 22ff.), scheinen zweifelhaft. Die lexikalische, grammatische und syntaktische Un
einheitlichkeit, die er z.B. bei dem „jugoslawisch“ eingestellten Dichter und Intendanten des
Spliter Theaters Bartulovic bemerkt, hält er für den Ausdruck der „konsequent durchgeführ
ten Methode des Regimes, eine allgemeine sprachliche Verwirrung und Ununterscheidbarkeit
des spezifischen serbischen und kroatischen Standards herbeizuführen“. Die „absichtsvolle
Destruktion der kroatischen Sprache“ mit dem Endziel der „Zerstörung des kroatischen We
sens“ und der „definitiven Verwendung der serbischen Sprache“, also die sprachlich-kulturelle
Assimilierung, sei das Endziel dieser Politik gewesen.
212 Zu den ersten Gesellschaften dieser Art 1838 in Varazdin und Karlovac vgl. Kessler, W.,
Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des 19. Jahr
hunderts, München 1981, S. 183ff.
213 Natko Nodilo, in: „II Nazionale“ Nr. 22 v. 14. Mai 1862.
395
Vom ,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
gebürt“ in Dalmatien in jedem größeren Ort gegründet wurden, liegen erste Studien
vor.214 Ob in Orebic auf der Halbinsel Peljesac in Süddalmatien oder in Split: die
anfangs sehr wenigen „Patrioten, welche die slawische Sprache lieben“, bemühten sich,
allerorten „Volkslesesäle“ zu eröffnen.215 Doch offensichtlich erwarben solche Klubs
und Vereinigungen erst mit der Organisation von Tanzveranstaltungen, Laientheater
u. ä. eine gewisse Popularität. Polkatänze waren zum Kummer der ernsthaften Patrio
ten, aber auch des katholischen Priesters im Ort, deutlich beliebter bei der Jugend
als slawische Verbrüderungsreden. Rezitationsveranstaltungen, bei denen „die als Fee
gekleidete Mare Iva“ das (durchaus ernst gemeinte) Gedicht „Ich bin eine junge Kroa
tin“ zum Vortrag brachte, oder satirische Karnevalsreden waren als Freizeitangebote
beliebt und den k.u.k.-Ordnungshütern ein Dorn im Auge.216 Schon in der Namens
gebung der Vereine, der Fahne und der Bezeichnung der Sprache, der „die Liebe und
Achtung der Vereinsmitglieder“ gelten sollte, sind die Entwicklungen des serbisch
kroatischen Verhältnisses an der Küste ablesbar. Von „slawisch“ über „kroatisch“ über
„serbo-kroatisch“ und „jugoslawisch“ und wieder zurück zu „kroatisch“ änderten
sich die Vereinsstatuten zwischen 1880 bis zu den 1930ern.217
Gleichfalls ablesen läßt sich diese Entwicklung an den Zeitungs- und Zeitschriften-
Abonnements der Lesegesellschaften. Neben den obligatorischen Tageszeitungen wie
„Novo doba“ aus Split und der Belgrader „Politika“, finden sich beispielsweise 1926-
27 in der Lesegesellschaft in Orebic, die zu jener Zeit nur „Sloga“ (Eintracht) hieß,
noch die unitaristische Orjuna-Zeitung „Pobeda“, sowie die gleichfalls die Idee des
„dreinamigen Volkes“ propagierenden Zeitungen „Jadranska straza“ oder „Rijec“.218
Oft war die Lesegesellschaft konkurrenzlos als Kulturorganisation und Versamm
lungsraum am Ort. Nicht selten war auch der örtliche Priester Mitglied, obwohl der
„katholische Geist“ oft von den Geistlichen vermißt wurde.219
214 Fiskovic, Cvito, Citaonice i kulturna drustva na Peljescu u XIX i pocetkom XX. stoljeca (=
Izdanje Historijskog Arhiva u Splitu, sv. 9), (Lese- u. Kulturgesellschaften auf Peljesac im 19.
u. 20. Jh.) Split 1977, S. 5-55; ders., Citaonice na Peljescu u XIX i pocetkom XX stoljeca, (=
ebenda Bd. 10), Split 1980, S. 203-277.
215 Vgl. Archiv der Familie Sunj-Vekaric aus Orebic 1880, deren ital. geführte Korrespondenz
Fiskovic (S. 204ff.) zusammen mit Auszügen der Archive der Lesegesellschaften aus Orebic,
Viganj und Potomje publiziert hat.
216 ebenda, S. 213f.
217 In Orebic schrieb der Lehrer Vekaric: „Nach dem Ersten Weltkrieg hatte eine Welle des
Jugoslawismus ganz Dalmatien erfaßt, so dachten die Mitglieder der Lesegesellschaft zu jener
Zeit, daß es praktischer sei, wenn der Lesesaal nur „Sloga“ (Eintracht) heiße, da doch das
Volk auch diesen Namen gebraucht. (...) Als nun die Welle des Macekismus, des Anti-Jugosla-
wismus und des Seperatismus kam, worüber sich auch unsere Kommunisten in der Gemeinde
gefreut haben, änderte der Verein, auf ihren Vorschlag hin, den Namen in „Hrvatska Sloga“,
und schloß mich als jugoslawischen Nationalisten aus, obwohl ich dem Verein als Mitglied
seit 1903 angehört hatte.“ M. S. Vekaric: Slicice iz orebickog zivota, XVIII, III, handschr.
Manuskript ASO, hier zit. nach Fiskovic, S. 236.
218 ebenda, S. 228f.
396
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
Das Protokoll der Sitzung der Vereinsleitung der Lesegesellschaft in Viganj vom 11.
April 1925 beispielsweise verzeichnete die Bemühungen des Vereins, die „nationale
Idee“ und „gutes Christentum“ zu vereinen.220 Doch das „Jugoslawische Haus“ im
Dorf war dem katholischen Priester auch aus nationalen Gründen ein Dorn im Auge.
Erst der erzielte Kompromiß, daß an Staatsfeiertagen auf dem Haus die jugoslawische
und an Weihnachten die kroatische Fahne wehen sollte, schuf ein besseres Klima zwi
schen Kirche und Lesegesellschaft. Mit der Aufstellung einer Gedächtnistafel zu Ehren
der 1000-Jahr-Feier des kroatischen Königreiches unter Tomislav 1926 wurde dann
ein Weg eingeschlagen, der bei der Jahresversammlung 1936 formell beendet war:
„Nicht nur auf dem Vereinshaus, sondern im ganzen Dorf sollten kroatische Fahnen
wehen“, wogegen nur noch neun Mitglieder etwas einzuwenden hatten. Ab 1938 sollte
„immer“ die kroatische Fahne auf dem Dach des in der Zwischenzeit längst umbe
nannten „Kroatischen Hauses“ wehen.221
Die Entwicklung in Orebic steht für die Entwicklung in Dalmatien. Die spätestens
seit den 30er Jahren fraglose „nationale Identität“ der Kroaten formte keine andere
Kraft in der Zwischenkriegszeit stärker als die Kroatische Bauernpartei. Es gelang ihr,
nicht nur in Dalmatien das kroatische Nationalgefühl zu mobilisieren. Selbst unter
den zahlreichen Emigranten aus Dalmatien in den Vereinigten Staaten, die 1918 in
ihrer großen Mehrheit die Vereinigung mit dem Königreich Serbien unterstützt hatten,
war es in den Zwanziger Jahren zu einem Bewußtseinswandel gekommen.222 Immer
deutlicher wurde artikuliert, daß Kroaten und Serben zwei verschiedene Völker, mit
völlig unterschiedlichen Interessen seien. Allein in den USA erschienen zwischen 1900
und 1940 227 verschiedene Zeitungen und Zeitschriften der kroatischen Einwande
rer.223 Aufgrund der Analyse der Emigrantenzeitungen kommt Nada Hranilovic zum
219 Vgl. die Eintragungen des Pfarrers in der Chronik der Gemeinde Viganj, hier nach Fiskovic,
S. 251f.
220 Tatsächlich zeugen manche im Protokoll festgehaltenen Beschlüsse davon, die „unmoralischen
Tänze, wie den Quickstep“ nicht zuzulassen (Protokoll v. 2.1.1927) u. vom ständigen Kampf
der Vereinsführung um züchtiges Betragen des Nachwuchses.
221 Vgl. die Protokolle bei Fiskovic, S. 260.
222 Vgl. PAS ATP Briefe von Emigranten an den Botschafter Tresic Nr. 1295/25 v. 10.4.1925 u.
v. 25.2.1927 („Unser hiesiger Konsul Jovanovic (ein Großserbe ansonsten)“ schrieb F. Akacic,
Redakteur von ,The Nation - The First and Largest Jugoslav Weekly on the Pacific coast“,
„macht weiter wie bisher. Belgrad wird uns immer verhaßter“. „Unsere Regierung scheint
alles zu tun, um das bißchen Ansehen, das sie noch besitzt, unter den Emigranten auch noch
kaputtzuschlagen.)
223 Zur Emigration allg. Govorchin, Gerald, Americans from Yugoslavia, Gainsseville (University
of Florida Press) 1961; Holjevac, Veceslav, Hrvati izvan domovine (Kroaten außerhalb der
Heimat), Zagreb 1967; Lupi-Vukic, Ivo, O iseljavanju naseg nroda i o Americi (Uber die
Auswanderung unseres Volkes und über Amerika), Zadar 1910; ders., Medju nasim narodom
u Americi (Unter unseren Leuten in Amerika), Split 1929; Prpic, George, The Croatian Immi-
grants in America, New York 1971; ders., The Croatian Publication abroad before 1939,
Cleveland 1960; Meier, Vjekoslav, Hrvati u Americi. Prilog povijesti americkih Hrvata, Chi
cago 1927; Cizmic, Ivan, Jugoslavenski iseljenicki pokret u SAD i stvaranje jugoslavenske
397
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Schluß, daß dieses Zeitungswesen „bis 1940 am meisten zum Erwachen und zur Be
wahrung des kroatischen (Hervorh. A. J.) nationalen Bewußtseins beigetragen“
habe.224 Die kroatische Kommunikationsgemeinschaft, die sich über die Ozeane er
streckte, etablierte einen nicht-jugoslawistischen Konsens. Welches Phänomen lag dem
zugrunde?
Der kroatische Geograph Stjepan Ratkovic hatte 1935 postuliert, daß Völker eine
„geistige Gemeinschaft“ von Menschen darstellen, für die eine gemeinsame Abstam
mung keineswegs konstitutiv sei, vielmehr die Existenz einer einigenden „Idee, Fik
tion und Illusion.“225 Im dalmatinischen Fall waren das eindeutig die von der Bauern
partei propagierten Ideen. Der Soziologe Dinko Tomasic zeigte sich überzeugt, daß
die „Idee des gemeinsamen Interesses“ und ein Zusammengehörigkeitsgefühl durch
„gemeinsame Kultur“, „Tradition, (...) Erziehung, (...) gesellschaftliche Organisatio
nen“ hervorgebracht und durch Symbole (Name, Fahne, Hymne, Helden, Denkmäler,
Heiligtümer usw.)“ gefestigt würden. Auch der „Nationalismus“ des kroatischen Vol
kes sei „das Bestreben nach Affirmation seiner Werte (Kultur, Interessen, Gefühle,
Bestrebungen).“226
Es stimmte zwar nicht, daß „im Laufe langer Jahrhunderte“ der „kroatische Nationa
lismus“ immer die gleiche Grundforderung nach „politischer, wirtschaftlicher und
kultureller Selbstständigkeit“ erhoben habe, aber die Mehrheit im Dalmatien der Zwi
schenkriegszeit zeigte sich doch überzeugt davon. Weil sie „diese Leitideen“ aufge
nommen hätte und vertrete, meinte Tomasic, wäre die „heutige Bauernbewegung in
Kroatien“ so erfolgreich. Die „direkte politische und ökonomische Demokratie“ sei
das Programm der Bauernpartei. Es gebe, in den Worten ihres Vorsitzenden Vladko
Macek: „Keinen Unterschied zwischen der nationalen Frage und seinem sozialen und
ökonomischen Inhalt (...) Wir kämpfen daher für ein freies Kroatien, um das Recht
drzave 1918 (Die jug. Emigrantenbew. und die Schaffung des jüg. Staates), Zagreb 1974; Ke-
sterncak, Nada, Croatian Newspapers and Calendars in the United States, Scranton 1957.
224 Hranilovic, Nada, Novinstvo hrvatskog iseljenistva 1859-1940 (Die Publizistik der kroat.
Emigration), Zagreb 1981, S. 114.
225 Ratkovic, Stjepan, Sto je narod (Narodna prosvjeta), Zagreb 1935, S. 20f., der ansonsten eine
eigentümliche „Yugoslav ideology (...) with definite Croatian national overtones“ propa
gierte; Jelavich, Education, S. 138. Der in Mittel- u. Südosteuropa rezipierte Historiker Wil
helm Bauer hatte schon 1918 geschrieben, daß für den „modernen nationalen Gedanken (...)
weder Rassen- noch Abstammungsmerkmale, nicht einmal immer die Gemeinsamkeit der
Sprache“ den Ausschlag gibt: „Kinder derselben Eltern gehören unter Umständen verschiede
nen Nationen an! Der moderne nationale Gedanke ruht nämlich eingebettet fast einzig und
allein im Gemütsleben und im letzten Grunde entscheidend wird demnach bloß die Tatsache,
welcher Nation der einzelne sich zugehörig fühlt, nicht welcher er körperlich oder sprachlich
oder sonstwie zuzuzählen ist.“ Bauer, Wilhelm, Österreich, in: Österreich, Zeitschrift für
Geschichte 6 1918/19, hier zit. nach Bruckmüller, Nationsbildung, S. 38.
226 Vgl. Tomasic, Dinko, Sadrzina Hrvatskog nacionalizma (Inhalt des kroat. Nationalismus), in:
ders., Politicki razvitak Hrvata (Pol. Entw. der Kroaten), Zagreb 1938, S. 27-91, hier S. 27f.
u. 54.
398
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
227 Vgl. Macek, Vladko, Voda govori (Der Führer spricht), Zagreb 1936, hier zit. nach Tomasic,
S. 53.
228 Macek, Vladko, in: Gospodarska Sloga - Godisnji izvjestaj (Jahresbericht) v. 10.05.1937.
229 Tomasic, Dinko, Autohtona kultura i nacionalizam, S. 127-139, hier S. 136ff.
399
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
230 Krleza, Miroslav, Prije trideset godina (1917.-1947.) (Vor 30 Jahren), in: Davni dani, sv. 11-
12 Sabranih djela, Zagreb 1956, S. 370f.
231 Dzaja, Intelligentsia und südosteuropäischer Raum, S. 152; Gross, Mirjana, Poceci moderne
Hrvatske. Neoapsolutizam u civilnoj Hrvatskoj i Slavoniji 1850-1860, Zagreb 1985, S. 458.
232 Krleza, Miroslav, Nekoliko reci o malogradanskom historizmu hrvatstva uopce (Einige Worte
über den kleinbürgerlichen Historismus des Kroatentums allgemein), in: Knjizevna republika,
1926, Nr. 6, S. 344-254, hier S. 349 u. 352f.
233 Krleza Miroslav, Stjepan Radic 8.VIII.1928, in: Knjizevnik 1928, Nr. 6, S. 113-115 u. Banac,
Juraj Krizanic, S. 11.
234 Krleza, Miroslav, O patru dominikancu, S. 11.
235 Krleza, Sto smo bili.
400
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
401
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
schem Handeln der HSS. Die spezifische Form des bäuerlichen Nationalismus, der für
die Verwirklichung der „socijalne i nacionalne pravice“ kämpfte und eine „kroatische
Bauernrepublik“ auf friedlichem Wege erstrebte, fand Zustimmung auf dem Dorf.
Sein Tolstoihafter, romantischer Panslawismus wurde in der Stadt verlacht. Die Linke
verspottete ihn als „verwirrten kleinbürgerlichen Intellektuellen mit schwankendem
politischen Bewußtsein“. Das Idealistische und Unbeständige, sowie seine Neigung,
bei allen Gelegenheiten (mit leiser Stimme, wie sich Zeitzeugen erinnerten) Volksreden
zu halten (auch wenn gar kein Volk zugegen war), wurde von Beobachtern kritisiert.
Britische Botschaftsberichte beklagten, daß man seine Handlungen nicht voraussehen
könne, und brandmarkten ihn gar (ab 1926) als „unverantwortlichen Demagogen“.
Gleichzeitig aber würden die kroatischen Bauern in ihm so etwas wie einen „Halb
gott“ sehen.239
Wie erklärt sich die Wirkungsmächtigkeit der „kroatischen Interessen“, für deren Ver
teidigung Stjepan Radic seine Anhänger mobilisieren konnte, im politischen Denken
und Handeln der von ihm angesprochenen Bauern? Ohne daß die Bauern darin auch
ihre eigenen Interessen gesehen hätten, wäre der immense Mobilisierungserfolg schwer
erklärbar. Auch griff Radic alte nationalpolitische Forderungen, wie den Zusammen
schluß Dalmatiens mit Kroatien-Slawonien, geschickt auf, wenn er gegen die „Parzel-
lisierung Kroatiens“ polemisierte (was auch in Dalmatien auf fruchtbaren Boden fiel),
als welche die administrative Aufteilung des Gesamtstaates durch Belgrad von den
Kroaten begriffen wurde.240
Fragt man nach den Gründen, wie die Kroatische Bauernpartei während der Zwi
schenkriegszeit zur nationalen Sammlungsbewegung werden konnte, so sind gewiß
einige Spezifika dieser Partei zu beachten. Andreas Mortisch’ Feststellung, daß die
Gebrüder Radic als Gründer und Führer der Kroatischen Bauernpartei mit den bäuer
lichen Verhältnissen in Kroatien, aus denen sie stammten, aufs engste vertraut blieben,
bilden dabei den Ausgangspunkt. Und tatsächlich noch heute, ein knappes Jahrhun
dert nach deren Erscheinen, ist bei der Lektüre zu spüren, wie beispielsweise Antun
Radic „mit bewundernswertem Einfühlungsvermögen eine Sprache (verwendet), die
es selbst dem ungebildeten (bäuerlichen, A. J.) Leser erlaubte, komplizierte Zusam
menhänge zu begreifen.“241 Wann schon hätte sich jemand zuvor direkt an die in den
Dörfern lebende übergroße Mehrheit der Gesellschaft gewandt und an die Bauern
appelliert, sie sollten sich ihrer Stellung und Bedeutung in der Gesellschaft bewußt
werden und sich ein Urteil über die politischen Verhältnisse bilden? Und mußten die
402
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
Forderungen der Bauernpartei, daß das kroatische Bauerntum, vom Objekt der Par
teien der „Herren“ zum Subjekt der Nation werden sollte, zumindest in dieser ab
strakten Form, nicht auf beinahe geschlossene Zustimmung bei den Adressaten sto
ßen? Waren die Bauern und ihre zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gegründete Partei
nicht tatsächlich unter den kroatischen Verhältnissen vorherbestimmt, die „stärkste
Partei in Kroatien“ zu werden, wie es in einer Schrift von Stjepan Radic 1902 hieß?242
Auch können die Bauernbewegung und Radic sicher nicht verstanden werden, wenn
man nur auf der politischen Ebene bleibt und die beiden anderen Komponenten, die
aufklärerische und die wirtschaftliche, außer Acht läßt.243 Alphabetisierungskurse und
Genossenschaftsgründungen gehörten zur zentralen Programmatik der Bauernpartei
über die gesamte Zwischenkriegszeit hinweg. Seit den 1880er Jahren wurde in den
populären Bauernkalendern der „neue, nationale, kroatische Geist“ propagiert.244 An
gesichts des vollständigen Desinteresses für alle Fragen, die das Dorf nicht direkt
betrafen, welches die Aufklärer aus den Städten durchgehend beklagten, war diese
Fundamentalpolitisierung der Bauern gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein grundstür
zender Prozeß.
Die entscheidende Frage scheint die nach der kroatischen „Staatlichkeit“ zu sein. Letz-
tenendes siegte die Idee, daß nur ein wie auch immer gearteter eigener Staat die Vorbe
dingung für eine Lösung aller Probleme sei. Auch bei allen verschiedenen Autonomie
modellen, deren Verwirklichung innerhalb des jugoslawischen Gesamtstaates versucht
wurde, schimmerte diese Idee durch. Schon im Verfassungsentwurf der Bauernpartei
für eine Bauernrepublik, und endgültig dann in der Broschüre „Die kroatische Frage“
von Rudolf Horvat,245 waren die programmatischen Fundamente einer angestrebten
Eigenstaatlichkeit Kroatiens gelegt. Und die schon von Zeitgenossen bemerkte Beson
derheit (gegenüber allen anderen Parteien), die sich in Dalmatien, nach dem Siegeszug
der Bauernpartei in Kroatien-Slawonien, wiederholte, war, daß die Bauernpartei im
mer zuerst die ländlichen Gebiete und Dörfer eroberte. Ein eigentümlicher, weil auf
Gewaltfreiheit bestehender, Blut-und-Boden-Kult wurde propagiert,246 die Verwurze-
242 Radic, Stjepan, Politicki spisi. Autobiografija, clanci, govori, rasprave. Hg. v. Zvonimir Ku-
lundzic, Zagreb 1971, S. 195-232.
243 Vgl. zuletzt Kolar-Dimitrijevic, Mira, Gospodarska djelatnost Josipa Predavca u Radicevu
pokretu (Wirtschaftl. Tätigkeit v. J. Predavec in der Radic’ -Bewegung.), in: Historijski zbor-
nik, god. XLVI 1/1993, S. 145-163, die den „Haupt-Wirtschaftsideologen“ von Radic’ Bau
ernpartei porträtiert.
244 Die Grundlagen dieses Prozesses sind f. Dalmatien noch unzureichend erforscht; zu Kroatien
u. Slawonien Lecek, Suzana, Literatura za seljastvo i njeno prihvacanje u selima Hrvatske i
Slavonije 1870-1900. (Literatur für das Bauerntum und deren Rezeption in den Dörfern
Kroatiens und Slawoniens 1870—1900), in: Radovi Zavoda za hrvatsku povijest 28/1995,
S. 138-157, hier S. 149.
245 Horvat, Rudolf, Hrvatsko pitanje, Zagreb 1923.
246 Vgl. Sarinic, Ideologija seljackog pokreta (Ideologie der Bauernbewegung). In der radikalisier-
ten Ustasa-Version war der Terrorismus gegen Andersdenkende und „Volksfremde“ schon in
deren verschwommenen Grundsätzen angelegt. In ihren ,vagen gesellschaftspolitischen Kon-
403
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
lung in der Mutter Erde, die uns alle nährt. Und was die Eigentumsfrage anbelangte,
so konnte die Ideologie der Bauernpartei nicht näher an den Interessen des Dorfes
sein:
„Wem gehört das Land? - Der Boden gehört dem, dem er auch einzig zusteht; der Boden
steht einzig und allein dem Bauern zu, denn alles Land war seit jeher Bauernland, nur der
Bauer bearbeitet es, auf ihm und von ihm lebt er nach seinem natürlichen und sozialen Recht.
Deshalb muß jeder Bauer wenigstens soviel Land besitzen, wie er und seine Familie braucht,
um einen maximalen Lebensstandard zu erreichen, was sein absolutes Recht ist.“247
Das „soziale Programm“ war durchaus einfach gehalten: „soziale Gerechtigkeit ver
langt: dem Angestellten das Büro, dem Arbeiter die Werkstatt und die Fabrik, und
dem Bauern das Land zu übergeben! Da das Dorf den ganzen Staat ernährt, aushält
und schützt, ist die Bauernfamilie die Keimzelle, aus der die gesamte staatliche Orga
nisation hervorgegangen ist.“ Die Bauernschaft sei „der wichtigste Faktor des nationa
len Lebens und gleichzeitig Träger oder Subjekt der nationalen Individualität“ (Her-
vorh. im Original)248 Die Parole war: „Die Bauern sind das Volk“. Zudem sei auf den
„Patriotismus des kroatischen Bauerntums“ Verlaß: „Der kroatische Bauer weiß, daß
er Kroate ist; er weiß, was seine Heimat ist, er weiß, was sein nationales Recht ist;
und das sind Fakten, über die es keine Diskussion mehr gibt für ihn“. Doch „Chauvi
nismus“ kenne das kroatische Bauernvolk nicht.249 Nachdem die Reden der Parteiagi
tatoren, die die Bauernpartei über die Dörfer schickte, auf fruchtbaren Boden gefallen
waren und eine Anzahl von Mitstreitern gewonnen war, versuchte die Bauernpartei
erst im zweiten Schritt, in den Städten Fuß zu fassen.
Bis 1922 gab es keine Parteigliederungen der HRSS in Dalmatien. Am 8. Januar 1921
wurde auf einer Konferenz der Abgeordeten der Bauernpartei die „Handvoll dalmati
nischer Herren“ kritisiert, die ohne Zustimmung des kroatischen Volkes in Dalmatien,
die Küstenregion der Zentralgewalt ausgeliefert habe und es wurde die alte Forderung
nach dem Zusammenschluß aller kroatischen Territorien erhoben.250 In einer Volksab
stimmung unter internationaler Kontrolle sollten die Dalmatiner über ihr Schicksal
entscheiden können. Die Zeitung der Radikalen in Dubrovnik sah die Agitatoren der
Bauernpartei „wie die Heuschrecken“ in Dalmatien einfallen und den Bauern „alles
mögliche“ versprechen. Die Zeitung der Demokraten in Süddalmatien, „Der Jugo
slawe“, polemisierte ständig gegen Radic, der „nun auch an der Küste“ gegen die
zepten* lehnte die Ustasa sich aber „eng an die populistische Programmatik der Kroatischen
Bauernpartei an“. In ihrer „tiefe(n) Abneigung (...) gegen den gesellschaftlichen Wandel und
Sehnsucht nach der „Unschuld des einfachen Lebens“ stellte sie der „Entmenschlichung“ in
der modernen Welt (...) das wärmende Ideal der „Volksgemeinschaft“ gegenüber. Der Ein
zelne zählte nur insofern, als er Teil des Ganzen war.“ Sundhaussen, Ustasa-Syndrom, S. 160f.
247 Sarinic, Ideologija, S. 56.
248 ebenda, S. 58.
249 ebenda, S. 59f. u. 67.
250 Slobodni dom v. 07.04.1921.
404
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
„nationale und staatliche Einheit“ hetze und die Menschen „ganz wirr“ im Kopf
mache.251
Knapp eine halbe Million Stimmen und 70 Mandate, die die Bauernpartei bei den
Wahlen vom 18. März 1923 bekam, bestätigten im Nachhinein, den immer offener
artikulierten Widerstand Radies gegen die staatliche Vereinigung und wie sie sich voll
zogen hatte.252 Die politischen Gegner der Bauernpartei in den Zwanziger Jahren, wie
der damals überzeugte „Jugoslawe“ Josip Smodlaka, führten die Ergebnisse der Wah
len auf die Unbildung der Bauern zurück und lagen damit sicher verkehrt.253 Als er
klagte: „Daß Radic in Dalmatien die Stimmen der Analphabeten bekommen hat, wäh
rend die übergroße Mehrheit der Dalmatiner, die lesen und schreiben können, gegen
ihn gestimmt hat, kann einen gewissen Trost darstellen bei dieser erlittenen Nieder
lage; es bleibt aber eine traurige Tatsache, daß es vier Jahre des gemeinsamen staatli
chen Zusammenlebens nicht geschafft haben, auch nicht den kleinsten Teil dieses rück
ständigen - ansonsten aber anständigen - Volkes aus der Zagora zu nationalem Be
wußtsein zu führen und für den (jugoslawischen, A. J.) nationalen Staat zu gewin
nen“,254 ahnte er noch nichts von den Wahlergebnissen, die die Bauernpartei in den
30er Jahren auf dem Dorf und in der Stadt in Dalmatien erzielen sollte.
Zu den Besonderheiten der Bauernpartei gehörte auch ihre Organisationsstruktur,
auch wenn diese schwierig zu erforschen ist, da ein Großteil des Parteiarchivs vernich
tet wurde, als vom 1.1.1925 an das „Gesetz zum Schutz des Staates“ auf die HSS
angewendet wurde.255 Bei dem Versuch, das eigene Programm zu popularisieren, ach
tete die Bauernpartei sehr darauf, daß Abgeordnete und Parteiaktivisten bäuerlicher
Herkunft in die Dörfer gingen, um Wahlwerbung zu betreiben, während Angehörige
der Intelligenz oder Handwerker in größere Ortschaften und Städte geschickt wur
den.256 Bei allem Engagement für eine föderative Umgestaltung des Staates und dem
Streben nach einer dezentralisierten und demokratischen Bauernrepublik, war doch
die Parteistruktur der Bauernpartei strikt zentral aufgebaut und vollständig auf die
Führung in Zagreb hin ausgerichtet. Zunächst orientierte sich die Parteistruktur nach
251 Dubrovnik v. 08.03. u. 16.09.1922 u. Jugoslaven v. 29.07.1922, hier zit nach Mirosevic, Pocelo
je, S. 103.
252 Herceg, Rudolf, Statistika izbora dne 18.03.1923, Zagreb 1923, S. 92, hier nach Muzic, S. 111
m. Lit.-Angaben, der auch die Ungerechtigkeiten im Wahlsystem anführt, die dazu führten,
daß ein Abgeordneter der Serbischen Radikalen Partei durchschnittl. mit 4.994 Stimmen ge
wählt war, während ein HRSS-Abgeordneter 6.601 Stimmen brauchte.
253 Smodlaka, Josip, Znacaj Radiceve pobjede u Dalmaciji (Die Bed. des Sieges von R. in Dalma
tien), in: Srpski knjizevni glasnik IX/1923 5, S. 371-378.
254 ebenda, S. 377.
255 Vgl. Isek, Tomislav, Strukture Hrvatske seljacke stranke u Bosni i Hercegovini do 1929. godine
(Organisationsstrukturen der HSS in Bosnien und Herzegowina bis zum Jahr 1929), in: Jugo-
slovenski istorijski casopis, 1 -4/1978, S. 408-424. Die Parteizeitung „Slobodni dom“ (Das freie
Heim) veröffentlichte 1927 die Statuten unter der Überschrift „Red ili pravilnik HSS.
256 Isek, S. 413.
405
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einheitsverständnis
257 Die Zahl der Abonennten des „Slobodni dom“ wurde 1921 mit 200.000 angegeben, Mitte
1922 soll die H(R)SS ca. 3000 örtliche Untergliederungen besessen haben, die ca. 1,5 Millionen
Mitglieder organisierten, wie die Parteizeitung schrieb. Vgl. Slobodni dom v. 31.02.1922, hier
zit. nach Isek, S. 414. Auch wenn man berücksichtigt, daß durch das Wahlrecht, welches nur
Männern über 21 Jahren gewährt wurde, die Zahl der Parteimitglieder durch die organisierten
Frauen und Jugendlichen größer war als die der Wähler, scheinen die Angaben in der Partei
presse der HSS deutlich übertrieben.
258 Yg[_ jjek, s. 415ff.
259 Vgl. Dom v. 21.05.1922.
260 So gaben von 62 Kandidaten der Partei bei den Parlamentswahlen vom 18. März 1923, bei
406
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
1923 überwogen mit 37 zu 25.261 Bei den Parlamentswahlen am 8. Februar 1925 hatten
dann aber von den 190 Kandidaten auf Kreisebene „33 ein Universitätsdiplom, 3 wa
ren Arbeiter, an die zehn waren Handwerker und Händler und alle übrigen, d. h. die
Mehrheit, waren Bauern von ,Pflug und Hacke'“.262 Die 546.430 Wählerstimmen für
die Bauernpartei bei diesen Wahlen müssen wohl auch als plebiszitäre Zustimmung
für solch ein Kandidatenprofil gewertet werden.263 Immer wieder wurde betont, daß
der Bauer „Ausgangs- und Endpunkt“ aller Politik der HSS sein müsse.264 Wenn
Stjepan Radic im „Dom“ Ende April 1924 schrieb: „wir sehen und fühlen, daß die
HRSS nicht mehr nur eine politische Partei ist, sondern die größte politische und
soziale Bewegung, die bisher das Volk Kroatiens erfaßt hat“ und weiter ausführte,
daß die Bauernpartei „wahrhaftig das vollständige und vollkommene kroatische Volk“
repräsentiere, war das nicht nur Wahlkampf. Sein Beharren darauf, daß „nur durch
diesen einzig möglichen Weg, der Versammlung eines ganzen Volkes, der Kampf um
allgemeine und allumfassende Gleichberechtigung“ zu gewinnen sei, trug den Appell
an nationale Solidarität in jedes Dorf und beschleunigte somit den Prozeß der nationa
len Integration.265
Doch es sollte nicht der Eindruck einer konzisen politischen Ideologie entstehen,
deren Umsetzung von der Kroatischen Bauernpartei planmäßig versucht und von den
dalmatinischen Wählern in allen Punkten geteilt wurde. Das Prozeßhafte in der Ent
wicklung kroatischer Nationalideologie angesichts der Zustände im jugoslawischen
Staat ist offensichtlich. Auch Radies Auffassungen zur nationalen Frage orientierten
sich jeweils an den politischen Gegebenheiten. Seine frühesten Einschätzungen diesbe
züglich gehen aus seinen „Gefangenenerinnerungen“ hervor,266 in denen er die Erfah
rungen seiner ersten, viermonatigen Haftstrafe in Petrinja 1893 verarbeitet hat.267
dem die HSS 473.733 Stimmen bekommen hatte, die gewählten Abgeordneten folgende Be
rufsbezeichnungen an: 25 bezeichneten sich als Bauern oder Landarbeiter, 16 als Anwälte, 4
als Schriftsteller, je zwei als Publizisten und Landbesitzer, sowie jeweils einer als Ingenieur,
Schneider, Priester, Schuhmacher, Referendar, Agronom, Angestellter, Händler, Genossen
schaftsangestellter, Journalist, Professor, Ökonom und Abgeordneter (letzterer war Stjepan
Radic selbst); vgl. Isek, S. 417.
261 Vgl. Kostic, Laza, Statistika izbora narodnih poslanika Kraljevine SHS odrzanih 18. marta
1923. (Wahlstatistik zu den Abgeordnetenwahlen v. 18.03.1923), Beograd 1924.
262 Vgl. Slobodni dom v. 17.12.1924, hier zit. nach Isek, S. 419.
263 Vgl. Kostic, Laza, Statistika izbora narodnih poslanika Kraljevine SHS odrzanih 8. februara
1925., Beograd 1926, S. 152-157.
264 Vgl. Dom v. 22.05.1927, wo es hieß, daß „wir eine Bauernmehrheit sowohl im Hauptaus
schuß, als auch im Parlament haben wollen. Von diesem Grundsatz gehen wir nicht ab.“
265 Vgl. Dom v. 30.04.1924.
266 Radic, Stjepan, Uznicke uspomene (Gefangenenerinnerungen), Zagreb 1971.
267 Boban, Branka, Mladi Stjepan Radic o Srbima u Hrvatskoj i odnosima Hrvata i Srba (Der
junge S. R. über die Serben in Kroatien u. über das Verhältnis zwischen Serben u. Kroaten),
in: Radovi - Zavoda za hrvatsku povijest Filozofskog fakulteta sveucilista u Zagrebu, Nr. 28/
1995, S. 128-137, hier S. 131.
407
Vom ,integral-jugoslawischen ‘ Einheitsverständnis
Als das „grundsätzliche Kriterium für die Existenz eines Volkes“, bzw. der „nationalen
Zugehörigkeit“ galt ihm dessen „Bewußtsein“. Dementsprechend bestätigt er, daß es
„in Kroatien genügend Individuen gibt, die sich selber als Serben empfinden“.268 Die
meisten seien das jedoch (er nahm die Serben aus Syrmien aus, die „ihrer Abstammung
nach“ auch Serben wären), „erst unlängst unter dem Einfluß der politischen und reli
giösen Propaganda“ geworden.269
Erst 1917 wandelte er sich zu einem Befürworter der Idee, die Habsburgermonarchie
aufzulösen. Seine Zukunftsvorstellungen, wie er sie in der Parteizeitung „Dom“ (Heim)
in zahlreichen Artikeln ausführte, wurden ab 1918 zensiert. Die südslawische Einigung
dürfe, so forderte Radic immer wieder, keineswegs ohne die Bulgaren Zustandekommen,
gleichfalls wäre engste Zusammenarbeit mit den Westslawen, insbesondere den Tsche
chen, das Gebot der Stunde. Im April 1918 nahm er in Prag an einem Treffen der Opposi
tionsparteien der Monarchie teil. Er löste sich von der Zusammenarbeit mit der exklu
siv-kroatischen Frank-Partei und wollte hinfort „die Politik der vollkommenen natio
nalen Einheit der Kroaten, Slowenen und Serben“ führen, und zwar „auf Grundlage der
vollständigen Gleichberechtigung aller drei Stämme, im Sinne der Parteigrundsätze von
1905, im Einvernehmen mit dem bedingungslosen Recht zur demokratischen Selbstbe
stimmung der Völker“, wobei er gleichzeitig versuchte, soviel wie möglich von der er
strebten kroatischen Eigenstaatlichkeit durchzusetzen.270
Der Art und Weise der Vereinigung mit dem Königreich Serbien widersetzte er sich
aber von Anfang an. Seine Vorstellungen vom Selbstbestimmungsrecht, von Demokra
tie und Antimilitarismus vertrugen sich nicht mit mit der schwärmerischen Begeiste
rung für das Balkan-Königreich Serbien, die viele seiner Politikerkollegen erfaßt hatte.
Auf den Sitzungen des „Narodno vijece“ vom 23. und 24. November 1918 stimmte
er als einziger gegen die Vorstellung der Mehrheit, die Vereinigung möglichst schnell
zustande zu bringen.271 Als die Delegation, zu der er eigentlich gehören sollte, nach
268 ebenda.
269 Eine Zusammenfassung seiner diesbezüglichen Anschauungen, in: Radio, Stjepan, Hrvati i Srbi,
Hrvatski odgovor naclanakSrpskogknjizevnogglasnikaod 1. augusta 1902. (Serben und Kroa
ten. Die kroat. Antwort auf den Artikel im „Serb. Literaturboten“ v. 1. August 1902), Zagreb
1902; ders., Srbove a Chorvati, Nekolik kapitol k objasneni podstaty poslednych udalosti, Prag
1902. Alle Streitigkeiten ließen sich am einfachsten überwinden mit einer „slawischen Orientie
rung“ sowohl der Serben, als auch der Kroaten und der „Vermittlung durch andere slawische
Völker“. Doch leider wären die Serben „oft sich selbst genug“. Außerdem hätte eine „territo
riale Megalomanie“ auch und gerade die „volkstümlichsten Masssen und die demokratischsten
Menschen“ in Serbien erfaßt (ebenda, S. 267). Enttäuscht von der politischen Wirklichkeit radi-
kalisiert er später noch diese Auffassungen; Boban, Branka, „Nova Evropa“ o Stjepanu Radicu,
in: Radovi Zavoda za hrvatsku povijest, 24, Zagreb 1991, S. 139-142.
270 Vgl. Jurdana, Ela, Stjepan Radic (1871-1928), in: Stjepan Radic - Katalog izlozbe u povodu
120. obljetnice rodenja Stjepana Radica (S. R. - Ausstellungskatalog zum 120. Jahrestag seines
Geburtstages), S. 29-41, Zagreb 1991, S. 34.
271 Boban, Branka, Stjepan Radic i drzava Slovenaca, Hrvata i Srba, in: Radovi Zavoda za
Hrvatsku povijest 26/1993, S. 219-236.
408
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
272 Radic, Stjepan, Uznicke uspomene (Erinnerungen eines Gefangenen)!-III, Zagreb 1929.
409
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
273 Radic, Spisi, S. 366-393 u. Antonijevic, Trajko, Hrvatski ustavni program u Drzavi Srba,
Hrvata i Slovenaca, Beograd 1940.
274 Radic, Spisi, S. 369-375.
275 ebenda, S. 388.
276 Sundhaussen, Experiment Jugoslawien, S. 46 ff u. ders., Nationsbildung, S. 248 nach: Poruka
410
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
Wenn nun aber durch die „tägliche Konfrontation mit der serbischen Politik (...) die
nationale Individualität der Kroaten (und damit die Abkehr vom amtlichen Konstrukt
der „dreinamigen Nation“ von Serben, Kroaten und Slowenen) immer schärfere For
men“ annahm, stellte sich die Frage, wie die Hinweise zu werten sind, daß die Kroati
sche Bauernpartei nicht an eine völlige Auflösung der jugoslawischen Staatsgemein
schaft dachte.277 In der „Verfassung für die neutrale Bauernrepublik Kroatien“, hieß
es, daß Kroatien in einen „frei vereinbarten Staatenbund (Konföderation) auf unserem
heute durch internationales Recht anerkannten gemeinsamen Territorium (Jugosla
wien) überführt werden sollte. 278
Dies läßt sich sicher so interpretieren, daß der Führer der Bauernpartei „keine völlige
Separation Kroatiens, sondern die Umwandlung Jugoslawiens in eine Konföderation“
anstrebte. Doch wie lose diese „Konföderation“ beschaffen sein sollte, geht schon aus
der Zusammenfassung des vorgelegten Verfassungsentwurfs hervor.279 Dort hieß es:
„Neben wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten sollten auch die
Außen- und Verteidigungspolitik in die Kompetenz der kroatischen Republik fallen.
Ihr Verhältnis zu Serbien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina sollte durch die ver
fassungsgebende Versammlung geregelt werden, sobald die Bestrebungen zur Majori-
sierung von serbischer Seite eingestellt würden. Ausdrücklich wurde der Bevölkerung
Dalmatiens, der ehemals südungarischen Gebiete (Banat, Batschka, Baranja) ebenso
wie Montenegros und Mazedoniens das volle Selbstbestimmungsrecht zugesprochen.
Die dortige Bevölkerung (also auch die Dalmatiens!) sollte durch Volksentscheid über
ihre nationale Zukunft selbst bestimmen.“ Und tatsächlich waren damit, auch wenn
diese kroatische „Verfassung“ nie faktische Geltung erlangte, die „grundlegenden Ele
mente“ der kroatischen Forderungen der Zwischenkriegszeit: „die Individualität der
kroatischen Nation, das Recht auf nationale Selbstbestimmung und die Forderung
nach einem Umbau Jugoslawiens“ benannt, die „in einem scharfen und unüberbrück
baren Gegensatz zu den Programmen der serbischen Nationalisten und zur ersten
Verfassung des jugoslawischen Staates von 1921“ standen. Das bald darauf verabschie
dete „Gesetz zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und des Staatssystems“ ver
stärkte die Repression gegen die soziale und nationale Opposition. Die Reaktion dar
auf auf dem Gebiet Kroatiens war die Gründung eines „Kroatischen Blocks“ (Hrvat-
zastupnicke republikanske vecine Banske Hrvatske regentu Srbije Aleksandru od 11. veljace
1921. (Adresse der republikanischen Abgeordnetenmehrheit Banal-Kroatiens an den Regen
ten Serbiens, Aleksandar, v. 11.02.1921), in: Radio: Politicki spisi, S. 346ff.
277 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 248.
278 Drzavno uredenje ili Ustav neutralne seljacke republike Hrvatske (Die Organisation des Staa
tes oder Verfassung der neutralen Bauernrepublik Kroatien), in Kulundzic (Hg.), S. 366ff.;
Sundhaussen, Nationsbildung, S. 249.
279 Diese Verfassung unterschied sich in der Tat „grundlegend“ von früheren oder spätem groß
kroatischen Forderungen, und argumentierte nur insofern mythisch-historisch, als „keinerlei
Hinweis auf die Anerkennung einer serbischen Nationalität in Kroatien“ enthalten war. Sund
haussen, Nationsbildung, S. 249.
411
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
ski blök), zu dem neben der HRSS die „Kroatische Gemeinschaft“ (Hrvatska zajed-
nica), die „Kroatische Rechtspartei“ (Hrvatska stranka prava) und der „Kroatische
Arbeiterbund“ (Hrvatski radnicki savez) gehörten.
Ein „Memorandum“ dieses Kroatischen Blocks wollte die „öffentliche Meinung der
zivilisierten Welt, und besonders die Delegierten der Konferenz von Genua“ durch
alle gewählten kroatischen Parlamentsabgeordneten in Kenntnis setzten, daß die „poli
tische Unabhängigkeit Kroatiens rechtlich niemals unterbrochen wurde und Kroatien
immer ein Staat mit eigenem Territorium, eigenem Parlament und eigener Regierung
(...) gewesen war.“280 Das „in der kroatischen Hauptstadt Zagreb am 14. Januar 1923“
datierte Dokument sprach dem gegründeten Königreich SHS jegliche Legitimität ab,
da „weder das kroatische Parlament, und erst recht nicht das kroatische Volk“ der
Staatsgründung zugestimmt hätten. Der „unbeugsame Wille, bis zum Ende das Recht
auf Selbstbestimmung des kroatischen Volkes und Staates gegen die Tyrannei der Bel
grader Regierung zu schützen“, wurde bekundet. Es war die Rede von „167.000 Un
terschriften“, die der Pariser Friedenskonferenz in diesem Sinne zugeleitet wurden.
Dies würde einem „republikanischen Plebiszit“ gleichkommen, das am Tag der Parla
mentswahlen (28.6.1920) stattgefunden habe. Bei der „grandiosen Proklamation einer
neutralen kroatischen Bauernrepublik am 8.12.1920 in Zagreb" hätten „80.000 Mitglie
der der Kroatischen Republikanischen Bauernpartei, wie auch 52 Volksabgeordnete,
dem kroatischen Vaterland und der kroatischen Republik den Treueeid geschworen“.
Darüberhinaus wurden weitere Akte der „legalen und beinahe einmütigen Opposition
eines ganzen Volkes“ gegen die „Politik der barbarischen und brutalen Gewalt, die
(...) Kroatien balkanisiert“ habe, aufgezählt.
Gelegenheiten, die nationale Unterdrückung zu beklagen, sollten sich in der Zukunft
noch häufig ergeben. Doch immer wieder wurden die hier vorgebrachten Grundge
danken herausgestrichen.
Die Bauernpartei bzw. der Kroatische Block wurden in der jugoslawischen Ge
schichtsschreibung nach dem 2. Weltkrieg (was von der westlichen Forschung über
nommen wurde) ,in Schutz genommen“, daß sie „nicht separatistisch“ gewesen seien,
da die „Notwendigkeit eines jugoslawischen Rahmens für Kroatien“ von Stjepan Ra-
dic nicht selten betont worden sei. Auch in oben zitiertem Memorandum finde sich
die Idee der Notwendigkeit der „Vielvölkergemeinschaft der Serben, Kroaten und
Slowenen“. Es könne daher „nicht begründet die Rede von Separatismus sein“.281
Zitiert man aber den ganzen entsprechenden Satz des Memorandums wird deutlich,
daß es sehr wohl zwei begründete Lesarten gibt. Gegen Schluß des Dokuments hieß
es nämlich: „Die Verwirklichung der wahrhaften Souveränität Kroatiens oder (Her-
vorh. A. J.) der Anerkennung des kroatischen Staates in den gemeinsamen Grenzen
der Vielvölkergemeinschaft der Serben, Kroaten und Slowenen, wird so eine europäi-
280 Memorandum HRSS povodom medjunarodne konferencije u Genovi, in: Politika v. 8. Fe
bruar 1922.
281 Culinovic, Slom Stare Jugoslavije, S. 67f.
412
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
sehe Notwendigkeit, offensichtlich für alle Verfechter des (Versailler) Systems“. Wie
die „Souveränität Kroatiens“ zu verwirklichen war, sollte sich später zeigen. Man kann
wohl davon ausgehen, daß für die meisten Anhänger der Kroatischen Bauernpartei
„Jugoslavija jedan svindl“ (Jugoslawien ein Schwindel) war, wie Radic immer wieder
betonte.282 Politische Morde als Mittel der großserbischen Politik283 und der durch
Zensur und repressive Gesetze geschützte zentralistische Staatsaufbau,284 wo Beleidi
gung von Mitgliedern des Königshauses als „schweres Verbrechen“ galt und Prügel
strafen und Gefängnis an der Tagesordnung waren, steigerten die Unzufriedenheit in
den ehemals österreich-ungarischen Landesteilen.285 Die vom Innenminister Pribice-
vic und dem Regenten konsequent und gewalttätig mit Hilfe von Armee und Polizei
betriebene Zentralisierungspolitik nach der Vereinigung ist ausführlich beschrieben
worden.286 Auch der staatliche Terror im Königreich SHS und späteren Jugoslawien
gegen kroatische und andere Regimegegner, der bis hin zu politischen Morden ging,
konnte in den letzten Jahren genauer dokumentiert werden.287 Die Reaktionen auf
den immer rigideren Belgrader Zentralismus und einen offen zur Schau getragenen
Uberlegenheitsdünkel gegenüber den „befreiten“ Slowenen und Kroaten wurden im-
282 Horvat, Josip, Politicka povijest Hrvatske 1918-1929, 2. Bd., S. 345ff.; Muzic, Stjepan Radic,
S. 172; Jutarnji list v. 14.07.1924, hier zit. nach Culinovic, S. 70.
283 Jovanovic, Rajko, Glavnjaca kao sistem ((Das Gefängnis) Glavnjaca als System), Zagreb 1928.
284 Zur Vidovdan-Verfassung Horvat, J., Politicka povijest Hrvatske (Pol. Geschichte Kroatiens),
Zagreb 1939 (Neuaufl. 1989), Bd. II, S. 199ff.; Horvat, Rudolf, Hrvatska na mucilistu, Zagreb
1942 (Neuaufl. 1992), S. 107ff.; Drljevic, Sekula, Balkanski sukobi 1905-1941 (Balkanische
Konflikte 1905-41), Zagreb 1944 (Neuaufl. 1990), S. 113ff.; Gligorijevic, Branislav, Demo-
kratska stranka i politicki odnosi u Kraljevini SHS (Die Dem. Partei u. die pol. Verh. im
Kgr. SHS), Beograd 1970, S. 202ff.; Tudman, Franjo, Hrvatska u monarhistickoj Jugoslaviji
(Kroatien im monarchistischen Jug.), Zagreb 1993, Bd. I, S. 342ff.
285 Janjatovic, Bosiljka, Hrvatska 1928.-1934. godine: vrijeme organiziranih politickih ubojstava
(Kroatien 1928-34: die Zeit der organisierten pol. Morde), in: Povijesni prilozi, Nr. 13/1994,
S. 219-244, hier S. 220, die zahlreiche Fälle des Terrors des Regimes aufzählt. Auch dies.,
Represija spram hrvatskih seljaka (Repression gegen die kroat. Bauern), in: Casopis za suvre-
menu povijest, Nr. 1/1993, S. 23-43 u. dies., Progon triju politickih grupaeija u Hrvatskoj
(1918-1921) (Verfolgung dreier pol. Gruppierungen in Kroatien), in: Historijski zbornik,
XVL/1992, S. 89-104.
286 Vgl. zuletzt Janjatovic, Bosiljka, Karadordevicevska centralizacija i polozaj Hrvatske u Kral-
jevstvu (Kraljevini) SHS (Die Zentralisierungspolitik der Dynastie K. u. die Stellung Kroatiens
im Königtum (Königreich) SHS), in: Casopis za suvremenu povijest 1/1995, S. 55-76; darin,
u. in oben angeführten Arbeiten, genaue Chronologie der Verwaltungszentralisierung u. zahl
reiche Belege für die, ihrer Meinung nach, „konstante Repression gegen Kroatien und das
kroatische Volk“; Zur zeitgen. Rechtfertigung d. Gewaltpolitik der Armee Rojc, Milan, Za
bolju buduenost nase Kraljevine (Für eine bessere Zukunft unseres Kgr.), Zagreb 1920 u.
ders., Prilike u Hrvatskoj (Die Verh. in Kroatien), in: Nova Evropa, Zagreb 2/1921, S. 46-
71.
287 Janjatovic, Bosiljka/Strcic, Petar, O ubojstvu Dr. Milana Sufflaya (Über den Mord an Dr.
M.S.), in: Historijski zbornik, god. XLVI 1/1993, S. 89-107.
413
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
288 Vgl. die Zeitungen „Selo“ (Das Dorf), die vom serbischen Landarbeiterklub (Zemljoradnicki
klub) herausgeg. wurde, „Srpska zora“ (Serbische Morgenröte), „Srpska rijec“ (Das serbische
Wort) aus Sarajevo, „Zastava“ (Fahne) aus Novi Sad, „Srbija“ aus Mitrovica oder „Balkan“
aus Belgrad.
289 Kaj je balkanizem (Was ist Balkanismus?), in: Straza v. 2. Mai 1921, hier zit nach Zecevic,
Momcilo, Slovenska Ljudska Stranka i Jugoslovensko ujedinjenje 1917-1921. Od Majske
deklaracije do Vidovdanskog ustava (Die Slowenische Volkspartei und die jug. Vereinigung.
Von der Mai-Deklaration bis zur St. Veits-Verf.), Beograd 1973, S. 449.
290 Drinkovic, Mate, Hrvtska i drzavna politika (Kroatien und die staatliche Politik), Zagreb
1928, S. 52.
291 Ivanisevic, Alojz, Das Österreichbild der Serben und Kroaten, in: Berliner Jahrbuch für osteu
ropäische Geschichte 1994/2. Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert: Fremde Wege-Eigene
Wege, hg. v. Günter Schödl, Berlin 1994, S. 65-86, hier S. 70f.; Bezeichnend auch die vulgären
und haßerfüllten Kommentare serbischer Politiker und des Königs gegen Radic, wie sie Ivan
Mestrovic in seinen Erinnerungen (z.B. S. 183f.) überliefert hat. Zur Politik von Pasic die
angef. Arbeiten von A. Dragnich, Dorde Stankovic, Dragoslav Jankovic u. Vukovic-Bircanin.
292 Vgl. Korac, Vitomir, Stipica Radic. Pokusaj biografije jednog politickog sarlatana (Versuch
der Biographie eines politischen Scharlatans), in: Samouprava XIX/1924, 192, S. 1-2, hier zit.
nach Muzic, S. 187f., wo zu seinen drei erfolgreichsten demagogischen Parolen gezählt wurde:
„ein eigenständiger kroatischer Staat, eine neutrale und pazifistische Republik und der Haß
auf die Serben“. Für letzteres blieb der Sozialist Korac, wie alle anderen Feinde Radies, die
diese Behauptung ständig wiederholten, den Nachweis jedoch schuldig.
293 So der durchgehende Tenor im „Dalmatinski Radikal“ des Nikola Subotic, der die hetzerisch
sten Artikel des Balkan (Ausg. v. 11.04.1924) im Wortlaut übernahm und versuchte in Dalma
tien zu verbreiten.
414
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
415
Vomintegral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
nij’ propala“ (Noch ist Kroatien nicht verloren) rief die Redaktion den ironisch so
genannten „großmütigen Befreiern“ zu. In Glossen wurde die blutrünstige serbische
Folklore, v. a. die Geschichten des Kraljevic Marko, nicht als Heldentaten, sondern als
„Verbrechen nach dem österreichischen Strafgesetzbuch“ karikiert. Der Prügel, mit
dem die Sagengestalt zahllose Männer und Frauen erschlagen hätte, sei „vom Major
Stojan 1918 nach Split gebracht und den Advokaten Smodlaka, Skarica, Majstorovic
und Grisogono“ übergeben worden. Nun würde „die Keule in der Redaktion von
„Novo doba“ von zwei Vinkos bewacht. Vinko Brajevic, Festredner bei der Einwei
hung des Denkmals für Franz Joseph in Trogir, und dem kleinen Vinko Kisic, einem
Inspektor der österreich-ungarischen Kriegsmarine im Ruhestand.“297
In allen Polemiken tauchte immer wieder ein Gedanke auf: Der Jugoslawismus sei
nur Lug und Trug, ein Mittel, die naiven Kroaten zu dominieren. Unter sich würden
die Serben nach wie vor offen großserbisch reden und handeln.298 Besonders die ehe
maligen „Kriegsfreiwilligen“ und heutigen „neuen Nationalisten“ waren dem „Dalma
tinischen Kroaten“ ein Dorn im Auge. Manchmal mit, manchmal ohne Namensnen
nung wurden die „staatsbildenden Elemente“ als faul, korrupt, etc. gebrandmarkt, die
als verkaufte Seelen ihre Brüder, die Kroaten, um des eigenen Vorteils willen im Na
men des Staates verfolgen würden. Ein gefundenes Fressen waren Personen, wie „Pro
fessor Roca“, der die Wandlung vom „Mitglied des Flottenvereins über die Demokra
tische, über die Landarbeiter Partei, bis zur Orjuna in Rekordzeit hinter sich brachte“
und überall „große Reden schwang“.
Die Zeitung wurde häufig verboten, und Kommentare unter der Überschrift „Wiener
Knechte - wir haben keine Angst vor euch“ waren die Reaktion darauf sowie Aufrufe
gegen die „Verräter des kroatischen Volkes.“299 Gemeint waren natürlich wieder die
„neuen Jugoslawen“, die den Kampf um „Gleichberechtigung mit den Serben“ nicht
unterstützten. Die Saat des Hasses war jedenfalls auf beiden Seiten gesät und wartete
darauf aufzugehen. Die „epistemologische Katastrophe“ (Karl Deutsch)300 war in der
verteilten Armee“; die „Groß-Serben und Unitaristen“ hielten demnach „die Macht in Ver
waltung und Gesellschaft in Händen“, diktierten die „Steuerpolitik“ und bluteten die Region
„wirtschaftlich aus;“ sie „entschieden über die Besetzung von Staatsposten, in der Armee, der
geheimen und normalen Polizei, in der Diplomatie“; Obad, Dalmacija u Ozanicevo doba,
S. 31.
297 Dalmatinski Hrvat v. 21.07.1923, S. 1.
298 Hundertfach taucht in der kroatischen zeitgen. Publizistik dieser Topos auf. Vgl. die geschil
derten Erfahrung von Filip Lukas, des späteren Vorsitzenden der größten kroatischen Kuhur
gesellschaft „Matica hrvatska“ (1928-1945), wo gleichfalls die Enttäuschung des bis 1918
glühenden Jugoslawen deutlich wird angesichts der machtpolitischen Realitäten, erst recht,
als in Kroatien überwundene Herrschaftsmethoden Einzug hielten, wie die Prügelstrafe etc.;
vgl. Zadarska smotra 3 (Jurisicev zbornik), 1992/1992, S. 103-131.
299 Dalmatinski Hrvat v. 05.08.1923, S. 1.
300 Hier wird darunter eine „extrem einseitige Selektion bei der Wahrnehmung von Tatsachen,
unabhängig von deren Wahrheitsgehalt“ verstanden. Holm Sundhaussen hat es folgenderma
ßen definiert: „Ein Nationalist nimmt vorzugsweise diejenigen Informationen und Nachrich-
416
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
ten wahr, die seinem nationalen Sprach- und Kulturcode entsprechen. Was damit nicht verein
bar ist, fällt durch das Selektionsraster durch“; Sundhaussen, Das Ustasa-Syndrom, hier F 2,
S. 150.
301 Dalmatinski Hrvat v. 18.08.1923, S. 3. Unter den Mißhandelten befand sich Ivo Marie.
302 Dalmatinski Hrvat v. 22.09.1923, S. 1 Prügelorgien der Polizei wurden en detail häufig be
schrieben, z.B. Nr. 39 v. 17.10.1923.
303 Jedes Auftreten von Trumbic in Dalmatien wurde zum „Kroatische Fest“ erklärt und die
Zeitung überbot sich mit glanzvollen Beschreibungen der Menge der jubelnden kroatischen
Patrioten jedesmal selbst, Vgl. Nr. 45 v. 17.11.1923.
304 Dalmatinski Hrvat v. 29.09. und v. 22.10.1923.
305 Dalmatinski Hrvat v. 22.10.1923.
306 ebenda.
307 Dalmatinski Hrvat v. 10.11.1923.
417
Vom,integral-jugoslawischen’ Einheitsverständnis
brachten das Blut der kroatischen Gläubigen und Nationalisten in Wallung.308 Beru
fung und Erinnerung an das eigene Königreich und den eigenen Staat, den die Kroaten
schon vor 1000 Jahren gehabt hätten, brachte da Linderung. Gleichzeitig waren all die
Geschichtsmythen Ansporn für den „heutigen Kampf des kroatischen Volkes, für
seine politische, ökonomische und personelle Freiheit“. Vorerst solle mit der „Waffe
der Kultur und des Fortschritts“ versucht werden, diese Ziele zu erreichen. Von der
Orjuna Erschlagene, wie Marko Ivankovic aus Dubrovnik, wurden zu Märtyrern der
kroatischen Sache, desgleichen wurden die „gesetzlosen Zustände“ auf den Polizeiwa
chen wachsam registriert. Folge waren zahlreiche Beschlagnahmen des Blattes. Zum
5. Jahrestag der Vereinigung war die Rede vom „Verrat an den Kroaten“ und der
baldige „Tod“ dieses Staates wurde vorausgesagt. Die Aufmärsche der Demokraten
und Orjuna seien nur mehr ein Schwanengesang. Das Strafmaß in Sibenik für die Rufe
„Es lebe Zagreb“ oder „Es lebe Kroatien“, wenn Polizei in der Nähe war, variierte
zwischen 10 und 20 Tagen Kerkerhaft („tamnica“).
Unterschiede zu Serben wurden gesucht und gefunden: Der „orthodoxe Bischof“
hätte seinen eigenen Salonwagen, der katholische müsse 2. Klasse fahren. Eingeschrie
bene Briefe und Telegramme, sowie Protokolle von öffentlichen Institutionen würden
„ausschließlich auf kyrillisch (Flervorh. im Original) verfaßt, so daß das Volk in den
meisten Fällen unterschrieb, ohne zu wissen, was es unterschrieben hat.“ Der „Dalma
tinische Kroate“ fragte sich: „Wer hat die Amtsstuben dazu ermächtigt, so zu verfah
ren. Es wird wohl aus Liebe und brüderlicher Gleichberechtigung so sein!“309 Die
Ratifikation der Römischen Verträge, mit denen Zadar, Rijeka etc. an Italien fielen,
war ein „riesiger nationaler Verlust“ für die kroatischen Parteien, den die ihnen nahe
stehenden Blätter entsprechend publizistisch auszuwerten versuchten. In Split fing das
Blatt „Hrvatska Rijec“ (Das kroatische Wort) ab April 1924 an, täglich zu erscheinen,
was zeige, daß auch in Split „die Zeit, als ein Kroate seine kroatische Nationalität
nicht öffentlich bekennen durfte und als die Zeitungen der Kroaten verbrannt und
vernichtet wurden“, vorbei war.
Die Einschätzung, daß Stjepan Radic zu Zeiten Österreich-Ungarns „ein erbitterter
Gegner des dualistischen Systems, zugleich aber ein unermüdlicher Streiter für den
Erhalt der Donaumonarchie war“, aber nach 1918 der Kurs der Bauernpartei „keines
wegs von einer Österreich-Nostalgie geprägt (war), wie es die Belgrader Machthaber
behaupteten“, entspricht der Quellenlage. Tatsächlich wurde in den kroatischen Zei
tungen der Zwischenkriegszeit kaum den „guten alten Zeiten“ nachgeweint, allerdings
bei einem Vergleich zwischen Belgrader und Wiener Kroatienpolitik wurde jene viel
negativer bewertet als diese. Das alte Österreich-Ungarn erschien überdies im Ver
gleich mit dem neuen südslawischen Staat als Inbegriff der Freiheit und Demokratie.
So schrieb z.B. der Zagreber „Hrvatski Hst“ - verärgert über die antikroatische Pro
paganda in serbischen Zeitungen - am 6.2.1921 folgendes: „Wäre es für uns Kroaten
418
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
nicht beleidigend, müßten wir lachen, wenn wir hören, wie man emphatisch verkün
det, daß wir ,befreit“ worden seien, daß uns der serbische Bauer mit seinem Blut
,befreit“ hätte. Der serbische Bauer konnte leider niemanden befreien, da er selbst
nicht frei war. Es gab zwar auch vor dem Krieg ein freies Serbien, aber weder vor
noch nach dem Krieg gab es freie Serben. Serbien hatte, was wir Kroaten nicht hat
ten - einen freien Staat, es hatte aber nicht das, was wir hatten - die freien Bürger.“310
Auch wiesen die Propagandisten der Bauernpartei darauf hin, daß die schöne Idee des
Jugoslawismus eben doch nur „eine Idee der Slowenen und uns Kroaten“ gewesen
war.311 Tatsächlich würde eine Politik betrieben, von der die Mehrheit in Kroatien
überzeugt sei, daß sie gegen ihre Interessen gerichtet ist.
Die Wahlen vom 18. März 1923 bei denen die HRSS 473.733 Stimmen bekam, wurden
bereits angeführt. Die Partei von Radic wurde zur zweitstärksten Partei im Gesamt
staat, nach den serbischen Radikalen. Bei einer großen Rede vor 100.000 Anhängern
bei Zagreb vom 15. April 1923 machte Radic deutlich, daß „wir das kroatische Volk
und der kroatische Staat sind“. Zum Jahrestag der Erstürmung der Bastille, am 14.
Juli, betonte er, daß die einzige Lösung, die für die Kroaten akzeptabel wäre, eine
Konföderation sei und sich, nach den Erfahrungen mit dem Regime-Terror, „kein
Mensch in unseren Reihen mehr finden wird, der sagen wird, daß wir und die Serben
ein Volk sind. Der Henker und sein Opfer sind nicht dasselbe“.312 Vergeblich jedoch
versuchte er, im westlichen Ausland Verbündete für diese Idee zu finden. Nur in
Moskau, wo er seine Partei zum Mitglied der Bauerninternationale machte, stieß er
auf offene Ohren. Eine Neuauflage der Pasic-Pribicevic-Koalition in Belgrad ver
schärfte im Auftrag und mit Unterstützung des Königs die Repression gegen die Kroa
tische Bauernpartei. Diesmal wurde die gesamte Parteiführung (S. Radic, V. Macek,
A. Kosutic, J. Krnjevic, J. Predavec und Stj. Kosutic) verhaftet. Bei den Wahlen vom
5. Februar 1925 bekam die Liste der HRSS nichtsdestotrotz 532.872 Stimmen, mehr
als je zuvor.313
Infolge des gewaltigen Drucks des Regimes änderte die Partei, d. h. ihr Führer Radic,
die Taktik und beteiligte sich an der Regierung in Belgrad.314 Am 18. Juli wurde
310 Vgl. Hrvatski list v. 6.2.1921, hier zit. nach Ivanisevic, S. 84.
311 Vgl. Jutarnji list v. 14.07.1924, hier zit. nach Culinovic, Slom Stare Jugoslavije, S. 73f.
312 Text der Rede von Borongaj (Borongajska skupstina) in: Radic, Politicki spisi, S. 414-424,
Muzic, S. 121f.
313 Radic verstand sich zusehends als einziger legitimer „Interpret und Beschützer aller kroati
schen staatlichen und nationalen Rechte und der kroatischen wirtschaftlichen und kulturellen
Forderungen“; AH, Ostavstina S. Radica, kut. 1 (Archiv Kroatiens - Zagreb, Nachlaß S. R.),
hier zit. nach Ocak, Ivan, Hrvatsko-ruske veze (Die kroatisch-russischen Beziehungen), Za
greb 1993, S. 142, dort auch detaillierte Schilderung der Geschichte des Beitritts der Kroat.
Bauernpartei zur Bauerninternationale in Moskau 1924/25, S. 129-143.
314 Im Tagebuch von Tresic Pavicic, das auch Muzic (S. 206) zitiert, findet sich unter dem Datum
4. August 1924 der Eintrag: „Hr. Ljubomir Zivkovic (Abgeordneter der Radikalen Partei,
A. J.) sagt mir, daß Radic und alle anderen verhafteten Führer seiner Partei zum Tode verur
teilt worden wären, ohne Begnadigung, wenn sie nicht vollständig kapituliert hätten.“
419
Vom ,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Radic aus dem Gefängnis entlassen und es kam zu einer „Regierung der nationalen
Vereinbarung“ (Vlada narodnog sporazuma) von Bauern- und Radikaler Partei. Zu
den vier der Bauernpartei zugestandenen Ressorts (Ministerium für die Durchführung
der Agrarreform, Post und Telegraphie, Handel und Industrie und das für Forst und
Bergwerke zuständige) kam im November 1925 das Erziehungsministerium, das Radic
selbst übernahm.315 Aus Protest gegen die neue Politik der Bauernpartei spalteten sich
einige vormalige Mitglieder des „Kroatischen Blocks“ ab und gründeten mit HSS-
Dissidenten zusammen die „Kroatische Föderalistische Bauernpartei“ (HFSS) unter
der Führung von Ante Trumbic und Ivan Lorkovic. Wie von seinen Kritikern inner
halb Kroatiens vorausgesehen, erlitt diese Politik bei den Wahlen am 11.09.1927
Schiffbruch. Nur noch 381.370 Wähler, und nun im ganzen Land, stimmten für die
Bauernpartei.
Durch Vermittlung des montenegrinischen Föderalisten Sekula Drljevic nahm Radic
Kontakt zu seinem ehemaligen Studienkollegen, dann Erzfeind, Svetozar Pribicevic
auf, dem Führer der Selbständigen Demokraten. Im Oktober 1927 wurde die „Bauern-
Demokraten-Koalition“ (Seljacko-demokratska koalicija) gegründet. Die Bildung der
Bauern-Demokraten-Koalition 1927 und der verstärkte Widerstand gegen den Belgra
der Zentralismus machte die Partei zur Volksbewegung. Nach dem Attentat im Bel
grader Parlament trat der Führer der Kroatischen Föderalistischen Bauernpartei, Ante
Trumbic, der Bauernpartei bei und auch die Rechtspartei unter Pavelic arbeitete bis
zur Gründung der Ustasa und dem Gang in die Emigration mit ihr zusammen. Im
Grunde handelte es sich nun um eine vereinigte Opposition von Serben und Kroaten
aus den ehemaligen k.u.k.-Gebieten gegen die als korrupt und hegemonistisch emp
fundene Politik der Radikalen Partei. Diese „precanski front“316 hielt trotz starker
Belastungsproben bis 1941! Der Einheitsgedanke wurde von Radic 1927/28 etwas
anders formuliert, jetzt nannte er Kroaten und Serben aus Kroatien „ein Volk“ und
forderte einen „freien Staat“.
Der Kampf des Regimes gegen Radic wurde immer schärfer, trotz des ministriellen
Intermezzos. Nicht nur Vladimir Ristovic, der die zweimal in der Woche erscheinende
Zeitung „Jedinstvo“ (Einheit) herausgab, die von der Regierung Velja Vukicevic finan
ziert wurde, schrieb mit seinen hetzerischen Kommentaren gegen Stjepan Radic und
den ständigen Aufrufen, daß man diesen unbequemen Kroaten am besten „töten“
müsse, die Atmosphäre herbei, in der es zum Attentat kam. Der serbisch-national
315 Die Erklärung von Radies Neffen, Pavle Radic, am 27. März 1925 im Belgrader Parlament
(und die darauf folgende Phase der „Regierung der nationalen Vereinigung“ mit Pasics Radi
kaler Partei), als die Kroatische Bauernpartei „die politische Lage, St. Veitsverfassung und die
Dynastie Karadordevic“ anerkannte und ein Lippenbekenntnis zur „Einheit des Staates“ ab
legte (Stenografske beleske Narodne skupstine SHS, vanredni saziv, od I. prethodnog sastanka
od 7. marta 1925. do III. vanrednog sastanka od 31. marta 1925. god., Beograd 1925, Nr. 8,
S. 221-233), ist m.E. als taktisches Manöver zu werten.
316 Vom Wort von preko- von drüben, also jenseits des Grenzflusses Drina, der Serbien von
Bosnien trennt.
420
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
421
Vom .integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Quelle: Jancikovic, Toma, Hrvati u izborima ll.prosinca 1938 (Die Kroaten in den Wahlen v.
11. Dezember 1938), Zagreb 1939, S. 43.
323 Vgl. die Einschätzungen in den Arbeiten von Sundhaussen und Moritsch.
324 Muzic, S. 263ff.
325 Unterzeichnet wurden die Forderungen nach Revision der Verfassung von Vladko Macek,
422
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
Bei Versammlungen der Bauernpartei in Dalmatien wurde 1937 folgendes Fazit gezo
gen: „Als 1918 diese staatliche Gemeinschaft geschaffen wurde, tauchten sofort zwei
völlig konträre Standpunkte auf: 1. Die kroatische Auffassung, daß diese Gemein
schaft Garantie für die Freiheit und die Souveränität des kroatischen Volkes sein muß,
und 2. die serbische Auffassung, daß diese Gemeinschaft ein erweitertes Groß-Serbien
werden solle, in der sogar die kroatische Volksindividualität aufgehen sollte. Verständ
licherweise kam es zum großen und schweren Kampf.“326 Die „Volkseinheit“ sei bloß
„ein Köder für die Naivlinge unter den Kroaten“ und diene der Verschleierung der
Unterdrückung und Ausbeutung.327 Glaubte man den Zeitungen, die die Bauernpartei
herausgab, und ihren Politikern, war es eine „offensichtliche Tatsache“, daß die Kroa
ten im Königreich Jugoslawien „benachteiligt“ waren, und nur die „kroatische natio
nale Bewegung unsere nationalen und politischen Rechte erkämpfen“ könne. Unter
der jugoslawischen Fahne seien die Kroaten „nur ein Teil eines „einheitlichen Volkes“,
ein „Stamm der einheitlichen Nation“, in der die Mehrheit immer nicht kroatisch sei.
Und sobald „wir darauf eingehen, zu einem Teil dieser einheitlichen Nation erklärt
zu werden, können wir als Kroaten keine Forderungen mehr stellen und erkennen
indirekt die Übermacht derjenen an, die die Macht in Händen halten.“328
Die Bauernpartei sah sich auch in Dalmatien als Vertreterin „kroatischer Politik“
schlechthin und erreichte bei den Wahlen, wie aus obiger Tabelle ersichtlich, überwäl
tigende Mehrheiten in allen kroatischen Gebieten. Ab 1936 dominierte die Bauernpar
tei fast alle dalmatinischen Gemeinderäte.329 Die Gemeindewahlen vom 11.Dezember
1938, die, wie sich Zeitzeugen erinnern und es auch aus den in den lokalen Zeitungen
erschienenen Artikeln hervorgeht, in äußerst angespannter Atmosphäre abgehalten
Dusan Duda Boskovic, prota Dusan Kecmanovic, Sava Kosanovic, Hinko Krizman, Josip
Predavec, Juraj Sutej, Vjeceslav Vilder, Ante Trumbic und Mile Budak. Der Nachfolger von
Stjepan Radic als Führer der Bauernpartei, Vladko Macek, mußte wegen dieser „Punktatio
nen“ für drei Jahre ins Gefängnis. Nach dem Attentat auf den jugoslawischen König 1934 in
Marseille, steigert sich die Repression gegen national-kroatische Forderungen noch einmal.
Als Beispiel seien nur die ca. 20 Toten zwischen 1935 u. 1937 aufgeführt, die in Senj, Sibinj
und Vrbljan durch die Polizei erschossen worden.
326 In der Hinterlassenschaft von Ivan Petar Mladineo, der von der Insel Brac stammte, finden
sich hand- und maschinenschriftliche Aufzeichnungen über die „Lehre oder das Programm“
der HRSS, deren Abgeordneter er in den 30er Jahren war und die Protokolle der lokalen
Parteisitzungen. Von der Parteiführung bis zur Basis war man sich, wie Mladineo vemerkte,
Mitte 1935 in obigem Fazit einig, das der Abgeordnete Mladineo bei jedem öffentlichen Auf
tritt vortrug; vgl. „Temeljni nauk ili program HRSS“ (Die Lehre oder Programm der HRSS)
im Familienarchiv Ivan Petar Mladineo im Besitz von Hanja Mladineo/Split.
327 So August Kosutic im Hrvatski dnevnik v. 25.02.1937.
328 Obzor vom 24.02.1937.
329 Vgl. Novo doba v. 19.09.1935 u. 16.11.1936 u. Vukic, Goran, HSS na opcinskim izborima u
Kastelima 1936-1940. godine (Die HSS bei den Gemeinderatswahlen in K. 1936-40), in:
Kastelanski zbornik 4, Kastela 1994, S. 139-142. Bei den Wahlen 1935 und 1938 erreichte sie,
bezogen auf das gesamte jugoslawische Territorium, Egebnisse von 33,7 und 44,9%.
423
Vom Jntegral-jugoslawiscben ‘ Einheitsverständnis
wurden, fanden unter massiver Polizeipräsenz statt330 und markierten den Höhepunkt
der parlamentarischen Erfolge der Bauernpartei.
Die „Kroaten des Kreises Split“ wurden zur Stimmenabgabe für die Kandidaten der
HSS aufgerufen, und es wurde ihnen versichert, daß sie damit „für die Freiheit,
Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit“ stimmen würden.331 Nach starkem Wahl
kampfeinsatz auch der prominenten Parteiführer gaben im Gesamtbezirk Split 22.398
Wähler ihre Stimme ab. Davon bekam die Liste des jugoslawischen Ministerpräsiden
ten Stojadinovic 1659 Stimmen, die HSS-Liste unter der Führung von Vladko Macek
20.710 Stimmen, die von Dimitrije Ljotic geführte pro-faschistische Zbor-Bewegung
bekam insgesamt 29 (!) Stimmen in Split und Umgebung. Das bedeutete einen Stim
menanteil von 92,4 % für die Bauernpartei.332 Alle dalmatinischen Gemeindeverwal
tungen, bis auf eine, gingen an die HSS. Die neuen HSS-Bürgermeister berichteten,
daß sie leergeräumte Amtsräume vorgefunden hätten, da ihre Vorgänger trachteten,
„Beweismaterial“ zur Seite zu schaffen. Außerdem hätten die vom Regime eingesetz
ten Gemeindeverwalter die Archive der durchgehend hochverschuldeten Gemeinden
geplündert.333 Nach den Gemeinderatswahlen gaben dalmatinische HSS-Abgeordnete
zu Protokoll, daß „Serben und Kroaten zwei Völker sind“ und nicht zusammen leben
könnten.334 Dieses wurde von manchen verquickt mit der wirtschaftlichen Lage in
Dalmatien: „Wer auch nur einmal in Dalmatien war, konnte sich mit eigenen Augen
überzeugen, wie schlecht es dem Volk geht. Wenig oder kein Land, keinerlei Verdienst,
kein Brot. Aber es gibt viel Mut und noch mehr Entschlossenheit, so werden die
Kroaten Dalmatiens niemals (unsere Sache) im Stich lassen, sondern immer bereit sein,
auch ihr Leben für die Heimat zu geben.“335 Das Maß an persönlichem Fanatismus
424
Die Bauernpartei als Generator kroatischen Nationsverständnisses an der Küste
wird durch folgenden Schwur deutlich: „Ich verfluche jeden Verräter, und zu meinen
drei Söhnen sage ich: verdammt sei, und meinen Namen möge nicht tragen, wer von
euch das kroatische Bauernvolk verrät, an dessen Spitze unser heldenhafter, anständ
iger und kämpferischer Führer Dr. Vladko Macek steht.“ Entsprechend betonte der
Abgeordnete Karlo Zunjevic: „Auch wenn wir kein Brot haben, können wir doch
stolz sagen, daß wir viel nationales und politisches Bewußtsein haben. Die Armut hat
bei uns das Nationale nicht abgetötet. Auch die Unterdrückung hat uns nicht abge
bracht vom rechten Weg.“336
Es war offensichtlich, daß die HSS alles andere war als eine fest organisierte Partei,
vielmehr ein Sammelbecken heterogener Strömungen und unterschiedlicher sozialer
Schichten, die nur in der Forderung nach kroatischer Autonomie einig waren, wie
wohl, was sich zeigen sollte, auch dieses unterschiedlich interpretierbar war.337 Ein
Flügel verstand darunter die kroatische Eigenstaatlichkeit ohne wenn und aber.
Seit 1937 der „Dalmatinski Hrvat“ mit dem Text der kroatischen Nationalhymne auf
der ersten Seite und einer Botschaft von Vladko Macek wieder erschienen war, war
der ,kroatische Konsens“ in Dalmatien fast vollständig hergestellt und alle anderen
Auffassungen an den Rand gedrängt. Wenn der Führer der Bauernpartei in Dalmatien,
wo einst die „Wiege des kroatischen Königtums“ gestanden habe, lobte, daß dort das
„nationale Bewußtsein immer wach geblieben wäre, und sich die Bewohner Dalma
tiens „die Vereinigung mit Banal-Kroatien und Zagreb“ in ein „freies Kroatien“ seit
jeher wünschen würden, konnte er von großer Zustimmung ausgehen.338 Ausdrück
lich wollte die Zeitung „kein reines Parteiblatt“ sein, sondern die „kroatische Volksbe
wegung, mit Dr. Macek an der Spitze“, unterstützen.339 „Unabänderlich“ sei, daß
„Völker die Summe bestimmter ethnischer Individuen sind, die durch das gemeinsame
Erbe, gemeinsame Bestrebungen und gemeinsame Interessen“ verbunden seien. „Nach
dem Weltkrieg“ habe das „kroatische Volk seine nationale Renaissance“ erlebt. „Zum
ersten Mal in unserer mehr als tausendjährigen Geschichte“ sei die „geistige, nationale
und politische Einigkeit der Kroaten“ erreicht worden.340 Doch was war „das gemein
same Schicksal“, von den „gemeinsamen Interessen“ ganz zu schweigen?
Gleichgültig, ob Erinnerungen an den „Ersten Besuch von Dr. Vladko Macek im
dalmatinischen Kroatien“, der triumphal verlaufen sei, panegyrisch gefeiert oder die
„Stimme des Blutes“ beschworen wurde, immer ging es um Selbstvergewisserung. Oft
425
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
war auch die eigene, „kroatische Sprache“ Gegenstand von geschichtlichen Erörterun
gen, mit dem Beweiszweck, die Originalität zu betonen.341 Vom neuen Kroatischen
Erzbischof, Alojzije Stepinac“, wurde „sehr viel erwartet“, da „die Interessen des
kroatischen Volkes und der katholischen Kirche unauflöslich miteinander verbunden"
wären. „Dem Volk kann es nicht gut gehen, wenn es der Kirche schlecht geht (...)
Die „unvergänglichen Verdienste der katholischen Kirche für das kroatische Volk“,
die die „Volksseele“ des katholischen Teils des kroatischen Volkes“ geprägt habe, wu-
den immer wieder gewürdigt. Selbst in dem vom „Fachverband der Seeleute“ heraus
gegebenen „Hrvatski pomorac“ kam man nicht ohne Bilder von Macek und kroati
schen Beteuerungen aus. Aus dem Kampf der „kroatischen Matrosen“ (Flervorh. im
Original) sei der „Tarifvertrag“ erwachsen.342 Der „Präsident Dr. Macek“ wurde so
auch zum „Beschützer der kroatischen Seeleute“.343 Ob im „Sportski list“ oder in
politischen oder Wirtschaftszeitungen, die „Einheit aller Sportler, Wirtschafts- oder
politischer Subjekte auf dem Weg des Präsidenten und Führers Dr. Macek“ voranzu
schreiten, wurde 1939 in fast allen kroatischen Publikationen beschworen.344 Die na
tionale Einheit im kroatischen Sinne, soweit sie sich publizistisch niederschlug, war
an der Küste hergestellt.
Das Begräbnis des in Dalmatien überaus populären Ante Trumbic stellte wieder eine
Gelegenheit dar, den Sieg der „kroatischen Idee“ in Dalmatien zu manifestieren.
Nachdem er am 20. November 1938 in Zagreb gestorben war, wurde sein Leichnam
nach Split überführt. Der HSS-Vorsitzende Vladko Macek würdigte bei der Trauer
feier die patriotischen Verdienste des Verstorbenen. Mehr als dieser während und nach
dem Ersten Weltkrieg für Kroatien getan habe, habe man unter den damaligen Um
ständen nicht tun können. Der Zagreber Erzbischof Alojzije Stepinac führte den
Trauerzug durch Split an, und die Zeitungen schätzten, daß die riesige Menge, die
daran teilnahm, mehr als 50.000 Menschen umfaßt habe. Jedenfalls versammelte sich
an seinem Sarg alles, was damals in der kroatischen Öffentlichkeit Rang und Namen
hatte (sowohl Würdenträger der katholischen Kirche als auch Politiker, Künstler und
Publizisten). Auch der Ustasa-Führer Ante Pavelic schickte aus der Emigration einen
Kranz und würdigte somit posthum seine Verdienste für das Vaterland. Das pompöse
Grabmal wurde vom Bildhauer Ivan Mestrovic gestaltet und zum ersten Jahrestag von
Trumbic Tod im November 1939 eingeweiht. Auf dem Weg zu einem eigenen Staat
war man zu diesem Zeitpunkt schon ein großes Stück vorangekommen. Eine Analyse
der Standpunkte, die die Kroatische Bauernpartei in der zweiten Hälfte der 30er Jahre
vertrat, läßt kaum Zweifel am Endziel, das die kroatischen Politiker anstrebten.
341 Lozovina, Vinko, Hrvatski je narod sam izgradio svoj jezik (Das kroat. Volk hat seine Sprache
alleine ausgebaut), in: Dalmatinski Hrvat - Zagreb, Nr. 1-2 v. 23.12.1937.
342 Hrvatski pomorac (Der kroat. Seemann) - Split, Nr. 1 Jg. I v. 01.10.1938.
343 Hrvatski pomorac v. 23.03.1939.
344 Vgl. den Artikel „Abspaltung des kroatischen Fußballs vom jugoslawischen Fußball-Bund“,
in: Sportski list - Split, v. 07.08.1939.
426
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien
„ Banovina Hrvatska “
In einer Rede am 16. August 1938, anläßlich eines Besuchs bei der serbischen Opposi
tion in Belgrad, betonte Macek das individuelle „nationale und das jeweils eigene
staatsrechtliche Bewußtsein des serbischen und kroatischen Volkes“. Er führte Bei
spiele von dalmatinischen Inseln an, die „unter Okkupation der Gendarmerie“ stän
den. Die Polizei würde „verhaften, schlagen und foltern“ und könne „von niemandem
zur Verantwortung gezogen werden“. Für den Fall eines ausbrechenden Krieges sah
der Präsident der Kroatischen Bauernpartei voraus: „Die Lage ist so, und das muß ich
euch auch offen sagen, daß heute kein Kroate diesen Staat verteidigen würde.“ Fälle
von Terror, Mord und Verfolgung gegen Kroaten im gemeinsamen Staat füllten viele
Seiten in den Publikationen der Bauernpartei.345
Auftrieb bekam die Nationalbewegung auch durch die ungleiche Besteuerung, die im
Königreich Jugoslawien herrschte. Die Steuern waren in Kroatien 15% höher als in
Serbien. Zwischen 1920 und 1935 wurden vom Gesamt-Investitionsvolumen für den
Eisenbahnbau, wie die Bauernpartei nicht müde wurde zu betonen, in Serbien 84,5 %
und in Kroatien nur 6,8 % investiert. Ein ähnliches Verhältnis herrschte bei Bankkre
diten und sonstigen staatlichen Ausgaben. Nach amtlichen Statistiken aus dem Jahr
1937 waren im höheren Staatsdienst, vom Königshof bis zur Nationalbank, 269 Serben
aber nur 30 Kroaten beschäftigt. Ähnlich war es bei den 34 Regierungen, die sich in
der Zwischenkriegszeit abwechselten. Kein Kroate war jemals Regierungschef, und
keines der wichtigen Ministerien (Verteidigung, Polizei o.ä.) wurde jemals kroatisch
besetzt. Auch in der Armee waren die Offiziere größtenteils Serben. 1938 waren von
165 Generälen im aktiven Dienst 161 Serben, 2 Kroaten und 2 Slowenen. Statistiken
des bekannten Professors der Zagreber Juristischen Fakultät, Rudolf Bicanic,346 soll-
345 Vgl. Glojnaric, Mirko, Borba Hrvata. Kronika dvaju desetljeca politicke povijesti (1919—
1939) (Der Kampf der Kroaten. Chronik zweier Jahrzehnte der pol. Geschichte 1919-39),
Zagreb 1940, S. lOf. u. 15; ders., Voda govori (Der Führer spricht), Zagreb 1936, wo alle
Reden, Proklamationen etc. von Macek abgedruckt sind.
346 Bei aller Polemik gegen die „lügenhaften Statistiken“ von Bicanic, auf die sich seither „alle
kroatischen Nationalisten“ berufen würden (Petranovic, Istorija Jugoslavije, S. 166), hat sich
doch bislang noch niemand die Mühe gemacht, die im Buch zusammengetragenen Angaben
über die Benachteiligung der Kroaten im Zwischenkriegs-Jugoslawien fundiert zu widerlegen.
Petranovic, der immer wieder darauf zurückkommt, nennt als einzigen konkreten Punkt
(S. 315) die seiner Meinung nach fehlerhafte Angabe, wonach 63,3% der Summe, die für
öffentliche Arbeiten vom Staat aufgewendet wurde, nach Serbien geflossen sei. Dabei kritisiert
er, daß Bicanic das Kosovo und Makedonien zu Serbien rechnet. Beide Gebiete besaßen aber
damals keinerlei Autonomie, vielmehr wurde auch offen eine Serbisierungspolitik („Südser-
427
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
1918-28 1929-38
Ministerium serb. kroat. andere serb. kroat. andere
bien“) verfolgt. Bei der Frage nach der politischen Wirksamkeit, die die Behauptungen der
Bauernpartei (in diesem Fall nur zusammengefaßt in Buchform) bei der Stabilisierung eines
exklusiv kroatischen Bewußtseins hatten, ist es aber gar nicht von Belang, ob die Zahlen alle
bis zur zweiten Stelle hinter dem Komma korrekt sind. Viel wesentlicher ist, daß sie ein in
Kroatien weit verbreitetes Gefühl, nun in Tabellenform, artikulierten.
A. Dragnich hält die kroatischen Argumente gleichfalls nicht für stichhaltig und die Serben
„have not been guiity of economic exploitation of any group or groups. If anything, they
exploited themselves for the benefit of the nation as a whole.“ (Dragnich, Anatomy of a
Myth, S. 661, ders., The First Yugoslavia: Search for a Viable Political System, Stanford, Cal.
1983, Kap. 7). Doch auch er begründet nicht seine Auffassung. Der umstrittene, und oft als
ultra-kroatischer Nationalist angegriffene Bicanic emigrierte nach der Machtübernahme der
Ustasa und setzte sich während des Krieges als Minister in der Londoner Exilregierung für
ein Kroatien im Rahmen eines föderativen Jugoslawien ein.
347 Vgl. Prica, Bogdan, Hrvatsko pitanje i brojke (Die kroatische Frage und Zahlen), Beograd
1937; Draskovic, Slobodan, Istina o ekonomskoj podlozi hrvatskog pitanja (Die Wahrheit
über die ökonomische Grundlage der kroat. Frage), Beograd 1940.
348 Bicanic, Rudolf, Ekonomska podloga hrvatskog pitanja (Die wirtschaftliche Grundlage der
kroat. Frage), hrsg. v. Vladko Macek, 2. Aufl., (gedruckt in der Hrvatska Narodna Tiskara
Stjepan Vidovic- Split), Zagreb 1938. Ein Blick nur auf einige Überschriften dieses höchst
einflußreichen Buches läßt die Tiefe der Entfremdung zwischen der Kroatischen Bauernpartei
und der Belgrader Politik erkennen: 1. Kap.: Die Abschaffung der regionalen Selbstverwal
tung und der Übergang zum Zentralismus; 2. Kap.: Was die Kroaten in den Staat eingebracht
haben, was Serbien; 3. Kap.: Vorkriegsschulden, 4. Kap.: Wer hat den Wiederaufbau Serbiens
nach dem Krieg bezahlt? Wer zahlt auch heute noch Kriegs-Reparationen?, 5. Kap.: Die
Einführung der Währung und die Kroaten, 6. Kap.: Die steuerliche Ungleichbehandlung,
428
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien
entwerten. Einheit und Gleichberechtigung seien reine „Fiktion, ein Märchen, um den
wirklichen Stand der Dinge zu verschleiern.“349 Seitenweise wurden Ungerechtigkei
ten einer jugoslawischen Staatsverwaltung aufgezählt, die das kroatische Volk mit ei
nem „abstoßenden Denunziationssystem und Mißtrauen“ unter Kontrolle halten
würde. Wenn protestiert würde wegen der Ausbeutung und Benachteiligung auf allen
Gebieten, „bekommen wir auf alles die Antwort, daß wir Kroaten froh sein können,
daß wir mit den Serben ein Volk bilden nach der offiziellen Theorie, und daß wir zum
ersten Mal in der Geschichte einen Staat (in dem die Serben herrschen) haben.“ Die
Kroaten würden mit „sentimentalen Phrasen (...) über die staatliche und nationale
Einheit“ abgespeist. Dabei seien doch die „offensichtlichen und tatsächlichen Benach
teiligungen“ und die „systematische und absichtliche Ausbeutung der kroatischen und
precani-Regionen“ durch das „politische System der serbischen hegemonistischen
Oligarchie“ evident: Für öffentliche Arbeiten seien „in zehn Jahren insgesamt 2800
Millionen Dinar“ aufgewandt worden, „davon für das engere Kroatien nicht einmal
10%, während es für Serbien 7 Mal mehr war.“ Nach einer Aufzählung, auf welchen
Gebieten Kroatien noch wirtschaftlich benachteiligt würde (Steuerungerechtigkeit,
Straßen-, Eisenbahn-, Hafenausbau etc.) lautete das Fazit:
„Die wirtschaftliche Ausbeutung wird durch politische Gewalt abgesichert. Unter diesen Um
ständen ist es nicht möglich, irgendeine Art von Gleichberechtigung auf Gesetzesgrundlage
zu erzielen (...). Die Angleichung der Gesetze, solange eine einheitliche Staatsverwaltung
besteht, gibt den Kroaten keinerlei Garantie, daß wir nicht auch in Zukunft ausgebeutet wer
den wie bis jetzt (...) Die staatliche und nationale Einheit ist nur ein Märchen. Die Wirklich
keit ist die Hegemonie der herrschenden serbischen Oligarchie, die systematisch die kroati
schen und precani-Regionen ausbeutet.“350
Wie Vladko Macek im Vorwort betonte, gehe es keineswegs „um leere Anerkennung
der kroatischen nationalen Individualität“.351 Deswegen ließe sich der Konflikt mit
Serbien auch nicht lösen, „wenn den Kroaten alle Minderheitenrechte, die Hervorhe
bung ihrer Volkstumszugehörigkeit, ihrer Schrift und ihrer nationalen Symbole
(Fahne, Wappen u.ä.) gestattet würde“. Der Streit gehe tiefer. Die kroatischen Regio
nen seien nach der Vereinigung nicht nur wie „ein erweitertes Serbien“ behandelt
worden, sondern die Machthaber würden schlimmer als „zivilisierte Staaten“ mit „ge-
7. Kap.: Handeln mit den Opfern Serbiens; 2. Teil: „Das Märchen von der staatlichen und
nationalen (Volks-) Einheit oder Die serbische Hegemonie als System“, Steuerbelastung in
den verschiedenen Regionen des Staates, Wie Steuern eingetrieben werden, oder: Volkseinheit
in Aktion (...).
349 Bicanic, Ekonomska podloga, S. 220. Folgende Zitate ebenda, S. 220-224.
350 ebenda, S. 224.
351 ebenda, S. 230. So Svetozar Pribicevic schon in einem Brief an die Führer der serbischen
Oppositionsparteien v. 19.7.1933. Er wunderte sich damals, wie wenig die Serben in Serbien
„die Psychologie der Kroaten“ verstehen würden und zeigte sich überzeugt, daß man den
Kroaten die Selbständigkeit nicht mehr vorenthalten könne. Vgl. Boban, Ljubo, Svetozar
Pribicevic u opoziciji (1928-1936), Zagreb 1973, S. 227ff.
429
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
430
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien
Dragisa Cvetkovic und Dr. Vladimir Macek, der Vorsitzende der Kroatischen Bauern
partei, gleichzeitig als Mandatar der Selbständigen Demokratischen Partei, unter
schrieben haben“. Macek, „als legitimer Vertreter des kroatischen Volkes“, habe mit
dem „sporazum“ einen „staatlichen Akt und keine Parteienübereinkunft“ abgeschlos
sen.358 Mit diesen Worten beginnt die Darstellung der „politischen, administrativen
und wirtschaftlichen Struktur der Banovina Hrvatska“. Mit dem Sabor als Parlament,
Gerichtsbarkeitskompetenzen, eigener Steuerhoheit und eigener Regierungsverwal
tung mit einem Banus an der Spitze359 und 11 Ministerien gleichgestellten „Abteilun
gen“ (odjel), entstand ein Gebilde, das sich einer einfachen staatsrechtlichen Qualifika
tion entzog, und in dessen Namen „Beamte der Banschaft“ einen Eid abzulegen hat
ten, wonach sie „der Heimat treu sein“, „die Gesetze der Banovina genau beachten“
und „die Interessen der Banschaft Kroatien“ schützen würden.360 Besser als juristische
Termini oder Gesetzes- und Verordnungstexte361 verdeutlicht aber ein Blick auf die
Aussagen der politischen Akteure die Intention (zumindest der Kroaten) des geschlos
senen Kompromisses.362
Sowohl der Text des „sporazum“ Cvetkovic-Macek, als auch die „Rede des Präsiden
ten Dr. Macek im kroatischen Sabor am 29. August 1939“363 machen Stellenwert und
358 Vgl. Pavlakovic, V. (Hg.), Banovina Hrvatska. Politicka, administrativna i ekonomska struk-
tura (Die Banovina Kroatien. Politische, administrative u. ökonomische Struktur), Zagreb
1939.
359 Seit den Zeiten frühester mittelalterlicher Staatsbildung war „ban“ (dt. Banus) die Bezeich
nung für das Amt und „banovina“ für das Gebiet, welches der Banus im Namen des Herr
schers verwaltete. Obwohl nach dem Gesetz über die Banschaftsverwaltung“ (Zakon o bans-
koj upravi) v. 7.11.1929 die einzelnen Banschaften innerhalb des Königreichs Jugoslawien als
Selbstverwaltungseinheiten definiert waren, konnte davon während der Diktatur und zu Zei
ten der aufoktroyierten Verfassung keine Rede sei. Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten
setzte der König während dieser Zeit den Banus ein. Erst infolge des „sporazum“ zur Lösung
der „kroatischen Frage“ und der Formierung der „Banovina Hrvatska“ entstand die Banovina
wieder neu als staatsrechtlich autonomes Gebilde; Vgl. Beuc, Ivan, Povijest institucija drzavne
vlasti Kraljevine Hrvatske, Slavonije i Dalmacije (Geschichte der Staatsinst. Kroatiens, Slawo
niens u. Dalmatiens), Zagreb 1985.
360 Sluzbeni Glasnik -Sluzbeni list ispostave Banske Vlasti u Splitu v. 24.10.1939.
361 Vgl. „Uredba o Banovini Hrvatskoj od 26. kolovoza 1939. god.“, „Uredba o ustrojstvu
Banske Vlasti od 9. rujna 1939. god.“ u. „Uredba o poslovima Pravde od 27. rujna 1939.
god.“, in: Banovina Hrvatska (Hg.), Zakoni, uredbe, naredbe itd. (Gesetze, Verordnungen,
Erlasse usw.), Svezak I., (Nr. 2728 Tisak i naklada knjizare St. Kugli Zagreb), Zagreb 1939ff.
(25 Bände).
362 Schon in der Autobiographie von Macek (In the struggle for freedom, S. 186-195) betont
dieser, daß dieser Kompromiß „keine Seite richtig zufriedenstellte“. Deshalb scheint die Inter
pretation korrekt, daß es von der Bauernpartei als „Anfang der Zerschlagung des unitaristi-
schen Jugoslawien und als erster Schritt in Richtung vollständiger Gleichberechtigung, Selbst
verwaltung und Freiheit Kroatiens“ gesehen wurde; Vgl. Mandic, Dominik, Hrvati i Srbi,
S. 264.
363 Pavlakovic, S. 48ff. u. 61ff.
431
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Bedeutung der Vereinbarung für die kroatische Seite deutlich.364 So sei, wie Macek
unter Hochrufen im Parlament betonte, das „kroatische nationale Territorium“ unter
dem Namen „ Kroatien“ (Hervorh. im Original) gesichert worden. Zwar konnte man
sich nicht einmal „bezüglich des Territoriums einigen“, aber immerhin ein Minimal
kompromiß sei der Zusammenschluß von „Save- und Küsten-Banschaft, Stadt und
Kreis Dubrovnik, sowie den kroatischen Kreisen Travnik, Fojnica, Brcko, Gradacac,
Derventa aus Bosnien und aus Slawonien Ilok und Sid. Damit sei freilich „die Frage
des kroatischen Territoriums nicht definitiv gelöst“ bis zur „endgültigen Umformung
des Gesamtstaates.“ Weiter hieß es: „Was die Macht angeht, so kann ich sagen, daß
wir Kroaten nun fast die vollständigen Herren in unserer Heimat sind, die Kroatien
(Hervorh. im Original) heißt. (Sehr lebhafte Zustimmung und Rufe: So ist es!). In die
Kompetenz der Banschaft werden nun in rascher Folge alle Aufgaben fallen, außer
der Außenpolitik, der Armee, Eisenbahnen und Post, und einiger weniger anderer
Kleinigkeiten. Und diese Kompetenzverteilung ist nicht endgültig, und wird anläßlich
der Umstrukturierung des Gesamtstaates vollkommen neu geregelt werden. (...) nach
20 Jahren haben wir zum ersten Mal unsere Zukunft auf die Grundlage des kroati
schen Staatsrechts gestellt. Lebhafte Zustimmung, Applaus und Rufe: So ist es! Er
lebe hoch!).“
In der anschließenden Rede des Abgeordneten Kosutic365 wurde festgestellt, daß man
nach dem „Bericht unseres Präsidenten klar verstanden“ habe, „daß es um nichts
weniger geht, als um die Wiederherstellung unserer lieben Heimat Kroatien, jener
jahrundertealten Heimat, die sie unterdrücken, verspotten, auseinanderreißen und ver
nichten wollten“. Und nach einer Aufzählung von Unterdrückungsmaßnahmen, de
nen man ausgesetzt gewesen sei, gab der stellvertretende Vorsitzende der Bauernpartei
seiner Überzeugung Ausdruck, „daß Kroatien wieder das sein wird, was es einst war.
Und mehr noch:
„Kroatien wird frei sein und in ihm wird Gerechtigkeit und Gleichheit herrschen. (...) Wer
von uns hätte in jener Zeit nach dem 20.Juni 1928 nicht verstanden, wenn wir uns wie ein
Mann erhoben hätten und wenn wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, die uns
Gott an die Hand gegeben hat, angefangen hätten, mit allen abzurechnen, die auf unserem
Weg standen? Es brauchte geniale Weisheit wie Manna vom Himmel, daß sich das kroatische
Volk auf die gerechte Idee verließ, die es auf sicherem Weg zum Ziel geführt hat. Diese
Weisheit bestätigt sich uns Zeitgenossen nun durch die großen Ereignisse. (...)“ Doch „der
Kampf ist nicht beendet, er fängt erst richtig an. (...) Alles, was sich über die Jahre unter
dem falschen Namen des ausgedachten, aufgezwungenen und gewalttätigen Jugoslawismus
gesammelt hat, spürt jetzt, daß es verloren ist (.,.).“366
364 Grundlegend zum sporazum: Boban, Ljubo, Sporazum Cvetkovic-Macek, Zagreb 1964,
S. 139-190; auch Sundhaussen, Geschichte Jugoslawiens, S. 98ff.
365 Pavlakovic, S. 65ff.
366 Glojnaric, S. 379; vgl. auch Stivic, Imbro, Zivot i djelo brace Radica (Leben und Werk der
Brüder R.) (=Mala knjiznica seljacke sloge Broj 1), Zagreb 1940.
432
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien “
Auch ein Abschnitt aus der Rede des serbischen Abgeordneten Sava Kosanovic sei
zitiert, da die Stellung der Serben in Kroatien zum Belgrader Staat meistens kaum
Beachtung findet. So betonte der politische Führer der kroatischen Serben im Namen
der Selbständigen Demokratischen Partei:
„Die Tragödie des kroatischen Volkes, die nun schon 20 Jahre andauert, war gleichzeitig eine
moralische Tragödie der Serben. Im Namen der Serben haben jene gesprochen, die nicht die
Vertreter der anständigen und edlen Traditionen des Serbentums und seines Kampfes um die
Freiheit waren. Das große moralische Kapital der Geschichte Serbiens, des Serbentums allge
mein, wurde vernichtet und befleckt. Im Namen der Serben traten jene auf, die das Serbentum
in den Augen der Kroaten erniedrigt und mit Schande bedeckt haben. In der Seele des kroati
schen Volkes mußte das Gefühl entstehen, daß Serbentum ein Synonym für Gewalt, Korrup
tion und Ungerechtigkeit ist. Der anständige serbische Bauer wurde verantwortlich gemacht
für etwas, für das er nicht verantwortlich ist. (...) In diesem historischen Moment erinnere
ich mich, als Serbe in Kroatien, der schönen Worte unseres großen Nikola Tesla (...): „Ich
bin stolz sowohl auf meinen serbischen Namen, als auch auf meine kroatische Heimat.“ Dies
ist Ausdruck jenes Grundgedankens, daß sich Serben- und Kroatentum im geschichtlichen
Kampf um das Gute und die Freiheit verbinden können. (.. .).“367
433
Vom ,integral-jugoslawischen1 Einheitsverständnis
brigada“, die in Zagreb formiert wurde, wurde von General Kvintilijan Tartaglia aus
Split befehligt. Tartaglia war der einzige aus Dalmatien stammende in der Führung
der Banschaft.370
Unter der Oberfläche des hoffnungsvollen Zuwartens, daß es nun mit der Banovina
besser werden würde, gärte es. In seiner letzten Ausgabe sah sich der „Jadranski
Lloyd“ genötigt zu betonen, daß „Dalmatien keineswegs autonomistische Einstellun
gen“ entwickeln würde. Diese „Gerüchte“ entbehrten jeder Grundlage. Die „Unzu
friedenheit“ in der Region richte sich keineswegs gegen die Banovina. Seit „80 Jahren“
sei es der sehnlichste Wunsch Dalmatiens gewesen, „aus politischen und wirtschaftli
che Motiven heraus“, mit „Kroatien vereinigt“ zu sein. Zwar seien die „dalmatinischen
Kroaten“ in Zagreb nicht gerade überrepräsentiert in den Organen der Macht, aber
in „brüderlicher Liebe“ würden sich auch diese Fragen klären lassen.371 Von den füh
renden Politikern der Bauernpartei wurde oft die Wichtigkeit Dalmatiens und der
Küste für die Banovina betont.372
Auch die Banovina war alles andere als der Kern eines zukünftigen homogenen kroati
schen Nationalstaates. Nach der offiziellen Statistik des Jahres 1931 hatte die Banovina
Kroatien 4.024.601 Einwohner, davon 1.968.164 männlichen, und 2.056.437 weiblichen
Geschlechts. Zwar sei die Banovina, wie ihre kroatischen Verteidiger betonten, mit
einem Anteil von knapp über 70 % Kroaten immer noch homogener als die übrigen
„serbischen Gebiete“, wo die Titularnation nur 64,7 % der Einwohner stellen würde
(so z.B. rechtfertigte Bicanic die Konstruktion der Banovina Hrvatska373); die Pro
bleme aber, die sich aus dem Zusammentreffen inkompatibler Nationalideologien er
geben, stellten sich sofort in Form eines starken serbischen Widerstandes ein (ganz zu
Schweigen vom Problem der faktischen Aufteilung Bosniens374). Doch vorher ein paar
Worte zum Stellenwert der „Banovina FIrvatska“.
370 Pavlakovic, S. 16 u. 25f. Der am 9. Februar 1884 in Split geborene K. Tartaglia beendete dort
auch Volks- und Mittelschule, und absolvierte dann die Kadettenanstalt in Triest und diente
in der damaligen österreichischen 22. dalmatinischen Kompanie. Als Leutnant ging er dann
zur Bosnisch-Herzegovinischen Gendarmerie, „wo er bis zum Umsturz diente“, danach in
die Gendarmerie des Königreichs Jugoslawien. Dort machte er Karriere bis zum Rang eines
Brigadegenerals, wozu er am 28. Juni 1937 befördert wird. Er war in Bosnien, in der Vojvo
dina und danach als Kompaniechef in Cetinje/Montenegro stationiert, auch wurde er nach
Ljubljana/Slowenien versetzt. Schließlich leitete er die Gendarmerie-Ausbildungsanstalt bei
Belgrad. Von diesem Posten kam er als erster Kommandant der Gendarmeriebrigade der
Banschaft Kroatien nach Zagreb.
371 Jadranski Lloyd v. 23.12.1940.
372 Vgl. Bicanic, Rudolf, Banovina Hrvatska i Jadransko more (Die Banovina Hrvatska und die
Adria), (Vortrag d. Präsident der Gospodarska Sloga) in Split vom 29. Oktober 1939, S. 161 ff.
373 „Die „politischen Rechnungen des Dr. Smodlaka“, in: Nova rijec, Nr. 142-1939.
374 Vgl. Vojinovic, Perko, Vrbaska banovina u koncepcijama sporazuma Cvetkovic-Macek (Die
Vrbas-Banschaft in den Konzeptionen des sporazum C.-M.), in: Jugoslovenski istorijski caso-
pis, 1-2/1980, S. 85-105.
434
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien
Die Feststellung allein, daß der „unter dem Druck der internationalen Lage 1939
geschlossene serbisch-kroatische Ausgleich“ Kroatien den Status einer „in zentralen
innenpolitischen Fragen autonomen Region zugestand“,375 macht nicht recht deutlich,
wie weitreichende politische Vorstellungen sich mit diesem Ausgleich auf kroatischer
Seite verbanden. Das wissenschaftliche Urteil hat den „sporazum“ überwiegend als
„minimale(n) Kompromiß“ nach „20 Jahren verfehlter Integrationspolitik bzw. groß
serbischen Hegemoniestrebens und heftigen innerstaatlichen Auseinandersetzungen“
bezeichnet, bei dem „ein Großteil der strittigen Fragen einfach ausgeklammert
wurde.“376 Und tatsächlich war weder die endgültige Grenzziehung, noch die Frage
der im Verband der Banovina lebenden Serben, die knapp 20 % der Bevölkerung aus
machten, endgültig geregelt worden.377 In Nord-Dalmatien, genauso wie in den von
Serben besiedelten herzegowinischen und bosnischen Gebieten, regte sich publizi
stisch aus Belgrad angeheizter Widerstand. Die Demokratische Partei von Ljuba Davi-
dovic verlangte die sofortige Annullierung der Vereinbarung, „weil sich das serbische
Volk niemals damit abfinden“ würde. Die Forderung der „Serbischen Stimme“ (Srpski
glas) aus Belgrad, die für den „politischen Zusammenschluß aller Serben inner- und
außerhalb Kroatiens“ warb, um der „Gefahr für die gesamte Nation“ vereint begegnen
zu können, unterstützten orthodoxe geistliche Teile des Kleinbürgertums und serbi
sche Vereine. Mit Ausnahme der SDS waren alle serbischen Parteien, nationalen Orga
nisationen und Vereinigungen, die Armee und die orthodoxe Kirche gegen den „spora
zum“. Sie sahen das Serbentum und den Staat bedroht. In einem Flugblatt: „An die
Serben der Banovina PIrvatska“ vom März 1940 hieß es unter anderem: „Wir erkennen
nicht an, und werden niemals eine staatliche Regelung anerkennen, nach der die Serben
in der Banovina von den Serben in Serbien durch nationale oder staatliche Grenzen
getrennt werden. Für alle Zeiten bleiben wir eins mit Serbien, sowohl in nationaler,
als auch in staatlicher Hinsicht.“378 Die Bewegung „Srbi na okup“ (Serben, die Reihen
geschlossen!) propagierte den Zusammenschluß der sechs verbliebenen alten Ban-
schaften (Vrbaska, Drinska, Dunavska, Morvska, Vardarska und Zetska) zu einer ad
ministrativen Einheit, die den Namen „Srpske zemlje“ (Serbische Länder) tragen
sollte. Dazu gehörten nach Meinung der serbischen Nationalisten auch jene Teile der
Banschaft Kroatien, in denen die serbische Bevölkerung die Mehrheit stellte, wie auch
die Gebiete, die aus geostrategischen und politischen Gründen angeschlossen werden
sollten. Mancherorts (z.B. in Knin) wurde schon der bewaffnete Widerstand vorberei
tet, was natürlich das serbisch-kroatische Verhältnis zusätzlich belastete.379 Doch da
375 Vgl. Calic, Marie-Janine, Der serbisch-kroatische Konflikt in Kroatien, in: Weithmann, Mi
chael W. (Hg.), Der ruhelose Balkan. Die Konfliktregionen Südosteuropas, München 1993,
S. 108-148, hier S. 123.
376 Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens, S. 64.
377 Boban, Ljubo, Sporazum Cvetkovic-Macek, Beograd 1965.
378 Vgl. Muzic, Pavelic i Stepinac, mit der Dokumentation der Texte versch. solcher Flugblätter,
S. 31 ff.
379 Odbor za obiljezavanje 50. obljetnice (Hg.), S. 25.
435
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
der Widerstand der orthodoxen Geistlichen gegen die Banovina vor allem der Siche
rung ihrer unter dem alten Regime erworbenen Posten diente fand die Aktion bei den
Bauern, deren soziale Stellung durch den „sporazum“ unverändert blieb, nur wenig
Resonanz. Die serbische Sammlungsbewegung „Srbi na okup“ konnte so nur in eini
gen Bezirken Norddalmatiens und in Knin Erfolge erzielen, wo sie eng mit den beste
henden Cetnici-Vereinigungen zusammenarbeitete.380
Doch nach dem Abschluß des „sporazum“ sah sich die Kroatische Bauernpartei einer
Zerreißprobe ausgesetzt.381 Die radikalen kroatischen Nationalisten, die der sezessio-
nistischen Ustasa nahestanden, hielten die „kroatische Frage“ durch den „sporazum“
keinesfalls für gelöst. Daß die Bauernpartei mit ihrem pazifistischen Kampfmitteln
und einem relativ moderaten Nationskonzept keinen Erfolg hatte, sondern ihr Führer
Stjepan Radic selbst Opfer des Nationalhasses geworden war, hatte die Radikalisie
rung in Teilen der kroatischen Gesellschaft sicher begünstigt. An erster Stelle ist hier
die 1929 von Ablegern der Rechtspartei gegründete Ustasa zu nennen. Die Ustasa-
Ideologie und deren blutige Umsetzung in die Praxis, ist in der deutschsprachigen
Historiographie gut beschrieben worden.382
Als Hauptinhalt des ideologischen Programms der „Ustasa - Hrvatska revolucio-
narna organizacija“383 ist ein „zum Chauvinismus gesteigerte(r) Nationalismus groß
kroatischer Ausrichtung“ auszumachen. Letztlich war die „Verwirklichung eines na
tionalkroatischen Staates“ der „einzige Punkt“, „in dem alle Mitglieder und Sympathi
santen der Bewegung übereinstimmten“.384 Doch traf dies eben nicht nur auf die
Ustasa zu. Der Wunsch nach einem eigenen Staat war Konsens in den breitesten Krei
sen der kroatischen Bevölkerung; aber auch eines großen Teils der von der SDS vertre
tenen Serben in Kroatien, deren Koalition mit der Kroatischen Bauernpartei offiziell
bis zum Einmarsch der deutschen Truppen nicht aufgelöst wurde. Keineswegs, und
zu keinem Zeitpunkt, hatte aber ein ultranationalistisches, großkroatisches und ser
benfeindliches Ustasa-Mordprogramm eine nennenswerte Massenbasis im kroatischen
Volk.
Ob in der Wirtschaftsvereinigung „Hrvatski radisa“ oder der Kulturorganisation „Ma-
tica hrvatska“: in allen ihnen erreichbaren Foren polemisierten die radikalen kroati-
380 Jelic, Ivan, O nekim odjecima sporazuma Cvetkovic-Macek medu Srbima u Hrvatskoj (Über
einige Reaktionen des sporazum C.-M. unter den Serben in Kroatien), in: Zbornik HI SL 3
(1965), S. 155f., hier zit. nach Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte, S. 64f.
381 Für das folgende Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte, S. 65-68; Boban, Ljubo, O politickim
previranjima na selu u Banovini Hrvatskoj (Über den pol. Gärungsprozeß auf dem Dorf in
der Banovina Kroatien), in: Istorija XX veka 2 (1961), S. 255ff.; ders., Macek i politika HSS
1928-1941 (M. und die Politik der HSS 1928-41), 2 Bde., Zagreb 1974.
382 Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte, S. 68ff. u. 232ff. u. zuletzt Troebst, Stefan, Nationalismus
und Gewalt im Osteuropa der Zwischenkriegszeit. Terroristische Separatismen im Vergleich,
in: Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte 1996/1, S. 273-314
383 Vgl. Troebst, Nationalismus und Gewalt, S. 292-298.
384 Sundhaussen, Nationsbildung, S. 250.
436
Der Anfang vom Ende des „Ersten Jugoslawien
sehen Nationalisten gegen den „sporazum“. Der Schriftsteller Mile Budak gab in Za
greb die Wochenzeitung „Hrvatski narod“ (Das kroatische Volk) heraus, die im
Grunde das öffentliche Organ der Ustasa -Bewegung war. Die „armselige administra
tive Autonomie ohne alle Garantien“ würde nur zur Stärkung des verhaßten König
reichs Jugoslawien führen und die Idee der Schaffung Kroatiens als eines selbstständ
igen und unabhängigen Staates verraten, meinten die extremen Nationalisten. Wirt
schaftskreise bemängelten, daß die „finanzielle Selbstständigkeit der Banovina Hrvat-
ska“ noch immer nicht ganz verwirklicht sei385 und die erreichte Stufe der
Selbständigkeit noch lange nicht genug war.386
Am schwersten wog jedoch, daß auch die Basis der HSS, die kroatischen Bauern,
nicht mehr fraglos hinter der Parteiführung stand. Tatsächlich ließ sich feststellen, daß
infolge des „ökonomischen und sozialen Differenzierungsprozesses auf dem Lande“
viele Bauern zusehends radikaleren Tendenzen auf der Rechten und Linken zuneigten
und sich damit „von der etablierten HSS-Führung“ entfernten. Dies entspricht dem
Befund, zu dem man nach der Lektüre der dalmatinischen Zeitungen um 1940 herum
kommt. Die „oppositionelle Interessengemeinschaft“ (Sundhaussen), diese heterogene
anti-jugoslawische Front aus Klerikalen, Frank-Anhängern, Separatisten, Föderalisten
und Anhängern der Bauernpartei, die jahrzehntelang die Lösung der „kroatischen
nationalen Frage“ angemahnt hatte, zerbrach nach dem Kompromiß mit Belgrad. Die
Erwartungen der Bauern auch in Dalmatien war, daß diejenigen, für die sie nun jahre
lang gestimmt hatten, einmal an die Macht gelangt, auf der Grundlage der kroatischen
Autonomie die Hauptprobleme des Dorfes (die Zersplitterung des Bodens, die
Bauernverschuldung und die Kreditierung der Landwirtschaft) lösen würden. Statt
dessen wurde der soziale Differenzierungsprozeß durch den Beginn des Zweiten Welt
kriegs noch beschleunigt, da das rasche Ansteigen der landwirtschaftlichen Erzeuger
preise nahezu ausschließlich den größeren Landwirtschaftsbetrieben zugute kam. In
den „passiven Gebieten“, wozu das gesamte dalmatinische Hinterland gehörte, kam
es wegen der angespannten Ernährungslage gar zu „anarchischen“ Zuständen, wie aus
Benkovac gemeldet wurde.387
Die HSS verlor, was sie über fast die gesamte Zwischenkriegszeit gehabt hatte: die
fraglose Unterstützung der absoluten Mehrheit der kroatischen Bauern. Die Bauern
partei aber zeigte sich überzeugt, daß „ heute die HSS nicht nur eine Partei ist, die das
kroatische Volk repräsentiert, sondern eine große kroatische nationale Gemeinschaft,
neben der keinerlei andere politische Bewegungen mehr existieren können. “ (Hervorh.
im Original).388 Entsprechend bekamen alle anderen Parteien und Gruppierungen dies
nun zu spüren. Ob bei den Wahlen zum Senat vom 12. September 1939 oder den
Gemeindewahlen vom 19. Mai 1940. „Disziplin und die Ordnung“ wurden nun von
437
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
den Funktionären der Bauernpartei angemahnt,389 die Zeit der eigenen Verfolgung
war schnell vergessen.390 Auch die neue HSS-Regierung nutzte bald die Möglichkeiten
des § 12a der „Verordnung über die Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die
öffentliche Sicherheit und den Staatsaufbau“. Es kam zu zahlreichen Verhaftungen
auch in Dalmatien.
Bei einer Großkundgebung in Split am 7. Januar 1940 betonte der Generalsekretär
der HSS, Juraj Krnjevic, daß sich in die bäuerlichen Reihen weder kommunistische
noch faschistische Ideologien einschleichen dürften, sondern daß sich die Partei auch
weiterhin fest an der Lehre der Gebrüder Radic ausrichten müsse.391 Aus Protest
gegen die nun einsetzende Repression gegen diese „unbäuerlichen Elemente“ sank bei
den Gemeindewahlen die Wahlbeteiligung in einigen Kreisen auf 20 % und es wurden
Proteste wegen Wahlfälschung laut. Mancherorts ließ es die HSS erst gar nicht zu,
daß andere Listen aufgestellt wurden.392 „Terror und Wahlkampfmanipulation“, die
die HSS so oft beim Regime in Belgrad angeprangert hatte, konnten nun ihr zum
Vorwurf gemacht werden.393 Auch was das parteiinterne Demokratieverständnis anbe
langte, klaffte eine bemerkbare Lücke zwischen Programm und Realität. Vladimir
Macek wurde beispielsweise nie formal als Präsident der Bauernpartei gewählt; die
Vorstellung eines „demokratischen Paradepolitikers“ ist sicher nicht aufrechtzuerhal
ten, sieht man sich seine autoritären Neigungen und Manieren an, die er innerhalb
seiner Partei (und nach der Proklamation der Banschaft Kroatien auch auf deren Terri
torium) an den Tag legte. So traf er seine Entscheidungen grundsätzlich, ohne vorher
Entscheidungsgremien der Partei einzuberufen oder zu konsultieren.394 Auch war er
es, der zum Netzwerk der kulturellen, ökonomischen und gewerkschaftlichen Organi
sationen im Umfeld der HSS (Seljacka sloga, Gospodarska sloga, Hrvatski radnicki
savez) die paramilitärischen Verbände des „Bauern und Bürgerschutzes“ (Seljacka i
Gradanska zastita) gegründet hatte. In manchen Handlungen ließen sich in der Politik
Maceks, als er in der Banovina faktisch an die Macht kam, sogar totalitäre Züge ausma
chen. Dies läßt sich nicht nur an seinem Verhalten allen anderen Parteien gegenüber
festmachen und daß er sich auf einem Schimmel sitzend als Führer feiern ließ. Die
Vergabe auch der geringsten öffentlichen Position in der Banovina war eindeutig an
eine Mitgliedschaft in der Bauernpartei gebunden, politische Gegner von rechts und
links wurden interniert.
438
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien “
Eine weiteres Phänomen war die Unterwanderung der paramilitärischen Bauern- und
Bürgerschutzformationen der HSS durch Anhänger der Rechtspartei (frankovci), die
mit der Ustasa sympathisierten.395 Dies wurde schon von Zeitgenossen registriert.
Daß aber in den Schutzverband der Bauernpartei vor allem Ustasa-Agenten eingetre
ten seien, ist wohl in dieser Absolutheit nicht beweisbar.396 Nachdem der „Bauern
schutz“ zuerst nur eine Art Leibgarde für den Vorsitzenden der Partei sein sollte (die
sog. „Macekova garda“), ging man später dazu über, Anzahl und Funktion der Truppe
auszuweiten und schuf einen Saal- und Versammlungsschutz für Veranstaltungen der
Bauernpartei. Ab 1937 kann man die „Seljacka zastita“ wohl endgültig als eine Art
para-militärische Schutztruppe sehen, die in fast allen Kreisen Kroatiens, wo die Bau
ernpartei stark war, Gliederungen hatte. In den Städten hieß die Organisation „Gra-
danska zastita“ (Bürgerschutz), von denen 15 gegründet wurden. Die „Kotarske sel-
jacke zastite“ zählten zwischen 800 und 2500 Mann (insgesamt gab es über 100), und
waren, wie die ehemalige kroatische Heimwehr (domobrani) in roj, vod und satnija
aufgeteilt. In den Städten wurde die HSS-Truppe bald eine Art Hilfspolizei, nachdem
die „Banovina Hrvatska“ proklamiert worden war. Aus den kroatischen Gliederungs
bezeichnungen, die auch die Ustasa benutzte, hat man später versucht, eine Identität
zwischen den Formationen der Ustasa und dem Bauernschutz zu konstruieren, was
gewiß nicht zutrifft. Die kommunistische Auffassung war, daß dieser Bauern- und
Bürgerschutz aus Armeebeständen bewaffnet wurde und das erklärte Ziel hatte,
„Kommunisten und alle fortschrittlichen Patrioten zu verfolgen“.397 Zumindest in den
einschlägigen Quellen für Dalmatien findet sich dafür kein Beleg. Sicher waren die
Mitglieder des Bauernschutzes jedoch kroatische Nationalisten, die die Zerstörung
Jugoslawiens im Sinn hatten und sich einen kroatischen Staat wünschten. Ob aber
Qualifikationen, wie „faschistisch“ und „ultra-reaktionär“ und „ultra-extrem“ das
Wesen dieser Verbände genau bezeichnen, bleibt fraglich.398
439
Vom,integral-jugoslawischen1 Einheitsverständnis
Daß Macek nach dem „sporazum“ innerhalb der Partei und ihren Gliederungen an
Macht und Einfluß verlor und in der Banovina ein politischer Kampf „aller gegen
alle“ ausbrach, war die Folge der immer stärkeren Polarisierung innerhalb der HSS.
Den Organisationen - vor allem in Dalmatien - fehlte jegliche Disziplin und Homo
genität; Fraktionskämpfe bestimmten den politischen Alltag. Auf Kosten der politi
schen Bedeutung der HSS-Führung wurde ein stärkerer Einfluß der „Frankianer“ und
Kommunisten immer deutlicher spürbar. Von rechts wurde die Führung der Bauern
partei „in Massen von Flugschriften“ wegen ihrer „unnationalen“ Politik angegriffen
und des „Hochverrats am kroatischen Volk“ bezichtigt. Immer wieder wurde in der
Agitation herausgestellt, daß alle „sozialen und ökonomischen Probleme erst durch
die vollständige Abtrennung Kroatiens von Jugoslawien gelöst werden könnten“.399
Die ultra-nationalistische Ustasa-Agitation, die die aus Italien bis Mitte 1939 heimge
kehrten amnestierten Emigranten in den verschiedensten Institutionen und Organisa
tionen betrieben, spielte auch in Dalmatien ihre verhängnisvolle Rolle, indem sie den
Boden für die spätere anfängliche Akzeptanz eines Ustasa-Staates schuf. Schon in der
Emigration entwickelte die Ustasa eine sehr rege publizistische Tätigkeit. Hatten es
die Ustasa-Publikationen vorher schwer gehabt, innerhalb Kroatiens illegal vertrieben
zu werden, so eröffnete sich ihnen jetzt ein weiter Freiraum, auch wenn die Führung
der Banovina schließlich einschritt und einige Ustasa-Zeitungen verbot.400 In als „Spar
und Hilfsgemeinschaften getarnten“ Gesellschaften wie der „Uzdanica“ (Hoffnung)
oder in Zirkeln an der Universität entfaltete die Agitation der Ustasa v. a. unter Teilen
der katholischen Intelligenz und universitären Jugend Wirkung. Auch gelang es der
fanatisch-nationalistischen Ustasa-Agitation, „unter den Wählern und Mitgliedern der
Kroatischen Bauernpartei“ neue Anhänger zu gewinnen. Neben der renommierten
und traditionsreichen Kulturinstitution „Matica hrvatska“ und zahlreichen Zeitungen
und Zeitschriften wurden die katholischen Vereinigungen „Domagoj“, „Krizari“,
„Katholische Aktion“ u.a „zu einflußreichen Agitationszentren der Ustasa-Klerika-
len“.401 Der 1939 gegründete „Hrvatski junak“ und sein Organ „Vihor“ sind als Trans
missionsriemen für die Ustasa-Ideologie beschrieben worden. Wichtiger sind jedoch
die nach dem Verbot des kroatischen „Orao“ von der katholischen Kirche unterstütz
ten „Bruderschaften des Kreuzes“ (krizarska bratstva), die Sektionen für die Arbeiter-
440
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien
402 Vgl. „Uredba o izmjeni i dopuni Zakona o zastiti javne bezbednosti i poretka u drzavi“ u.
Lucin, Ante, Frane Kapov Rus (1913-1942), in: Kastelanski zbornik 2, Kastela 1989, S. 113 —
117.
403 Vgl. Naprijed - Omladinski list Nr. 1 Jg. I v. 07.06.1939 u ff., sowie Pokret hrvatske narodne
mladice Jg. I Nr. 1 v. 18.03.1940.
404 Dalmatinska Hrvatska v. 06.03.1941.
441
Vom ,integral-jugoslawischen‘ Einheitsverständnis
bekommen. Viel zu mild sei mit denen verfahren worden, die während der Diktatur
an hervorragenden Stellen das kroatische Volk „gequält“ hätten. Der Sokol beispiels
weise sei noch immer das Zentrum dieser verhaßten ehemaligen Macht.405
Die „national und patriotisch“ in jugoslawischen Sinne fühlenden Kreise waren schon
lange kein Machtfaktor mehr.406 Alle Versuche jugoslawistisch denkender Intellektuel
ler zu beweisen, daß man „ein guter Jugoslawe“ sein und trotzdem „die Existenz und
Entwicklung der Banovina Kroatien verteidigen“ könne, schlugen fehl. Die nach wie
vor loyal zum jugoslawischen Staat stehende Zeitung bekam, wie die Redaktion be
klagte, keine Anzeigenkunden von „kroatisch“ eingestellten Institutionen und Indivi
duen. Man sah sich gezwungen zu versichern: „Wir hassen nicht alles, was kroatisch
ist!“ Alle wortreichen Versuche, den „jugoslawischen Nationalismus“ als die höchste
Form auch des kroatischen darzustellen, entfalteten keinerlei Wirkung. Die Leserzahl
in Dalmatien war äußerst gering, was auch der Herausgeber zugeben mußte. Im „Na-
rodni list“ war die Rede von denen, die „hartnäckig irgendein seltsames „unabhängiges
Kroatien“ propagieren“, das aber nur als Klientelstaat einer Großmacht vorstellbar
sei. Solche Ideen müßten im Interesse des Gesamtstaates „aus dem politischen Leben
ausgeschlossen und auf immer verunmöglicht werden“. Doch es war viel zu spät. Die
Aufrufe an „alle, die diesen Staat (gemeint war Jugoslawien, A. J.) lieben“, sich zu
einigen, gingen ins Leere. Auch die gegründete „Jugoslawische Nationale Partei“
(JNS) blieb ohne Anhängerschaft. Die Zeitung konnte noch so oft gegen die „falsche
Gleichsetzung von Katholizismus = Kroatentum, Orthodoxie = Serbentum“ und die
„kleinen Fanatiker“, die das behaupteten, polemisieren. Die Gemeinsamkeiten zwi
schen Kroaten und Serben, wie die Jugoslawen' sie sahen, waren in der öffentlichen
Debatte schon lange nicht mehr wichtig. Die Forderungen nach „vollkommener Frei
heit für das kroatische Volk“, die nicht nur die Anhänger der Frank-Partei, sondern
„nun auch Teile der Bauernpartei erheben“ würden, konnte das „Volksblatt“ nur noch
schwach parieren mit dem Verweis auf die „staatliche Gemeinschaft“, die eine „Tei
lung der Souveränität“ notwendig mache. Selbst solche Institutionen, wie die Jadran-
ska straza, bemerkte die letzte jugoslawistische Zeitung in Dalmatien resignierend,
hätten nur noch den Namen mit dem gemein, was sie früher dargestellt hätten.407
„Narodni list“ blieb bis zum Schluß ein „jugoslawisches Blatt“. Der „22. und 23.
März 1941“, der Putsch von Simovic gegen den Beitritt zum Drei-Mächte-Pakt in
Belgrad, waren für seine Macher „große jugoslawische Tage“, an denen sich „jeder
Bürger Splits nur als Jugoslawe gefühlt und ebenso agiert und reagiert“ habe.408 „Ne-
442
Der Anfang vom Ende des „Ersten Jugoslawien“
ben den jugoslawischen Nationalisten begrüßten die Armee und diejenigen, die sich
als sozial unzufrieden bezeichnen“, die Ereignisse, schrieb Andjelinovic in seiner Zei
tung.409 Unverdrossen sah die Zeitung die „großen jugoslawischen Tage Splits sich
fortsetzen“. Mit allen Mitteln versuchte sie, die Erinnerungen an den November 1918
und den damaligen Vereinigungstaumel zu evozieren, doch vergeblich.
Vladko Macek trat am 3. April 1941 als Stellvertreter in die Regierung Simovic ein.
Bereits am 1. April war ihm vom Bevollmächtigten des deutschen Außenministers
angeboten worden, als Präsident eines selbständigen Kroatien vom Deutschen Reich
anerkannt zu werden. In „vollem Vertrauen, daß der Präsident Dr. Macek“ schon das
Richtige tun würde, nahm die „Dalmatinska Hrvtaska“ eine abwartende Haltung zum
Putsch ein.410 Doch Artikel, wie der des Lehrers Zvonimir Bandalo aus Oklaj „Die
Parasiten müssen ausgerottet werden“, wo es hieß: „Auch wenn wir nun schon zwei
Jahre unsere Banovina Kroatien haben, können sich die Herren doch nicht damit
abfinden, daß ihre Selbstherrschaft ein Ende gefunden hat“, wo die lokalen „Anhänger
der nicht-nationalen Regime“ beschuldigt wurden, „Lebensmittel zur Seite zu schaf
fen“ etc., machten deutlich, wie tief das Gift des Chauvinismus auch schon in die
Bauernpartei eingedrungen war.411 Die nächste (und letzte) Ausgabe der „Dalmatinska
Hrvatska“ verkündete am 12. April 1941 die „Proklamation des Poglavnik Dr. Ante
Pavelic“. So erfuhren nun auch die Leser in Dalmatien:
„Gottes Vorsehung und der Wille unserer Verbündeten, der leidvolle jahrhundertelange
Kampf des kroatischen Volkes und die große Opferbereitschaft unseres Führers Dr. Ante
Pavelic und der Ustasa-Bewegung im Lande und in der Emigration haben heute, vor dem Tag
der Auferstehung des Gottessohnes, bestimmt, daß auch unser unabhängiger kroatischer Staat
wieder aufersteht.
443
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
tischen Geschichte aufgeschlagen werden sollte.412 Daß es das schwärzeste der kroati
schen Geschichte werden würde, ahnten in diesem Moment wohl nur die wenigsten
in Dalmatien.
Bei dem Vorhaben, als Reaktion auf den Putsch „Jugoslawien militärisch und als
Staatsgebilde zu zerschlagen“ (Hitler), griff das nationalsozialistische Deutschland nun
auf die Ustasa zurück, die auch vom faschistischen Italien favorisiert wurde. Am 5.
April sprach aus Italien der „poglavnik“ (Führer) der Ustasabewegung, Ante Pavelic,
über den Rundfunk und setzte seine Zuhörer über die Gründung eines kroatischen
Staates unter dem Patronat Hitlers und Mussolinis in Kenntnis. Am 6. April begann
ohne Kriegserklärung der deutsche Angriff auf das Königreich Jugoslawien, und am
selben Tag bombardierten italienische Flugzeuge den Hafen von Split und terrorisier
ten in den folgenden Tagen die Bewohner der Stadt.413 Die nun einsetzende Kriegs
wirklichkeit erlegte den Menschen in Dalmatien großes Leid und zahllose Opfer auf.
Vor allem die serbische Minderheit in Dalmatien sah sich bald schwerster Verfolgung
ausgesetzt.
Die Soldaten des Königreichs Jugoslawien waren nicht motiviert, für einen Staat, den
sie nicht als den ihren empfanden, zu kämpfen. Nach dem Einmarsch der deutschen
Truppen am 10. April 1941 in Zagreb, die von einer jubelnden Menge begrüßt wurden,
proklamierte der ehemalige k.u.k.-Oberst Slavko Kvaternik im Namen des „poglav
nik“ Pavelic den sogenannten „Unabhängigen Staat Kroatien“. Am 15. April floh die
jugoslawische Regierung mit ihrem König nach London, zwei Tage später unter
schrieb die im Land verbliebene militärische Führung der jugoslawischen Armee die
bedingungslose Kapitulation.
Es ist in treffenden Worten ausgedrückt worden, wie der „nie befriedigte und zur
Ruhe gekommene kroatische Nationalstaatsanspruch, ein tief verletztes nationales Be
wußtsein und die ebenso romantisch-verinnerlicht wie aggressiv geprägte Vorstellung
von einer kroatischen „Mission“ im Grenzbereich zwischen Abendland und Byzanz,
zwischen West- und Ostkirche, zwischen Zivilisation und „balkanischer Unkultur“
in jenen Tagen in Kroatien in dem rauschhaft verkündeten Glauben an die „Auferste
hung“ des kroatischen Staates Zusammenflossen. Das Ergebnis war Intoleranz und
Menschenverachtung.“414 Es sollte sich bald zeigen, daß die integrative Kraft des
Ustasa-Nationalismus, die stilisierte Selbstdarstellung als katholisches Bollwerk, nicht
lange vorhielt. Im Falle der Anhänger des radikalen kroatischen Nationalismus hatte
er sich zweifellos zu stilisierter, verzerrter Wirklichkeitswahrnehmung verselbständigt.
Maceks zögerliche und entscheidungsschwache Politik, und schließlich sein Aufruf
zur Loyalität gegenüber der Ustasa-Staatsführung, wurde weitestgehend befolgt.
444
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien “
445
Vom,integral-jugoslawischen' Einheitsverständnis
Am 11. Juni 1941 wurde die Bauernpartei von der Ustasa verboten und ihr Führer
Macek und zahlreiche Mitglieder des Parteivorstandes interniert. Von den 87 HSS-
Abgeordneten traten 22 der Ustasa-Bewegung bei. Der linke Parteiflügel schloß sich
den Tito-Partisanen an.418 Die „Römischen Verträge“ vom 15. Mai 1941, mit denen
ein großer Teil Dalmatiens an das faschistische Italien fiel, waren für viele kroatische
Nationalisten in Dalmatien ein Schock.419 Ein Zivil-Kommissariat im okkupierten
Teil, mit Sitz in Zadar, das bald in Regionalverwaltung umbenannt wurde, übernahm
die zivile Macht in Dalmatien. Italien besetzte Zadar und sein Hinterland, die vorgela
gerten Inseln, Sibenik und Umgebung. Trogir und Split, die Inseln Ciovo, Drvenik,
Solta, Vis, Bisevo, Korcula und Mljet. Knin und Drnis sollten zwar beim „Unabhängi
gen Staat Kroatien“ verbleiben, doch auch dort blieb die italienische Armee statio
niert.
Eine Zeit vieler Opfer und großer Leiden begann für die Menschen in Dalmatien. Der
jugoslawische Staat, in der Form, wie er bestanden hatte, verschwand für immer. Der
langjährige Diplomat und Minister im Königreich Jugoslawien, Momcilo Nincic,
schrieb im Dezember 1941 als Mitglied der Londoner Emigrationsregierung an den
Washingtoner Botschafter des zu diesem Moment schön untergegangenen Staates:
„Ich glaube nicht, daß sich Jugoslawien noch einmal wieder wird erneuern lassen. Wir
werden niemals mit den Kroaten Frieden haben. (...) Wir werden ein Groß-Serbien
bis Ogulin schaffen“.420 Auf der anderen Seite waren fanatisierte kroatische Nationali
sten unter Berufung auf das „Ringen des kroatischen Volkes um seinen Staat und seine
Selbstständigkeit“421 dabei, ein terroristisches Staatsprogramm ins Werk zu setzen, das
für den zu erschaffenden Nationalstaat all jene drohte zu vertreiben oder zu ermorden,
die als „nicht zugehörig“ erklärt wurden, insbesondere die serbisch-orthodoxe Bevöl
kerung.
Zu den Gründen, daß aus dem Bürgerkrieg in Gestalt der Tito-Partisanen eine Kraft
erwachsen sollte, die - auf neuer Grundlage - noch einmal einen Anlauf zu einem
Zusammenleben unternahm, gehörten sicher auch die unmittelbaren Erfahrungen,
wohin die Nationalitätengegensätze geführt hatten. Historisch-theoretische Erklärun-
418 Krizman, Bogdan, Korespondencija Stjepana Radica, 2 Bde., Zagreb 1972; Boban, Ljubo,
Macek i politika HSS 1928-1941, 2 Bde., Zagreb 1974; Jelic-Butic, Fikreta, Hrvatska seljacka
stranka, Zagreb 1983; Hrvatski leksikon, S. 472.
419 Scotti, Neva, Pokusaji primjene Rimskih ugovora od 18. svibnja 1941. (Die Versuche der
Implementierung der Römischen Verträge v. 18.05.41), in: Zadarska smotra 6/1993, S. 57-80.
420 Vgl. Plenca, Dusan, Medunarodni odnosi Jugoslavije u toku drugog svetskog rata (Intern.
Beziehungen Jugosl. während d. II WK), Beograd 1962, S. 91. oder Marie, Mihajlo, Kralj i
vlada u emigraeiji (König u. Regierung in der Emigration), Zagreb 1966, S. 222, der zahlreiche
Zitate von serbischen Politikern, anführt, die sich vehement für ein Großserbien einsetzen.
421 Straka, Manfred, Das neue Kroatien, in: Zeitschrift für Erdkunde (hrsg. v. Hans Schrepfer u.
Emil Hinrichs u.a.), 10. Jg. 1942, Heft 5, S. 253-279 hier S. 256 u. Schneefuß, Walter, Das
kroatische Volk, ebenda, S. 280-285, hier S. 280, die in Diktion und Geisteshaltung der
Ustasa-Ideologie entsprechen.
446
Der Anfang vom Ende des „ Ersten Jugoslawien “
422 Singleton, Fred, A Short History of the Yugoslav People, Cambridge et al. 1985, S. 134.
447
V. Fazit
1 Vgl. Krleza, Miroslav, Tko smo bili i tko (i sto) smo mogli postati (III u. IV) (Wer wir waren
und wer (und was) wir hätten werden können), in: Hrvatska ljevica Nr. 1/1996, S. 24—27 u.
Nr. 2/1996, S. 31-33.
449
Fazit
einsetzten, stellten keine relevante soziale Gruppe dar. Die konfessionelle Spaltung,
zu weit fortgeschrittene Ausbildung von Literatursprachen, unterschiedliche Staats
und Rechtssysteme und die präsente Erinnerung an die eigenen staatlichen Traditionen
waren die Hindernisse, die ein jugoslawisches Volk nicht entstehen ließen.
Ein Staat mit Namen Jugoslawien entstand erst mit der Ausrufung der sog. „Königs
diktatur“ am 6. Januar 1929. Jugoslawen gab es in diesem Staat nur wenige. Wie
grotesk das Selbstverständnis dieses Staates anmutete, ein Nationalstaat sein zu wollen,
vor dem Hintergrund der Tatsache, daß es eben ein Nationalitätenstaat war, ist oft
bemerkt worden. Woran die jugoslawische Nationsbildung letztlich scheiterte, wurde
sehr viel seltener untersucht. Der Jugoslawismus, der sich auf romantisch-unitaristi-
sche Theorien berief und eine ethnische und sprachliche Gemeinsamkeit aller Südsla
wen postulierte, stand ab 1918 einer machtbewußten staatlich-serbischen Expan
sionspolitik gegenüber. Der großserbische Jugoslawismus Belgrader Prägung, den die
serbische Dynastie von oben als Herrschaftsideologie zu implantieren versuchte, hatte
mit dem jugoslavenstvo, wie es sich unter den Kroaten entwickelt hatte, nur noch den
Namen gemein. Als der staatlich propagierte Jugoslawismus zusammen mit dem durch
Nationalitätenkonflikte geschwächten jugoslawischen Staat im Zweiten Weltkrieg un
terging, weinte ihm kaum einer eine Träne nach. Die Geschwindigkeit, mit der der
erste jugoslawische Staat auseinanderfiel, und der Haß, mit dem die anti-jugoslawisch
eingestellten extremen Flügel der nationalen Bewegungen der Kroaten und Serben
einen Bürgerkrieg entfachten, machten deutlich, daß im monarchistischen Jugoslawien
die Idee einer gemeinsamen jugoslawischen Nation ein vollkommenes Fiasko erlebt
hatte.
Im zweiten föderativen und sozialistischen Jugoslawien unter Titos Führung versuchte
man aus den Fehlern der ersten mißglückten Staatsgründung zu lernen und verzichtete
darauf, mit Gewalt die verschiedenen Völker zu einem zu erklären. Vielmehr veran
kerte der sozialistische Staat in der Verfassung von 1974 schließlich weitestgehende
Autonomierechte für alle Nationen und Nationalitäten auf dem Gebiet des Vielvöl
kerstaates. Doch auch in diesem zweiten jugoslawischen Staat entstanden nur in Urba
nen Zentren und als Folge von „gemischt-nationalen“ Ehen erste Ansätze zu einer
spezifisch jugoslawischen Identität. Die fehlende ethnische und kulturelle Einheit der
verschiedenen Völker auf dem Gebiet Jugoslawiens und die unterschiedlichen histori
schen Traditionen konnten auch beim zweiten Anlauf nicht überwunden werden. Die
immer stärker werdende Föderalisierung des Staates verhinderte zudem eine stärkere
Durchsetzung eines gesamtjugoslawischen Nationalgefühls in breiteren Schichten.
Noch vor dem Auseinanderfallen auch des zweiten jugoslawischen Staates nach 1990
war es offensichtlich geworden, daß es im 20. Jahrhundert endgültig nicht zur Entste
hung eines jugoslawischen Volkes gekommen war und der Versuch eines synthetischen
„nation-building“ gescheitert war.
Die Schwierigkeiten, denen sich eine jugoslawischen Nationsbildung gegenübersah,
waren seit der Entstehung solch einer Konzeption im 19. Jahrhundert vielfältig. Was
den politischen Charakter des jugoslawistischen Konzepts betraf, so enthielt es von
450
Fazit
Anfang an viele Unklarheiten. Der mehrschichtige Begriff des jugoslavenstvo, der das
Südslawentum gleichzeitig als politische, staatsbildende und übernationale Kategorie
auffaßte, ließ offen, ob es um das Ziel einer südslawischen Kulturnation oder darüber
hinaus um Staatsbildung gehen sollte. Beides war eben, wie gezeigt worden ist, in dem
verschwommenen Konzept angelegt. Sieht man sich die Entwicklungsgeschichte des
Jugoslawismus an, der auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie entstand und in
letzter Konsequenz „Jugoslawen“ im nationalen Sinne schaffen wollte, kann solch
eine Entwicklung nicht überraschen. Der Wunsch, eine Nation sein zu wollen, wurde
niemals von relevanten gesellschaftlichen Kräften artikuliert. Im Prozeß der modernen
südslawischen Nationsbildung von traditioneller Interethnizität zur modernen natio
nalen Exklusivität existierten durchgehend verschiedene miteinander konkurrierende
Nationsentwürfe nebeneinander. Der Jugoslawismus konnte die exklusiv slowenische,
kroatische oder serbische Identität auf Dauer weder transformieren noch ersetzen.
Der wichtigste Grund dafür waren eben die politischen Realitäten, nachdem es tat
sächlich zur Schaffung eines jugoslawischen Staates gekommen war. Angesichts der
Krisenhaftigkeit sowohl des ersten wie des zweiten jugoslawischen Staates bot eine
jugoslawische Identität keine anziehende Perspektive für die große Mehrheit der Be
völkerung.
Wie hätte sich auch eine gemeinjugoslawische Identität beispielsweise im agrarischen
Dalmatien nach 1918 ausbilden sollen? Für diese Identität wurden nur vage Zukunfts
versprechungen ins Feld geführt, und ihr theoretischer Anspruch wurde Tag für Tag
von der politischen Wirklichkeit dementiert. Zudem war im Bürgertum ein kulturelles
und sozio-ökonomisches Überlegenheitsgefühl unter den Kroaten weit verbreitet,
dem zwar die politische Macht des serbisch dominierten balkanischen Staates gegen
überstand, das aber eine Übernahme Belgrader Ideologieangebote von vornherein un
wahrscheinlich machte.
Für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, die Bauern, standen ganz andere
Fragen auf der Tagesordnung als Nationskonzepte. Doch auch unter den Bürgern der
Städte zerschlug sich der genuin kroatische Jugoslawismus schnell im krisengeschüt
telten Alltag. Im Falle des „passiven“ Dalmatien spielten die enttäuschten Entwick
lungshoffnungen einer armen Region dabei eine herausragende Rolle. Die Untersu
chung der dalmatinischen Gesellschaft zwischen 1918 und 1941 machte einige Gründe
für das Desaster der jugoslawischen Staatsgründung deutlich.
Der Blick auf das Leben der dalmatinischen Bauern, Bürger und Arbeiter nach dem
Ersten Weltkrieg, als die politischen Umstände zum Handeln zwangen, verdeutlichte,
warum sich kein jugoslawisches Identifikationskonzept an der Küste durchsetzen
konnte: Vertreten von einer schmalen Intellektuellenschicht, konnte der integrale
Jugoslawismus vor 1918 keine Massenbasis erlangen, da er auch von den kroatischen
und serbischen Sozialisationsagenturen (namentlich den Schulen) bis zur Gründung
des jugoslawischen Staates nie ernsthaft gefördert worden war. Und auch das König
reich der Serben, Kroaten und Slowenen wurde für die Mehrheit der Menschen in
Dalmatien nicht zur Nation im Sinne einer „vorgestellten Gemeinschaft“. Zu schwach
451
Fazit
452
Fazit
eine moderne, bürgerliche kroatische Gesellschaft integrierte. In der Zeit nach dem
Ersten Weltkrieg gelang es ihr vor allem durch intensiv betriebene kulturell-aufklä-
rende Tätigkeit, Massenwirksamkeit zu erzielen. Der sich defensiv verstehende kroati
sche Nationalismus fand in der Bauernpartei seinen Katalysator und Organisator. Un
ter den Bedingungen des allgemeinen Wahlrechts, das nach 1918 zum ersten Mal allen
Männern über 21 Jahren gewährt wurde, und aufgrund der vielfältigen Durchdringung
der bäuerlichen Lebenswelt durch verschiedene Alphabetisierungs- und Organisie
rungsversuche konnte die Partei des charismatischen Stjepan Radic breiteste Bevölke
rungskreise erfassen. Auch am dalmatinischen Ausschnitt zeigte sich, wie damit ein
modernes kroatisches Nationalprogramm in der Bauernschaft zum ersten Mal eine
feste soziale Grundlage gefunden hatte. Die Zeit zwischen den Weltkriegen war ge
kennzeichnet durch den Abschluß des langwierigen und wechselhaften Prozesses der
Herausbildung einer modernen kroatischen nationalen Identität. Im Gegenzug stabili
sierte sich auch die in vielem konfessionell geprägte serbische Individualität und ein
abstraktes serbisches Nationalbewußtsein bei der serbischen Minderheit in Dalmatien.
Nachdem deren politische Vertretung vom anfangs vehement unterstützten Belgrader
Zentralismus abging und zu einer föderalistischen Politik umschwenkte, setzte sich
auch unter den sich politisch artikulierenden Serben die Sichtweise durch, daß man
gemeinsam mit den Kroaten als „precani“ von Belgrad benachteiligt werde. Innerhalb
Kroatiens und Dalmatiens gab es folglich keine gegen die kroatische Nationalbewe
gung gerichtete serbische Massenbewegung.
Für die serbischen und kroatischen Bauern und Landarbeiter Dalmatiens änderte sich
ihre gesellschaftlich-politische Lebenswirklichkeit nach 1918 nicht zum besseren.
Durch ihr Festhalten an Subsistenzproduktion und durch Extensivierungsversuche
mühten sie sich vergeblich, den Härten des Marktes zu entgehen. Doch den destrukti
ven Komponenten' im Transformationsprozeß einer in weiten Teilen noch vorkapitali
stischen Landwirtschaft konnten sie nicht entgehen. Dieser Prozeß überrollte die Bau
ern und ihre traditionell gewachsene Lebenswelt auch in Dalmatien. Auch an der
Ostküste der Adria waren die Zwänge einer sich zunehemd kapitalisierenden Ökono
mie übermächtig, die bis ins letzte Dorf im dalmatinischen Hinterland spürbar wur
den. Armut war das Los vieler. Das Wahlrecht ermöglichte den Bauern in der Zwi
schenkriegszeit, ihren Protest an der Wahlurne zu artikulieren. Die Programmatik
der Kroatischen Bauernpartei entsprach dabei in vielem genau ihrem überkommenen
Gerechtigkeitsempfinden. Gründe dafür, mit der Situation im neuen Staat unzufrieden
zu sein, gab es für die Bauern genug.
Ländliche Überpopulation, geringer Industrialisierungsgrad, niedriges Bildungsni
veau, Abhängigkeit vom Auslandskapital und geringe Produktivität waren allgemein
die Faktoren, die für die schlechten Lebensbedingungen in Dalmatien ausschlaggebend
waren. Die Disproportion zwischen den Wachstumsraten der Bevölkerung auf der
einen und fehlenden Arbeitsplätzen auf der anderen Seite wurde immer größer. Die
Folgen zeigten sich bei den Auswanderungsraten und einer immer nachdrücklicheren
Politisierung des dalmatinischen Dorfes nach 1918. Vor allem die gescheiterte Agrarre-
453
Fazit
form bereitete unter den Bauern den Boden, in dem die Saat nationaler Versprechun
gen aufgehen konnte.
Doch nicht nur die Bauern Dalmatiens waren angesichts ihrer Lebensbedingungen
mit dem jugoslawischen Staat unzufrieden und wandten sich der Kroatischen Bauern
partei zu. In allen sozialen Schichten der dalmatinischen Bevölkerung war die Enttäu
schung mit den Verhältnissen im Gesamtstaat greifbar. Gezeigt werden sollte dies
durch die Beschreibung des Loyalitätswandels des kroatischen Bürgertums in den
dalmatinischen Städten.
Das überambitionierte Programm einer „Regionalgeschichte als Totalgeschichte“
sollte am dalmatinischen Beispiel nicht versucht werden. Wenn aber Strukturen, Pro
zesse, Wandlungen und Ereignisse jener Zeit zwischen den Weltkriegen in dieser Re
gion vertrauter würden, die kennzeichnend waren für den schwierigen Übergang zur
Moderne, und das zu einem tieferen Verständnis der Integrationsprobleme im ethnisch
heterogenen südosteuropäischen Raum beiträgt, wäre der Zweck der Arbeit erreicht.
Bausteine und Material für eine Geschichte Dalmatiens der Zwischenkriegszeit wollte
diese Arbeit liefern, um das Scheitern der jugoslawischen Staatsbildung besser verste
hen zu können.
Bedingt durch die Fragestellung der Untersuchung, standen soziale Verfassung und
Nationsbildung in Dalmatien im Vordergrund. Die Geschichte Dalmatiens und seiner
Menschen in der Zeit zwischen den Weltkriegen geht aber sicher nicht in der Suche
nach kollektiven Identitäten auf. Viele andere Schwerpunkte und Bezugsrahmen sind
denkbar.
Wenn die arabische Zuschreibung zutrifft, daß der Mediterran so weit reicht, wie die
Olive wächst, gehört Dalmatien - jenseits aller staatlich-politischen Zugehörigkei
ten - zum Mediterran. Weder in Raum noch in Zeit sind dessen Grenzen verzeichnet.
Sicher ist nur: Sie sind nicht ethnisch und nicht historisch, nicht staatlich und auch
nicht national.. .2
Vgl. Matvejevic, Predrag, Mediteranski Brevijar, Zagreb 1987. (Aus dem Kroatischen über
setzt unter dem Titel „Der Mediterran. Raum und Zeit“ von Katja Sturm-Schnabl, Ammann
Verlag, Zürich 1993.)
454
VI. Anhang
455
Anhang
aa) Der Staat der Slowenen, Kroaten und Serben (Drzava Slovenaca, Hrvata i Srba)
Oktober 1918
K Al'
456
Karten und Statistiken
bb) Das Königtum, der Serben, Kroaten und Slowenen (Kraljevstvo SHS)
II.
Kana
457
Anhang
cc) Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (Kraljevina Srba, Hrvata i
Slovenaca) - Aufteilung in Bezirke (oblasti) 1922
K Al'
s I
1p« ■■
458
Karten und Statistiken
459
Karta V.
460
Anhang
K R A L JE V IN A JU G O S L A V IJA
-
P O D JE L A N A B A N O V IN E 1931-
Karten und Statistiken
ff) Die Grenzen der „Banovina Hrvatska“ nach dem „sporazurn“ vom 26. August
1939
.
Karta VI
461
gg) Die Aufteilung durch die Besatzungsmächte 1941
^
O
K>
4
Karten und Statistiken
Quelle der Karten aa - gg: Boban, Ljubo, Hrvatske granice 1918-1993, (2. Aufl.), Zagreb 1993,
S. 15, 21, 27, 32, 37, 43 u. 48.
b) Statistiken
Das Erscheinen des „Erntestatistischen Jahrbuches des Ackerbauministeriums“ war seit 1914
„sistiert“, und es wurden nur noch „Ländersummarien“ veröffentlicht. Danach betrug die Ge
samtfläche des Ackerlandes im Kronland Dalmatien im Jahr 1917 151.888 Hektar und wurde
folgendermaßen bestellt:
Kultur Anbau Ernte im Ernte Anbau Ernte im Ernte Anbau Ernte im Ernte
fläche ganzen pro ha fläche ganzen pro ha fläche ganzen pro ha
(in ha) (in q) (in q) (in ha) (in q) (in q) (in ha) (in q) (in q)
Weizen 20.850 91.857 4,4 22.056 100.513 4,6 29.307 227.472 7,8
Spelz - - - - - - 35 140 4
Roggen 2.678 8.701 3,2 2.716 10.058 3,7 6.300 39.687 6,3
Gerste 21.416 46.606 2,2 25.658 93.019 3.6 22.644 131.921 5,8
Hafer 1.057 2.616 2,5 2.620 6.451 2,5 3.856 14.700 3,8
Mengfr. - - - - - - 2.942 18.292 6,2
Mais 26.873 76.443 2,8 35.238 82.814 2,4 40.906 373.114 9,1
Hirse 3.386 9.537 2,8 2.644 7.135 2,7 3.025 22.372 7,4
Bohnen 3.098 8.853 2,9 2.898 9.954 3,4 2.470 26.470 10,7
Erbsen 859 3.902 4,5 844 2.860 3,4 793 7.808 9,8
Linsen 318 604 1,9 320 893 2,8 434 2.839 6,5
Wicken 701 4.001 5,7 750 2.697 3,6 832 6.269 7,5
Hülsenfr. 4.976 17.360 3,5 4.812 16.404 3,4 4.529 43.386 9,6
Stroh 650.599 949.501 1945870
Leinsam. - - - - - 12 60 5
Leinfaser 10 30 3 14 42 3 16 80 5
Hanfsa. - - - - - 1 9 9
Ha.Faser - - - - - 1 21 21
Chrisant. 927 1.864 2 933 4.143 4,4 1.248 5.174 4,1
Tabak 124 359 2,9 295 2.904 9,8 1.381 23.792 17,2
Kartoffel 6.629 94.547 14,3 8.262 192.297 23,3 5.521 326.619 59,2
Futterrüb. 150 4.720 31,5 219 14.489 66,2 304 38.783 127,6
Möhren 8 48 6 - 27 2.152 79,7
Kraut 2.547 69.701 27,4 2.536 144.527 57 2.032 177.279 87,2
Kürbis 216 4.538 21 585 39.269 67,1 357 43.576 122,1
Klee 2.777 55.595 20 3.114 75.195 24,1 3.636 174.356 48
Mengfr. 736 11.864 16,1 747 6.834 9,1 295 9,318 31,6
Brache 55.546 34.512 16.179
463
Anhang
Kultur Anbau Ernte im Ernte Anbau Ernte im Ernte Anbau Ernte im Ernte
fläche ganzen pro ha fläche ganzen pro ha fläche ganzen pro ha
(in ha) (in q) (in q) (in ha) (in q) (in q) (in ha) (in q) (in q)
Sonst.
Früchte 982 936 1.179
Kleesame - - - - - 7 2 3,3
Heu 10.436 128.951 12,4 10.770 158.715 14,7 10.450 198.280 19
Wein 50.556 514.721 10,2 54.212 616.461 11,4 69.993 965.718 13,8
Trauben 3.340 9.431 17.788
Kernobst 7.709 5.725 5.174
Steinobst 20.782 18.644 33.287
Mandeln 932 6.639 14.282
Nüsse 2.479 2.861 2.464
Kastanien 1.200 90 3.015
Feigen 19.598 13.765 52.369
Agrume 921 457 238
Joh.brot 2.720 5.613 1.992
Maulbeer. 8.559 8.645 4.928
Lorbeer 1.006 1.500 953
Olivenöl 4.134 9.635 25.465
Quelle: Anbauflächen und Ernteergebnisse in Österreich im Jahre 1917, verglichen mit jenen im
Jahre 1916 und im zehnjährigen Durchschnitte (1907-1916). Nach amtlichen Quellen im k.u.k.
Ackerbauministerium zusammengestellt, Wien 1918.
Im Jahre 1916 betrug die Anbaufläche im Kronland Dalmatien 147.897 ha; im Durchschnitt der
Jahre 1907-16145.720 Hektar; im Durchschnitt lag der Ertrag in Dalmatien, nach den Erhe
bungsergebnissen zu Anfang des Jahrhunderts, bei 2,16 Kronen, in Österreich dagegen bei 10,86
Kronen. Der Höchstertrag pro Hektar Weinberg für Österreich erreichte den Wert 208,52 Kro
nen, wohingegen in Dalmatien maximal 45,18 Kr. den Spitzenwert darstellen. (Vgl. Ergebnisse
der Catastral-Revision auf Grund des Gesetzes vom 12. Juli 1896, Wien 1903, Bd. II, S. 98.)
Entsprechend verhielt es sich beim Ackerland, wo im fruchtbaren Umland von Split gerade der
Wert 57,14 Kronen pro ha erzielt wurden, in Österreich dagegen 330,16 Kronen (Ergebnisse,
Bd. II, S. 109. u. S. 245.).
Unter den 1 % „übrige Sprachen“ 1910 nannten 50% (= 3.081 Personen) deutsch.
464
Karten und Statistiken
Quelle: Makale, Manfred, Zadnji popis pucanstva u Dalmaciji (Die letzte Volkszählung in Dalma
tien), Wien 1912, S. 44-45 u. 57.
465
Anhang
Jahr des männl. weibl. Gesamt Deutsch Italien. Serbo- Sonstige Staats
Zensus Kroat. fremde
Jahr des männl. weibl. Gesamt Deutsch Italien. Serbo- Sonstige Staats
Zensus Kroat. fremde
Quelle: Perselli, Guerrino, I Censimenti della popolazione dell’Istria, con Fiume e Trieste, e di
alcune cittä della Dalmazia tra il 1850 e il 1936 (=Centro di ricerche storiche Rovigno Etnia -
IV. Unione Italiana - Fiume), Trieste-Rovigno 1993, S. 451 u. 467.
466
Karten und Statistiken
Kroaten 76,80 %
Serben 15,35%
Muslime 7,69 %
Die absolute Mehrheit hatten in der Banovina die Orthodoxen in 13 Kreisen: Donji Lapac, Glina,
Gracac, Korenica, Kostajnica, Pakrac, Slunj, Udbina, Vojnic, Vrginmost, Vukovar (im Kreis),
Benkovac und in Knin, die relative Mehrheit in zwei Kreisen: Ilok und Sid;
Die Muslime stellten in einem Kreis die Mehrheit, und zwar in Konjic, mit 16.693 von insgesamt
32.189 Einwohnern. Katholiken stellten die absolute Mehrheit in 95 Kreisen, und die relative in
5 (Bugojno: 18.558 kath., 12.567 orth., 11.769 musl. u. 53 andere; Stolac: 20.207 kath., 10.310
orth., 10.632 musl. und 7 andere; genauso in Brcko, Travnik u. Gradacac). Auch in den Kreisen,
wo die Orthodoxen die absolute Mehrheit hatten, gab es eine nennenswerte Zahl an Katholiken.
In Glina 15.003 von insg. 45.742, Gracac 8020 von 27.859, Kostajnica 9853 v. 29.099, Pakrac
17.742 v. 40.051, Slunj 21.470 v. 45.829, Udbina 3077 v. 11.976, Vojnic 10.825 v. 39.297, Vukovar-
Kreis 14.622 v. 36.474, Benkovac 27.828 v. 59.790 und Knin 28.340 von insgesamt 60.465 Einwoh
nern. In dem mehrheitlichen muslimischen Kreis Konjic gaben von 32.189 Einwohnern 10.736
„römisch-katholisch“ als Konfession an.
Quelle: Pavlakovic, S. 75f.
467
Anhang
468
Karten und Statistiken
In lateinischer Schrift :
Demokrat, glasilo demokrata sjeverne Dalmacije, Sibenik, g. 3. - 1923, n. 1200, 1 puta tjedno;
Dubrovnik, list za politiku i narodno gospodarstvo, Dubrovnik, g. 2. - 1923, 2 puta tjedno;
Duje Balavac, humoristicki list, Split, g. 7. - 1923, n. 1500, 1 puta mjesecno;
Fabrika i Njiva, list za politiku i socijalnu nauku, Sibenik, g. 1. - 1923., 1 puta tjedno;
Golub, Satiricki saljivi list, Split, r. Petar Sabic, g. 4. — 1923., n 2000, 1 puta tjedno;
Hrvatska Rijec, organ Hrvatske Zajednice, Split, g. 2. — 1922, 2 puta tjedno;
Jadran, glasilo Pucke stranke, Split, r. Stanko-Bani, g. 5. - 1923., n 2000, 2 puta tjedno;
Jadranski Lloyd, nezavisno privredno glasilo, Split, r. Miroslav Kecskemety, g. 2. - 1923., 2 puta
tjedno;
Jez, humoristicki-satiricki list, Dubrovnik, g. 4. - 1923., 1 p. mjesecno;
Jugoslavenski narod, Split, r. Tomislav Novak, g. 2. - 1923., n 4000, dnevno;
Jugoslaven, organ demokratske stranke, Dubrovnik, r. Pavo Stjepic, g. 2.— 1923., n 1200, 1 puta
tjedno;.
List biskupije Splitsko-Makarske, Split, g. 1923., n. 500, 1 puta mjesecno;
Mlada Jugoslavija, omladinska knjizevna revija, Zagreb-Dubrovnik, r. Ivo Krznaric, g. 2. — 1923.,
n 1500, 1 puta mjesecno;
Narod, organ Radikala, list za politiku privredu i knjizevn.ost, Dubrovnik, g. 1923., n 2000, 1
puta tjedno;
Narodna straza, Sibenik, r. Josip Ivanovic, g. 3. - 1923., 1 puta tjedno;
Narodna svijest, organ Pucke stranke Dubrovnik, r. A. Fle, g. 5. - 1923., n 1500, 1 puta tjedno;
Nasa rijec, nezavisni list za cinovnicki stalez, Split, g. 2. - 1923., 2 puta mjesecno;
Novo doba, Split, r. Vinko Kisic, g. 6. - 1923., n 4000, dnevno;
Nova revija, vjeri i nauci, izdaje franjevacki samostan Makarska, Dubrovnik, g. 2. - 1923., 4 puta
godisnje;
Pobeda, organ jugoslovenskih nacionalista, Split, g. 7. - 1923., n 1200, 1 puta mjesecno;
Pokret, Savez uciteljskog drustva, Split, g. 7. - 1923., n 1200, 1 puta mjesecno;
Poljodjelski vjesnik, glasnik Zemaljskog Gospodarskog Dalmat. Vijeca, Split, re. J. Paladino, g.
27. - 1923., 1 puta mjesecno;
Primorski glasnik, Split, g. 3. - 1923., 1 puta tjedno;
Pucka prosvjeta, ilustrovana pucka smotra, Split, r. Frano Ivanisevic, g. 1923. n 1500, 1 puta
mjesecno;
Pucki List, Split, g. 30. - 1922., 1 puta tjedno;
Rad, Dubrovnik, g. 5. - 1923., n 2000, 1 puta tjedno;
469
Anhang
Sinjska Gospa, List za uzgoj i pouku katolickog puka, Sinj, g. 2. - 1923., 1 puta mjesecno;
Slobodni dom, Glav. nov. Hrv. republ. seljacke stranke, Zagreb, r. Stjepan Radic, g. 17. - 1923.,
n. 35.000, 1 puta tjedno;
Soca, Organ jugoslovenskih nacionalista, Sibenik, g. 1. - 1923., 1 puta tjedno;
Tezacka sloga, glas. Pokrajinskog tezackog saveza, Split, g. 5. - 1923., 1 puta tjedno;
Tezacke novine, Split, g. 5. - 1923., n 2500, 2 puta tjedno;
Vojni invalid, Glasnik udruzenja ratnih invalida Kraljevine SHS, oblasn. odbora u Splitu, Split,
g. 2. - 1923., 2 puta mjesecno;
Zadrugar, Glasilo Zadruznog Saveza, Split, g. 14. - 1923., 2 puta mjesecno;
Zivot, List dalmatinskih demokrata, Split, r. Prvislav Grisogono, g. 5. - 1923., n 3000, 1 puta
tjedno;
In kyrillischer Schrift („Srpski (cirilicom)“): Cetinska Sloboda, List za interese Sinjske Krajine,
dem. org., Sinj, g. 1.-1923., 1 puta tjedno u. Dalmatinski Radikal, Sibenik, g. 3. - 1923., 2 puta
tjedno;
In beiden Schriften: Dalmatinski Glasnik, Zvan. list pokraj. uprave za Dalmaciju, Split, r. Ilija
Maricic, g. 6. - 1923., n 1500, 2 puta tjedno u. Dubrovnik, Organ Nar. Radikalne Stranke,
Dubrovnik, r. Ivo Herco, g. 2. - 1923., n. 1500, 1 puta tjedno, sowie Jadranska straza, Sluzbeno
ilustr. glas. Jadranske Straze, Split, r. Silvije Alfirevic, g. 1. - 1923., n 2000, 1 puta mjesecno;
Quelle: Merhaut, Jaroslav (Hg.), Adresar knjizara, nakladnika, papirnica, novinstva i tiskara u
Jugoslaviji 1923 (Nakladna hrvatska knjizara Jaroslava Merhauta) (Adressbuch der Buchhandlun
gen, Verleger, Papierhandlungen, des Zeitungswesens und der Druckereien in Jugoslawien 1923),
Zagreb 1923.
Nach den Angaben der Organisation wurde, während der Kampagne 1937-39, in den dalmatini
schen Kreisen folgende Alphabetisierungshilfe geleistet:
Kreis Benkovac
59.790 Einwohner, davon 26.999 od. 68,2% Analphabeten (10.280 männl./16.714 weibl.), 46
Volksschulen (VS), Spendenaufkommen 1.072 Din. (geleistete Hilfe in Form von 636 Abc-Fibeln,
347 Rechen- u. Lesebücher, 983 Bleistiften u. 1.968 Schreibheften im Wert von 7864 Din.)
Biograd na moru
30.063 Ew, davon 9.345 od. 46,3% Analphabeten (3.248 männl./6.097 weibl.), 30 VS, Spenden
560 Din. (Hilfen 21.600 Din.)
Kreis Brac
17.331 Ew., davon 3.457 od. 26,5% Analphabeten (1.304 männl./2.153 weibl.), 24 VS, Spenden
525 Din. (Hilfen 5.688 Din.)
470
Karten und Statistiken
Kreis Hvar
23.174 Ew., davon 4.740 od. 26,3% Analphabeten (1.308 männl./3.432 weibl.), 31 VS, Spenden
290 Din. (Hilfen 13.280 Din.)
Kreis Imotski
42.804 Ew., davon 19.568 od. 65,8% Analphabeten (6.475 männl. u. 13.093 weibl.), 33 VS, Spen
den 739 Din. (Hilfen 23.560 Din.)
Kreis Knin
60.465 Ew., davon 27.732 od. 69,3 % Analphabeten (11.213 männl./16.519 weibl.), 32 VS, Spenden
6112 Din. (Insgesamt 4.568 Abc-Fibeln, 1690 Rechen- u. Lesebücher, 170 Liederbücher, 20 Heft
chen mit Schreibproben von Bauern, die erst lesen und schreiben gelernt haben, 6.158 Bleistifte
u. 12.316 Schreibhefte im Gesamtwert von 51.564 Din. hingeschickt.)
Kreis Korcula
20.698 Ew., davon 3.973 od. 25,2% Analphabeten (888 männl./3.049 weibl.), 14 VS, Spenden 560
Din. (geleistete Hilfe 6.400 Din.)
Kreis Makarska
26.774 Ew., davon 8.233 od. 42,7% Analphabeten (2.050 männl./6.183 weibl.), 36 VS, Spenden
350 Din. (Hilfe im Wert v. 11.320 Din.)
Kreis Metkovic
17.231 Ew., davon 4.524 od. 37,2% Analphabeten (1.132 männl./3.392 weibl.), 24 VS, Spenden
100 Din (Hilfe im Wert von 11.840 Din.)
Kreis Preko
21.870 Ew., davon 4.756 od. 30,6% Analphabeten (1.130 männl./3.626 weibl.), 31 VS, Spenden
150 Din (Hilfe 14.776 Din.)
Kreis Sinj
59.907 Ew., davon 27.347 od. 66,1% Analphabeten (10.865 männl. u. 16.482 weibl.), 41 VS,
Spenden 1.927,50 Din. (Hilfe 38.920 Din.)
Stadt Zagreb
185.581 Ew., davon 10.168 od. 6,5% Analphabeten (3.449 männl/6.719 weibl.), 28 VS, Spenden
1.072.848,50 Din (Die Liste der Träger des „goldenen Spenderabzeichen“ (Spenden von 1000
Din.) liest sich wie ein Who’s who der kroatischen Politik und Gesellschaft. Von Macek über den
Banus Subasic und den Erzbischof Stepinac war alles vertreten, was in der kroatischen Hauptstadt
Rang und Namen hatte.
471
Anhang
Kreis Zagreb
64.314 Ew., davon 11.010 od. 23,4% Analphabeten (3.776 männl./7.234 weibl.), 28 VS, Spenden
3.316,60 Din., (Hilfe 6.376 Din.)
Quelle: Seljacka sloga Klub ABC Napredak (Hg.), Pokret za pismenost 1937-1939. Podatci o
sabranim prinosima i njihovoj upotrebi do 3l.XII. 1939. (Bewegung für den Alphabetismus 1937-
1939. Daten über die gesammelten Beiträge und ihre Verwendung bis zum 31.12.1939), Zagreb
1940, S. 7-105.
472
Verzeichnis der Tabellen
473
Anhang
Abb. I: Die von Italien 1918 besetzten Gebiete an der östlichen Adriaküste............ 96
Abb. II: Bauern aus dem dalmatinischen Hinterland verkaufen ihre Waren auf dem
Markt in Split (um 1930) ................................................................................. 106
Abb. III: Katholische Gemeinden in Dalmatien.............................................................. 113
Abb. IV: Ansicht und Grundiß eines dalmatinischen Bauernhauses.............................. 137
Abb. V: Übersichtskarte des Staatsgutes „Vrana“........................................................... 178
Abb. VI: Zahlungsaufforderung des Lebensmittelhändlers Juraj Jurisic aus Makarska
v. 30. Mai 1935 ................................................................................................... 196
Abb. VII: Analphabeten über 7 Jahre in der Küstenbanschaft nach den Volkszählungs
ergebnissen vom 31. März 1931 ....................................................................... 220
Abb. VIII: Wachstum der Genossenschaften in Dalmatien 1928-1937 ........................... 233
Abb. IX: Die Elektrifizierung der Inseln Brac und Hvar............................................... 236
Abb. X: Anstieg der Einwohnerzahl von Split.............................................................. 246
Abb. XI: Geplante Spliter Hafenanlagen......................................................................... 247
Abb. XII: Split als geplanter Verkehrsknotenpunkt........................................................... 249
Abb. XIII: Das Straßennetz in Dalmatien 1920 und 1941 .................................................. 301
Abb. XIV: Die Praxis des Kündigungsschutzes in Dalmatien während der Zwanziger
Jahre.................................................................................................................... 316
Abb. XV: Todesfälle durch Tuberkulose in Split 1914-1924 ......................................... 320
474
Quellen- und Literaturverzeichnis
a) Ungedruckte Quellen
aa) Akten- u. Archivmaterial Povijesni arhiv, Split (PAS)
475
Anhang
Grada zapoliticku, gospodarsku, kulturnu i crkvenu povijest Dalmacije; XIV-XX; svez. 38; 1,1. SI
Memoarska Grada; 1900-1982; davalaca izjava 1.202, kut. 43; 4,7. A I.
Fond Bratovstine Gospe od Poljuda i Sv. Petra u Luccu - Split (XV-XX); XVI-XIX, svez. 3; 0,3.
svez. 38; 1,1. Obiteljski i osbni arhivski fond Jelic Luka - Split, Zadar; 1863-1922; svez. 40; 5,5.
Obiteljski i osobni arhivski fondovi: Antunovic Ivo - Split; 1921-1936; kut. 9; 0,9. Regesti;
Gizdic Drago - Solin; Split; 1910-1983; kut. 14; 1,4 AI. Randic Ivan - Split; 1910-1965;
kut. 9; 0,8. AI.
b) Gedruckte Quellen
aa) Publizistische Quellen: in Dalmatien (1918-1941) erscheinende und
vertriebene Zeitschriften bzw. Periodika (Jahreszahlen bezeichenen den
Erscheinungszeitraum)
476
Quellen- und Literaturverzeichnis
477
Anhang
Banovina Hrvatska (Hg.), Zakoni, uredbe, naredbe itd. (25 Bde.), Zagreb 1939ff.
Bansko-zanatski skolski odbor - Split (Hg.), Pravilnik o redu, radu i nastavi u Opstim Zanats-
kim, Zanatsko-trgovackim i Opstim trgovackim skolama, Split 1930.
Martens, G. (Hg.), Nouveau Recueil General des Traites, 3. Serie, Bd. 12; Recueil des Traites et
des engagements internationales, Secretariat de la Societe des Nations Hg., Genf 1920ff.
Ministarstvo za agrarnu reformu Kraljevine SHS (Hg.), Agrarna reforma - Uredbe, naredbe,
raspisi, Bd. I, Zagreb 1920; Bd. II Zagreb 1925.
Ministarstvo poljoprivrede Kraljevine Jugoslavije (Hg.), Agrarna reforma, Bd. III, Beograd
1933.
Tasner, Joza/Radikon, Albin (Hg.), Zakon o likvidaciji agrarne reforme na velikim posedima
sa komentarom i potrebnim zakonima agrarne reforme, Beograd 1931.
Zbirka zakona protumacenih i objasnjenih sudskom i administrativnompraksom. Hrsg. v. Niko-
laj Pahorukov: Zakon o srpskoj pravoslavnoj crkvi od 8. novembra 1929. g. u. Ustav Srpske
pravoslavne crkve sa registrom od 16. novembra 1931. g., Beograd 1932.
478
Quellen- und Literaturverzeichnis
Institut zur Förderung des Aussenhandels, Ministerium für Handel u. Industrie des Kgr. Jugo
slawien (Hg.), Die Wirtschaftslage Jugoslawiens im Lichte der neuesten statistischen Daten,
Beograd 1930.
Ivanisevic, Frano, Statistika (Dalmacije) 1910, Split o.J. (1911).
Jubilarni zbornik zivota i rada Srba, Hrvata i Slovenaca 1918-1928, 3 Bde., Beograd 1928.
Juras, Ivo, Pregled gospodarstva i trgovine u Dalmaciji, Zadar 1910.
ders., Nase more i primorje, Split 1934.
Kukoleca, Stevan M.: Industrija Jugoslavije 1918-1938, Beograd 1941.
Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca, Almanah, 2. svezak 1924.-1925. IV. i V. dio s odobrenjem
predsednistva Ministarskog saveta, po zvanicnim podacima sastavio i uredio Viktor Manakin
(kyrill. u. latein., mit franz., tschech. u. dt. Ubers.), Beograd 1925.
Kraljevska Banska uprava Primorske banovine (Hg.), Upravno, sudsko i crkveno razdjeljenje i
imenik prebivalista Prim, banovine po stanju od 1.05.1938. Priredio Statisticki ured u Zagrebu,
Zagreb 1938.
Kukoleca, Stevan, Industrija Jugoslavije 1918-1938, Beograd 1941.
Lakatos, Jozo: Industrija Dalmacije. Zagreb 1923.
ders., Jugoslovenska privreda. Jubilarno izdanje Jogoslovenskog Lloyda, Zagreb 1933.
Mladina, Josip A., Privredni adresar Splita, Split 1934.
Mousset, A., Le royaume serbe-croate-slovene, son organ., sa vie politique et ses institutions,
Paris 1926.
Makale, Manfred, Zadnji popis pucanstva u Dalmaciji, Wien 1912.
Mladina, Josip A., Privredni adresar Splita, Split 1934.
Ministarstvo poljoprivrede i voda Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca (Hg.), Potrosnja hlebnih
zita u Kraljevini Srba, Hrvata i Slovenaca, Beograd 1928.
Mladina, J. A., Privredni adresar Splita, Split 1934.
Obris industrijske strukture Banovine Hrvatske u 1938. godini, Zagreb 1940.
Opcina Split (Hg.), Budzet opcine Split za godinu 1932., Split 1933.
Pavlakovic, V. (Hg.), Banovina Hrvatska. Politicka, administrativna i ekonomska struktura,
Zagreb 1939.
Perselli, Guerrino, I Censimenti della popolazione dell’Istria, con Fiume e Trieste, e di alcune
cittä della Dalmazia tra il 1850 e il 1936 (= Centro di ricerche storiche Rovigno Etnia - IV.
Unione Italiana - Fiume), Trieste-Rovigno 1993.
Prethodni rezultati popisa stanovnistva od 31. januara 1921. g. u Kraljevini SHS, Beograd 1924.
Privreda u Primorskoj banovini, Split 1934.
Publicitas d.d. oglasni zavod (Hg.), Popis novina sa oglasnim cijenama, Zagreb - Beograd 1934.
(Publicitas Annoncenexpedition (Hg.) - Zeitungsliste mit Insertionstarifen, serb, kr., dt. u.
fr., Zagreb - Beograd 1934.
Radica Bogdan, Novi Split. Monografija grada Splita od 1918-1930 godine. (Historijski prikaz
od poc. do 1918. Splitska kronika 1919.-1930. g. Opcina splitska: topografija, uprava, uredi,
statistika, izgradnja novog Splita, kupalista, spomenici, Marjan, poljoprivreda, kulturni zavodi
i ustanove, financije. Zeljeznica, lika, saobracaj. Privreda. Zdravstvo. Prosvjeta. Kulturni zivot:
umjetnici i izlozbe, muzika, predavanja, novine i publikacije, kazaliste. Sport. Turizam. Izleti),
Split 1931.
Radnicka komora za Dalmaciju - Split (Hg.), Privreda i radnici u Dalmaciji. Privredna i soci-
jalna struktura Dalmacije. Polozaj radnika u Dalmaciji. Izvjestaj Radnicke komore o radu u
1928.-1929. godini uredio Bogoljub Curie, Split 1929.
Royaume de Yougoslavie 1919-1929. Publie par le Bureau central de presse aupres de la presi-
dence du Conseil des Ministres, Beograd 1930.
479
Anhang
Rubic, Ivo, Populacija Splita. (Iz „Hrv. Geogr. Glasnika“) Novo doba 27.11.1930.
Savez Sokola Kraljevine Jugoslavije (Hg.), Potrebna znanja za ispite Sokola koji zele da sluze
manje u kadru, Beograd 1939.
Savic, Milivoj, Nasa industrija i zanati - njene osnovice, stanje, odnosi, vaznost, putevi, proslost
i buducnost (Izdanje Ministarstva trgovine i industrije), I. deo, Sarajevo 1922.
ders., Nasa industrija, zanati, trgovina i poljoprivreda (Izdanje potpomognuto od strane Mini
starstva trgovine i industrije), knjiga XI (sveska 12) - Privredno stanje: B. Hrvatske i B.
Slovenije, srednje i severne B. Dalmacije i pojedinih mesta u nasoj ostaloj zemlji, Sarajevo
1933.
Seljacka sloga Klub ABC Napredak (Hg.), Pokret za pismenost 1937-1939. Podatci o sabranim
prinosima i njihovoj upotrebi do 31.XII.1939., Zagreb 1940.
Sozialversicherung in Jugoslawien. Bericht des Zentralamtes für Arbeiterversicherung in Za
greb 1922-1926, Zagreb 1929.
Splitski almanah i adresar. Izdaje opcinski statisticko-anagrafski ured za godinu 1925., Split
1926.
Splitski almanah za god. 1925-26., Izdanje Splitske opcine, Split 1927.
Statistika industrije Kraljevine Jugoslavije sa adresarom industrijskih preduzeca, Beograd 1941.
Statisticki godisnjak Kraljevine Jugoslavije 1929-1940.
Sematizam Srpske Pravoslavne Crkve 1925.
Skarica, Matej, Topografski prirucnik Dalmacije i Popis stanovnistva, Split 1922.
ders. (Hg.), Splitski shematizam za godinu 1923. (Naklada Jugoslavenskog naroda), Split 1923.
La Yougoslavie economique edition publiee a l’occasion de l’exposition universelle et interna
tionale de Bruxelles 1935 par L’Office du Commerce Exterieur en collaboration avec le comite
Yougoslavepour le developpement des relations economiques avec la Belgie, Beigrade 1935.
Udruzenje jugoslavenskih inzenjera i arhitekata (Hg.), Dalmacija - Spornen knjiga Udruzenja
jugoslavenskih inzenjera i arhitekata, Split 1923.
Bajic Zarko, Natasa, Povijesni arhiv Split. Sumarni inventar arhivskog fonda, Javni biljeznici
srednje Dalmacije (1612-1944), Split 1992.
Bernath, Mathias/Nehring, Karl (Hg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuro
pas. 4 Bde., München 1974-1981.
Baric, Josip/Jurisic, Simun (Hg.), Splitsko iverje, Split 1983.
Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Hi
storisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1-7 Stuttgart 1973-93.
Dugacki, Zvonimir (Hg.), Zemljopis Hrvatske, 2 Bde., Zagreb 1942.
Enciklopedija Jugoslavije leksikografskog zavoda, Zagreb 1964ff.
Enciklopedija hrvatske povijesti i kulture, Zagreb 1980.
Enciklopedija Jugoslavije, Zagreb 1984.
Friedman, Franc. (Hg.), Yugoslavia: A Comprehensive English-Language Bibliography, Wil-
mington, 1993.
Hasanagic, Edib, Komunisticka partija Jugoslavije 1919-1941, Zagreb 1959.
Hrvatska Enciklopedija, Svezak IV, Zagreb 1942.
Hrvatski biografski leksikon, Zagreb 1983.
Hrvatski leksikon, I. svezak A-K, Zagreb 1996; L-Z, Zagreb 1997.
480
Quellen- und Literaturverzeichnis
Anketa o srbsko-hrvatskim odnosima, in: Srpski knjizevni Glasnik 1922/V (513, 589), VI (37,
118, 187, 286, 354, 446, 525), VII (47, 124, 202).
Adamic, Louis, The Native’s Return, New York 1934.
ders., King Business in the Balkans, (Yale Review) 1933.
ders., Struggle, New York 1935.
Alacevic, Jerko, Zeljeznicki spoj Bihac - Knin (Unska pruga), Zagreb 1930.
ders., Treba li graditi Unsku prugu?, Sonderdruck Split o.J., aus: „Privrednicka rijec“ 1930.
ders., Unska pruga, in: Tehnicki list Nr. 3 u. 4 v. 28.02.1939.
Aldrovandi Marescotti, L., Guerra Diplomatica, Verona 1936.
Angjelinovic, B. Grga, Za jedinstvo i ravnopravnost. Govor u budzetskoj debati u senatu 18.
marta 1937., Split 1937.
Antoljak, Stjepan, Dalmatinsko pitanje kroz vjekove, Zagreb 1944.
Antonijevic, S. Trajko, Hrvatski ustavni program u drzavi Srba, Hrvata i Slovenaca (= Diss.),
Beograd 1940.
Arandjelovic, Dragoljub, Bauk federalizma ili hrvatsko pitanje, Pancevo 1937.
481
Anhang
Arhiv za propagandu Jadrana Izvrsnog odbora Jadranske straze (Fiskovic, Cvito/Magjer, Drago/
Parac, Vjekoslav/Uvodic, Angjeo) (Hg.), Nas Jadran. Prirodne ljepote i umjetnost, Split 1938.
Avramovic, Mihailo, Organizacija zemljoradnika, Beograd 1920.
ders., Seoska, sreska i okruzna veca. Uputstvo za osnivanje, upravljanje i rad, Beograd 1921.
ders., Nase seljacko gazdinstvo, Beograd 1928.
Baedeker, Karl, Dalmatien und die Adria. Westliches Südslawien - Bosnien - Budapest -
Istrien - Albanien - Korfu. Handbuch für Reisende. Mit 37 Karten und 34 Plänen, Leipzig
1929.
Bajkic, V., Seljacki kredit, Beograd 1928.
Bakotic, Ljubo, Srbi u Dalmaciji od pada mletacke republike do ujedinjenja, Beograd 1938.
ders., Srbi u Dalmaciji, Beograd 1939.
Baien, Josip, Nas goli krs, Zagreb 1931.
Balentovic, Ivo, Bosna u sklopu hrvatskih zamalja, in Hrvatska smotra 11-12, Zagreb 1940.
Banaletti, Entimo, La italianitä della Dalmazia dal punto di vista storico-giuridico. Sul diritto
di nazionalitä e di autodecisione dei popoli, Milano 1919.
Banic, Milan, Razpeti na razkrscu. Jedan Hrvat u Jugoslaviji, Zagreb 1944.
ders., (Banitch, Milan), La Yougoslavie vue par un Croate, Paris 1933.
Bankovitsch, Michael, Stjepan Radic - eine psychoanalytische Studie, Wien 1928.
Barac, Antun, Ilirska knjiga, Beograd 1937.
Barac, Franjo, Croats and Slovenes, friends of the Entente in the World War, Paris 1919.
Baracki, Nenad, Istorija Srpske pravoslavne crkve za vise razrede srednjih skola, Pancevo o.J.
Bartulica, M., Iseljenicko pitanje s osobitim obzirom na Dalmaciju, Zagreb 1928.
Bartulovic, Niko, Od revolucionarne omladine do Orjune, Split 1925.
ders., More u nasoj knjizevnosti, Split 1927.
ders., Jadranska antologija, Pomorska biblioteka Jadranske straze, Split 1934.
ders., Izabrane pripovetke (Srpska knjizevna zadruga), Beograd 1938.
Bauer, Ernst, Die Entstehung Jugoslawiens auf der Versailler Friedenskonferenz, in: Monatshefte
für Auswärtige Politik, Heft 1 (1939), S. 12-25.
ders., Zur Lösung der kroatischen Frage, in: Berliner Monatshefte 10/1939, S. 880-883.
Bauer, Helmut, Ein Vielvölkerstaat zerbricht. Werden und Vergehen Jugoslawiens, Leipzig Ber
lin 1941.
Beard, Charles/Radin, George, The Balkan Pivot: Yugoslavia. A Study in Government and
Administration, New York 1929.
Bego, Krunoslav, Grad Split i njegova opcina, Beograd 1927.
Bego, Marin, Vjecna varka, Zagreb 1928.
Belas, Ante, Dr. Ante Trumbic kao covjek i politicar, in: Jadranski dnevnik Split v. 18.11.1938.
Belic-Stanojevic, Borba za duhovnoe i politiceskoe obedinenie Serbov, Chorvat i Slovencev,
Petrograd 1917.
Belimovic, Aleksandr, Jugoslavien (Königreich der Serben, Kroaten u. Slovenen) hg. v. Osteu
ropa-Institut in Breslau, Breslau 1927.
Belin, Ivo, Ekonomski momenat hrvatskog pitanja, Zagreb 1935.
Bencovich, Anna, L’Adriatico in fiamme. La tragedia dell’italianitä in Dalmazia, Milano 1933.
Benedetti, Giulio, Fiume, Porto Baross e il retroterra, Roma 1922.
Benussi, B., L Istria nei suoi due milenni di storia, Trieste 1924.
Berlin, Alfred, Die staatsrechtliche Stellung Kroatiens seit 1868 (Diss.), Leipzig 1931.
Bertic, Zivan, Hrvatska politika, Zagreb 1927.
Berolini, Giuseppe, La pace di Fiume, Bologna 1933.
482
Quellen- und Literaturverzeichnis
ders., Tra Mussulmani e Slavi in automobile. A traverso Bosnia e Dalmazia, (16. Aufl.) Milano
1909.
Besozzi, A./Martini, V. A., La Jugoslavia e la pace europea, Milano 1930.
Bettini, Sergio/Fiocco, Giuseppe, Arte italiana e arta croata, Roma 1942.
Bezik, M., Ustaska borba. Od prvih dana ustaskog rada do Poglavnikovog odlaska u emigraciju.
Poceci i bit Ustaskog pokreta, Zagreb 1942.
Bicanic, Rudolf, Zivot u pasivnim krajevima, Gospodarska sloga (Kako zivi narod?, Bd. I),
Zagreb 1936.
ders., Ekonomska podloga hrvatskog pitanja, hrsg. v. Vladko Macek, (2. Aufl.) (Hrvatska Na-
rodna Tiskara Stjepan Vidovic- Split), Zagreb 1938.
ders., Pogled iz svjetske Perspektive i nasa ekonomska orijentacija, Zagreb 1939.
ders./Macan, Zeljko (Hrsg.), Kako zivi narod, Bd. II, Zagreb 1939.
ders., Gospodarska politika, Zagreb 1939.
ders., Agrarna prenapucenost - Gospodarska struktura Banovine Hrvatske, Nr. 3, Zagreb 1940.
Bjelovucic, N. Z., Etnografske granice Hrvata i Slovenaca, Dubrovnik 1934.
ders., Hrvatsko pitanje, Zagreb 1928.
Bogdan, Ivo, Dr. Ante Pavelic riesio je Hrvatsko pitanje, Zagreb 1942.
Bogdanov, Ild (= Josip Ljubic), Neprijatelj Jugoslovenstva, protiv dra Seton Vatsona, Sarajevo
1927.
Bogdanov, Vaso,Ante Starcevic i hrvatska politika, Zagreb 1937.
ders., Srbi prema hrvatskom pitanju, Zagreb 1939.
Bogic, Bogomir, Demokratija, fasizam i hrvatsko pitanje, Beograd 1935.
ders., Narodna demokratija i Hrvatsko pitanje, Beograd 1935.
Bogic, Grga, O hljebu naseg seljaka, Karlovac 1928.
Bona, Luka (Hg.), Dubrovacka milijunaska afera, Srpska stamparija, Dubrovnik 1921.
Bonifacic, Ante, Antoine et Etienne Radio. Les idees du parti paysan croate, Le monde slave/
Mars 1938.
Borcic-Dvorski, O., Split - metropola jugoslovenskog Jadrana, Split 1934.
Borelli, Andreina de, Cussi se parla a Zara, Zara 1935.
Boskovic, S., Prilog k sredivanju finansiranja samouprava. Referat Trgovinsko-industrijske ko-
more Splita za konferenciju Trgovinsko-industrijskih komora u Beogradu 28/IX 1936, Split
1936.
Bosnjak, Ilija, Rijec narodu o narodnom ujedinjenju i proglasenju jedinstvenog Kraljevstva svih
Hrvata, Slovenaca i Srba. Izdao Obavijesni ured kr. zemaljske vlade u Splitu (Leonova tiskara),
Split 1918.
Bosnjak, H., Bosanski muslimani i hrvatstvo, Zagreb 1938, Omladina br. 2 i 1939, br. 3.
Bosnjak, Mladen, Hrvatska intelektualna omladina, Zagreb 1938.
Bosnjanin, Hrvoje, Hrvati i Herceg-Bosna, Sarajevo 1940.
Bubanovic, Fran, Danasnji Hrvati i jugoslavenstvo, (Jugoslavenska Njiva II.6) Zagreb 1926.
Bublic, Dragan, Tamnice Stjepana Radica, Zagreb 1929.
Buc, Stjepan, Nasi sluzbeni povjesnicari i pitanje podrijetla Hrvata, Zagreb 1941.
Budak, Mile, Hrvatski narod u borbi za samostalnu i nezavisnu hrvatsku drzavu. Izdanje
Hrvatskog kola u USA i Kanadi, o.O. 1933.
Bulic, Frane, Dolazak Hrvata i pohrvacenje Dalmacije. Sveslavenski zbornik, Zagreb 1930.
Butorac, Pavao, Socijalna zadaca slavenstva, Dubrovnik 1924.
Bratanic, Branimir, Orace sprave u Hrvata, Zagreb 1939.
Bruck, Zdenko, Die Agrarreform des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, Bern
1927.
483
Anhang
Brückner, Ed. (Hg.), Dalmatien und das österreichische Küstenland. Vorträge gehalten im März
1910 anläßlich der ersten Wiener Universitätsreise, Wien u. Leipzig 1911.
Ciric, Slavko, Stvaranje jugoslovenske drzave, Letopis Matice Srpske I, Beograd 1933.
Corovic, Vladimir, Istorija Jugoslavije, Beograd 1923.
ders., Odnosi izmedu Srbije i Austro-Ugarske, Beograd 1936.
Curcin, Slobodan, Penetration economique et financiere des capitaux etrangers en Yougoslavie,
Paris 1935.
484
Quellen- und Literaturverzeichnis
485
Anhang
Grisogono, Ivo, Politicka orijentacija Dalmacije, in: Hrv. Njiva Nr. 31, Zagreb 1938.
ders., Srpsko-hrvatski odnosi u ujedinjenoj drzavi, in: Nova Europa - Zagreb 1937.
Grisogono, Prvislav, Ujedinjena Jugoslavija. Od plemena i regionalnih koncepcija do nacionalne
drzave, Ljubljana 1938.
Grkovic, Milan, Smernice nase privredne politike, Zagreb 1923.
Grossi, Nikola, Agrarno pitanje Dalmacije prema novoj osnovi ministra gosp. dra Poljaka. Za-
kon o osnovnom uregjenju agrarnih odnosa osobitim pogledom na poglavlje II. Razrjesenje
kolonata i kolonatu slicnih odnosa u Dalmaciji i t. d. Nemoralnost zakonskog projekta. -
Nedostaci, mane, pogreske sa pravnoga, historickoga i socijalnoga pogleda, Mostar 1919.
Grubic, Lazar, Smisao Agrarizma 1. Teil, Zagreb 1922.
Grubisic, Antun, Agrarne operacije kao sredstvo za podignuce ekonomicnih okolnosti Dalma
cije, Pula 1911.
Guberina, Ivo, Katolicizam i nacionalizam sv. Cirila i Metoda, Zagreb 1927.
den., Na izvorima hrvatske nacije, in: Hrv. Smotra Nr. 10/1940.
den., Uloga Splita u radanju hrvatske nacije, in: Hrv. Smotra 140, S. 147-157.
ders.lKrstic, Kruno, Razlike izmedu hrvatskoga i srpskoga knjizevnoga jezika, Zagreb 1940.
Gulinelli, Adolfo, La Croazia, Roma 1941.
Hartleben’s Illustrirter Führer durch Dalmatien. Zweite, gänzlich umgearbeitete Auflage, Wien
Pest Leipzig 1892.
Hauptmann, Ludmil, Die Kroaten im Wandel der Jahrhunderte, Berlin 1941.
Herakovic, S., Provedba agrarne reforme, Zagreb 1927.
Herceg, Jaksa, Ilirizam preteca jugoslavenstva, Split 1930.
Herceg, Rudolf, Svjetski rat i problem nove drzave, Zagreb 1919.
den., Tesko je covjeku u mraku, Zagreb 1919
den., Seljacki pokret u Hrvatskoj, Zagreb 1923.
den., Die Ideologie der kroatischen Bauernbewegung, Zagreb 1923.
ders., Nova Abecedarka za poucavanje odraslih nepismenjaka, Zagreb 1926.
den., Svrha, zadaca i rad „Seljacke sloge“, in: Seljacka prosvjeta 1/1926.
den., Nemojmo zaboraviti: Hrvatska politika mora biti seljacka, Zagreb 1928.
den., Seljacka sloga i idejno cistiliste hrvatskog i razsadiste svjetskog seljackog pokreta, Zagreb
1940.
den., Etnografija i etnologija kao znanost. Seljacka sloga kao pokret, Zagreb 1941.
Hereshoff Bartlett, C. A., Italy and the Jugoslavs. A Question of International Law, Paris
1919.
Hikec, Ante, Radic. Portrait historijske licnosti, Zagreb 1926.
Hlaca, Dragutin, Stjepan Radic i njegov politicki rad, Zagreb 1923.
Hölzl, Maximilian, Balkan in Flammen. Unter Helden, Göttern und einfältigen Wesen, München
1939.
Holbach, Maude, Dalmatia - The Land Where East Meets West, London New York 1908.
Horvat, Josip, Hrvatsko pitanje, Zagreb 1923.
den., Politicka povijest Hrvatske, Zagreb 1936.
ders., U zajednickoj drzavi. Pregled politickih dogadaja od 1918. do 1929. Obzor Spomen-knjiga
1860-1935, Zagreb 1936, S. 111-117.
ders., Politicka povijest Hrvatske 1918-1929, (2. erw. Aufl.) Zagreb 1938.
ders., Stranke kod Hrvata i njihova ideologija, Beograd 1939.
ders., Kultura Hrvata kroz 1000 godina, 2 Bde., Zagreb 1939 u. 1942.
Horvat, Rudolf, Hrvati i Srbi, Osijek 1922.
ders., Hrvatsko pitanje, Zagreb 1923.
486
Quellen- und Literaturverzeichnis
Inder Maur, Gilbert, Die Jugoslawen einst und jetzt. Bd. 1 Aus der Geschichte der Südslawen,
Bd. 2 Jugoslawiens Außenpolitik, Leipzig und Wien 1936.
ders., Der Weg zur Nation. Jugoslawiens Innenpolitik 1918-1938. Stojadinovic als Vollstrecker,
Berlin Wien Zürich 1938.
Irinej, Episkop Dalmatinski, Bozicna poslanica. Dana u nasoj rezidenciji u Sibeniku, o prazniku
Rozdestva Boga u telu, Svetosavske Godine 1935., Sibenik 1935.
Istorijska hronologija jugoslovenskih zemalja (od VI. veka do ujedinjenja) Pod opstom redakci-
jom Prof. Stanoja Stanojevica sastavila Vera Stojic. Izdanje glavnog urednistva Almanaha Kral-
jevine Jugoslavije, Zagreb 1930.
Ivanic, Momcilo, Stjepan Radic, in: Srpski knjizevni glasnik XXV/1928, Nr. 6, S. 442-449.
I vacevic, Dusan, G. Stjepan Radic i njegova „mirotvorna republika“, in: Srpski knjizevni glasnik
X/1923, Nr. 7, S. 525-534.
Ivanisevic, Frano, Pobjeda glagolice kroz tisucljetnu borbu. Izdala Jugoslavenska matica prigo-
dom podignuca spomenika Grguru Ninskom, Split 1929.
ders., Narodni preporod u Dalmaciji. Split u narodnoj borbi, Split 1932.
Ivanov (Pseudonym für M. Dezman), Juznoslavensko pitanje, Zagreb 1918.
Ivasovic, Frane, Kastel-Stari. Crtice iz njegove povijesti i zivota, Split 1940.
Ivic, Aleksa, O srpskom i hrvatskom imenu, Beograd 1922.
Ivsic, Milan, Les problemes agraires en Yougoslavie, Paris 1926.
ders., Iseljenicki problem i javne finansije, in: Finansijski arhiv 3 (1933), S. 131-142.
ders., Finansiranje nase privrede putem iseljenickog kapitala, in: Finansijski arhiv 1 (1931), S. 235-
248.
Ivsic, Stjepan, Hrvatski knjizevni jezik, in: Hrvatski jezik Nr. 2-3, S. 33-39, Zagreb 1938.
Kalinic, Juraj J. (Hg.), Znamenite rijeci i znacajne izjave o Jugoslovenstvu i o Narodnom je-
dinstvu, Sibenik 1936.
Kamenecki, Vladimir, Strani kapital u nasoj privredi i njegova pravilna upotreba (Referat stam-
pan u spomenici Drugog kongresa ekonomista Kraljevine Jugoslavije odrzanog u Beogradu
prosle godine), Beograd 1940.
487
Anhang
488
Quellen- und Literaturverzeichnis
489
Anhang
Nevistic, Franjo, Nasa kulturna orijentacija, (Almanah hrv. sveucilistaraca) Zagreb 1938.
Novinar - Glasilo Jugoslavenskog novinarskog udruzenja. Godina XIII. Zagreb, u svibnju
(maju) 1939. Jubilarno izdanje povodom dvadesetgodisnjice Jugoslavenskog novinarskog
udruzenja, Zagreb 1939.
Novak, Grga, Zidovi u Splitu, Split 1920.
ders., Split u svjetskom prometu, Split 1923.
ders., Italija prema stvaranju Jugoslavije, Zagreb 1925.
ders., Nase more, Split 1927.
ders. (Hg.), Zbornik naucnih radova Ferdi Sisicu povodom sezdesetgodisnjice zivota 1869-1929,
Zagreb 1929.
ders., Dalmacija (Povijest 1815-1922), in: Hrvatska enciklopedija IV, S. 474ff., Zagreb 1942.
ders., Proslost Dalmacije, Zagreb 1944.
Novak, Viktor (Hg.), Antologija jugoslovenske misli i narodnog jedinstva 1390-1930, Beograd
1930 (2. Aufl.1937).
Okruzni ured za osiguranje radnika (Hg.), Petnaest godina Sredisnjeg ureda za osiguranje rad-
nika 1922-1937, Zagreb 1938.
Ostojic, Despot, Nase radnicko i namestenicko zakonodavstvo, Beograd 1934.
ders., Nase zakonsko uredjenje iseljavanja i doseljavanja, in: Ekonomsko-finansijski zivot 4
(1934), S. 276-281.
Ostojic, Ivan, Tomo Didolic i njegovo dopisivanje, Splt 1929.
Ozanic, Stanko, Poljoprivreda, in: Dalmacija - Spornen knjiga, Split hrsg. v. Udruzenje jugosla-
venskih inzenjera i arhitekata, Split 1923, S. 115-154.
490
Quellen- und Literaturverzeichnis
491
Anhang
ders./Kostic, J., Ko finansira jugoslovensku privredu. Drzava - banke - inostrani i domaci kapi
tal u sluzbi privrede, Beograd 1940.
Rubic, Ivo, Nasi otoci na Jadranu, Split 1927.
ders., Gravitacija susjednih zitelja Splitu (Sonderdruck aus „Hrvatski geografski glasnik 2/1930),
Zagreb 1930.
Ruzicic, G., Karta geografskog rasporeda Jugoslovena, Beograd 1939.
Sabolic, Ivan (Hg.), Zbornik hrvatskih seljaka I - Knjiznica selo govori, Zagreb 1936.
Sarkotic, Stjepan, Radicevo izdajstvo, Bec (Wien) 1925.
Savic, Milivoj, Industrija i carinska tarifa, Beograd 1929.
Schiaffini, Alfredo, Italia e Croazia, Roma 1942.
Schiff, Theodor, Aus Halbvergessenem Lande, Wien 1875.
Schilling, Karl, Die Entstehung des jugoslavischen Staates, Dresden 1939.
Schneefuss, Walter, Des Reiches neue Nachbarn, Salzburg-Leipzig 1939.
ders., Das kroatische Volk, in: Zeitschrift für Erdkunde (hrsg. v. Hans Schrepfer u. Emil Hinrichs
u.a.), 10. Jg. 1942, Heft 5, S. 280-285.
ders., Die Kroaten und ihre Geschichte, Leipzig 1942.
Schrems, Ferdinand, Die Rechtsstellung der Kroaten im früheren Habsburgerreich und im heu
tigen Jugoslawien, Hamburg 1939.
Schrepfer, Hans, Dalmatien. Versuch einer Deutung der Funktion und Gestalt eines maritimen
Raumes, in: Zeitschrift f. Erdkunde (hg. v. H. Schrepfer, Emil Hinrichs u.a.), 10. Jg. 1942,
Heft 5, S. 285-298.
Schweissguth, Edmund, Der Kroatenführer Dr. Ante Pavelitsch, in: Zeitschrift für Politik v.
31. Mai 1941.
Seitz, Aleksandar, Put do hrvatskog socijalizma, Zagreb 1943.
Seljacka sloga Klub ABC Napredak (Hg.), Pokret za pismenost 1937-1939. Podatci o sabranim
prinosima i njihovoj upotrebi do 31.XII.1939., Zagreb 1940.
Semiz, D., Tko su i odakle su Srbohrvati, in: Nova Evropa II, Nr. 8, Zagreb 1928.
Senjanovic, Petar, Studija ing. P. Senjanovica uz arhitektonsku saradnju arh. ing. J. Picmana za
situiranje nacionalnog spomenika i nove Banovinske palace u Splitu, Split 1935.
Senjanovic, Petar, Nove dalmatinske zeljeznice i splitska luka, in:Tehnicki list Nr. 6 v.
15.10.1919.
ders., Dalmatinske zeljeznice u Jugoslaviji, Split 1919.
ders., Nasi izlazi na more. U Dalmaciju ili na Neum-Klek? (Jedan odgovor), Split 1920.
Seton Watson/Boskovic, M., Kako je postala Jugoslavija, in: Nova Evropa I, Nr. 12, Zagreb
1927.
Seton Watson, Politicke indiskrecije, in: Nova Evropa, Nr. 7, Zagreb 1922.
ders., Sarajevo, Zagreb 1926.
ders., Supilo o Rusiji, in: Nova Evropa II, Nr. 11, Zagreb 1926.
ders., Tajni londonski ugovor, in: Nova Evropa II, Nr. 12, Zagreb 1926.
Simeon, Rikard, Hrvatsko pitanje i politicka situacija travnja 1939., Zagreb 1939.
Siriscevic, Slavko, Nase morske luke, Beograd 1927.
Skerlic, Jovan, Danasnji srpskohrvatski nacionalizam, Rieka 1913.
ders., Eseji o srbskohrvatskom pitanju, Zagreb 1918.
Skok, Petar, Dolazak Slovena na Mediteran, Split 1934.
Slijepcevic, Pero, Nasi dobrovoljci u svetskom ratu, Zagreb 1925.
Smiric, Studio sull italianitä della Dalmazia in base a documenti ufficiali, Zara 1924.
Smodlaka, Hranko, Regulacioni plan Splita, Split 1939.
Smodlaka, Josip, Nacrt jugoslavenskog ustava, Zagreb 1920.
492
Quellen- und Literaturverzeichnis
493
Anhang
Tartaglia, Ivo, Na moru je nasa sudbina. Programatski govor na glavnoj skupstini Jadranske
straze u Skoplju 30.X 1932, Split 1932.
Tartaglia, Oskar, Veleizdajnik, Zagreb-Split 1928.
Tartaglia, Petar Graf, Landwirthschaft und Viehzucht (in Dalmatien), in: Die österreichisch
ungarische Monarchie in Wort und Bild. Bd.: Dalmatien, Wien 1892, S. 295-311.
Taysen, Friedrich von, Das jugoslawische Problem, Berlin 1927.
Thierfelder, Franz, Das Königreich Jugoslawien, Leipzig 1935.
ders., Der Balkan als kultur-politisches Kraftfeld, Berlin 1940.
ders., Schicksalsstunden des Balkans, Wien 1941.
Todoric, Dusan, Bilansa naroda Kraljevine Jugoslavije kojom se dokazuje prosecni godisnji
sveukupni brutto dohodak sveukupnoga naroda Kraljevine Jugoslavije, koji dohodak ima kao
kljuc da sluzi, koliko narod Kraljevine Jugoslavije moze na sveopsta dazbinska davanja pro-
secno godisnje dati, Zemun 1933.
Tomasic, Dinko, Drustveni razvitak Hrvata. Rasprave i eseji, Zagreb 1937.
ders., Politicki razvitak Hrvata, Zagreb 1938.
ders., Peasants and Propaganda in Croatia, (July, Public Opinion Quarterly) London 1938.
Tomasic, Nikola, Fundamente des Staatsrechtes des Königreichs Kroatien, Zagreb 1918.
Toscano, Mario, II patto di Londra, Pavia 1931.
Trandafilovic, Ivan, L’expansion allemande vers le Sud-Est Europeen, Paris 1939.
Tresic Pavicic, Ante, Buducnost Juznih Slavena, Zagreb 1928.
Trgovinsko-industrijska komora (Hrsg.), Unska pruga, Split 1930.
Trumbic, Ante, Govor u Narodnom kazalistu u Splitu 5. prosinca 1930., Split 1930.
ders., Govor izrecen na sjednicama Ustavotvorne skupstine 23. i 25. aprila 1921., Zagreb 1921.
ders., Suton Austro-Ugarske i rijecke rezolucije, Zagreb 1936.
Topalovic, Zivko, Jadranske luke. Izdanje Centralnog Sekretarijata Radnickih komora, o.O.
1925.
Tschekitsch, Milutin, Jugoslawien am Scheidewege. Das serbo-kroatische Problem und Jugo
slawiens Außenpolitik, Leipzig 1939.
Turk, Dragan, Istina o agrarnoj reformi, Zagreb 1923.
Turkovic, Vladimir, Revolucija i Kraljevstvo SHS - Opazanja, Zagreb 1919.
Tvrtkovic, Mirko, Geneza nase krize, Pancevo 1924.
Tyndale-Brocon, Dalmatia, London 1925.
Uroic, Stjepan/Persic, Ivan, Stjepan Radic proti Zagrebu (Zagrebacka organizacija Hrvatske
Federalisticke Seljacke Stranke), Zagreb 1927.
494
Quellen- und Literaturverzeichnis
Vlajic, Bozidar, Srednja linija u pitanju unutrasnjeg urectenja zemlje, in: Srpski knjizevni glasnik
III/1922.
Vrancic, Vjekoslav, Hochverrat. Die Zweite italienische Armee in Dalmatien, Zagreb 1943.
Vuckovic, Mihailo, Evolucija i kritika neutralnog zadrugarstva, Beograd 1936.
Vukic, Jovo, Gdje i u cemu su uspjesi radicevskog vodstva HSS od 1907. do 1927., Zagreb 1927.
Vukovic, Ljubica, Hrvatski seljacki pokret brace Radica, Beograd 1940.
Vukmir, Mladen, Predavanje o zadrugarstvu, Knjiznica Hrv. slav. gospodarskog drustva kao
sredisnje zadruge u Zagrebu, Zagreb 1920.
Vukovic Todorovic, Ljubica, Hrvatski seljacki pokret brace Radic, Beograd 1940.
Wagemann, Ernst, Der neue Balkan. Altes Land - junge Wirtschaft, Hamburg 1939.
Wendel, Hermann, Aus und über Südslawien, Berlin 1920.
ders., Aus dem südslawischen Risorgimento, Gotha 1921.
ders., Südslawische Silhouetten, Frankfurt am Mam 1924.
ders., Der Kampf der Südslawen um Freiheit und Einheit, Frankfurt am Main 1925.
ders., Aus der Welt der Südslawen. Politisches, Historisches, Sozialistisches, nebst zwei Südsla-
wienfahrten und Nachdichtungen südslawischer Lyrik, Berlin 1926.
Werk, Hugo, Cenni etnografico-storico-politici sulla Dalmazia, Zagreb 1919.
c) Sekundärliteratur
Alatri, Paolo, Nitti D’Annunzio e la questione adriatica (1919-1920), Milano 1959.
Alter, Peter, Nationalismus, Frankfurt/M. 1985.
Allport, G. W., Die Natur des Vorurteils, Köln 1971.
Altmann, Rüdiger, Heimat und Nation, Mainz 1984.
Altrichter, Helmut, Die Bauern von Tver. Vom Leben auf dem russischen Dorfe zwischen
Revolution und Kollektivierung, München 1984.
ders.,/Helmut Neuhaus (Hg.), Das Ende von Großreichen, Erlangen Jena 1996.
Anderson, Benedict, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationa-
lism, London 1983 (dt.: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Kon
zepts, Frankfurt/M., N. York 1988).
Andri, Adriano, Gli Italiani in Dalmazia ta le due guerre mondiali, in: Clio 1988/24 (1), S. 83-
116.
Angehrn, Emil, Geschichte und Identität, Berlin 1985.
495
Anhang
Antic, Ljubomir, Hrvatska federalisticka stranka, in: Radovi Instituta za hrvatsku povijest
Nr. 15, Zagreb 1982, S. 163-222.
ders., Hrvati i Amerika, Zagreb 1992.
Antoljak, Stjepan, Pregled hrvatske povijesti (2. erw. Aufl.), Split 1994.
Anton, Karl-Heinz, Kritik der Identität, Frankfurt/M. 1986.
Artukovic, Mato, Ideologija srpsko-hrvatskih sporova. Srbobran 1884-1902, Zagreb 1991.
Augustin, D. R., Traditional Thinking, in: Sociologija 16/1974 (1), S. 73-86.
Avakumovic, Ivan, History of the Communist Party of Yugoslavia, Aberdeen 1964.
ders., Yugoslavia’s Fascist Movements, in: Sugar, Peter F. (Hg.), Native Fascism in the Successor
States, Santa Barbara 1971, S. 135-144.
Avramovski, Zivko, Britanci o Kraljevini Jugoslaviji, Bd. I (1921-1930), Zagreb 1986.
Axt, Heinz-Jürgen, Die Befreiung der Kulturen. Europas Kulturkreise nach dem „Ende der
Systeme“, in: Südosteuropa Mitteilungen 33, 1/1993, S. 1-13.
Babic, Ivan, Radicev ustav i hrvatsko ustavotvorstvo danas, in: Hrvatsko sveuciliste, I, Zagreb
1971/9.
Babic, Ivo, Prostor izmedu Trogira i Splita, Kastei Novi 1991.
Babic, Petar/Zovkic, Mato (Hg.), Katolicka crkva u Bosni i Hercegovini u XIX i XX stoljecu,
Sarajevo 1986.
Bakic, Ibrahim: Jugoslovenstvo od ideje do ostvarenja, Beograd 1985.
Banac, Ivo, The National Question in Yugoslavia (= Diss.), Stanford 1975.
den., The National Question in Yugoslavia. Origins, History, Politics, Ithaca and London 1984.
ders., Nacionalno pitanje u Jugoslaviji. Porijeklo, povijest, politika, Zagreb 1988 (erw. kroat. Neu
auflage Zagreb 1995).
ders., Main Trends in the Croat Language Question, in: Picchi, R./Goldblatt, H. (Hg.), Aspects
of the Slavic Language Question, New Haven Yale 1984, S. 235-240.
ders., Juraj Krizanic u djelu Miroslava Krleze, in: Encyklopaedia moderna Jg. XII/1991, Nr. 36,
S. 9-13.
ders. (Hg.), Nation and Ideology. (Festschrift für Wayne S. Vucinich), New York 1981.
Baras, Frano, Staro zrcalo splitsko, Split 1994.
Bardua, Sven, Zementindustrie - Vom staubigen Gewerbe zum Ressourcen-Sparer, in: F. A. Z.
v. 20.08.96, S. T 1.
Barth, Fredrik (Hg.), Ethnie Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Diffe-
rence, Oslo u.a. 1969.
Bartl, Peter, Grundzüge der jugoslawischen Geschichte, Darmstadt 1985.
Bauer, Ernest, Drei Leopardenköpfe in Gold, Wien/München 1973.
Bauer, Roswitha, Hermann Wendel als Südosteuropa-Publizist, München 1985.
Bebic, Josip, Brela, Split 1985.
Beck, Rainer, Unterfinning. Ländliche Welt vor Anbruch der Moderne, München 1993.
Becker, Walter, Identität und Geschichtsbewußtsein, Geislingen 1984.
Behschnitt, Wolf D., Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830-1914. Analyse und Typolo
gie der nationalen Ideologie, München 1980.
Bendix, Reinhard, Modernisierung und soziale Ungleichheit, in: Fischer, Wolfram (Hg.), Wirt
schafts- und sozialgeschichtliche Probleme der frühen Industrialisierung, Berlin 1968, S. 179-
246.
Berend, Ivän/Ränki, György: Economic development in East-Central Europe in the 19th and
20th centuries. New York, London 1974.
dies., The European Periphery and Industrialization 1780-1914. Budapest 1982.
496
Quellen- und Literaturverzeichnis
Berger, Peter/Hradil, Stefan (Hg.), Lebenslagen, Lebensläufe, Lebensstile, Soziale Welt, Göt
tingen 1990.
Berger, Peter/Luckmann, Thomas, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine
Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt/M. 1966.
Berlin, Isaiah, Der Nationalismus, Frankfurt/M. 1990.
Bernath, Mathias: Die Südslawen, in: Kohn, Hans (Hg.): Die Welt der Slawen. 2 Bde. Bd. 1:
Frankfurt/M., Hamburg 1960, S. 209-287.
ders., Nationalstaatsbildung in Südosteuropa als Teil eines gesamteuropäischen Geschichtsprozes
ses. in: Südosteuropa-Mitteilungen 18 (1978), H. 3, S. 3—11.
Berus, Anka, Split u socijalistickoj revoluciji, in: Institut za historiju radnickog pokreta Dalma-
cije (Hg.), Split u narodnooslobodilackoj borbi i socijalistickoj revoluciji 1941-1945., Split
1981, S. 9-23.
Beuc, Ivan, Povijest institucija drzavne vlasti Kraljevine Hrvatske, Slavonije i Dalmacije, Zagreb
1985.
Bezic, Nevenka, Likovne izlozbe Splita 1885-1945, Split 1962.
Bicanic, Rudolf, Ekonomske promjene u Hrvatskoj izazvane stvaranjem Jugoslavije 1918. go-
dine. Prilozi za ekonomsku povijest Hrvatske, Zagreb 1967, S. 82—87.
Bjelajac, Mile, Vojska Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca 1918-1921, Beograd 1988.
Blaschke, Jochen (Hg.), Perspektiven des Weltsystems. Materialien zu Immanuel Wallerstein,
„Das moderne Weltsystem“, Frankfurt/M-New York 1983.
ders., Volk, Nation, Interner Kolonialismus, Ethnizität, Berlin 1984.
Blomert, Reinhard/Kuzmics, Helmut/Treibel, Annette (Hg.), Transformationen des Wir-Ge-
fühls. Studien zum nationalen Habitus, Frankfurt/M. 1993.
Bloom, William, Personal identity, National Identity and International Relations, Cambridge
u.a. 1990.
Boban, Branka, Shvacanja Antuna i Stjepana Radica o mjestu i ulozi seljastva u gospodarskom,
drustvenom i politickom zivotu. Iz povijesti ideologije seljackog pokreta u Hrvatskoj do
1918, in: Institut za hrvatsku povijest, Radovi 12/1979, S. 265-304.
dies., O osnovnim obiljezjima „Seljacke drzave“ u ideologiji Antuna i Stjepana Radica, in: Radovi
13 (1980), Zagreb 1981, S. 51-87.
dies., „Nova Evropa“ o Stjepanu Radicu, in: Radovi Zavoda za hrvatsku povijest, 24, Zagreb
1991, S. 139-142.
dies., Mladi Stjepan Radic o Srbima u Hrvatskoj i odnosima Hrvata i Srba, in: Radovi - Zavoda
za hrvatsku povijest Filozofskog fakulteta sveucilista u Zagrebu, Nr. 28/1995, S. 128-137.
Boban, Ljubo, Sporazum Cvetkovic-Macek, Beograd 1965.
ders. et al. (Hg.), R. W. Seton-Watson i Jugoslaveni: korespondencija, 1906-1941, 2 Bde., Zagreb
1976.
ders., Macek i politika HSS 1928-1941, 2 Bde., Zagreb 1974.
ders. (Hg.), Hrvatska u arhivima izbjeglicke vlade 1941-1943. Izvjestaji informatora o prilikama
u Hrvatskoj, Zagreb 1984.
ders., Kontroverze iz povijesti Jugoslavije, Bd. 1 Zagreb 1987, Bd. 2 Zagreb 1989.
ders., Hrvatske granice 1918-1991, Zagreb 1992.
ders., Dr. Tomo Jancikovic - HSS izmedu zapadnih saveznika i jugoslavenskih komunista, Za
greb 1996.
Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Die Nation. Jenseits von Herkunft, Muttersprache und Reli
gion: Uber ein Phänomen, das selbst die Merkmale bestimmt, die es bestimmen, in: F. A. Z.
v. 30.09.1995, Beilage „Bilder und Zeiten“ Nr. 228.
ders., Die Nation - Identität in Differenz, in: Michalski, K. (Hg.), Identität im Wandel, Stutt
gart 1995, S. 129-154.
497
Anhang
498
Quellen- und Literaturverzeichnis
Cekic, Smail, Revolucionarni rad KPJ u Jugoslavenskoj vojsci izmectu dva rata, (= Diss.), Zadar
1990.
Cetrdeset godina - Zbornik secanja aktivista jugoslovenskog revolucionarnog pokreta, 2 Bde.
(1929-1935) u. (1935-1941), Beograd 1960.
Cicin-Sain, Ciro, Historijski razvitak grada Splita, Split 1950.
Cimbur, Pero, Slovo o dalmatinskim manastirima. Krka na Krki, Krupa na utoku Krupe i Dra-
govic ukraj Dragovica (Zajednica Srba u Hrvatskoj), Zagreb 1996.
Cizmic, Ivan, Jugoslavenski iseljenicki pokret u SAD i stvaranje Jugoslavenske drzave 1918.,
Zagreb 1974.
Covic, B. (Hg.), Izvori velikosrpske agresije. Rasprave. Dokumenti. Kartografski prikazi, Zagreb
1994.
Colakovic, Rodoljub, Jankovic, Dragomir, Moraca, Pero, Pregled istorije Saveza komunista
Jugoslavije, Beograd 1963.
Colakovic, Rodoljub, Kazivanja o jednom pokoljenju, Bd. I Sarajevo 1968 u. Bd. II Sarajevo
1972.
Cubrilovic, Vasa, Uvod u istoriju Jugoslavije od 1918 do 1945, in: Dimitrijevic, S., Hasana-
gic, E., Marjanovic, J., Moraca, P. (Hg.), Iz istorije Jugoslavije 1918-1945, Beograd 1958,
S. 7-26.
ders., Istorija politicke misli u Srbiji XIX veka, Beograd 1958.
Culinovic, Ferdo, Drzavnopravna historija jugoslavenskih zemalja u XIX i XX vijeku, 2 Bde.
Zagreb 1954.
ders., Nacionalno pitanje u jugoslavenskim zemljama, Zagreb 1955.
ders., Odjeci oktobra u jugoslavenskim krajevima, Zagreb 1957.
ders., Jugoslavija izmedu dva rata, 2 Bde., Zagreb 1961.
Crnja, Zvane, Kulturna povijest Hrvatske, Opatija 1978.
Dahlmann, Dittmar, Die Pariser Friedenskonferenz und die Entstehung eines Staates der Süd
slaven, in: Potthoff, Wilfried (Hg.), Konfliktregion Südosteuropa: Vergangenheit und Per
spektiven; Vorträge der Ringvorlesung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
Bonn im Wintersemester 1995/96 und Sommersemester 1996, München 1997, S. 151-163.
499
Anhang
Daniel, Ute, Clio unter Kulturschock. Zu den aktuellen Debatten der Geschichtswissenschaft.
Teil 1. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 48 (1997), S. 195-219; Teil 2, in: ebenda,
S. 259-278.
Dann, Otto, Der moderne Nationalismus als Problem historischer Entwicklungsforschung, in
Köllmann, Wolfgang, Zur Bedeutung der Regionalgeschichte im Rahmen Struktur- und so
zialgeschichtlicher Konzeptionen, in: Archiv für Sozialgeschichte 15 (1975), S. 43-50.
ders. (Hg.), Nationalismus und sozialer Wandel, Hamburg 1978.
ders., Die Region als Gegenstand der Geschichtswissenschaft, in: AfS 23 (1983), S. 652-661.
ders., Nation und Nationalismus in Deutschland 1770-1990, München 1993.
Deschner, Karlheinz, Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini,
Franco, Hitler und Pavelic, Stuttgart 1965.
ders., Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Die Politik der Päpste im Zeitalter der Weltkriege, Köln
1983.
Deutsch, Karl. W., Nationalism and Social Communication, an Inquiry into the Foundations
of Nationality. London/Cambridge, (2. Aufl.) 1966.
ders.: Nationalism and its Alterternatives, New York 1969. (Der Nationalismus und seine
Alternativen. Dt. Übers. München 1972.)
Dedijer, Vladimir, Jasenovac - das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan, Übers, v. Durdica
Durkovic hg. v. Gottfried Niemietz, Freiburg 1988.
Diana, Srecko, Prilozi dokumentaciji o razvoju radnickoga pokreta u Splitu 1918-1920, Cetiri
priloga, Izdanje Historijskog arhiva Split, svezak II, Split 1960.
Diklic, Marjan, Prilog strukturi pucanstva Dalmacije krajem XIX. i pocetkom XX. stoljeca, in:
Radovi zavoda za povijesne znanosti HAZU u Zadru, Zadar 1994, S. 181-190.
Dimitrijevic, Sergije, Strani kapital u privredi bivse Jugoslavije, Beograd 1958.
ders., Privredni razvitak Jugoslavije od 1918-1941. godine, Beograd 1962.
Dragnich, Alex N., Serbia, Nikola Pasic and Yugoslavia, New Brunswick 1974.
ders., The First Yugoslavia. Search for a Viable Political System, Stanford 1983.
ders., The Anatomy of a Myth: Serbian Hegemony, in: Slavic Review 50, no. 3/1991, S. 659-662.
Drustvo prijatelja kulturne bastine Split (Hg.), 100 godina Obrtnicke skole u Splitu 1891-1991,
Split 1993.
Dürkheim, Emile, De la division du travail social, Paris 1893 (The Division of Labor in Society
(1893). Translated by George Simpson,) New York 1993.
ders., The Elementary Forms of Religious Life (1912) Translated by J. Swain, New York 1965.
ders., The Dualism of Human Nature and its Social Conditions (1914), in: „Emile Dürkheim on
Morality and Society“, hrsg. v. R. Bellah, S. 149-166, Chicago 1973.
Dzaja, Srecko M., Intelligentsia und südosteuropäischer Raum, in: Festschrift für Basilius S.
Pandzic hrsg. von Elisabeth von Erdmannn-Pandzic (Quellen und Beiträge zur kroati
schen Kulturgeschichte 2), Bamberg 1988, S. 132-173.
ders., Bosnien-Herzegowina in der österreichisch-ungarischen Epoche (1878-1918). Die Intelli
gentsia zwischen Tradition und Ideologie, München 1994.
Dodan, Sime, Ekonomska politika Jugoslavije, Zagreb 1970.
Djordjevic, Dimitrije, Fascism in Yugoslavia: 1918-1941, in: Sugar, Peter F. (Hg.), Native Fas-
cism in the Successor States, Santa Barbara 1971, S. 125-134.
ders., Die Serben, in: Wandruszka/Urbanitsch, Habsburgermonarchie III/l (1980), Kap. IX,
S. 734 - 774.
ders. (Hg.), The Creation of Yugoslavia 1914-1918, Santa Barbara/Oxford 1980.
ders., An Attempt at the Impossible: Stages of Modernization of the Balkan Peasantry in the 19th
Century, in: Balcanica VIII (1977), S. 321-335.
500
Quellen- und Literaturverzeichnis
Duric, Veljko, Ustase i pravosavlje. Hrvatska pravoslavna crkva, (2. erw. Aufl.) Beograd 1990.
Durovic, Smiljana, Pregled literature o industrializaciji jugoslovenskih zemalja u periodu 1918 —
1941. godine, in: Istorijski glasnik 1-2 (1968), S. 155-191.
dies., Drzavna intervencija u industriji Jugoslavije 1918-1941., Beograd 1986.
dies., Znacaj industrializacije Primorske banovine u ekonomskoj konstelaciji Jugoslavije 1919 —
41., in: Istorijski casopis 1987/34, S. 327-349.
Durovski, Lazar, KPJ u borbi za resenje nacionalnog pitanja izmesu dva svetska rata, in: Nase
teme 1/1970, S. 246-263.
501
Anhang
Galic, Maja, Hrvatske prilike u dopisivanju Ante Tresica Pavicica, Split 1995.
Gavazzi, Milovan, Das Kulturerbe der Südslawen im Lichte der Völkerkunde, in: Welt der
Slawen 1/1965, S. 63-81.
ders., Die Kulturzonen Südosteuropas, in: Südosteuropa-Jahrbuch II. Bd., München 1958, S. 11-
31.
Gazi, Stjepan, Stjepan Radic and the Croatian Question: A Study in Political Biography (Geor
getown, Ph.D.) 1962.
Gellner, Ernest, Thought and Change, London 1964.
ders., Nations and Nationalism, Oxford 1983 (dt. Übers. Nationalismus und Moderne, Berlin
1991).
Giesen, Bernhard, Die Intellektuellen und die Nation. Eine deutsche Achsenzeit, Frankfurt/M.
1993.
502
Quellen- und Literaturverzeichnis
503
Anhang
dies., Die „Welle“. Die Ideen der nationalistischen Jugend in Kroatien vor dem Ersten Weltkrieg,
in: Österreichische Osthefte 10/1968, S. 65-86.
dies., Studentski pokret 1875-1914., Zagreb 1969.
dies., Einfluß der sozialen Struktur auf den Charakter der Nationalbewegung in den kroatischen
Ländern im 19. Jahrhundert, in: Schieder, Theodor (Hg.), Sozialstruktur und Organisation
europäischer Nationalbewegungen, München Wien 1971, S. 67-92.
dies., O nacionalnoj ideologiji Ante Starcevica i Eugena Kvaternika, in: Casopis za suvremenu
povijest 1972 1 (8), S. 25-46.
dies., Povijest pravaske ideologije, Zagreb 1973.
dies., Ideja jugoslavenstva u XIX stoljecu u „Istoriji Jugoslavije“, in: Casopis za suvremenu povi
jest 5, 2 (1973), S. 8-12.
dies., Ideja jugoslavenstva u 19.stoljecu i,dogmatski nacionalizam’, in: Jugoslovenski Istorijski
Casopis 20 (1975), S. 121-170.
dies.:, Social Structure and National Movements among the Yugoslav Peoples on the Eve of the
First World War, in: Slavic Review 36 (1977), S. 628-643.
dies., Croatian National-Integrational Ideologies from the End of Illyrism to the Creation of
Yugoslavia, in: Austrian History Yearbook XV-XVI (1979-1980), S. 3-33.
dies., On the Integration of the Croatian Nation: A Case Study in Nation-Building, in: East
European Quarterly XV (1981), S. 209-225.
dies., Poceci moderne Hrvatske. Neoapsulutizam u civilnoj Hrvatskoj i Slavoniji 1850-1860,
Zagreb 1985.
dies., The Union of Dalmatia with Northern Croatia: A Crucial Question of the Croatian Natio
nal Integration in the Nineteenth Century, in: Teich, Mikuläs/Porter, Roy (Hg.), The National
Question in Europe in Historical Context, Cambridge 1993, S. 270-292.
dies., Die Anfänge des modernen Kroatien. Gesellschaft, Poltik und Kultur in Zivil-Kroatien
und-Slawonien in den ersten dreißig Jahren nach 1848, Wien Köln Wimar 1993.
Grothusen, Klaus-Detlev (Hg.), Südosteuropa-Handbuch Band I: Jugoslawien, Göttingen 1975.
ders. (Hg.), Jugoslawien. Integrationsprobleme in Geschichte und Gegenwart, Göttingen 1984.
Grubisic, Slavo, Sibenik kroz stoljeca, Sibenik 1974.
Gvozdanovic, Nenad, Lastovo - prilog izucavanju razvojnih mogucnosti, Split 1975.
Gyimesi, Sändor, Motive und Probleme der Industrialisierung in den Staaten Südosteuropas bis
zum Ersten Weltkrieg, in: Schönfeld, R. (Hg.), Industrialisierung und gesellschaftlicher Wan
del in Südosteuropa, München 1989, S. 11-19.
Habermas, Jürgen, Strukturwandel der Öffentlichkeit (4. Aufl.), Neuwied Berlin 1969.
Halpern, Joel M., Yugoslav Peasant Society in Transition - Stability in Change, in: Anthropolo-
gical Quarterly (1963), S. 156-182.
ders., Peasant Culture and Urbanization in Yugoslavia, in: Human Organization 24 (1965),
S. 162-174.
ders.,/Halpern, B. K., A Serbian Village in Historical Perspective, New York 1972.
ders., Town and Countryside in Serbia in the Nineteenth Century. Social and Household Struc
ture as Reflected in the Census of 1863, in: Laslett, Peter u. Wall, Richard (Hg.), Household
and Family in Past Time, Cambridge 1972, S. 335-373.
Haumann, Heiko, Stadt und Land. Bemerkungen zu einem Projekt vergleichender Regionalge
schichte, in: ders. (Hg.), Arbeiteralltag in Stadt und Land. Neue Wege der Geschichtsschrei
bung. Argument-Sonderband 94, S. 147-156.
Haumann, Heiko/Schaffer, Martin, Überlegungen zur Arbeit mit dem Kulturbegriff in den
Geschichtswissenschaften, in: uni nova. Mitteilungen aus der Universität Basel 70 (1994),
S. 18-21.
504
Quellen- und Literaturverzeichnis
Haumann, Heiko, Rückzug in die Idylle oder ein neuer Zugang zur Geschichte? Probleme und
Möglichkeiten der Regionalgeschichte, in: Alemannisches Jahrbuch 1984/86 (1988).
Hechter, Michael/Friedmann, Debra/Appelbaum, Malka, A Theory of Ethnie Collective
Action, in: International Migration Review 16 (1982), S. 412-434.
Heckmann, Friedrich, Ethnos, Demos, Nation, oder: Woher stammt die Intoleranz des Natio
nalstaats gegenüber ethnischen Minderheiten?, in: Seewann, G. (Hg.), Minderheitenfragen
in Südosteuropa, München 1992, S. 9-37.
ders., Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, Stutt
gart 1992.
Heinrich, Wolfgang, Ethnische Identität und nationale Integration, Göttingen 1984.
Hidic, Edita, Svjedoci glazbene proslosti Splita: Glazbeno drustvo „Zvonimir“, Split 1994.
Hildebrandt, W., Die Problematik der Nation als totalisierende Matrix im Kontext des Struk
turpluralismus Südosteuropas, in: Grothusen, Klaus-Dieter (Hg.), Ethnogenese und Staatsbil
dung in Südosteuropa, Göttingen 1974, S. 230-253.
Hinrichs, Ernst, Regionale Sozialgeschichte als Methode der modernen Geschichtswissenschaft,
in: ders./Norden, Wilhelm, Regionalgeschichte. Probleme und Beispiele, Hildesheim 1980,
S. 1-20.
Hobsbawm, Eric J., Nation and Nationalism since 1780. Programme, Myth, Reality, Cambridge
1990 (Dt. Übersetzung Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780 Frank
furt/M. 1991).
ders., The Age of Extremes, Cambridge 1995.
Hobsbawm, E./Ranger, Terence (Hg.), The Invention of Tradition, Cambridge 1983.
Höpken, Wolfgang, Konfession, territoriale Identität und nationales Bewußtsein: Die Muslime
in Bosnien zwischen Österreich-Ungarischer Herrschaft und Zweitem Weltkrieg, in: Schmidt-
Hartmann, Eva (Hg.), Formen des nationalen Bewußtseins im Lichte zeitgenössischer Natio
nalismustheorien, München 1994, S. 233—253.
dm./Sundhaussen, Holm, Jugoslawien von 1914 bis zur Gegenwart, in: Fischer, W. (Hg.),
Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 6, Stuttgart 1987, S. 847-
915.
ders., „Blockierte Zivilisierung“ ? Staatsbildung, Modernisierung und ethnische Gewalt auf dem
Balkan (19./20. Jahrhundert), in: Leviathan. 4/1997, S. 518-538.
ders., Strukturkrise oder verpaßte Chance? Zum Demokratiepotential der südosteuropäischen
Zwischenkriegsstaaten Bulgarien, Jugoslawien und Rumänien, in: Lemberg, Hans (Hg.),
Ostmitteleuropa zwischen den beiden Weltkriegen (1918-1939). Stärke und Schwäche der
neuen Staaten, nationale Minderheiten, Marburg 1997, S. 73-127.
Hösch, Edgar, Geschichte der Balkanländer. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, (2., durchges.
u. erw. Aufl.) München 1993.
ders., Die Entstehung des Nationalstaats in Südosteuropa, in: Brunner, G. (Hg.), Osteuropa
zwischen Nationalstaat und Integration, Berlin 1995.
Holjevac, Veceslav, Hrvati izvan domovine, Zagreb 1967.
ders., Migraciona kretanja u razdoblju izmedu dva svjetska rata, in: Hrvati izvan domovine (2.
erw. Ausg.), Zagreb 1968, S. 38-62.
Hoptner, J. B., Yugoslavia in Crisis, 1934—1941, New York 1962.
Hory, Ladislaus/Broszat, Martin, Der kroatische Ustascha-Staat 1941-1945, Stuttgart 1964.
Horvat, Josip, Povijest novinstva Hrvatske 1771-1939, Zagreb 1962.
ders., Hrvatski mikrokozam izmedu dva rata (1919-1941) (= Rad JAZU, sv. 400), Zagreb 1983.
ders., Zivjeti u Hrvatskoj 1900-1941. Zapisci iz nepovrata, Zagreb 1984.
Hranilovic, Nada, Novinstvo hrvatskog iseljeistva 1859-1940., Zagreb 1981.
505
Anhang
Hroch, Miroslav: Die Vorkämpfer der nationalen Bewegung bei den kleinen Völkern Europas.
Eine vergleichende Analyse zur gesellschaftlichen Schichtung der patriotischen Gruppen, Prag
1968.
ders., Das Erwachen kleiner Nationen als Problem der komperativen sozialgeschichtlichen For
schung, in: Theodor Schieder u. Peter Burian (Hg.), Sozialstruktur und Organisation europäi
scher Nationalbewegungen, München/Wien 1971, S. 121-142 u. in: Winkler, H. A. (Hg.),
Nationalismus, Königstein/Ts. 1978, S. 155-186.
ders., Social Preconditions of National Revival in Europe. A Comparative Analysis of the Social
Composition of Patriotic Groups among the Smaller European Nations. Translated by Ben
Fowkes, Cambridge et al. 1985.
ders., Nationales Bewußtsein zwischen Nationalismustheorie und der Realität der nationalen Be
wegungen, in: Schmidt-Hartmann, Eva (Hg.), Formen des Nationalbewußtseins im Lichte
zeitgenössischer Nationalismus-Theorien, München 1994, S. 39-52.
Hübner, Kurt, Das Nationale. Verdrängtes, Unvermeidliches, Erstrebenswertes, Graz Wien
Köln 1991.
Ignatieff, Michael, Strategien des Wahns. Die Erbschaft Titos und die Politik der Selbstzerstö
rung, in: Sonderheft „Hommage ä Sarajevo“ Lettre International 31/1995, S. 78-80.
ders., Reisen in den neuen Nationalismus, Frankfurt/M 1994.
Imamovic, Mustafa, Istorija Jugoslavije (3. Aufl.), Beograd 1973.
Institut za Geografiju sveucilista u Zagrebu (Hg.), Juzno Hrvatsko primorje, Zagreb 1974.
International Institute of Agriculture: Population and Agriculture, with Special Reference to
Agricultural Overpopulation, Geneva 1939 (Technical Documentation for League of Nations,
European Conference on Rural Life, 1939, Publication No. 3).
Irvine, Jill A., The Croat Question. Partisan Politics in the Formation of the Yugoslav Socialist
State, Boulder 1993.
Isek, Tomislav, Stjepan Radic kao politicki mislilac, in: Casopis za suvremenu povijest IV/1972,
S. 189-199.
ders., Strukture Hrvatske seljacke stranke u Bosni i Hercegovini do 1929. godine, in: Jugosloven-
ski istorijski casopis, 1-4/1978, S. 408-424.
Ivanisevic, Alojz, Das Österreichbild der Serben und Kroaten, in: Berliner Jahrbuch für osteu
ropäische Geschichte 1994/2. Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert: Fremde Wege-Eigene
Wege, hrsg. v. Günter Schödl, Berlin 1994, S. 65-86.
ders., Warum können Belgrad und Zagreb nicht miteinander?, in: Identität: Differenz (1992),
S. 338-355.
ders., Klischees und Feindbilder. Wege und Irrwege des Jugoslawismus, in: Identität und Nach
barschaft. Die Vielfalt der Alpen-Adria-Länder, Wien Köln Graz 1994, S. 137-169.
ders., Kroatiens langer Weg nach Europa, in: Heuberger, V./Suppan, A./Vyslonzil, E. (Hg.),
Der Balkan. Friedenszone oder Pulverfaß?, Frankfurt/M. et al. 1998, S. 139-182.
Ivulic, Gracijan, Split u razvitku Jugoslavenske trgovacke mornarice, in: Zbornik Drustva inzen-
jera i tehnicara u Splitu 1958 hrsg. v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 149-164.
I vekovic, Mladen, Hrvatska lijeva inteligencija 1918-1945, Bd. I u. II, Zagreb 1970.
Jackson, Marvin J./Lampe, John, The Evidence of Industrial Growth in Southeastern Europe
before the Second World War, in: East European Quarterly, XVI, 4 (Jan., 1983), S. 392-398.
Jackson, Marvin J., Agricultral Output in Southeastern Europe, 1910-1938, in: The ACES
Bulletin. A Publication of the Association for Comparative Economic Studies XIV (1982),
No. 4, S. 49-87.
506
Quellen- und Literaturverzeichnis
ders., National Income and Product in Southeastern Europe before the Second World War, in:
ACES Bulletin, XXIV, 3 (1982), S. 73-10.
Jacov, Marko, Venecija i Srbi u Dalmaciji u XVIII veku, Beograd 1984.
Jäggi, Christian J., Nationalismus und ethnische Minderheiten, Zürich 1993.
Jakovcev, Gojko, Izbori u Sjevernoj Dalmaciji u periodu izmedu dva rata, in: Zadarska revija
XVII/1968, S. 610-622.
ders., Sokolska organizacija u borbi za bratstvo jugoslavenskih naroda do 1918 godine. Progon
sokolske organizacije u Hrvatskoj, Zagreb 1970.
ders., Drustveno-ekonomski polozaj naroda sjeverne Dalmacije u periodu 1918-1921. godine,
Drugi kongres KPJ, Slavonski Brod 1972.
ders., Stvaranje i rad organizacija Komunisticke partije Jugoslavije na podrucju sjeverne Dalmacije
od 1919. do 1941. godine, in: Zbornik Istorija XX veka, XIII, Beograd 1975.
ders., Idejno-politicni i strucni profili sokolske organizacije jugoslavenskih naroda od 1863. do
1941. godine, in: Povijest sporta 20 (1989), Nr. 79, S. 251-257.
James, Harold, Die Nemesis der Einfallslosigkeit - Die Nation galt als erfunden, nur die Gesell
schaft als real: Warum die Revolution die deutschen Historiker unvorbereitet traf, in: F. A. Z.
v. 17.09.1990, S. 36.
Janicijevic, Miroslav, Stvaralacka inteligencija meduratne Jugoslavije, Beograd 1984.
ders., Jugoslovenstvo stvaralacke inteligencije meduratne Jugoslavije, in: Marksisticka misao 1/
1989, S. 71-86.
Janigro, Nicole, Die Schlacht der Sprachen. „Falsche Akzente“ und die neuen serbokroatischen
Wörterbücher, in: Sonderheft „Hommage ä Sarajevo“ Lettre International 31/1995, S. 83-84.
Janjatovic, Bosiljka, Povijesna literatura o sindikalnom pokretu u Hrvatskoj izmedu dva rata,
in: Casopis za suvremenu povijest i/1970, S. 149-159.
dies., Politika Hrvatske seljacke stranke prema radnickoj klasi, Zagreb 1983.
dies., Radnicka politika Hrvatske seljacke stranke 1921-1941, in: Casopis za suvremenu povijest
V/1973, 1 (11), S. 65-83.
dies., Progoni triju politickih grupacija u Hrvatskoj (1918.-1921.), in: Historijski zbornik 14/
1992, S. 89-104.
dies./Strcic, Petar, O ubojstvu Dr. Milana Sufflaya, in: Historijski zbornik, god. XLVI 1/1993,
S. 89-107.
dies., Represija spram hrvatskih seljaka, in: Casopis za suvremenu povijest, Nr. 1/1993, S. 23-43.
dies., Hrvatska 1928.-1934. godine: vrijeme organiziranih politickih ubojstava, in: Povijesni pri-
lozi, Nr. 13/1994, S. 219-244.
dies., Karadordevicevska centralizacija i polozaj Hrvatske u Kraljevstvu (Kraljevini) SHS, in:
Casopis za suvremenu povijest 1/1995, S. 55-76.
dies., Izborni teror u Hrvatskoj 1923.-1927. godine, in: Casopis za suvremenu povijest 1-2/
1996, S. 45-71
dies., Drzavne uze, post i samica: sudenje Stjepanu Radicu 1920. godine, in: Casopis za suvremenu
povijest 29/1 (1997), S. 97-127.
Jankovic, Dragoslav, Jugoslovensko pitanje i Krfska deklaracija 1917. godine, in: Istorija XX
veka, Zbornik radova X, Beograd 1969 u. ebenda, ders., Niska deklaracija. Nastajanje pro-
grama jugoslovenskog ujedinjenja 1914. godine, S. 7-107.
ders., Stvaranje prve jugoslovenske drzave Kraljevine Srba, Hrvata i Slovenaca (1914-1918), in:
Redakcioni odbor edicije predavanja Politicke skole SKJ „Josip Broz Tito“, Kumrovec (Hg.),
Razvoj socijalisticke revolucije u Jugoslaviji, Bd. 5, Beograd 1977, S. 5-26.
r/m./Krizman, Bogdan (Hg.), Grada o stvaranju jugoslovenske drzave, 2 Bde., Beograd 1964.
Janjic, Dusan, Recnik „nacionaliste“, Beograd 1986.
507
Anhang
Jareb, Jere, Pola stoljeca hrvatske politike. Povodom Macekove autobiografije, Buenos Aires
1960 (Neuauflage Zagreb 1995).
Jelcic, Dubravko, Politika i sudbine: eseji, varijacije i glose o hrvatskim politicarima, Zagreb
1995.
Jelic, Ivan, O nekim odjecima sporazuma Cvetkovic - Macek medu Srbima u Banovini Hrvats-
koj, in: Zbornik HIS, Bd. 3, Slavonski Brod 1965, S. 147-166.
ders., O znacenju osnivanja Komunisticke partije Hrvatske 1937. godine, in: Klasno i nacionalno
u suvremenom socijalizmu, Nase teme, Zagreb 1970, S. 264-279.
Jelinovic, Zvonimir, Borba za jadranske pruge i njeni ekonomski ciljevi (Grada za gospodarsku
povijest Hrvatske), Zagreb 1972.
Jeismann, Michel, Ein Herz fürs Vaterland. Kollektive Gefühle auf einer Berliner Tagung: Na
tion und Emotion, in: F. A. Z. Beilage „Geisteswissenschaften“ v. 27.10.1993, S. N 5.
ders./Ritter, Henning, Grenzfälle. Über neuen und alten Nationalismus, Leipzig 1993.
Jelaska, Marcel, Problem podloge i sorte u vinogradarstvu Dalmacije u radu Stanka Ozanica,
in: Zadarska smotra 1-2 (Ozanicev zbornik), 1994, S. 109-122.
Jeiavich, Charles and Barbara (Hrsg.), The Balkans in Transition, Berkeley, Los Angeles 1963.
dies., The Establishment of the Balkan National States 1804-1920. Seattle, London 1977.
Jeiavich, Charles, Nikola Pasic, Greater Serbia or Yugoslavia, in: Journal of Central European
Affaires, XI/1951, S. 133-152.
ders., Serbian Textbooks: Toward a Greater Serbia or Yugoslavia, in: Slavic Review 42/4 (1983),
S. 601-619.
ders., South SlavNationalisms. Textbooks and Yugoslav Union before 1914, Columbus, Ohio 1990.
ders., Education, Textbooks and South Slav Nationalisms in the Interwar Era, in: Reiter, Nor
bert/Sundhaussen, H. (Hg.), Allgemeinbildung als Modernisierungsfaktor, Berlin 1994,
S. 127-142.
Jelic, Ivan, O nekim odjecima sporazuma Cvetkovic-Macek medu Srbima u Hrvatskoj, in: Zbor
nik Historijskog Instituta 3 (1965), S. 155ff.
ders., Hrvatska u ratu i revoluciji 1941-1945, Zagreb 1986.
Jelic, M./Cvetkovic, R., Razvitak privrede izmedu dva svetska rata, in: Razvoj privrede, Beo
grad 1956.
Jelic-Butic, Fikreta, Hrvatska seljacka stranka, Zagreb 1983.
dies., Prilog proucavanju djelatnosti ustasa do 1941., in: Casopis za suvremenu povijest 1 (1969).
dies., Ustase i Nezavisna Drzava Hrvatska 1941-1945, Zagreb 1977.
Jericevic, Ivan-Compo, Gradanske stranke na Korculi izmedu dva svjetska rata i drzanje njihovih
prvaka u toku NOB-a, in: Zbornik „Korcula u revolucionarnom radnickom pokretu, narod-
nooslobodilackoj borbi i socijalistickoj revoluciji 1941.-1945.“, Korcula 1989, S. 451-463.
Jong, Jutta de, Der nationale Kern des makedonischen Problems. Ansätze und Grundlagen einer
makedonischen Nationalbewegung (1890-1903). Ein Beitrag zur komparativen Nationalis
musforschung, Frankfurt/M., Bern 1982.
Jo vano vic, Nadezda, Prilog proucavanju atentata u Narodnoj skupstini 20. juna 1928., in: Caso
pis za suvremenu povijest, II, 1970, Nr. 1, S. 61-75.
dies., Politicki sukobi u Jugoslaviji 1925.-1928., Beograd 1974.
Jovanovic, Zarko, KPJ prema seljastvu 1919-1941, Beograd 1984.
Judt, Tony, Europa am Ende des Jahrhunderts, in: Transit: europäische Revue Nr. 10; S. 5-28
Jugoslavenska Akademija (Hg.), Jugoslavenski odbor u Londonu, Zbornik radova u povodu
50-godisnjice osnivanja, Zagreb 1966.
Jurdana, Ela, Stjepan Radic (1871-1928), in: Stjepan Radic - Katalog izlozbe u povodu 120.
obljetnice rodenja Stjepana Radica, Zagreb 1991, S. 29-41.
508
Quellen- und Literaturverzeichnis
Jutronic, Petar, Prikaz elektrifikacije Dalmacije i energetska situacija, in: Zbornik Drustva in-
zenjera i tehnicara u Splitu 1958 hrsg. v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 441-466.
Kandic, Ljubica, Koncepcije politickih partija u Kraljevini SHS o nacionalnom pitanju 1918—
1921., Drugi kongres KPJ, Slavonski Brod 1972.
Kann, Robert A., A History of the Habsburg Empire 1526-1918, Berkely 1974 (dt: Geschichte
des Habsburger Reiches 1526-1918 (2. Aufl.), Wien, Köln, Graz 1982).
ders./Zdenek, David, The Peoples of the Eastern Habsburg Lands 1526-1928, Seattle 1984.
Kapovic, Mato, Radnicki pokret u Dubrovniku 1874-1941, Dubrovnik 1985.
Karaman, Igor, Privredni razvitak Dalmacije pod austrijskom upravom, in: Mogucnosti 6/1965,
S. 640-661.
ders., Uloga Sibenika u dalmatinskoj privredi potkraj 19. i na pocetku 20. stoljeca, in: Mogucnosti
12/1966, S. 1335-1345.
ders., Privreda i drustvo Hrvatske u 19. stoljecu, Zagreb 1972.
ders., Sastav i drustveno-ekonomska djelatnost dalmatinskog gradanstva u sezdesetim i sedamde-
setim godinama 19. stoljeca, in: Zbornik radova: Dalmacija 1870., Zadar 1972, S. 11-36.
ders., Problemi ekonomske integracije hrvatskih zemalja u Habsburskoj monarhiji 1850-1918,
in: Prilozi Instituta za istoriju IX/1, Sarajevo 1973, S. 63-77.
ders., Drustveno-ekonomsko stanje pokrajine i tzv. „vladina akcija za gospodarsko podizanje
Dalmacije“ pocetkom 20.stoljeca, in: Fiskovicev zbornik II, Split 1980, S. 274-289.
ders., Tradicionalne seoske institucije u procesima modernizacije, in: Nase teme 33 (10)-l 989,
S. 2635-2652.
ders., Industrijalizacija gradanske Hrvatske (1800-1941), Zagreb 1991.
ders., Jadranske studije. Prilozi ekonomsko-socijalnoj historiji Rijeke, Hrvatskog primorja i Dal
macije od XVIII. do XX. stoljeca, Rijeka 1992.
Karaman, Ljubo, Odabrana djela, Split 1986.
Karan, M., Blood Vengeance: „Pathological“ or „Normal“ Behaviour?, in: Sociologija 15/1973
(1), S. 117-136.
ders., Sociological and Psychological Aspects of the Ethnological Study of Blood Feuds, in: Socio
logija 16/1974 (3-4), S. 453-472.
ders., Psychological Aspects of Interdisciplinary Research of the Blood Feud, in: Socioloski pre-
gled 11/1977 (2-3), S. 51-58.
Kaser, Karl, Typologie der politischen Parteien Südosteuropas im neunzehnten Jahrhundert, in:
Österreichische Osthefte 27 (1985), S. 331-365.
Kaser, M. C. u. Radice, E. A. (Hg.), The Economic History of Eastern Europe 1919-1975,
Bd. 1 Economic structure and performance between the two wars, Oxford 1985.
Kasic, Dusan, Srbi i pravoslavlje u sjevernoj Dalmaciji, in: Almanah: Srbi i pravoslavlje u Dalma-
ciji i Dubrovniku, hrsg. v. „Savez udruzenja pravoslavnog svestenstva SR Hrvatske“, Zagreb
1971, S. 7-30.
Katicic, Radoslav, Serbokroatische Sprache - Serbisch-kroatischer Sprachenstreit, in: Lauer,
Reinhard u. Lehfeldt, Werner (Hg.), Das jugoslawische Desaster. Historische, sprachliche und
ideologische Hintergründe, Wiesbaden 1995, S. 23-79.
Katusic, Ivan, Dalmacijo, stara Dalmacijo, Split 1979.
Keckemet, Dusko, Vid Morpurgo i Narodni preporod u Splitu, Split 1963.
ders., Poceci kinematografije i filma u Dalmaciji (1897-1918), Split 1969.
ders., Zidovi u povijesti Splita, Split 1971.
ders., Splitska meduratna arhitektura, in: Arhitektura, Nr. 156-157/1976, S. 65-79.
ders., Stambena arhitektura u Splitu u razdoblju izmedu dva svjetska rata, in: Arhitektura, Nr. 1-
3/1989-91, S. 208-210 u. 25-27.
509
Anhang
510
Quellen- und Literaturverzeichnis
Konjevic, Mile, Opcinski izbori u Banovini Hrvatskoj 19. maja 1940. godine, in: Prilozi 9/1,
Sarajevo 1973, S. 289ff.
Korencic, Mirko, Naselja i stanovnistvo SR Hrvatske, Zagreb 1979.
Korac, Stanko, Pregled knjizevnog rada Srba u Hrvatskoj, Zagreb 1987.
Korsky, Vera, O mojim pjesmama i uvjerenjima, in: Hrvatska obzorja - Casopis Matice Hrvats
ke- Split Nr. 3 (1994), S. 651-656.
Kortsek, Josip, Dujam Mikacic, Split 1963.
Korunic, Petar, Jugoslavenska ideologija u hrvatskoj i slovenskoj politici. Hrvatsko-slovenski
politicki odnosi 1848-1870, Zagreb 1986.
Kostic, Lazo M., Cija je Bosna?, Toronto 1955.
ders., Sporni predeli Srba i Hrvata, Chicago 1957 (unveränderter Nachdruck unter dem Titel:
„Sporne teritorije Srba i Hrvata“, Beogradl990).
ders., Hrvatska zverstva u drugom svetskom ratu prema izjavama njihovih saveznika, Melbourne
1983.
Kostrencic, Marko (Hg.), Zapisi Dra Josipa Smodlake, Zagreb 1972.
Koscak, Vladimir, Formiranje hrvatske nacije i slavenska ideja, in: Kritika IV/1971, 17, S. 267-
280.
Kovacic, Ivan, Smij i suze starega Splita, Split 1971.
Krestic, Vasilije D., Srpsko-hrvatski odnosi i jugoslovenska ideja 1860-1873, Beograd 1983.
Krizman, Bogdan, Trumbiceva misija u inozemstvu uoci proglasenja sestojanuarske diktature,
oktobar-decembar 1928., in: Historijski pregled, VIII/1962, Nr. 3, S. 176-202.
ders., Pitanje medunarodnog priznanja jugoslavenske drzave 1919. godine, in: Istorija XX. veka.
Zbornik radova III, Beograd 1962, S. 345-386.
ders., Ivan Mestrovic: Uspomena na politicke ljude i dogadaje, Buenos Aires, 1961, in: Jugoslo-
venski istorijski casopis, 11/1963, Nr. 4, S. 105-113.
ders., Osvrt na biografiju V. Maceka, in: Jugoslovenski istorijski casopis III/1964, Nr. 2, S. 57-
75.
ders., Krizman, Bogdan, Planovi talijanske vrhovne komande na Jadranu koncem 1918., in: Po-
morski zbornik 6/1968, S. 681-693.
ders., Izaslanik kralja Aleksandra kod Stjepana Radica u zatvoru 1925. godine, in: „Mogucnosti“,
XVIII/1971, Nr. 9, S. 1087-1089.
ders., Politicka misao Stjepana Radica, in: Nase teme XV/1971, Nr. 3, S. 502-513.
ders., Stjepan Radic - zivot, misao, djelo, in: ders. (Hg.), Korespondencija Stjepana Radica 1919—
1928., 2 Bde., Zagreb 1973, S. 25-70.
ders., Raspad Austro-Ugarske i stvaranje jugoslavenske drzave, Zagreb 1977.
ders., Pavelic i Ustase, Zagreb 1978.
derj./Hrabak, B. (Hg.), Zapisnici sa sednica delegacije Kraljevine SHS na mirovnoj konferenciji
u Parizu 1919-1920, Beograd 1960.
Krizanic, Juraj, Politika ili razgovori o vladalastvu (Razgowori ob wladatelystwu 1661-1667),
ins Kroat. übersetzt v. Mate Malinar, Zagreb 1947.
Krleza, Miroslav, Nekoliko reci o malogradanskom historizmu hrvatstva uopce, in: Knjizevna
republika, 1926, Nr. 6, S. 344-254.
ders., Stjepan Radic 8.VIII.1928, in: Knjizevnik 1928, Nr. 6, S. 113-115.
ders., Prije trideset godina (1917.-1947.), in: Davni dani, sv. 11-12 Sabranih djela, Zagreb 1956,
S. 370ff.
ders., Pogovor za dvije drame: O Areteju i o Jurju Krizanicu, in: Forum 1962, Nr. 3, S. 693ff.
ders., O patru dominikancu Jurju Krizanicu, in: Eseji III, sv. 20 Sabranih djela, Zagreb 1963,
S. 65f.
511
Anhang
Lahman, Otokar, Suvremena drustvena transformacija Makarske, in: Zbornik znanstvenog sav-
jetovanja o Makarskoj i Makarskom primorju 28-30. rujna 1969., Makarska 1970, S. 519—
544.
Lakicevic, Dusan, Misao i praksa socijalne politike Jugoslavije izmedu dva svetska rata, Beograd
1976.
Lampe, John R./Jackson, Marvin R., Balkan Economic History, 1550-1950. From Imperial
Borderlands to Developing Nations, Bloomington 1982.
Lampe, John. R., Belated Balkan Modernization and the Consequences for Communist Power,
1918-1948, in: Schönfeld, R. (Hg.), Industrialisierung und gesellschaftlicher Wandel in Süd
osteuropa, München 1989, S. 21-44.
ders., Unifying the Yugoslav Economy, 1918-1921: Misery and Early Misunderstandings, in:
Djordjevic, Dimitrije (Hg.), The Creation of Yugoslavia, 1914-1918, Santa Barbara 1980,
S. 147-152.
Landercy, M., Le Cardinal Stepinac martyr des droits de l’homme, kroat. v. Ivan Zirdum: Kardi
nal Alojzije Stepinac, Dakovacki Selci 1989.
Lange, Klaus, Regionen, in: Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung, Bd. 3,
(2. Aufl.) Hannover 1970, S. 2705-2719.
Langewiesche, Dieter, Reich, Nation und Staat in der jüngeren deutschen Geschichte, in: Hi
storische Zeitschr. 254, 1992, S. 341-381.
ders., Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert: zwischen Partizipation und Aggression. Vortrag
vor dem Gesprächskreis Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn am 24. Januar 1994,
Bonn 1994.
Lasic, Stanko, Krleza. Kronologija zivota i rada, Zagreb 1982.
Laxa, Eugen, Stjepan Radic i preporod hrvatskog seljastva. O 100-godisnjici njegova rodenja,
in: Hrvatska revija XX/1970, 4 (80), S. 609-627.
Lebl, Arpad, Sindikalna borba agrarnog proletarijata, Beograd 1954.
Lecek, Suzana, Pokusaji smanjivanja nepismenosti u Banskoj Hrvatskoj pocetkom 20. stoljeca,
in: Radovi Zavoda za Hrvatsku povijest 26/1993, S. 123-150.
dies., Literatura za seljastvo i njeno prihvacanje u selima Hrvatske i Slavonije 1870-1900., in:
Radovi Zavoda za hrvatsku povijest 28/1995, S. 138-157.
512
Quellen- und Literaturverzeichnis
dies., Organizacija i oblici djelovanja „Seljacke sloge“ (1925.-29.), in: Casopis za suvremenu
povijest (1997), Nr. 3, S. 357-378.
Lederer, Ivo, Yugoslavia at the Paris Peace Conference: A Study in Frontiermaking, New Ha-
ven/London, 1963.
ders., Nationalism and the Yugoslavs, in: ders./Sugar, Peter F. (Hg.), Nationalism in Eastern
Europe, Seattle and London (2. Aufl.) 1971, S. 396-438.
Lemberg, Eugen, Nationalismus. Bd. 1: Psychologie und Geschichte, Bd. 2: Soziologie und poli
tische Pädagogik, Hamburg 1964.
Lemberg, Hans, Unvollendete Versuche nationaler Identitätsbildung im 20. Jahrhundert im öst
lichen Europa: die „Tschechoslowaken“, die „Jugoslawen“, das „Sowjetvolk“, in: Berding, H.
(Hg.), Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewußtseins in der Neuzeit 2, Frankfurt/M.
1994, S. 581-607.
ders., Der Versuch der Herstellung synthetischer Nationen im östlichen Europa im Lichte des
Theorems von Nation-Building, in: Schmidt-Hartmann, E. (Hg.), Formen des Nationalbe
wußtseins im Lichte zeitgenössischer Nationalismus-Theorien, München 1994, S. 145-161.
Lendvai, Paul, Haß und Grausamkeit auf dem Balkan, in: Internationale Politik 3/1995, S. 3-8.
Leontic, Ljubo, O Jugoslavenskom odboru u Londonu, Zagreb 1961.
Lepsius, Rainer M., Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der „Moderne“ und die
„Modernisierung“, in: Koselleck, R. (Hg.), Studien zum Beginn der modernen Welt, Stutt
gart 1977, S. 10-29.
Libal, Wolfgang, Dalmatien. Stadtkultur und Inselwelt an der jugoslawischen Adriaküste, Mün
chen 1990.
Livingston, Robert Gerald, Stjepan Radic and the Croatian Peasant Party, 1904-1929 (Harvard,
Ph. D.) 1959.
Loewenstein, Bedrich, Eine alte Geschichte? Massenpsychologie und Nationalismusforschung,
in: Schmidt-Hartmann, Eva (Hg.), Formen des Nationalbewußtseins im Lichte zeitgenössi
scher Nationalismus-Theorien, München 1994, S. 87-101.
Lottes, Günther (Hrsg.), Region, Nation, Europa, Heidelberg 1992.
Lovrencic, Rene, Geneza politike „novog kursa“, Zagreb 1972.
Lucev, I., Social Character and Political Culture, in: Sociologija 16/1974 (1), S. 23-44.
Lucin, Ante, Osnovni podaci o razvoju revolucionarnoga radnickog i komunistickog pokreta i
NOB-a u Kastelima, in: Kastelanski zbornik 1, Kastela 1987, S. 45-52.
ders., Frane Kapov Rus (1913-1942), in: Kastelanski zbornik 2, Kastela 1989, S. 113-117.
Lüdtke, Alf (Hg.), Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebens
weisen, Frankfurt/M. New York 1989.
Lüdtke, Alf, Alltagsgeschichte: Aneignung und Akteure. Oder - es hat noch kaum begonnen!
In: WerkstattGeschichte 6 (1997) H. 17, S. 83-91.
ders. (Hg.), Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen,
Frankfurt/M. New York 1989.
Lukac, Dusan, Politika KPJ prema nacionalnom pitanju uoci aprilskog rata i pred ustanak 1941.,
in: Prilozi za istoriju socijalizma, Beograd 1970, S. 3-56.
ders., Radnicki pokret u Jugoslaviji i nacionalno pitanje 1918-1941, Beograd 1972.
ders., Ucesnici iz Hrvatske u diskusiji o nacionalnom pitanju u NRPJ 1923. godine, in: Casopis
za suvremenu povijest, Nr. 3, Zagreb 1972, S. 31-43.
ders., Nacionalna izmijesanost, konstantna egzistencijalna ugrozenost i etnicka bliskost jugoslo-
venskih naroda: cinioci stvaranja Jugoslavije 1918. godine, in: Cubrilovic, Vasa (Hg.), Stvaranje
jugoslovenske drzavel918. godine, Beograd 1989, S. 103-113.
Luxemburg, Rosa, Was wollen wir?, in: Rosa Luxemburg, Internationalismus und Klassen
kampf, Die polnischen Schriften, hrsg. v. Jürgen Hentze, Neuwied/Berlin 1971.
513
Anhang
514
Quellen- und Literaturverzeichnis
515
Anhang
Nash, Manning, The Cauldron of Ethnicity in the Modern World, Chicago 1988.
Narodno sveuciliste (Hg.), Narodno sveuciliste u Splitu 1925-1955, Split 1955.
Negt, Oskar/Kluge, Alexander, Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von
bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit (2. Aufl.), Frankfurt/M. 1973.
Nezic, Herman, Ceste u Dalmaciji, in: Zbornik Drustva inzenjera i tehnicara u Splitu 1958 hrsg.
v. Slavko J. Siriscevic, Split 1958, S. 301-322.
Niethammer, Lutz, Konjunkturen und Konkurrenzen kollektiver Identität. Ideologie, Infra
struktur und Gedächtnis in der Zeitgeschichte, in: Werner, M. (Hg.), Identität und Ge
schichte, Weimar 1997, S. 175-203.
Nizetic, Branko, Spomenik Lavu N. Tolstoju na Bracu, in: Bracki zbornik 2, Split 1954, S. 95-
99.
Novak, Grga, Povijest Splita, 4 Bde. Split 1978.
Novak, Viktor, Magnum crimen. Pola vijeka klerikalizma u Hrvatskoj, Zagreb 1948.
516
Quellen- und Literaturverzeichnis
Obad, Stijepo, Josip Smodlaka i agrarno pitanje u Dalmaciji uoci prvoga svjetskog rata, in:
Casopis za suvremenu povijest VI/1974, Nr. 1, S. 57-70.
ders., Dalmatinsko selo u proslosti. Od sredine osamnaestog stoljeca do prvog svjetskog rata,
Split 1990.
ders., Dalmacija u Ozanicevo doba, in: Zadarska smotra 1-2 (Ozanicev zbornik), 1994, S. 29-36.
Oberländer, Erwin, Lemberg, Hans, Sundhaussen, Holm (Hg.), Genossenschaften in Ost
europa - Alternative zur Planwirtschaft?, Wiesbaden 1993.
Obrknezevic, Milos, Razvoj pravoslavlja u Hrvatskoj i Hrvatska pravoslavna crkva, München
Barcelona 1979.
Ocak, Ivan, Hrvatsko-ruske veze: druga polovica XIX. i pocetak XX. stoljeca, Zagreb 1993.
Odbor za obiljezavanje 50. obljetnice pobjede Antifasisticke koalicije u Europi i svijetu Sabora
Republike Hrvatske. Za grupu autora predsjednik provedbenog vijeca odbora: Milivoj Ku-
jundzic (Hg.), Doprinos Hrvatske pobjedi Antifasisticke koalicije, Zagreb 1995.
Ogrizovic, Mihajlo, Skolstvo i prosvjeta u Dalmaciji za vrijeme narodnooslobodilacke borbe,
Zagreb 1984.
Okey, Robin, Education and Modernization in a Multi-Ethnic Society: Bosnia, 1850-1918, in:
Schooling, Educational Policy and Ethnie Identity. Ed. by Janusz (Jözef) Tomiak in colabora-
tion with Knut Eriksen, Andreas Kazamias and Robin Okey, New York University Press
New York 1991 (= Comparative Studies on Government and Non-dominant Ethnie Groups
in Europe, 1850-1940. Vol. 1), S. 319-342.
Omrcanin, Ivo, Diplomatische und politische Geschichte Kroatiens, Neckargmünd 1968.
Ozanic, Nenad, Ekonomska historija Dalmacije i njeno sadanje stanje (= Diss.) Zagreb 1927.
Ozanic, Stanko,Poljoprivreda Dalmacije u proslosti, Split 1955.
Parkin, Frank, Strategien sozialer Schließung und Klassenbildung, in: Kreckel, Reinhard (Hg.),
Soziale Ungleichheiten, Soziale Welt, Sonderband 2, Göttingen 1983, S. 121-135.
ders., Marxism and Class Theory: A Borgeois Critique, London 1979.
Pavlicevic, Dragutin, Povijest Hrvatske, Zagreb 1994.
Pederin, Ivan, Jadranska Hrvatska u Austrijskim i njemackim putopisima, Zagreb 1991.
ders., Pravoslavlje i velikosrpski imperijalizam, in: Zadarska smotra 1-2/1995283-290.
Pekic, Vujo, Savez komunisticke omladine Jugoslavije izmedu dva rata 1919-1941, Zagreb 1959.
Pelivan, Ante, Dalmatien. Natur- und Kultursehenswürdigkeiten, Zagreb 1985.
Peric, Ivan, Suvremeni hrvatski nacionalizam, (2. Aufl.) Zagreb 1984.
Peric, Ivo, Borba za ponarodenje dalmatinskog skolstva 1860-1918, Zagreb 1974.
ders., Pregled razvoja dubrovacke periodike izmedu dva svjetska rata, in: Anali Zavoda za povi-
jesne znanosti Istrazivackog centra JAZU, sv. 19-20, Dubrovnik 1982, S. 291-467.
ders., Ante Trumbic na dalmatinskom politickom popristu, Split 1984.
ders., Dubrovacko pomorstvo u 19. i 20. stoljecu, in: Grada za gospodarsku povijest Hrvatske,
knj. 29, Zagreb 1984.
ders., Pomorska banka u Dubrovniku (Razlozi osnutka, tokovi poslovanja i uzroci likvidaeije),
in: Anali Zavoda za povijesne znanosti Jugoslavenske Akademije Znanosti i Umjetnosti, Sv.
XXVIII, Dubrovnik 1990, S. 227—238.
ders., Politicki portreti iz proslosti Dalmacije, Split 1990.
Pericic, Sime, Oskudica i glad u Dalmaciji u XIX i pocetkom XX stoljeca, in: Radovi 13 (1980),
S. 1-31.
ders., Gospodarske prilike Dalmacije od 1797. do 1848., Split 1993.
ders., Stanko i Nenad Ozanic kao ekonomski povjesnicari, in: Zadarska smotra 1-2, 1994, S. 43-
46.
517
Anhang
518
Quellen- und Literaturverzeichnis
Radeka, Milan, Prilozi o spomenicama kulture kod Srba u sjevernoj Dalmaciji, in: Almanah:
Srbi i pravoslavlje u Dalmaciji i Dubrovniku, hg. v. „Savez udruzenja pravoslavnog svestenstva
SR Hrvatske“, Zagreb 1971, S. 157-281.
Radan, Z., Pregled historije tjelesnog vjezbanja i sporta, Zagreb 1981.
Radica, Bogdan, Dr. Ante Trumbic 1884-1938, in: Hrvatska revija sv. 4 (1968), S. 407-426.
ders., Mestrovic’s Significance in the Formation of Yugoslavia in 1918, in: Journal of Croatian
Studies (1983), S. 103-107.
Radica, Branko, Salona i Split. Epizode iz proslosti, Split 1985.
Radmilovic, Jerko, Otok Brac u Narodnooslobodilackoj borbi, in: Bracki zbornik2, Split 1954,
S. 5-83.
Rajcevic, Vojo, Studentski pokret na Zagrebackom sveucilistu izmedu dva rata 1918-1941,
Zagreb 1959.
ders., Revolucionarni omladinski pokret u Hrvatskoj 1919/28., Zagreb 1979.
Rajkovic, Zorica, Tradicijski oblici nevjencanog braka kod Hrvata i Srba u svjetlu pojma „po-
kusni brak“, Zagreb 1975.
Ränki, György, Economy and Foreign Policy: The struggle of the Great Powers for Hegemony
in the Danube Valley 1919-1939, Boulder, Col., New York 1983.
Rauchensteiner, Manfred, Verlust der Mitte. Der Zerfall des Habsburger Reiches, in: Altrich-
ter/Neuhaus (Hg.), Das Ende von Großreichen, Erlangen Jena 1996, S. 225-246.
Raulff, Ulrich (Hg.), Mentalitäten-Geschichte. Zur historischen Rekonstruktion geistiger Pro
zesse, Berlin 1987.
Reiter, Norbert (Hg.), Nationalbewegungen auf dem Balkan, Wiesbaden/Berlin 1983.
ders. (Hg.), Gruppe, Sprache, Nation. Wiesbaden/Berlin 1984.
Reiterer, Albert F., Die unvermeidbare Nation. Ethnizität, Nation und nachnationale Gesell
schaft, Frankfurt/M New York 1988.
ders., Die politische Konstitution von Ethnizität, in: Seewann, Gerhard (Hg.), Minderheitenfra
gen in Südosteuropa, München 1992, S. 37-53.
Renan, Ernest, Was ist eine Nation? Und andere politische Schriften. Mit einem einleitenden
Essay von Walter Euchner und einem Nachwort von Silvio Lanaro. Aus dem Französischen
und Italienischen von Maria Fehringer u. Henning Ritter, Wien Bozen 1995.
Revel, Jacques (Hg.), Die Rückeroberung des historischen Denkens. Grundlagen der Neuen
Geschichtswissenschaft, Frankfurt/M. 1990.
Rhodes, Anthony, The Vatican in the Age of the Dictators (1922-1945), New York Chicago
San Francisco 1974.
Ribar, Ivan, Stara Jugoslavija i komunizam. Zakoni, sudovi, zatvori i logori u staroj Jugoslaviji
protiv komunista, Zagreb 1967.
Riedl, Robert (Hg.), Fauna und Flora der Adria, Berlin Hamburg (2. Aufl.) 1970.
Rösener, Werner, Die Bauern in der europäischen Geschichte, München 1993.
ders., Einführung in die Agrargeschichte, Darmstadt 1997.
Roggemann, Herwig, Vom jugoslawischen Verfassungskonflikt zum neuen Balkankrieg, in:
Sundhaussen, H. (Hg.), Südosteuropa zu Beginn der neunziger Jahre, Berlin 1993, S. 109-147.
Rogic, Marijan, Die Idee des kroatischen Staates bei Ante Pavelic unter Berücksichtigung beson
derer historischer Tatsachen sowie des Staats- und des Selbstbestimmungsrechts (Auseinan
dersetzung mit dem Kommunismus) (= Diss.), München 1983.
Rokkan, Stein, Eine Familie von Modellen für die vergleichende Geschichte Europas, in: Zeit
schrift für Soziologie, 9. Jg., Stuttgart 1980, S. 118-128.
ders. et al., Nationbuilding - A Review of Recent Comparative Research and a Selected Biblio-
graphy of Analytical Studies, in: Current Sociology, 19/1971, S. 1-86;
519
Anhang
Sadkovich, James J., The Use of Political Trials to Repress Croatian Dissent, 1929-1934, in:
Journal of Croatian Studies 1987-1988, S. 103-140.
ders., Terrorism in Croatia, 1929-1934, in: East European Quarterly (March, 1988), S. 55-79.
ders., Objectivity and Bias: The First Yugoslavia by Alex N. Dragnich, in: Journal of Croatian
Studies (1986), S. 120-127.
ders., Serbian Hegemony revisited, or Blaming the Perpetrator, not the Victim, in: Journal of
Croatian Studies (1993-1994), S. 252-270.
Saint Erlich, V., Cultural Traditions in Rural Yugoslavia, in: Sociologija 15/1973 (3-4), S. 609-
617.
Salamunic, Niko, Agrarna reforma i socijalno-ekonomska situacija na Hvaru izmedu dva rata,
in: Hvarski Zbornik 6/1978, S. 173 — 183.
Sanders, Irwin T., Balkan Village, Lexington 1949.
Sapunar, Ante, Prva dalmatinska tvornica cementa (Gilardi-Bettiza) i njeni dekorativni proiz-
vodi u arhitekturi Splita, in: Kulturna bastina Nr. 11-12 1981, S. 105-112.
Schaller, Helmut (Hg.), Sprache und Politik: Die Balkansprachen in Vergangenheit und Gegen
wart, München 1996.
Scheffler, Thomas, Ethnoradikalismus: Zum Verhältnis von Ethnopolitik und Gewalt, in: See
wann, Gerhard (Hg.), Minderheiten als Konfliktpotential in Ostmittel- und Südosteuropa,
München 1995, S. 9-47.
Schieder, Theodor, Der Nationalstaat in Europa als historisches Phänomen, Köln 1964.
ders., Typologie und Erscheinungsformen des Nationalstaates in Europa, in: HZ 202 (1966),
S. 58-81.
ders., Nationalismus und Nationalstaat. Studien zum nationalen Problem im modernen Europa.
Hrsg, von Otto Dann und Hans-Ulrich Wehler, Göttingen 1991 (2. Aufl. 1992).
Schieder, Wolfgang/Sellin, Volker (Hg.), Sozialgeschichte in Deutschland. Entwicklungen und
Perspektiven im internationalen Zusammenhang, 4 Bde., Göttingen 1987.
Schilling, Heinz, Nationale Identität und Konfession in der europäischen Neuzeit, in: Giesen,
Bernhard (Hg.), Nationale und kulturelle Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven
Bewußtseins in der Neuzeit (2. Aufl.) Frankfurt/M., S. 192-252.
Schmaus, Alois, Südosteuropa, München 1964.
520
Quellen- und Literaturverzeichnis
521
Anhang
Stajic, V., Realni nacionalni dohodak Jugoslavije u periodima 1926-1939 i 1947-1956, in: Eko-
nomski problemi. Zbornik radova, Beograd 1957.
Stancic, Niksa, Hrvatska nacionalna ideologija preporodnog pokreta u Dalmaciji. Mihovil Pavli-
novic i njegov krug do 1869., Zagreb 1980.
ders., Nacija izmedu fetisizacije i antropoloskog shvacanja historije. Problem oblikovanja jugosla-
venskih nacija u 19. stoljecu, in: Istoriografija, marksizam i obrazovanje. Zbornik, Beograd
1986, S. 45-53.
Stanic Grisa, Josip, Na izvorima povijesti Omiske, Poljicke i Krajiske opcine 1911-1941., Omis
1972.
ders., Radnicki pokret i socijalistcka revolucija na podrucju Omisa 1900-1950., Split 1981.
Stanisavljevic, Duro, Pojava i razvitak cetnickog pokreta u Hrvatskoj, Beograd 1964.
Stankovic, Dorde, Neuspeh Stojana Protica u okupljanju politickih snaga radi resavanja hrvats-
kog pitanja 1921., in: Istorijski glasnik, XXIV/1971, Nr. 1, S. 7-34.
den., Kriza Radikalsko-demokratske koalicije 1921. i hrvatsko pitanje, in: Jugoslovenski istorijski
casopis, 1972/1-2, S. 79-91.
ders., Nikola Pasic i stvaranje jugoslovenske drzave (1914-1921) (= Diss.) Beograd 1978.
ders., Nikola Pasic, saveznici i stvaranje Jugoslavije, Beograd 1984.
ders., Nikola Pasic i jugoslovensko pitanje, 2 Bde., Beograd 1985.
ders., Iskusenja jugoslovenske istoriografije, Beograd 1988.
ders., Nacionalizam i politicka kultura. Istorijsko iskustvo prvih godina jugoslovenske drzave, in:
Tokovi istorije 1993/1-2, S. 111-122.
Stanojevic, Branimir, Alojzije Stepinac: Zlocinac ili svetac. Dokumenti o izdaji i zlocinu (2.
erw. Aufl.), Beograd 1986.
Stanojevic, Gligor, Dalmatinske Krajine u XVIII vijeku, Beograd Zagreb 1987.
Steinbach, Peter, Nationalstaatsbildung und innergesellschaftliche Konflikte im Mittelmeer
raum. Vergleichende Perspektiven, in: Lüsebrink, Hans-Jürgen (Hg.), Nationalismus im Mit
telmeerraum. Eine Vortragsreihe im Wintersemester 1991, Passau 1994, S. 130-164.
Stepinsek, D., „Sokolstvo“, in: Enciklopedija Fizicke kulture, Bd. 2, Zagreb 1977, S. 277-285.
Sterbling, Anton, Modernisierung und soziologisches Denken, Hamburg 1991.
ders., Statussegregation als Strukturmerkmal osteuropäischer Gesellschaften. Samuel N. Eisen-
stadts Bedeutung für die soziologische Osteuropaforschung, in: Plake, Klaus/Schulz, Wolf
gang (Hg.), Entillusionierung als Programm: Zur Aktualität der Soziologie S. N. Eisenstadts,
Hamburg 1993.
ders., Strukturfragen und Modernisierungsprobleme südosteuropäischer Gesellschaften, Ham
burg 1993.
Stipetic, Vladimir, Poljoprivredna proizvodnja na danasnjem podrucju FNR Jugoslavije 1929—
1955, in: Ekonomski problemi. Zbornik radova, Beograd 1957.
ders., Kretanje i tendencije u razvitku poljoprivredne proizvodnje na podrucju NR Hrvatske,
Zagreb 1959.
ders., Jedno stoljece u brojcanom razvoju stanovnistva na danasnjem podrucju Jugoslavije, in:
Forum, Nr. 12/1973, S. 885-915.
Stojadinovic, Milan, Ni rat ni pakt (Jugoslavija izmedu dva rata), Buenos Aires 1963; Rijeka
1970.
Stojkov, Todor, Opozicija u vreme sestojanuarske diktature 1929-1935, Beograd 1969
ders., Unutrasnja politika vladajucih krugova u Jugoslaviji (1929-1939), in: Politicki zivot Jugo
slavije 1914-1945, Beograd 1973.
Stojsavljevic, Bogdan, Seljastvo Jugoslavije 1918-1941, Zagreb 1952.
ders., Prodiranje kapitalizma u selo 1919-1929, Zagreb 1965.
522
Quellen- und Literaturverzeichnis
523
Anhang
ders., Das Ustasa-Syndrom. Ideologie - historische Tatsachen - Folgen, in: Lauer, R./Leh-
feldt, W. (Hg.), Das jugoslawische Desaster, Wiesbaden 1995, S. 149-187.
ders., Die Transformation des Dorfes und der Landwirtschaft im Balkanraum vom 19. Jahrhun
dert bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Südosteuropa-Mitteilungen, 1996/4, S. 319-335.
ders., Bevölkerungsverschiebungen in Südosteuropa seit der Nationalstaatsbildung (19./20. Jhdt.),
in: Comparativ 6 (1996) 1, S. 25-40.
ders., Nation und Nationalstaat auf dem Balkan. Konzepte und Konsequenzen im 19. und
20. Jahrhundert, in: Elvert, J. (Hg.), Der Balkan. Eine europäische Krisenregion in Ge
schichte und Gegenwart, Stuttgart 1997, S. 77-90.
Suppan, Arnold, Die Kroaten, in: Die Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. 3: Die Völker des
Reiches, Teilbd.l, Wien 1980, S. 626-733.
ders., Jugoslawien und Österreich 1918-1938. Bilaterale Aussenpolitik im europäischen Umfeld,
Wien München 1996.
Szabo, Agneza, Sredisnje institucije Hrvatske u Zagrebu 1860-1873. Drustvena struktura nosi-
laca kulturnih institucija i clanova vodece grupe, Zagreb 1988.
dies., Pucanstvo upravnog kotara Knin u drugoj polovici 19. stoljeca, in: Kninski zbornik, Zagreb
1993, S. 36-50.
524
Quellen- und Literaturverzeichnis
ders., Solta izmedu dva Svjetska rata, in: Mihovilovic, Miro (Hg.): Otok Solta - Monografija,
Zagreb 1990, S. 34-39.
ders., Karakteristike brodarstva, brodograttevne industrije i prometa luke u Splitu meduratnog
razdoblja (1918-1941), in: Adria - Zbornik Zavoda za znanstveni i umjetnicki rad Hrvatske
Akademije Znanosti i Umjetnosti u Splitu, Bd. 4-5, Split 1993/94, S. 197-213.
ders., Karakteristike gospodarskog stanja u Dalmaciji tridesetih godina 20. stoljeca, in: Radovi
Filozofskog fakulteta u Zadru - razdio povijesnih znanosti (20) 1993/1994, Zadar 1994,
S. 183-195.
ders., Nezaposlenost u Dalmaciji uoci i poslije velike gospodarske krize tridesetih godina 20.
stoljeca, in: Radovi Filozofskog fakulteta u Zadru 34 (21) 1994/95, S. 221-228.
Suvar, Stipe, Nacionalno i nacionalisticko. Eseji i polemicki prilozi, Split 1974.
ders. et. al. (Hg.), Tipologija ruralnih sredina u Jugoslaviji. Zbornik teorijskih i metodoloskih
radova, Zagreb 1972.
ders., Sociologija sela, Bd. 1, Zagreb 1988.
ders., Od Maceka do Tudmana, in: Hrvatska ljevica. List za demokraciju i socijalnu pravdu, III.
Jg., Nr. 10/1996, S. 25-28.
525
Anhang
Ugarkovic, Stipe, Razvoj socijalnog osiguranja. Historijski razvitak socijalnog osiguranja Jugo-
slavije od prvih pocetaka do konca 1941. godine, Zagreb 1957.
Ugrina. Josip, O revolucionarnom omladinskom pokretu u Splitu od 1941. do 1945., in: Zbor-
nik: Revolucionarni omladinski pokret u Hrvatskoj 1941-1948., Zagreb 1972, S. 133-140.
Urlic Velimir, Prilog povijesti ribarstva Makarskog primorja, Makarska 1988.
ders., Povijesni prikaz ribarstva ribarstva Makarskog primorja, in: Ribarstvo Makarskog primorja,
Makarska 1988.
526
Quellen- und Literaturverzeichnis
Yelvington, Kevin A., Ethnicity as Practice? A Comment on Bentley, in: Comperative Studies
in Society and History, 33:1, 1991, S. 158-168.
527
Anhang
Zach, Christa, Agrarsozialer Wandel in Rumänien und Jugoslawien als Beispiel einer Moderni
sierung in Südosteuropa (1918-1980), in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 36 (1988),
S. 504-529.
Zajednica institucija za izucavanje novije istorije naroda i narodnosti Jugoslavije, Savez
istoricara Jugoslavije (Hg.), Stvaranje jugoslovenske drzave 1918. godine, Beograd 1989.
Zang, Gert, Die unaufhaltsame Annäherung an das Einzelne. Reflexionen über den theoretischen
und praktischen Nutzen der Regional- und Alltagsgeschichte, Konstanz 1985.
Zapf, Wolfgang (Hg.), Die Modernisierung moderner Gesellschaften, Frankfurt/M. New York
1991.
ders., Die soziologische Theorie der Modernisierung, in: Soziale Weh, 26. Jg., Göttingen 1975,
S. 212-226.
ders., Modernisierungstheorien, in: Grimm, Dieter u.a. (Hg.), Prismata, Pullach b. München 1974,
S. 302-317.
Zecevic, Momcilo, Slovenska Ljudska Stranka i Jugoslovensko ujedinjenje 1917-1921. Od
Majske deklaracije do Vidovdanskog ustava, Beograd 1973.
Zelic-Bucan, Benedikta, Neka suvremena reagiranja na atentat u Beogradskoj skupstini 20.
lipnja 1928., in: Marulic XI/1978, 3, S. 223-227.
Zernack, Klaus, Zum Problem der nationalen Identität in Ostmitteleuropa, in: Berding, H.
(Hg.), Nationales Bewußtsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollekti
ven Bewußtseins in der Neuzeit 2, Frankfurt/M. 1994, S. 176-188.
Zorn, Wolfgang, Territorium und Region in der Sozialgeschichte, in: Schieder, W. u Sellin, V.
(Hg.), Sozialgeschichte in Deutschland, Bd. 4, Göttingen 1987, S. 134-16.
Zezelj, Mirko: Hrvatska 1918-1945, in: Majstorovic, Petar (Hg.): Ilustrirana povijest Hrvata,
Zagreb 1971.
Zivkovic, Mirko, Hrvatska i njezin problem pravoslavlje, in: Zadarska smotra. Casopis za kul-
turu, znanost i umjetnost, Nr. 6/1993, S. 49-55.
Zivojinovic, Dragoljub, Vatikan, Srbija i stvaranje jugoslovenske drzave 1914-1920, Beograd
1980.
ders., America, Italy and the Birth of Yugoslavia, 1917—1919, Boulder/New York 1972.
ders., The United States and its unknown role in the Adriatic conflicts of 1918-1921, in: Istorijski
casopis XXXVII 1990, S. 169-196.
528
Register
529
Register
530
Register
Jurisic, Juraj 196 Kroatische Bauernpartei 16, 104, 126, 153, 165,
Justin, Archimandrit 123 187, 210f., 226, 237, 334ff., 346, 378f.,
388ff., 399ff., 405ff., 412f., 420f., 423, 430,
Kacic Miosic, Andrija 47 443f., 446
Kaliterna, Pasko 424 A Kroatische katholische Bewegung 114
Kamber, Petar 82 A, Kroatische Volkspartei 113
Katalinic, Bruno 242 Kroatischer Block 104, 411, 420
Katalinic, Petar 243 A Kroato-Serbische Koalition 59, 70
Katalinic, VInko 243 A Krstelj, Ivo 87f.
Katic, Blaz 244 A Krstulovic, Ivo 367
Katunaric, Martin 382 A Küstenbanschaft (Primorska banovina) 17,
Karadordevic, Aleksandar 124 A, 148f., 156, 140f.
276 A Kubat, Jandrija, Bogdan u. Petar 185 A
Karadordevic, Petar 351 Kuljevan, Ivo 231 A
Karadzic, Vuk Stefanovic 58, 72, 394 Kuvek, Marko 171 A
Karetic, Franjo 183 A Kuzmanic, Ante 244 A
Kargotic, Mihovil 244 A Kuzmanic, Karlo 379 A
Kastelan, Mladen 117 A Kuzmanic, Mate 181 A
Katalinic, Bruno 82 A Kuzmicic, Stjepan 159
Kecmanovic, Dusan 423 A Kuzmicic, Ivan 160
Kemfelja, Duka 430 A Kvaternik, Slavko 444
Kersovani, Otokar 343
Kisic, Vinko 77, 416 Lebenswelten-Konzept 27f.,
Klimenko, Nikola 365 Lenin 150
Kljakovic, Zivko 387 Leontic, Ljubo 153, 367
Knaflic, Vladimir 77 Ljotic, Dimitrije 424
Knez, Grga u. Nikola 185 A Londoner Geheimvertrag 80, 95f.
Kohl, Johann Georg 47 A Lorkovic, Ivan 254, 420
Kolonat 145ff., 161 ff. Lovric, Bozo 74 A,
Komazec, Lazo 185 A Lovric, Edo 116 A
Kommunistische Partei 34, 211, 325ff., 339ff. Lovricevic, Ivan 153 A
Korac, Vitomir 339, 414 A Lozovina, Vinko 382 A
Korolija, Mirko 360f.
Luetic, Ante 443
Korosec, Anton 333
Lukas, Filip 416 A
Korsky, Vera 116
Macek, Vladko 18, 221, 226 A, 279f., 335, 346,
Kortsek, Josip 275 A 369, 378, 398, 419, 422 A, 424f., 427ff.,
Kosanovic, Sava 423 A, 433 431 ff., 438, 443ff., 446
Kostic, Lazo 120f. Madirazza, Frano 244 A
Kostrencic, Marko 116 A, 359 A Mai-Deklaration 76
Kosutic, August 368 A, 419, 430 A, 432 Majar, Matija 57
Kotromanovic, Ivan 184 A Majstrovic, Ivan 89, 244 A, 416
Kovacic, Ivan 136 A, 244 A Makale, Manfred 74 A, 275 A
Kraus, Ljubomir 372 Maksimovic, Boza 394
Krce, Pavao 424 A Males, Branimir 360
Krizman, Hinko 423 A Malesevic, Guido 315 A
Krizanic, Juraj 348, 400 Malic, Martin 175 A
Krleza, Miroslav 69, 227, 348, 351, 399f., 449 Malin, Franjo 358 A
Krnjevic, Juraj 432, 438 Manger, Ivan 243 A
531
Register
532
Registe-,
533
Register
534
Bayerische
Staatsbibliothek
München
Südosteuropäische Arbeiten
Für das Südost-Institut München herausgegeben von
Edgar Hösch und Karl Nehring
72 Karl Nehring: Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich. 19892. Leinen 48.— DM
73 Zehra Önder: Die türkische Außenpolitik im Zweiten Weltkrieg. 1977. Leinen 63.— DM
74 Wolf D. Behschnitt: Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830—1914.1980. Leinen 98.— DM
75 Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Hrg. Mathias Bernath, Karl Nehring und Felix
v. Schroeder. Redaktion Gerda Bartl. Bd. I—IV. 1974—1981. Leinen 500.— DM
76 Historische Bücherkunde Südosteuropa. Hrg. Mathias Bernath und Karl Nehring. Redaktion Gertrud
Krallert und Gerhard Seewann.
Bd. I. Mittelalter, Teil 1 und 2. 1978, 1980. Leinen 458.— DM
Bd. II. Neuzeit, Teil 1: Osmanisches Reich, Makedonien, Albanien. 1988. Leinen 198.— DM
77 Wolfgang Kessler: Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts. 1981. Leinen 72.— DM
78 Karl Nehring: Adam Freiherrn zu Herbersteins Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel. 1983.
Leinen 62.— DM
79 Regine Quack-Eustathiades: Der deutsche Philhellenismus während des griechischen Freiheitskampfes
1821—1827. 1984. Leinen 98.— DM
80 Srecko M. Dzaja: Konfessionalität und Nationalität Bosniens und der Herzegowina. 1984.
Leinen 72.— DM
81 Emanuel Turczynski: Von der Aufklärung zum Frühliberalismus. 1985. Leinen 68.— DM
82 Hans Knoll: Jugoslawien in Strategie und Politik der Alliierten 1940—1943. 1986. Leinen 148.— DM
83 Armin Heinen: Die Legion „Erzengel Michael“ in Rumänien. 1986. Leinen 128.— DM
84 Michael Schmidt-Neke: Entstehung und Ausbau der Königsdiktatur in Albanien (1912—1939). 1987.
Leinen 98.— DM
85 Rolf Fischer: Entwicklungsstufen des Antisemitismus in Ungarn 1867—1939. 1988. Leinen 68.— DM
86 Magarditsch A. Hatschikjan: Tradition und Neuorientierung in der bulgarischen Außenpolitik 1944—
1948. 1988. Leinen 112.— DM
87 Holm Sundhaussen: Historische Statistik Serbiens 1834—1914. 1989. Leinen 172.— DM
88 Lothar Maier: Rumänien auf dem Weg zur Unabhängigkeitserklärung 1866—1877. 1989.
Leinen 120.— DM
89 Günter Schödl: Kroatische Nationalpolitik und „Jugoslavenstvo“. 1990. Leinen 98.— DM
90 Gunnar Hering: Die politischen Parteien in Griechenland 1821—1936. 1992. 2 Bde. Leinen 296.— DM
91 Geza Andreas von Geyr: Sändor Wekerle 1848—1921. 1993. Leinen 148.— DM
92 Marie-Janine Calic: Sozialgeschichte Serbiens 1815—1941. 1994. Leinen 148.— DM
93 Srecko M. Dzaja: Bosnien-Herzegowina in der österreichisch-ungarischen Epoche (1878—1918). 1994.
Leinen 76.— DM
94 Technologietransfer und Wissenschaftsaustausch zwischen Ungarn und Deutschland. Hrg. Holger
Fischer und Ferenc Szabadväry. 1995. Leinen 98.— DM
95 Austro-Turcica 1541—1552. Diplomatische Akten des habsburgischen Gesandtschaftsverkehrs mit der
Hohen Pforte im Zeitalter Süleymans des Prächtigen. Hrg. Karl Nehring. 1995. Leinen 148.— DM
96 Martin Mayer: Elementarbildung in Jugoslawien (1918—1941). 1995. Leinen 68.— DM
97 Katrin Boeckh: Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. 1996 Leinen 120.— DM
98 Hildrun Glass: Zerbrochene Nachbarschaft. Das deutsch-jüdische Verhältnis in Rumänien (1918-1938).
1996 Leinen 148.— DM
99 Anikö Koväcs-Bertrand: Der ungarische Revisionismus nach dem Ersten Weltkrieg. Der publizistische
Kampf gegen den Friedensvertrag von Trianon (1918-1931). 1997. Leinen 98.- DM
100 Gottfried Schramm: Ein Damm bricht. Die römische Donaugrenze und die Invasionen des
5.-7. Jahrhunderts im Lichte von Namen und Wörtern. 1997. Leinen 110.- DM
101 Hans-Christian Maner: Parlamentarismus in Rumänien (1930-1940). 1997. Leinen 148.- DM
102 Susanne-Sophia Spiliotis: : Transterritorialität und Nationale Abgrenzung. Konstitutionsprozesse der
griechischen Gesellschaft und Ansätze ihrer faschistoiden Transformation, 1922/24-1941. 1998.
Leinen 98.- DM
103 Deutsch-ungarische Beziehungen in Naturwissenschaft und Technik nach dem Zweiten Weltkrieg.
Hrg. Holger Fischer. 1999. Leinen 120.- DM
104 Aleksandar Jakir: Dalmatien zwischen den Weltkriegen. Agrarische und urbane Lebenswelt und das
Scheitern der jugoslawischen Integration. 1999. Leinen 120.- DM
R. Oldenbourg Verlag/München
Südosteuropa-Bibliographie
Herausgegeben vom Südost-Institut
Redaktion Gerhard Seewann
Band I: 1945-1950. I. Teil: Slowakei, Rumänien, Bulgarien.
München I9602. brosch. 12.- DM
II. Teil: Jugoslawien, Ungarn, Albanien, Südosteuropa und größere
Teilräume. München 1959. brosch. 28.- DM
Band II: 1951-1955. I. Teil: Südosteuropa, Jugoslawien, Ungarn.
München 1960. brosch. 28.- DM
II. Teil: Albanien, Bulgarien, Rumänien, Slowakei.
München 1962. brosch. 28.- DM
Bandlll: 1956-1960. I. Teil: Slowakei, Ungarn, Rumänien.
München 1964. brosch. 39.- DM
II. Teil: Albanien, Bulgarien, Jugoslawien, Südosteuropa allgemein.
München 1968. brosch. 69.- DM
Band IV: 1961-1965. I. Teil: Südosteuropa und größere Teilräume, Ungarn, Rumänien,
Slowakei. München 1971. Leinen 82.- DM
II. Teil: Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.
München 1973. Leinen 109.- DM
Band V: 1966-1970. I. Teil: Südosteuropa und größere Teilräume, Ungarn, Rumänien,
Slowakei. München 1982. Leinen 190.- DM
II. Teil: Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.
München 1976. Leinen 148.- DM
Band VI: 1971-1980. I. Teil: Rumänien. Bearbeitet von Manfred Stoy und Gerhard See
wann. München 1992. Leinen 178.- DM
R. Oldenbourg Verlag/München