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Palast Hotels
Architektur und Anspruch eines Bautyps
1870-1920
IMI
Gebr. Mann Verlag •Berlin
Schmitt, Michael:
Palast-Hotels: Architektur u. Anspruch e.
Bautyps 1870-1920/Michael Schmitt. -
Berlin: Mann, 1982.
ISBN 3-7861-1363-7
VORWORT 7
EINFÜHRUNG 9
FORSCHUNGSSTAND 15
DEFINITION 23
Weltstädte 44
Berlin 44
Wien 50
Paris 53
Kurorte 57
Schweiz 58
Frankreich 76
Seebäder 76
Kurorte im Landesinnern 102
Deutschland 110
Österreich und Tschechoslowakei 119
Lage 133
Außenbau 134
Größe des Baukörpers 134
Form des Baukörpers 136
Stil und Vorbild 146
Innenbau 155
H O T E L Ä H N L IC H E BAUTEN 169
DANK 181
ANHANG 183
Literaturverzeichnis 183
Zeitschriften (Auswahl) 186
Architekten- und Objektverzeichnis 187
Standortregister 190
Bildnachweis 195
Definition
Abb. l .VIAN 1.ES BA1NS, Hotel Royal, 1907/09. Zustand der Dachzone vor 1958
baues verschwommen ist. Würde intendieren dennoch den Effekt
man den Bautypus »Palasthotel« des Palastartigen.
nur an der Rezeption formaler Neben den architektonischen
historischer Stilelemente definie Eindrücken wird der Charakter
ren, müßte man eine Reihe von dieses Bautypus auch von stim
Bauten ausschließen, die durch mungsmäßigen Assoziationen
aus dem genannten Typus zuzu getragen. Das Element des
rechnen sind. Das Dach des Scheins und des Künstlichen ist
Abb. 4 »Hotel Royal« in Evian ist bei dem Palasthotel wesentlich zuge
spielsweise ohne historisches hörig; exklusive Abgeschlossen
Vorbild; die Dimensionen, der For heit ist ihm ebenso zu eigen wie
menreichtum und die Gliederung eine feudale Prestigeaura.
31
Abb. / ST. MORITZ. Hotel La Margna. 1907, rechter Gebäudetrakt nachträglich aufgestockt.
Abb. 8 ST. MORITZ, Palace Hotel (1.) und Grand Hotel (r.) Aufnahme um 1910.
»Hotel La Margna«48 in St. Moritz, gleichzeitig Gebauten. Der Zu
indem er ein teilweise sechsge sammenhang zwischen Hotelbau
schossiges Gebäude in die Form als architektonischem Ausdrucks
eines Engadiner Steinhauses zu mittel und dem Selbstdarstel
zwängen versuchte mit einer lungsbedürfnis der Klientel wird
kaum gegliederten, schmucklosen kaum angesprochen; selten so
Fassade, auf der zwei kleine asym deutlich, wie in einem Artikel über
metrisch angeordnete Erker das projektierte »Mira Monte
kurios wirken. Die kritisierte Hotel« in Marienbad, ein mit neo
»Kastenform« ist dem Bau geblie barockem Dekor reich versehener
ben. Bau. »Wer sich eventuell daran
Auch S. Guyer, den Monumen stößt, daß das Bild des Baues
talität auch in freier Landschaft nicht in die Landschaft hineinge
nicht störte, verkannte die Situa baut und ihr nicht ergänzend
tion mit Vorstellungen von ruhi angepaßt ist, verkennt den Zweck
ger und klarer Einfachheit, wie sie eines Kur-Hotels vollkommen und
alten Klöstern zu eigen ist. Dem mag schauen, wie er mit seiner
Repräsentationsbedürfnis einer theoretisch vielleicht richtigen,
an Luxus gewohnten Klientel hät aber praktisch vollkommen ver
ten bäuerlich oder klösterlich fehlten Ansicht, in gegebenen Fäl
anmutende Hotels wohl kaum len zurecht kommt«. Der Bau
das gewünschte Ambiente gebo sollte in die Ferne wirken und
ten. Das gesellschaftlich tonange imponieren, denn »die leblosen
bende Publikum bestimmte, wie Formen überzeugen, die lebenden
ein Hotel auszusehen hatte und Psychen täuschen und zwar sich
welcher Ort ä la mode war. Um selbst und andere«49.
diese Zeit berühmt gewordene
Orte, etwa Montreux und
St. Moritz-Dorf, wiesen denn auch
eine Konzentration großer prunk 48 Das Hotel »La Margna« in St. Moritz, in:
voller Hotels auf. Schweiz. Bauztg. 53,1909, S. 277-283.
49 B. Haas, Hotel-Restaurant Mira Monte in
Die im ersten Jahrzehnt des
Marienbad, in: Der Profanbau 1905,
20. Jahrhunderts zunehmende Nr. 7, S. 119-122, hier S. 122. Erb. v.
Kritik steht im Gegensatz zu dem Eduard Prandl.
Wie schon angedeutet, war sitzer-Verein diese Privilegierung
neben der spezifischen Architek zurück52. Ein Anzeichen der sich
tur die Präsenz der Hocharisto anbahnenden gesellschaftlichen
kratie ein wesentlicher Empfin Veränderungen.
dungsträger, der Palast assoziier Auch die Namengebung weist
te. Darüber hinaus war der zunehmend assoziativen Charak
Besuch führender Kreise der Ari ter auf und erfährt bis 1914,
stokratie ein wichtiger Indikator ebenso wie die Architektur, eine
für die Entwicklung des betreffen Steigerung, die sich in Zusam
den Hotels; besonders betont in mensetzung mehrerer klangvoller
der Werbung. Hotels empfehlen Bezeichnungen niederschlägt,
sich als »residence imperiale«, z. B. »Royal Hotel and Winter
»Absteigequartier Allerhöchster Palace« (Gstaad), oder »Grand
Herrschaften«, »patronised by Hotel Excelsior Regina« (Nizza).
Royalty«, »maison aristocratique« Während in Deutschland
oder »von der Aristokratie bevor Namensbildungen mit -hof
zugt«50. (Königshof, Fürstenhof etc.), die
Nach der Jahrhundertwende auf eine im Barock gebräuchliche
ist das intendierte Publikum der Bezeichnung für ein Adelspalais
»maison de tout 1er ordre« nicht verweisen, weitgehend beibehal-
mehr allein die Aristokratie. In
Charakterisierungen wie »Ren
dezvous du High-life francais et 50 Die Beispiele, Reisehandbüchern und
Unterkunftsverzeichnissen entnommen,
etranger«51 wird eine reiche, inter
ließen sich um viele erweitern. Selbst
nationale Gesellschaft angespro K. Baedeker, der in seinen Reisehand
chen. Als bevorzugte Zielgruppe büchern keine Reklame betreibt, hebt die
sah sich bis zum Ersten Weltkrieg führenden Hotels zur besseren Charakte
risierung mit Bezeichnungen wie »tres
die Aristokratie selbst. 1913 for distinguee«, »somptueuse maison«,
derte die Deutsche Adelsgesell »etablissement magnifique« hervor.
schaft für ihre Mitglieder Rabatte 51 Hotel de Paris, Monte Carlo, in: Guides
Joanne, Nice, Beaulieu, Monaco, Paris
bei Hotelaufenthalten - empört 1905-1906, S. 90.
wies der Internationale Hotelbe 52 Z. IHV 1913, Nr. 21. S. 11 u. Nr. 26, S. 19.
ten wurden, häufig dem Zeitge »Excelsior«, »Splendide« etc.
schmack entsprechend unter Schließlich erfuhr der Name
Zufügung von »Grand« oder »Palace« wie vorher schon das
»Park«, bezeichnen sich große »Grand« eine gewisse Entwer
Hotels in Frankreich und der tung, indem Häuser, die weder in
Schweiz53 seit dem Ende des der Architektur noch in den übri
19. Jahrhunderts in zunehmen gen Einrichtungen diesem
dem Maße als Paläste. Gab es in Anspruch genügten, sich diesen
den Rivieraorten Cannes, Nizza, Namen zulegten. So unzutreffend
Monte Carlo und Menton 1897 die Bezeichnung für diese Bauten
erst zwei »Palace«-Hotels, waren war, so kurios konnte die Namens
es zehn Jahre später über ein kombination werden. So nannte
Dutzend, wobei bombastische sich in Monte Carlo ein Hotel
Bezeichnungen vorkamen, bis hin »Sun Palace & Rheinischer
zu einem »Riviera Majestic Palace Hof«56.
Hotel«, das Peter Behrens für San
Remo entworfen hatte. Werbepro
spekte für dieses Unternehmen 53 Natürlich auch im übrigen Ausland,
wobei in südlichen Ländern wie Italien
waren von der Aktiengesellschaft
und Spanien Namenskombinationen
bereits verschickt worden, als der gebräuchlicher sind.
Bau durch den Ausbruch des 54 Franz Seruaes, Das Kurhotel der Zukunft.
Ersten Weltkrieges verhindert Ein Bauplan von Peter Behrens, in:
Bildende Künste, Wiener Monatshefte
wurde54. vereinigt 1,1916/1918, S. 41-57, hier
Fürstliche Residenzen signali S. 43.
sieren auch Benennungen wie 55 Carlton House war die Bezeichnung der
ehemaligen Londoner Residenz des
»Royal«, »Imperial«, »Balmoral«,
Prince of Wales.
»Regina«, »Carlton«55, oft in 56 Baedeker, Sud-Est de la France, 1910,
Zusammensetzung mit »Grand«, S. 473.
Wahl des Standortes
erstellt, der zusammen mit dem Fleury und Pellechet95. 1862 folgte
Alttrakt den heutigen nicht mehr das »Grand Hotel« am boulevard Abb. 25
Abb. 26 PARIS, Grand Hotel du Louvre, 1855, Fassade zur pl. du Theätre-Franipais.
Abb. 34 M ALOJA. Maloja Palace Hotel, 1882/84, Zustand 1911, Kuppel später abgetragen,
Fassaden 1981 in Renovation.
i
nenswerte Hotelbauten entstan einem Charakteristikum des
den nicht mehr115. palastartigen Hotelbaus.
Das Baukonzept des »National« Motive des Burgenbaues da
in Luzern wird u. a. wieder auf gegen zeigt das von Chiodera und
genommen von Louis Maillard für Tschudy geplante »Palace Hotel« Abi
das »Grand Hotel« in Caux (1892/97)117 in St. Moritz, mit Zin- Ak
(1890/93)116, jedoch ohne die auf nenbekrönung, Echauguetten und
wendige Fassadengestaltung. Im einem fast 70 Meter hohen Turm.
Vergleich zum »National« sind die Einzelne stilistische Architektur
Seitenrisalite zu Pavillons verselb elemente und ein massiver, trutzig
ständigt, die Dachaufbauten stei wirkender Unterbau lassen auch
ler und höher, über den Seiten das »Schloß Hotel Enderlin« in Ab
risaliten als Mansardkuppeln, Pontresina (1911)118 von Karl Kol
über dem Mittelrisalit als kurvierte ler und m. E. das »Kurhaus
Kuppel. Die aufwendige pla Castell« (1913)119 in Zouz dieser
stische Dachgestaltung im Stil Gruppe zuordnen.
französischer Schlösser des Hotelgroßbauten, die Struk
17./18. Jahrhunderts wird in den turelemente des Burgenbaus
folgenden zwei Jahrzehnten zu übernehmen, sind relativ selten. In
der Adaption von Attributen des
Burgenbaus wird das »Palace«
St. Moritz von dem »Palace« in
Caux übertroffen, das zudem im
Gesamteindruck wesentlich groß-
115 Das »Maloja Palace« konnte als Luxus
hotel bis 1953 bestehen. Heute wird es
als Erholungsheim genutzt.
116 Gilles Barbey, Jaques Gubler, La »Cite
de Villas« Dubochet ä Clärens, in:
Unsere Kunstdenkmäler, 1978. S. 396.
117 Architektonische Rundschau 1897. H. 4,
Tafel 32 m. Text; Z. IHV Nr. 16.1926,
S. 381.
118 Frdl. Mitteilung von Frau R.-AGredig.
Abb. 36 CAUX, Grand Hotel (später Regina) Hotel Kronenhof Bellavista, Pontresina.
1893. 119 Z. IHV Nr. 33.1913. S.ll.
Abb. 140 MONTE CARLO, Hotel Hermitage, 1906, Wintergarten, Zustand 1980.
Abb. 148 CANNES, Hotel Gallia, 1899, vor dem Umbau.
Abb. 149 CANNES, Hotel Gallia, nach dem Umbau, Zustand 1982. Nutzung als Wohnhaus.