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Von Axel Vogelreuter | "An apple a day keeps the doctor away" – dieses englische
Sprichwort aus dem 19. Jahrhundert hat auch heutzutage kaum an hintergründigem
Wahrheitsgehalt eingebüßt. Der reichliche Verzehr von Obst und Gemüse wird zu Recht
als erstrebenswerte, gesundheitsförderliche Ernährungsweise empfohlen. Ein
gegenteiliges Bild zeigt sich jedoch für Fructose, das wichtigste Kohlenhydrat der
meisten Obstsorten. Obwohl viele Menschen sie für "natürlich" und "gesund" halten,
kann ein übermäßiger Konsum schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen haben
(Abb. 1). Er ist ein Risikofaktor für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms,
einer Gicht sowie der Nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD).
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Der Fructosekonsum hat dramatisch zugenommen
Von Natur aus ist das Monosaccharid Fructose (Fruchtzucker) vor allem in Obst, seinen
namengebenden Lebensmitteln, sowie in Honig enthalten, von dem es mengenmäßig
etwa ein Drittel ausmacht. Vor allem findet sich Fructose aber in verarbeiteten
Erzeugnissen, denen es zum Süßen zugesetzt wird. Dies geschieht auf dem "klassischen"
Weg indirekt durch die Verwendung von Saccharose (Haushaltszucker), einem
Disaccharid aus Fructose und Glucose.
Die zweite, heute weiter verbreitete Art der Süßung mit Fructose nahm ihre Anfänge in
den 1970er Jahren. Damals begann man in den USA, durch enzymatische Umwandlung
aus Maisstärke "high fructose corn syrup" (HFCS) herzustellen. Hierbei handelt es sich
um ein sirupöses Fructose-Glucose-Gemisch mit Fructoseanteilen von 42 bis 90% in der
Trockensubstanz. Je nach dem Verhältnis der beiden Zucker zueinander ist ein HFCS-
Zusatz im Zutatenverzeichnis eines Lebensmittels als Glucose-Fructose-Sirup oder als
Fructose-Glucose-Sirup deklariert.
Diese vier Faktoren sowie die zunehmende Beliebtheit von "light"-Produkten haben
Fructose in den zurückliegenden 40 Jahren zu einem wahren Siegeszug verholfen. In den
USA hat sich der Jahres-Pro-Kopf-Verbrauch an HFCS von 230 g im Jahr 1970 auf 28,4 kg
(ca. 80 g/d) im Jahr 1997 um mehr als das 120-Fache erhöht. Besonders beliebt ist der
Zusatz von Fructose zu Erfrischungsgetränken. US-amerikanische Erwachsene nehmen
durchschnittlich gut 12% ihres täglichen Kalorienbedarfs in Form von Fructose auf, bei
jedem fünften Jugendlichen sind es sogar mehr als 25%. Auch wenn keine validen
Vergleichsdaten für Deutschland existieren, kann eine tendenziell vergleichbare
Entwicklung des Fructosekonsums hierzulande angenommen werden.
Epidemiologische Studien in den USA zeigten eine positive Korrelation zwischen dem
Fructosekonsum und der Adipositas-Prävalenz (Abb. 2), sodass der zunehmende
Fructoseverzehr nicht nur aus individualmedizinischer, sondern vor allem auch aus
epidemiologischer Sicht als sehr bedenklich zu beurteilen ist.
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Abb. 2: Mit dem Anstieg des Fructoseverbrauchs in den USA (rechte Ordinate,
Gramm pro Tag) stieg auch die Adipositas-Prävalenz (linke Ordinate), sodass man
eine positive Korrelation konstatieren kann.
HFCS = high fructose corn syrup, Maissirup mit 42 bis 90% Fructosegehalt. - Freie
Fructose: alle Quellen einschließlich HFCS. - Fructose insgesamt: Freie und in Saccharose
gebundene Fructose. - Mit steigendem Fructoseverbrauch ist der Verbrauch von
Saccharose (Rohrzucker) in den USA stark gesunken.
Es gilt mittlerweile als gesichert, dass der vermeintlich gesunde Fruchtzucker eine der
Hauptrollen bei der Entstehung des metabolischen Syndroms spielt. Während bereits
eine sechstägige fructosereiche Diät bei gesunden Probanden zu Dyslipidämien und
Anzeichen einer Insulinresistenz führt, zeigt eine glucoselastige Ernährung kaum solche
negativen Konsequenzen.
Beim Verzehr von Fructose bleiben sowohl die postprandiale Heraufregelung des
Insulin- und Leptinspiegels als auch die Ghrelin-Drosselung aus. Die Folge sind ein
ausbleibendes Sättigungsgefühl und bei unbeherrschten Personen ein unkontrollierter
Konsum fructosehaltiger Lebensmittel.
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Aus Sicht des BfR …
Aus einer offiziellen Stellungnahme des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) vom 6.
März 2009 (Stellungnahme Nr. 041/2009)
Metabolisches Syndrom
Nach der Aufnahme aus dem Dünndarm mittels des Transporters GLUT-5 wird Fructose
über die Pfortader in die Leber transportiert. Dort wird sie in den Leberzellen durch
Fructokinase unter ATP-Verbrauch zu Fructose-1-phosphat umgewandelt (Abb. 3). Da –
im Gegensatz zum Glucosestoffwechsel – kein Regulationsmechanismus für die
Fructoseaufnahme existiert, führt der Fructosemetabolismus zu einem unkontrollierten
Phosphatverbrauch. Der Abbau von ATP über ADP zu AMP führt zur
Phosphatverarmung und letztlich zur Aktivierung des Enzyms AMP-Desaminase. Dieses
Enzym leitet über eine Umsetzung von AMP zu IMP den Abbau von Purinen ein, der zu
einem Anstieg der Harnsäurekonzentration führt. Eine solche Hyperurikämie kann sich
in der Konsequenz als Gicht bemerkbar machen. Fructose ist der einzige Zucker, dessen
Metabolismus einen Anstieg des Harnsäurespiegels zur Folge hat.
Abb. 3: Durch den Abbau von Fructose steigt der Harnsäurespiegel im Blut,
während die Konzentration von Stickstoffmonoxid abnimmt. Die Folgen sind
Insulinresistenz (metabolisches Syndrom, Diabetes Typ 2) und arterielle Hypertonie.
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Neben der Bedeutung als Ursache der Gicht kommt der Hyperurikämie auch eine
erhebliche Bedeutung als Risikofaktor des metabolischen Syndroms zu. Harnsäure wird
über einen spezifischen Transportmechanismus in die Gefäßendothelzellen
aufgenommen. Dort bewirkt sie über einen Abfall der Stickstoffmonoxid (NO)-
Produktion eine endotheliale Dysfunktion, d. h. sie vermindert die Fähigkeit der
Endothelmuskelzellen zur Gefäßerweiterung.
Die reduzierte NO-Freisetzung ist wiederum ein wichtiger Schlüsselfaktor bei der
Entstehung einer Insulinresistenz, da die Wirkung von Insulin an der Muskelzelle NO-
abhängig ist. Nur in einem (infolge NO-Stimulation) gut durchbluteten Muskelgewebe
vermag das Insulin seine Wirkung vollständig zu entfalten. Ein längerfristiger Abfall der
NO-Konzentration führt also zu einer verminderten Durchblutung der
Skelettmuskulatur und damit zu einer reduzierten Insulinwirksamkeit. Der Körper
antwortet hierauf mit einer Steigerung der Insulinproduktion. Es entwickelt sich eine
Hyperinsulinämie, ein wichtiges Symptom des metabolischen Syndroms.
Neben der Hyperinsulinämie ist der Harnsäure-bedingte NO-Abfall auch ein Trigger für
einen Blutdruckanstieg, das zweite Symptom des metabolischen Syndroms.
Epidemiologische Studien zeigen, dass annähernd alle Hypertoniker erhöhte Serum-
Harnsäure-Werte aufweisen. Eine medikamentöse Reduktion der Harnsäure mit
Allopurinol führt bei diesen Patienten zu einer signifikanten Blutdrucksenkung.
Die beiden weiteren typischen Symptome des metabolischen Syndroms, Adipositas und
Dyslipidämie entwickeln sich bekanntermaßen auf Basis der Hyperinsulinämie über
eine Stimulation der Triglyceridsynthese.
Da Fructose – im Gegensatz zu Glucose – nicht gespeichert werden kann, wird sie bei
vermehrter Zufuhr größtenteils in Fett umgewandelt (De-novo-Lipogenese, Abb. 4):
Nach der Phosphorylierung zu Fructose-1-phosphat wird dieses in Glycerinaldehyd und
Dihydroxyacetonphosphat gespalten. Nur ein geringer Anteil des Letzteren wird zu
Pyruvat, Lactat oder Glucose verstoffwechselt. Der weit überwiegende Anteil wird in
Glycerol-3-phosphat umgewandelt, welches in der De-novo-Lipogenese mit Fettsäuren
zu Triglyceriden verestert wird.
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Abb. 4: Fructose wird bevorzugt zu Glycerol-3-phosphat abgebaut (orange
hervorgehobener Pfad), welches mit Fettsäuren zu Triglyceriden verestert wird (De-novo-
Lipogenese). Anders als Glucose, die in Form von Glykogen gespeichert werden kann,
wird Fructose immer gleich verstoffwechselt.
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Während Glucose nur zu einem geringen Teil über diesen Weg verstoffwechselt wird,
kann die gleiche Menge Fructose die De-novo-Lipogenese um das 15-Fache erhöhen. Ein
vermehrter Fructosekonsum kann daher über diesen Metabolismus zur Hyperlipidämie
führen. Im Tierversuch zeigte sich, dass Ratten bereits nach einer fünfwöchigen
fructosereichen Diät eine Leberverfettung aufwiesen.
Fazit
Der vermeintlich gesunde Fruchtzucker zeigt bei übermäßigem Konsum sein wahres,
gesundheitsabträgliches Gesicht. Ein Überkonsum kommt jedoch nicht durch den
Verzehr von frischem Obst zustande, sondern ist in der Regel durch den häufigen Genuss
von Fructose- und Saccharose-gesüßten Lebensmitteln bedingt. Aufgrund der
spezifischen Verstoffwechselung von Fructose kann ein derartiges Ernährungsverhalten
zu Gicht, Typ-2-Diabetes, Hyperlipidämie, Adipositas, Bluthochdruck und
Nichtalkoholbedingter Fettlebererkrankung führen.
Trotz des niedrigen glykämischen Index von Fructose entsprechen Diabetiker-, Diät-
oder "light"-Lebensmittel, die mit diesem Zuckeraustauschstoff gesüßt sind, nicht
annähernd der Verbrauchererwartung an ein metabolisch und kalorisch neutrales
Produkt. Daher wäre es im Sinne der Volksgesundheit wünschenswert, weniger
Fructose in der Lebensmittelherstellung zu verwenden und die Deklaration von
Erzeugnissen mit Fructosezusatz als Diät-Lebensmittel zu untersagen. Diabetikern sollte
vom Verzehr solcher Nahrungsmittel abgeraten werden.
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