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Prof. Torsten Klemm: Modellprojekt – Ergebnisse & Erfahrungen ISONA e.V.

Torsten Klemm

Modellprojekt Sozialtherapeutische Nachsorge


JVA Waldheim – HTWK Leipzig
2008 – 2011
Ansatz – Ergebnisse - Erfahrungen

Geht ein Mädchen am Gefängnis vorbei.


Ruft ein Gefangener aus seinem Zellenfenster: „Hallo, haben Sie heute in zwei Jahren schon etwas vor?”

28. Eickelborner Fachtagung: „Das Böse behandeln“


7. 3. 2013
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Übersicht

o Vorgeschichte

o Modellprojekt JVA Waldheim – HTWK Leipzig: Rahmenbedingungen

o Kommunikative Grenzsituationen: Facetten, Fragen, Strategien

o Modellprojekt: Biographische Hintergründe

o Modellprojekt: Verlaufsanalyse der Persönlichkeitsentwicklung der Täter

o Modellprojekt: Differentielle Effekte der Nachsorge

o Fazit
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Vorgeschichte 2000 – 2008

− Träger: Kinderschutz-Zentrum Leipzig

− integrierte Täter- und Opfertherapie bei innerfamiliärer Gewalt, Kindesmißhandlung,


sexuellem Mißbrauch und Vernachlässigung

− Angebote: Diagnostik, Einzeltherapie, Gruppentherapie, Familienberatung,


Fallkonferenzen, Kunsttherapie, Begleitung im Gericht, geschützter Umgang

• 14tägig: ambulantes Selbstkontrolltraining SKT (Grundstufe)


• 1x monatlich: intramurale Einzelgespräche in JVAen

− Zielgruppe: Beschuldigte, Verurteilte und Inhaftierte, keine Altersbeschränkung

− Konzept: orientiert an der familientherapeutischen Strategie des New Yorker Modells


(Cloé Madanes) – Einbeziehung der erweiterten Familie
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Modellprojekt JVA Waldheim – HTWK Leipzig, 2008 bis 2011

− Angebote:
• intramural in der JVA: 1x monatlich 4 Einzelgespräche und 1x Selbstkontrolltraining
SKT-Grundstufe mit einer Kapazität von maximal 8 Plätzen
• ambulant: 2x monatlich SKT-Aufbaustufe (neu!  Workshop am Nachmittag) an
der HTWK Leipzig, unter Mitarbeit und Reflexion von Studierenden (reflecting
team in Großgruppen, Einwegscheibe)
• darüber hinaus: Einzel- und Angehörigengespräche am Kinderschutzzentrum

− Überweisungsformen:
• Fachdienste der JVA
• Bewährungshilfe und Führungsaufsicht
• Jugendgerichtshilfe
• Anwälte
• Empfehlungen („Mundpropaganda“)
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Modellprojekt JVA Waldheim – HTWK Leipzig 2

− Tätergruppen:
• 56 Sexualtäter (bzw. Sexual- und Gewalttäter)
• 12 Gewalttäter
• 1 Heranwachsender Nicht-Gewalttäter („Sozialhilfebetrug“), von JGH überwiesen

− Kontrollgruppen:
• 384 „unauffällige“ Eltern, Studierende, davon 217 weiblich
• 99 unbehandelte Inhaftierte in den JVAen Leipzig, Torgau und Zwickau (im
Rahmen von Diplomarbeiten an der Uni Leipzig)

− Setting:
• Mit 30 Teilnehmern hauptsächlich Einzel- und Angehörigengespräche statt.
• 38 Teilnehmer haben an den Gruppen teilgenommen.
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Modellprojekt JVA Waldheim – HTWK Leipzig 3

− Verlauf:
• 25 Teilnehmer haben das Programm regulär beendet, d.h. sie haben die
Aufbaustufe durchlaufen und an der Katamnese teilgenommen (Stand: 08/2011).
• Bei 2 Klienten wurde die Teilnahme unterbrochen, z.B. wegen Rückverlegung in

den geschlossenen Vollzug nach Ablehnung der bedingten Entlassung (im Falle
einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe).
• 5 Klienten haben die Teilnahme abgebrochen.

• 2 Teilnehmer wurden erneut in U-Haft genommen (davon einer kurze Zeit nach
Haftentlassung, er hatte erst an einer SKT-Sitzung teilgenommen).
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Kommunikative Grenzsituationen
Grenzsituationen in der sozialtherapeutischen
Nachsorge: Facetten und Fragen

Täterseite Therapeutenseite, Institution

− unmittelbarer Kontakt: verbale Verletzung − Rahmenbedingungen: räuml.


und Bedrohung – Druckweitergabe oder Einschränkungen, „Schlüsselgewalt“ –
Aggressionsstörung? Wirken Hierarchien und Strukturen
− „Tataufarbeitung“: Introjektion der Tater- aggressionsfördernd (Reaktanz)?
zählung – Was macht die Erzählung von − Provokation als kriminaltherapeutischer
der Tat mit dem Zuhörer? Stil: die Dosis macht’s’?
− Kindheit und frühe Traumata: dito − Prognosen: überfordern systematisch, da
− „Subkultur“: informelle Netzwerke, sie die Zukunft betreffen – Wie wirkt sich
Knastsprache – „Verarschung“, Intrige die Irrtumswahrscheinlichkeit auf den
oder „teilnehmende Beobachtung“? Schlaf des Prognostikers aus?
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Kommunikative Grenzsituationen: Strategien für die Nachsorge

• Gerade dort, wo Grenzen eng gezogen werden, werden häufig Grenzen


überschritten – von beiden Seiten!
• Professionelle Achtsamkeit für das angemessene Setting kann Grenzüberschreitung
und Eskalation vermeiden.
• Gerade dort, wo Abwertung („Verurteilung“) angesagt ist, ist Wertschätzung von
nöten („Wie es in den Wald hineinruft, so ...“)
• Wertschätzung bleibt substanziell unterhalb ihres Wirkpotentials, wenn sie nicht
mit der Erarbeitung echter Alternativen für das Leben in Freiheit einhergeht.
• Die Ausrichtung auf die Freiheitsperspektive weitet den Fokus vom Eingesperrtsein
(und allen zwangsläufig damit verbundenen Mißständen) auf die realistische
Chance dem Zwangskontext zu entkommen = Arbeitsbündnis mit dem
Gefangenen  verringert Grenzüberschreitungen
• last but not least: Eigenpacing (Nähe-Abstand, Pausen, Ausgleich)
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Biographische Hintergründe für „Grenzüberschreitung“ (N=69)
Durchschnittsalter 36 ; 9 in Beziehung (Haftbeginn) 58
Jüngster 17 ; 4 Geschwisterzahl 2.7
Ältester 62 ; 4 broken home 42
gestörtes Familienklima 50

Schulklassen 9.1 ohne Ausbildung 11


Förderschule 17 BVJ / Lehre angefangen 11
Hauptschule 24 Lehre abgeschlossen 41
Mittel- / Realschule 23 Studium begonnen 1
Gymnasium 5 Studium abgeschlossen 5

nichtkriminelle Freunde 2.8 täglich Alkoholkonsum 23


Hobbys 3 täglich harte Drogen 1
Geldverbrauch (Euro/Monat) 720 Psychiatrieaufenthalte 26
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Testverfahren: Konfliktverhalten situativ
situativ (KV-
(KV-S)
− erfaßt 17 Persönlichkeitsauffälligkeiten, davon:
• 8 Persönlichkeitsakzentuierungen nach ICD-10: F60.0 – F60.7
• Schuld- und Schamgefühle, Musterübertragung, Aufmerksamkeitsprobleme,
Depressivität, Somatisierung
− 3 Ressourcen: Problemlösebereitschaft, Empathie, Selbstkontrolle
− erfaßt 6 Konfliktsituationen:
• Im Stich gelassen werden
• Partnerschaftsprobleme
• Konflikte mit fremden Personen
• Konflikte mit den Eltern
• Konflikte im Beruf / in der Ausbildung
• Umgang mit Kindern / Frustration durch Fehleinschätzung
− veränderungssensitiv
− ipsative Meßwerte zur Reduktion von Antworttendenzen
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Ausgangslage: Sexualtäter (N=60) vs. Gewalttäter (N=100)

Konfliktverhalten von Sex- vs. Gewalttätern

6
es*
4
2 ss
0
-2
-4 zs** pw ua**
-6 el**
sa*** ah***
gz*** bu*** la*** gs*** em*** pp*** sk***
-8 vp*** id***
-10

Ressourcen-Defizite-Quotient *** Berufsausbildung *


Antwortniveau -*** Intensität der Hobbys -***
(Scheffé-Signifikanz) Dauer der Partnerschaft ***
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Ausgangslage: Sexualtäter (N=60) vs. Gewalttäter (N=100)

− Gewalttäter neigten zur narzistischen Selbstdramatisierung, dadurch war ihr


Antwortniveau insgesamt signifikant erhöht.
− Die Übersicht widerspricht dem Vorurteil, daß Sexualtäter „psychopathologischer“
seien als Gewalttäter. Das Umgekehrte war hier der Fall.
− Sexualtäter zeigten sich empathischer – was den prognostischen Wert dieser Variable
einschränkt! Entscheidend statt dessen: Selbstkontrolle !
− Die befragten Sexualtäter unterhielten signifikant häufiger länger währende
Partnerschaften als die Gewalttäter.
− Sexualtäter hatten signifikant weniger Freizeitaktivitäten und widmeten diesen weniger
Zeit als die Gewalttäter als auch die legale Kontrollgruppe. Daraus läßt sich der Aufbau
eines von Interesse und Freude geleiteten Freizeitverhaltens als wesentliches
Therapieziel bei Sexualtätern ableiten, das der Rückfallgefahr entgegenwirkt.
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STATE-
STATE-TRAIT Anger Inventory STAXI (N=69)

STAXI State Anger (SA) 17.83


STAXI Anger In (AI) 18.58
STAXI Anger Out (AO) 13.87
STAXI Anger Control (AC) 21.81

− Die befragten Klienten zeichneten sich zu Beginn der Nachsorgebehandlung eher


dadurch aus, Ärger und Frust hinunter zu schlucken als nach außen zu zeigen.

− Aggression (Ärger, Wut) als natürliche und für die Selbstbehauptung im sozialen
Miteinander wesentliche Gefühlslage zu akzeptieren und ausdrücken zu lernen,
gehörte daher ebenfalls zu den allgemeinen Therapiezielen.
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Multi-
Multi-Phasic Sex Inventory MSI (N=60)

− Ein Großteil der Sexualtäter leugnete das Vorhandensein sexueller Bedürfnisse und
versucht, nach außen ein vermeintlich „normales“ asexuelles Image zu vermitteln.
− Da die Klienten mehrheitlich Kindesmißbrauch verübt haben, ist es bemerkenswert,
daß die Mehrzahl bereit war, dahin gehende Phantasien und Übergriffe zuzugeben.
Die Bereitschaft, über sexuelle, auch autoerotische Phantasien zu sprechen, kann als
Voraussetzung für einen gelingenden, sich an der Legalität orientierenden Umgang mit
teilweise für die Klienten sehr aufdringlichen oder zwanghaften (intrusiven)
abweichenden Vorstellungen angesehen werden.
− Immer wieder fällt auch das Defizit an Wissen über sexuelle Vorgänge bei den Klienten
ins Auge, sowohl anatomische als auch physiologische und kulturelle Gegebenheiten
betreffend. Hier erweist sich bereits psychoedukative und / oder sexualpädagogische
Aufklärung als hilfreich  siehe Workshop am Nachmittag.
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Verlaufsanalyse: Inhaftierte Kontrollgruppe (N=37)
Zeitintervall: 4.32 Monate Haft (Regelvollzug ohne Therapie)
Konfliktverhalten situativ

4 sa**
3
vp* gs* sk
2 el pp* ua ss
zs la em
1 ah
es id
gz
0
-1 bu
-2
-3 pw**

(t-Test, zweis., abh. Stichpr.)

− Mißtrauen (Paranoia), Aggression, Schamkomplexe und Psychopathologie nehmen im


Laufe der Haft signifikant zu.
− Die Problemlösebereitschaft nimmt im Laufe der Haft signifikant ab.
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Verlaufsanalyse: Nachsorgegruppen

RDQ-Differenz zur Baseline

1,2
1,04* (N=12)
1
0,8
0,6
0,4 0,23 (N=26)
0,19* (N=44) 0,29 (N=19)
0,15* (N=36) 0,38* (N=7)
0,2
0
6 16 22 31 38 48
Therapiedauer in Monaten

RDQ: Ressourcen-Defizite-Quotient
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Therapie post 1 vs. prä (N=44): 6 Monate Nachsorge (intramural)

8
6
4
zs
2 es
0
-2 pp ss
sa* pw
vp el** gs em*
-4 ah** sk
gz** la*** ua** id**
-6
bu***
-8

Therapie post 2 vs. prä (N=36): 16 Monate Nachsorge (Übergang in die Freiheit)

8
6
ss*
4
2 es
0
-2 zs pw pp
-4 vp** sa*** el**
sk*
gs** em** ua**
-6 ah** gz** la***
bu*** id***
-8
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Therapiefortschritte post 3 vs. prä (N=26): 22 Monate Nachsorge (Freiheit)

8
6 ss**
4
2 pp
zs es
0
-2 sa** el** em* pw
vp** gz gs sk
-4 ah** ua
bu* la**
-6 id***
-8

Therapiefortschritt post 4 vs. prä (N=19): 31 Monate Nachsorge (Freiheit)

8
ss**
6
4
2 es
pp
0
-2 zs sa*** em pw
vp** sk
-4 el*** gs
gz* la* ua
-6 ah***
-8 bu** id**
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Verlaufsanalyse: Nachsorgegruppen

− Die Teilnahme an der Nachsorge geht mit einer signifikanten Abnahme des Mißtrauens,
der Aggressivität, der emotionalen Labilität, histrionischer Selbstwahrnehmung,
Zwanghaftigkeit, Unsicherheit, Abhängigkeit, Nervosität und Depressivität einher.

− Die Selbstkontrolle erhöht sich im Laufe der Teilnahme signifikant und die Balance
zwischen Stärken und Schwächen verbessert sich.

− Die Entlassung führt zu einer – zumeist vorübergehenden – Labilisierung.

− Nachhaltige Therapieeffekte werden insbesondere dann erreicht, wenn die Behandlung


bereits im Gefängnis beginnt und während der Haft mit Lockerungen – entsprechend
des Vollzugsplans, nicht nur zur Entlassungsvorbereitung – einhergeht.
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Kontrollgruppenvergleich
RDQ-Differenz zur Kontrollgruppe

0,3
0,25
0,2
0,15
0,1
0,05
0
t1 vs. kg t2 vs. kg t3 vs. kg t4 vs. kg

− Nachsorgegruppe stets besser als die Kontrollgruppe ohne therapeutische Behandlung


− Ca. 6 Monate nach Entlassung: Tiefpunkt
− Länger inhaftierte Klienten: sahen sich in Freiheit ungewohnten Anforderungen und
Verunsicherungen ausgesetzt, zumal Lockerungen nur selten gewährt wurden.
− Auch eine nahtlos einsetzende Nachsorge kann einen vermeintlich „generalpräventiv“-
sparsamen statt regulären Gebrauch von Lockerungen nicht kompensieren.
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Differentielle Nachsorge-
Nachsorge-Effekte: Gruppe vs. Einzelgespräche

Wirkungsunterschiede Gruppe vs. Einzelgespräche

0,8 RDQ 2-1


0,7 RDQ 1-0
0,6
0,5
0,4 0,66

0,3
0,2 0,4 0,26
0,1
0,1 0,08
0 0,03
SKT-Aufbaustufe vs. SKT-Grundstufe vs. SKT-Aufbaustufe vs.
Einzel Einzel SKT-Grundstufe
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Differentielle
Differentielle Nachsorge-
Nachsorge-Effekte

− Die Wirkunterschiede zeigen sich noch nicht während des ersten halben Jahres im
jeweiligen Setting, sondern erst ab dem zweiten Halbjahr.

− Einzelgespräche erwiesen sich als weniger wirksam als die Gruppenteilnahme.

• wurden über einen längeren Zeitraum auch den „schwierigeren“ Klienten


angeboten wurden, die entweder nicht gruppenfähig erschienen oder
„übertherapiert“ waren (z.B. durch mehrfaches Durchlaufen des BPS-Programms
während der Haft).
• Einzelgespräche erhöhten die Offenheit und Problemlösebereitschaft.

− Langfristig erwies sich die Gruppenteilnahme nachhaltiger als Einzelgespräche, sie ist
zudem ökonomischer.
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Differentielle Nachsorge-
Nachsorge-Effekte: Wirkunterschiede in den
RDQ-
RDQ-Zuwachs
Tätergruppen post 1 post 2 post 3 post 4
Mißbrauch an Jungen (N=18,14,10,6) .06 .01 .21 .41
Mißbrauch an Mädchen (N=25,21,17,12) .21* .29** .09 .02
Inzest (N=12,10,9,7) .30* .05 .52 .52
geringe pädosexuelle Intensität (N=15,14,7,5) .12 .16 .25 .25
hohe pädosexuelle Intensität (N=24,19,18,13) .24 .17 .20 .22
Ersttäter (N=15,14, 10,6) .36** .08 .26 .31
Mehrfachtäter (N=29,22,16,13) .10 .19 .21 .28
Tatleugner (N=16,15,9,6) .25 .12 .30 .20
Gering Motivierte (N=17,15,8,4) .28 .18 .04 -.20
ehm. Haupt- und Förderschüler (N=24,18,14,10) .20* .25 .38 .62
Klienten ohne Lockerung (N=31,26,17,12) .26** .22 .43 .44
Klienten mit Lockerung (N=13,10,9,7) .01 -.03 -.16 .02
Klienten aus Regelvollzug (N=20,16,10,7) .16 .10 .14 .10
Klienten aus der Sotha (N=13,12,11,11) .35* .31 .62 .60
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Differentielle Therapieeffekte:
Therapieeffekte: Wirkunterschiede
(Die Teilgruppen sind häufig zu klein, um statistisch abgesicherte Aussagen zu ermöglichen. Dazu sind längere
Beobachtungszeiten notwendig. Die folgenden Aussagen sind daher unter Vorbehalt zu verstehen.)

− Eine besonders starke Wirkung zeigt sich bei Ersttätern und Nachsorge-Klienten, die
während der Haft an der Sotha teilgenommen haben. Hier ist bereits während der
ersten Nachbefragungen ein signifikanter Effekt festzustellen. Die Wirkung steigert sich.
− Auch die Entlassenen aus dem Regelvollzug profitieren deutlich und stabil von dem
Nachsorgeangebot, allerdings weniger stark ausgeprägt als die Klienten aus der Sotha.
− Daß Klienten ohne Lockerung einen hohen Ressourcenzuwachs im Laufe der
Behandlung zeigen, legt nahe, daß für die Risikobeurteilung der Lockerungsprognose zu
hohe Maßstäbe (etwa die Kriterien der Entlassungsprognose) angesetzt werden. Dies
erscheint aus rückfallpräventiver Sicht unangemessen.
− Schwierige Klientengruppen (Unmotivierte, Haupt- und Förderschüler, Mehrfachtäter,
Täter mit hoher pädosexueller Intensität) zeigen einen deutlichen Ressourcenzuwachs
im Zuge der Nachsorge.
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Tatverarbeitung retrospektiv im Verlauf

0
-0,02 -0,02
-0,04
-0,05
-0,06
RDQ-Differenz
-0,08
-0,1
-0,12 -0,12
-0,14
1-0 (N=27) 2-0 (N=21) 3-0 (N=9)

Mit zunehmendem zeitlichen Abstand schildern sich die Klienten in der Tatsituation einerseits
weniger emotional labil, unsicher und depressiv. Andererseits schreiben sie sich bei der ersten
Befragung zur Tatsituation deutlich mehr Offenheit, Empathie und Selbstkontrolle zu als bei
späteren Befragungen. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß die Sicht der Klienten
auf ihre Konfliktverhalten in der Tatsituation im Laufe der Behandlung kritischer wird.
Prof. Torsten Klemm: Modellprojekt – Ergebnisse & Erfahrungen ISONA e.V.
Fazit 1
− Verantwortungsübernahme statt „Heilung“: erhöht Sensibilität für Grenzen
• Kontextorientierung anstelle von Persönlichkeitsfixierung: Familie und Institutionen
• Fallverstehen anstelle kategorialer Diagnostik
• Zukunftsperspektive anstelle von Verallgemeinerung vergangener „Faktoren“

− Institutionelle Rahmenbedingungen: Abgrenzung von Therapie und Kontrolle


• geschützte Atmosphäre für wirksames therapeutisches Arbeiten
• Therapie nicht als verlängerter Arm der Kontrollorgane oder Ersatz für
Kontrollmaßnahmen
• Arbeitsteiliges Netzwerk: macht nur Sinn, wenn Unterschiede in der
Wahrnehmung des „Täters“ bestehen und gewünscht sind (Konsensbemühungen
verringern Professionalität zugunsten eines subjektiven Sicherheitsgefühls der
„Helfer“)
Prof. Torsten Klemm: Modellprojekt – Ergebnisse & Erfahrungen ISONA e.V.
Fazit 2
− Schweigepflicht statt grenzenlose Offenheit in alle Richtungen
• präzise Vereinbarung mit den Klienten zu Offenbarungspflichten und Opferschutz
• interkollegiale Fallbeurteilung (Prognose)
• Einschätzung der mit Kontrolle verbundenen Risiken und Nebenwirkungen

− Beziehungsstiftendes Übergangsmanagement statt Verwaltung der Aktenübergabe


• substanzieller Kontaktaufbau zur Nachsorge noch während der Unterbringung
• „normaler“ Einsatz von Lockerungen zur Verhinderung von Verbitterung und
nachträglichen Rachephantasien gegenüber dem Gewaltmonopol des Staates
• „Beziehungsbrücke“ über den Entlassungszeitpunkt: stabilisierende
Unterstützungsstrukturen, individuell maßgeschneidert & wohldosiert
• durchgehende Betreuung mit Beendigungsoption als deeskalierend wirkender
„Auftrag“ statt als aggressionsfördernde Endlosschleife der Entmündigung
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Literatur und Werbepause
• Klemm, T. (2012), Sekundärprävention von Kindesmißhandlung und sozialthera-
peutische Nachsorge in der Region Leipzig, LWV
• Klemm, T. (2011), Selbstkontrolle, Bd. 1: Grundstufe
• Klemm, Torsten, Selbstkontrolle, Bd. 2: Aufbaustufe – Lebensplanung,
Alltagsbewältigung, Familientraditionen, Sexualität und Beziehungsgestaltung,
erscheint voraussichtlich im Sommer 2013

Vielen Dank
für Ihre
Aufmerksamkeit!

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