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Torsten Klemm
o Vorgeschichte
o Fazit
Prof. Torsten Klemm: Modellprojekt – Ergebnisse & Erfahrungen ISONA e.V.
Vorgeschichte 2000 – 2008
− Angebote:
• intramural in der JVA: 1x monatlich 4 Einzelgespräche und 1x Selbstkontrolltraining
SKT-Grundstufe mit einer Kapazität von maximal 8 Plätzen
• ambulant: 2x monatlich SKT-Aufbaustufe (neu! Workshop am Nachmittag) an
der HTWK Leipzig, unter Mitarbeit und Reflexion von Studierenden (reflecting
team in Großgruppen, Einwegscheibe)
• darüber hinaus: Einzel- und Angehörigengespräche am Kinderschutzzentrum
− Überweisungsformen:
• Fachdienste der JVA
• Bewährungshilfe und Führungsaufsicht
• Jugendgerichtshilfe
• Anwälte
• Empfehlungen („Mundpropaganda“)
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Modellprojekt JVA Waldheim – HTWK Leipzig 2
− Tätergruppen:
• 56 Sexualtäter (bzw. Sexual- und Gewalttäter)
• 12 Gewalttäter
• 1 Heranwachsender Nicht-Gewalttäter („Sozialhilfebetrug“), von JGH überwiesen
− Kontrollgruppen:
• 384 „unauffällige“ Eltern, Studierende, davon 217 weiblich
• 99 unbehandelte Inhaftierte in den JVAen Leipzig, Torgau und Zwickau (im
Rahmen von Diplomarbeiten an der Uni Leipzig)
− Setting:
• Mit 30 Teilnehmern hauptsächlich Einzel- und Angehörigengespräche statt.
• 38 Teilnehmer haben an den Gruppen teilgenommen.
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Modellprojekt JVA Waldheim – HTWK Leipzig 3
− Verlauf:
• 25 Teilnehmer haben das Programm regulär beendet, d.h. sie haben die
Aufbaustufe durchlaufen und an der Katamnese teilgenommen (Stand: 08/2011).
• Bei 2 Klienten wurde die Teilnahme unterbrochen, z.B. wegen Rückverlegung in
den geschlossenen Vollzug nach Ablehnung der bedingten Entlassung (im Falle
einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe).
• 5 Klienten haben die Teilnahme abgebrochen.
• 2 Teilnehmer wurden erneut in U-Haft genommen (davon einer kurze Zeit nach
Haftentlassung, er hatte erst an einer SKT-Sitzung teilgenommen).
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Kommunikative Grenzsituationen
Grenzsituationen in der sozialtherapeutischen
Nachsorge: Facetten und Fragen
6
es*
4
2 ss
0
-2
-4 zs** pw ua**
-6 el**
sa*** ah***
gz*** bu*** la*** gs*** em*** pp*** sk***
-8 vp*** id***
-10
− Aggression (Ärger, Wut) als natürliche und für die Selbstbehauptung im sozialen
Miteinander wesentliche Gefühlslage zu akzeptieren und ausdrücken zu lernen,
gehörte daher ebenfalls zu den allgemeinen Therapiezielen.
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Multi-
Multi-Phasic Sex Inventory MSI (N=60)
− Ein Großteil der Sexualtäter leugnete das Vorhandensein sexueller Bedürfnisse und
versucht, nach außen ein vermeintlich „normales“ asexuelles Image zu vermitteln.
− Da die Klienten mehrheitlich Kindesmißbrauch verübt haben, ist es bemerkenswert,
daß die Mehrzahl bereit war, dahin gehende Phantasien und Übergriffe zuzugeben.
Die Bereitschaft, über sexuelle, auch autoerotische Phantasien zu sprechen, kann als
Voraussetzung für einen gelingenden, sich an der Legalität orientierenden Umgang mit
teilweise für die Klienten sehr aufdringlichen oder zwanghaften (intrusiven)
abweichenden Vorstellungen angesehen werden.
− Immer wieder fällt auch das Defizit an Wissen über sexuelle Vorgänge bei den Klienten
ins Auge, sowohl anatomische als auch physiologische und kulturelle Gegebenheiten
betreffend. Hier erweist sich bereits psychoedukative und / oder sexualpädagogische
Aufklärung als hilfreich siehe Workshop am Nachmittag.
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Verlaufsanalyse: Inhaftierte Kontrollgruppe (N=37)
Zeitintervall: 4.32 Monate Haft (Regelvollzug ohne Therapie)
Konfliktverhalten situativ
4 sa**
3
vp* gs* sk
2 el pp* ua ss
zs la em
1 ah
es id
gz
0
-1 bu
-2
-3 pw**
1,2
1,04* (N=12)
1
0,8
0,6
0,4 0,23 (N=26)
0,19* (N=44) 0,29 (N=19)
0,15* (N=36) 0,38* (N=7)
0,2
0
6 16 22 31 38 48
Therapiedauer in Monaten
RDQ: Ressourcen-Defizite-Quotient
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Therapie post 1 vs. prä (N=44): 6 Monate Nachsorge (intramural)
8
6
4
zs
2 es
0
-2 pp ss
sa* pw
vp el** gs em*
-4 ah** sk
gz** la*** ua** id**
-6
bu***
-8
Therapie post 2 vs. prä (N=36): 16 Monate Nachsorge (Übergang in die Freiheit)
8
6
ss*
4
2 es
0
-2 zs pw pp
-4 vp** sa*** el**
sk*
gs** em** ua**
-6 ah** gz** la***
bu*** id***
-8
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Therapiefortschritte post 3 vs. prä (N=26): 22 Monate Nachsorge (Freiheit)
8
6 ss**
4
2 pp
zs es
0
-2 sa** el** em* pw
vp** gz gs sk
-4 ah** ua
bu* la**
-6 id***
-8
8
ss**
6
4
2 es
pp
0
-2 zs sa*** em pw
vp** sk
-4 el*** gs
gz* la* ua
-6 ah***
-8 bu** id**
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Verlaufsanalyse: Nachsorgegruppen
− Die Teilnahme an der Nachsorge geht mit einer signifikanten Abnahme des Mißtrauens,
der Aggressivität, der emotionalen Labilität, histrionischer Selbstwahrnehmung,
Zwanghaftigkeit, Unsicherheit, Abhängigkeit, Nervosität und Depressivität einher.
− Die Selbstkontrolle erhöht sich im Laufe der Teilnahme signifikant und die Balance
zwischen Stärken und Schwächen verbessert sich.
0,3
0,25
0,2
0,15
0,1
0,05
0
t1 vs. kg t2 vs. kg t3 vs. kg t4 vs. kg
0,3
0,2 0,4 0,26
0,1
0,1 0,08
0 0,03
SKT-Aufbaustufe vs. SKT-Grundstufe vs. SKT-Aufbaustufe vs.
Einzel Einzel SKT-Grundstufe
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Differentielle
Differentielle Nachsorge-
Nachsorge-Effekte
− Die Wirkunterschiede zeigen sich noch nicht während des ersten halben Jahres im
jeweiligen Setting, sondern erst ab dem zweiten Halbjahr.
− Langfristig erwies sich die Gruppenteilnahme nachhaltiger als Einzelgespräche, sie ist
zudem ökonomischer.
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Differentielle Nachsorge-
Nachsorge-Effekte: Wirkunterschiede in den
RDQ-
RDQ-Zuwachs
Tätergruppen post 1 post 2 post 3 post 4
Mißbrauch an Jungen (N=18,14,10,6) .06 .01 .21 .41
Mißbrauch an Mädchen (N=25,21,17,12) .21* .29** .09 .02
Inzest (N=12,10,9,7) .30* .05 .52 .52
geringe pädosexuelle Intensität (N=15,14,7,5) .12 .16 .25 .25
hohe pädosexuelle Intensität (N=24,19,18,13) .24 .17 .20 .22
Ersttäter (N=15,14, 10,6) .36** .08 .26 .31
Mehrfachtäter (N=29,22,16,13) .10 .19 .21 .28
Tatleugner (N=16,15,9,6) .25 .12 .30 .20
Gering Motivierte (N=17,15,8,4) .28 .18 .04 -.20
ehm. Haupt- und Förderschüler (N=24,18,14,10) .20* .25 .38 .62
Klienten ohne Lockerung (N=31,26,17,12) .26** .22 .43 .44
Klienten mit Lockerung (N=13,10,9,7) .01 -.03 -.16 .02
Klienten aus Regelvollzug (N=20,16,10,7) .16 .10 .14 .10
Klienten aus der Sotha (N=13,12,11,11) .35* .31 .62 .60
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Differentielle Therapieeffekte:
Therapieeffekte: Wirkunterschiede
(Die Teilgruppen sind häufig zu klein, um statistisch abgesicherte Aussagen zu ermöglichen. Dazu sind längere
Beobachtungszeiten notwendig. Die folgenden Aussagen sind daher unter Vorbehalt zu verstehen.)
− Eine besonders starke Wirkung zeigt sich bei Ersttätern und Nachsorge-Klienten, die
während der Haft an der Sotha teilgenommen haben. Hier ist bereits während der
ersten Nachbefragungen ein signifikanter Effekt festzustellen. Die Wirkung steigert sich.
− Auch die Entlassenen aus dem Regelvollzug profitieren deutlich und stabil von dem
Nachsorgeangebot, allerdings weniger stark ausgeprägt als die Klienten aus der Sotha.
− Daß Klienten ohne Lockerung einen hohen Ressourcenzuwachs im Laufe der
Behandlung zeigen, legt nahe, daß für die Risikobeurteilung der Lockerungsprognose zu
hohe Maßstäbe (etwa die Kriterien der Entlassungsprognose) angesetzt werden. Dies
erscheint aus rückfallpräventiver Sicht unangemessen.
− Schwierige Klientengruppen (Unmotivierte, Haupt- und Förderschüler, Mehrfachtäter,
Täter mit hoher pädosexueller Intensität) zeigen einen deutlichen Ressourcenzuwachs
im Zuge der Nachsorge.
Prof. Torsten Klemm: Modellprojekt – Ergebnisse & Erfahrungen ISONA e.V.
Tatverarbeitung retrospektiv im Verlauf
0
-0,02 -0,02
-0,04
-0,05
-0,06
RDQ-Differenz
-0,08
-0,1
-0,12 -0,12
-0,14
1-0 (N=27) 2-0 (N=21) 3-0 (N=9)
Mit zunehmendem zeitlichen Abstand schildern sich die Klienten in der Tatsituation einerseits
weniger emotional labil, unsicher und depressiv. Andererseits schreiben sie sich bei der ersten
Befragung zur Tatsituation deutlich mehr Offenheit, Empathie und Selbstkontrolle zu als bei
späteren Befragungen. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß die Sicht der Klienten
auf ihre Konfliktverhalten in der Tatsituation im Laufe der Behandlung kritischer wird.
Prof. Torsten Klemm: Modellprojekt – Ergebnisse & Erfahrungen ISONA e.V.
Fazit 1
− Verantwortungsübernahme statt „Heilung“: erhöht Sensibilität für Grenzen
• Kontextorientierung anstelle von Persönlichkeitsfixierung: Familie und Institutionen
• Fallverstehen anstelle kategorialer Diagnostik
• Zukunftsperspektive anstelle von Verallgemeinerung vergangener „Faktoren“
Vielen Dank
für Ihre
Aufmerksamkeit!