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#GenerationInstagram

Soziale Medien - die Zukunft der Offenen Jugendarbeit

#GenerationInstagram
Social Media - the future of public youth work

Masterarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts in Social Sciences (MA)

der Fachhochschule FH Campus Wien


Masterstudiengang: Kinder- und Familienzentrierte Soziale Arbeit

Vorgelegt von:
Antonia Brozek, BA

Personenkennzeichen:
C1710811022

Erstbetreuerin:
Mag. (FH) Kathrin Weninger, MA

Zweitbegutachterin:
Mag.a Manuela Hofer, BA

Eingereicht am:
14. September 2020
Erklärung:

Ich erkläre, dass die vorliegende Masterarbeit von mir selbst verfasst wurde und ich keine
anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch sonst keiner unerlaubten
Hilfe bedient habe.
Ich versichere, dass ich diese Masterarbeit bisher weder im In- noch im Ausland (einer*m
Beurteiler*in zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.
Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und
elektronisch) identisch sind.

Datum: 14. September 2020

Unterschrift: …………………………………………………...
Kurzfassung
Jugendliche können aktuell hauptsächlich über ihr Smartphone und hier insbesondere über
Soziale Medien erreicht werden. Dies stellt die Offene Jugendarbeit vor unabdingbare
Herausforderungen.

Diese Arbeit beschäftigt sich daher mit der Forschungsfrage:


„In welcher Form verändern Soziale Medien die Offene Jugendarbeit und wie kann
diese auf die veränderten Bedingungen reagieren, um die Erreichbarkeit von
Jugendlichen auch zukünftig zu gewährleisten?“
Zur Beantwortung dieser Fragestellung werden Veränderungen auf der Ebene der
Sozialen Medien, der Lebenswelt der Jugendlichen und der Offenen Jugendarbeit
analysiert. Spannende Ergebnisse sind unter anderem, dass die Schnelllebigkeit Sozialer
Medien für ständigen Wandel, auch in der Lebenswelt der Jugendlichen sorgt und, dass
Jugendliche nicht mehr zwischen analogen und digitalen Erfahrungen unterscheiden.
Soziale Medien wurden zu einem essentiellen Element der Sozialisation und zu einem
alternativen Sozialraum. Diese Umstände machen den Einsatz Sozialer Medien in der
Offenen Jugendarbeit zweifelsohne notwendig.
Infolgedessen geht es um die Reaktionen der Offenen Jugendarbeit auf die eben
beschriebenen Veränderungen. Besonders die Prinzipien Lebenswelt- und
Sozialraumorientierung tragen dazu bei, dass es als Aufgabe der Offenen Jugendarbeit
verstanden wird, trotz aller Herausforderungen und einer latent ablehnenden Haltung, in
Sozialen Medien präsent zu sein. Die Arbeit mit und in Sozialen Medien dient als
ergänzendes Angebot und als zusätzlicher Kommunikationskanal. Zudem kann mittels
Sozialer Medien die Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtungen erleichtert werden.

Die Erhebungsmethode bestand aus der qualitativen Inhaltsanalyse von


Expert*inneninterviews.

Die Ergebnisse verdeutlichen die positive Auswirkung auf die Erreichbarkeit der
Jugendlichen durch die Nutzung Sozialer Medien. Trotz der Herausforderungen und
fehlenden Entwicklungsschritte in Richtung der Mediatisierung des Handlungsfeldes der
Offenen Jugendarbeit, werden Soziale Medien als Bereicherung beschrieben und
wahrgenommen.

iii
Abstract
Currently, young people can mainly be reached via their smartphone, particular via social
media. This poses vital challenges for public youth work.

Therefore, this scientific paper deals with the research question:


“In what form does social media change public youth work and how can it respond
to changing conditions in order to ensure the reachability of young people in the
future?”
In order to answer this question, changes within the social media world, life of adolescents
and public youth work are analyzed. Constant changes in young people’s lifes due to fast-
pace social media has been one of several fascinating results. Furthermore, analysis has
shown that teenagers can no longer distinguish between analogue and digital experiences.
Consequently, social media has become an essential element of socialization and an
alternative social environment. Under these circumstances, the use of social media in
public youth work is undoubtedly necessary.
As a result, this thesis examines the reactions of public youth work regarding the changes
described above in detail. Despite all challenges and a latental rejecting attitude towards
public network, the principles of living- and social environment promote staying present in
social media and seeing this as a task of social youth work. By working with these new
tools an additional communication channel among public youth work is offered. In addition,
social media can be used to facilitate the public relations of the institutions.

A qualitative content analysis of expert interviews was chosen as the survey method for
this thesis.

The results show positive impact on the reachability of young people through the usage of
social media. Despite present challenges and the lacking steps of development regarding
mediatisation of the field of public youth work social media is described and perceived as
an enrichment.

iv
Abkürzungsverzeichnis
bOJA Bundesweites Netzwerk Offene Jugendarbeit
DSG Datenschutzgesetz
DSGVO Datenschutzgrundverordnung
FOMO Fear Of Missing Out
OJA Offene Jugendarbeit
OKJA Offene Kinder- und Jugendarbeit
SNS Social Network Sites

v
Schlüsselbegriffe
Offene Jugendarbeit
Offene Kinder- und Jugendarbeit

Social Media
Soziale Medien
Soziale Netzwerke

vi
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG .................................................................................................... 1
1. BEGRIFFSBESTIMMUNG ............................................................................ 6
1.1 Soziale Netzwerke ............................................................................. 7
1.1.1 WhatsApp ......................................................................................................8
1.1.2 YouTube ........................................................................................................8
1.1.3 Instagram ......................................................................................................9
1.1.4 Snapchat .......................................................................................................9
1.1.5 Facebook.......................................................................................................9
1.1.6 TikTok ......................................................................................................... 10
1.2 Offene Jugendarbeit ....................................................................... 10
1.2.1 Handlungsprinzipien .................................................................................... 10
1.2.2 Ziele ............................................................................................................ 12
1.2.3 Methoden .................................................................................................... 12
1.2.4 Standortbezogene Jugendarbeit .................................................................. 13
1.2.5 Mobile bzw. Aufsuchende Jugendarbeit ...................................................... 13
1.2.6 Digitale Jugendarbeit ................................................................................... 14

2. VERÄNDERUNGEN DURCH SOZIALE MEDIEN ............................................ 15


2.1 Wie verändern sich Soziale Medien? ............................................ 15
2.1.1 Potentiale Sozialer Medien .......................................................................... 16
2.1.2 Gefahren Sozialer Medien ........................................................................... 16
2.2 Wie verändert sich die Lebenswelt der Jugendlichen? .............. 18
2.2.1 Bedeutung Sozialer Medien als Entwicklungsaufgabe für Jugendliche ........ 20
2.2.2 Benachteiligungen durch Soziale Medien .................................................... 24
2.3 Wie verändert sich die Offene Jugendarbeit? ............................. 25
2.3.1 Einstellungen der Fachkräfte zur Arbeit mit Sozialen Medien ...................... 26
2.3.2 Gründe für die Arbeit mit Sozialen Medien................................................... 27
2.3.3 Herausforderungen durch die Arbeit mit Sozialen Medien ........................... 28
2.3.4 Voraussetzungen für die Arbeit mit Sozialen Medien ................................... 31
2.4 Exkurs: Veränderung der Raumkonzepte der Offenen
Jugendarbeit ............................................................................................. 32
2.4.1 Öffentlicher Raum........................................................................................ 32
2.4.2 Virtueller Raum ............................................................................................ 33
2.4.3 Vireale Sozialraumaneignung ...................................................................... 34

3. REAKTIONEN DER OFFENEN JUGENDARBEIT ........................................... 35

vii
3.1 Handlungsprinzipien ...................................................................... 36
3.2 Chancen professioneller Nutzung Sozialer Medien .................... 38
3.3 Risiken professioneller Nutzung Sozialer Medien ...................... 41
3.4 Ziele eines virtuellen Auftritts ....................................................... 42
3.5 Qualifikation der Fachkräfte .......................................................... 44
3.6 Methoden ......................................................................................... 46
3.6.1 Virtuell-aufsuchende Jugendarbeit............................................................... 46
3.6.2 Online-Beratung .......................................................................................... 48

4. FORSCHUNGSDESIGN ............................................................................. 50
4.1 Methodologie .................................................................................. 50
4.2 Datenerhebung ............................................................................... 51
4.3 Datenanalyse und -auswertung..................................................... 52
5. DARSTELLUNG DER EMPIRISCHEN ERGEBNISSE ...................................... 53
5.1 Wahrgenommene Veränderungen durch Soziale Medien .......... 53
5.1.1 Wie werden die Veränderungen Sozialer Medien wahrgenommen? ............ 53
5.1.2 Wie werden die Veränderungen der Jugendlichen wahrgenommen? .......... 54
5.1.3 Wie werden die Veränderungen der OJA wahrgenommen? ........................ 57
5.2 Beschriebene Reaktionen der Offenen Jugendarbeit ................. 59
5.2.1 Ist Präsenz auf Sozialen Medien Aufgabe der Offenen Jugendarbeit? ........ 61
5.2.2 Wie werden Soziale Medien in der Offenen Jugendarbeit genutzt? ............. 62
5.2.3 Welche Herausforderungen entstehen durch die professionelle Nutzung
Sozialer Medien? .................................................................................................... 63
5.3 Wie können Jugendliche weiterhin erreicht werden? ................. 66
5.3.1 Entwicklungsziele Offener Jugendarbeit in Bezug auf Soziale Medien ........ 66
5.3.2 Ziele der professionellen Nutzung Sozialer Medien ..................................... 68
5.3.3 Potentiale der professionellen Nutzung Sozialer Medien ............................. 69
5.3.4 Gefahren durch die professionelle Nutzung Sozialer Medien ....................... 71
5.3.5 Welche Qualifikationen brauchen Fachkräfte in der Offenen Jugendarbeit? 73

6. ZUSAMMENFASSUNG THEORIE UND EMPIRIE ........................................... 76


6.1 Veränderungen durch Soziale Medien ......................................... 76
6.1.1 Veränderung der Lebenswelt der Jugendlichen ........................................... 76
6.1.2 Veränderung der Offenen Jugendarbeit ....................................................... 77
6.2 Reaktionen der Offenen Jugendarbeit ......................................... 78
6.2.1 Ziele der professionellen Nutzung Sozialer Medien ..................................... 78
6.2.2 Vorteile der professionellen Nutzung Sozialer Medien ................................. 79
6.2.3 Nachteile der professionellen Nutzung Sozialer Medien .............................. 79
6.2.4 Herausforderungen durch die professionelle Nutzung Sozialer Medien ....... 80
viii
6.2.5 Voraussetzungen der professionellen Nutzung Sozialer Medien ................. 80
6.3 Erreichbarkeit der Jugendlichen ................................................... 81
6.4 Handlungsempfehlungen............................................................... 82
7. AUSBLICK .............................................................................................. 88
8. LITERATURVERZEICHNIS ......................................................................... 89
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................................ 93
ANHANG....................................................................................................... 94
Interviewleitfaden ..................................................................................... 94
Transkriptionsauszug eines Interviews ................................................. 95

ix
EINLEITUNG
Seit zwei Jahren bin ich als Sozialarbeiterin in einem Verein für Aufsuchende Kinder- und
Jugendarbeit in Wien tätig und dabei auch für die Betreuung unserer Social Media Kanäle,
insbesondere unseres Instagram Accounts, zuständig. Bereits zu Beginn der
Implementierung des Benutzerkontos bemerkte ich bei meinen Kolleg*innen und auch bei
mir selbst große Verunsicherung in Bezug auf das Ausmaß und die Art der Präsenz der
Offenen Jugendarbeit im virtuellen Raum. Grund dafür sind unter anderem ein fehlendes
Konzept, das bei Unsicherheiten zu Rate gezogen werden kann und fehlende empirische
Forschung in der Aufsuchenden Kinder- und Jugendarbeit. Besonders in Zeiten der
Beschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie haben sich die vielfältigen Vorteile der
Nutzung Sozialer Medien durch die Jugendarbeit bezahlt gemacht. Dadurch konnten
vielerorts die Kontakte zu den bereits bekannten Jugendlichen aufrechterhalten und
Hilfestellungen geboten werden. Ein*e Interviewpartner*in fasste zu Beginn der
Beschränkungen treffend zusammen: Das Ansehen der Arbeit auf Sozialen Medien „wird
sich in den nächsten Monaten aber so was von ändern!“ (B7: 354-355)1
In der Auseinandersetzung mit der Literatur zu Offener Jugendarbeit und Sozialen Medien
fällt auf, dass zur Zeit des Facebook-Booms einiges zu diesem Thema publiziert wurde,
wie beispielsweise Nicole Alfert (2013) mit dem Titel „Facebook als Handlungsraum in der
Jugendarbeit“. Facebook war bis zum Jahr 2016, nach den Plattformen WhatsApp und
YouTube, klarer Marktführer. Einen groben Überblick über die Entwicklungen von Sozialen
Netzwerken der letzten Jahre liefert ein Vergleich der Jugend-Internet-Monitore, bei dem
verschiedene Social Media Plattformen und deren Beliebtheit bei Jugendlichen zwischen
11 und 17 Jahren erhoben werden. Seit 2017 hat Instagram Facebook überholt, und aktuell
nutzen 71 Prozent der Jugendlichen Instagram und lediglich 44 Prozent Facebook (vgl.
Safer Internet 2019b). Die Konzepte der Fachliteratur müssen also auf die neuen
Plattformen übertragen werden.
Die mobil vernetzte Kommunikation hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung
gewonnen. Bereits 2010 verbrachten Jugendliche 50 Prozent ihrer Zeit im Internet mit
Kommunikation. Die andere Hälfte teilte sich zu gleichen Teilen auf Spiele,
Informationssuche und Unterhaltung auf. (vgl. Röll 2010, S. 28–29) 2018 sind 91 Prozent
der 12- bis 25-jährigen Jugendlichen mit dem Smartphone online. Hierbei wird die meiste
Zeit mit Kommunikation (41 Prozent), Nutzung unterhaltender Angebote (29 Prozent),
digitaler Spiele (19 Prozent) und der Suche nach Informationen (10 Prozent) verbracht.
(vgl. Tillmann 2018, S. 61)
Bereits 2010 stellte Ulrich Deinet den Rückgang der Jugendlichen aus dem öffentlichen
Raum fest. Er bezeichnete die virtuellen Räume als „hoch attraktive Ausweichräume, da
sie [die Jugendlichen, Anm. d. Verf.] hier gegenüber den meisten Erwachsenen einen
echten Vorsprung in Bezug auf Handhabung und Nutzung haben“ (Deinet 2010, S. 50).
Die starke Bedeutung der Medien hat nach Franz Josef Röll (2010) unterschiedliche
Gründe. Er zählt „Langeweile und Überbrückung von Übergangsphasen, familiäres

1 In diesem Zusammenhang muss angemerkt werden, dass diese Arbeit bereits vor dem Ausbruch der COVID-
19 Pandemie begonnen wurde, weswegen die Auswirkungen dieser auf die Offene Jugendarbeit in dieser
Arbeit nicht berücksichtigt werden können.
1
Zusammensein, Bedürfnis nach Action, Erleben von Stimmungen und Faszination sowie
das Eintauchen in Erzählgeschichten“ (Röll 2010, S. 27) zu den Ursachen des hohen
Medienkonsums bei Jugendlichen. Jugendliche können sich mithilfe der Medien „von
kognitiver Überlastung (Schule) erholen und sich der Imperativwelt der Erwachsenen
entziehen. Bei vielen Kindern dienen Personen aus Film und Fernsehen als Vorbilder“ (Röll
2010, S. 27). Zusätzlich findet ein großer Teil der Identitätsentwicklung und der
Bewältigung von Kernherausforderungen der Jugendphase, wie beispielsweise
Selbstpositionierung in der Gesellschaft und Verselbstständigung, auf Sozialen Medien
statt. (vgl. Tillmann 2017, S. 17) Dadurch entsteht eine hohe Bedeutung Sozialer Medien
für die Sozialisation der Jugendlichen. (vgl. Alfert 2013, S. 87–88) Durch diese signifikante
Bedeutung sind Soziale Medien längst in die Lebenswelt der Jugendlichen vorgedrungen
und aus dieser auch nicht mehr wegzudenken, denn „es gibt keine von Medien
unbeeinflusste Lebenserfahrung mehr“ (Röll 2009, S. 268).
Alfert betont, dass Soziale Medien „als Realität und nicht lediglich als
Kommunikationsmittel zu begreifen“ (Alfert 2013, S. 100–101) sind. Soziale Medien stehen
in direktem Zusammenhang mit den offline Lebenswelten und sind als alternative
Sozialräume zu verstehen, die „die Sozialisationsbedingungen, Entwicklungsaufgaben und
Lebenswelten verändern“ (Alfert 2013, S. 100–101). Diese Veränderungen führen auch zu
einer steigenden virtuellen Beziehungs- und Alltagsgestaltung. (vgl. Alfert 2013, S. 89), der
sich auch die Jugendarbeit nicht entziehen sollte. Ein großer Teil der Identitätsentwicklung
und der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben findet heutzutage in Sozialen Medien
statt. Jessica Euler und Denise Paschen beschreiben diese Veränderungen als
„Entwicklung von Lebenswelten zu Medienwelten“ (Euler und Paschen 2013).
In der Literatur sind sich die Autor*innen einig, dass durch die Zunahme an Bedeutung der
Medien für die Lebenswelt der Zielgruppe die Jugendarbeit dafür vorbestimmt ist, „sich den
digital-vernetzten Medienwelten der Kinder und Jugendlichen zu öffnen“ (Tillmann 2018,
S. 68). Denn „die Axiome Lebenswelt- und Sozialraumorientierung verdeutlichen die
Notwendigkeit, dass sich Fachkräfte der Jugendarbeit zu und eben auch in den Neuen
Medien positionieren, die Chancen nutzen und Jugendliche für die Risiken sensibilisieren
- sie in diesem Teil ihrer Lebenswelt also ebenfalls begleiten, anstatt sich aus diesem
Bereich (selbst) auszuschließen“ (Alfert 2013, S. 100–101). Die Auseinandersetzung über
Vor- und Nachteile der Teilhabe der Offenen Jugendarbeit in Sozialen Netzwerken, sollte
nicht in einer Diskussion über die Nutzung, sondern darüber, wie Soziale Netzwerke
genutzt werden können und wie Methoden an diese Veränderungen angepasst werden
können, enden. Denn es ist längst klar, dass Soziale Medien nicht nur für begrenzte Zeit
modern sind und deren Vorbeigehen einfach abgewartet werden kann. (vgl. Alfert 2013, S.
89-90)
Medien gehören heute selbstverständlich zur Lebenswelt der Jugendlichen. Alfert betont
in diesem Zusammenhang, dass die Soziale Arbeit gefordert ist, bereits „bestehende
Konzepte und Methoden zu überdenken, vor allem aber zu erweitern, um den Anschluss
an diese Entwicklung und damit an die Jugendlichen nicht zu verpassen“ (Alfert 2013, S.
100).
Jugendliche erwerben die Kompetenz, in virtuellen Welten sozial handlungsfähig zu
werden, hauptsächlich innerhalb ihrer wichtigen Peergruppen. Die Offene Jugendarbeit ist
aufgefordert, sich die (virtuelle) Lebenswelt der Jugendlichen zugänglich zu machen und
2
sich mit ihr auseinanderzusetzen. Dafür müssen digitale Medien stärker in die Arbeit
integriert werden, um die „Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit digitalen Medien zu
fördern - und im Zuge dessen auch das eigene Medienhandeln zu reflektieren“ (Tillmann
2018, S. 70–71). Hierzu soll diese Arbeit einen Beitrag leisten, um nicht bei Facebook
stehen zu bleiben, sondern sich immer weiter zu entwickeln.
Die Ziele eines virtuellen Auftritts können unterschiedlicher Art sein. Einerseits kann die
Darstellung der Institution und klassische Öffentlichkeitsarbeit mit Bereitstellung von
Informationen über die Einrichtung, die Zielgruppe und den Träger im Vordergrund stehen.
Andererseits kann es auch um die soziale Interaktion mit Fokus auf die
Beziehungsgestaltung, Kommunikation mit der Zielgruppe und relevanten Peergruppen
gehen. Die virtuelle Präsenz der Jugendarbeit kann den alltäglichen Handlungsspielraum
vergrößern und eine zusätzliche Kontaktfunktion darstellen. Die Vorteile sind
beispielsweise Niederschwelligkeit, gute und schnelle Erreichbarkeit der Zielgruppe und
die einfache und direkte, situations- und ortsunabhängige Möglichkeit der
Kontaktaufnahme. Dadurch können Beziehungen aufgenommen, gepflegt und gestärkt
werden. Durch die Rückmeldung im virtuellen Raum kann das Interesse an den
Jugendlichen signalisiert werden und auf ihre Bedürfnisse optimal eingegangen werden.
(vgl. Alfert 2013: 90-94) „Im besten Fall werden realweltliche Angebote mit den
Möglichkeiten des virtuellen Raumes kombiniert“ (Alfert 2013, S. 94). Es ist wichtig zu
betonen, dass virtuelle Angebote „das realweltliche soziale Handeln jedoch lediglich
ergänzen bzw. unterstützen“ (Alfert 2013, S. 101) können. Es soll dabei nicht um den
Ersatz bewährter bestehender Angebote gehen. „Die lebenswelt- und sozialraumorientierte
Ausrichtung als Grundprinzip der Jugendarbeit, verdeutlicht daher die Notwendigkeit, diese
neuen Räume mitzudenken und in die Arbeit einfließen zu lassen“ (Alfert 2013, S. 88).
Besonders dann, wenn Medien als erweiterte Sozialräume gedacht werden, werden
Zusammenhänge zur theoretischen Grundlage der Jugendarbeit sichtbar.
Christian Helbig führt als Beispiel einer Verbindung zwischen klassischen Methoden und
digitalen Medien die virtuell-aufsuchende Jugendarbeit an, „die sich als konzeptionelle
Erweiterung der mobilen Jugendarbeit versteht. Während in der klassischen Form
aufsuchender Ansätze der professionelle Kontakt zu Adressat/innen an den Treffpunkten
im öffentlichen Raum gesucht wurde, reagiert der virtuell-aufsuchende Ansatz darauf, dass
sich Jugendliche heute mit Hilfe mobiler Technologien zeitlich und räumlich flexibel
verabreden und es weniger konstante Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum für
junge Menschen gibt“ (Helbig 2017, S. 140). Auch die Jugendarbeit kann dort sein, wo
Kommunikation zwischen Jugendlichen stattfindet, doch warum ist dieser Ansatz nicht
schon längst weit verbreitet? Was hindert die Offene Jugendarbeit daran, die virtuellen
Konzepte in ihre Arbeit einzubinden?
Alfert stellt in diesem Zusammenhang die Frage, „in wieweit es dem jeweiligen Auftrag
einer Institution entspricht, im Internet [...] präsent zu sein. Versteht sich die Kinder- und
Jugendarbeit als lebenswelt- und sozialraumorientierte Disziplin, bedarf es in jedem Fall
einer intensiven Auseinandersetzung mit der Möglichkeit virtuellen Engagements von
Fachkräften, mit neuen und kreativen Ideen sowie mit Ansätzen in der alltäglichen Arbeit“
(Alfert 2013, S. 89). Hierbei wird deutlich, dass die Grundlage der Jugendarbeit, nämlich
sich mit aktuellen Themen zu beschäftigen und auf die Bedürfnisse der Jugendlichen
ausgerichtet zu sein, die Teilhabe in der virtuellen Welt notwendig macht. Die
3
Veränderungen machen Handlungsbedarf auf zwei Ebenen sichtbar, „in Bezug auf den
eigenen Nutzen und den Nutzen für die Jugendlichen“ (Alfert 2013, S. 89).
„Durch die Auseinandersetzung der Jugendarbeit mit den Neuen Medien verortet sie sich
in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess und geht somit - zunächst indirekt - auf die
neuen Wandlungsprozesse in der Lebenswelt ihrer AdressatInnen ein. Damit einher geht
vor allem die Herausforderung, Technologie und Wandel der Kommunikationsstrukturen
der Jugendlichen zu verstehen und analytisch zu beobachten sowie die Risiken
einschätzen zu können, um Zugänge zu erarbeiten und zu erneuern. [...] Das reine
technische Geschick reicht hier nicht aus, notwendig ist, das Phänomen und die
Begeisterung dahinter zu verstehen“ (Alfert 2013, S. 87).
„Die Forschung in der Sozialen Arbeit steht zukünftig vor der Herausforderung, die
Mediatisierung als relevanten Faktor in ihren Fragestellungen deutlicher zu
berücksichtigen. Der Einbezug der medialen Handlungspraxen von Adressat/
innengruppen und Fachkräften sowie der Mediatisierung von professionellen
Handlungskontexten wird zunehmend zur Voraussetzung, um gegenwärtige und
zukünftige Anforderungen an die Soziale Arbeit analysieren und Handlungsstrategien
entwickeln zu können. Nicht zuletzt ist es stärker erforderlich, dass Wissenschaft und
Praxis gemeinsam Konzepte und Modelle entwickeln, die auf die einzelnen
Handlungsfelder zugeschnitten sind und sowohl Fachkräften als auch Adressat/innen
Orientierungen im Prozess der Mediatisierung geben“ (Helbig 2017, S. 148).
In diesem Sinne interessiert mich folgende Forschungsfrage:
In welcher Form verändern Soziale Medien die Offene Jugendarbeit und wie kann
diese auf die veränderten Bedingungen reagieren, um die Erreichbarkeit von
Jugendlichen auch zukünftig zu gewährleisten?
Diese Frage kann in drei Subkategorien eingeteilt werden. Erstens in die Veränderungen
von Sozialen Medien, der Lebenswelt der Zielgruppe und der Offenen Jugendarbeit,
zweitens in die Reaktionen der Offenen Jugendarbeit auf eben jene Veränderungen und
drittens in die mögliche Erreichbarkeit der Jugendlichen.
Die Bearbeitung der Forschungsfrage legt eine qualitative Forschungsmethode nahe. Zur
Beantwortung der Forschungsfrage wurden Interviews mit Expert*innen aus dem Feld der
Offenen Jugendarbeit in Wien durchgeführt. Dabei wurden Expert*innen gewählt, die mit
dem Thema „Social Media“ bereits zu tun haben, wie Jugendsozialarbeiter*innen mehrerer
Träger für Offene Jugendarbeit und Expert*innen von Saferinternet.at, dem WienXtra-
Medienzentrum und dem Institut für Jugendkulturforschung mit dem Schwerpunkt Nutzung
von Sozialen Medien durch Jugendliche. Die Auswertung der Interviews wurde in
Anlehnung an Udo Kuckartz durch die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse
durchgeführt. (vgl. Kuckartz 2018, S.167)
Diese Arbeit gliedert sich grob in zwei Teile. Im ersten Teil ist in Kapitel 1 bis 3 die
theoretische Einbettung des Themas zu finden. Im ersten Kapitel befinden sich diverse
Begriffsbestimmungen, Definitionen und Erklärungen zu Sozialen Netzwerken und der
Offenen Jugendarbeit. Im zweiten Kapitel werden die Veränderungen durch Soziale
Medien in Bezug auf Soziale Medien selbst, die Lebenswelt der Jugendlichen und die
Offene Jugendarbeit, wie sie in der Literatur beschrieben werden, dargestellt. Am Ende
des zweiten Kapitels befindet sich ein Exkurs zu den Veränderungen der Raumkonzepte
in der Offenen Jugendarbeit. Im dritten Kapitel werden die, in der Literatur beschriebenen,
4
Reaktionen der Offenen Jugendarbeit auf die in Kapitel 2 beschriebenen Veränderungen
erläutert. Im zweiten Teil ist die empirische Forschung in Bezug zur Forschungsfrage zu
finden. In Kapitel 4 ist eine Darstellung des angewendeten Forschungsdesigns dieser
Arbeit zu finden. Das fünfte Kapitel besteht aus der Darstellung der empirischen
Ergebnisse, die aus den Interviews gewonnen wurden. Hier findet sich wieder die
Aufteilung in die Subkategorien der Forschungsfrage, beginnend mit den
wahrgenommenen Veränderungen durch Soziale Medien, gefolgt von den beschriebenen
Reaktionen und abgeschlossen mit den Möglichkeiten zur Erreichbarkeit der jugendlichen
Zielgruppe. Das sechste Kapitel besteht aus der Zusammenfassung der Erkenntnisse aus
Theorie und Empirie und wird mit den Handlungsempfehlungen für die Praxis
abgeschlossen. Im letzten Kapitel ist ein kurzer Ausblick zu finden.

5
1. BEGRIFFSBESTIMMUNG
Das Internet ist ein Universalmedium und bietet „Kanäle zur synchronen oder
zeitversetzten interpersonalen Kommunikation“ (Schmidt 2018, S. 9). Als Web 2.0 wird die
Weiterentwicklung des Internets von einer primären Informationsquelle zum „Mitmachnetz“
bezeichnet. Nutzer*innen wurde es möglich, eigene Inhalte mit simpler Technik zu
veröffentlichen und sich weltweit mit anderen Personen auszutauschen. (vgl. Poli 2010, S.
270) „Der Begriff Web 2.0 hat sich in den letzten Jahren zu einem Schlagwort für den
Wandel des Internets entwickelt und sich in der Gesellschaft etabliert. Im weitesten Sinn
steht er für eine Veränderung der Nutzungsweisen des Webs, bei denen vor allem
kommunikative und partizipative Funktionen im Vordergrund stehen“ (Alfert 2015a, S. 28).
Nutzer*innen werden aktiv einbezogen und können selbstständig Inhalte produzieren. Die
Grenzen zwischen Produzent*innen und Konsument*innen werden undeutlich. Das Web
2.0 ist weniger Technologie, sondern mehr „eine neue Form des Umgangs mit den
Möglichkeiten des Internets“ (Alfert 2015a, S. 311–312).
Als Social Web wird ein Teil des Web 2.0 verstanden, der den „sozialen Charakter“ noch
stärker in den Mittelpunkt stellt. Dabei geht es verstärkt um die Förderung sozialer Gefüge.
Informationsaustausch, Beziehungspflege, Kommunikation und Zusammenarbeit
zwischen Menschen sind wesentliche Aspekte des Social Web. Trotz der Vielzahl der
Angebote im Social Web können Modelle wie Wikis, Blogs, Social Sharing Seiten und
Soziale Netzwerke unterschieden werden. Zusätzlich gibt es diverse Hybrid-Angebote, die
zu mehreren Modellen gezählt werden können. (vgl. Alfert 2015a, S. 34–38)
Der Ausdruck „Soziale Medien“ dient „als Sammelbegriff für bestimmte Angebote und
Formen digital vernetzter Medien, die das onlinebasierte Bearbeiten und Veröffentlichen
von Inhalten aller Art sowie die Beziehungspflege und den Austausch zwischen Menschen
erleichtern“ (Schmidt 2018, S. 16). „Social Media, Neue Medien oder Web 2.0 beschreiben
je nach Perspektive eine Fülle unterschiedlicher Möglichkeiten von […] Angeboten.
Gemeinsam ist ihnen, dass im Gegensatz zu den bekannten Massenmedien wie Radio,
Fernsehen oder Printmedien die aktive Teilnahme der NutzerInnen nicht ein möglicher
Nebeneffekt, sondern Grundbedingung des Funktionierens dieser Informations- und
Kommunikationstechnologien ist“ (Steiner und Goldoni 2013, S. 248). Soziale Medien
weisen zwei entscheidende Elemente auf. Einerseits werden verschiedenste Informationen
verfügbar und veränderbar, ohne zwingend dafür technisches Knowhow zu benötigen.
Andererseits kann Kommunikation zwischen unterschiedlichen Nutzer*innen stattfinden
und Beziehungen zueinander sichtbar gemacht werden, beispielsweise bei der
Bestätigung als „Freund“. Soziale Medien bieten also das Potential „Inhalte online zu
veröffentlichen und zu bearbeiten sowie besseren Austausch mit anderen“ (Schmidt 2018,
S. 11).
„Social Web“, „Social Media“, „Soziale Netzwerke“,… die Begrifflichkeiten für Soziale
Medien sind oft irreführend, da der Ausdruck „sozial“ an „fürsorglich“ denken lässt. (vgl.
Schmidt 2018, S. 15) Außerdem ist es aufgrund der blitzartigen Veränderungen auf diesem
Gebiet nicht leicht, eine Begriffsbestimmung vorzunehmen, daher sind Definitionen oft sehr
unterschiedlich, ähnlich unterschiedlich wie die Formen Sozialer Netzwerke. (vgl. Alfert
2015a, S. 40)

6
1.1 Soziale Netzwerke
Ursprünglich wird unter Sozialen Netzwerken das Netz aller Beziehungen einer Person mit
anderen Menschen verstanden. Dieser Begriff hat in der Sozialen Arbeit lange Tradition.
Durch die Veränderungen im Rahmen „neuer Medien“ erstarkt ein neuer Netzwerkbegriff
(vgl. Kutscher 2013, S. 43). Unter Sozialen Onlinenetzwerken werden Plattformen zur
Kommunikation verstanden, bei denen es vorranging darum geht, Menschen und ihre
Beziehungen in den Fokus zu rücken und miteinander zu vernetzen. Soziale Netzwerke
bringen den „sozialen Aspekt“ des Social Webs prägnant auf den Punkt. (vgl. Alfert 2015a,
S. 38–39) „Soziale Netzwerke haben sich binnen kurzer Zeit als zentrale Dienste im
Kontext der Internetnutzung etabliert und gehören mittlerweile für eine große Anzahl von
Menschen zum Alltag. Aufgrund der immensen Verbreitung Sozialer Netzwerke in der
Lebenswelt auch der Zielgruppen der Sozialen Arbeit entfaltet sich dadurch ein Feld, das
hinsichtlich seiner Potenziale, aber auch seiner Herausforderungen Reflexions- und
Handlungsbedarfe aufwirft“ (Kutscher 2013, S. 43). Social Network Sites (auch unter „SNS“
bekannt) sind besondere Internetseiten mit separaten Profilen der Nutzer*innen. Durch die
Vernetzung der unterschiedlichen Profile wird die Sichtbarkeit des sozialen Netzes deutlich
und „Beziehungspflege und Kommunikation in neuartiger Weise über das Internet möglich“
(Fuchs und Goldoni 2013, S. 117). Nach Nadine Tournier gibt es bezeichnende Kriterien,
die für Soziale Netzwerkplattformen gelten. Nutzer*innen können sich registrieren, eigene
Angaben zur Person machen und somit ein Profil veröffentlichen. Damit gibt es die
Möglichkeit, von diesem Profil ausgehend Kontakte zu verknüpfen und als solche
auszuweisen. Die Kontaktlisten können innerhalb der Plattform zur Navigation genutzt
werden. (vgl. Tournier 2014, S. 312) „Die Selbstdarstellung der Person kann in der Regel
mit Fotos und personenbezogenen Daten (wie Kontaktdaten, Geburtsdaten, ArbeitgeberIn,
Hochschule, Beziehungsstatus etc.) ausgestaltet sowie zusätzlich mit Interessen und
Hobbys untermauert werden“ (Alfert 2015a, S. 42). Besonders in Sozialen Netzwerken sind
die Verbindungen mit „realweltlichen Gruppen“ essenziell, die oft schon vor dem
Onlinekontakt bestehen. Auf der Pflege bestehender Beziehungen scheint in Sozialen
Netzwerken ein Fokus zu liegen. Die Verknüpfungen von Kontakten, also das
Sichtbarmachen von Beziehungen, muss meist von der anderen Person bestätigt werden,
bevor Kommunikation stattfinden kann. Verbundene Kontakte können auf unterschiedliche
Arten miteinander kommunizieren, beispielsweise privat mittels Chat, öffentlich durch
Postings auf der persönlichen Seite oder via Kommentare auf hochgeladene Inhalte. (vgl.
Alfert 2015a, S. 42–43) Statusmeldungen, wie beispielsweise „Stories“ auf Instagram,
werden mit steigender Tendenz genutzt.
Mit dem Jugend-Internet-Monitor werden jährlich die bedeutsamsten Sozialen
Netzwerkplattformen der Jugendlichen erhoben. Der Jugend-Internet-Monitor 2020
entstand aus einer repräsentativen Onlineumfrage des Instituts für Jugendkulturforschung.
„Dazu wurden 400 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren im Jänner & Februar 2020
zu ihrer Nutzung von Sozialen Netzwerken befragt“ (Safer Internet 2020c). Als
bedeutsamste Veränderung zum Vorjahr kann die App TikTok genannt werden, die
erstmals zu den häufigsten sechs Netzwerken gezählt werden kann. Auch Telegram und
YouTube haben mit beinahe 15 Prozent Steigerung Erfolge erzielt. (vgl. Safer Internet
2020c)

7
Abbildung 1: Jugend-Internet-Monitor 2020 Österreich (Safer Internet 2020c)

1.1.1 WhatsApp
„WhatsApp ist für junge ÖsterreicherInnen zum unverzichtbaren Tagesbegleiter geworden“
(Institut für Jugendkulturforschung 2018). Dies wird auch durch den Jugend-Internet-
Monitor 2020 bestätigt, bei dem WhatsApp mit 91 Prozent Nutzung auf Platz 1 liegt.
„WhatsApp ist eine Messenger-App zum Versenden von Textnachrichten, Fotos, Videos,
Dokumente [sic!], Sprachnachrichten oder Audiodateien. Unterhaltungen können nicht nur
zu zweit geführt werden. Auch Chat-Gruppen mit bis zu 256 Personen können gegründet
werden. WhatsApp-Gruppen sind mittlerweile sehr wichtig für die Organisation und den
Austausch in der Familie, unter MitschülerInnen, ArbeitskollegInnen, FreundInnen usw.
Seit 2015 kann man mit WhatsApp über das Internet (Datenvolumen oder WLAN)
telefonieren“ (Safer Internet 2020d). WhatsApp dient der Kontaktpflege und der
Informationsgewinnung. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S. 46-47) Um WhatsApp zu nutzen
wird eine Handynummer bzw. eine SIM-Karte benötigt. Das viel diskutierte
datenschutzrechtliche Problem bei WhatsApp liegt darin, dass die App selbstständig auf
die Kontakte im Adressbuch zugreift „und prüft, wer ebenfalls bei WhatsApp registriert ist“
(Safer Internet 2020f). Offiziell liegt das Mindestalter für eine Nutzung von WhatsApp bei
16 Jahren, was auch im Zuge der Nutzungsbestimmungen und Datenschutzrichtlinien der
App zu bestätigen ist. Da allerdings nicht überprüft wird, wie alt die Nutzer*innen tatsächlich
sind, spielt das Mindestalter in der Praxis keine Rolle, „da auch jüngere Kinder die App
problemlos installieren und nutzen können“ (Safer Internet 2020a).
1.1.2 YouTube
YouTube liegt im aktuellen Jugend-Internet-Monitor nur knapp hinter dem Messenger
WhatsApp. „YouTube ist ein kostenloses Videoportal zum Anschauen, Teilen und
8
Hochladen von Videos“ (Safer Internet 2019e). Es kann ein eigener Kanal erstellt, und
Videos können bewertet und kommentiert werden. Außerdem ist es möglich die Videos
auch auf anderen Sozialen Netzwerken zu teilen. „Ganz besonders für Kinder und
Jugendliche hat sich YouTube zum Internet-Leitmedium entwickelt“ (Brenner 2019a, S.
415). Einer Studie zufolge können YouTube-Videos für Kinder und Jugendliche eine
aktivierende Wirkung haben, da ihre Neugierde geweckt wird, sie begeistert und in ihren
Interessen unterstützt werden. Zudem sind die Videos „verständlicher, einfacher, deutlicher
und einprägsamer“ als schulische Bildungsmethoden, sie können beliebig oft wiederholt
werden und sind immer und überall verfügbar. (vgl. Brenner 2019a, S. 416)
1.1.3 Instagram
Instagram liegt mit 76 Prozent auf Platz 3 des Jugend-Internet-Monitors 2020 und „ist eine
kostenlose App zum Teilen von Fotos und Videos“ (Safer Internet 2020b). Diese Fotos
können zuvor direkt in der App mit zur Verfügung stehenden Tools bearbeitet werden.
Durch die Story-Funktion können Inhalte für kurze Zeit (24 Stunden) geteilt werden. (vgl.
Safer Internet 2020e) „In diesem Online-Dienst steht somit die Kommunikation durch
unbewegte oder bewegte Bilder im Mittelpunkt, die Bilder können aber auch mit kurzen
Textnachrichten versehen werden“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 49). Die Profile sind
grundsätzlich auf „öffentlich“ eingestellt, was bedeutet, dass jeder die Inhalte, zum Beispiel
durch eine Suchmaschine, finden und sehen kann. (vgl. Safer Internet 2020g) Das
Rautezeichen „#“ (siehe Titel der Arbeit) dient dazu, den anschließenden Ausdruck als
Suchbegriff für Beiträge mit dem selben Ausdruck zu hinterlegen. (vgl. Schmidt 2018, S.
14)
1.1.4 Snapchat
An vierter Stelle steht Snapchat. „Snapchat ist ein kostenloser Messenger für Smartphones
und Tablets zum Versenden von Fotos und Kurzvideos (‚Snaps‘), die nach wenigen
Sekunden wieder von selbst verschwinden. Die Fotos und Videos werden direkt in der App
erstellt und können mit vielen Extras (z. B. Text, Emojis...) versehen oder mit speziellen
Filtern bearbeitet werden. Snapchat wird gern dazu genutzt, besonders ‚blöde‘ oder
freizügige Fotos zu verschicken“ (Safer Internet 2019c).
1.1.5 Facebook
Facebook wird „alt und immer älter“ (Institut für Jugendkulturforschung 2018). Der
ehemalige Spitzenreiter unter den Sozialen Netzwerken steigt seit einigen Jahren
kontinuierlich ab und befindet sich zurzeit auf Platz 5. Noch 2013 war Facebook nach
eigenen Angaben das weltweit weitverbreitetste Soziale Netzwerk. (vgl. Kutscher 2013, S.
44) Facebook war das erste Angebot, das als SNS wahrgenommen wurde und andere
Plattformen inspirierte. (vgl. Alfert 2015a, S. 39–40) Facebook wird von den jungen
Nutzer*innen vor allem als Nachrichtenkanal bzw. Infoseite gebraucht. (vgl. Mayrhofer et
al. 2017, S. 19) Mittels Kommentar- und Share-Funktionen oder Umfragen können
Meinungen eingeholt, abgestimmt und Ergebnisse öffentlich gemacht werden. Aber auch
realweltliche Erfahrungen können hier dokumentiert und diskutiert werden, wodurch neue
Formen der Teilhabe entstehen können. (vgl. Alfert 2013, S. 93) „Facebook stellt somit ein
Werkzeug zur Identitätsentwicklung und einen Raum zur Teilhabe an der Gesellschaft dar“
(Alfert 2015, S. 78).
9
1.1.6 TikTok
An sechster Stelle, Tendenz steigend, befindet sich aktuell die App TikTok. „TikTok ist eine
App mit der 15-sekündige bis 5-minütige Musikvideos aufgenommen und mit anderen
Nutzer/innen geteilt werden können“ (Safer Internet 2019d). Der Aufbau ist dem von
Instagram sehr ähnlich, nur können hier statt Fotos Videos geteilt werden. Nutzer*innen
können aus unterschiedlichen Liedern wählen und eine eigene Playback-Show
aufnehmen. Fans auf TikTok sind mit Followern auf Instagram gleichzusetzen. Das sind
„Personen, die dein Profil abonniert haben und deine Post in ihrem News-Feed sehen“
(Safer Internet 2019d). Herzen auf TikTok entsprechen dem „Gefällt-mir“-Button auf
Facebook, damit kann signalisiert werden, welche Videos einzelnen Personen gefallen.
(vgl. Safer Internet 2019d) Nach den Nutzungsbestimmungen von TikTok müssen
Nutzer*innen mindestens 13 Jahre alt sein. Unter 18 Jahren, müsste eine offizielle
Einwilligung der Erziehungsberechtigten eingeholt werden. Durch die österreichische
Gesetzeslage müssten Nutzer*innen mindestens 14 Jahre alt sein. In der Praxis haben
diese Altersbeschränkungen jedoch geringe Bedeutung, „da auch jüngere Kinder die App
problemlos installieren und nutzen können“ (Safer Internet 2019a).
Jan-Hinrik Schmidt postuliert, dass Soziale Medien einen innovativen Raum zwischen der
„massenmedialen und der interpersonalen Kommunikation“ (Schmidt 2018, S. 11)
gestalten.

1.2 Offene Jugendarbeit


Das bundesweite Netzwerk Offene Jugendarbeit (bOJA) definiert die Offene Jugendarbeit
(OJA) als „ein pädagogisches Handlungsfeld im Kontext von Bildungsarbeit, Kulturarbeit,
sozialer Arbeit und Präventionsarbeit. Sie [die Offene Jugendarbeit, Anm. d. Verf.] ist offen
für Menschen, Gruppen, Szenen und Kulturen. Sie setzt sich mit jungen Menschen
auseinander, nimmt sie ernst und arbeitet parteilich für sie, unabhängig von Alter,
Geschlecht, Religion, Bildung, sozialer Schicht und Herkunft“ (bOJA 2015, S. 8). Die
Bezeichnungen „Offene Jugendarbeit“ (OJA) und „Offene Kinder- und Jugendarbeit“
(OKJA) werden häufig synonym benutzt. Wobei letzteres besonders in Wien sehr
gebräuchlich ist. In dieser Arbeit wird der Begriff „Offene Jugendarbeit“ bzw. die Abkürzung
„OJA“ Verwendung finden, wobei die Zielgruppe durchaus auch Kinder inkludiert, denn
„Zielgruppe der Offenen Jugendarbeit sind junge Menschen, unabhängig von sozialem
Status, Geschlecht sowie ethnischen oder religiösen Zugehörigkeiten. Die Angebote der
Offenen Jugendarbeit stehen allen jungen Menschen offen“ (bOJA 2015, S. 13). Sie
können von Kindern und Jugendlichen ab dem Schulalter selbstständig regelmäßig oder
auch unregelmäßig genutzt werden. Beispielsweise um ihre Freizeit in Einrichtungen der
OJA zu verbringen, sich zu erholen oder Beratung in Anspruch zu nehmen. (vgl. Alfert
2015a, S. 143) Die Offene Jugendarbeit legt den Fokus auf die „Einbindung junger
Menschen in spezifische Angebotsstrukturen, die vergleichsweise niedrigschwellige
Zugänge bereitstellen und Prinzipien wie Offenheit, Freiwilligkeit oder Partizipation
umsetzen“ (Liebig 2019, S. 7).
1.2.1 Handlungsprinzipien
In der Literatur werden unterschiedliche Handlungsprinzipien für die Offene Jugendarbeit
genannt. Dazu zählen beispielsweise Prävention, Alltagsorientierung, Integration,

10
Partizipation, Freiwilligkeit, Interessenbezogenheit, Offenheit der Inhalte, Beziehungsarbeit
als Grundlage, Diskursivität im Sinne einer Aushandlungskultur und viele mehr. (vgl. Rösch
2018, S. 63-67, Alfert 2015a, S. 146-148)
Zu den Arbeitsprinzipien nach dem Qualitätshandbuch der bOJA zählen unter anderem:
• Offenheit der OJA für verschiedene Zielgruppen, für den Prozess und die Wirkung
der gesetzten Angebote.
• Partizipation im Sinne der Förderung von Beteiligungs- und
Mitgestaltungsmöglichkeiten der Zielgruppe.
• Freiwilligkeit der Zielgruppe selbst zu entscheiden, welche Angebote genutzt
werden und welche nicht.
• Niederschwelligkeit der Angebote, sodass ein freier und einfacher Zugang
gewährleistet sein kann.
• Beziehungskontinuität zwischen Fachkräften der OJA und der Zielgruppe, die sich
in Form von andauernden Aushandlungsprozessen in der Interaktion miteinander
zeigt. Im Zuge dessen erfährt die Zielgruppe Konsequenzen ihres Handelns als
Angebot sich weiterzuentwickeln.
• Parteiliches Mandat für die Zielgruppe.
• Akzeptierende Grundhaltung, wodurch der Zielgruppe immer annehmend und
anerkennend in Bezug auf ihre Entscheidungen und Einstellungen begegnet wird.
• Bedürfnisorientierung in Bezug auf die Bedürfnisse und Interessen der Zielgruppe,
die als Wünsche bzw. Notwendigkeiten wahrgenommen werden oder die der
Zielgruppe als Teil der Gesellschaft zugeschrieben werden und denen mit
angemessenen Angeboten entgegnet werden kann.
• Lebensweltorientierung im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses der
Lebenswelt der Zielgruppe, wodurch eine enge Verbindung zur Lebenslage, den
aktuellen Bedingungen und ihrer sozialräumlichen Lebenswelt hergestellt werden
kann. Die OJA wirkt hier als Element der sozialen Infrastruktur ihrer Zielgruppe.
• Ressourcen- bzw. Potenzialorientierung, wodurch die Zielgruppe eigene Stärken
und Fähigkeiten durch Angebote der OJA entdecken kann.
• Sozialraumorientierung
• … (vgl. bOJA 2015, S. 18–22)
Besonders das Prinzip der Freiwilligkeit wird „als die zentrale Leitlinie bezeichnet […]. Um
attraktive Angebote unter der Prämisse von Freiwilligkeit machen zu können, muss sich
Jugendarbeit zwingend an den Interessen von Jugendlichen orientieren“ (Rösch 2018, S.
63). Zudem wird die OJA durch die intensive Beziehungsarbeit ausgezeichnet, die die
Fachkräfte leisten und dadurch eine Vorbildfunktion einnehmen. Auch die
Lebensweltorientierung ist in der Literatur eines der am häufigsten genannten
Handlungsmaxime, denn die OJA begegnet ihrer Zielgruppe in deren Lebenswelt, also
dort, wo sie in ihrem Leben stehen. (vgl. bOJA 2015, S. 8) Die Angebote knüpfen an den
Erlebnissen und Bedürfnissen der Zielgruppe an. Ihre Anliegen und Wahrnehmungen
werden ernst genommen, ihr Umfeld berücksichtigt und die Inhalte von der Zielgruppe
selbst bestimmt. (vgl. Rösch 2018, S. 64, Alfert 2015a, S. 154) Darüber hinaus ist die OJA
durch ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen den Fachkräften und der Zielgruppe
gekennzeichnet. Dies wird auch in der Kommunikation sichtbar, die beispielsweise auch

11
durch eigene Werte geprägt sein kann, wodurch die Zielgruppe ehrliche Rückmeldungen
zu ihrem Verhalten bekommen kann. (vgl. Rösch 2018, S. 66)
„Insgesamt können als Leitlinien von Jugendarbeit, die durchgehend aufgeführt werden,
Freiwilligkeit, Interessen- bzw. Lebensweltorientierung sowie Partizipation benannt
werden“ (Rösch 2018, S. 65).
1.2.2 Ziele
Die Ziele der OJA werden im Qualitätshandbuch der bOJA unter anderem folgendermaßen
angeführt:
• Die Persönlichkeitsentwicklung wird unterstützt, denn Jugendarbeit wirkt präventiv.
Sie fördert „die Weiterentwicklung der Persönlichkeit des jungen Menschen mit dem
Fokus [auf, Anm. d. Verf.] Eigenständigkeit, Eigenverantwortung und
Empowerment“ (bOJA 2015, S. 15).
• Die Handlungskompetenz der Zielgruppe wird erweitert, „indem Bildungsprozesse
gezielt initiiert und gefördert werden“ (bOJA 2015, S. 16).
• Die Identitätsentwicklung der Zielgruppe wird unterstützt. Dies gelingt insbesondere
durch „die Auseinandersetzung mit allen Werten und Orientierungen, die die
menschlichen Lebenswelten betreffen“ (bOJA 2015, S. 16).
• Gesellschaftliche Teilhabe wird ermöglicht durch einen Beitrag zur
Verteilungsgerechtigkeit mithilfe der Bereitstellung von Ressourcen und
Möglichkeiten. Außerdem wird soziale Inklusion gefördert durch Aktionen, die der
Zielgruppe einen Platz in der Gesellschaft ermöglichen und geeignete
Rahmenbedingungen dafür schaffen. (vgl. bOJA 2015, S. 16)
Durch die Ziele wird die inhaltliche Vorgabe der „Präsenz in der Lebenswelt und den
Alltagsräumen von Kindern und Jugendlichen“ (Rösch 2018, S. 63) deutlich. Durch die
unterschiedlichen Zielsetzungen der OJA wird das Anforderungsprofil der Fachkräfte
immer weiter ausdifferenziert und erweitert. (vgl. Alfert 2015a, S. 156)
1.2.3 Methoden
Zu den Methoden Offener Jugendarbeit zählen unter anderem Beziehungsarbeit,
Medienpädagogik, Einzelfall-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit, sozialräumliche
Jugendarbeit, Netzwerkarbeit, Streetwork, Projektarbeit und viele mehr. (vgl. bOJA 2015,
S. 24–28) Als besonders wichtig im Zusammenhang mit der Nutzung Sozialer Medien
stellten sich die Methoden Beziehungsarbeit, Medienpädagogik, sozialräumliche
Jugendarbeit und Streetwork heraus, die im Folgenden genauer betrachtet werden.
• Durch die Beziehungsarbeit treten Jugendarbeiter*innen mit der Zielgruppe
gegenseitig in Kontakt. Dadurch können die Bedürfnisse, Ressourcen und
Lebenswelten der Zielgruppe professionell wahrgenommen werden und anhand
dessen passende Angebote entwickelt werden. „Die Rolle des Jugendarbeiters/der
Jugendarbeiterin besteht darin, als Fachperson Orientierung, Begleitung, Halt,
Lösungsansätze und Handlungsoptionen anzubieten. Er/sie ist als authentischer
Erwachsener ein ‚Role Model‘“ (bOJA 2015, S. 24).
• Medienpädagogik bezeichnet die Auseinandersetzung mit Medien, im speziellen
mit den neuen Medien. (vgl. bOJA 2015, S. 26) Für Verena Ketter sollte
Medienpädagogik als fixer Bestandteil einer lebensweltorientierten Jugendarbeit
etabliert werden, da somit das „alltägliche Medienhandeln Jugendlicher im Web“
12
(Ketter 2011, S. 23) anerkannt würde und somit für Angebote zur
Persönlichkeitsbildung oder zur gesellschaftlichen Teilhabe nutzbar gemacht
würde. Ziel sollte die Vermittlung von Medienkompetenz sein, denn „die
eingeschränkte Befähigung im Umgang mit Medien behindert Teilhabe und stellt
eine mögliche Ursache für Problemsituationen dar. Dahingegen eröffnen sich bei
kompetenter Nutzung neue Möglichkeiten für die individuelle Lebensführung“ (Euler
und Paschen 2013).
• Die sozialräumliche Jugendarbeit „zielt nicht auf die ‚Besserung‘ von Menschen,
auf die zielgerichtete Veränderung ihrer Lebensgewohnheiten oder erzieherische
Interventionen bezüglich ihrer Lebensgewohnheiten, sondern auf konkrete
Verbesserung der Lebensbedingungen […] unter aktiver Beteiligung der
betroffenen Menschen ab“ (bOJA 2015, S. 27).
• Streetwork im Sinne aufsuchender Sozialer Arbeit im öffentlichen Raum kann
Zielgruppen erreichen, die mit anderen Angeboten nicht ausreichend erreicht
werden können. (vgl. bOJA 2015, S. 27)
Die Formen der OJA sind vielfältig und je nach Träger unterschiedlich gestaltet. Im Groben
kann zwischen standortbezogener Jugendarbeit und Mobiler bzw. Aufsuchender
Jugendarbeit unterschieden werden.
1.2.4 Standortbezogene Jugendarbeit
Die standortbezogene Jugendarbeit ist an Einrichtungen wie Jugendzentren, Jugendtreffs
oder ähnliches gebunden. Durch regelmäßige Öffnungszeiten dient sie als Treffpunkt der
Zielgruppe. „Das Zurverfügungstellen von realen Räumlichkeiten für junge Menschen ist
ein Angebot im Kontext von Offener Jugendarbeit. Die Einrichtungen bzw. Räumlichkeiten
sind als Ressourcen zu verstehen und beinhalten ihrerseits Ressourcen (wie
beispielsweise Tonanlage, Bar, Tischfußball usw.). Im Rahmen dieser Räumlichkeiten
haben junge Menschen die Möglichkeit, weitere fachlich begleitete Angebote in Anspruch
zu nehmen“ (bOJA 2015, S. 22). Ziele der standortbezogenen Jugendarbeit sind unter
anderem einen Rahmen für Kommunikation und ein Klima der gegenseitigen Akzeptanz
und Achtung zu schaffen, eine sinnvolle Form der Freizeitgestaltung zu ermöglichen und
Partizipation zu fördern. (vgl. bOJA 2015, S. 22–23)
1.2.5 Mobile bzw. Aufsuchende Jugendarbeit
Mobile bzw. Aufsuchende Jugendarbeit zeichnet sich durch eine lebensweltnahe „Geh-
Struktur“ im Gegensatz zur „Komm-Struktur“ der standortbezogenen Jugendarbeit aus.
Mobile Jugendarbeit ist wiederkehrend an öffentlichen Orten, die für Jugendliche relevant
sind, präsent. (vgl. Fuchs 2013, S. 151) Durch die unterschiedlichen Ausprägungen der
mobilen Form der Offenen Jugendarbeit haben sich viele unterschiedliche Begriffe
etabliert, wie beispielsweise „Mobile Jugendarbeit“, „Streetwork“, „Straßensozialarbeit“
oder „Aufsuchende Jugendarbeit“. Die Konzepte unterscheiden sich oft nur minimal. Mobile
Jugendarbeit findet in der Lebenswelt der Zielgruppe statt und richtet sich flexibel nach
deren Bedürfnissen und Interessen. Dadurch können Fachkräfte Vertrauen und
Beziehungen zur Zielgruppe aufbauen und individuelle, bedarfsgerechte Angebote setzen.
Dementsprechend kann sichergestellt werden, dass die Angebote die Zielgruppe auch
erreichen. Sie werden als Expert*innen der eigenen Lebenswelt anerkannt und als solche
auch gewürdigt. (vgl. Berndt 2019, S. 71–73) „Zielgruppen sind junge Menschen, die
13
vielfach nicht über die entsprechenden Ressourcen zur gesellschaftlichen Teilhabe
verfügen und Unterstützung bei ihrer Lebensbewältigung benötigen. Mit der mobilen
Jugendarbeit werden junge Menschen erreicht, die den Großteil ihrer Freizeit im
öffentlichen Raum verbringen“ (bOJA 2015, S. 23). „Die Lebenslage dieser Jugendlichen
ist geprägt durch schlechte Berufs- und Ausbildungsperspektiven, Armut, finanzielle
Notlagen, familiäre und/oder kulturelle Konflikte“ (Bollig und Keppeler 2015, S. 100).
Fachkräfte können im öffentlichen Raum Jugendliche erreichen, die von anderen
Angeboten weitgehend nicht erreicht werden können bzw. wollen. (vgl. Pritzens 2011, S.
29) Mobile bzw. Aufsuchende Jugendarbeit kann etwa Beratung und Begleitung,
Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit, Projektarbeit sowie Gemeinwesenarbeit bieten. (vgl. bOJA
2015, S. 31, Berndt 2019, S. 72, Bollig und Keppeler 2015, S. 100) „Primäres Ziel ist die
Lebenssituation der Adressaten/innen nachhaltig zu verbessern und sie in ihrer
Entwicklung und in ihrem alltäglichen (Bewältigungs-) Handeln zu unterstützen“ (Bollig und
Keppeler 2015, S. 100).
1.2.6 Digitale Jugendarbeit
Seit kurzem gibt es auch den Begriff der „Digitalen Jugendarbeit“. Damit sind Angebote der
Jugendarbeit gemeint, die durch Technologien „zugänglicher und passgenauer“ gemacht
werden. „Sie kann Möglichkeiten und Räume schaffen, in denen junge Menschen eine
kritische, innovative und wertebasierte Perspektive auf die digitale Transformation
entwickeln und zu Mitgestaltenden einer positiven digitalen Zukunft werden können“ (digital
youth work 2019). Durch Digitale Jugendarbeit wird der digitale Wandel in den Mittelpunkt
gerückt, dies kann online wie auch offline geschehen. Digitale Medien werden proaktiv
genutzt. Technologien werden als Werkzeuge im Sinne einer „Digitalisierung der
Jugendarbeitsangebote“ herangezogen, beispielsweise durch die Nutzung bestimmter
digitaler Tools, durch Online-Beratungsangebote oder auch durch Social-Media-
Anwendungen, um die Zielgruppe zu erreichen. Technologien werden auch als Aktivität in
den Fokus genommen. Hier können etwa digitale Spielgruppen oder die gemeinschaftliche
Produktion von Medieninhalten genannt werden. Letztlich können Technologien auch den
Inhalt Digitaler Jugendarbeit bilden, wobei die Themen der Digitalisierung aufgegriffen und
gemeinsam bearbeitet werden, wie beispielsweise Onlinebeziehungen oder die
gesetzliche Situation in Online-Welten. (vgl. digital youth work 2019) Die Arbeit mit Sozialen
Medien kann als ein Teil der Digitalen Jugendarbeit verstanden werden. „Die Angebote der
Jugendarbeit sind für junge Menschen zugänglicher und passgenauer, auch für diejenigen,
die möglicherweise geografisch und sozial isoliert sind“ (digital youth work 2019). Mithilfe
Digitaler Jugendarbeit können Jugendliche „persönliche, soziale und formale Beziehungen
im digitalen Zeitalter gestalten“ (digital youth work 2019) und die Gefahren „der
Digitalisierung einschätzen, fundierte und begründete Entscheidungen treffen und besser
die Kontrolle über ihre digitale Identität übernehmen“ (digital youth work 2019). Für
Jugendliche können sich „neue Möglichkeiten zur Vernetzung, Zusammenarbeit und
Beteiligung an der Gesellschaft“ (digital youth work 2019) erschließen.

14
2. VERÄNDERUNGEN DURCH SOZIALE MEDIEN
2.1 Wie verändern sich Soziale Medien?
„Die rasante Internetverbreitung seit etwa Mitte der 1990-er Jahre und die Durchdringung
der Gesellschaft mit neuen, digitalen Medientechnologien haben einen erhöhten Grad
technischer Vernetzung hervorgebracht, die zu einer Veralltäglichung medialer
Kommunikation und einer Verschränkung mit sozialen Handlungspraktiken geführt haben
und weiter führen werden. In den Bereichen Information, Kommunikation und Kooperation
durchdringen die Technologien viele Lebensbereiche und sind wie selbstverständlich Teil
des privaten und beruflichen Alltags geworden“ (Alfert 2015, S. 77). Diese Entwicklungen
tragen maßgeblich zum sozialen und kulturellen Wandel bei. Friedrich Krotz prägt in
diesem Zusammenhang den Begriff der „Mediatisierung“. Er versteht darunter die
„zeitliche, räumliche und soziale Durchdringung des Alltags mit Medien“ (Kutscher et al.
2015, S. 3–4) – insbesondere mit neuen Medien wie beispielsweise Sozialen Netzwerken,
die für die Zielgruppe und die Fachkräfte der Offenen Jugendarbeit bereits Realität sind
und die Kommunikation beeinflussen. (vgl. Kutscher et al. 2015, S. 3–4) Auch die
Wahrnehmung, Vorstellung und Konstruktion von Raum wird durch die Mediatisierung
beeinflusst, denn Kommunikation passiert heute nicht nur in realen Räumen, sondern
parallel auch in virtuellen Räumen, wie etwa in Sozialen Netzwerken. (vgl. Bollig und
Keppeler 2015, S. 95) Mit Mediatisierung ist auch „die zunehmende Bedeutung dieses
medialen Wandels und die wichtige Rolle, die Medien für den Alltag, die sozialen
Beziehungen, für das Wissen, Denken und Bewerten, für das eigene Selbstbild und die
Identität der Menschen, für soziale Institutionen und Organisationen und insgesamt für die
Kultur und die Gesellschaft spielen“ (Alfert 2015, S. 77) gemeint. Mediatisierung versteht
„die Medienentwicklung als soziales und nicht als technisches Konstrukt, da […] die
sozialen und kulturellen Auswirkungen aus dem Handeln der Menschen und […] nicht aus
der Technik hergeleitet werden“ (Alfert 2015a, S. 65).
Röll weiß bereits 2009, dass „die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen […] von
medialen und ästhetischen Erfahrungen durchdrungen [ist, Anm. d. Verf.]. Es gibt keine
von Medien unbeeinflusste Lebenserfahrung mehr“ (Röll 2009, S. 268). Auch durch die
Ausbreitung von Smartphones wurde das Internet nahezu allgegenwärtig. (vgl. Rösch
2018, S. 50) Durch diese Allgegenwärtigkeit wurden die Kommunikationsmöglichkeiten
zeitlich und örtlich unabhängig, wodurch Entgrenzungen des Raumes, der Zeit und des
Sozialen stattfinden. (vgl. Steiner 2013, S. 19) Diese Unmittelbarkeit im Kontakt ist für
Jugendliche sehr relevant, sie „sehen, wer gerade 'verfügbar' ist und gehen in direkten
Kontakt mit dem Gegenüber“ (Pritzens 2011, S. 29). Im Zuge des Wandels „zur
Netzwerkgesellschaft hat der Aufbau und die Pflege von Beziehungen zusätzliche
Bedeutung gewonnen. […] Dabei weisen Jugendliche Social Media eine große Bedeutung
zu und verknüpfen mediatisierte Kommunikation auf hybride Weise mit nichtmedialem
Handeln. Sie trennen insbesondere nicht zwischen medialen und physischen Aspekten
ihrer Sozialräume“ (Rösch 2018, S. 142). Auch Christiane Bollig ist der Meinung, dass
Jugendliche nicht mehr zwischen „online“ und „offline“ Erfahrungen trennen. Beides ist Teil
ihrer Lebenswelt geworden. (vgl. Bollig 2015, S. 46) Ketter ist ebenfalls der Meinung, dass
Jugendliche nicht zwischen realen und virtuellen Erlebnissen unterscheiden, sondern ihren
Sozialraum als „vireal“ erfahren und Virtualität die Realwelt ergänzt – nicht ersetzt. (vgl.
15
Ketter 2011, S. 19) Eike Rösch betont, dass Handlungen in der einen Dimension
Auswirkungen auf die andere haben können und damit eine Trennung der beiden Bereiche
nicht aufrechtzuerhalten ist. (vgl. Rösch 2013, S. 165)
Bereits 2013 hat Alfert festgestellt, dass Soziale Medien „kein kurzfristiger Hype [sind, Anm.
d. Verf.], der in Kürze wieder verschwinden wird und dessen Vorbeiziehen es bloß
abzuwarten gilt“ (Alfert 2013, S. 89).
2.1.1 Potentiale Sozialer Medien
Die vielfältigen Möglichkeiten, die Nutzer*innen eröffnet werden, können die Attraktivität
von Sozialen Medien erklären. Soziale Medien bieten Möglichkeiten zum
Beziehungsmanagement, um Beziehungen zu pflegen oder neue Beziehungen
aufzunehmen. (vgl. Egle 2013, S. 76) Ein Großteil des Medienhandelns steht in direktem
Zusammenhang mit sozialen Beziehungen. Reale Aktivitäten werden dabei meist nicht
durch virtuelle ersetzt, sondern verschmelzen ineinander. Interessant ist, dass die meisten
Kontakte in Sozialen Netzwerken auch physisch bestehen, bzw. sich die Personen
tatsächlich kennen. Durch Soziale Medien werden erst die starken und wichtigen
Beziehungen gepflegt und danach die weniger engen Beziehungen vertieft. (vgl. Rösch
2018, S. 50 - 55) Durch den Beitritt in Communities oder Gruppen kann „ein gänzlich neues
Gefühl von Zugehörigkeit“ (Alfert 2015a, S. 18) vermittelt werden.
Soziale Medien ermöglichen neue Wege der Kommunikation. Die Verbindungen sind
schnell, und Nutzer*innen gewöhnen sich daran, „auf direktem Weg an Informationen zu
gelangen“ (Pritzens 2011, S. 31). Die Art der Kommunikation ist durchwegs vielfältig und
kann in Form von Chats, E-Mails, Pinnwandeinträgen, Ein-Klick-Kommunikation (wie etwa
„Gefällt-Mir-Buttons“) oder durch das Versenden von Bildern, Videos oder Smileys
stattfinden. (vgl. Fuchs und Goldoni 2013, S. 117) Grundsätzlich können wesentliche
Veränderungen in den Kommunikationsweisen beschrieben werden, denn die visuelle
Kommunikation (in Form von Bildern und visuellen Elementen) gewinnt an Bedeutung, ist
aber meist auch mit verbaler Kommunikation gekoppelt. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S. 19)
Durch die erweiterten Chancen dank Sozialer Medien, werden Jugendlichen neue
Partizipationsmöglichkeiten eröffnet. (vgl. Egle 2013, S. 76) Durch die Erweiterung der
Teilhabemöglichkeiten können Meinungen problemlos und rasch geäußert werden. (vgl.
Alfert 2015a, S. 320)
Außerdem entstehen neue Möglichkeiten zum Identitätsmanagement, beispielsweise
durch ein Ausprobieren unterschiedlicher Richtungen und Trends mit der Option, die
dargestellte Identität in Anlehnung an Rückmeldungen zu adaptieren. (vgl. Egle 2013, S.
76) Selbstpräsentation und Bestätigung sind wichtige Aspekte Sozialer Medien. (vgl. Alfert
2015a, S. 18) „Medien bieten Orientierung, liefern Identitätsmuster und unterstützen ihre
Erprobung“ (Rösch 2018, S. 142).
Neue Optionen für das Informationsmanagement können durch Soziale Medien eröffnet
werden. (vgl. Egle 2013, S. 76) Die eigenen Interessen zu organisieren, Wissen zu
managen und Bildungsmöglichkeiten wahrzunehmen, war noch nie so einfach. (vgl. Alfert
2015a, S. 320)
2.1.2 Gefahren Sozialer Medien
Ob oben genannte Potentiale auch genutzt werden können, hängt von den Ressourcen
ab, die den Nutzer*innen zur Verfügung stehen. Die Nutzungsweisen sind demnach für die
16
eigene Lebenswelt oft sinnvoll, aber ohne Bildungspotential. Durch die unterschiedlichen
Kompetenzen der Nutzer*innen entsteht eine digitale Ungleichheit. Besonders für
Fachkräfte der OJA stellt dies eine Herausforderung dar, die Balance zwischen
Befähigung, Schutz und Kontrolle zu halten. (vgl. Alfert 2015a, S. 320)
Um Soziale Beziehungen in digitalen Räumen halten zu können, müssen Nutzer*innen
persönliche Informationen preisgeben. (vgl. Brüggen und Ertelt 2011, S. 9) „Aufgrund der
fehlenden direkten körperlichen Präsenz sind die Mitglieder von SNS gezwungen, sich
selbst zu beschreiben und abzubilden“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 118). Jugendliche
gehen oft sehr freizügig mit persönlichen Inhalten in Sozialen Netzwerken um. „Häufig
machen sich Kinder und Jugendliche wenig Gedanken über ein Publikum, das über das
eigene Netzwerk oder die Plattform hinausreichen kann, da sie sich in einer geschlossenen
oder privaten Community wähnen. Reichweite, Dynamik und Nachhaltigkeit der
Kommunikation werden häufig unterschätzt. Aufgrund des veränderten Verhältnisses von
Privat und Öffentlich sowie des Strebens nach Aufmerksamkeit im Netz“ (Egle 2013, S.
77). „Anerkennung für eigene Leistungen ist nicht zu haben, ohne dass man sich öffentlich
zeigt und sich damit auch angreifbar macht“ (Brüggen und Ertelt 2011, S. 9). Frank Egle
beschreibt den Umgang mit persönlichen Daten als Dilemma. „Einerseits gilt es aufgrund
der mehr oder weniger bewusst wahrgenommenen Netzöffentlichkeit, bezüglich der
Preisgabe von persönlichen Daten, Vorsicht walten zu lassen. Andererseits wären Kinder
und Jugendliche bei sehr zurückhaltendem Umgang mit ihren Daten im Netz nicht
auffindbar und somit nicht existent“ (Egle 2013, S. 77). Die Leichtfertigkeit der Jugendlichen
in Zusammenhang mit dem Datenschutz und in Verbindung damit die Nutzung der Daten
durch die Werbeindustrie, können ein nicht unerhebliches Risiko darstellen. (vgl. Röll 2010,
S. 30–32) Zusätzlich beschränken Jugendliche ihre Nutzung meist auf wenige Dienste, die
allesamt in der Hand weniger Unternehmen liegen. Unternehmen verfügen damit über eine
unermesslich große und weiterhin ansteigende Menge an personenbezogenen Daten. (vgl.
Tillmann 2018, S. 62) Diese „prekäre Privatheit“ bedeutet, dass persönliche Informationen
auf Dauer gespeichert werden, verbreitet und durchsucht werden können, wobei
Nutzer*innen darauf keinen Einfluss nehmen können. (vgl. Alfert 2015a, S. 169)
Außerdem werden die Möglichkeiten für Grooming im Netz, sogenanntes Cyber-Grooming,
unendlich und leicht umsetzbar. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S. 20) Auch für Kinder und
Jugendliche ist es denkbar einfach geworden, Nacktbilder oder andere kritische Inhalte zu
verbreiten. Später kann dies eventuell die Chancen am Arbeitsmarkt negativ beeinflussen.
(vgl. Bundesministerium für Familien und Jugend 2016, S. 65)
Auch die vereinfachte Ausübung von Cyber-Mobbing und soziale Kontrolle durch das
persönliche Umfeld können Nachteile Sozialer Netzwerke darstellen. (vgl. Mayrhofer et al.
2017, S. 20) Auf Sozialen Netzwerken scheint die Hürde für Mobbing und Diskriminierung
zu sinken. „Durch eine ausgeprägte Wir-Sie-Unterscheidung und die damit einhergehende
Distinktion wird das Selbstwertgefühl der Gruppenmitglieder gestärkt. Damit entsteht ein
gruppeninterner Konformitätsdruck, der wiederum zur Exklusion Einzelner und der
Intoleranz gegenüber anderen Gruppen führen kann“ (Tournier 2014, S. 320).
Auch die oben so gelobte Kommunikation in Sozialen Netzwerken hat seine
Schattenseiten, denn die Strukturen schaffen exklusive und exkludierende Faktoren. „Wer
nicht Mitglied im gleichen sozialen Netzwerk ist, ist vielfach aus der Kommunikation mit
FreundInnen weitgehend ausgeschlossen, da mittlerweile ein großer Anteil an relevantem
17
Informationsaustausch, Befindlichkeitsmitteilungen etc. innerhalb dieses Rahmens
stattfindet“ (Kutscher 2013, S. 45).
Röll nennt zusätzlich die Gefahr von ungeeigneten Inhalten, die zu Themen wie Gewalt
und Pornografie im Netz kursieren. (vgl. Röll 2010, S. 30–32) Gefährliches Halbwissen und
Falschinformationen, beispielsweise zu den Themen Drogen oder psychische
Erkrankungen, können für Ratsuchende fatale Auswirkungen haben. (vgl. Gehrmann 2010,
S. 105)
Auch die Art und Weise der Nutzung, wenn der persönliche Verhaltensraum eingeschränkt
wird und ein Kontrollverlust bzw. Entzugserscheinungen auftreten, können als negative
Auswirkung Sozialer Medien bezeichnet werden. Die reale Welt wird dann nicht mehr als
interessanter Lebensraum wahrgenommen. Röll spricht hier von Missbrauch von Medien
bzw. von misslungenem Umgang mit Medien. (vgl. Röll 2010, S. 30–32)
Manfred Spitzer, ein Kritiker der Medien- und Internetgesellschaft, gibt zu bedenken, „dass
die Krankenkassen inzwischen vor einer Social-Media-Sucht Jugendlicher warnen. 12- bis
17-Jährige verbringen täglich im Schnitt fast drei Stunden in Sozialen Netzwerken, in der
Regel mit Hilfe des Smartphones. Davon sei inzwischen eine Minderheit von 2,6 % süchtig
nach WhatsApp, Instagram, Snapchat, Facebook und Twitter“ (Brenner 2020, S. 38). Alfert
beschreibt, wie oftmals öffentlichkeitswirksam Gefahrenpotentiale für Kinder und
Jugendliche in den Mittelpunkt gestellt werden. Es erweckt den Eindruck, dass
Gewaltbereitschaft, Übergewicht durch zu wenig Bewegung, Lernprobleme und
Aufmerksamkeitsschwächen durch Medienkonsum entstanden sind. „Gerne wird in diesen
Diskussionen das Bild einer offenbar wohlstands- und medienverwahrlosten Jugend
herangezogen“ (Alfert 2015a, S. 76). Wie sich die Lebenswelt der Jugendlichen tatsächlich
verändert hat, wird im nächsten Kapitel erörtert.

2.2 Wie verändert sich die Lebenswelt der Jugendlichen?


„Die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen haben sich deutlich gewandelt und
dieser Wandel ist eng mit Medien verknüpft“ (Tillmann 2014, S. 273), denn „das Internet
prägt das Aufwachsen und den Alltag von Kindern und Jugendlichen derzeit so stark wie
nie zuvor. Unter all den Nutzungsmöglichkeiten und Anwendungen haben aktuell vor allem
Soziale Netzwerke eine zentrale und ernstzunehmende Bedeutung in ihrer Lebenswelt […]
eingenommen“ (Alfert 2015a, S. 18). Christiane Bollig und Siggi Keppeler konstatieren,
dass „kaum etwas […] die Lebenswelten, insbesondere die von Kindern und Jugendlichen,
in den vergangenen Jahren grundlegender und nachhaltiger verändert als die
Entwicklungen im Bereich der digitalen Medien und die damit verbundenen
Kommunikationsformen und Gesellungsmöglichkeiten“ (Bollig und Keppeler 2015, S. 94).
Olivier Steiner und Marc Goldoni stellten bereits 2013 fest, dass neue Medien zu einem
unverzichtbaren Teil des Alltags in modernen Gesellschaften geworden sind. (vgl. Steiner
und Goldoni 2013, S. 8) Auch Ulrike Wagner betont die Allgegenwart von Medien bereits
ab der frühen Kindheit. „Medien sind Gegenstände des täglichen Gebrauchs, sie vermitteln
Sichtweisen und Orientierung, sie ermöglichen es, sich zu anderen in Beziehung zu setzten
und sie konstituieren individuelles und kollektives Handeln“ (Wagner 2014, S. 286). Bollig
erklärt, dass für viele Kinder und Jugendliche ein Leben ohne Internet nicht bzw. nur noch
schwer vorstellbar“ (Bollig 2015, S. 46) wäre.

18
Obwohl Kinder und Jugendliche, zu jenen gehören, die sich „sozialen Netzwerkdiensten
am häufigsten und intensivsten zuwenden“ (Wagner 2014, S. 289) und die Nutzung bereits
zur täglichen Routine zählt, dürfen Kinder und Jugendliche nicht undifferenziert betrachtet
werden. Oftmals werden Jugendliche als „Digital Natives“ bezeichnet, „da sie in die
mediatisierte Gesellschaft geboren werden und hier aufwachsen“ (Alfert 2013, S. 88). Doch
diese Bezeichnung suggeriert, dass mit dem Knowhow zu Sozialen Medien ein
reflektiertes, kritisches und differenziertes Handeln einhergeht. Trotz dem breiten Wissen,
welches oftmals das der Erwachsenengeneration übersteigt, können viele Jugendliche, die
als „Digital Natives“ bezeichnet werden, Online-Angebote nicht kompetent nutzen. Und
obwohl Medien als Teil der Lebenswelt junger Menschen gelten, „zeigt sich, dass sowohl
die Ausstattung als auch die Nutzungsweisen ungleich sind“ (Bollig 2015, S. 47). Denn die
Form der Nutzung hängt von Faktoren wie dem kulturellen, sozialen und ökonomischen
Kapital ab, die durch Familie und Freunde zur Verfügung stehen. (vgl. Bollig und Keppeler
2015, S. 96–97) Dennoch wächst die heutige Jugendgeneration mit Smartphone und
mobilem Internet auf, wodurch sie „andere medienbiographische Erfahrungen als ihre
Vorgängergenerationen“ (Großegger 2019) machen.
Soziale Netzwerke sind für den Großteil der Zielgruppe Teil ihres Alltags. „Das Social Web
ist für sie nicht nur hilfreiches und selbstverständliches Werkzeug, vielmehr ist die digitale
Erweiterung auch Teil ihres Lebens- und Sozialraums“ (Rösch 2013, S. 166). Dies kann so
weit gehen, dass Jugendliche unter „FOMO – fear of missing out“ leiden. (vgl. Großegger
2019) Darunter wird die Angst verstanden, etwas zu verpassen bzw. auf Sozialen Medien
ausgeschlossen zu werden.
Digitale Medien liefern Jugendlichen „einen erheblichen Anteil an Deutungs- und
Wertemustern und bieten in Zusammenarbeit mit der Konsumindustrie Sinnangebote an.
Mit Hilfe dieses realen und virtuellen Warenangebots, gleichzeitig beeinflusst von der Peer
Group, entscheiden sich die Kinder und Jugendlichen für einen Lebensstil“ (Röll 2009, S.
268). Durch die Mediatisierung kann die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen „nicht
mehr ohne Soziale Netzwerke gedacht werden“ (Kutscher 2013, S. 49). Sie nimmt Einfluss
auf Identität, Alltag, Kultur und Gesellschaft. Jugendliche Lebenswelten verschwimmen
zwischen medial und nichtmedial, denn die Bereiche nehmen gegenseitig Einfluss
aufeinander, die Unterscheidung ist für Jugendliche schwer möglich und nicht relevant.
Besonders die Peerkommunikation findet zu einem großen Teil auf Sozialen Medien statt.
(vgl. Kutscher 2013, S. 49)
Besonders die Verbreitung von Smartphones hat die Kommunikation revolutioniert. Durch
das Smartphone können Jugendliche heutzutage orts- und zeitunabhängig auf
Internetangebote zugreifen und virtuell Beziehungen und den Alltag gestalten. (vgl.
Bundesministerium für Familien und Jugend 2016, S. 63) Bereits 2010 schrieb Kati
Struckmeyer, dass das Handy, das am weitesten verbreitete und am meisten genutzte
Medium unter Jugendlichen ist. (vgl. Struckmeyer 2010, S. 177) Laut dem Institut für
Jugendkulturforschung liegt die „Smartphone-Sättigung“ in der Generation der
Jugendlichen 2018 bei nahezu 100 Prozent. Damit sind auch Soziale Medien aus der
Lebenswelt „nicht mehr weg zu denken“ (Institut für Jugendkulturforschung 2018).
Infolgedessen sind Jugendliche „überall und jederzeit erreichbar und können sich
informieren“ (Tillmann 2017, S. 16).

19
Nun ist mediatisierte Kommunikation in den Alltag und in soziale Beziehungen integriert.
„Aufgrund dieser Durchdringung bzw. Hybridität haben Medien auf verschiedenen Ebenen
eine Relevanz für die Sozialisation: Sie transportieren Inhalte, mit denen die Subjekte an
ihrem Wissen und ihren Einstellungen arbeiten können; darüber hinaus können sie von
ihnen als Instrumente genutzt werden“ (Rösch 2018, S. 56–57). Röll stellte bereits 2010
fest, dass „neben der Familie, der Schule, den Peers und den beruflichen Institutionen […]
die Medien längst eine Schlüsselfunktion im Sozialisationsprozess ein[nehmen, Anm. d.
Verf.]. Medien tragen einen bedeutenden Anteil bei der Konstruktion von Weltbildern bei.
[…] Kindheit bedeutet heute Medienkindheit“ (Röll 2010, S. 23). Medien sind also zum
alltäglichen Bestandteil vieler Lebensbereiche geworden und spiegeln sich in Wissen,
Denken und Handeln wider. Jugendliche treten in die Gesellschaft ein, indem sie
Medieninhalte konsumieren und in mediatisierten Sozialräumen, wie beispielsweise
Sozialen Netzwerken, interagieren. (vgl. Rösch 2018, S. 52)
2.2.1 Bedeutung Sozialer Medien als Entwicklungsaufgabe für Jugendliche
Jugend ist die Zeit, „in der Menschen sich in der Wirklichkeit so orientieren müssen, daß
sich ihnen ein Bild von der Wirklichkeit und von ihrer eigenen Rolle in ihr ergibt. Jugend ist
die Zeit der wachen Erfahrung von gesellschaftlichen und eignen Lebensmöglichkeiten, die
Zeit, in der sich die eigenen Optionen und Erwartungen ausbilden in der
Auseinandersetzung mit Vorgaben, Erwartungen und vor allem auch im Widerspruch zu
ihnen. Jugend ist eine Zeit des Fragens, Suchens, und Experimentieren mit den eigenen
Möglichkeiten, eine Zeit des Kampfes um die eigene Identität“ (Thiersch 2014, S. 62).
Entwicklungsaufgaben nach Robert J. Havighurst sind Aufgaben, denen sich jeder Mensch
in einer bestimmten Lebensphase stellen muss. „Inhaltlich geht es um die Umsetzung von
körperlichen, psychischen, sozialen und ökologischen Anforderungen“ (Alfert 2015a, S.
79).
Klaus Hurrelmann und Gudrun Quenzel bezeichnen vier bedeutsame
Entwicklungsaufgaben des Jugendalters.
• Qualifizieren, durch den Aufbau von Kompetenzen für das Berufsleben und sozialer
Kompetenzen.
• Binden, durch Partnerschaften und Geschlechterrollen sowie die Pflege und
Erhaltung von sozialen Beziehungen.
• Konsumieren, durch die Fähigkeit mit Geld und Waren umzugehen.
• Partizipieren, durch eine erfolgreiche Teilhabe an der Gesellschaft und der Politik,
sowie der Entwicklung von Werten.
Durch die Beschäftigung mit diesen Aufgaben wird die Identität der Individuen entwickelt.
(vgl. Rösch 2018, S. 40)
Nach Ingrid Paus-Hasebrink müssen Jugendliche in drei Bereichen aktiv werden, die auf
der Handlungsebene auf Soziale Netzwerke umgelegt werden können. Bei der
Selbstauseinandersetzung geht es um die „Erfahrung mit dem eigenen Selbstbild,
Selbstausdruck sowie Selbstpräsentation“ (Rösch 2018, S. 54). Durch den Aufbau und die
Pflege von Beziehungen kann die Sozialauseinandersetzung gefördert werden. Schließlich
ist mit Sachauseinandersetzung die Suche nach relevanten Informationen gemeint.
Um die eben genannten Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, können Soziale Medien
herangezogen werden. Diese müssen aber nicht zwangsläufig genutzt werden, was

20
aufgrund der Allgegenwart neuer Medien allerdings heutzutage häufiger der Fall ist. Die
Expert*innen sind sich einig, dass Soziale Netzwerke das Aufwachsen von Kindern und
Jugendlichen prägen. Alfert konstatiert, dass durch das Aufwachsen in medialen Räumen,
und im Speziellen in Sozialen Netzwerken, diese auch Räume zur Bewältigung von
Entwicklungsaufgaben darstellen. (vgl. Alfert 2015a, S. 83, 132) Bollig und Keppeler
betonen ebenfalls die Wichtigkeit von Sozialen Medien für die Entwicklungsaufgaben.
Besonders das Streben nach Selbstständigkeit, die Gestaltung von Beziehungen und die
Teilhabe an der Gesellschaft können heutzutage sehr einfach mittels Smartphones
wahrgenommen werden. (vgl. Bollig und Keppeler 2015, S. 94)
Deinet sieht zudem die Verknüpfung von realen und virtuellen Erfahrungen als essentielle
Entwicklungsaufgabe in der heutigen Zeit. (vgl. Deinet 2010, S. 37) „Heranwachsende
integrieren insbesondere massenmediale Inhalte wie selbstverständlich in ihren Alltag und
ziehen sie heran, um Entwicklungsaufgaben zu bewältigen“ (Alfert 2015a, S. 75).
Jugendliche stillen auf Sozialen Netzwerken vier unterschiedliche Bedürfnisse. Kognitive
Bedürfnisse dienen dem Informationsgewinn, der Wissenserweiterung, dem
Erfahrungsaustauch und der Partizipation. „Kognitive Motive der Mediennutzung beziehen
sich auf das menschliche Bedürfnis nach Informationen über alle Wissens- und
Lebensbereiche. Dieses Wissen über die Umwelt und Ereignisse brauchen Menschen um
handlungsfähig zu sein“ (Alfert 2015a, S. 106). Affektive Bedürfnisse entstehen emotional,
wie beispielsweise Entspannung, Ablenkung, Zeitvertreib, Unterhaltung. Diese
Bedürfnisse dienen dazu, Lust, Freude bzw. Vergnügen zu erleben. Integrativ-habituelle
Bedürfnisse kommen aus dem Wunsch nach Vertrauen und Sicherheit. Dazu zählen
Selbstfindung und Identifikation, die Erprobung verschiedener Rollen und der Vergleich mit
anderen. Schließlich dienen sozial-integrative Bedürfnisse dazu, den Wunsch nach
Geselligkeit, Zugehörigkeit, Interaktion und Anerkennung zu befriedigen. Dies kann durch
die Pflege von Beziehungen, das Knüpfen neuer Kontakte und das gemeinsame
Konsumieren von Medieninhalten geschehen. Besonders die Peer-Kommunikation gilt als
„Faszination des Internets für Jugendliche […] und stellt eines der zentralen
Nutzungsmotive dar. […] Die wachsende Bedeutung der Peers für Heranwachsende und
die Interaktion mit diesen über Facebook ermöglicht so die Abnabelung von Eltern bzw. die
Abgrenzung zu Erwachsenen und korrespondiert daher mit der Entwicklungsaufgabe,
eigenständig soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen“ (Alfert 2015a, S. 111–112).
Und nicht zuletzt dienen zeitbezogene Motive zur Beschäftigung und zum Zeitvertreib.
Besonders dann, wenn Lückenzeiten zu kurz sind um sich anderwärtig zu beschäftigen,
kann sich mithilfe von Smartphones und mobiler Endgeräte beholfen werden. (vgl. Alfert
2015a, S. 104–112)
Die Nutzung Sozialer Medien ist zu einem wichtigen Element der Sozialisation und
Selbstfindung Jugendlicher geworden, denn Sozialisation entsteht durch die Interaktion mit
der Umwelt und führt zur persönlichen Entwicklung und Selbstfindung. Soziale Medien
dienen hier als Orientierung und bieten eine Infrastruktur, um sich mit anderen
auszutauschen. Dies bedeutet, dass Soziale Netzwerke auch als Räume für die Interaktion
mit anderen genutzt werden. (vgl. Alfert 2015a, S. 87) Jugendliche erlangen dadurch
Autonomie und neue Formen sozialer Teilhabe. (vgl. Tillmann 2017, S. 17)
Viele Jugendliche nutzen vermehrt das Internet, um sich von der Familie abzulösen. Durch
die Möglichkeiten „sich auszuprobieren, zu entfalten, Erfahrungen zu sammeln und neue
21
Perspektiven kennen zu lernen“ (Röll 2010, S. 29) übernimmt das Internet, und im
besonderen Soziale Medien, viele Funktionen, die früher von der Familie übernommen
wurden. Röll ist der Meinung, dass Medien heutzutage höhere Bedeutung erlangen, weil
sich traditionelle Strukturen auflösen und der Einfluss der Familie schwindet. (vgl. Röll
2010, S. 27) Alfert betont in diesem Zusammenhang, „dass sich das mediale Handeln
vielfach der elterlichen Kontrolle entzieht, auch wenn dies im familiären Umfeld stattfindet.
Im Vergleich zu früher kann so über mediatisierte Formen von Privatheit sozusagen eine
weitgehende Abgrenzung erfolgen, ohne sich physisch von den Eltern zu distanzieren. Die
Verselbstständigung realisiert sich somit heute auch über das Medienhandeln“ (Alfert
2015a, S. 19). Abgesehen davon, hat die Familie einen großen Einfluss auf die
Konsumgewohnheiten der Kinder durch das Vorleben des Umgangs mit Medien und deren
psychosozialer Situation. Doch spätestens zu Beginn der Pubertät werden Freund*innen
aus dem Peerumfeld zu einflussreichen Vorbildern. „In der Gruppe der Gleichaltrigen
werden Konsummuster eingeübt, differenzieren und stabilisieren sich die Vorlieben. Zu
diesem Zeitpunkt gewinnen der Computer und das Internet an hoher Relevanz“ (Röll 2010,
S. 28). Eltern können hier kaum eingreifen bzw. begleiten, „da ihnen in der Regel die
Kommunikationsform nicht bekannt ist und/oder sie keinen Zugang zu den virtuellen
Welten haben“ (Röll 2010, S. 30).
Kinder und Jugendliche können „sich im Rahmen von Social Media (selektiv) als Person in
verschiedenen Facetten präsentieren, Kontakte und Beziehungen pflegen und für sie
relevante Informationen suchen, sich aneignen und verwalten. Der wesentliche
Unterschied dieser Tätigkeiten im Netz zu einem Beziehungs- und Identitätsmanagement
im „Offline-Leben“ besteht darin, dass durch das Agieren im Netz Rückschlüsse von Dritten
auf das Identitätsmanagement der jeweiligen Personen und auf die Personen selbst
gezogen werden können“ (Egle 2013, S. 75–76). Anwendungen des Social Web können
die Identitätsentwicklung Jugendlicher auf unterschiedlichen Ebenen beeinflussen. Im
Groben können hier Identitätsmanagement, Beziehungsmanagement und
Informationsmanagement genannt werden. (vgl. Alfert 2015a, S. 93)
„Identitätsmanagement meint das Zugänglichmachen von Aspekten der eigenen Person,
also alle Nutzungsweisen, bei denen Menschen Informationen über sich für andere
preisgeben“ (Alfert 2015a, S. 93). Jugendliche „nutzen Medien als Werkzeuge zur
Identitätsentwicklung und mediale Räume werden zu Räumen der Teilhabe an der
Gesellschaft. Da sich der Identitätsbegriff verändert hat und Identität eher als Weg denn
als Ziel angesehen werden kann, muss Identität immer wieder unter verschiedenen
Bedingungen hergestellt werden. Soziale Netzwerke besitzen dabei eine entscheidende
Sozialisationsrelevanz“ (Alfert 2015a, S. 318). Identitätsarbeit in Sozialen Medien kann
durch Nachahmung von Vorgaben der Familie bzw. von Peers erfolgen. Andererseits
können Inhalte passend zu eigenen Interessen gesucht und angeeignet werden. (vgl.
Rösch 2018, S. 53) In Zusammenhang mit der eigenen Identität kann die
Auseinandersetzung mit Wünschen, Vorstellungen und Plänen, sowie die Darstellung des
Selbstbildes auf Sozialen Medien geübt werden. Es besteht die Möglichkeit, mit Rollen und
mit Rückmeldungen aus dem Umfeld zu experimentieren. „Insbesondere SNS erleichtern
das Ausprobieren verschiedener Identitätsaspekte – Jugendliche können deren Wirkung
direkt ausprobieren“ (Rösch 2013, S. 165–166). Soziale Medien wie Instagram oder
Snapchat werden „als Bühne für ihre jugendkulturellen Interessen, aber auch für
22
Selbstdarstellung und Selbstausdruck“ (Großegger 2019) genutzt. „Im Rahmen von
Online-Selbstdarstellung [...] können Jugendliche ihre vorhandenen Kompetenzen
anwenden und Selbstwirksamkeit, Akzeptanz und soziale Zugehörigkeit beispielsweise
über die Kommentarfunktion erfahren“ (Ketter 2014, S. 300–301). Durch Soziale Medien
können sich Jugendliche in unterschiedlichen Rollen erproben (wie etwa als Gamer*in,
Blogger*in, Model,…), eigene Texte, Videos und Fotos produzieren und Feedback
erhalten. (vgl. Tillmann 2017, S. 17) „Jugendliche probieren sich und die eigene Wirkung
auf andere aus, sammeln Rückmeldungen und nutzen diese für weitere Reflexionen, auf
deren Basis das eigene Selbstbild gefestigt oder korrigiert wird“ (Rösch 2018, S. 54).
Selbstinszenierung stellt also „einen bedeutsamen Faktor für Prozesse der
Identitätsbildung und der soziokulturellen Verortung dar“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 20).
„Plattformen wie Instagram schaffen eine nicht dagewesene Breite der öffentlichen
Sichtbarkeit. Und es geht nicht nur um Sichtbarkeit, sondern bis zu einem gewissen Grad
auch darum, mit den Selbstinszenierungen Anerkennung in der Gesellschaft der
Gleichaltrigen zu finden“ (Großegger 2019).
„Beziehungsmanagement umfasst all die Nutzungsweisen, die auf die Pflege von
bestehenden oder das Knüpfen von neuen Beziehungen zielen, also das interagieren [sic!]
und kommunizieren [sic!] von Menschen“ (Alfert 2015a, S. 93). Die Pflege des persönlichen
Freundschaftsnetzwerks ist laut Angela Tillmann „das Hauptmotiv Jugendlicher, sich in
digitale Welten zu begeben“ (Tillmann 2017, S. 17). Der Austausch auf Sozialen
Netzwerken ist „integrativer Bestandteil aktueller Jugendkultur und leistet wichtige
Bausteine für die Identitätsarbeit junger Menschen“ (Poli 2010, S. 271). Kommunikation
Jugendlicher funktioniert vermehrt über Bilder. Beate Großegger beschreibt dies als
„visuelle Bewegtbildkommunikation in einem multi-modalen Modus“ (Großegger 2019).
Daniel Poli stellt bereits 2010 ein verändertes Kommunikationsbedürfnis bei jungen
Menschen fest. Sie möchten „sich orts- und zeitunabhängig über staatliche Grenzen
hinweg austauschen“ (Poli 2010, S. 271). Auch Tillmann bestätigt 2018, dass Jugendliche
„räumlich und zeitlich flexibel kommunizieren und überall erreichbar sein“ (Tillmann 2018,
S. 60) wollen/sollen. Dies kann allerdings das Stresspotential erheblich erhöhen, da
Kommunikation zeitgleich mit mehreren Personen passiert. (vgl. Tillmann 2018, S. 60) Die
Bedeutung von Sozialen Netzwerken für das Beziehungsmanagement Jugendlicher ist
unumstritten. Der hohe kommunikative Anteil der Internetnutzung beweist dies. Die
„Nutzung zur Unterstützung des Aufbaus und der Pflege von Beziehungen ist daher nicht
nur eine aktuelle Notwendigkeit im Jugendalter, sondern gehört auch zu erforderlichen
Kompetenzen und Qualifikationen für spätere berufliche Tätigkeiten“ (Rösch 2013, S. 166).
Für Jugendliche dient die virtuelle Präsenz „dem Knüpfen, Halten und Pflegen von
Kontakten, unterstützt den Zugang zu Peergruppen, erleichtert den Informationsaustausch
und stellt somit eine Form gesellschaftlicher Teilhabe und Beteiligung dar“ (Bollig 2015, S.
47).
„Informationsmanagement bezieht sich schließlich auf die Nutzungsweisen, bei denen
Menschen Informationen erstellen, selektieren, filtern, auswählen, bearbeiten, teilen,
kanalisieren usw.“ (Alfert 2015a, S. 94). Kindern und Jugendlichen wird es durch Soziale
Medien erleichtert, ihre Interessen zu organisieren und Bildungsmöglichkeiten
wahrzunehmen. Der Zugang zu jugendrelevanten Informationen kann gewährleistet
werden. (vgl. Bollig und Keppeler 2015, S. 95) Medien stehen beim Management von
23
Wissen immer mehr im Fokus, da vermehrt Wissen an verschiedenste Technologien
gebunden ist. Vor allem kommt es „darauf an zu wissen, wie und wo dieses Wissen
erworben werden kann und wo Wissensbestände abrufbar sind“ (Alfert 2015a, S. 87).
Jugendliche suchen in Medien Informationen „zur Bewältigung entwicklungsbedingter
Themen und aktueller Problemlagen sowie Anregungen für die Ausformung im Sinne
ethisch-normativer Orientierungen und personaler Vorbilder“ (Bollig 2015, S. 47).
Nachrichtendienste konsumieren Jugendliche heutzutage vermehrt in Sozialen
Netzwerken. (vgl. Brenner 2019a, S. 413) „Auch für das Informationsverhalten von
Jugendlichen ist das Social Web wichtig. Dabei geht es zunächst um gruppenbezogene
Informationen, aber auch um allgemeine Informationen“ (Rösch 2013, S. 166).
Rösch geht davon aus, dass Soziale Medien die Sozialisationsbedingungen von
Jugendlichen verändern und sich auf die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und die
Identitätsbildung auswirken. (vgl. Rösch 2018, S. 50) Die Lebenswelten von Jugendlichen
können als Medienwelten verstanden werden, wodurch ein erheblicher Einfluss auf
Sozialisation und Identität besteht. Dadurch ist „der Erwerb von Medienkompetenz heute
eine weitere universelle Entwicklungsaufgabe“ (Alfert 2015a, S. 83). Ohne
Medienkompetenz können Jugendliche heutzutage nicht eigenverantwortlich und
gemeinschaftsfähig in einer digital-vernetzten Gesellschaft teilhaben. „Die außerschulische
Jugendarbeit ist daher aufgefordert, Jugendmedienbildung als wesentliches Aufgabenfeld
zu betrachten“ (Tillmann 2013, S. 53).
Alfert fasst die Motive Jugendlicher zur Nutzung neuer Medien treffend zusammen:
„Information, Unterhaltung, soziale Interaktion und Selbstdarstellung“ (Alfert 2013, S. 90–
91). Nichtsdestotrotz sind die Bedeutungen von Medien ressourcenabhängig, wodurch sich
unterschiedliche (positive wie auch negative) Nutzungsweisen ergeben. (vgl. Alfert 2015a,
S. 221)
2.2.2 Benachteiligungen durch Soziale Medien
Benachteiligungen setzen sich auch in Bezug auf Medien fort, indem „Jugendliche je nach
Verfügbarkeit von sozialem, ökonomischem und kulturellem Kapital unterschiedliche
Ausgangslagen und Möglichkeiten haben“ (Rösch 2018, S. 57). Dadurch sind Ausstattung
und Nutzungsweisen der Medien unterschiedlich.
Besonders Menschen mit Behinderung und/oder mit Fluchterfahrungen wird der Zugang
zu digitalen Medien erschwert. (vgl. Tillmann 2017, S. 17) Jugendliche, die bereits
benachteiligt sind und Orientierung und Teilhabe suchen, „stehen besonders unter dem
sozialen Druck der Vernetzung, sodass sie den ‚Preis‘ – die Herausgabe
personenbezogener Daten – in Kauf nehmen. Dies geschieht nicht nur aus Unwissenheit,
da die Sensibilität unter Jugendlichen insgesamt gestiegen ist [...], sondern auch aufgrund
von mangelnden und weniger bekannten Alternativen“ (Bollig und Keppeler 2015, S. 95).
Durch die Angst vor Ausgrenzung und den Druck zur Vernetzung benachteiligter
Jugendlicher wird Ungleichheit nicht nur reproduziert, es findet eine Erweiterung der
Gerechtigkeitsfrage in Bezug auf Zugang zu und Nutzungsweisen von Medien statt. (vgl.
Bollig 2015, S. 47)
Soziale Ungleichheit im Internet hat hauptsächlich mit der Art der Nutzung zu tun. „Die
unterschiedlichen Nutzungsmotive und Bedingungen von Jugendlichen führen zu
individuellen Verortungen in den sozialen Netzwerkplattformen“ (Tournier 2014, S. 319).

24
Dennoch bedarf es der Nutzung sozialer Netzwerkplattformen, um Teilhabe und
Anerkennung zu erfahren. Jugendliche benötigen die Kompetenz, Soziale Netzwerke
strategisch für ihr Beziehungsmanagement zu nutzen.
Wie bereits oben beschrieben, kann nicht von einer oder der Generation der „Digital
Natives“ gesprochen werden, denn es gibt keine gleichmäßige Medienumgebung und
keinen einheitlichen Medienumgang. Auch kann von einer kompetenten technischen
Bedienung nicht auf eine fähige und reflektierte Nutzung geschlossen werden. (vgl. Alfert
2015a, S. 18–19)
Jugendliche benötigen notwendige digitale Kompetenzen. „Die Fähigkeit, Informationen zu
beschaffen, zu bewerten und einzuordnen“ (Bundesministerium für Familien und Jugend
2016, S. 65) reicht nicht mehr aus. Vielmehr werden Kompetenzen benötigt, um eine
digitale Performance aufzubauen, durch Selbstpräsentation und die gezielte Weitergabe
von Informationen. Jugendliche müssen auch lernen, „sich von digitalen Angeboten
unabhängig machen zu können und sich bewusst mit den negativen Auswirkungen der
Allgegenwart und ständigen Zugänglichkeit des World Wide Web auseinanderzusetzen“
(Bundesministerium für Familien und Jugend 2016, S. 65). Die technische Bedienung der
Geräte ist dabei nicht ausschlaggebend. Es geht darum, „das Ausmaß und die Inhalte der
Mediennutzung richtig einzuschätzen und diese sicher zu verwenden“ (Alfert 2015a, S.
317). Röll beschreibt Schlüsselqualifikationen für das Leben in einer von Medien und der
Globalisierung geprägten Gesellschaft: Kreativität, Flexibilität, Spontaneität,
Teamfähigkeit, Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein, mentale Beweglichkeit,
vielschichtige Problemlösungskompetenz, systemisch und vernetztes Denken. (vgl. Röll
2010, S. 33–34)
Medien können in der heutigen Zeit stabilisierende Handlungsstrategien bieten,
beispielsweise als Ausgleich zu engen Grenzen der Spielplätze und um Lücken zwischen
den unterschiedlichen Räumen (Schule, Zuhause, Jugendzentrum,…) zu schließen.
Medien simulieren einen Aufenthalt in Räumen, die real nicht mehr aufgesucht werden
müssen/können. (vgl. Röll 2009, S. 267–268) Jugendliche geben in der heutigen Zeit die
Richtung vor, da sie die Trendsetter*innen und Akteur*innen des digitalen Wandels sind.
(vgl. Großegger 2019) Diese hohe Bedeutung von Sozialen Medien in der Lebenswelt der
Jugendlichen „macht die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung der Disziplin“ (Alfert
2015a, S. 139) mit neuen Medien deutlich. Alfert sieht in Sozialen Netzwerkplattformen
einen neuen Handlungskontext für die Soziale Arbeit. Dafür bedarf es aber einer
reflektierten Gestaltung der Angebote in Zusammenhang mit der Mediatisierung der
Lebenswelten. (vgl. Alfert 2015, S. 91)

2.3 Wie verändert sich die Offene Jugendarbeit?


„Durch die steigende Internetnutzung, vor allem orts- und zeitunabhängig über mobile
Endgeräte, kommt es zu einer zunehmenden virtuellen Beziehungs- und Alltagsgestaltung“
(Alfert 2013, S. 89), der sich auch die Jugendarbeit nicht entziehen sollte. 2014 beschreibt
Ketter, dass die sozialräumliche Wende in der Sozialen Arbeit und dem Handlungsfeld der
OffenenJugendarbeit in Bezug auf das Internet noch aussteht, und dass die sozialen
Prozesse zwischen Menschen im Internet immer noch übersehen werden. (vgl. Ketter
2014, S. 300) Tillmann konstatiert 2018, dass „mit der digitalen Kommunikation und

25
Vernetzung […] sich auch Institutionen wie [...] die Kinder- und Jugendarbeit“ (Tillmann
2018, S. 66) verändern.
2011 war Jugendarbeit mit Social Media keine Selbstverständlichkeit. (vgl. Brüggen und
Ertelt 2011, S. 8) Dennoch führt die bereits beschriebene zunehmende Bedeutung Sozialer
Netzwerke in der Lebenswelt der Jugendlichen dazu, dass sich die Offene Jugendarbeit
(die sich von Anfang an in der Lebenswelt der Jugendlichen bewegt) ebenfalls immer mehr
in diesen Räumen aufhält und sie als „nützliche Ergänzung“ betrachtet. (vgl. Pritzens 2011,
S. 29)
Durch die Veränderungen im Zuge der Mediatisierung und die zunehmende Verbindung
des virtuellen und realen Raumes ist „davon auszugehen, dass sich der für die
sozialräumliche Jugendarbeit zentrale Sozialraum von Jugendlichen […] zumindest
verändert“ (Rösch 2018, S. 13). Dadurch „nehmen die Neuen Medien auch verstärkt
Einfluss auf berufliche und professionelle Kontexte. Die Institutionen, Angebote und
Leistungen sowie das fachliche Handeln erfahren gleichsam eine Mediatisierung, woraus
sehr deutlich (neue und erweiterte) Reflexionsnotwendigkeiten in der Bereitstellung,
Umsetzung und den Strukturen deutlich werden“ (Alfert 2015, S. 78).
Durch digitale Medien im Alltag der Menschen wandelt sich die Soziale Arbeit. Die
Angebote werden auszugshaft um Online-Beratung oder Mobile Jugendarbeit im Internet
erweitert. (vgl. Euler und Paschen 2013) Mobile Jugendarbeit erreicht ihre Zielgruppe dort,
wo sie sich aufhält. Wenn sich Jugendliche nun nicht mehr im öffentlichen Raum, sondern
in virtuellen Räumen treffen, dann muss sich Mobile Jugendarbeit ebenfalls dort bewegen.
(vgl. Bollig 2015, S. 46) In diesen Bereichen besteht „erhebliches Entwicklungspotential,
weil sie [die Offene Jugendarbeit, Anm. d. Verf] derzeit überhaupt nur maximal zehn
Prozent der Zielgruppe erreiche. Zusätzliche Jugendliche könnten vermutlich mit neuen
Angeboten gewonnen werden“ (Brenner 2019b, S. 347). Damit sind besonders
Jugendliche gemeint, die sich viel in virtuellen Räumen aufhalten. Besonders mit einer
Präsenz in Sozialen Netzwerken könnten vermehrt Jugendliche erreicht werden, die bisher
nicht erreicht wurden.
Die Offene Jugendarbeit ist von den Veränderungen durch die Mediatisierung grundlegend
betroffen. „Jugendarbeiter*innen sind zunächst mit der veränderten Lebenswelt und den
damit einhergehenden Herausforderungen bzw. Risiken für die Jugendlichen konfrontiert.
Weiters stehen sie vor der Notwendigkeit zu prüfen, welche Folgewirkungen die neuen
Kommunikations- und Beziehungsformen auf Seiten ihrer primären Zielgruppe für ihre
bisherigen professionellen Arbeitsweisen und Haltungen haben und inwieweit dadurch die
gewohnten professionellen Handlungsschemata herausgefordert werden“ (Mayrhofer et al.
2017, S. 81).
2.3.1 Einstellungen der Fachkräfte zur Arbeit mit Sozialen Medien
Das ambivalente Verhältnis der Sozialen Arbeit zu digitalen Medien und technologischen
Trends spiegelt sich in den unterschiedlichen Haltungen wider. Die einen befürchten „ein
Verdrängen oder Verschwinden der realen Welt und einen Sog der digitalen Scheinwelt“
(Bollig und Keppeler 2015, S. 97) und weisen auf datenschutzrechtliche Gefahren hin. Die
anderen prophezeien „ungeahnte Chancen, die der virtuelle Raum als Kreativ- und
Zukunftsraum in sich birgt“ (Bollig und Keppeler 2015, S. 97).

26
Vor sieben Jahren beschreibt Rösch das Verhältnis zwischen Jugendarbeit und Sozialen
Medien „zwischen (vorsichtigem) Pragmatismus und Ablehnung“ (Rösch 2013, S. 162).
Besonders gerne wurden Soziale Netzwerkplattformen „zur Werbung für Angebote, zur
Kontaktpflege und zur Kommunikation genutzt“ (Rösch 2013, S. 162).
Jugendarbeiter*innen fragen sich zunehmend „ob und in welcher Weise sich Social
Network Sites zur Kommunikation mit Jugendlichen eignen“ (Fuchs und Goldoni 2013, S.
116). 2015 setzt sich langsam „die Einsicht durch, dass die mediatisierten Lebenswelten -
insbesondere von Kindern und Jugendlichen - nach neuen konzeptionellen Antworten in
den Arbeitsfeldern etwa der Kinder- und Jugendhilfe verlangen“ (Kutscher et al. 2015, S.
3). In der Erhebung von Hemma Mayrhofer et al. bezeichnen sich 2017 nur 5 Prozent der
befragten Jugendarbeiter*innen als „medienbegeistert“. Als „offen gegenüber Online- bzw.
Sozialen Medien“ stufen sich jedoch zwei Drittel aller Befragten ein. Dennoch sind knapp
ein Viertel der befragten Jugendarbeiter*innen nicht von Sozialen Medien angetan, würden
sie aber beruflich nutzen, „wo es ihnen sinnvoll erscheint“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 33).
Nur 3 Prozent nehmen eine Abwehrhaltung gegenüber Sozialen Medien ein. Digitale
Jugendarbeit hängt also „stark vom Engagement einzelner Teammitglieder“ (Mayrhofer et
al. 2017, S. 35) ab.
Als zentrale Problematik werden „fehlendes Bewusstsein auf Seiten der
Jugendarbeiter*innen für die Bedeutung digitaler Medien bzw. eine abwehrende
Grundhaltung diesen gegenüber […] benannt“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 74–75). Einerseits
wird dies durch einen „Generationen-Gap“ und andererseits durch einen fehlenden Auftrag
der Leitungsebenen und Auftraggeber*innen begründet. „Insbesondere jene Generation
an Jugendarbeiter*innen, die selbst noch nicht mit digital-interaktiven Medien
aufgewachsen ist (diese Generation ist zugleich häufiger in Leitungsfunktionen), würde
zum Arbeiten mit und in diesen Medien in großer Distanz stehen. Es fehle an einem
entsprechenden Selbstverständnis, dass es wichtig ist, sich mit den digitalen Lebenswelten
der Jugendlichen auseinanderzusetzen und ihnen in diesen Lebenswelten zu begegnen.
Dafür brauche es die Bereitschaft, selbst auch diese Geräte und Medien zu nutzen, sodass
eine entsprechende Vertrautheit mit ihnen entstehen könne“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 74–
75).
2.3.2 Gründe für die Arbeit mit Sozialen Medien
Trotz vielfältiger negativer Einstellungen der Fachkräfte gegenüber Sozialen Medien gibt
es viele gute Gründe, sich dennoch mit ihnen zu beschäftigen. Rösch bezeichnet die
wachsende Bedeutung Sozialer Medien nicht nur als „eine technologische Mode, sondern
Ausdruck einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung, die Jugendliche
naturgemäß besonders wahrnehmen“ (Rösch 2013, S. 162). Da die
Lebensweltorientierung selbstverständlich mit der Jugendarbeit verbunden ist und Soziale
Medien einen wichtigen Teil der Lebenswelt Jugendlicher darstellt, muss Jugendarbeit
auch dort präsent sein. Zumal Soziale Medien für die Sozialisation Jugendlicher
bedeutsam sind und Jugendarbeit Heranwachsende „im Sinne einer gelingenden
Sozialisation unterstützen möchte“ (Rösch 2013, S. 167), sollte die Jugendarbeit auch in
diesen Räumen Ansprechpartner*innen bieten. Ist die Jugendarbeit hier nicht präsent,
kann das Internet einen Rückzugsraum für Jugendliche darstellen, gleichzeitig wäre dies

27
eine verpasste „Chance auf konstruktiv-kritische Begleitung ihrer Aktivitäten auf SNS und
damit auch ihrer Identitätsbildung“ (Rösch 2013, S. 167).
Soziale Netzwerke können als Werkzeuge der Jugendarbeit dienen, wenn es
beispielsweise „um Zusammenarbeit, Organisation, Jugendinformation, berufliche Selbst-
/Weiterbildung oder Beziehungspflege geht“ (Rösch 2013, S. 167).
Jugendarbeit orientiert sich ebenso an sozialräumlichen Ansätzen, wodurch der neue
Sozialraum „Soziale Medien“ Bedeutung haben muss und eine Erweiterung darstellt. (vgl.
Rösch 2013, S. 167)
Manuel Fuchs und Marc Goldoni beschreiben, dass Jugendlichen durch Soziale Medien
auf einem neuen Kanal begegnet und eine niederschwellige Kontaktmöglichkeit geboten
werden kann. Hier kann präventive Arbeit stattfinden, wobei Jugendarbeiter*innen als
Ansprechpersonen wahrgenommen werden. Ebenso können Themen gemeinsam mit
Jugendlichen bearbeitet, Rückmeldungen zum Auftreten Jugendlicher im Netz gegeben
und weitere Perspektiven geboten werden. Außerdem beschreiben Jugendliche das
Informieren auf Sozialen Plattformen als weniger aufdringlich, im Vergleich zum realen
Ansprechen. (vgl. Fuchs und Goldoni 2013, S. 120)
Dennoch steht die Offene Jugendarbeit vor nicht zu vernachlässigenden
Herausforderungen, die nachfolgend genauer beleuchtet werden.
2.3.3 Herausforderungen durch die Arbeit mit Sozialen Medien
Eine der größten Herausforderungen, der sich die Jugendarbeit vor dem Hintergrund der
Mediatisierung gegenübersieht, ist die Motive der Jugendlichen in Bezug auf die
Mediennutzung nachzuvollziehen. Es geht dabei darum, ihrer aktuellen Lebenswelt und
damit den virtuellen Räumen mit Respekt zu begegnen und sich auf die virtuelle Interaktion
einzulassen. Dies bedeutet, eine offene Haltung gegenüber der Mediennutzung
Jugendlicher einzunehmen, da die Offene Jugendarbeit von Jugendlichen sonst „nicht als
kompetente AnsprechpartnerInnen zum Thema Soziale Netzwerke gesehen“ (Alfert 2015a,
S. 176) wird. Die offene Grundhaltung der Fachkräfte „ist Grundvoraussetzung, damit
Kinder und Jugendliche sich auch in ihren Handlungsfähigkeiten im Umgang mit Medien
stärken lassen und kritisch-reflexive Kompetenzen ausbauen wollen und die Kinder- und
Jugendarbeit somit ihrem (neuen bzw. erweiterten) Auftrag überhaupt gerecht werden
kann“ (Alfert 2015a, S. 221). Das bedeutet auch, dass die Technologie und der Wandel
der Kommunikationsstrukturen Jugendlicher verstanden werden müssen und Risiken
eingeschätzt werden können. „Das reine technische Geschick reicht hier nicht aus,
notwendig ist, das Phänomen und die Begeisterung dahinter zu verstehen“ (Alfert 2013, S.
87). Auch Olivier Steiner ist der Meinung, dass eine Herausforderung für die Offene
Jugendarbeit darin besteht, „die technologische Dynamik und den Wandel der
Mediennutzungsweisen Heranwachsender zu reflektieren“ (Steiner 2013, S. 35).
Durch kommerzielle Räume mit freiem WLAN, wie Fastfood-Restaurants, hat die Offene
Jugendarbeit eine Konkurrenz bekommen, da sich Jugendliche in ihrer Freizeit auch
vermehrt in solchen Räumen aufhalten. (vgl. Brenner 2019b, S. 346) Zudem kämpft die
Jugendarbeit mit der öffentlichen Meinung zu Medien als dominierender Einfluss, wobei
die Mediennutzung Jugendlicher mehrheitlich medienkritisch diskutiert wird. „Gerne
werden hierbei Gefährdungsszenarien ausgemalt und Annahmen über eine durch Medien
beeinflusste neue Lebensgestaltung postuliert […]. Problematisch an diesen Darstellungen

28
ist die Annahme einfacher Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, die vor allem
medienwirksam verbreitet und reproduziert werden“ (Alfert 2015, S. 81).
Weitere Herausforderungen entstehen durch den Datenschutz. Die Rahmenbedingungen,
wie Anonymität und Datensicherheit, sind auf den meisten sozialen Plattformen nicht
gegeben. Es besteht die Gefahr, „dass Angaben, die sonst unter die Schweigepflicht der
Fachkräfte fallen, plattformweit veröffentlicht werden könnten“ (Alfert 2015a, S. 179).
Dadurch wird die Nutzung sozialer Plattformen in Frage gestellt. Das Spannungsfeld in
Sozialen Netzwerken zwischen Öffentlichkeit und Privatheit fordert die Handlungsroutinen
zu Vertraulichkeit und Anonymität heraus. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S. 81) Besonders
problematisch ist hierbei die kommerzielle Gewinnung von privaten Daten, denn „das
konkrete Handeln der Anbieter entzieht sich dabei weitestgehend der Kontrolle der
NutzerInnen, so dass darüber hinaus auch die tatsächlichen Konsequenzen und deren
Ausmaß schwer einzuschätzen sind“ (Alfert 2015, S. 83). Kinder und Jugendliche sollten
für dieses Problem sensibilisiert und zur Reflexion angeregt werden. Seit 25. Mai 2018 gilt
in Österreich das neue Datenschutzgesetz (DSG), das durch die europaweite
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) veranlasst wurde. Dadurch wurde die
Auseinandersetzung mit dem Thema Datenschutz für die Offene Jugendarbeit verbindlich.
„Für Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit ergibt sich im Datenschutz ein Kraftfeld aus
unterschiedlichen Erwartungshaltungen. Jugendliche erwarten sich Aufmerksamkeit,
Anteilnahme und im Einzelfall auch Unterstützung und Beratung. Auf der anderen Seite
wollen Jugendliche möglichst anonym bleiben oder zumindest sicher sein, dass ihre Daten,
Informationen und Mitteilungen vertraulich behandelt werden“ (Pilgermair 2018, S. 5).
„Die unterschiedlichen Kompetenzen der AdressatInnen führen zu einer digitalen
Ungleichheit was Herausforderungen und Aufgaben für pädagogische Fachkräfte
impliziert, die im Verhältnis von Befähigung, Schutz und Kontrolle stehen“ (Alfert 2015a, S.
221). Es geht darum, nicht Teil der Reproduktion dieser Ungleichheit zu werden und sich
nicht am Ausschlusspotential der Mediatisierung zu beteiligen, wie beispielsweise „durch
Nutzung bestimmter Plattformen und/oder bestimmte Formen von Kommunikation“ (Rösch
2018, S. 129). Auch Nadia Kutscher thematisiert die Gefahr der Reproduktion sozialer
Ungleichheit, „die sich auch im virtuellen Kontext abbildet und mit seiner zunehmenden
Bedeutung verstärkt“ (Kutscher 2013, S. 55). Auf der anderen Seite könnte virtuell-
aufsuchende Arbeit auch sozial benachteiligte Jugendliche erreichen „und somit einen
Beitrag zur Reduzierung digitaler Ungleichheit leisten“ (Bollig und Keppeler 2015, S. 109).
Die professionelle Schulung der Fachkräfte in der OJA und die Erstellung von
Handlungsempfehlungen und Richtlinien stellt eine weitere Herausforderung dar. Es bedarf
Fortbildungen zum Thema Sicherheits- und Privatsphäre-Einstellungen sowie Vermittlung
allgemeiner Möglichkeiten und Wissenserweiterung hinsichtlich Chancen und Risiken. (vgl.
Alfert 2015a, S. 326) Auch die technischen Kenntnisse zu Sozialen Netzwerken sollten in
Fortbildungen vermittelt werden. (vgl. Fuchs 2013, S. 152–153)
Außerdem befürchten Fachkräfte, „künftig mehr Zeit vor dem Computer im Büro zu sitzen
– zu Ungunsten der Kontakte mit den Jugendlichen auf der Straße im öffentlichen Raum“
(Fuchs 2013, S. 152–153). Hier wird Aufklärung hinsichtlich der Angebote, die eine
Ergänzung des realen Raumes durch den virtuellen Raum und nicht einen Ersatz
darstellen, benötigt. „Insgesamt bedarf es einer guten personellen und finanziellen

29
Ressourcenplanung sowie klare Handlungsanweisungen und Zuständigkeiten“ (Alfert
2013, S. 102).
Jugendarbeiter*innen sehen in der schnellen Veränderung der Sozialen Medien eine
weitere Herausforderung. Es geht darum, immer am Ball bleiben zu müssen und sich
ständig mit den aktuellen Trends und Neuerungen auseinandersetzen zu müssen. (vgl.
Mayrhofer et al. 2017, S. 54) Besonders bezüglich der Ausarbeitung von Konzepten zu
speziellen Sozialen Medien ist die Schnelllebigkeit dieses Feldes eine große Schwierigkeit.
Konzepte aktuell zu halten wäre demnach eine Daueraufgabe. Dennoch sind detaillierte
Konzepte oft hilfreich, „um eine größere professionelle Verbindlichkeit zu erreichen“ (Rösch
2018, S. 152). Außerdem besteht die Sorge, dass die Abgrenzung als Privatperson
erschwert wird, durch den Erwartungsdruck der Jugendlichen, „rund um die Uhr erreichbar
zu sein – so wie sie es selbst zumeist sind (wenn auch eben als Privatperson)“ (Mayrhofer
et al. 2017, S. 79). „Die Grenzziehung zwischen beruflicher und privater Person stellt
zunächst in niederschwellig arbeitenden Kontexten, in denen die persönliche
Beziehungsbasis zu den Klient*innen bzw. Nutzer*innen eine herausragende Rolle spielt,
allgemein ein bedeutsames Aushandlungsfeld in der professionellen Arbeit dar. Durch die
neuen Kommunikationsmedien verschärft sich die schwierige Grenzziehung zwischen
Beruflichem und Privatem für die Professionellen, weichen doch diese Medien die Grenzen
zwischen Öffentlichkeit und Privatheit generell auf“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 80). Hierfür
kann ein klares professionelles Rollenverständnis hilfreich sein, welches sich auch in den
virtuellen Raum übertragen lässt. Zudem werden materielle, personelle und zeitliche
Rahmenbedingungen durch den Träger nötig. Hierzu zählen regelmäßige Fortbildungen
der Fachkräfte, eine passende technische Ausrüstung und flexible Dienstpläne, um das
Angebot für die Zielgruppe zeitlich passend zu integrieren. Nicht zuletzt werden fachliche
Richtlinien benötigt, um die Fachkräfte hinsichtlich datenschutzrechtlicher Problematiken
abzusichern. In weiterer Folge braucht es auch einen fachlichen Diskurs, um Konzepte
weiterzuentwickeln. (vgl. Bollig und Keppeler 2015, S. 108)
Letztlich besteht eine Herausforderung der Offenen Jugendarbeit im Zusammenhang mit
Sozialen Medien in der fehlenden Konzeptentwicklung. Dazu zählen auch fehlende
Ressourcen und Kompetenzen sowie fehlendes Informationsmaterial für Fachkräfte. (vgl.
Alfert 2015a, S. 328) Steiner und Goldoni sind der Meinung, dass „die Kinder- und
Jugendarbeit, welche sich mit Heranwachsenden befasst, für die das Aufwachsen in einer
digital durchdrungenen Gesellschaft zur unhintergehbaren Realität wird“ (Steiner und
Goldoni 2013, S. 10–11), sich zwangsläufig mit Reflexionen, Konzepten und
Zielformulierungen zum Thema auseinandersetzen muss. Tillmann betont aber, dass die
Umsetzung des Auftrags „durch reduzierte Fördermittel, unzureichende Qualifikationen
und Konkurrenzsituationen“ (Tillmann 2013, S. 53) erschwert wird. „Flächendeckende
Infrastrukturen und umfangreiche personelle und finanzielle Ressourcen sind daher
notwendig, damit sich die Jugendarbeit aktuellen Herausforderungen wie der digitalen
Ungleichheit, E-Partizipation, Inklusion, den neuen Raumerfahrungen und -bezügen sowie
Online-Treffpunkten Jugendlicher stellen und ihren Anteil zur Sicherstellung der Teilhabe
von Jugendlichen an der Gesellschaft leisten kann“ (Tillmann 2013, S. 53).
Gerd Brenner stellt 2019 fest, „dass die OKJA offensichtlich auf die Herausforderungen
durch die veränderten Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen noch nicht angemessen

30
reagiert habe“ (Brenner 2019b, S. 348). Es bräuchte mehr Angebote zur Mediennutzung
und virtuell-aufsuchender Arbeit. (vgl. Brenner 2019b, S. 348)
Betrachtet man die Herausforderungen der Jugendlichen und die der Fachkräfte, wäre eine
Reflexion des fachlichen Handelns und der Angebote in Anbetracht der Mediatisierung
sinnvoll. Außerdem sollten Konzepte weiterentwickelt werden, um alle Jugendlichen
konstruktiv dabei begleiten zu können, „reflexiv mit Medien umzugehen, Reproduktionen
von Ungleichheit mitzudenken und entgegenzusteuern“ (Alfert 2015a, S. 180).
2.3.4 Voraussetzungen für die Arbeit mit Sozialen Medien
Da Medien nun untrennbarer Bestandteil der Lebenswelt sind und diese die Identität
maßgeblich mitbestimmen, gilt es, „die Verbindung zwischen Individuum, Gesellschaft und
Medien“ (Alfert 2015a, S. 135) bei der Arbeit nicht außer Acht zu lassen. Voraussetzung
pädagogischen Handelns in medialen Räumen ist, „das Medienhandeln von
Heranwachsenden zu verstehen“ (Alfert 2015a, S. 136). Denn „ohne das heutige
Medienhandeln der Heranwachsenden zu berücksichtigen, wird man viele Prozesse, wie
die Identitätsentwicklung, zunehmend immer weniger nachvollziehen […] und begleiten
können“ (Alfert 2015a, S. 136). Fuchs und Goldoni bezeichnen „die Neugier auf Neues und
Innovatives […] als eine Grundbedingung für die Jugendarbeit“ (Fuchs und Goldoni 2013,
S. 121). „Wichtig ist die Bereitschaft, zu experimentieren und bei Unsicherheiten erfahrene
Jugendliche als Experten und Expertinnen zu befragen. [...] Ein einfaches Verweigern
entspricht nicht der Maxime der Bedürfnisorientierung Jugendlicher“ (Fuchs und Goldoni
2013, S. 125).
Fachkräfte benötigen eine medienpädagogische Grundbildung, die bevorzugterweise
direkt in den Ausbildungen verankert ist. Des Weiteren sollten Möglichkeiten zur
Weiterbildung für Digitale Jugendarbeit vermehrt angeboten und Ressourcen dafür zur
Verfügung gestellt werden. (vgl. Tillmann 2013, S. 62)
Um Digitale Jugendarbeit leisten zu können und auf Sozialen Netzwerken präsent zu sein,
bedarf es angemessener technischer Ausstattung und Infrastruktur. (vgl. Mayrhofer et al.
2017, S. 37) Dazu zählen beispielsweise „ein niedrigschwelliges und leistungsfähiges
WLAN, spezifische und professionelle Webangebote, aber auch alternative
Kommunikationsplattformen und sicher in vielen Fällen auch entsprechende Geräte […]
(etwa Smartphones, Laptops, Tablets)“ (Rösch 2018, S. 153). Durch Organisationen und
Fördergeber*innen müssen zeitliche und finanzielle Ressourcen ermöglicht werden, um
den Zeitaufwand für Online-Jugendarbeit zu entschädigen. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S.
39)
Die geltenden Handlungsprinzipien in der „Offline Jugendarbeit“ müssen ebenso für das
Handeln in der Digitalen Jugendarbeit gelten. Fuchs und Goldoni heben „besonders die
Stichworte Freiwilligkeit, Bedürfnisorientierung, Selbstbestimmung und Offenheit“ (Fuchs
und Goldoni 2013, S. 124) in diesem Zusammenhang hervor. Aber auch die Grenzen
Jugendlicher in Onlineräumen sollten gewahrt bleiben. Fachkräfte sollten dabei die Rolle
des Gastes einnehmen. Außerdem muss Rücksicht auf die Authentizität der Fachkräfte
genommen werden, denn „nur eine authentische Nutzung ist für alle Beteiligten konstruktiv.
[...] Es ist nicht die Funktion von Jugendarbeit, Profile nach negativ zu bewertenden
Äußerungen zu durchsuchen. Allerdings wird in konkreten Fällen die Auseinandersetzung
mit den Jugendlichen gesucht“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 125–126).

31
Abschließend nennt Rösch drei Entwicklungsschritte für die OJA, die durch die
Mediatisierung relevant werden. Erstens müssen die Veränderungen durch die
Mediatisierung des Alltags der Zielgruppe in Theorie und Praxis eingearbeitet werden, da
die Lebensweltorientierung zu den bedeutsamsten Prinzipien gehört. Zweitens erweitern
sich die Raumvorstellungen in den virtuellen Bereich, wodurch die sozialräumlichen
Konzepte angepasst werden sollen. Und drittens müssen die Auswirkungen der
Mediatisierung auf das professionelle Handeln der Fachkräfte und die
Rahmenbedingungen adaptiert werden. (vgl. Rösch 2018, S. 13) „Der Bezug zur
Lebenswelt von Jugendlichen ist ein Grundprinzip von Jugendarbeit, das die Notwendigkeit
verdeutlicht, auch mediale Veränderungen der Lebenswelten von Jugendlichen
aufzugreifen“ (Brüggen und Ertelt 2011, S. 9). Bollig konstatiert, dass „eine verstärkte
Auseinandersetzung mit der Mediennutzung und dem Medienhandeln von Kindern und
Jugendlichen“ (Bollig 2015, S. 46) unausweichlich ist. Die „Aufgabe der Kinder- und
Jugendhilfe, junge Menschen bei der Durchsetzung und Verwirklichung ihres Rechts auf
Förderung ihrer Entwicklung und Eigenständigkeit zu unterstützen und einen Beitrag zum
Abbau von Benachteiligungen zu leisten“ (Bollig 2015, S. 46), kann nur durch eben diese
Auseinandersetzung erfüllt werden. „Aktuell erwerben Jugendliche die Kompetenz, um in
digitalen Welten soziale Handlungsfähigkeit erlangen und gesellschaftliche und politische
Verantwortung übernehmen zu können, in erster Linie […] im Kreise der Gleichaltrigen [...].
Will die Kinder- und Jugendarbeit zukünftig auch weiterhin einen Ort darstellen, an dem
sich Kinder und Jugendliche Kompetenzen aneignen, sich ihre Lebenswelt erschließen und
sich mit ihr auseinandersetzten [...], dann ist sie aufgefordert, die digitalen Medien stärker
in ihre Arbeit zu integrieren“ (Tillmann 2018, S. 70–71). „Permanente
Veränderungsprozesse sind Arbeitsalltag. Wenn man so will, sind diese vermutlich die
wichtigste Konstante“ (Berndt 2019, S. 73). Es gilt die Balance zu halten zwischen
angemessenem Wandel und Gewährleistung der Kontinuität gegenüber den Jugendlichen.
Auch laut bOJA-Handbuch ist die Offene Jugendarbeit „ein dynamisches Arbeitsfeld,
welches sich ständig weiterentwickelt – sowohl inhaltlich als auch methodisch-fachlich"
(bOJA 2015, S. 6).

2.4 Exkurs: Veränderung der Raumkonzepte der Offenen Jugendarbeit


Deinet beschreibt heutige Raumerfahrungen Jugendlicher als „inkonsistent“. Er meint
damit, dass sich unterschiedliche Raumbilder nicht mehr ablösen, sondern nebeneinander
existieren. Räume sind nicht homogen, sondern gestaltbar und flexibel geworden. (vgl.
Deinet 2010, S. 41) Besonders gut ist dies an Plattformen Sozialer Medien sichtbar.
2.4.1 Öffentlicher Raum
Deinet konstatiert, dass „nicht ‚der‘ öffentliche Raum sondern ein breites Spektrum
unterschiedlicher Orte und Räume mit sehr verschiedenen Raumqualitäten aus Sicht von
Kindern und Jugendlichen“ (Deinet 2010, S. 37) existiert. Vor dem Hintergrund der
Kontrolle und zunehmenden Verdrängung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum ist die
mediatisierte Kommunikation eine passable Alternative. (vgl. Rösch 2018, S. 51)
Treffpunkte sind flexibel geworden, was durch zwei Thesen erklärt werden kann. Einerseits
besagt die „Verflüssigungsthese“, dass sich Jugendliche seltener an fixen Treffpunkten im
öffentlichen Raum aufhalten und dass Treffpunkte „vermehrt online kommuniziert und

32
durch zeitnahe Vereinbarungen immer wieder neu konstituiert“ (Bollig und Keppeler 2015,
S. 100–102) werden. Andererseits begründet die „Verdrängungs- und Ausweichthese“ die
Vertreibung Jugendlicher aus dem öffentlichen Raum. Sie werden als störend und
bedrohlich wahrgenommen und haben es oft schwer, sich ihren Platz zu erobern. „Sie
bevorzugen daher andere Orte, die eher ihren Interessen und Bedürfnissen entsprechen“
(Bollig und Keppeler 2015, S. 100–102) und weichen oftmals auf virtuelle Räume aus.
Heutzutage ziehen sich Jugendliche „mehr und mehr in ihre digitalen Lebenswelten zurück.
Im öffentlichen Raum fallen sie meist nicht durch ein jugendkulturell-expressives Äußeres,
sondern eher durch ihre Unauffälligkeit auf“ (Großegger 2019).
2.4.2 Virtueller Raum
Jugendliche entwickeln durch die Mediatisierung der Gesellschaft neue
Raumvorstellungen, „die von der Erfahrung eines digital erweiterten Sozialraums geprägt
sind. Jugendarbeit, die konzeptionell den Sozialraum in den Mittelpunkt stellt, muss darauf
reagieren […]. Wenn sich der Sozialraum von Jugendlichen jedoch generell verändert,
muss dies konzeptionelle Konsequenzen in der Jugendarbeit insgesamt haben“ (Rösch
2013, S. 165). Ketter betont, dass es heute vielfältige Aufenthaltsorte Jugendlicher gibt.
„Neben Familie, Schule und Freunden zählen das Web 2.0 und insbesondere soziale
Netzwerke zum Erfahrungsraum Heranwachsender“ (Ketter 2011, S. 21). Durch das
Internet können Heranwachsende in mehreren Räumen gleichzeitig sein. „Menschen
sitzen in der Straßenbahn und tauschen sich per Smartphone und SNS mit Kolleg(inn)en
und Freund(inn)en aus. Wie groß die Involviertheit dabei gehen kann, zeigen die immer
häufiger zu beobachtenden Fußgänger/innen im öffentlichen Raum, die im Gehen
persönliche Nachrichten lesen und dabei den Verkehr nur noch teilweise wahrnehmen.
Soziale Räume können sich also quer zum physischen Raum ausdehnen“ (Rösch 2013,
S. 164). Die Erfahrungsräume, die durch Soziale Netzwerke entstehen, erfüllen „wichtige
Funktionen für die Identitätsarbeit […] wie auch für Aufbau und Pflege des
Beziehungsnetzwerks“ (Steiner 2013, S. 18). Virtuelle Räume ermöglichen Spaß,
Spannung, Information, Freundschaften, Gruppenzugehörigkeit und Individualität. (vgl.
Kutscher 2013, S. 49) Durch die Bedeutung medialer Handlungsräume für die
Identitätsarbeit und die Gestaltung sozialer Beziehungen, „muss Jugendarbeit diese
Räume mitdenken und zugleich sensibel mit diesen Räumen umgehen“ (Brüggen und
Ertelt 2011, S. 9). Heranwachsende werden heute maßgeblich durch virtuelle Räume
geprägt und nehmen proaktiv und gestaltend darauf Einfluss. „Aus medialen
Erfahrungsräumen sind virtuelle Handlungs- und Aktionsräume geworden. [...] Soziale
Netzwerkseiten dürfen daher nicht als virtuelle Parallelwelten angesehen werden, sondern
sind als Realität zu begreifen“ (Alfert 2013, S. 88). Durch die Bedeutung medialer
Handlungsräume für die Identitätsarbeit und die Gestaltung sozialer Beziehungen „muss
Jugendarbeit diese Räume mitdenken und zugleich sensibel mit diesen Räumen umgehen“
(Brüggen und Ertelt 2011, S. 9). Wenn Medien als soziale Handlungsräume gedacht
werden, sollten nicht nur Risiken oder Chancen in den Fokus genommen werden, sondern
deren Spannungsfeld bei der Nutzung betrachtet werden. Durch die Betrachtung von
Medien als erweiterte Sozialräume werden die Zusammenhänge zur theoretischen
Grundlage der Jugendarbeit, der Sozialraumaneignung, deutlich. (vgl. Bollig und Keppeler
2015, S. 98)

33
2.4.3 Vireale Sozialraumaneignung
Vireale Sozialraumaneignung wird vom Aneignungskonzept Deinets und dem Konzept des
virealen Lernens von Röll abgeleitet.
Der Begriff der Aneignung bezeichnet eine „Perspektive auf die Persönlichkeitsentwicklung
im Jugendalter“ (Rösch 2018, S. 29). „Im Aneignungskonzept wird das eigentätig
handelnde Subjekt in den Mittelpunkt gestellt und die Annahme getroffen, dass das Subjekt
in der (praktisch oder kognitiv) tätigen Auseinandersetzung mit der Umwelt sein
Bewusstsein (weiter-)entwickelt“ (Rösch 2018, S. 37). Damit sind insbesondere die
„Auseinandersetzung mit dem Raum sowie mit Medien und Medieninhalten“ (Rösch 2018,
S. 37) gemeint. Das Konzept der sozialräumlichen Aneignung versteht Entwicklung von
Kindern und Jugendlichen als sozialräumliche Aneignung ihrer Lebenswelt. Entwicklung
wird als „tätige Auseinandersetzung mit der Umwelt“ verstanden. Aneignung für Kinder und
Jugendliche ist demnach die eigentätige Auseinandersetzung mit der Umwelt, kreative
Gestaltung von Räumen, Inszenierung und Verortung im öffentlichen Raum und in
Institutionen, Veränderung vorgegebener Situationen, Erprobung des eigenen Verhaltens
und neuer Fähigkeiten, Schaffung neuer Räume und vieles mehr. (vgl. Deinet 2010, S. 42–
43) Laut Rösch gehört dazu auch die aktive Auseinandersetzung mit Medien und
Medieninhalten. (vgl. Rösch 2018, S. 37) „Insbesondere durch den Einfluss der neuen
Medien, aber auch durch Mobilität und andere Aspekte der Globalisierung, entstehen
immer stärker Räume ohne konkrete Ortsbindung“ (Deinet 2010, S. 42–43).
Vireales Lernen bezeichnet nach Röll „die Auseinandersetzung Jugendlicher mit der
ineinander verwobenen sozialen und medialen Wirklichkeit“ (Ketter 2011, S. 20) mit dem
Ziel der Identitätsstärkung. Der Begriff „vireal“ löst die Grenzen zwischen real und virtuell
auf. (vgl. Alfert 2015a, S. 228)
Unter virealer Sozialraumaneignung wird „die Gleichzeitigkeit sozialräumlicher
Erfahrungen im Sinne einer Verschmelzung von real zugänglichen und mediatisierten
Sozialräumen und deren Ineinanderwirken [verstanden, Anm. d. Verf]. Der Ansatz einer
virealen Sozialraumaneignung ist für die Jugendarbeit erforderlich, um an sich wandelnde
Lebenswelten und Sozialraumerfahrungen Jugendlicher anknüpfen und Heranwachsende
bei ihren Handlungsaufgaben unterstützen zu können“ (Ketter 2011, S. 23). Das Konzept
der virealen Sozialraumaneignung setzt an der Lebenswelt und den Ressourcen der
Zielgruppe an „und kann zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst und der
sozialen, materiellen sowie symbolischen Umwelt in medialen Ausdrucksformen aktivieren“
(Ketter 2014, S. 307). Dadurch können bisher verschlossene Räume zugänglich gemacht
werden und speziell Mädchen angesprochen werden, „die sich aufgrund von elterlichen
Reglementierungen oder eigener Entscheidung nicht im öffentlichen Raum oder in
Jugendeinrichtungen aufhalten“ (Ketter 2014, S. 307). „Im Praxiskonzept der virealen
Sozialraumaneignung werden sozialräumliche Methoden der Jugendarbeit mit solchen der
Medienpädagogik zusammengebracht“ (Rösch 2018, S. 136). Die sozialräumliche Arbeit
in real zugänglichen und mediatisierten Sozialräumen findet also gleichzeitig statt. (vgl.
Bollig und Keppeler 2015, S. 98). Siehe dazu Kapitel 3.6.1 „Virtuell-aufsuchende
Jugendarbeit“.
„Um Heranwachsende zu erreichen, die sich wandelnde Sozialraumaneignung
Jugendlicher aufzugreifen und anzuerkennen und um Bildungsangebote zu initiieren, ist
das Aufsuchen Jugendlicher an deren Aufenthaltsorten notwendig“ (Ketter 2011, S. 21).
34
3. REAKTIONEN DER OFFENEN JUGENDARBEIT
2011 beschrieben Niels Brüggen und Jürgen Ertelt unterschiedliche Positionen der
Offenen Jugendarbeit zu Sozialen Medien. Das erste Argument besagt, dass Jugendliche
„vor den Risiken von social media geschützt und darauf vorbereitet werden“ (Brüggen und
Ertelt 2011, S. 9) müssen. Andere sind der Meinung, dass die Jugendarbeit dort sein muss,
wo die Jugendlichen sind. Und wieder andere sind davon überzeugt, dass Soziale Medien
für die Jugendarbeit Chancen bieten kann und Veränderungen der Arbeitsbedingungen
und -strukturen mit sich bringt. Sie betonen, dass das Ziel von Jugendarbeit nicht ist, „dort
zu sein, wo Jugendliche sind, sondern Angebote zu gestalten, die Jugendliche bei der
Bewältigung ihres Alltags und ihrer Lebensgestaltung unterstützen“ (Brüggen und Ertelt
2011, S. 9).
Streetworker stellen bereits 2011 „im Arbeitsalltag zunehmend den Bedarf eines
niederschwelligen Angebots […] fest, der durch (Online-) Verfügbarkeit erfüllt wird.
Streetworker, die viel online sind, berichten, dass sie unter den Jugendlichen
weiterempfohlen werden und dass bei ihnen die Erstkontakte zu Jugendlichen über die
sozialen Netzwerke spürbar zunehmen“ (Pritzens 2011, S. 29). Die Arbeit im Netz wird hier
„als Ergänzung zum klassischen Streetwork - sehr gut von den Jugendlichen
angenommen“ (Pritzens 2011, S. 30).
Der Verein Wiener Jugendzentren legte 2013 in seinen Social Media Guidelines fest, dass
Internet und Soziale Netzwerke „ein fixer Bestandteil der Lebenswelten von jungen
Menschen [sind, Anm. d. Verf.]. Daher ist auch die Offene Jugendarbeit, im Sinne ihrer
sozialräumlichen, lebensweltorientierten Perspektive in medialen sozialen Räumen aktiv“
(Verein Wiener Jugendzentren 2013, S. 3). Kutscher beschreibt 2013, dass sich das Netz
zu einem „Pull-Medium“ entwickelt hat, „das maßgeblich von den Beiträgen der
EmpfängerInnen mit gestaltet wird“ (Kutscher 2013, S. 50). Auch die Jugendarbeit muss
hier mitgestalten und aktiv sein. Alle Bereiche der Sozialen Arbeit kommen nicht umhin
„angesichts der zunehmenden Durchdringung der Lebenswelt, insbesondere durch
Soziale Netzwerkseiten, […] bestehende Konzepte und Methoden […] überdenken, vor
allem aber […] erweitern um den Anschluss an diese Entwicklung und damit an die
Jugendlichen nicht zu verpassen“ (Alfert 2013, S. 100). Soziale Netzwerkplattformen sind
mehr als bloße Mittel zur Kommunikation, sie sind Realität. Sie stehen „in Wechselwirkung
zwischen ‚on- und offline Lebenswelten‘“ (Alfert 2013, S. 100–101) und stellen alternative
Sozialräume dar, „durch die sich die Sozialisationsbedingungen, Entwicklungsaufgaben
und Lebenswelten verändern. Die Axiome Lebenswelt- und Sozialraumorientierung
verdeutlichen die Notwendigkeit, dass sich Fachkräfte der Jugendarbeit zu und eben auch
in den Neuen Medien positionieren, die Chancen nutzen und Jugendliche für die Risiken
sensibilisieren - sie in diesem Teil ihrer Lebenswelt also ebenfalls begleiten, anstatt sich
aus diesem Bereich (selbst) auszuschließen“ (Alfert 2013, S. 100–101). Das Aufwachsen
der Kinder und Jugendlichen in einem mediatisierten Umfeld führt dazu, dass „zukünftig
verstärkt auch die virtuellen Orte in den Blick“ (Tillmann 2014, S. 281–282) genommen
werden müssen, da diese für Kinder und Jugendliche bedeutungsvolle Räume darstellen.
Die Jugendarbeit ist dazu „aufgefordert, Medien in ihre Arbeit zu integrieren und
Jugendlichen medienpädagogische Angebote zu unterbreiten“ (Tillmann 2013, S. 53).
Kommunikation ist eine wesentliche Voraussetzung, um die Entwicklung Jugendlicher zu

35
fördern. „Diese findet heute, in einer digital-vernetzten Gesellschaft, zunehmend
medienvermittelt statt“ (Tillmann 2013, S. 53). Aufgabe der Offenen Jugendarbeit ist es
daher, kommunikative Kompetenzen bzw. Medienkompetenzen zu fördern. Steiner und
Goldoni beschreiben verschiedene Nutzungsformen neuer Medien im Alltag der
Jugendarbeit. So werden diese „beispielsweise zur Kommunikation mit Heranwachsenden,
zur niederschwelligen Information und zur Medienkompetenzförderung in projektförmigen
Angeboten“ (Steiner und Goldoni 2013, S. 7) genutzt. Geraume Zeit lag „der Fokus der
Auseinandersetzung in Bezug zu sozialen Netzwerken […] auf der privaten Nutzung und
hier vor allem auf dem Medienhandeln der Heranwachsenden. Dabei wurde der Blick auf
berufliche Nutzungskontexte der Sozialen Arbeit vernachlässigt“ (Alfert 2015, S. 84). Doch
2015 stellt Alfert eine „schnelle Zunahme an Online-Präsenzen für das Handlungsfeld der
Kinder- und Jugendarbeit“ (Alfert 2015, S. 78) fest. Allmählich werden Soziale Medien als
Chance und neue Möglichkeit des professionellen Handelns angesehen, womit die Offene
Jugendarbeit auf die Veränderungen im Alltag der Jugendlichen eingeht. Alfert beschreibt,
dass die Beschäftigung mit Medien Grundvoraussetzung ist, „um Kinder und Jugendliche
im Aufwachsen positiv zu begleiten, um die Auseinandersetzung offensiv voranzutreiben,
einen Beitrag zur Medienerziehung zu leisten und Medienkompetenz zu fördern“ (Alfert
2015a, S. 140–141). Nach und nach werden „neue Medienformen zur Kommunikation mit
Heranwachsenden und zur eigenen Positionierung und Präsentation“ (Alfert 2015a, S. 141)
in der Sozialen Arbeit und besonders im Handlungsfeld der Offenen Kinder- und
Jugendarbeit genutzt.
Die Integration von Medien in das pädagogische Handeln der Jugendarbeiter*innen
„geschieht sinnvoll durch zwei Prozesse, die sich ergänzen: durch die Entwicklung und
Erprobung von Praxisansätzen und – parallel dazu – durch die Entwicklung von
grundsätzlichen Konzepten und darauf aufbauenden Praxiskonzepten“ (Rösch 2018, S.
150). Bis jetzt ist allerdings keine flächendeckende Praxis erkennbar. In manchen Fällen
sind Konzepte wie die „virtuell-aufsuchende Jugendarbeit“ (siehe dazu Kapitel 3.6.1
„Virtuell-aufsuchende Jugendarbeit“) vorhanden oder es gibt organisationsinterne
Methodenbeschreibungen. Obwohl bereits viele Einrichtungen mit großem Einsatz mit
Sozialen Medien arbeiten, gibt es keine einheitliche konzeptionelle Weiterentwicklung. (vgl.
Rösch 2018, S. 150, 159)
In den Europäischen Leitlinien für Digitale Jugendarbeit, die 2019 erschienen sind, wird
treffend zusammengefasst, dass „der digitale Wandel […] unsere Gesellschaft in
vielfältiger Weise [beeinflusst, Anm. d. Verf.]. Das gesamte Leben von jungen Menschen
wird von diesen Veränderungen geprägt sein. Jugendarbeit hat den Auftrag, die
persönliche und soziale Entwicklung junger Menschen zu unterstützen. Der spezifische
Bildungsansatz von Jugendarbeit (Freiwilligkeit, non-formale Settings) ist einzigartig, um
auf die Bedürfnisse junger Menschen in einer sich zunehmend von Digitalisierung
geprägten Gesellschaft einzugehen und eine bedeutende Rolle bei der Überwindung der
digitalen Kluft und der Förderung von Inklusion zu übernehmen“ (digital youth work 2019).

3.1 Handlungsprinzipien
Die Expert*innen sind sich dabei einig, dass die Handlungsprinzipien der „offline
Jugendarbeit“ auch online gelten müssen. Besonders hervorgehoben werden die

36
Standards der Freiwilligkeit, Transparenz, Vertraulichkeit, Kontinuität und Akzeptanz. (vgl.
Alfert 2013, S. 101)
Rösch hebt das Prinzip der Freiwilligkeit besonders hervor, denn „Angebote von
Jugendarbeit müssen so gestaltet sein, dass Jugendliche über die Möglichkeit von
pädagogischen Interventionen bestimmen können. Das betrifft etwa Kontaktanfragen in
SNS oder pädagogische Interventionen via Social Media generell“ (Rösch 2018, S. 155).
In Bezug zur Lebensweltorientierung betont Rösch, dass es kontraproduktiv sein kann,
ausschließlich auf alternativen (nicht oder weniger kommerziellen) Plattformen mit
Jugendlichen in Kontakt treten zu wollen. Lebensweltorientierung bedeutet eben auf jenen
Plattformen präsent zu sein, die die Jugendlichen von sich aus wählen. (vgl. Rösch 2018,
S. 155–156) Lebensweltorientierung bedeutet auch, die „Rahmenbedingungen des
Aufwachsens unter heutigen Mediatisierungsprozessen zu verbessern und teils neu zu
schaffen – Heranwachsenden also zu ermöglichen, in den komplexen Medienwelten
Orientierungspunkte zu finden“ (Alfert 2015a, S. 220–221). Es geht darum, „die
Möglichkeiten von Medien aufzuzeigen, Heranwachsenden zu helfen, diese
wahrzunehmen und als Ressourcen für die individuelle Lebenswelt und Lebensführung
anschlussfähig zu machen“ (Alfert 2015a, S. 220–221). Außerdem verdeutlicht „die
lebenswelt- und sozialraumorientierte Ausrichtung, als Grundprinzip der Jugendarbeit, […]
die Notwendigkeit, diese neuen Räume mitzudenken und in die Arbeit einfließen zu lassen“
(Alfert 2013, S. 88).
Durch den akzeptierenden Ansatz stellt sich die Frage, „welche Kompetenzen es zu fördern
gilt, damit sie [die Jugendlichen, Anm. d. Verf] sich in diesen neuen, technologisch
vermittelten sozialen Strukturen sicher bewegen können“ (Alfert 2013, S. 100). Zusätzlich
nimmt die Medienpädagogik in der Jugendarbeit eine immer größere Rolle ein, da sich (wie
oben beschrieben) die Lebenswelten zu Medienwelten hin entwickeln. (vgl. Euler und
Paschen 2013)
Die Standards der Professionalität müssen dabei auf die neuen Herausforderungen
übertragen werden. Besonders die Spannungen zwischen Beruf und Privatheit bzw.
Arbeitszeit und Freizeit sowie Nähe und Distanz sind zu besonders berücksichtigt werden.
Außerdem müssen die Reproduktion von Ungleichheit und die Problematik des
Datenschutzes mitbedacht werden. Es müssen auch entsprechende Weiterbildungen, „die
der großen Dynamik im Medienbereich und der Jugendkultur gerecht werden und
gleichzeitig ressourcenadäquat sind“ (Rösch 2018, S. 156), entwickelt werden.
Fuchs und Goldoni formulieren den „Grundsatz, möglichst keine Trennung von Offline- und
Online-Tätigkeiten vorzunehmen“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 126), denn „dort, wo die
Zielgruppe sich befindet, hat sich Jugendarbeit zu präsentieren“ (Fuchs und Goldoni 2013,
S. 121). Dies gilt bezüglich offline wie auch online Treffpunkten.
Sozialraumaneignung bedeutet heutzutage die Verknüpfung von Virtualität und Realität.
Die Nutzung Sozialer Medien kann als Chance für die Jugendarbeit „um an sich wandelnde
Lebenswelten und Sozialraumerfahrungen Jugendlicher anknüpfen und Heranwachsende
bei ihren Handlungsaufgaben unterstützen zu können“ (Wagner 2014, S. 293), gesehen
werden. Die Diskussion über „Chancen und Risiken des Social Web darf […] nicht in einem
‚ja oder nein‘ über die Nutzung enden. Vielmehr bedarf es der Frage nach dem ‚wie‘ einer
Anpassung des Methodenrepertoires an diesen Wandel“ (Alfert 2013, S. 90). Grundsätzlich
gibt es in Österreich selten Konzepte, die sich nur auf den virtuellen Raum beziehen. „In
37
der offenen oder aufsuchenden Jugendarbeit stehen JugendarbeiterInnen in der Regel mit
den gleichen Jugendlichen in Kontakt, die sie offline auch kennen“ (Anderle und Pöyskö
2016). Alfert betont, dass die Präsenz auf Sozialen Medien das realweltliche Handeln nur
ergänzen kann. Es darf sich dabei nicht um die Substitution bestehender Angebote,
sondern um ein zusätzliches Angebot handeln. (vgl. Alfert 2013, S. 101) Auch Tillmann
plädiert dafür, „von einer Erweiterung oder Ergänzung realer Räume durch virtuelle Räume
zu sprechen, da auf diese Weise aktuelle Formen von Identitätsarbeit,
Sozialraumaneignung und heutiges Spielverhalten erfasst werden können“ (Tillmann 2014,
S. 275).

3.2 Chancen professioneller Nutzung Sozialer Medien


Alfert betont die „Chancen und Angebote für die verschiedensten Formen von
Beziehungspflege, Selbstdarstellung und Partizipation“ (Alfert 2015a, S. 91). Die meisten
Organisationen der Jugendarbeit wollen mit ihren Angeboten die Zielgruppe „im besten Fall
möglichst viele, zeit- und ressourcensparend“ (Alfert 2015a, S. 224–225) erreichen und
ansprechen.
Fuchs und Goldoni beschreiben sechs verschiedene (vorteilhafte) Formen des Handelns
der Jugendarbeit auf Sozialen Netzwerken (vgl. Fuchs und Goldoni 2013, S. 122 – 124):
1. Informieren durch die Verbreitung und das Einholen von Informationen.
2. Selbstdarstellung von eigenen Angeboten und themenbezogenen Inhalten.
3. Organisation von Projekten, wie beispielsweise Partys oder Turnieren.
4. Beziehungspflege durch die niederschwellige Möglichkeit, Kontakte zu halten, zu
intensivieren oder wiederaufzunehmen.
5. Kommentieren der Beiträge der Jugendlichen, wobei dieser Punkt kontrovers
diskutiert wird. Einerseits haben die Jugendlichen der „Freundschaft“ zwischen
ihnen und der Offenen Jugendarbeit auf Sozialen Netzwerken zugestimmt,
andererseits sollte die Offene Jugendarbeit eine Gastrolle einnehmen, deren
Aufgabe es nicht ist, „den Lebensalltag von Jugendlichen zu kommentieren“ (Fuchs
und Goldoni 2013, S. 124).
6. Animieren bedeutet, „Jugendliche dazu motivieren, aktiv und selbstbestimmt zu
handeln“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 124). Dies kann beispielsweise mittels
Abstimmungen geschehen, wodurch Prozesse der Partizipation angestoßen
werden und herausgefunden werden kann, „welche Anliegen die Jugendlichen
überhaupt haben“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 124).
Der Aspekt der Information der Zielgruppe über eigene Angebote oder interessante Inhalte
wird in der Studie von Mayrhofer et al. auch als wichtig empfunden. (vgl. Mayrhofer et al.
2017, S. 53) Eigene Angebote können bekanntgemacht werden, bei all jenen die bereits
mit der Einrichtung verknüpft sind und nicht nur mit jenen, die die Einrichtung kürzlich
besucht haben und ein Plakat gesehen oder einen Flyer bekommen haben. Außerdem
können durch die Kommunikation auf Sozialen Netzwerken und das unkomplizierte Teilen
von Informationen auch Freund*innen von Freund*innen erreicht und der Kreis der
Adressat*innen erweitert werden. Jugendliche können hier selbst Multiplikator*innen „von
Informationen werden, die nach dem Schneeballprinzip verbreitet werden“ (Alfert 2015a,
S. 225–226). Durch das kontinuierliche Informieren der Jugendlichen über die eigenen
Angebote und relevante Themen, werden sie ständig auf das Angebot der Jugendarbeit

38
hingewiesen. (vgl. Fuchs und Goldoni 2013, S. 122) Jugendarbeiter*innen können von sich
aus Themen einbringen und Diskussionen anregen, mittels Links oder Videos, die geteilt
werden. (vgl. Alfert 2013, S. 93) Auch ehemalige Adressat*innen können angesprochen
werden, für die die aktuellen Angebote dennoch relevant sein können. (vgl. Alfert 2015, S.
79)
Ein umstrittenes Potential kann in der Möglichkeit, Informationen über Jugendliche zu
erlangen und sie besser kennen zu lernen, gesehen werden. Alfert betont, dass dabei auf
einen gemeinsamen Austausch in Form anschließender Kommunikation in der Einrichtung
zu achten sei. (vgl. Alfert 2015a, S. 228) Es geht darum, „mitzubekommen, was sich in der
Welt der Jugendlichen tut. Auch Statusmeldungen der Jugendlichen können interessantes
Wissen über Beziehungsstatus, Konflikte und Versöhnungen innerhalb der Gruppen
beinhalten“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 122). Zudem präsentieren sich Jugendliche in
Sozialen Netzwerken oft sehr freizügig. Die Aufgabe der Jugendarbeit ist es, im Sinne einer
gemeinsamen Reflexion, Jugendliche darauf aufmerksam zu machen, dass viele Inhalte
auf Sozialen Netzwerken offen zugänglich sind. Falls die Jugendlichen nicht möchten, dass
bestimmte Personen sehen, was sie posten, müssen sie ihre Privatsphäreeinstellungen
ändern bzw. genauer darauf achten, wen sie als „Freund*innen“ oder „Follower*innen“
annehmen. Durch die berufliche Nutzung von Sozialen Medien kann ein „Beitrag zu einer
befähigenden Medienbildung und zur Förderung von Medienkompetenz“ (Alfert 2015a, S.
323) geleistet werden. Die kritische „Auseinandersetzung mit Selbstdarstellungs-,
Privatsphäre und Öffentlichkeitsaspekten auf Seiten der Heranwachsenden“ (Alfert 2015a,
S. 323) kann angeregt werden.
Primär geht es bei der Nutzung Sozialer Medien darum, die Zielgruppe anzusprechen.
Durch die Verbreitung von Smartphones können Jugendliche zeit- und ortsunabhängig
erreicht werden. Gleichzeitig werden andererseits auch niederschwellige
Kontaktmöglichkeiten eröffnet. (vgl. Alfert 2015, S. 79) Soziale Netzwerke bieten „einen
innovativen Kommunikationskanal für die Jugendarbeit […], welcher die alltäglichen
Handlungsspielräume von Jugendlichen sowie Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern
erweitern kann“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 130). Durch Jugendarbeit mit Sozialen
Medien können besonders translokale Kontakte geknüpft und aufrechterhalten werden.
Jugendliche sind mittels Sozialer Medien für die Jugendarbeit besser erreichbar und
zugleich können „Jugendliche ortsunabhängig auf die Angebote der Jugendarbeit
zugreifen“ (Brüggen und Ertelt 2011, S. 10). Der Kreis der potentiellen Adressat*innen
weitet sich, „über den räumlich begrenzten Sozialraum 'Stadtteil' an den der Arbeitsauftrag
gekoppelt ist“ (Brüggen und Ertelt 2011, S. 10) aus. Ein bedeutsamer positiver Aspekt einer
Präsenz auf Sozialen Medien ist die Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeit. „Hierzu
zählt einerseits den AdressatInnen eine weitere niedrigschwellige Kontaktmöglichkeit zu
eröffnen, andererseits die gute und zeitnahe Erreichbarkeit der Zielgruppe selbst“ (Alfert
2015a, S. 224–225). Nachrichten und Posts können „ortsunabhängig gelesen und
beantwortet bzw. darauf reagiert werden“ (Alfert 2015a, S. 224–225). Jugendarbeiter*innen
haben die Möglichkeit, in Krisensituationen einzugreifen und die Beteiligten zu begleiten.
(vgl. Alfert 2013, S. 93) Besonders betont werden in der Befragung von Mayrhofer et al.
die Vorteile, die die erweiterten Kontaktmöglichkeiten durch Soziale Medien mit sich
bringen. Die „rasche und gute Erreichbarkeit bzw. Kontaktaufnahme zu den Jugendlichen“
(Mayrhofer et al. 2017, S. 52) wird als großer Nutzen erlebt. Auch die Erreichbarkeit der
39
Jugendarbeiter*innen für die Jugendlichen wird von knapp der Hälfte der Befragten, trotz
der eingeschränkten Zeiten der Verfügbarkeit, als Vorteil gesehen. Zumal wird das
„Kontakthalten mit den Jugendlichen über einen längeren Zeitraum hinweg“ (Mayrhofer et
al. 2017, S. 53) erleichtert. Immerhin 20 Prozent der Befragten sehen einen Vorteil darin,
„auch Jugendliche zu erreichen, die aktuell noch keine Nutzer*innen der Einrichtung bzw.
des Angebots sind“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 53). Die Kommunikation mittels Sozialer
Netzwerke ist zielgruppengerecht und kann unkompliziert von den Jugendlichen selbst
initiiert werden. (vgl. Fuchs 2013, S. 162)
Die Nutzung der erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten kann „zu einer nachhaltigen
Gestaltung der Beziehung mit Jugendlichen beitragen […]. So ermöglicht die Chatfunktion
beispielsweise niederschwellige Beratungsgespräche“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 116–
117). „Das Ziel der Beziehungsarbeit in SNS ist, wie beim Aufsuchen im physischen Raum,
das Halten von Kontakten und die Entwicklung von Beziehungen. Dazu bieten SNS
schnelle, niederschwellige und effiziente Werkzeuge“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 123–
124). Die Jugendarbeit kann mit der Zielgruppe längerfristig und niederschwellig
verbunden bleiben, wodurch erneute Hilfeleistungen trotz längerem Kontaktabbruch
möglich werden. Durch das Angebot von Chatberatung kann ein niederschwelliges
Anknüpfen an bestehende Angebote geschehen. (vgl. Steiner und Goldoni 2013, S. 257)
Jugendliche können in ihrem Handeln in Sozialen Netzwerken unterstützt werden, indem
Medienkompetenz gefördert wird und Sensibilisierung in Bezug auf Gefahren und Risiken
stattfindet. Jugendarbeiter*innen dienen hier als Ansprechpartner*innen, die „zu einem
sicheren Umgang verhelfen“ (Alfert 2013, S. 93). Durch Rückmeldungen in virtuellen
Netzwerken kann Jugendlichen das Interesse an ihrer Person gespiegelt und auf ihre
Bedürfnisse und Sorgen eingegangen werden. (vgl. Alfert 2013, S. 94)
Die Jugendarbeit wird durch die Nutzung Sozialer Medien öffentlicher, wodurch einerseits
die Zielgruppe erweitert wird und andererseits eine allgemeinere Öffentlichkeit
angesprochen wird. Auch die Meinungen und Interessen Jugendlicher können einer
breiteren Öffentlichkeit zugeführt werden, wenn sie zum Beispiel Beiträge kommentieren.
So dient die Jugendarbeit in Sozialen Medien auch als Sprachrohr der Jugendlichen.
Jugendarbeit mit Sozialen Medien kann somit Mitsprachemöglichkeiten eröffnen. (vgl.
Brüggen und Ertelt 2011, S. 10-11)
Als bisher unterschätztes Potential gilt die Möglichkeit zum fachlichen Austausch unter
Fachkräften der Jugendarbeit. Einerseits können Jugendarbeiter*innen derselben
Einrichtung die Kommunikation effizienter gestalten, und andererseits kann unkomplizierter
Austausch mit anderen Einrichtungen stattfinden. Das Potential der langfristigen
Einsparung von Zeit und Ressourcen ist nicht zu vernachlässigen. Grundsätzlich sind
Soziale Netzwerke einfach zu handhaben und können große Reichweite erlangen. (vgl.
Alfert 2015a, S. 225 - 227)
Die Organisation von Partys, Turnieren oder ähnlichem kann durch Soziale Netzwerke
erleichtert werden. Auch Anfragen von Jugendlichen können unkompliziert bearbeitet und
zeitgerechte Rückmeldung gegeben werden. (vgl. Fuchs und Goldoni 2013, S. 123)
Optimalerweise kann die Nutzung Sozialer Netzwerke einer Einrichtung der Jugendarbeit
dazu führen, „dass in der Praxis vor Ort die Kontaktzahlen zunehmen und
Heranwachsende vermehrt wieder die (geschützten) Räume aufsuchen“ (Alfert 2015a, S.
225). Hier kann nur erneut auf die Bedeutsamkeit einer Ergänzung der traditionellen
40
Jugendarbeit durch Soziale Medien „zur nachhaltigen Verstärkung physisch stattfindender
Begegnungen“ (Alfert 2015a, S. 225) hingewiesen werden. Es geht darum, an den
(virtuellen) Orten anwesend zu sein, um die es bei der Unterstützung der Zielgruppe geht.
(vgl. Alfert 2013, S. 93)
„Das Soziale Netzwerk kann das realweltliche professionelle Handeln, jedenfalls
theoretisch, sinnvoll ergänzen“ (Alfert 2015a, S. 228). Fuchs und Goldoni stellen klar, dass
Jugendarbeit durch ihre Anwesenheit Aktivitäten initiieren und fördern kann, sie „jedoch für
das Handeln Jugendlicher in SNS nicht verantwortlich“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 127)
ist.

3.3 Risiken professioneller Nutzung Sozialer Medien


Natürlich ist die Nutzung Sozialer Medien in der Jugendarbeit nicht frei von Nachteilen. In
Sozialen Medien „aktiv zu sein, bedeutet immer auch, etwas von sich als Ansprechperson
zu zeigen. Damit wird die Frage nach der professionellen und privaten Rolle im
pädagogischen Verhältnis noch virulenter“ (Brüggen und Ertelt 2011, S. 10).
Es ist besonders wichtig, die Nutzungszeit von Sozialen Medien als Arbeitszeit
anzuerkennen. Außerdem kann die Erwartung, jederzeit erreichbar zu sein, schnell zu
einer Disbalance von Arbeit und Freizeit führen. Es muss überlegt werden, „inwiefern man
sich als (Privat-)Person online zeigen möchte oder muss, um als Interaktionspartner
wirklich erreichbar zu sein“ (Brüggen und Ertelt 2011, S. 12). Die Gefahr der Entgrenzung
der Arbeitszeit hinein in die Freizeit ist nicht zu vernachlässigen. Ihr muss durch
Dienstpläne und klare Vorgaben entgegengewirkt werden. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S.
54)
Besonders die Problematik des Datenschutzes löst Bedenken auf unterschiedlichen
Ebenen aus. Die Gefährdung von Vertraulichkeit bzw. Anonymität der Nutzer*innen durch
Veröffentlichung von Fotos im Netz wird in der Studie von Mayrhofer et al. als zentrales
Problem beschrieben. Auch die Weitergabe an kommerzielle Netzwerke wie Google oder
Facebook werden hier als problematisch eingestuft. Dadurch werden die Bedingungen für
Beratung und Unterstützung erheblich erschwert. Insgesamt ergibt sich ein
„Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der Auftraggeber*innen und den
Schutzfunkionen gegenüber den jugendlichen Nutzer*innen der Einrichtung“ (Mayrhofer et
al. 2017, S. 56). Auch die Sorge vor rechtlichen Konsequenzen sehen
Jugendarbeiter*innen als Gefahr der Nutzung Sozialer Medien. „Die Inhalte von
Chatgesprächen und/oder Nachrichten müssen vor Zugriffen von Fremden geschützt und
die Profile von den Jugendlichen und Institutionen über den Privatsphärenschutz gesichert
werden“ (Alfert 2013, S. 101). Besonders die Wahrung der Rechte der Jugendlichen auf
das eigene Bild scheint oftmals schwierig umzusetzen zu sein.
Mayrhofer et al. stellen in ihrer Studie fest, dass unter 10 Prozent der Befragten „die
Vernachlässigung des direkten persönlichen Kontaktes als einen wichtigen Nachteil“
(Mayrhofer et al. 2017, S. 57) sehen. Noch weniger Personen befürchten, oberflächlichere
Kontakte zu den Jugendlichen zu haben.
Im Gegensatz zu den eben beschrieben Vorteilen der Ressourcen- und Zeitschonung kann
argumentiert werden, dass es in der Anfangsphase der Nutzung durchaus viel Zeit in
Anspruch nimmt und Ressourcen für das Anlernen und die technische Ausstattung
genehmigt werden müssen. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S. 54)

41
Die Grenzen der elektronischen Kommunikationskanäle sind ebenfalls zu berücksichtigen
und dürfen nicht vernachlässigt werden. Soziale Medien eignen sich beispielsweise nicht
„für ein Gespräch über den Gebrauch von Suchtmitteln, intensive Diskussionen oder auch
für das Aufzeigen des Zeigefingers […], da die Risiken für einen Kontaktabbruch oder
Missverständnisse sehr groß sind“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 121).
Außerdem verfügen nicht alle Jugendlichen über den uneingeschränkten Zugang zu
Sozialen Medien, wenn etwa zu Hause kein WLAN und/oder kein eigenes Smartphone
vorhanden ist. Es gilt auch „weiterhin alternative Kontakt- und Kommunikationswege zur
Verfügung“ (Fuchs 2013, S. 162) zu stellen.
Auch mediatisierte Gewalt mittels Online-Phänomenen, wie etwa Cybermobbing, können
für die Offene Jugendarbeit riskant werden. Besonders wenn dies auf den Kanälen der
OJA passiert und nicht sofort gehandelt bzw. eingegriffen werden kann. „Die Folgen
können für die Opfer aufgrund der Besonderheiten der digitalen Kommunikation
(Anonymität, Dauerhaftigkeit, Reichweite, virale Verbreitung) mitunter schwerer wiegen als
beim ‚traditionellen‘ Mobbing. Darüber hinaus erleichtern digitale Medien den Zugang zu
entwicklungsbeeinträchtigenden, diskriminierenden Inhalten und menschenverachtenden
Ideologien und es wird z.B. online mit immer neuen Tricks versucht, junge Menschen für
extremistisches Gedankengut anzuwerben“ (Tillmann 2018, S. 66). Auch hier muss
Jugendarbeit schnell reagieren und hat die Verantwortung dafür zu sorgen, dass auf den
eigenen Seiten mediatisierte Gewalt keinen Platz findet.
Außerdem fehlt es Fachkräften trotz zahlreicher Praxisbeispiele meist an Konzepten und
fachlich formulierten Standards, die die Arbeit erleichtern würden und Jugendarbeit mit
Sozialen Medien zur Selbstverständlichkeit werden lassen. (vgl. Bollig und Keppeler 2015,
S. 98)

3.4 Ziele eines virtuellen Auftritts


Die Ziele der Nutzung von Sozialen Medien sind vielfältig. Am Beispiel Facebook zeigt
Alfert 2015 Ziele des beruflichen Handelns auf. Es geht darum, „zum einen aktiv-
gestaltende und zum anderen passiv-rezipierende Nutzungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Wichtig für die Zukunft ist, die Medienentwicklungen und Nutzungsweisen der
AdressatInnen weiter im Blick zu behalten, da stets neue Anwendungen hinzukommen […].
Darauf aufbauend muss sich dann gefragt werden, wie das eigene pädagogische Handeln
daran anschlussfähig gemacht werden kann und wer von den AdressatInnen unter
welchen Bedingungen am besten erreicht wird“ (Alfert 2015a, S. 324).
Abhängig von der Zielgruppe und vom Auftrag des Trägers kann die Jugendarbeit eher
passiv präsent sein, vergleichbar mit einer Homepage oder aktive (Beratungs-) Arbeit
leisten. „Diese Angebotsform setzt voraus, dass das Team […] bereit ist, sich im Web 2.0
zu zeigen und auch aktiv zu ‚bewegen‘“ (Pritzens 2011, S. 30). Auch Alfert benennt die
guten Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten und die erleichterte Öffentlichkeitsarbeit
als die wichtigsten zwei Ziele. (vgl. Alfert 2015, S. 85) Bollig und Keppeler beschreiben die
Werbung für die eigenen Angebote und die Kontaktpflege bzw. Kommunikation als wichtige
Ziele. Sie dienen zur Informationsbeschaffung und -verbreitung. (vgl. Bollig und Keppeler
2015, S. 98) Der Verein Wiener Jugendzentren nennt in den Social Media Guidelines
folgende Ziele: „die direkte Kommunikation mit Zielgruppen (e-youth work), wie auch

42
Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung, Präsentation der Einrichtungen/ der Organisation oder
internes Wissensmanagement“ (Verein Wiener Jugendzentren 2013, S. 3).
Es geht um klassische Öffentlichkeitsarbeit, also die Darstellung der Institution.
Informationen über die Einrichtung, die Adressat*innen und Träger*innen werden
zugänglich gemacht. Jugendliche können erreicht werden, Eltern aktiviert und
Politiker*innen überzeugt bzw. für Kooperationen gewonnen werden. Die Angebote sollten
innerhalb der Peergroup der Jugendlichen anschlussfähig sein. „Es muss gelingen, die
Zielgruppe selbst zum Träger und Multiplikator zu machen“ (Alfert 2013, S. 90–92). Die
Angebote müssen sich zwingend an den Lebenswelten, dem Mediennutzungsverhalten,
den Interessen und den Bedürfnissen der Jugendlichen orientieren. „Um attraktiv zu sein,
sollen jugendkulturelle Trends sowie technische Entwicklungen im Blick behalten werden“
(Alfert 2015a, S. 160). Die Vorteile der Nutzung Sozialer Medien im Vergleich zur
Homepage liegen darin, „dass erstmals ohne hohen technischen Aufwand Fotos, Videos
und Links via Pinnwand und Veranstaltungskalender online gestellt werden konnten, was
eine für Jugendliche ansprechendere und flexiblere Form der Öffentlichkeitsarbeit
ermöglichte. Dies trug wiederum zu einer höheren Reichweite und Resonanz unter den
Jugendlichen bei“ (Fuchs 2013, S. 154). Zusätzlich ist es wichtig, „die Inhalte den
unterschiedlichen Zielgruppen entsprechend aufzubereiten. Bei einigen Zielgruppen war
es eher förderlich, Fotos oder Videos von Aktivitäten zur Verfügung zu stellen, als einen
mehrere Zeilen langen Textmonolog“ (Fuchs 2013, S. 160).
Die soziale Interaktion auf Sozialen Netzwerken spielt eine wesentliche Rolle. Der Fokus
sollte auf der Beziehungsgestaltung, Kommunikation mit den Jugendlichen und
Kolleg*innen liegen. Ein Ziel sollte die Erweiterung des Handlungsspielraumes um eine
zusätzliche Kontaktfunktion sein. Durch die Niederschwelligkeit und die gute Erreichbarkeit
der Jugendlichen in Sozialen Netzwerken kann ein Beitrag zur Beziehungspflege,
-aufnahme und -intensivierung geleistet werden. (vgl. Alfert 2013, S. 90–92) Soziale
Medien bieten einen ergänzenden Kommunikationskanal, wobei den Jugendlichen selbst
die Entscheidung überlassen wird, „welchen Kommunikationskanal sie bevorzugen“
(Fuchs 2013, S. 158). Durch die beidseitige und niederschwellige Kontaktmöglichkeit kann
kontinuierliches Beziehungsmanagement gefördert werden.
Das „Ziel, die Kompetenzen der Jugendlichen für ihr Leben in einer digital-interaktiven Welt
zu stärken“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 84), kann beispielsweise dadurch erreicht werden,
Jugendliche darauf aufmerksam zu machen, „dass sie problematische Bilder posten, ihr
Profil mangelnde Datensicherheits-Einstellungen aufweist etc. Inhaltlich geht es zumeist
um Aspekte des Datenschutzes und der Datensicherheit, der Privatsphäre sowie um
persönliche Rechte im Netz, relativ häufig beziehen sich die medienpädagogischen
Impulse auch auf Fake-News bzw. Quellenkritik sowie auf Hate Speech und Cyber
Mobbing“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 84). Alfert sieht das Hauptziel medienpädagogischer
Arbeit in der „Förderung von Fähigkeiten, um sich in der Medienwelt autonom und
gewinnbringend zu bewegen“ (Alfert 2015a, S. 140). Aufgabe einer lebensweltorientierten
Kinder- und Jugendarbeit ist es, „Rahmenbedingungen des Aufwachsens unter heutigen
Mediatisierungsprozessen zu verbessern und teils ganz neu zu schaffen“ (Alfert 2015a, S.
165). Auch wenn die Umsetzung in den verschiedenen Einrichtungen sehr unterschiedlich
ist, stoßen Jugendarbeiter*innen immer wieder auf Grenzen, wenn sie sich nicht flexibel
an den mediatisierten Lebenswelten Jugendlicher orientieren. Steiner betont das Ziel der
43
Medienbildung, die „auch die Förderung der Befähigung von Kindern und Jugendlichen zu
einem gestalterisch-performativen Medienhandeln, in welchem Welt- und
Selbsterfahrungen biografisch verarbeitet werden können“ (Steiner 2013, S. 35–36),
erfasst.
Rösch nennt zusätzlich das Ziel, politische Initiativen, die den Jugendlichen
zugutekommen, zu unterstützen. „Etwa für mehr Datenschutz, weniger Überwachung oder
ein praxisnäheres Urheberrecht“ (Rösch 2018, S. 158).
Wichtig ist es, die Ziele, die erreicht werden wollen, auch schriftlich festzuhalten, um immer
wieder reflexiv darauf zurückzukommen. Alfert betont, „dass es nicht nur darum geht,
einem Trend zu folgen und dort zu sein wo die AdressatInnen sind, sondern zu reflektieren,
inwiefern professionelle Standards dabei betroffen sind und wie entsprechend bestimmte
Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen“ (Alfert 2015, S. 91).

3.5 Qualifikation der Fachkräfte


Durch die Veränderungen der Jugendarbeit, besonders im Bereich der Zielsetzungen, wie
bereits oben beschrieben, werden neue Qualifikationen seitens der Fachkräfte benötigt
und deren Anforderungsprofil erweitert.
Der Besitz relevanter Medienkompetenz ist Voraussetzung, um mit Sozialen Medien zu
arbeiten. (vgl. Brüggen und Ertelt 2011, S. 12) Helbig beschreibt die Notwendigkeit einer
Professionalisierung der Sozialen Arbeit im Bereich der digitalen Medien, um den
Anschluss an die Lebenswelt der Adressat*innen nicht zu verlieren und
Ausgrenzungsprozesse nicht zu fördern. „Dies erfordert sowohl die Herausbildung von
kritischer Medienkompetenz als auch von medienpädagogischen Handlungskompetenzen“
(Helbig 2017, S. 133). Bereits 2010 forderte Poli „allgemeine Schulungsangebote zur
strukturierten Nutzung des Web 2.0 sowie Workshops zu bestimmten Teilbereichen“ (Poli
2010, S. 279). Allgemein wird der Medienpädagogik in den Ausbildungen zu Fachkräften
der Jugendarbeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. „Um Fachkräfte in der Sozialen
Arbeit so zu stärken, dass sie verantwortungsvoll und bedarfsgerecht ihre neuen Aufgaben
erfüllen können, sollten neue Technologien, Mediennutzung, Internetangebote und
medienpädagogisches Grundwissen grundsätzlich in das Aus- und Weiterbildungsangebot
eingebunden sein“ (Euler und Paschen 2013). Tillmann schließt sich mit einer „Forderung
nach einer medienpädagogischen Grundbildung für alle Fachkräfte der Jugendhilfe an.
Diese ist dementsprechend in allen relevanten Studiengängen zu verankern. [...] Weiterhin
gilt es, pädagogische Fachkräfte der verschiedenen Disziplinen und Praxisfelder über
fachbezogene und fachübergreifende Aus-, Fort-, Weiterbildungs- und Beratungsangebote
für eine digitale Jugendbildung zu qualifizieren und ihnen hierfür ausreichend Ressourcen
und Angebote zur Verfügung zu stellen“ (Tillmann 2013, S. 62).
Auch Röll ist der Meinung, dass den Medien ein zentraler Stellenwert zukommen wird,
„deshalb muss der Medienbildung in der Aus- und Weiterbildung höchste Priorität
zugewiesen werden“ (Röll 2013, S. 85). Alfert bestätigt die „Notwendigkeit, verpflichtende
Fortbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für PädagogInnen zu initiieren und die
Themen auch in der Ausbildung festzuschreiben“ (Alfert 2015, S. 88). In ihren
Untersuchungen zeigt sich „sowohl in technisch-rechtlichen als auch in konzeptionell-
inhaltlichen Aspekten ein großer Unterstützungsbedarf“ (Alfert 2015, S. 90). In der Studie
von Mayrhofer et al. wird darauf hingewiesen, dass die Inhalte zu Sozialen Medien in den

44
Lehrplänen noch nicht verankert sind. Dies könnte daran liegen, dass die Lehrenden „noch
nicht der Generation der ‚digital natives‘ angehören und teilweise selbst wenig Affinität zur
Nutzung und Gestaltung digitaler Medien aufweisen“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 72).
„Reflexive Medienbildung sollte zum festen Bestandteil aller pädagogischen Ausbildungs-
und Studiengänge werden, und Weiterbildungsangebote sind so auszurichten, dass sie auf
die Gegebenheiten und unterschiedlichen Praxisfelder der Fachkräfte vor Ort eingehen
und ihre medienpädagogischen Vorerfahrungen mit einbeziehen […].
Unterstützungsangebote für Fachkräfte müssen zwingend Orientierungshilfen für das
Verstehen und Einschätzen des Medienhandelns ihrer AdressatInnen bieten (und zwar mit
Blick auf die digitale Ungleichheit differenziert nach Alter, sozio-kulturellem Milieu und
Entwicklungsstand), aber auch dazu verhelfen, kriteriengeleitete Einschätzungen von
verschiedenen Online-Angeboten vornehmen zu können […]. Es bedarf also
Grundlagenwissen über Angebote und Strukturen im Social Web“ (Alfert 2015a, S. 180).
Es muss vermittelt werden, dass durch die Nutzung Sozialer Medien nicht nur Risiken,
sondern auch Möglichkeiten zur Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben für
Heranwachsende entstehen können. Besonders die Kompetenz, „über Online- bzw.
Soziale Medien in adäquater Form mit den Jugendlichen zu kommunizieren“ (Mayrhofer et
al. 2017, S. 75–76), fehlt des Öfteren, nach eigenen Angaben der befragten
Jugendarbeiter*innen. Den wachsenden Bedarf an Weiterbildungsangeboten können
Ausbildungen und Fachhochschulen nur ungenügend decken. Sie selbst „hinken den
Entwicklungen in der Praxis in diesem Aspekt weit hinterher. Die Ausbildungseinrichtungen
sind aufgefordert, sich den Herausforderungen zu stellen und ihre Studierenden für
Jugendarbeit (bzw. Soziale Arbeit allgemein) in einer digitalisierten bzw. mediatisierten
Gesellschaft zu qualifizieren“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 89).
Mayrhofer et al. stellen in ihrer Studie fest, dass sich rund drei Viertel der Befragten das
nötige Wissen durch „learning by doing“ aneignen. Auch Vernetzungen mit Kolleg*innen
und die Zielgruppe selbst werden als bedeutend im Prozess der Wissensaneignung zum
Thema Soziale Medien empfunden. Die Benutzung Sozialer Medien wird meist durch
Ausprobieren oder Nachahmung erlernt. „Besonders betont wird die Möglichkeit, die
Jugendlichen als Informationsquelle zu nutzen. Dadurch kann nicht nur selbst Knowhow
angeeignet, sondern gleichzeitig den Jugendlichen die Erfahrung ermöglicht werden,
Expertise zu besitzen und weitergeben zu können. Zudem wird diesem Austauschprozess
das Potenzial zugesprochen, bei den Jugendlichen Reflexionsprozesse zur
Mediennutzung zu stärken“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 71).
Viele Einrichtungen der OJA lehnen die Nutzung von kommerziellen Sozialen Medien ab
und sind damit dort nicht vertreten. Oft fehlt es an persönlicher Erfahrung, um die
Bedeutung und Potentiale einschätzen zu können. (vgl. Rösch 2013, S. 162) Dennoch gilt:
„Das Ignorieren der Medien führt zur Exklusion“ (Alfert 2015a, S. 140). Es ist besonders
wichtig, laufend am Ball zu bleiben und nicht bei der Nutzung von Facebook stehen zu
bleiben. Die Jugendlichen bewegen sich hin zu anderen Treffpunkten im Netz. Die
Jugendarbeit sollte hier die aktuellen Trends nicht verpassen und sich rechtzeitig neuen
Sozialen Netzwerken zuwenden. Vor allem Angebote für Online-Beratung sind in der OJA
rar gesät, obwohl viele Jugendliche Hilfe hauptsächlich im Internet suchen. (vgl. Tillmann
2017, S. 18–19)

45
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es einen Mangel an Knowhow,
besonders im methodisch-pädagogischen Bereich gibt. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S. 73)
Durch die Mediatisierung zeichnen sich also Bedarfe an neuen bzw. anderen
Kompetenzen ab. Besonders wichtig ist, dass Jugendarbeiter*innen Kenntnisse über die
Lebenswelt der Zielgruppe erlangen und die Chancen und Risiken im Zusammenhang mit
Sozialen Medien reflektieren können. Hinzukommt, dass Wissen bezüglich
unterschiedlicher Methoden und Kommunikationsformen vorhanden sein sollte. (vgl. Alfert
2015a, S. 157)

3.6 Methoden
Tillmann betont, dass es zu Beginn Modellprojekte braucht, „um neue
medienpädagogische Konzepte zu erproben und zu evaluieren. Nach positiver Evaluation
sollten die Projekte aber verstetigt und finanziell gefördert werden, damit die neu
gewonnenen Erkenntnisse nicht verloren gehen“ (Tillmann 2013, S. 62).
Ketter (2014) beschreibt vier Methoden der Jugendarbeit in Zusammenhang mit virtuellen
Räumen (vgl. Ketter 2014, S. 302-307):
1. Jugendarbeit im und mit dem Internet: Hier geht es um die Angebote in den
Jugendeinrichtungen, wie die „Bereitstellung von Medientechnologien zur
selbsttätigen Aneignung (Internet, Tablet, Computer,...)“ (Ketter 2014, 302-207)
und Impulse zur Nutzung seitens der Fachkräfte.
2. Mobile Jugendmedienbildung: Fachkräfte treffen im Kontext der mobilen
Jugendarbeit auf Jugendliche und arrangieren Settings zur Bildung und Aneignung
von Medien an unkonventionellen Orten. Dafür wird mobile Technik wie Tablets,
Smartphones und Hotspots benötigt.
3. Virtuell-aufsuchende Jugendarbeit: Hier sind Jugendarbeiter*innen während ihrer
mobilen Arbeitszeiten auf Sozialen Medien eingeloggt und erreichbar (siehe dazu
Kapitel 3.6.1 „Virtuell-aufsuchende Jugendarbeit)
4. Digitale Jugendbildung bzw. Cyberwork: Bei diesem Peer-Education-Ansatz geht
es darum, dass Jugendliche Informationen und Wissen an Freund*innen
weitergeben und diese für spezielle Themen, wie den Umgang mit persönlichen
Daten, sensibilisieren. „Mithilfe der Peer-Kommunikation kann Jugendarbeit
Sozialräume im Internet konstituieren und Heranwachsende erreichen, die sie mit
anderen sozialräumlichen Methoden nicht erreichen“ (Ketter 2014, 302-207).
Beispielhaft werden hier die Methoden „virtuell-aufsuchende Jugendarbeit“ und „Online-
Beratung“ im Überblick vorgestellt. Einige Einrichtungen, die sich auch im erweiterten
Sozialraum der Jugendlichen bewegen möchten, haben die Mobile Jugendarbeit um die
Methode der virtuell-aufsuchenden Jugendarbeit ergänzt, die anschließend kurz vorgestellt
wird. (Bollig und Keppeler 2015, S. 102) Auch Formen der Online-Beratung finden vermehrt
in der Handlungspraxis der Offenen Jugendarbeit statt.
3.6.1 Virtuell-aufsuchende Jugendarbeit
„Aufsuchende Soziale Arbeit ist ein professionelles Handlungskonzept. Sie 'sucht auf' und
begegnet den Menschen, wo sie sind. Ist dies im traditionellen Streetwork die Straße, so
könnte es im Cyber-Streetwork die 'Datenautobahn' sein“ (Euler und Paschen 2013).

46
Virtuell-aufsuchende Jugendarbeit bezeichnet eine Methode und konzeptionelle
Weiterentwicklung der Mobilen Jugendarbeit, die maßgeblich von Bollig entwickelt wurde,
und bei der die Fachkräfte einerseits im öffentlichen Raum mobil unterwegs und „zugleich
über ein Smartphone in sozialen Netzwerken eingeloggt“ (Ketter 2011, S. 21) sind. Die
Zielgruppe wird also mittels medialer Zugangs- und Kontaktformen aufgesucht, die nicht
vom leibhaftigen Kontakt abgekoppelt sind. (vgl. Rösch 2018, S. 132) Durch diese Form
der mobilen Arbeit kann die Zielgruppe auch mittels Sozialer Netzwerke erreicht werden.
„Während in der klassischen Form aufsuchender Ansätze der professionelle Kontakt zu
Adressat/innen an den Treffpunkten im öffentlichen Raum gesucht wurde, reagiert der
virtuell-aufsuchende Ansatz darauf, dass sich Jugendliche heute mit Hilfe mobiler
Technologien zeitlich und räumlich flexibel verabreden und es weniger konstante
Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum für junge Menschen gibt“ (Helbig 2017, S.
140). „Durch die ‘Verflüssigung’ von Trefforten, die ‘Verdrängung’ junger Menschen aus
dem öffentlichen Raum und ihrer ‘Aneignung virtuell-territorialer Netzwerke’, ist Mobile
Jugendarbeit darauf angewiesen, die Kontaktmöglichkeiten systematisch um eine neue
räumliche Dimension zu ergänzen“ (Bollig und Keppeler 2015, S. 103–104). Die möglichen
Orte der Mobilen Jugendarbeit werden um den virtuellen Raum erweitert, wobei die
Arbeitsprinzipien der Mobilen Jugendarbeit auch auf die Arbeit im virtuellen Raum
übertragen werden können. Soziale Netzwerke werden hier nicht nur für
Öffentlichkeitsarbeit oder Projektmanagement, sondern auch als Möglichkeit zum
Identitäts- und Beziehungsmanagement genutzt. „Im Mittelpunkt der Methode steht der
Kontaktaufbau und die Beziehungspflege“ (Ketter 2014, S. 305–306). Durch die Präsenz
der OJA in der virtuellen Lebenswelt der Zielgruppe wird Interesse signalisiert. Virtuell-
aufsuchende Jugendarbeit kann als zusätzliche und „neue Zugangs- und Kontaktform
angesehen werden“ (Bollig und Keppeler 2015, S. 103–104). Zusätzlich werden Einblicke
in die Wahrnehmung und das Handeln der Zielgruppe gewährt. (vgl. Ketter 2014, S. 305–
306)
„Virtuell-aufsuchende Arbeit erweitert das Handlungskonzept der Jugendsozialarbeit“
(Bollig und Keppeler 2015, S. 106) und ist kein Ersatz für andere Formen der Mobilen
Jugendarbeit oder bisheriger Online-Beratungsangebote. Der Ansatz dient als Ergänzung
bestehender Konzepte. „Primäres Ziel ist es, Jugendlichen eine weitere Kontaktform
anzubieten, virtuell Ansprechpartner/in zu sein, und damit eine Brücke zu schlagen
zwischen dem virtuellen und realen Raum“ (Bollig und Keppeler 2015, S. 107). Die
Jugendlichen empfinden es aus unterschiedlichen Gründen bequemer mit
Jugendarbeiter*innen per Chat zu kommunizieren, und bleiben so mit höherer
Wahrscheinlichkeit in Kontakt. Nicht nur dadurch formuliert Tillmann die Vermutung, dass
„Online-Kontakte in der Straßensozialarbeit in den nächsten Jahren weiter zunehmen
werden“ (Tillmann 2013, S. 62). Außerdem kann „zur Weiterentwicklung und Förderung
von Medienkompetenz benachteiligter Jugendlicher im Alltag“ (Bollig und Keppeler 2015,
S. 107) beigetragen werden.
Virtuell-aufsuchende Arbeit kann im Sinne der Einzelfallhilfe und individueller Beratung und
Begleitung eine zusätzliche Kommunikationsmöglichkeit schaffen, die die
Vermittlungsfunktion zwischen der Zielgruppe und anderen Unterstützungsangeboten
leichter möglich macht. Ein Vorteil ergibt sich durch die Nähe zur Lebenswelt der
Zielgruppe. Es ist jedoch zu beachten, dass Online-Beratung aufgrund des
47
unzureichenden Vertrauens- und Datenschutzes nicht auf kommerziellen Plattformen
stattfinden darf. Wenn die Themen sensiblere Settings verlangen, sollte ein face-to-face
Treffen vereinbart werden, um Vertraulichkeit zu gewährleisten und die Verbindung von
virtuellem und realem Raum herzustellen. Für die Gruppen- bzw. Cliquenarbeit kann die
virtuell-aufsuchende Jugendarbeit durch verschiedenste „Gruppenfunktionen“
unterstützend anlass- und projektbezogene Angebote setzen. Vor allem da in jüngster Zeit
beobachtbar ist, dass sich Gruppen immer mehr aus dem öffentlichen Raum zurückziehen
und den virtuellen Raum für Austausch und Organisation nutzen. Auch für Angebote im
Rahmen der Gemeinwesenarbeit kann virtuell-aufsuchende Jugendarbeit einen Beitrag
leisten, indem neuartige Formen der Beteiligung eröffnet werden, durch die Handlungs-
und Aneignungsräume effektiv nutzbar gemacht werden. (vgl. Bollig und Keppeler 2015,
S. 104–106)
Große Herausforderung hierbei ist, dass die Sozialen Netzwerke, die Jugendliche
vorwiegend nutzen, meist kommerziell betriebene Räume sind, bei denen sich die Frage
des Datenschutzes stellt. Fachkräfte sind hier gefordert, „sich Basiswissen über
kommerzielle Angebote und Anbieter, Zugänge, Nutzungsverhalten Jugendlicher und
datenschutzrechtliche Bestimmungen anzueignen und Aufklärung über die Problematik
des Datenschutzes bzw. den Verlust der Vertraulichkeit auf diesen Seiten vor der Nutzung
der virtuellen Zugangsformen zu ermöglichen. Denn bereits durch die Kontaktaufnahme
werden Daten produziert und Verknüpfungen hergestellt“ (Bollig und Keppeler 2015, S.
103–104). Vor allem mithilfe von Transparenz und klaren Vereinbarungen kann die Grenze
der Verschwiegenheit und Vertraulichkeit deutlich gemacht werden.
Diese Methode beweist, „dass die Veränderung von Konzepten der Jugendarbeit
hinsichtlich der Mediatisierung der jugendlichen Lebenswelt einerseits neue Potenziale
eröffnet und gleichzeitig angemessen auf Problemfelder reagiert werden kann“ (Rösch
2018, S. 134).
3.6.2 Online-Beratung
Die Soziale Arbeit steht „vor der Herausforderung noch stärker als bisher innovative Wege
und Methoden nützen zu müssen, um ihrem Anspruch und Auftrag auf fachlich fundierte
Beratung gerecht werden zu können“ (Gehrmann 2010, S. 105). Durch die zunehmende
„Normalität der Internetnutzung bei allen Altersgruppen, […] steigt auch die Bedeutung von
professionellen Onlineberatungsangeboten“ (Helbig 2017, S. 140). Fachlich fundierte
Online-Beratung kann professionelle Hilfe anbieten, um nicht auf unseriöse Plattformen
zurückgreifen zu müssen. Angebote können so zielgenauer und effizienter angeboten
werden und „bei knapper werdenden Ressourcen einen Teil dieser Mangelsituation durch
den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien“ (Gehrmann 2010, S.
106) ausgleichen.
Unter Online-Beratung „wird eine computergestützte, medial vermittelte und interaktiv
stattfindende Beratung verstanden. Diese Form der Beratung enthält unterschiedliche
Kommunikationsformen, wie E-Mail-Beratung, Chatberatung, Beratung in Foren“
(Gehrmann 2010, S. 106). Online-Beratung kann Chancen bieten, sie stößt aber auch bald
an ihre Grenzen, durch die Gefahr von Missverständnissen und das Risiko des plötzlichen
Kontaktabbruchs. (vgl. Alfert 2013, S. 94)

48
Die Herausforderungen durch Online-Beratung bestehen besonders in der Finanzierung,
dem Datenschutz und der Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte. Online-Beratung dient
nicht als Alternative zu bestehenden Beratungsangeboten, sondern als Ergänzung und
damit als zusätzlicher Kommunikationskanal. (vgl. Gehrmann 2010, S. 113–114)
Jugendliche nutzen meist niederschwellige Chatfunktionen, über die vorerst unverfängliche
Gespräche angefangen werden, die sich nach und nach hin zu Beratungen entwickeln und
wo spezifische Anliegen geäußert werden. „Die Mehrheit der Fragen und Probleme der
Jugendlichen betraf die Themenbereiche Sexualität/Partnerschaft, Suchtmittelgebrauch
und Konfliktbearbeitung/Mobbing“ (Fuchs 2013, S. 159). Voraussetzung, um mittels Chat
beratend tätig zu sein, ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen den jeweiligen
Jugendlichen und Jugendarbeiter*innen. (vgl. Fuchs 2013, S. 159)

49
4. FORSCHUNGSDESIGN
Nach dem theoretischen Überblick zu Themen im Zusammenhang mit der Offenen
Jugendarbeit und Sozialen Medien wird in diesem Kapitel auf die empirische Erhebung zur
Beantwortung der Forschungsfrage näher eingegangen.
Zu Beginn dieser Arbeit habe ich mich intensiv mit der Fachliteratur zu den Themen Offene
Jugendarbeit und Soziale Medien beschäftigt. Zur Organisation der Recherche wurde das
Literaturverwaltungsprogramm Citavi verwendet. Gegen Jänner 2020 wurde die
Literaturrecherche aktiv beendet, da laufend neue Publikationen zu dem Thema
erschienen.

4.1 Methodologie
Die Beantwortung der Forschungsfrage
„In welcher Form verändern Soziale Medien die Offene Jugendarbeit und wie kann
diese auf die veränderten Bedingungen reagieren, um die Erreichbarkeit von
Jugendlichen auch zukünftig zu gewährleisten?“
legt eine qualitative Forschungsmethode nahe. Denn „im Zentrum der qualitativen
Forschung steht die Untersuchung des menschlichen Erlebens. Ihr Anspruch ist es,
lebensweltliche Erfahrungen aus der Perspektive der Betroffenen zu verstehen, um daraus
auf allgemeine Abläufe, Struktur- und Deutungsmuster zu schließen“ (Perkhofer et al.
2016, S. 68). Es geht darum „herauszufinden, wie und warum die Menschen ihren
Lebenssituationen Bedeutung verleihen“ (Perkhofer et al. 2016, S. 68).
Qualitative Forschung kann somit durch Subjektbezogenheit und Alltagsorientiertheit
charakterisiert werden. Außerdem ist sie durch Offenheit und Reflexivität ausgezeichnet.
„Eine systematische, nachvollziehbare, kontrollierte und theoriegeleitete Vorgehensweise
zeichnet gute qualitative Forschung aus. Dabei werden nicht standardisierte Methoden
verwendet, die eine offene und flexible Vorgehensweise ermöglichen“ (Perkhofer et al.
2016, S. 68). Ebenso können der explorative Charakter, dessen Ziel darin liegt, „neue
Erkenntnisse zu gewinnen und daraus Theorien zu entwickeln“ (Perkhofer et al. 2016, S.
68), zu den Kennzeichen qualitativer Forschung gezählt werden. Die Stichprobenauswahl
erfolgt gezielt entlang theoretischer Annahmen. Schließlich werden die
Auswertungsverfahren durch ihren interpretativen Charakter gekennzeichnet. (vgl.
Perkhofer et al. 2016, S. 68–69) Die explorative Herangehensweise qualitativer
Forschungsmethoden eignet sich besonders, um die Erfahrungen und Empfindungen der
befragten Personen zu gewinnen.
Das Erkenntnisinteresse kann in drei Teile gegliedert werden. Erstens in die
Veränderungen der Offenen Jugendarbeit durch den Einfluss Sozialer Medien, zweitens in
die Reaktionen der Offenen Jugendarbeit auf eben jene Veränderungen, und drittens in die
zukünftige Erreichbarkeit der Jugendlichen durch die Offene Jugendarbeit.
Zur Gewinnung der Forschungsdaten wurden leitfadengestützte Expert*inneninterviews
herangezogen. „Qualitative, leitfadengestützte Interviews sind eine verbreitete,
ausdifferenzierte und methodologisch vergleichsweise gut ausgearbeitete Methode,
qualitative Daten zu erzeugen. Leitfadeninterviews gestalten die Führung im Interview über
einen vorbereiteten Leitfaden“ (Helfferich 2014, S. 559). Der Leitfaden wird vorab angelegt
und „beruht auf der bewussten methodologischen Entscheidung, eine maximale Offenheit

50
(die alle Möglichkeiten der Äußerungen zulässt) aus Gründen des Forschungsinteresses
oder der Forschungspragmatik einzuschränken. Die Erstellung eines Leitfadens folgt dem
Prinzip ‚So offen wie möglich, so strukturierend wie nötig‘. Für die meisten Fragestellungen
und Forschungsinteressen ist es notwendig, bei aller grundsätzlichen Offenheit den
Interviewablauf in einem gewissen Maß zu steuern“ (Helfferich 2014, S. 560).
„Experteninterviews sind definiert über die spezielle Auswahl und den Status der
Befragten“ (Helfferich 2014, S. 559). Es geht darum, über das Forschungsinteresse das
Expert*innenwissen bestimmter Personen zu eröffnen.
Die Interviews wurden anschließend mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. „Das
Ziel der qualitativen Inhaltsanalyse besteht in der systematischen, regelgeleiteten und
theoriegeleiteten Analyse von Datenmaterial und Texten, die vorwiegend durch
Kommunikation erstellt wurden“ (Perkhofer et al. 2016, S. 93). Die besonderen Vorteile der
qualitativen Inhaltsanalyse liegen in der „einfachen“ Auswertung der Daten. Auch die
Möglichkeit semiquantitative Aussagen zu treffen, beispielsweise wie viele Personen etwas
Bestimmtes erwähnt haben, zählt zu ihren Stärken. Zusätzlich kann mit großen und kleinen
Mengen an Daten sowie mit „unstrukturiertem“ Material professionell umgegangen werden.
Natürlich stößt die qualitative Inhaltsanalyse, wie alle Methoden auch an ihre Grenzen.
Meist können Einfluss- oder Störfaktoren in der Datenerhebung nicht erkannt werden. Auch
Hintergründe der zu analysierenden Texte können größtenteils nicht erfasst werden. (vgl.
Perkhofer et al. 2016, S. 98) Von anderen Textanalysen unterscheidet die qualitative
Inhaltsanalyse ihre Kategoriengeleitetheit. „Kategorien stellen Analyseaspekte als
Kurzformulierungen dar, sind in der Formulierung mehr oder weniger eng am
Ausgangsmaterial orientiert und können hierarchisch geordnet sein (Ober- und
Unterkategorien)“ (Mayring und Fenzl 2014, S. 544). Kuckartz stellt den Prozess der
qualitativen Inhaltsanalyse als kreisförmigen Ablauf dar. Beginnend mit Textarbeit, folgend
von Kategorienbildung und Codierung und abschließend mit Analyse und
Ergebnisdarstellung. Jede einzelne Phase bezieht sich auf die Forschungsfrage als
zentralen Fokus. (vgl. Kuckartz 2018, S. 45)

4.2 Datenerhebung
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden leitfadengestützte Expert*inneninterviews
mit Fachkräften aus dem Feld der Offenen Jugendarbeit und Expert*innen für Jugendliche
und Soziale Medien in Wien durchgeführt. Die Beschränkung auf das Bundesland Wien
entstand durch die Einschränkung aufgrund der Grenzen dieser Masterarbeit und des
Wohnortes der Autorin.
Die befragten Jugendarbeiter*innen sind bei unterschiedlichen Trägervereinen der Offenen
Kinder- und Jugendarbeit in Wien beschäftigt und haben zudem unterschiedliche
Positionen inne. Dazu zählen Juvivo, der Verein Rettet das Kind, der Verein Wiener
Jugendzentren und der Verein Bahnfrei. Die explizite Auswahl der befragten Personen
geschah durch die Vereine selbst, da eine allgemeine Anfrage an die Vereine geschickt
wurde und sich unterschiedliche Personen meldeten.
Die Auswahl der interviewten Expert*innen wurde maßgeblich dadurch beeinflusst, dass
sie primär im Bereich der Sozialen Medien Kompetenzen aufweisen als auch Kenntnisse
über die Offene Jugendarbeit bieten. Die Expert*innen setzten sich aus den Institutionen

51
WienXtra-Medienzentrum, Saferinternet.at und dem Institut für Jugendkulturforschung
zusammen.
Die Interviews fanden im Zeitraum zwischen Jänner und März 2020 statt. Fünf von sieben
Interviews konnten persönlich, entweder in einem Café oder einem Büro stattfinden.
Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen in Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie
wurden die letzten zwei Interviews mittels Telefonat geführt. Die Interviews dauerten im
Durchschnitt zwischen einer und eineinhalb Stunden. Nach schriftlicher bzw. mündlicher
Zustimmung wurde von allen Interviews Audioaufzeichnungen angefertigt. Im Anschluss
an die Interviews wurden die Gespräche nach den von Kuckartz festgelegten Regeln
transkribiert. Hierbei wird wörtlich, aber nicht lautsprachlich transkribiert. Die Sprache wird
leicht geglättet und an das Schriftdeutsch angenähert. (vgl. Kuckartz 2018, S. 167–168)
Siehe dazu im Anhang „Transkriptionsauszug eines Interviews“. Die transkribierten
Interviews wurden in das Programm MAXQDA, zur computergestützten qualitativen
Datenanalyse, eingefügt und dort weiterbearbeitet.

4.3 Datenanalyse und -auswertung


Für die Auswertung der gewonnen Daten wurde die inhaltlich strukturierende qualitative
Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) gewählt. Kuckartz beschreibt den Ablauf in sieben
Phasen. In der ersten Phase geschieht die initiierende Textarbeit mittels Markierung
wichtiger Textstellen. In der zweiten Phase werden thematische Hauptkategorien deduktiv
und in Bezug zur Forschungsfrage entwickelt. Die dritte Phase ist geprägt von der
Codierung des gesamten Materials mit den Hauptkategorien. Codieren bedeutet die
Zuordnung der wörtlichen Aussagen des Interviews zu den gebildeten Kategorien.
Anschließend werden in der vierten Phase die Textstellen der gleichen Hauptkategorie
zusammengestellt. In der fünften Phase folgt anhand der verfassten Datenmatrix die
induktive Bestimmung von Subkategorien, ebenfalls in Zusammenhang mit der
Forschungsfrage. Nun wird das komplette Material in der sechsten Phase mit dem
ausdifferenzierten Kategoriensystem codiert. Abschließend folgt in der siebenten Phase
die Analyse und Ergebnispräsentation. (vgl. Kuckartz 2018, S. 100–111)
Die Kategorien wurden also erst deduktiv, „bevor die ersten Daten in Augenschein
genommen werden“ (Kuckartz 2018, S. 64) anhand des Leitfadens und der
Forschungsfrage und danach induktiv „direkt am Material“ (Kuckartz 2018, S. 72) gebildet.
Danach konnte die Datenmatrix in eine Themenmatrix umformatiert werden, was die
thematischen Zusammenfassungen erleichtert. Folgend schließt die eigentliche Analyse
an, wobei die Ergebnisse jeder Hauptkategorie erörtert und Zusammenhänge sichtbar
gemacht werden. (vgl. Kuckartz 2018, S. 111-121)

52
5. DARSTELLUNG DER EMPIRISCHEN ERGEBNISSE
Folgend werden die Ergebnisse der qualitativen Auswertung dargestellt. Alle Zitate aus
den Interviews sind entsprechend mit Interviewpartner*in und Zeilennummer
gekennzeichnet. Die Interviewpartner*innen B1, B3 und B7 bestehen aus den Expert*innen
von Saferinternet.at, dem Institut für Jugendkulturforschung und dem WienXtra-
Medienzentrum. Die Interviewpartner*innen B2, B4, B5 und B6 ergeben sich aus den
Fachkräften der Vereine Rettet das Kind, Juvivo, Wiener Jugendzentren und Bahnfrei.
Dieses Kapitel gliedert sich in die Beschreibungen und Interpretationen der einzelnen
Haupt- bzw. Subkategorien.

5.1 Wahrgenommene Veränderungen durch Soziale Medien


Die Frage nach den wahrgenommenen Veränderungen kann in drei Subkategorien
eingeteilt werden. Es wurden Veränderungen im Zusammenhang mit Sozialen Medien, mit
der Lebenswelt der Jugendlichen und Veränderungen, die direkt die Offene Jugendarbeit
betreffen, genannt. Die Aussagen zur jeweiligen Subkategorie werden im Folgenden
genauer erläutert.
5.1.1 Wie werden die Veränderungen Sozialer Medien wahrgenommen?
Besonders spannend ist die Schnelllebigkeit im Bereich der Sozialen Medien, denn es
verändert sich ständig und sehr schnell etwas. Dadurch ist auch schwer vorauszusehen,
was kommen wird. (vgl. B3: 40-50, B5: 173-174)
Digitale Kommunikation ist mobiler geworden. Sie hat sich vom Stand-PC zum Smartphone
entwickelt und wurde allgegenwärtig. Wir tragen nun täglich umfassend funktionale
Medienwerkzeuge mit uns, die uns die Möglichkeit zur ständigen medialen Kommunikation
verleihen und durch die wir immer vernetzt sind. (vgl. B3: 22-30, 56-63, B7: 23-27)
2008 hat Facebook in Österreich begonnen, Fuß zu fassen, und dann ging es weiter über
WhatsApp, Snapchat und Instagram hin zu TikTok. (vgl. B3: 30-37) Insgesamt kann eine
„Ablöse“ von Facebook zu Instagram und mittlerweile auch von Instagram zu TikTok
festgestellt werden. Diese Ablöse passiert aber nicht, indem die Nutzer*innen von
Facebook geschlossen zu Instagram bzw. von Instagram zu TikTok übergehen. Die junge
„nachschiebende“ Generation wendet sich aber eher TikTok als Instagram zu, weil
Instagram „für die ganz jungen Jugendlichen fad wird, weil es kein junges Netzwerk mehr
ist“ (B3: 111-140). Bei Facebook ist zu sehen, dass es keinen Spaß macht, „dort unterwegs
zu sein, wo auch Mama und Oma unterwegs sind“ (B3: 111-140). Die neue Generation hat
also zu Instagram gewechselt und nun wechselt die neueste Generation zu TikTok.
Kommend wird vermutlich TikTok „das jugendkulturell wichtigere Medium“ (B3: 111-140)
sein. Die abgelösten Medien sind deshalb aber nicht weniger wichtig, denn „die Instagram-
Generation wird weiter auf Instagram bleiben“ (B3: 111-140). Die große Veränderung ist in
jedem Fall TikTok. TikTok ist im letzten Jahr massiv gewachsen und vor allem bei den
jungen Jugendlichen sehr beliebt. (vgl. B3: 40-50) Fakt ist, dass sich die Tools der
Jugendlichen ändern. (vgl. B1: 92-96) „Das mediale Repertoire, welchem sich Jugendliche
bedienen oder bedienen können“ (B7: 49-55), wird immer größer.
Soziale Medien haben zur Entgrenzungsproblematik der heutigen Zeit maßgeblich
beigetragen. Beispielsweise verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit
immer mehr, was zu erheblichen Herausforderungen, auch für die Offene Jugendarbeit,
53
führen kann. Auch Jugendliche kämpfen immer mehr damit, zu verinnerlichen, was privat
und was öffentlich ist. Das eigene digitale Selbst muss im Zeitalter der Sozialen Medien
sorgsam gestaltet werden. Die Frage nach Privatheit stellt sich zunehmend in einem
digitalen Kontext. (vgl. B7: 36-49)
Die Mediennutzungszeit ist grundsätzlich gewachsen. „Einerseits durch die parallele
Nutzung von mehreren Medien, andererseits auch dadurch, dass diese kleinen Zeiträume,
wenn ich im Bus sitze oder auf den Bus warte, mit Mediennutzung gefüllt werden“ (B7: 33-
36). Es werden immer mehr Apps und neue Funktionen verfügbar. Dadurch entsteht ein
Gefühl, überall dabei sein zu müssen. Trotzdem nutzen Jugendliche meist einige wenige
gängige Plattformen wie WhatsApp, Instagram und TikTok. Auch die Frequenz der
Nutzung hat sich erhöht. In Zeiten von Facebook wurde nicht ständig etwas gepostet, jetzt
werden auf Instagram mehrmals täglich Stories hochgeladen. (vgl. B2: 68-95)
Auf Facebook war früher alles sehr schnell öffentlich. Heute gibt es viele private Accounts,
von denen die Außenwelt wenig mitbekommt. Besonders problematische Inhalte können
dort relativ gut versteckt werden. „Heute machen zum Beispiel jugendliche Mädchen mit
Essstörungen, mit Depressionen, die in psychiatrischer Behandlung sind, einfach einen
privaten Instagram-Account. Da kriegt die Welt nichts davon mit, außer den Neuntausend,
die ihnen folgen“ (B1: 96-109). Hier kann von einem „Dark-Social-Web“ gesprochen
werden. Hinzu kommt, dass Influencer vermehrt als Vorbilder junger Leute dienen. „Die
Influencer haben jetzt die Stars der älteren Generation abgelöst“ (B7: 120-137).
Die Kommunikation hat sich durch das Aufkommen Sozialer Medien stark verändert. Es
wurden neue virtuelle Räume eröffnet, die Jugendliche für sich nutzen können. Besonders
die Möglichkeit, gestaltend auf Sozialen Medien tätig zu sein, stellt für Jugendliche und die
Offene Jugendarbeit eine wichtige Veränderung dar. (vgl. B6: 19-25, 262-266)
5.1.2 Wie werden die Veränderungen der Jugendlichen wahrgenommen?
Das Einstiegsalter in das Internet liegt zurzeit bei einem Jahr. Kinder und Jugendliche
empfinden daher keine Trennung zwischen offline und online. Für sie gibt es eine
Lebenswelt. Sie können beispielsweise nicht unterscheiden, ob sie etwas auf WhatsApp
oder persönlich besprochen haben. Das ist ein großer Unterschied zu heutigen
Erwachsenen, denn sie trennen noch zwischen Erfahrungen, die offline bzw. online
gemacht werden. (vgl. B1: 82-92, 419) Es wird Zeit, dass wir uns von der Dichotomie einer
realen und virtuellen Welt verabschieden, denn auch in der virtuellen Welt interagieren
Menschen miteinander. „Und das war auch das, was es immer schon spannend gemacht
hat. Diese zwischenmenschlichen Begegnungen, Interaktionen und Reaktionen, die sind
immer schon sehr real gewesen“ (B7: 101-117). Die Lebenswelt der Jugendlichen ist als
„hybrid“ zu verstehen, „wo das Digitale und das Analoge ineinander gehen“ (B7: 101-117).
In Jugendtreffs wird festgestellt, dass Jugendliche zwar hier anwesend sind, aber
gleichzeitig auch in Sozialen Netzwerken aktiv sind. (vgl. B2: 31-32) Grundsätzlich findet
immer mehr online statt, die Plattformen werden interaktiver und die Teile der Lebenswelt,
die online stattfinden, werden immer wichtiger. (vgl. B7: 20-23)
Die Nutzungsmotive, zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben und Grundbedürfnisse, die
Jugendliche mittels Sozialer Medien stillen wollen, verändern sich wenig. (vgl. B1: 92-96,
B3: 83-89, B7: 49-55) Im Wesentlichen sind drei Nutzungsmotive zu nennen. Erstens
suchen Jugendliche auf Sozialen Medien Unterhaltung, zweitens möchten sie miteinander,

54
meist in der Peergroup und mit Gleichaltrigen, kommunizieren und drittens bieten Soziale
Medien Information in einem jugendkulturellen Aspekt. Mit „Information“ sind nicht
Nachrichten gemeint, sondern „mitzukriegen, was gerade jugendkulturell aktuell und cool
ist“ (B3: 89-100), es geht also um „Trendinformation“. Die Kommunikation mit
Gleichaltrigen sollte breiter verstanden werden, im Sinne einer „repräsentativen
Kommunikation“. Dabei geht es darum, „sich selbst darzustellen, sich in der
Gleichaltrigengruppe positiv zu positionieren, durch eigene Dinge, die man dort gestaltet,
postet oder liked“ (B3: 100-107). Der Hauptgrund für Kommunikation mittels Sozialer
Medien ist, mit bereits bekannten Personen in Kontakt zu bleiben. Erst an zweiter Stelle
steht der Wunsch, neue Kontakte zu knüpfen. Neue Kontakte werden meist durch
Gemeinsamkeiten wie das Mögen der gleichen Band oder ähnliches, mittels Gruppen auf
Sozialen Medien gefunden. (vgl. B7: 120-137) Jugendliche befriedigen ihre natürlichen
Bedürfnisse, wie Anerkennung, Freundschaft und Selbstdarstellung eben nicht nur offline,
sondern auch online mit Hilfe Sozialer Medien. (vgl. B1: 131-134, B5: 122-132) In den
Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit wird bemerkt, dass besonders das Kontakthalten
mit Freunden und Familie mittels Sozialer Netzwerke an erster Stelle steht. (vgl. B4: 132-
134) Aber auch die Inszenierung der eigenen Identität und die Präsentation von sich selbst
auf Sozialen Medien scheint von großer Bedeutung zu sein. Es ist einfach und
unkompliziert, mittels Kommentaren und Likes Bestätigung und Feedback zur Darstellung
der eigenen Person zu bekommen. Ein Gefühl von Zugehörigkeit kann geschaffen werden.
(vgl. B2: 45-56, 81-85, B4: 134-136) Zusätzlich holen sich Jugendliche Inspiration von
bekannten Persönlichkeiten und entscheiden danach, wie sie selbst sein wollen. Auch für
Jugendliche relevante Informationen werden auf Sozialen Netzwerken gesucht. (vgl. B4:
136-140) „Und es geht viel um Unterhaltung“ (B6: 278-281), zum Beispiel werden den
Freund*innen Videos gezeigt und miteinander online gespielt.
Dennoch verändert sich die Art der Nutzung, da „eine Nutzung von TikTok anders aussieht
als eine Nutzung von Facebook oder Instagram“ (B3: 83-89). Es zeigt sich, dass sich jede
Generation ein neues Angebot sucht. (vgl. B1: 92-96, B3: 83-89) Werden die großen
Sozialen Netzwerke der letzten 10 Jahre betrachtet, dann können hier Facebook,
Instagram und seit neuem auch TikTok als für je eine Generation typisch beschrieben
werden. (vgl. B3: 89-100) Diese drei großen Sozialen Medien haben für „ihre Generation“
für Unterhaltung gesorgt und Kommunikation und Information ermöglicht. Besonders
Instagram scheint für die Selbstpräsentation eine geeignete Plattform zu sein. Es wirkt als
würde Facebook hingegen mehr für die Suche nach Informationen genutzt werden. (vgl.
B4: 140-144) Im Besonderen fällt auf, dass normale Posts eher zurückgehen und Stories,
die nach 24 Stunden wieder verschwinden, vermehrt genutzt werden. Mit diesem
Hintergrund müssen sich Jugendliche nicht zu viele Gedanken über den Inhalt machen, da
er nach 24 Stunden von selbst gelöscht wird. (vgl. B1: 154-162)
Kommunikation wird für Jugendliche immer essentieller, durch die ständige Nutzung und
Verfügbarkeit digitaler Kommunikation. (vgl. B3: 56-63) „Es gibt kaum noch Phasen, wo
man nicht kommuniziert und nicht erreichbar ist, und das hat natürlich Auswirkungen auf
die Lebenswelt, die Tagesgestaltung und die Erreichbarkeit“ (B3: 70-74). Auch die Räume
verändern sich. Sie werden ins Virtuelle erweitert. (vgl. B6: 22-25) Es wird festgestellt, dass
„die Jugendlichen nicht weniger, sondern mehr kommunizieren“ (B6: 225-226). Trotzdem
schätzen die Jugendlichen face-to-face Gespräche weiterhin. Soziale Medien bieten
55
lediglich eine „zusätzliche Kommunikationsmöglichkeit“ (B6: 230). Jugendliche bemerken
vermehrt, dass ihnen diese ständige Erreichbarkeit selbst zu anstrengend wird und
machen sich gegenseitig darauf aufmerksam, das Handy mal wegzulegen und sich zu
unterhalten. Die ununterbrochene Erreichbarkeit bietet Suchtpotential. (vgl. B2: 31-37, 42-
45) Es wird beobachtet, dass es oft unmöglich für Jugendliche ist, das Handy wegzulegen.
Das wird auch als großer Stressfaktor empfunden. (vgl. B4: 113-116) Zudem ist es
heutzutage nicht mehr unhöflich, „dass man in einem Gespräch auch mal kurz aufs Handy
schaut und sich ausklinkt“ (B6: 233-234). Es ist eine Art des „Sich-Zurücknehmens“.
Jugendliche sind heute gleichzeitig in verschiedenen Räumen anwesend, wenn sie
beispielsweise in Sozialen Medien surfen und gleichzeitig Kommunikation in der physisch
anwesenden Gruppe stattfindet. (vgl. B6: 232-252) Es wird bemerkt, dass sich die
Kommunikation von langen Texten hin zu kurzen Texten und Bildern verlagert. (vgl. B4:
147-149) „Heute leben wir in einer völlig visuellen Welt, wir leben in einer Videowelt“ (B1:
45-49). Jugendliche bringen sich vieles über YouTube-Tutorials bei. Früher hätten sie dafür
ein Buch oder ein Rezept lesen müssen. Lernen passiert heute viel über Bilder und Videos.
Das Bild des konsumierenden und abhängigen Jugendlichen passt hier nicht dazu, da sie
„schafferisch tätig sind, Inhalte und Videos produzieren und in Kommunikation sind, also
eigentlich sehr aktiv sind“ (B6: 267-273).
Die meisten Jugendlichen sind „im Netz fit“ und wissen beispielsweise genau, wie sie ihre
Konten schützen können. „Also wissen tun sie es, wie sie dann damit umgehen, ist das
andere“ (B2: 121-130). Jugendliche bringen sich hier sehr viel selbst bei. Sie wachsen
damit auf und „haben einen enormen Vorsprung gegenüber Erwachsenen“ (B6: 258-262).
Die Hemmschwelle beim Ausprobieren Sozialer Medien wird als sehr niedrig
wahrgenommen, vor allem im Vergleich zu älteren Generationen, die nicht mit Sozialen
Medien aufgewachsen sind. Gleichzeitig sind Kompetenzen wie E-Mails schreiben oder
am Computer tippen nicht weit verbreitet. (vgl. B5: 116-121, 291-294) „Wenn es darum
geht, etwas zu googeln oder für die Schule etwas herauszufiltern, dann fällt ihnen das ur
schwer. Also sie können eigentlich simple Sachen am Computer nicht“ (B4: 122-124). Auch
dadurch wird es immer schwerer, Falschmeldungen zu erkennen und
Verschwörungstheorien entgegen zu wirken. (vgl. B4: 124-129)
Jugendliche scheinen klassische Hobbies zu vernachlässigen und immer mehr Freizeit mit
Sozialen Medien zu füllen. Es wird bemerkt, dass dies auch damit zusammenhängen
könnte, dass die Ausübung der meisten Hobbies Geld kostet, über das die Zielgruppe der
Offenen Jugendarbeit oftmals nicht verfügt. (vgl. B2: 25-29)
Es wird betont, dass nicht von den Jugendlichen gesprochen werden kann, da Jugendliche
keine homogene Gruppe darstellen. Die Nutzung bestimmter Netzwerke und Tools
innerhalb derer ist von verschiedenen Faktoren, wie etwa der Sprache, abhängig. (vgl. B1:
162-169) Auch die Voraussetzungen und Ausstattungen, wie Verträge mit oder ohne
Datenvolumen und Geräteausstattung, sind höchst unterschiedlich. Durch die
unterschiedlichen Voraussetzungen ergeben sich auch Unterschiede in der Nutzung
Sozialer Medien. Es macht beispielsweise einen Unterschied, nicht überall Internetzugriff
zu haben, sondern auf das nächste freie WLAN angewiesen zu sein. (vgl. B1: 194-198, B2:
158-182, B7: 55-62) Besonders in der Reflexionsfähigkeit über die eigene Nutzung gibt es
unter Jugendlichen grobe Differenzen. (vgl. B1: 200-203, B7: 55-62) Die unterschiedlichen
Zugangsmöglichkeiten führen zu einer „digitalen Kluft“. Obwohl die Mehrheit der
56
österreichischen Haushalte mit Internet ausgestattet ist, bedeutet das „nicht, dass jeder auf
gleiche Art und Weise im Stande ist, die positiven Potentiale dieser Medien und
Technologien für sich zu nutzen“ (B7: 55-62). Dies darf in keinem Fall außer Acht gelassen
werden. Außerdem gab es schon immer jene Jugendliche, die die digitale Welt komplett
verweigert haben. Auch jene, die digitale Medien stressen bzw. als nicht so wichtig
empfinden, werden mehr. Sie sind mit dem Internet aufgewachsen, und dadurch wurde es
zur Selbstverständlichkeit und zum Alltag. (vgl. B1: 135-145, 171-178)
5.1.3 Wie werden die Veränderungen der OJA wahrgenommen?
Grundsätzlich ist es Aufgabe der Offenen Jugendarbeit, sich „auf die Bedürfnisse der
Jugendlichen einzustellen“ (B2: 132-133). Es geht darum, mit der Zeit zu gehen und sich
mit den aktuell interessanten Sozialen Medien zu beschäftigen. (vgl. B2: 131-140) Man
stellte sich die berechtigte Frage „Sollen wir auf Facebook gehen oder nicht? Wollen wir
da mitspielen oder nicht?“ (B6: 163-164), denn es war noch nicht klar, in welche Richtung
sich Soziale Medien entwickeln werden. Doch heute stellt sich diese Frage nicht mehr –
„die Frage ist nur wie?“ (B6: 169-170). Zu Beginn hat sich die Offene Jugendarbeit wenig
für diese Phänomene interessiert. „Es war eigentlich ein Prozess, klar zu machen, dass
das eigentlich nicht relevant ist, ob sie das jetzt persönlich interessiert oder nicht, weil es
interessiert die Jugendlichen“ (B1: 22-24). Jugendliche haben signalisiert, dass Soziale
Medien ein wichtiges Thema für sie sind und sie darüber sprechen möchten „und daher
haben die Jugendarbeiter*innen gefälligst darüber zu reden. Wer mit Jugendlichen zu tun
hat, muss mit ihnen über ihre digitale Lebenswelt reden“ (B1: 27-28). In der Offenen
Jugendarbeit geht es um die Haltung, sich mit Dingen zu beschäftigen, auch wenn es nicht
die eigenen Interessen sind. Trotzdem war zu Beginn des digitalen Wandels viel
Zurückhaltung und Widerstand bei Fachkräften der Offenen Jugendarbeit zu spüren. (vgl.
B1: 30-41)
Einige Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit haben erst vor relativ kurzer Zeit
aufgerüstet und WLAN bzw. Smartphones als Diensthandys bekommen. Besonders in der
Zeit, als WLAN neu war, sind viele Jugendliche hauptsächlich deshalb gekommen. Seit
freies WLAN an vielen Orten möglich wurde, ist die intensive Nutzung des WLANs in den
Räumen der Offenen Jugendarbeit spürbar zurückgegangen. (vgl. B4: 53-59)
Die Offene Jugendarbeit ist von einer Präsenz auf Facebook langsam zu Instagram
gewechselt, bzw. hat Instagram zu Facebook dazu genommen. (vgl. B5: 16-22) Einige
Einrichtungen haben viele Apps wie TikTok und Snapchat ausprobiert, aber mittlerweile
wieder gelöscht. Nun haben sie sich auf wenige Soziale Netzwerke beschränkt, die einfach
zu handhaben sind. Diese Sozialen Medien können dann auch sinnvoll und aktiv genutzt
werden. (vgl. B4: 19-24, 86-94) Der Wandel vollzieht sich in der Offenen Jugendarbeit aber
eher langsam. Die Details, also beispielsweise die Plattformen, verändern sich, aber
strukturell bleibt vieles gleich. Der physische Kontakt wird nach wie vor essentiell für die
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingestuft. Trotzdem wird deutlich, dass die
Jugendarbeit in Bezug auf die Nutzung Sozialer Medien nachhinkt. Die Bedeutung der
Offenen Jugendarbeit für Jugendliche wird durch die Veränderungen jedoch keinesfalls in
Frage gestellt. (vgl. B6: 25-36)
Es entsteht das Gefühl, dass durch den rasanten Wandel im Feld der Sozialen Medien die
Offene Jugendarbeit „immer einen Schritt zurück ist“ (B5: 175). Daher verändert sich auch

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die Offene Jugendarbeit laufend. „Wenn da nicht ein ständiger Wandel ist, dann machen
wir etwas falsch“ (B7: 66-67). Es entstehen neue Herausforderungen, auf die später noch
näher eingegangen wird.
Heutzutage werden die oben beschriebenen widerständischen Haltungen nur noch selten
beobachtet. Für die meisten ist es mittlerweile selbstverständlich, sich mit Sozialen Medien
auseinanderzusetzen, da es darum geht, sich mit der Lebenswelt der Jugendlichen
auseinanderzusetzen, „und die ist nun mal digital“ (B1: 66). „Man kommt eigentlich heute
als Jugendarbeiter oder Jugendarbeiterin nicht mehr darum herum“ (B1: 77-79). Es geht
darum, die Dinge auszuprobieren, denn wenn erst gehandelt wird, wenn Sicherheit
besteht, wie es geht, dann kann es nicht gelernt werden. (vgl. B7: 72-79)
Primär werden Soziale Medien in der Offenen Jugendarbeit als neue und zusätzliche
Kommunikationskanäle genutzt, um Jugendliche weiterhin erreichen zu können. (vgl. B6:
36-41) „Also die Frage, wie gehen wir mit Social Media um, war sehr lange darauf bezogen,
wie wir die Jugendlichen weiter erreichen können, was die Kommunikation betrifft“ (B6: 41-
43). Viel Kommunikation zwischen Offener Jugendarbeit und Zielgruppe findet aktuell
bereits digital statt. Geht es etwa um Kontakthalten oder Einladungen zu bestimmten
Aktionen. Auch Beratungen finden mit digitaler Unterstützung statt, wenn beispielsweise
ein „Brief vom AMS oder von einer Behörde abfotografiert und geschickt wird“ (B5: 68-70).
Vor allem durch die Nutzung von Messengerdiensten konnte der Kontakt zu den
Jugendlichen intensiviert werden. Mobile Teams der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in
Wien sind meist auch während ihrer Mobildienste auf Sozialen Medien aktiv. Dadurch sind
sie unmittelbarer erreichbar. (vgl. B5: 16-29) Durch Soziale Medien wird ein neuer
Realitätsraum geöffnet, auf dem Interaktion und zwischenmenschliche Konflikte entstehen.
Dadurch kommen schnell Aufgaben für die Jugendarbeit in diesen neuen Räumen hinzu.
(vgl. B3: 322-338) Die Einladung der Zielgruppe zu Aktivitäten wurde durch Soziale Medien
einfacher und spontaner. Einladungen können auch gezielt und persönlich an interessierte
Jugendliche verschickt werden. (vgl. B4: 34-40, B5: 44-46) Zur Kommunikation kommt seit
kurzem verstärkt auch die Frage der Angebote und Räume in der digitalen Welt auf. Es
geht darum, dort Präsenz zu zeigen und passende Angebote zu gestalten. In diesem
Zusammenhang wird innerhalb der einzelnen Vereine der Offenen Jugendarbeit im
Moment viel ausprobiert und erprobt. (vgl. B6: 43-55) Beispielsweise nutzen Jugendliche
die Einrichtungen auch vermehrt als Kulissen etwa zum Fotografieren oder für Videos. (vgl.
B2: 38-40)
Nichtsdestotrotz muss die Offene Jugendarbeit auch ihre Grenzen anerkennen, „inwieweit
sie sich überhaupt wandeln kann“ (B6: 56). Möglicherweise wird es in Zukunft neue
Angebote von neuen Trägern brauchen, die diese Angebote bieten können. Es besteht die
Sorge, dass sich nicht alle regionalen und standortgebundenen Einrichtungen im Sinne
des digitalen Wandels verändern können und in Zukunft von neueren Einrichtungen, die
diese Veränderungen bieten können, „abgelöst“ werden. (vgl. B6: 55-62) Treffangebote
haben in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren. Auch aufgrund von
Konkurrenzangeboten, wo Jugendliche sich treffen können – auch im virtuellen Bereich.
(vgl. B6: 64-74) „Zum Beispiel über Smartphones kann ich mich schon recht viel
beschäftigen. Viele unserer Jugendlichen spielen Spiele auf Smartphones […] Das heißt,
ich brauche eigentlich nur einen halbwegs gemütlichen Ort und kann mich schon zwei bis

58
drei Stunden gut beschäftigen“ (B6: 74-78). In diesem Zusammenhang sollten Jugendtreffs
sich bemühen, als gemütlicher Treffpunkt attraktiv zu bleiben. (vgl. B6: 78-81)

5.2 Beschriebene Reaktionen der Offenen Jugendarbeit


Die Reaktionen der Offenen Jugendarbeit in Wien auf die durch Soziale Medien
hervorgerufenen Veränderungen sind sehr vielfältig. Alle sind sich aber einig, dass die OJA
in irgendeiner Form reagieren muss und dies auch tut.
In vielen Einrichtungen ist die Arbeit mit Sozialen Medien „bereits ein fixer Bestandteil“ (B5:
149). Meist sind auch Social Media Guidelines vorhanden. Es wird jedoch festgehalten,
dass es oft nicht möglich ist, diese aktuell zu halten, und die Offene Jugendarbeit somit
„immer einen Schritt zurück ist“ (B5: 152).
Die Offene Jugendarbeit versucht lebensweltnahe an der Zielgruppe zu sein. Trotzdem ist
es wichtig, als Einrichtung bzw. als einzelne Jugendarbeiter*innen dabei authentisch zu
sein. (vgl. B4: 176-185) „Wenn ich mir so Profile anschaue, von uns oder von anderen
Jugendzentren, dann denke ich mir schon, dass das ziemlich uncool ist“ (B4: 179-180).
Glücklicherweise stellt sich mittlerweile nicht mehr die Frage, ob Präsenz in Sozialen
Medien gezeigt wird, sondern wie. Immer mehr wird versucht, neue Angebote zu
implementieren und der Lebenswelt der Zielgruppe nahe zu bleiben. (vgl. B6: 161-192)
Doch warum entsteht vielerorts das Gefühl, dass Soziale Medien im Alltag der OJA nur
zaghaft implementiert werden? Warum Soziale Medien so zögerlich angewendet werden,
hat „viele Gründe“ (B6: 612).
Problematisch bei der Implementierung Sozialer Medien in den Alltag der Offenen
Jugendarbeit sehen Expert*innen, dass es wenig bis keine Leitfäden zum Umgang mit
speziellen Plattformen gibt. Einer der Gründe könnte die Schnelllebigkeit des Feldes sein,
was dazu führt, dass Leitfäden schnell wieder veraltet sind und erneuert werden müssten.
Die Offene Jugendarbeit ist ein Feld, das lange gewachsen ist und Konzepte vorweist, die
über Jahrzehnte entwickelt wurden, „und plötzlich ist das halt nicht mehr möglich“ (B3: 373-
380). Die Unsicherheit in Bezug auf rechtliche Umstände hindert Jugendarbeiter*innen
daran, sich frei mit Sozialen Medien zu beschäftigen und Dinge auszuprobieren. Rechtliche
Richtlinien wären in Leitfäden zur Social Media Nutzung wünschenswert. Sicherheit bei
Handlungen auf Sozialen Medien könnten Leitfäden bieten, die klar Dos und Don’ts
festhalten. (vgl. B2: 586-604) Auch die Bedenken zum Datenschutz könnten in Leitfäden
geregelt und damit aus der Welt geschafft werden. (vgl. B6: 620-629)
Es spielt ein Gefühl der Überforderung mit, dem von den Einrichtungen oft nicht
angemessen entgegnet wird. Jugendarbeiter*innen fühlen sich alleine gelassen. Nicht
zuletzt, weil es eben keine Regelungen und Richtlinien zur professionellen Nutzung
Sozialer Medien gibt. Es gibt „einzelne Leuchtturmprojekte“ von Fachkräften, denen
Soziale Medien ein persönliches Anliegen sind, die aber in der breiten Landschaft Offener
Jugendarbeit nicht funktionieren. (vgl. B3: 382-392) Jugendarbeiter*innen haben immer
noch das Gefühl, dass Soziale Medien neu sind und, dass es wenig Erfahrungen dazu gibt.
Dadurch kann die Offene Jugendarbeit „immer nur einen Schritt zurück sein“ (B5: 351-
352). Jugendarbeiter*innen sind der Meinung, dass es Zeit braucht, reflektiert zu reagieren,
gekoppelt mit Erfahrungen, um Handlungen anzupassen. Es braucht auch Diskussionen
auf der Ebene der Einrichtungsleitungen. (vgl. B5: 356-364) Zudem fehlt es vielerorts an
Knowhow zu neuen Plattformen und Sozialen Medien. (vgl. B6: 629-633)

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Es geht auch viel um zeitliche Ressourcen. Können Jugendarbeiter*innen zusätzlich
leisten, Soziale Medien zu betreuen oder müsste das auf Kosten anderer Angebote
geschehen? Soziale Medien müssten vernünftig in den Dienstplan eingebettet werden.
Beispielsweise ist es wenig sinnvoll, wenn Soziale Medien ausschließlich vormittags
betreut werden. Wenn allerdings Jugendarbeiter*innen nachmittags während der
Angebote ständig das Smartphone zur Kommunikation nutzen, können physische Kontakte
zu der Zielgruppe vernachlässigt werden. (vgl. B2: 563-572)
Einige Jugendarbeiter*innen sehen auch den Bedarf einer Präsenz der Offenen
Jugendarbeit auf Sozialen Medien nicht. „Ich glaube einfach, dass es bei diesen Sozialen
Medien eben nicht unbedingt darum geht, sich von irgendwelchen Einrichtungen
irgendwelche Sachen anzuschauen“ (B2: 574-576). Auch wenn die Zielgruppe in die
Organisationsentwicklung mit eingebunden wird, wünschen sie sich nicht explizit mehr
Präsenz der Offenen Jugendarbeit auf Sozialen Medien. (vgl. B2: 572-582) Jugendliche
fordern die Präsenz der Offenen Jugendarbeit auf Sozialen Medien nicht stark ein. „Es ist
kein Selbstläufer, wie bei anderen Dingen, sondern es braucht da viel Initiative von uns“
(vgl. B6: 643-644).
Auch die (berechtigte?) kritische Haltung von Jugendarbeiter*innen spielt eine Rolle. (vgl.
B7: 351-355) Oft sind Jugendarbeiter*innen über abwehrende Haltungen ihrer
Kolleg*innen überrascht. (vgl. B6: 156-161) Jugendarbeiter*innen haben das Gefühl, dass
viele Kolleg*innen „selbst keine Leute sind, die ständig und gerne in sozialen Medien aktiv
sind“ (B4: 394-395). Diese abwehrende Haltung bremst den Fortschritt. (vgl. B6: 612-619)
Andere Unternehmen stellen dafür extra Personen an, die sich um den online Auftritt
kümmern. Im Vergleich dazu machen das in der Offenen Jugendarbeit Fachkräfte
„nebenbei“. (vgl. B4: 393-4054)
Es besteht die Sorge, dass „alles hinter dem Bildschirm verschwindet“ (B5: 355), jedoch
nicht, dass die gesamte „klassische“ Jugendarbeit abgelöst wird. (vgl. B5: 358) Gleichzeitig
besteht große Sorge, etwas falsch zu machen, das weite Auswirkungen haben könnte,
beispielsweise gefährliche Kommentare, die nicht gelesen und auch nicht zeitnah gelöscht
werden. (vgl. B5: 364-368)
Außerdem können Online- und Offlinekontakte schlecht gegenübergestellt werden, da
Onlinekontakte nicht leicht gezählt werden können. Zudem werden Onlinekontakte oft nicht
als Arbeit wahrgenommen. Diese Wahrnehmung hat sich während der Zeit des Lockdowns
aufgrund der Covid-19 Pandemie deutlich spürbar geändert. (vgl. B7: 351-355)
Oft werden auch Tätigkeiten mit dem Smartphone mit Spaß und Privatheit gleichgesetzt.
„Wenn du mit den Jugendlichen sprichst, dann fühlst du, dass du arbeitest und am besten
tragen sie noch ein großes Thema an dich heran, dann fühlst du dich nützlich als
Jugendarbeiter*in. Wenn du mit ihnen witzige Fotos postest auf Snapchat, das fühlt sich
nicht wie Arbeit an. Und wenn du dann auch noch Kolleg*innen hast, die diesem Bereich
die Fachlichkeit absprechen“ (B7: 356-361), dann kann keine qualitative online Arbeit
geleistet werden. Diese Haltungen und Wertungen – eigene, von Kolleg*innen oder
Einrichtungsleitungen – können hinderlich sein, sich diesem Feld zu öffnen, und werten
das online Leben ab. (vgl. B7: 355-370)

60
5.2.1 Ist Präsenz auf Sozialen Medien Aufgabe der Offenen Jugendarbeit?
Die Frage, ob es überhaupt Aufgabe der Offenen Jugendarbeit ist, in Sozialen Netzwerken
präsent zu sein, wurde einheitlich bejaht. (vgl. B1: 252, B2: 261, B3: 401-404, B4: 192, B5:
212, B6: 170-173, B7: 9-10) Die aktive Nutzung Sozialer Medien wird als
Grundvoraussetzung beschrieben, um in der Offenen Jugendarbeit tätig zu sein. (vgl. B6:
170-173) „Man muss es nicht beherrschen, aber man muss schon zumindest offen sein
und sich dafür interessieren“ (B6: 172-173). Durch den Anspruch dort zu sein, wo die
Zielgruppe ist, ist die Nutzung Sozialer Medien vorgegeben. Soziale Medien sind ein
maßgeblicher Teil der Lebenswelt der Jugendlichen und bilden ihre Realität ab. (vgl. B5:
217-222) Es geht darum, sich auf die Bedürfnisse der Jugendlichen einzulassen. (vgl. B2:
132-134) In gewisser Weise muss sich die Offene Jugendarbeit an die Lebenswelt der
Jugendlichen anpassen. (vgl. B6: 182-187) „Man muss einfach als Jugendarbeit auf das
reagieren, wo Jugendliche sind“ (B1: 56-57).
In der Wahrnehmung einiger Jugendarbeiter*innen wird die Arbeit mit Sozialen Medien
durch Fördergeber*innen unterstützt. Dennoch gibt es vereinzelt Kolleg*innen, die dem
Feld der Sozialen Medien immer noch kritisch gegenüberstehen. Trotzdem werden die
Vorteile der Arbeit mit Sozialen Medien von den meisten Teams als überwiegend
eingestuft. (vgl. B4: 206-209, 234-238)
Oft dienen Kontakte mittels Sozialer Medien als erster Schritt, „um analoge Angebote
leichter anzunehmen“ (B5: 202-203). Der face-to-face-Kontakt zu Jugendlichen geht nach
eigener Wahrnehmung durch das Angebot, auch mittels Sozialer Medien erreichbar zu
sein, nicht spürbar zurück. (vgl. B5: 202-208) Es braucht beides, sowohl realen physischen,
wie auch virtuellen Kontakt zu den Jugendlichen. Durch die vermehrten
Kontaktmöglichkeiten wird auch das Kontakthalten leichter. (vgl. B3: 341-351)
Nicht nur die aktive Arbeit in Sozialen Medien scheint als wertvoll und wichtig empfunden
zu werden, auch die Aufklärung zu damit in Zusammenhang stehenden Themen wie
Datenschutz oder Cybermobbing scheinen vermehrt Anklang zu finden. (vgl. B2: 200-205)
Der Bedarf, mit den Jugendlichen über die Themen in Verbindung mit Sozialen Medien zu
sprechen, ist groß, dennoch gibt es noch viel Potential, das noch nicht ausgeschöpft wurde.
Wichtig ist es, die Haltungen der Jugendarbeit sowohl offline wie auch online zu leben. Als
Beispiel wurde erwähnt, dass Jugendliche auf Gewalt im Jugendtreff selbstverständlich
angesprochen werden. Dies sollte auch auf Sozialen Medien geschehen, wenn Fachkräfte
der Offenen Jugendarbeit bemerken, dass etwa Hasspostings veröffentlicht werden, denn
Digitale Jugendarbeit folgt den Zielen der herkömmlichen Jugendarbeit. (vgl. B1: 252-264,
467-473)
„Eine Jugendarbeit, die diesen digitalen, sozialen Raum ignoriert, wird sich schwer tun,
dem Anspruch einer guten Jugendarbeit gerecht zu werden, weil man damit einfach einen
riesigen Lebensbereich ausblenden würde. Ich glaube, das funktioniert nicht. Das ist ein
Bereich, der so in die Realität und in das Leben der Jugendlichen mittlerweile einfließt, also
die Verschränkung von Offline- und Onlinerealität. Ja, man kommt einfach daran nicht
vorbei, glaube ich. Das ist, glaube ich, weniger eine Frage des Wollens, als mehr des
Müssens“ (B3: 404-410).

61
5.2.2 Wie werden Soziale Medien in der Offenen Jugendarbeit genutzt?
Auf die Frage nach den Sozialen Medien, die in den Einrichtungen aktuell in Verwendung
sind, wurde unterschiedlich geantwortet. Einige beschränken sich auf WhatsApp und
Instagram, andere versuchen sich an exotischeren Plattformen wie TikTok, und wieder
andere haben eine Zeit lang viele verschiedene Plattformen ausprobiert, nun aber wieder
gelöscht und sich auf einige wenige spezialisiert. (vgl. B4: 23-28) Es stellt sich die Frage,
was mit der Nutzung erreicht werden soll. Wenn es um Kommunikation geht, sind
Messengerdienste die erste Wahl. Sollten aber Außenauftritte und Bewerbung der eigenen
Angebote im Vordergrund stehen, sind Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube
besser geeignet. (vgl. B3: 181-185)
Zum Kontakthalten mit Jugendlichen und zum Verbreiten von Informationen eignen sich
Messengerdienste nach wie vor am besten. WhatsApp wird generationsübergreifend als
seriöses Kommunikationsmittel wahrgenommen. „WhatsApp verwenden wir sicher als
Nummer 1 Tool zur Kommunikation“ (B6: 107). WhatsApp wird großteils für
Gruppenfunktionen und für Broadcasts zur Informationsweitergabe oder für Einladungen
zu speziellen Angeboten genutzt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden
Jugendliche von der Offenen Jugendarbeit aber meist nicht auf WhatsApp angesprochen.
Die Alternativen wie Telegram und Signal sind bei der Zielgruppe nur sehr spärlich
vertreten, was einen Umstieg nicht sinnvoll erscheinen lässt. (vgl. B5: 30-33, B4: 42-44,
273-279) Die Gruppenfunktion auf WhatsApp löst ebenfalls gespaltene Meinungen aus.
Einerseits ist es sinnvoll, um viel von den Cliquen Jugendlicher mitzubekommen,
andererseits steht das Datenschutzrecht dem sehr kritisch gegenüber, da alle
Teilnehmer*innen einer Gruppe die Nummern aller anderen Teilnehmer*innen sehen
können. (vgl. B6: 109-111) Auf Alternativen wie Signal oder Telegram, die von Fachkräften
der Offenen Jugendarbeit immer wieder eingebracht werden, „sind die Jugendlichen eben
nicht“. (vgl. B2: 394-408, B6: 462-465) Die Meinungen zu kommerziellen Plattformen, wie
WhatsApp, sind ambivalent. Einerseits möchte die Offene Jugendarbeit kommerzielle
Plattformen mit fragwürdigen Datenschutzrichtlinien nicht unterstützen, andererseits
möchte sie die Kinder und Jugendlichen jedoch „dort abholen, wo sie sind“. (vgl. B2: 394-
408) Auch Snapchat ist den Messengerdiensten zugehörig, eignet sich zur Kommunikation
zwischen Jugendlichen und Fachkräften der Offenen Jugendarbeit aber eher weniger, da
es von Jugendlichen meist als „Spaßmedium“ angesehen wird, auf dem keine wichtigen
Informationen geteilt werden. Auf Snapchat scheinen sich Jugendliche gerade in kleine
Freundesgruppen zurückzuziehen, in denen Jugendarbeitspräsenz auch nicht erwünscht
ist. (vgl. B7: 197-200) Instagram wird durch die Chatfunktion auch als
Kommunikationsmittel in einigen Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit genutzt. (vgl. B5:
72-72) Mittels Messengerdiensten werden vor allem persönliche Einladungen bezüglich
interessanter Angebote versendet. (vgl. B4: 42-44)
Für Öffentlichkeitsarbeit und Außenauftritt eignen sich heutzutage besonders Instagram
und TikTok. Die Homepages der Einrichtungen Offener Jugendarbeit sind längst überholt.
Jugendliche suchen Informationen vermehrt auf Sozialen Medien und weniger mittels
Suchmaschinen oder direkt auf der Homepage. (vgl. B3: 172-178) Auf Instagram kann
gezielt kreativ mit Bildern und Gestaltung gearbeitet werden, was Jugendliche heutzutage
besonders anspricht. (vgl. B2: 405-406) Instagram wird verwendet, um Jugendliche auf
Aktionen und Angebote aufmerksam zu machen. (vgl. B6: 104-106) Einige Einrichtungen
62
haben einen TikTok-Account, wobei auch hier die Datenschutzrichtlinien höchst
problematisch sind. (vgl. B5: 61-62) TikTok scheint eher bei der jüngeren Zielgruppe stark
angesagt zu sein und ist bei vielen Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit noch nicht
angekommen. Viele können sich aber vorstellen, TikTok zu den aktiv betreuten Sozialen
Medien aufzunehmen, wenn ein Großteil der Zielgruppe TikTok nutzt. (vgl. B5: 119-122,
254-266) An TikTok ist die beobachtende Position der Offenen Jugendarbeit gut
erkennbar. „Da gibt es ein neues Tool und wir stehen jetzt mal so davor und fragen uns
mal, ok, was passiert da gerade, was ist das, warum hat das so einen Reiz, könnte das
auch was für uns sein? Man ist immer zuerst draußen, man ist da nicht gleich drinnen“ (B6:
308-311) Auch Facebook wird noch von Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit
mitbetreut, obwohl es schon längst „out“ ist. Vor allem auch aufgrund des Facebook-
Messengers, den einige Jugendliche noch nutzen. (vgl. B5: 61, 57, B4: 23-24, B6: 99-104)
YouTube ist für Jugendliche nach wie vor ein relevantes Medium, das von der Offenen
Jugendarbeit genutzt werden sollte (vgl. B3: 178-181) und auch genutzt wird (vgl. B5: 152-
153). Einige Einrichtungen produzieren selbst Inhalte für ihren YouTube-Kanal. Auf jeden
Fall sollte das Knowhow zur Nutzung von YouTube vorhanden sein. (vgl. B6: 454-450)
Grundsätzlich können Jugendliche überall erreicht werden, wenn sie das Angebot
interessant empfinden und dem folgen wollen. (vgl. B1: 292-294) Das Medium, auf dem
alle Jugendlichen erreicht werden können, gibt es nicht. „Wir haben nicht die Jugendarbeit,
die mit den Jugendlichen arbeitet, sondern eine spezielle Szene von Jugendlichen“ (B7:
189-190). Daher sollte sich die Offene Jugendarbeit individuell an ihre Jugendlichen
anpassen. Studien oder Umfragen, wie der Jugend-Internet-Monitor von Saferinternet.at,
können Orientierung bieten, um aktuelle Trends zu erfahren. (vgl. B7: 191-195, 202-208)
Es geht nicht darum, alle Sozialen Medien aktiv zu nutzen oder auf allen Kanälen zu
kommunizieren. „Es geht darum die Logik zu verstehen, weil jede Social Media Plattform
ein bisschen anders funktioniert“ (B7: 209-211). Die Tatsache, dass die Offene
Jugendarbeit Soziale Medien nutzt, wird als Beweis herangezogen, dass auf den oben
beschrieben Wandel reagiert wird. (vgl. B2: 195-200) Manche Einrichtungen passen sich
in der Nutzung Sozialer Medien an die Zielgruppe an, andere bleiben konstant, und die
Zielgruppe passt sich an die vorgegebenen Strukturen der Einrichtung an. (vgl. B4: 193-
203) Insgesamt scheinen Instagram und WhatsApp die meistgenutzten Sozialen
Netzwerke in der Offenen Jugendarbeit zu sein. (vgl. B2: 57-60, B4: 49-50, B6: 104) Neben
allen Sozialen Medien sind nach wie vor SMS und Telefongespräche zur Kommunikation
mit Jugendlichen essentiell. (vgl. B6: 140-145)
Fachkräfte der Offenen Jugendarbeit spielen mit dem Gedanken, eine eigene App für die
Offene Jugendarbeit zu entwickeln, die einen geschützten Rahmen für Informationen und
Kontakt bieten könnte. Diese App müsste allerdings sehr attraktiv für Jugendliche sein, da
die Entwicklung teuer werden würde. (vgl. B6: 467-482) Von Expert*innen aus dem Feld
der Medienpädagogik wird der voraussichtliche Erfolg jedoch nur eher gering eingeschätzt.
(vgl. B7: 313-321)
5.2.3 Welche Herausforderungen entstehen durch die professionelle Nutzung
Sozialer Medien?
Durch die Nutzung Sozialer Medien in der Offenen Jugendarbeit entstehen eine Reihe
neuer Herausforderungen.

63
Vorerst ist es anstrengend, sich mit der „neuen Welt“ der Sozialen Medien
auseinanderzusetzen, vor allem dann, wenn sie fremd ist. (vgl. B1: 43-45) Besonders die
Schnelllebigkeit Sozialer Medien bereitet Fachkräften Kopfzerbrechen. Jugendliche sind
die ersten, die sich mit neuen Plattformen auskennen, auch weil sie selbstverständlich
damit aufwachsen. Es stellt sich die Frage „Wen erreicht man gerade wo?“ (B6: 359). Es
entsteht das Gefühl, immer einen Schritt hinterher zu sein. Kaum wird eine Plattform
halbwegs beherrscht, scheint die schon wieder out und neue Plattformen angesagt zu sein.
Schulungsangebote und Fortbildungen zu speziellen Bereichen scheinen rar gesät und oft
zu spät angeboten zu werden. Vorhandene Leitfäden müssen in diesem Zusammenhang
auch ständig überarbeitet werden, was einen enormen Aufwand darstellt. Fachkräfte sind
oft nicht auf dem neuesten Stand. Ihnen fehlt die Motivation, sich immer wieder von vorne
mit Sozialen Medien auseinanderzusetzen. (vgl. B2: 106-111, B4: 99-106, 159-167, B6:
284-290)
Besonders der rechtliche Rahmen macht vielen Fachkräften der Offenen Jugendarbeit
Sorgen. (vgl. B3: 159) Es fehlt an Sicherheit im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung.
Dies führt dazu, dass es Einrichtungen gibt, die kein WhatsApp nutzen und damit in vielen
Fällen nur schwer mit ihrer Zielgruppe kommunizieren können. Auch das
Verantwortungsgefühl, etwa für Kommentare auf der eigenen Seite ist eine Hürde, die nicht
immer leicht genommen werden kann. (vgl. B1: 237-245, B5: 184, B6: 346-356) Die Offene
Jugendarbeit betritt in vielen Fällen Grauzonen, um in Kontakt mit den Jugendlichen
bleiben zu können. Die Herausforderung liegt darin, sich das auch zu trauen und fachlich
zu begründen. Der Umgang mit Kommentarfunktionen und dem Ansehen der Beiträge und
Stories der Jugendlichen wird ambivalent wahrgenommen. Es gilt die Balance zu halten,
zwischen unangenehm nachgehend und angemessen aufsuchend. Jugendlichen muss
bewusst sein bzw. bewusst werden, wer ihre Beiträge sehen kann. Ein Auftrag Offener
Jugendarbeit könnte es sein, Jugendliche auf problematische Postings aufmerksam zu
machen. (vgl. B4: 328-332, B5: 173-181)
Außerdem möchten einzelne Jugendarbeiter*innen und Einrichtungen die oben
beschriebenen kommerziellen und datenschutzrechtlich bedenklichen Plattformen nicht
unterstützen und betrachten die neuen Entwicklungen kritisch, was zu keinem offenen
Umgang mit Sozialen Medien führt. Diese ablehnende Haltung kann auch sehr gut fachlich
begründet werden und ist nicht vom Alter der Fachkräfte abhängig. Für Jugendliche hat die
Funktionalität im Alltag jedenfalls größere Bedeutung als datenschutzrechtliche oder
kommerzielle Bedenken. Fachkräfte der Offenen Jugendarbeit müssen offen und
interessiert für Soziale Medien und dabei authentisch sein. (vgl. B6: 156-161, 173-178,
314-318, B7: 78-95) Für Jugendarbeiter*innen stellt sich die persönliche Herausforderung,
ein Interesse für Soziale Medien bei sich selbst zu wecken und einen Zugang dazu zu
finden. „Ich glaube, es braucht schon eine tiefere Auseinandersetzung damit […]. Weil
schon die Art und Weise wie man etwas nutzt, authentisch sein soll“ (B6: 330-332).
Die Begrenzung der erreichbaren Zeiten der Einrichtungen Offener Jugendarbeit werden
auch häufig als Herausforderung beschrieben. Es besteht Sorge, dass etwa in der Nacht
ein Hilferuf nicht gehört werden kann und Jugendliche sich im Stich gelassen fühlen. (vgl.
B3: 352-356) Jugendliche erwarten sich meistens, dass sofort geantwortet wird, was nicht
immer gewährleistet werden kann. (vgl. B4: 313-317) Damit in Zusammenhang steht die

64
Sorge um die Wahrung der persönlichen Abgrenzung. Es stellt sich die Frage, wo Grenzen
der Kontaktmöglichkeiten gezogen werden müssen. (vgl. B3: 361-369)
Der strukturelle Rahmen für eine Auseinandersetzung mit und eine Miteinbeziehung von
Sozialen Medien muss gegeben sein. Doch selbst dies stellt viele Einrichtungen vor eine
Herausforderung. Es stellen sich unter anderem folgende Fragen: Haben Fachkräfte der
Offenen Jugendarbeit die Zeit, sich mit Sozialen Medien auseinanderzusetzen und zählt
diese Zeit zur Arbeitszeit? Und ist es von Fördergeber*innen und Leiter*innen der
Einrichtung erlaubt, auf Sozialen Medien aktiv zu sein? (vgl. B1: 218-230) Außerdem ist es
wichtig, dass die Arbeit mit Sozialen Medien nicht nur angemessen entlohnt, sondern auch
wertgeschätzt wird. (vgl. B7: 174-184) Einige Jugendarbeiter*innen haben das Gefühl,
dass die zusätzliche Arbeit oft zwischendurch erledigt wird und keine expliziten Zeiten bzw.
extra Mitarbeiter*innen dafür zur Verfügung stehen. (vgl. B4: 211-230) Die Einschätzung
der zeitlichen und personellen Ressourcen stellt ebenfalls eine Herausforderung dar.
Besonders aufgrund der schnellen Veränderungen auf diesem Feld gilt es auch, laufend
am Ball zu bleiben und alle Fachkräfte dahingehend zu schulen. (vgl. B5: 193-199) Zu dem
organisatorischen Rahmen zählt auch die passende technische Ausstattung. „Nicht alle
Einrichtungen stellen Geräte zur Verfügung. Da hast du dann die uralten Nokia-Gurken als
Diensthandy. Was tust du mit dem?“ (B1: 235-237).
Es besteht Sorge, dass durch die vermehrte Präsenz in Sozialen Netzwerken die Offene
Jugendarbeit weniger analog bzw. offline präsent ist. (vgl. B5: 185-187) Die Jugendarbeit
kämpft aktuell damit, „eine gute professionelle Rolle zu definieren“ (B7: 68-69), für
Jugendarbeiter*innen in Online-Welten. Die Übertragung der professionellen Rolle in
offline Räumen auf online Räume steht noch aus, „sodass Kolleg*innen das Gefühl haben,
in online Räumen genauso sicher zu agieren wie in offline Räumen“ (B7: 143-144). Es geht
darum, die Professionalität, die lange Zeit entwickelt wurde, auch auf online Räume
umzulegen. (vgl. B7: 140-146)
Insgesamt herrscht große Unsicherheit in Bezug auf Soziale Medien. Es fehlt an
Basiswissen über Funktionsweisen von Plattformen und mögliche Umgangsformen damit.
(vgl. B6: 366-374) Die fehlende Thematisierung Sozialer Medien in den Ausbildungen
wurde auch als große Herausforderung beschrieben. „Dass man Soziale Arbeit ohne den
Online-Räumen lernt, das ist fahrlässig!“ (B1: 230-235).
Die Kommunikation auf Sozialen Medien gestaltet sich anders als die analoge
Kommunikation mit Jugendlichen. Informationen müssen immer kompakter und wenn
möglich mit Bildern bestärkt werden. Diese veränderte Art der Kommunikation muss auch
erst neu erlernt und geübt werden. (vgl. B4: 144-55) Auch der Umgang mit Konflikten, die
über Soziale Medien ausgetragen werden, gestaltet sich für die Offene Jugendarbeit
schwieriger. Beleidigungen sind nicht leicht wieder zurückzunehmen, wenn sie durch
Soziale Medien öffentlich gemacht wurden. Die Schwelle zu Cybermobbing scheint immer
weiter zu sinken und die Handlungs- bzw. Eingreifmöglichkeiten der Offenen Jugendarbeit
ebenso. (vgl. B2: 209-229)
Viele Jugendarbeiter*innen sind nicht bereit dazu, Fotos von sich selbst auf Sozialen
Medien hochzuladen. Expert*innen sind jedoch der Meinung, dass es in dem Beruf
unerlässlich ist, Jugendlichen auch Bilder zur Identifikation zu bieten. Dennoch „ist es gut
verständlich, dass ich nicht will, dass Fotos von mir im Internet herumkugeln“ (B1: 383-
384). Oft gibt es aber einige wenige Jugendarbeiter*innen, die dazu bereit sind. (vgl. B1:
65
378-390) Snapchat wird von manchen Einrichtungen nicht genutzt, da keine Fotos von sich
selbst hochgeladen werden wollen. (vgl. B2: 356-358) Damit in Zusammenhang sind
aktuell besonders auch Livestreams bedenklich. Jugendliche filmen ständig mit und posten
in Echtzeit beispielsweise auf Instagram. Dabei werden auch andere Personen gefilmt
(nicht nur Jugendarbeiter*innen), die das eigentlich nicht wollen. (vgl. B2: 238-247, B4: 74-
83)
Zusätzlich entsteht die Herausforderung herauszufiltern, in welchen online Räumen die
Anwesenheit der Offenen Jugendarbeit von Jugendlichen erwünscht ist und wo sie lieber
alleine gelassen werden wollen. In Zusammenhang damit müssen für online Räume, in
denen die Jugendarbeit präsent ist, auch Regeln erarbeitet werden. Diese können nahe an
die bereits existierenden Regeln der offline Arbeit angelehnt sein. Die Regeln dienen dazu,
Räume zu schaffen, wo Jugendliche sich wohlfühlen, akzeptiert, gehört und sicher fühlen.
Und in welchen Räumen das online gelingen kann, ist eine riesige Herausforderung. (vgl.
B6: 122-131, B7: 172-174).
Sorge besteht auch darin, dass Jugendliche, die Soziale Medien nicht nutzen, von
bestimmten Angeboten nichts erfahren und die Offene Jugendarbeit für sie unerreichbar
wird. (vgl. B5: 187-189)
Oftmals wird der Umgang mit und in Sozialen Medien erst durch das unmittelbare
Ausprobieren entschieden. (vgl. B5: 180-181, B7: 157) Und um Fehler in diesem
Zusammenhang zu vermeiden, benötigt es viel Reflexion, Supervision und eine positive
Fehlerkultur. (vgl. B7: 146-148)

5.3 Wie können Jugendliche weiterhin erreicht werden?


Ganz allgemein können Jugendliche heutzutage primär über das Smartphone und
insbesondere durch Soziale Medien in Form von Apps auf den Smartphones erreicht
werden. (vgl. B5: 251) Die Erreichbarkeit der Jugendlichen mittels unterschiedlicher
Sozialer Netzwerke ist jedoch stark vom Alter und den Interessen der Jugendlichen
abhängig. (vgl. B1: 285-290)
Instagram und TikTok sind nach Meinung von Expert*innen und Jugendarbeiter*innen die
Sozialen Medien, die Jugendliche aktuell erreichen können. Es kommt jedoch stark auf die
Altersgruppe an, die erreicht werden soll. Mit TikTok werden im Moment eher jüngere
Jugendliche angesprochen. (vgl. B3: 142-156, B4: 273, B5: 251-253)
Auf Messengerdienste wie WhatsApp und Snapchat sollte jedoch nicht vergessen werden,
denn als Kommunikationsmittel haben sie noch größere Relevanz. Um mit Jugendlichen
in Kontakt zu bleiben und Informationen weiterzugeben, bieten sie sich auch für die Offene
Jugendarbeit hervorragend an. (vgl. B3: 142-156)
5.3.1 Entwicklungsziele Offener Jugendarbeit in Bezug auf Soziale Medien
Auf die Frage, wohin sich die Offene Jugendarbeit entwickeln soll, wurde unterschiedlich
geantwortet, aber alle waren sich darin einig, dass es essentiell ist, am Ball zu bleiben und
bei veralteten Plattformen nicht stehen zu bleiben, sondern Soziale Medien als sinnvolle
Ressource zu verstehen. Die Übertragung der professionellen Rolle in den Onlineraum ist
essentiell. Die Professionalität der Jugendarbeit muss mit einer Selbstverständlichkeit auch
online gültig sein. (vgl. B7: 148-153)

66
Einerseits ist die Offene Jugendarbeit, was Anpassung der eigenen
Kommunikationskanäle an Veränderungen angeht, „eh recht flott“ (B3: 189). Das kann
damit zusammenhängen, dass schnell sichtbar wird, was von den Jugendlichen
angenommen wird und was nicht. Die Offene Jugendarbeit sollte offen für neue Dinge
bleiben. Andererseits gibt es noch viel Entwicklungspotential, was den Onlineauftritt der
Einrichtungen Offener Jugendarbeit betrifft. Oft entstehen „lächerliche Erwachsenen-
Videos“, die schade um die Bemühungen sind. (vgl. B3: 188-202) In der Kommunikation
mit Jugendlichen ist es besonders wichtig, dass „nicht nur der Inhalt passt, sondern auch
die Form“ (B3: 210-211). Es geht also darum, wie die Nachricht transportiert wird. „Das
heißt, man sollte auch viel in die Form investieren und nicht nur in den Inhalt, weil sonst
Botschaften […] dort [bei den Jugendlichen, Anm. d. Verf.] nicht ankommen“ (B3: 213-215).
Ziel ist es, nicht die Lust an der aktiven Nutzung Sozialer Medien zu verlieren. „Und
letztendlich hat Jugendarbeit das Ziel, Kinder und Jugendliche fitter zu machen, für diese
Welt. Und je mehr man aktiv diese Dinge nutzt, wirklich im produzierenden Sinn, desto
mehr versteht man sie ja auch und desto weniger fällt man auf Fallen hinein“ (B1: 506-
510). „Ich finde, ein Bereich wo es gut wäre, wenn sich Jugendarbeit öffnet, ist der Bereich
Medien und digitales Tüfteln, also das Selbermachen von digitalen Medien. Ich glaube
darin steckt wahnsinnig viel Ermächtigung“ (B7: 241-243). Es stellt sich die Frage der
Anpassung der Aktivitäten zu beispielsweise Workshops zum Thema „Wie werde ich
YouTube-Star?“. (vgl. B5: 277-240)
Social Media nur als Informationswerkzeug zu nutzen und die interaktiven Teile zu
vernachlässigen wäre fatal. „Sehr häufig wurde Social Media als ein bidirektionales
Medium wahrgenommen, also Social Media als Flyer-Ersatz, damit wir Jugendliche gut
erreichen, damit sie wissen, wann unsere Öffnungszeiten sind und welche Specials wir
planen. Für mich brauchen wir da noch stärker den Paradigmenwechsel. Social Media ist
ein Ort, wo wir Jugendlichen begegnen und auch gemeinsam Dinge tun. […] Da findet
echtes Miteinander statt“ (B7: 244-253). Die Offene Jugendarbeit muss in Zukunft flexibel
auf diese veränderten Bedingungen eingehen. Expert*innen sind „bereit zu staunen, was
sich alles entwickeln wird“ (B7: 254-255).
In Zukunft müssen mehr Angebote zur digitalen Kommunikation mit Jugendlichen gesetzt
werden, die für sie attraktiv sind. Bis dahin gilt es, noch viel auszuprobieren. (vgl. B6: 417-
421) Trotzdem geht es darum, die Balance zwischen Online- und Offlinearbeit zu halten,
um nicht zu stark von einem Feld abzulassen. Wenn es darum geht, Werte und Haltungen
zu vermitteln, eignen sich persönliche Gespräche oftmals besser. Diese sollten jedenfalls
nicht vernachlässigt werden. In diesem Zusammenhang wird es auch als Aufgabe
gesehen, Jugendliche zu offline Hobbies zu motivieren. Offene Jugendarbeit kann die
Jugendlichen auch raus in die Natur bringen und dafür sorgen, dass sie sich bewegen.
(vgl. B2: 330-350) Es muss darauf geachtet werden, dass der „Kern“ der Offenen
Jugendarbeit, nämlich die Beziehung, die meist face-to-face geschieht, auch weiter
wertgeschätzt wird. In diesem Zusammenhang müssen auch Jugendtreffs bzw.
Jugendzentren weiter attraktiv gestaltet werden. Viele Jugendliche sind nach wie vor und
aus unterschiedlichen Gründen auf die Räumlichkeiten der Offenen Jugendarbeit
angewiesen. Die Attraktivität wird heute vermehrt von Aspekten wie schnelles WLAN oder
digitale Spiele bestimmt. (vgl. B6: 386-404)

67
Offene Jugendarbeit muss weiterhin an den Themen der Jugendlichen dranbleiben (vgl.
B2: 336-337), mitbekommen, wohin sich die Lebenswelt der Jugendlichen entwickelt und
Teil der neu geschaffenen Räume bleiben. Nur dann kann mit den Jugendlichen
gemeinsam reflektiert werden. „Da muss die Jugendarbeit laufend daran arbeiten und auch
routinierter werden und selbstverständlicher damit umgehen können bzw. damit arbeiten
können. Ich glaube, da braucht es noch eine Veränderung der Jugendarbeit, dass das
mehr in Fleisch und Blut übergeht“ (B6: 410-416).
Um an Jugendliche heranzukommen, die von Mobiler oder Aufsuchender Jugendarbeit
nicht erreicht werden können, wird es in Zukunft neue Angebote brauchen. Es könnte sein,
dass neue Einrichtungen gegründet werden, die sich speziell dieser Zielgruppe widmen
und nicht regional verortet sind. „Ich glaube, es macht nicht Sinn, dass jede Einrichtung
das versucht“ (B2: 445-446).
Besonders wichtig ist es, immer am Laufenden zu sein, mitzumachen, auszuprobieren und
bereit sein, sich auf neue Dinge einzulassen. „Also einfach sich nicht dem verschließen,
was da auf uns zukommt“ (B1: 491-492).
5.3.2 Ziele der professionellen Nutzung Sozialer Medien
Die Frage nach den Zielen, die durch die Nutzung Sozialer Medien verfolgt werden sollen,
wurde ebenfalls divers beantwortet. Ein*e Expert*in ist der Meinung, dass es hier „exakt
die gleichen Ziele“ (B7: 324) braucht, die es offline bereits gibt. Es können jedoch zwei
grobe Richtungen beschrieben werden. Einerseits geht es um die Darstellung der
Institution und um Öffentlichkeitsarbeit mittels Sozialer Medien. Andererseits geht es um
soziale Interaktion mit den Jugendlichen und um Beziehungsarbeit bzw. Kommunikation
mit der Zielgruppe. (vgl. B3: 310)
Die Außendarstellung von Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit verlagert sich mehr und
mehr von der Homepage zu Sozialen Medien, da hier die Wahrnehmung der Zielgruppe
größer ist. (vgl. B1: 442-446, B3: 311-316) Einige Jugendarbeiter*innen finden es wichtiger,
auf Sozialen Netzwerken informativ zu sein und eigene Angebote zu bewerben, als mit
Jugendlichen zu kommunizieren. (vgl. B4: 328, 332-333) Andere geben klar der
Interaktion mit den Jugendlichen die höhere Gewichtung und sehen ein Ziel darin, dass die
Kommunikation, soweit es sinnvoll ist, auf Soziale Medien verlagert wird. (vgl. B2: 470-479,
B6: 542-547)
Für die Kommunikation mit der Zielgruppe „eignet es [die Nutzung Sozialer Medien, Anm.
d. Verf.] sich halt wunderbar“ (B3: 311) und wird auch immer notwendiger. „Ich glaube
wirklich, mit Jugendlichen geht es um die Beziehung. Es geht um die Kommunikation, es
geht um Mitkriegen was man tut“ (B1: 446-447). Optimal wäre es, wenn Jugendlichen auch
aktiv gefolgt wird und Begeisterung für ihre Lebenswelt empfunden wird. (vgl. B1: 455-458)
Durch Soziale Netzwerke können Jugendliche, die aus unterschiedlichen Gründen die
Einrichtung nicht oder nicht mehr besuchen können, „noch irgendwie mit dabei“ (B1: 460)
sein und mit den Jugendarbeiter*innen in Kontakt bleiben. Beziehungsarbeit kann mittels
Chats oder privaten Nachrichten auf Sozialen Netzwerken funktionieren. Oft werden
Jugendliche nach besonders wertvollen oder gefährlichen Postings darauf angesprochen,
wenn sie offline wieder angetroffen werden. (vgl. B2: 141-150, B4: 333-351)
Grundsätzlich muss beides als Ziel der Nutzung Sozialer Medien formuliert werden. Nicht
zuletzt weil der Ansatz der Offenen Jugendarbeit ist, „dort hinzugehen, wo die Jugendlichen

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sind, ist heute Realität, dass Offene Jugendarbeit nicht nur im Offline-Bereich stattfinden
muss, weil sich auch neue digitale Räume eröffnen, die nicht mehr darauf basieren, dass
man einseitig Informationen sendet, sondern auf Interaktion“ (B3: 318-322). Die
Niederschwelligkeit Sozialer Medien in Bezug auf Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
sollte unbedingt als Ressource genutzt werden. (vgl. B5: 312-318)
Als mögliches Ziel wurde auch ein digitales Jugendzentrum genannt, wo explizit
Jugendarbeit online geschieht. (vgl. B3: 322-327) Offene Jugendarbeit könnte
Onlineräume in begrenztem Ausmaß auch moderieren, dort wo Jugendliche oft alleine
gelassen werden, sie sich aber mehr Moderation wünschen. Die Offene Jugendarbeit kann
dafür sorgen, dass gewisse Umgangsregeln aufgestellt und eingehalten werden – ganz
ähnlich wie in physischen Jugendzentren. „Es war immer schon eine Aufgabe der
Jugendarbeit, Räume zu schaffen, wo Jugendliche sich wohlfühlen, akzeptiert, gehört und
sicher fühlen“ (B7: 171-173). Es geht darum, herauszufinden, in welchen Onlineräumen
die Anwesenheit der Offenen Jugendarbeit erwünscht und sinnvoll ist und wo die
Zielgruppe Räume für sich alleine braucht. (vgl. B7: 157-174)
Besonders wichtig ist Fachkräften der Offenen Jugendarbeit die Transparenz. Die
Zielgruppe muss deutlich erkennen, mit wem sie über Soziale Medien kommunizieren,
wann die Jugendarbeiter*innen erreichbar sind und an wen die Informationen aus
Kontakten via Sozialen Medien weitergegeben werden können. (vgl. B5: 286-291)
Ein weiteres Ziel könnte sein, neue Jugendliche oder andere Zielgruppen mittels
Aufsuchender Online Jugendarbeit zu erreichen. (vgl. B4: 241-245, 258-263) Denn es ist
bereits Tatsache, dass einige Jugendliche über Offlineangebote nicht erreicht werden
können, wie beispielsweise Jugendliche, die viel zu Hause online spielen. (vgl. B6: 434-
438)
Soziale Medien können auch dazu dienen, interessante Informationen, wie Links oder
Veranstaltungen, zu posten. „So wie man halt früher einen Artikel an die Pinnwand heftet,
so heftet man es heute online an die Pinnwand. Ist ja eigentlich eh gleich“ (B5: 336-337).
Als oberstes Ziel, sollte die Offene Jugendarbeit auf Sozialen Medien präsent sein und
attraktiv Angebote und Aktivitäten präsentieren. Dafür braucht es Offenheit für und Freude
an Sozialen Medien. (vgl. B5: 321-325, B6: 574-576)
5.3.3 Potentiale der professionellen Nutzung Sozialer Medien
Fachkräfte benennen verschiedenste Potentiale, die für die Offene Jugendarbeit durch die
professionelle Nutzung Sozialer Medien entstehen können.
Knowhow zu Sozialen Medien ist heutzutage eine Voraussetzung, um eine Beziehung zu
Jugendlichen aufbauen und halten zu können. „Wenn man so überhaupt keine Ahnung hat
oder kein Interesse gezeigt wird, fühlen sie sich sowieso nicht verstanden“ (B2: 486-487).
Grundsätzlich können Jugendliche heutzutage eben genau durch Soziale Medien erreicht
werden. „Ich kann mit ihnen über die Dinge reden, die für sie wichtig sind. Ich habe eine
sehr schnelle Kommunikationsform und ich bin ihnen auch ein ebenbürtiger
Gesprächspartner“ (B1: 413-416). Umgekehrt ist auch die Offene Jugendarbeit über
Soziale Medien gut erreichbar und kann unmittelbar reagieren. Durch das Erstellen oder
die Einladung zu unterschiedlichen Gruppen der Jugendlichen kann auch mit allen
gleichzeitig kommuniziert werden. (vgl. B5: 80-96, 278) Die Zielgruppe wird mobiler und
durch die Nutzung Sozialer Medien können Jugendliche weiterhin erreicht werden. Die

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Begrenzung auf Jugendliche in der Nähe wird durch die Nutzung Sozialer Medien nicht
mehr leicht umsetzbar. Es kann auch mit ehemaligen Jugendlichen Kontakt gehalten
werden, die sich mit bestimmten Anliegen auch Jahre nach ihrer „aktiven“ Zeit bei
Jugendarbeiter*innen melden. Umgekehrt können auch sie informiert bleiben, über
Aktivitäten der Offenen Jugendarbeit. (vgl. B2: 413-417, B4: 282-292, B6: 494-510) Soziale
Medien sind der Ort, wo Jugendliche kennengelernt oder begleitet werden. Die Offene
Jugendarbeit kann hier einen „Safe-Space“ schaffen, beispielsweise durch Moderation von
Online-Räumen, wo sich Jugendliche wohlfühlen können. (vgl. B7: 261-264)
Durch Soziale Medien können medienpädagogische Angebote gut umgesetzt werden.
„Gerade über diesen Bereich Bewegtbild und Bild, also da hat jeder mittlerweile eine kleine
Videodrehausrüstung in der Hosentasche mit“ (B3: 272-273). Durch die hohe
Professionalität Sozialer Medien können maßgeschneiderte Schwerpunkte gesetzt werden
und damit die Interessen der Zielgruppe genau getroffen werden. Es wird festgehalten,
dass dafür eine aufgeschlossene Haltung seitens der Offenen Jugendarbeit notwendig ist,
um sich auf die Interessen und Wünsche der Jugendlichen gebührend einzulassen. (vgl.
B1: 362-370)
Jugendliche sind nicht nur passive Nutzer*innen Sozialer Medien, sondern schaffen aktiv
unterschiedlichste Inhalte. (vgl. B6: 262-267) Soziale Medien dienen als jugendkulturelle
Ausdrucksform, als Repräsentation der Jugendlichen. Das bedeutet Empowerment für die
Zielgruppe, und dadurch entstehen „coole Möglichkeitsräume, wo sich […] auch
spannende Sachen für die Jugendarbeit ergeben können“ (B3: 277-278). Beispielsweise
können Jugendliche dabei unterstützt werden, aus ihren Filterblasen auszusteigen, „indem
sie aktiv diskutieren über Gerüchte und Jugendliche Sachen an sie heran tragen können,
die sie gerade total irritieren oder auch total gefallen. Nicht im Sinne, dass der
Jugendarbeiter sagt, das ist wahr und das ist falsch aber, dass es eine erwachsene
Perspektive gibt in diesen Diskussionen“ (B7: 264-270).
Durch Soziale Medien werden viele Informationen öffentlich zugänglich. Einerseits kann
die Offene Jugendarbeit hier jugendkulturelle Informationen beschaffen und herausfinden,
was „in“ und was „out“ ist. Dadurch wird Wissen über die Zielgruppe leicht zugänglich
gemacht. (vgl. B3: 278-283) Jugendliche können über problematische gepostete Inhalte
durch die Offene Jugendarbeit informiert werden, wenn beispielsweise regelmäßig die
Stories und Postings der Jugendlichen durchgesehen werden. Die Sorge, dass das
Durchsehen der Posts als Kontrolle empfunden wird, wurde mit dem Argument des
Interesses an der Lebenswelt der Jugendlichen entkräftet. Das Ansprechen auf Fotos oder
ähnliches kann auch die Beziehung zur Zielgruppe fördern. Vom Kommentieren oder Liken
raten jedoch die meisten Fachkräfte ab, da hier schnell das Gefühl einer Ungerechtigkeit
bei der Zielgruppe entstehen kann. (vgl. B1: 455-466, B2: 267-275, B5: 83-89, B6: 511-
521) Dadurch kann die Offene Jugendarbeit mitbekommen, was die Jugendlichen gerade
beschäftigt, auch wenn sie nicht regelmäßig den gemeinsamen Treffpunkt aufsuchen.
Jugendliche kommunizieren durch das Teilen gewisser Inhalte auf Sozialen Medien,
dadurch kann darauf geschlossen werden, dass es ihnen bewusst ist, und dass sie auch
wollen, dass andere davon Kenntnis haben. (vgl. B5: 269-278) Andererseits kann die
Zielgruppe einfach an Informationen der Offenen Jugendarbeit kommen. „Also wir hatten
immer schon Informationsprospekte in den Räumen, genau so geht es online darum“ (B7:
271-272). Es geht darum, Informationen mit „Gütesiegel“ für Jugendliche ansprechend zu
70
gestalten, da die hauptsächliche Informationsquelle der Jugendlichen das Internet ist, und
sie gleichzeitig nicht wissen, welchen Seiten sie im Internet vertrauen können. (vgl. B7:
271-279) Es ist Aufgabe der Offenen Jugendarbeit, Jugendlichen seriöse Informationen zu
diversen Themen zugänglich zu machen. (vgl. B2: 419-427)
Partizipative Projekte können mittels Sozialer Medien leichter umgesetzt werden, vor allem
auch, weil die Tools der Plattformen Jugendlichen vertraut sind. (vgl. B6: 484-489)
Durch die Wertschätzung des Knowhows der Jugendlichen findet Empowerment statt, und
die Stärken der Jugendlichen können gefördert werden. „Wenn man sie fragt, wie würdest
du das gestalten, damit es ansprechend für euch ist?“ (B2: 493-497). Viele sehen auch in
der neu geschaffenen Kreativität der Jugendlichen, Neues zu schaffen, wie beispielsweise
Fotos, Texte, Musik etc. ein großes Potential. Gemeinsam mit der Zielgruppe Neues zu
entdecken, kann ebenso ein Potential darstellen. (vgl. B6: 178-180, 262-267, 492-494)
5.3.4 Gefahren durch die professionelle Nutzung Sozialer Medien
Allgemein entstehen durch die Nutzung Sozialer Medien Gefährdungsfelder, mit denen
nicht nur Jugendliche, sondern auch die Offene Jugendarbeit konfrontiert ist. (vgl. B3: 287-
289)
Als Gefahr für die Jugendlichen wird häufig Cybergrooming und Cybermobbing genannt.
Jugendarbeiter*innen können online schwerer eingreifen und für Opfer unterstützend tätig
sein. (vgl. B2: 434-437, B3: 289-292, 299-304). Beziehungen sind auf Sozialen Netzwerken
undurchsichtiger, die Vertrauensfrage stellt sich hier besonders. In Zusammenhang damit
besteht für Jugendliche die erhöhte Gefahr sexueller Belästigung und Cybergrooming im
Netz. (vgl. B5: 108-114) Auch Mobbing ist ein großes Thema in Sozialen Medien. Leider
kann die Außenwelt, aufgrund der Undurchsichtigkeit, oft nur schwer eingreifen, was auch
für die Offene Jugendarbeit eine massive Herausforderung darstellt. (vgl. B2: 101-105)
Jugendliche gehen oft nicht bedacht mit eigenen Daten in Zusammenhang mit
strafrechtlich relevanten Inhalten um. (vgl. B2: 76-81) Jugendliche haben das Gefühl einer
Privatheit, die so nicht existiert. Netzwerke wie WhatsApp, Snapchat und Gruppen auf
Instagram werden als abgeschlossen und privat empfunden. Sie schicken unbedacht
Nacktbilder oder Nazi-Propaganda auf WhatsApp und wiegen sich in falscher Sicherheit.
(vgl. B1: 110-124) „Vieles ist ihnen auch einfach wurscht“ (B1: 126-128), weil sie die
Konsequenzen nicht abschätzen können. Wenn dies dann aber zu strafrechtlichen Folgen
führt „gibt’s Erstaunen“ (B1: 96-109). Jugendliche sind sich oft schlicht nicht bewusst, wie
gewisse Inhalte auf Außenstehende wirken und was genau mit ihren Daten passiert. (vgl.
B5: 122-145) Strafrechtlich relevante Inhalte, beispielsweise mit Darstellung von Gewalt,
sind im Internet leicht zugänglich. Für Jugendliche scheint es normal zu sein, sich
Gewaltvideos anzuschauen. Es besteht die Sorge, dass dadurch die Schwelle zur eigenen
Gewalttat herabgesenkt wird. (vgl. B2: 111-121, B6: 530-537) Und viele Inhalte bekommt
die Offene Jugendarbeit auch gar nicht mit. „Die haben halt hunderttausend andere Sachen
auch, von denen wir nichts mitkriegen. Und ich glaube auch darin liegt ein bisschen das
Problem, dass wir es nicht mitkriegen, weil du das dann nicht bearbeiten kannst. Also im
Endeffekt sind uns die ganzen Gefahren, die tatsächlich noch da draußen sind, gar nicht
so bewusst. Und das finde ich schon gefährlich, vor allem wenn dann die Jugendlichen
auch nicht darüber reden“ (B2: 462-469).

71
Im Gegensatz zu den Potentialen in Zusammenhang mit Informationen, kursieren auch
viele Falschinformationen und Verschwörungstheorien, die bei Jugendlichen auf
besonders fruchtbaren Boden fallen. (vgl. B6: 522-530) Jugendliche sind besonders leicht
beeinflussbar. Auf Sozialen Medien sehen sie viele Personen, denen sie nacheifern
möchten. Fakt ist aber, dass sie oft nicht dieselben Chancen haben, um ihre Ziele zu
erreichen. Außerdem wird auf Sozialen Medien viel mit versteckter Werbung gearbeitet,
die auf den ersten Blick nicht als solche erkennbar ist, verglichen mit einem Plakat oder
den Werbepausen im TV. (vgl. B2: 158-182)
Aktuell ist besonders das „Recht auf das eigene Bild“ Thema. Oft werden andere gefilmt
oder sogar live beispielsweise auf Instagram übertragen. (vgl. B4: 63-73) „Als
Jugendarbeiter in einem Jugendzentrum muss man damit rechnen, dass man ständig
gefilmt wird, fotografiert wird, dass vielleicht auch Dinge über einen geschrieben werden
durch die Jugendlichen“ (B3: 293-299). Dadurch werden neue Konfliktfelder eröffnet und
Jugendarbeiter*innen stehen schnell in der öffentlichen Wahrnehmung. Es stellt sich die
Frage, wie freiwillig hier entschieden werden kann, welche Bilder von einem selbst im Netz
kursieren. (vgl. B4: 298-303) Die Sorge, dass durch Videos oder Bilder der
Jugendarbeiter*innen eine Angriffsfläche geschaffen wird, ist groß. (vgl. B2: 383-391)
Zudem gibt es Bedenken bezüglich der Bilder aus den Einrichtungen der Offenen
Jugendarbeit, die durch die Jugendlichen selbst nach außen gelangen. „Wenn sie teilweise
im Jugendtreff filmen und Fotos machen, tragen sie natürlich ein Bild nach draußen, das
nicht von uns kommt, sondern von ihnen. Da ist immer die Frage […] Was macht‘s am
Ende […] bei den Leuten, bei denen es ankommt?“ (B2: 431-434).
Natürlich muss die Offene Jugendarbeit die betriebenen Kanäle und Plattformen
regelmäßig „kontrollieren“ und auf Anfragen antworten. „Wenn man da nicht dahinter ist,
kann das sehr schnell abbrechen, weil es emotional verletzend sein kann, wenn ich keine
Antwort bekomme“ (B5: 282-283).
Es besteht die Gefahr, die „älteren“ Jugendlichen zu verlieren. „Ich glaube, Einrichtungen,
die sich dieser digitalen Welt verwehren, die sozusagen von dem allen nichts wissen
wollen, die werden irgendwann nur mehr mit den kleinen Kindern dahocken“ (B1: 416-418).
Es besteht die Sorge, dass „altmodische“ Jugendarbeit ohne Soziale Medien bald nicht
mehr existieren könne, da diese einen so wichtigen und großen Teil der Lebenswelt der
Zielgruppe einnehmen. (vgl. B1: 419-421)
Die Gefahr der Beliebigkeit der Nutzung Sozialer Medien stellt ebenfalls eine erhebliche
Gefahr dar. Wenn die Kanäle nicht mehr ernsthaft bemüht bespielt und aktualisiert werden,
verlieren sie bald an Interesse und Attraktivität. „Und wenn das so ist, dann kann ich es
vielleicht auch lassen“ (B1: 429-430).
Expert*innen sehen die Gefahr, dass man sehr korrekt sein müsste, um
datenschutzkonform zu bleiben. Das Gegenteil davon ist jedoch, lebensweltnahe an der
Zielgruppe zu bleiben. In Zusammenhang damit sind besonders Regelungen von oben
herab für die Jugendarbeit nicht zielführend, da die Zielgruppe so unterschiedlich ist und
allgemeine Regelungen nicht individuell anpassbar sind. (vgl. B7: 282-284, 309-310) Der
Datenschutz macht der Offenen Jugendarbeit Sorgen. Viele stellen sich die Fragen, was
gepostet werden darf und wo die Inhalte gespeichert werden. (vgl. B4: 294-298)
Expert*innen sehen die Bestrebungen, eigene Plattformen für die Offene Jugendarbeit zu
gestalten, kritisch. „Jugendarbeit darf nicht versuchen, in Konkurrenz zu treten mit
72
kommerziellen Räumen. […] Es gab fast keine Ausnahmen wo das tatsächlich gelingt“ (B7:
313-316) – meist aufgrund der hohen Kosten und geringer Bekanntheit der Plattformen.
Wenn Jugendarbeit einen sicheren, moderierten Raum schaffen möchte, muss er
innerhalb kommerzieller Strukturen geschaffen werden, auch wenn er hier nie ganz sicher
sein kann. (vgl. B7: 313-321)
Selbstverständlich besteht auch im „Verpassen“ der aktuellen Trends eine Gefahr, „wenn
sich die Jugendarbeit eben nicht mit neuen Medien auseinandersetzt“ (B5: 297-298).
Der berufliche Kontext muss mit den Jugendlichen klar kommuniziert werden. Es muss klar
sein, dass die Dienstnummern keine privaten Nummern sind und dass gegenüber den
Teammitgliedern meist Transparenz besteht. (vgl. B5: 300-306) Es besteht Sorge, dass
durch Kontakt über Soziale Medien ein zu freundschaftliches Verhältnis zwischen der
Offenen Jugendarbeit und ihrer Zielgruppe entstehen kann. (vgl. B2: 377-379)
Die Aufgaben müssen im Team auch fair verteilt werden. Soziale Medien zu betreuen kann
nicht einfach nebenbei geschehen. Es muss klare Zeiten bzw. Zuständigkeiten für diese
Arbeit geben. (vgl. B4: 303-308) Die Arbeit auf Sozialen Medien kann leicht übersehen
werden, da für Außenstehende oft nicht gut ersichtlich ist, ob nun etwas Berufliches oder
etwas Privates auf dem Smartphone erledigt wird. (vgl. B5: 302-310)
Jugendarbeiter*innen haben Sorge, dass auf „altmodische“ Methoden und Tools in Zukunft
vollständig verzichtet wird. Ihnen ist wichtig, nicht nur neue Tools zu nutzen, sondern auch
altbewährte Methoden aufleben zu lassen. (vgl. B2: 275-293)
5.3.5 Welche Qualifikationen brauchen Fachkräfte in der Offenen Jugendarbeit?
Auf die Frage, welche Qualifikationen Fachkräfte der Offenen Jugendarbeit künftig
brauchen werden, wurden folgende Punkte genannt.
Die graphische Aufbereitung der Inhalte wird immer wichtiger. (vgl. B1: 311-317)
Grundkenntnisse in Bereichen wie Bild- und Videobearbeitung werden in Zukunft bestimmt
gefragter sein. „Weil es einfach nicht mehr reicht, wie vor 20 Jahren, wenn ich da in einem
Jugendzentrum gearbeitet habe und dann die nächsten 20 Termine irgendwo hin geklebt
habe und das hat halbwegs nett ausgeschaut und das hat dann schon irgendwie gepasst.
Das funktioniert halt immer weniger“ (B3: 220-223). Junge Menschen werden mit einer
Masse an Informationen überflutet. Um in dieser Masse Bestand zu haben und nicht
einfach ignoriert zu werden, ist das Aussehen und der erste Eindruck wichtig. Darum muss
Jugendarbeiter*innen die Aneignung dieser Skills ermöglicht werden, um wichtige Inhalte
und Botschaften jungen Menschen zugänglich zu machen. (vgl. B3: 263-268) Im
Gegensatz zu Expert*innen sehen einige Jugendarbeiter*innen die Qualifikation für
graphische Gestaltung nicht essentiell. (vgl. B4: 374-380) „Also ich glaube schon, wenn ein
Posting total cool ist und fancy, dass sich dann andere denken ‚He cool, da schau ich
vielleicht mal vorbei!‘, was sie sich nicht denken würden wenn das nicht so cool ist“ (B4:
383-385). Die ansprechende graphische Gestaltung wäre „schon cool“ (B4: 389).
Ebenso wichtig ist es, sich mit den aktuellen Trends und Sozialen Medien der Jugendkultur
auseinanderzusetzen und dazu auch regelmäßig aktualisierte Fortbildungen anzubieten.
Jugendarbeiter*innen müssen lernen, mit den aktuellen Plattformen umzugehen, um sie
auch professionell nutzen zu können. Neben pädagogischen Ausbildungen muss künftig
auch dieses sekundäre Wissen erlernt und regelmäßig aktualisiert werden. (vgl. B2: 522-
524, B3: 224-239, B6: 372-374, B7: 343-347) Um die Regelmäßigkeit der Fortbildungen zu

73
garantieren, müssen Strukturen geschaffen werden. Fortbildungen zu Themen der
Sozialen Medien müssen auch fachlich anerkannt werden, denn die aktuelle Zielgruppe ist
eine Generation, in der Kommunikation ein großes Thema ist und „wo die kommunikative
Erreichbarkeit immer schwieriger wird“ (B3: 260-261). „Jedes Social Media hat seine
eigenen Gesetzmäßigkeiten und die musst du kennen, um kompetent über einen Konflikt
zu reden […] der auf einer Plattform entstanden ist. Denken wir an den Bereich Sport.
Niemand würde jemanden einen Schiedsrichter im Fußball sein lassen, wenn er die
Fußballregeln nicht kennt. Er oder sie wäre nicht vertrauenswürdig. Und genauso wenig
würden Jugendliche Stress und Dramen, die sich auf WhatsApp abspielen, an einen
Erwachsenen herantragen von dem er oder sie weiß, dass er es total ablehnt“ (B7: 299-
305). Um am Laufenden zu bleiben bedarf es viel Motivation, sich immer wieder mit den
aktuellen Plattformen auseinanderzusetzen. Diese Motivation fehlt jedoch nach einiger
Zeit, wenn nicht genug Begeisterung für dieses Feld empfunden wird. (vgl. B2: 106-111)
Optimal wäre es, den Jugendlichen in manchen Bereichen auch einen Schritt voraus zu
sein, um Informationen zu speziellen Themen, wie beispielsweise Datenschutz oder
rechtlichen Besonderheiten der Plattformen, weitergeben zu können. (vgl. B2: 419-427,
528-530) Besonders wichtig ist es, überhaupt an Wissen zu Sozialen Medien und aktuellen
Trends der Jugendkultur zu kommen und Fortbildungen zu einschlägigen Themen zu
ermöglichen. (vgl. B3: 242-244)
Grundsätzlich ist eine offene Haltung (die bereits oben beschrieben wurde) essentiell um
Interesse und Anerkennung zu zeigen. Durch die aufgeschlossene Haltung kann sich auf
die Jugendlichen eingelassen werden und auch auf ihre individuellen Bedürfnisse reagiert
werden. (vgl. B1: 357-370) Die Offene Jugendarbeit braucht den Mut, auch Graubereiche
zu betreten – im Interesse der Jugendlichen. Das Betreten der Räume ist notwendig, um
diese gebührend einschätzen und beurteilen zu können. (vgl. B7: 305-309) Die
Bereitschaft, sich mit Sozialen Medien auseinanderzusetzen, ist dabei essentiell,
gemeinsam mit der pädagogischen und kritischen Auseinandersetzung. (vgl. B5: 340-345,
B6: 573-587)
Die Meinungen zu Fachkräften als Expert*innen aufgrund jüngerer Generationen ist geteilt.
Einige sind der Meinung, dass durch das Aufwachsen mit Sozialen Medien automatisch
eine offenere Haltung einher geht. (vgl. B5: 340-345) Andere denken nicht, dass es eine
Frage des Alters ist, da es gerade in der Jugendarbeit viele Personen gibt, die Soziale
Medien ablehnen und auch kein Smartphone besitzen. (vgl. B4: 354-362) Insgesamt muss
auch nicht jede*r Jugendarbeiter*in alle diese Kompetenzen besitzen. Es muss aber darauf
geachtet werden, dass die Kompetenzen im Team gut aufgeteilt sind und Soziale Medien
dabei nicht zu kurz kommen. (vgl. B4: 354-362, B6: 571-587) Die Tendenz geht jedoch in
die Richtung, „dass irgendwann alle es können und auch alle tun. Ganz haltbar ist der
Zustand nicht, dass das halt zwei oder drei machen und die anderen machen es nicht“ (B6:
581-583).
Allgemein ist es aber schwer zu sagen, welche Qualifikationen in der Offenen Jugendarbeit
„fehlen“, da die Bildungshintergründe sehr divers sind. (vgl. B7: 328-329) Zudem haben
Kompetenzen der Fachkräfte auch immer etwas mit persönlichen Affinitäten zu tun. (vgl.
B5: 53-54) Das Thema „Digitale Medien“ und im speziellen „Soziale Medien“ sollte jedoch
in allen Basisausbildungen, wie beispielsweise Soziale Arbeit, behandelt werden. Hier
sollte es jedoch mehr um das Entwickeln von Haltungen zu digitalen Arbeit als wichtiger
74
Bestandteil der Offenen Jugendarbeit gehen und weniger um einen Einblick in aktuelle
Trends, da sich diese sehr schnell ändern. (vgl. B2: 540-546, B6: 598-602, B7: 329-336)
Es würde helfen, „wenn es nach und nach immer selbstverständlicherer Teil wird, dass es
eine Form von Medienkompetenz auch in der Ausbildung gibt und da würde ich schon eine
technische Seite dabei sehen“ (B6: 587-589).
Nichtsdestotrotz ist die wichtigste Qualifikation, genau die gleiche Fachlichkeit online wie
auch offline zu praktizieren. (vgl. B7: 337-343) Keine Kompetenz im Bereich Sozialer
Medien zu haben „ist kein Ausschlussgrund, aber wenn alle nicht mitspielen würden, würde
man keinen Zugang zu den Jugendlichen finden“ (B6: 604-607).

75
6. ZUSAMMENFASSUNG THEORIE UND EMPIRIE
Im Folgenden werden die Erkenntnisse aus Literatur und Forschung, anhand der bereits
verwendeten Quellen aus Theorie und Empirie, zusammengeführt und in die drei Teile der
Forschungsfrage gegliedert.
In welcher Form verändern Soziale Medien die Offene Jugendarbeit und wie kann
diese auf die veränderten Bedingungen reagieren, um die Erreichbarkeit von
Jugendlichen auch zukünftig zu gewährleisten?
Im ersten Abschnitt geht es um die Veränderungen der Zielgruppe und der Offenen
Jugendarbeit, die durch Soziale Medien hervorgerufen werden. Im zweiten Teil geht es um
die Reaktionen der Offenen Jugendarbeit auf die zuvor beschriebenen Veränderungen.
Letztlich geht es im dritten Teil darum, wie die Zielgruppe auch weiterhin erreicht werden
kann.

6.1 Veränderungen durch Soziale Medien


Welche Veränderungen können in Zusammenhang mit Sozialen Medien, der Lebenswelt
der Zielgruppe und der Offenen Jugendarbeit festgestellt werden?
Die große Bedeutung des medialen Wandels und die damit in Zusammenhang stehenden
Veränderungen der Sozialen Medien werden in der Literatur und in den Interviews sehr
ähnlich beschrieben.
Digitale Kommunikation wird immer mobiler. Besonders durch die Ausbreitung der
Smartphones wird die Allgegenwärtigkeit Sozialer Medien ermöglicht. Diese
Allgegenwärtigkeit führt zu Entgrenzungen auf verschiedenen Ebenen, wie Privatheit und
Öffentlichkeit oder Arbeit und Freizeit. Außerdem wird die Schnelllebigkeit Sozialer Medien
betont, die auch zu diversen Herausforderungen führt. Als Beispiel kann die Ablöse von
Facebook zu Instagram und aktuell weiter von Instagram zu TikTok genannt werden.
(vgl. Kapitel 2.1 und 5.1.1)
6.1.1 Veränderung der Lebenswelt der Jugendlichen
Soziale Medien werden in Theorie und Empirie eindeutig als wichtiger Teil der Lebenswelt
der Zielgruppe wahrgenommen. Dadurch müssen Lebenswelten der Jugendlichen als
Medienwelten verstanden werden. In diesem Zusammenhang sind sich alle einig, dass
Jugendliche nicht zwischen digitalen und analogen Erfahrungen trennen – ihre
Lebenswelten sind „hybrid“. Soziale Medien sind bereits ab frühester Kindheit präsent.
Jugendliche treten durch den Konsum von Medieninhalten und durch soziale Interaktionen
auf Sozialen Netzwerken in die Gesellschaft ein. Die Nutzung Sozialer Medien ist ein
wichtiges Element der Sozialisation und Selbstfindung. Soziale Medien beeinflussen das
Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement der heutigen Jugendlichen
maßgeblich.
Sowohl in der Literatur als auch in den Interviews wird öfters erwähnt, dass durch
unterschiedliche Ausgangslagen und Ressourcen der Jugendlichen Benachteiligungen
entstehen, wie beispielsweise ein eingeschränkter Zugriff auf das Internet oder ein
unreflektierter Umgang mit Sozialen Medien. Nicht nur aufgrund unterschiedlicher
Lebenswelten und Interessen, sondern auch aufgrund der digitalen Kluft kann also nicht
von den Jugendlichen gesprochen werden. Außerdem kann die kompetente Bedienung
nicht der reflektierten Nutzung von Sozialen Medien gleichgesetzt werden. Jugendliche
76
sind zwar oberflächlich technisch fit, gleichzeitig fehlt es aber an Kompetenzen, um
reflektiert mit Sozialen Medien umzugehen und beispielsweise Falschinformationen zu
identifizieren.
Die Nutzungsmotive, die bereits seit längerer Zeit in der Literatur beschrieben werden,
änderten sich nach der Wahrnehmung von Expert*innen und Fachkräften der Offenen
Jugendarbeit nicht. Es geht immer noch um Unterhaltung, Kommunikation, Information und
um die Inszenierung der eigenen Identität sowie Präsentation von sich selbst. Dennoch
ändert sich die Art der Nutzung Sozialer Medien, je nach aktuell angesagter Plattform.
Grundsätzlich wird festgehalten, dass durch die ständige Verfügbarkeit mehr kommuniziert
wird, vor allem mittels kurzer Texte und Bilder. Durch die Allgegenwart Sozialer Medien
sind Jugendliche ständig erreichbar und vermehrt gleichzeitig in verschiedenen Räumen
(real und virtuell) anwesend. In Zusammenhang damit wird beobachtet, dass immer
weniger „klassische“ analoge Hobbies ausgeübt werden.
(vgl. Kapitel 2.1, 2.2, 2.2.1, 2.2.2 und 5.1.2)
6.1.2 Veränderung der Offenen Jugendarbeit
In der Literatur wird dargestellt, dass die Nutzung Sozialer Medien durch die Offene
Jugendarbeit keine Selbstverständlichkeit ist. Durch die Allgegenwart in der Lebenswelt
der Jugendlichen nehmen sie dennoch verstärkt Einfluss auf den Arbeitsalltag. Da sich
Jugendliche vermehrt in virtuellen Räumen aufhalten, muss auch die Offene Jugendarbeit
dort präsent sein, wenn es darum geht, dort zu sein, wo die Zielgruppe ist. Durch neue
Angebote können auch neue Zielgruppen erreicht werden. Da es Aufgabe der Offenen
Jugendarbeit ist, sich auf die Bedürfnisse der Zielgruppe einzustellen, muss sie sich mit
den aktuellen Sozialen Medien auseinandersetzen.
Die Interviews ergaben, dass zu Beginn viel Widerstand und Zurückhaltung bei den
Fachkräften der Offenen Jugendarbeit wahrgenommen wurde. Heutzutage sind kaum noch
ablehnende Haltungen zu spüren. Dennoch besteht das Gefühl, immer einen Schritt
hinterher zu sein. Die Implementierung neuer Sozialer Medien ist meist mit Ausprobieren
und wieder Verwerfen verbunden.
Soziale Medien bieten für die Offene Jugendarbeit neue, niederschwellige und zusätzliche
Kommunikationskanäle. Es wird immer wieder festgehalten, dass auch der reale, analoge
und physische Kontakt immer noch essentiell für die Offene Jugendarbeit ist. Jugendtreffs
müssen weiter attraktiv bleiben und auch als gemütlicher Treffpunkt zur gemeinsamen
Mediennutzung dienen.
Einige Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit haben erst vor kurzer Zeit technisch und
konzeptionell aufgerüstet und Soziale Medien in die Arbeit eingebunden. In der Literatur
werden hauptsächlich Beispiele zu Facebook genannt. In der Praxis vollzog sich jedoch
bereits ein Wandel von Facebook zu Instagram, obwohl Facebook von manchen
Einrichtungen noch mitbetreut wird. Die Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit nutzen
unterschiedliche Soziale Medien. Meist werden Messengerdienste wie WhatsApp oder
Snapchat zur Kommunikation und zum Kontakthalten genutzt. Für Öffentlichkeitsarbeit und
Bewerbung eigener Angebote ist hauptsächlich Instagram, TikTok oder YouTube
gebräuchlich. Die meistgenannten Plattformen, die aktuell in Gebrauch der Offenen
Jugendarbeit sind, sind Instagram und WhatsApp.

77
Allgemein wird festgestellt, dass Jugendliche auf jenen Plattformen erreichbar sind, die für
sie interessant und attraktiv sind. Das Medium, mit dem alle Jugendlichen erreicht werden
können, gibt es nicht.
Es ist bereits viel positive Entwicklung in Richtung der Umsetzung Sozialer Medien im
Alltag der Offenen Jugendarbeit geschehen, dennoch besteht viel Entwicklungspotential.
Zukünftig muss die Offene Jugendarbeit Soziale Medien als sinnvolle Ressource verstehen
und die professionelle Rolle der Fachkräfte auch in den virtuellen Raum übertragen, sie
darf nicht die Lust an der aktiven Nutzung Sozialer Medien verlieren!
(vgl. Kapitel 2.3 und 5.1.3)

6.2 Reaktionen der Offenen Jugendarbeit


Wie reagiert nun die Offene Jugendarbeit auf eben jene beschriebenen Veränderungen?
In der Literatur wird häufig erwähnt, dass alle Bereiche der Sozialen Arbeit bestehende
Methoden und Konzepte im Sinne des digitalen Wandels überarbeiten müssen, denn
Soziale Medien bilden heutzutage die Realität ab und stellen alternative Sozialräume dar.
Auch alle Interviewpartner*innen sind sich einig, dass die Offene Jugendarbeit in
irgendeiner Form auf die Veränderungen, bedingt durch Soziale Medien, reagieren muss.
Besonders durch die Schwerpunkte der Lebensweltorientierung und
Sozialraumorientierung in der Offenen Jugendarbeit müssen sich Fachkräfte
notwendigerweise zu und in Sozialen Medien positionieren. Offene Jugendarbeit hat den
Auftrag, dort zu sein, wo die Zielgruppe ist, dazu zählen auch jene Plattformen, die von der
Zielgruppe hauptsächlich genutzt werden, auch wenn diese kommerziell betrieben werden.
Primär geht es darum, die Chancen Sozialer Medien zu nutzen und die Zielgruppe für
Risiken zu sensibilisieren. Niemals geht es um einen Ersatz bereits bestehender Angebote.
Die Arbeit mit und in Sozialen Medien dient als ergänzendes Angebot und als zusätzlicher
Kommunikationskanal.
Soziale Medien werden in der Offenen Jugendarbeit hauptsächlich zur Kommunikation mit,
Information für und über die Zielgruppe sowie zur Medienkompetenzförderung der
Jugendlichen genutzt.
In der Literatur wird eine schnelle Zunahme an Online-Präsenzen der Offenen
Jugendarbeit beschrieben, diese konnte durch die Interviews jedoch nur teilweise bestätigt
werden. In der Forschung wird deutlich, dass einige Einrichtungen die Arbeit mit und in
Sozialen Medien bereits als fixen Bestandteil etabliert haben. In Literatur und Forschung
wird betont, dass es keine flächendeckende Praxis gibt. Dies mag damit
zusammenhängen, dass es Schwierigkeiten bereitet, Konzepte aufgrund der rasanten
Veränderungen im Feld der Sozialen Medien aktuell zu halten.
Allgemein ist die Beschäftigung mit Medien heutzutage eine Grundvoraussetzung, um
Jugendliche positiv begleiten zu können. Die Handlungsprinzipien der Offenen
Jugendarbeit müssen sowohl analog als auch digital Gültigkeit haben.
(vgl. Kapitel 3, 5.2 und 5.3)
6.2.1 Ziele der professionellen Nutzung Sozialer Medien
In der Literatur werden als Zweck der Nutzung Sozialer Medien unter anderem die
erleichterte Öffentlichkeitsarbeit, im Sinne der Bewerbung eigener Angebote und die
zusätzliche Möglichkeit der sozialen Interaktion, im Sinne guter Kontakt- und

78
Kommunikationsmöglichkeiten genannt. Außerdem können Kompetenzen der
Jugendlichen gezielt gestärkt werden.
Auch in der Forschung zeigt sich, dass die Offene Jugendarbeit analog wie auch digital die
gleichen Ziele verfolgen soll. Auch hier wird die Öffentlichkeitsarbeit als Darstellung der
Institution und soziale Interaktion als Beziehungsarbeit und Kommunikation genannt. Oft
dienen Kontakte mittels Sozialer Medien als erster Schritt, um weitere Beratung und
Begleitung in Anspruch zu nehmen. Jugendarbeiter*innen möchten durch die Nutzung
Sozialer Medien zusätzlich neue Jugendliche erreichen und Informationen für die
Zielgruppe passgenau aufbereiten und zugänglich machen. Auch die Aufklärung zu, mit
Sozialen Medien in Zusammenhang stehenden Themen, wird in der Forschung als
mögliches Ziel genannt.
(vgl. Kapitel 3.4, 5.2 und 5.3.2)
6.2.2 Vorteile der professionellen Nutzung Sozialer Medien
Die professionelle Nutzung Sozialer Medien hat verschiedenste Vorteile für die Offene
Jugendarbeit sowie für ihre Zielgruppe. In der Theorie werden besonders die Möglichkeiten
zum Beziehungs-, Identitäts- und Informationsmanagement, zur Kommunikation und zur
Partizipation angeführt. Soziale Medien können der Offenen Jugendarbeit als Werkzeug
dienen, um diese Möglichkeiten zu nutzen.
Dem Sozialräumlichen Ansatz der Offenen Jugendarbeit wird durch die Nutzung Sozialer
Medien Rechnung getragen, denn sie stellen eine Erweiterung als neuer Sozialraum dar.
Zusätzlich können Jugendliche über einen neuen Kanal erreicht werden, wodurch eine
weitere niederschwellige Kontaktmöglichkeit besteht. Durch die Nutzung Sozialer Medien
können Jugendarbeiter*innen als Ansprechpartner*innen bei Problemen oder Fragen zu
Sozialen Medien wahrgenommen werden. Außerdem kann Jugendlichen Rückmeldung zu
ihrem Verhalten auf Sozialen Medien gegeben werden.
In Theorie und Empirie wird betont, dass Jugendliche durch Soziale Medien
niederschwellig, zeit- und ortsunabhängig erreicht und angesprochen werden können. In
diesem Zusammenhang können auch Informationen über die Zielgruppe eingeholt werden
und auf kritische Entwicklungen reagiert werden. Beziehungen können auf Sozialen
Medien nachhaltig gestaltet und gepflegt werden. Ebenso überschneidet sich die Literatur
mit der Praxis in dem Punkt, dass partizipative Projekte durch Soziale Medien erleichtert
werden.
Die Interviewpartner*innen unterstreichen, dass das Knowhow zu Sozialen Medien
heutzutage eine Voraussetzung darstellt, um eine Beziehung zur Zielgruppe aufbauen zu
können. Durch die Nutzung Sozialer Medien wird das Handeln der Offenen Jugendarbeit
sichtbarer, was sowohl einen Vorteil als auch einen Nachteil darstellen kann.
(vgl. Kapitel 2.1.1, 2.3.2, 3.2 und 5.3.3)
6.2.3 Nachteile der professionellen Nutzung Sozialer Medien
In der Literatur wird betont, dass durch die Nutzung Sozialer Medien die digitale
Ungleichheit und die ungerechte Ressourcenverteilung verschärft wird, da jene
Jugendlichen, die keinen Zugang zu Sozialen Medien haben, somit von einigen Angeboten
der Offenen Jugendarbeit ausgeschlossen sind. Dem schließen sich auch die
Interviewpartner*innen an.

79
Die Sorgen der Jugendarbeiter*innen, die in der Literatur beschrieben werden wie
beispielweise, dass Arbeitszeit auf Sozialen Medien nicht anerkannt wird oder, dass
Jugendliche von der Offenen Jugendarbeit erwarten, ständig erreichbar zu sein, können
durch die empirische Forschung nicht bestätigt werden. Dennoch besteht die auch in der
Literatur beschriebene Sorge, dass die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend
verschwimmt. Ebenso werden die Datenschutzbedenken in Bezug auf Vertraulichkeit und
Anonymität und die Sorge vor rechtlichen Konsequenzen der Handlungen im virtuellen
Raum in der Literatur und in den Interviews erwähnt. Zudem befürchten
Jugendarbeiter*innen, dass durch die vermehrte Nutzung Sozialer Medien die direkten und
persönlichen Kontakte vernachlässigt werden.
Für die Jugendlichen besteht in Sozialen Medien die Gefahr von Cybermobbing und
Cybergrooming, was in Theorie und Empirie große Sorge verbreitet. Ebenso wird in beiden
Abschnitten betont, dass ungeeignete Inhalte, wie beispielsweise Gewalt, für Jugendliche
in Sozialen Medien sehr leicht erreichbar sind. Zudem ist es notwendig, persönliche
Informationen von sich preis zu geben, dessen Ausmaß Jugendliche oft nicht abschätzen
können.
(vgl. Kapitel 2.1.2, 3.3 und 5.3.4)
6.2.4 Herausforderungen durch die professionelle Nutzung Sozialer Medien
Die Wahrung des Datenschutzes und die damit in Zusammenhang stehenden rechtlichen
Rahmenbedingungen stellen für Jugendarbeiter*innen in der Theorie und in der Praxis eine
große Herausforderung dar.
Ebenso die oben beschriebene digitale Ungleichheit, nicht zu reproduzieren und dabei
dennoch auf aktuellen Plattformen zu sein, wird in der Literatur und in den Interviews als
Herausforderung beschrieben.
Für Fachkräfte ist es besonders herausfordernd, trotz der Schnelllebigkeit Sozialer Medien,
Handlungsempfehlungen und Richtlinien zu erstellen und aktuell zu halten. Diese
Annahme der Theorie bestätigte sich in der empirischen Forschung. In Zusammenhang
damit stellt sich die Herausforderung, Fortbildungen zu aktuellen Themen, sowohl inhaltlich
als auch technisch, zeitnah anzubieten und besuchen zu können. Damit kann die
Unsicherheit über Funktionsweisen von und Umgangsformen mit Plattformen bekämpft
werden.
In der Literatur und in der Forschung wird beschrieben, dass es für die Offene Jugendarbeit
herausfordernd ist, weiterhin attraktive Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Besonders weil immer mehr öffentlich zugängliche Ort mit frei verfügbarem WLAN
ausgestattet sind.
Für alle Jugendarbeiter*innen gilt es, eine gute professionelle Rolle auch online zu
definieren. Besonders für jene Jugendarbeiter*innen die eher ablehnend gegenüber
Sozialen Medien eingestellt sind, besteht die Herausforderung, offen, interessiert und
dabei authentisch zu bleiben.
(vgl. Kapitel 2.3.3, 5.2.3 und 5.3.1)
6.2.5 Voraussetzungen der professionellen Nutzung Sozialer Medien
Das Verhältnis zu Sozialen Medien scheint heutzutage noch immer ambivalent zu sein, die
einen befürchten die Verdrängung der realen Welt, und die anderen entdecken ungeahnte
Chancen durch den virtuellen Raum. Nichtsdestotrotz benötigen Jugendarbeiter*innen ein
80
Bewusstsein der Bedeutung digitaler Medien für die Lebenswelt der Zielgruppe. Zudem
müssen die Motive der Jugendlichen zur Nutzung Sozialer Medien nachvollzogen werden,
um sich auf virtuelle Interaktionen einlassen zu können.
Der in der Literatur beschriebene Generation Gap kann in der Forschung nicht bestätigt
werden. Es wird beobachtet, dass sowohl jüngere als auch ältere Fachkräfte der Offenen
Jugendarbeit ablehnende Haltungen gegenüber Sozialen Medien pflegen. Eine offene
Haltung zu Sozialen Medien ist Voraussetzung dafür, um von Jugendlichen als kompetente
Ansprechpartner*innen gesehen zu werden.
Um mit Sozialen Medien kompetent umgehen zu können und in ihnen kompetent zu
handeln, müssen Fachkräfte inhaltlich und technisch geschult werden. In diesem
Zusammenhang werden schriftliche Handlungsempfehlungen sowie Richtlinien als
hilfreich empfunden.
Als Voraussetzung für eine gelingende Arbeit mit Sozialen Medien wird ein Auftrag der
Leitungsebene und der Auftraggeber*innen benötigt. Dieser scheint in der Praxis großteils
vorhanden zu sein. Selbstverständlich werden von den Leitungsebenen auch materielle,
personelle und zeitliche Ressourcen benötigt, um die Arbeit mit und in Sozialen Medien
aufnehmen zu können. Zudem müssen angemessene technische Ausstattungen und
Infrastruktur zur Verfügung stehen. Diese Aspekte werden in Literatur und empirischer
Forschung öfters betont.
In der Forschung wird ein weiterer Aspekt betont, der in der Literatur wenig Eingang findet.
Wollen Jugendarbeiter*innen Inhalte mittels Sozialer Medien transportieren, muss auch auf
die graphische Aufbereitung geachtet werden.
(vgl. Kapitel 2.3.1, 2.3.3, 2.3.4, 3.5 und 5.3.5)

6.3 Erreichbarkeit der Jugendlichen


Wie können nun Jugendliche heutzutage erreicht werden?
Jugendliche können in der heutigen Zeit primär über das Smartphone erreicht werden und
dabei insbesondere mittels Sozialer Netzwerke, wie Brüggen und Ertelt bereits 2011
feststellen. „Jugendliche sind mittels sozialer Medien besser erreichbar“ (Brüggen und
Ertelt 2011, S.10). Röll beschreibt treffend, dass Kindheit heute Medienkindheit bedeutet
(vgl. Röll 2010, S.23). Jugendliche sind durch das Smartphone und in Zusammenhang
damit durch Soziale Medien „überall und jederzeit erreichbar und können sich informieren“
(Tillmann 2017, S.16). Aktuell besonders beliebt sind Messengerdienste wie WhatsApp
und Snapchat sowie Plattformen wie Instagram und TikTok. Die Nutzung Sozialer Medien
ermöglicht nicht nur die Erreichbarkeit der Zielgruppe, sondern auch die der Offenen
Jugendarbeit. (vgl. Kapitel 5.3)
Dennoch konnte diese Teilfrage aus den Ergebnissen der Forschung nur
unzufriedenstellend beantwortet werden. Einerseits scheinen die Interviewpartner*innen
aufgrund der Schnelllebigkeit Sozialer Medien diese Frage nur oberflächlich zu
beantworten, indem das aktuell bei Jugendlichen beliebteste Soziale Netzwerk gewählt
wird. Anderseits sind die Eckpfeiler der Offenen Jugendarbeit wie Beziehungsarbeit und
Niederschwelligkeit weiterhin unumstritten fundamental. Es kommt dabei weniger auf das
genutzte Medium an, sondern darauf, wie es von Jugendarbeiter*innen genutzt wird und
wie deren Fähigkeiten eingesetzt werden.

81
Um diese Fragestellung gebührend beantworten zu können, müsste ein anderes
Forschungsdesign gewählt werden, bei dem die Jugendlichen selbst als Expert*innen ihrer
Lebenswelt befragt werden, wie sie erreicht werden wollen.

6.4 Handlungsempfehlungen
Bei der Entwicklung Digitaler Jugendarbeit wurden Grundsätze für Jugendarbeiter*innen
entworfen. In der Praxis geht es darum, Digitale Jugendarbeit nach den allgemeinen Zielen
der Jugendarbeit und den Bedürfnissen der Jugendlichen auszurichten. Digitale Angebote
sollten in die Offene Jugendarbeit integriert werden, wodurch den Jugendlichen mit
innovativen Methoden begegnet werden kann. Es geht darum, einen ergebnisoffenen
Raum zu schaffen, in dem gemeinsam ausprobiert und auch gescheitert werden darf.
Außerdem sollte die Arbeit der Fachöffentlichkeit präsentiert werden, um dazu beizutragen,
dass die Wirkung Digitaler Jugendarbeit Anerkennung findet. In Zusammenhang mit
ethischen Überlegungen ist anzumerken, dass die Offline-Praxisgrundlagen und
Entscheidungsprozesse in den digitalen Kontext übertragen werden sollen, wobei die
Reflexion der neuen Herausforderungen nicht vergessen werden darf. Auch im digitalen
Raum sollen professionelle Beziehungen gepflegt und auf Grenzen geachtet werden. Um
die berufliche Weiterentwicklung zu sichern, müssen Fortbildungsmöglichkeiten ausgebaut
werden, um kontinuierlich Kenntnisse und Fähigkeiten zu fördern. „Bedenken Sie:
Interesse an digitalen Technologien und eine agile Denkweise sind wichtiger als technische
Expertise“ (digital youth work 2019). Als Aufforderung an Auftrag- und Fördergeber*innen
wird formuliert, dass „es inspirierende Beispiele dafür [gibt, Anm. d. Verf.], wie digitale
Jugendarbeit in der Praxis eingesetzt werden kann. Die Jugendarbeit braucht die
Unterstützung von Fördergeber*innen und politischen Entscheidungsträger*innen, um zu
ermöglichen, dass ALLE jungen Menschen diese Chancen bekommen. Nehmen Sie
Jugendarbeit als eine wichtige Bildungspraxis wahr, die junge Menschen in einer
zunehmend digitalen Gesellschaft stärkt“ (digital youth work 2019). Es ist wichtig
anzuerkennen, dass „Ansätze, Ziele, Ethik und Fachlichkeit der Jugendarbeit im Kontext
der Digitalisierung stehen und Jugendarbeit für ihre Wirkung geschätzt werden sollte“
(digital youth work 2019). Experimente sollten gefördert und Änderungen zugelassen
werden. Auch Mayrhofer et al. postulieren, dass es einen klaren Auftrag der
Leitungsebenen für die Integration von Digitaler Jugendarbeit braucht. Sie sind für die
Bereitstellung „entsprechender Rahmenbedingungen in wissensbezogener, methodischer
und ressourcenmäßiger Hinsicht“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 87) verantwortlich. Und nicht
zuletzt müssen Fachkräfte, technische Ausstattung sowie Fortbildungen finanziert werden,
um gute Arbeit leisten zu können. (vgl. digital youth work 2019)
Um die Arbeit in Sozialen Netzwerken zu verankern, benötigt „es ausreichende und speziell
dafür reservierte Zeitressourcen […]. Das Arbeiten mit und in digital-interaktiven Medien
ersetzt nicht Offline-Arbeit, sondern kommt zusätzlich hinzu. Wenn dafür keine zusätzliche
Zeit zur Verfügung steht, muss ständig abgewogen werden, ob tatsächlich Zeit von den
direkten, persönlichen Kontakten mit den Jugendlichen zugunsten von Online-Arbeit
weggenommen werden soll“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 76). Die Social Media Guidelines
des Vereins Wiener Jugendzentren haben festgelegt, dass „Arbeit mit Social Media zu
beruflichen Zwecken […] grundsätzlich in der Dienstzeit“ (Verein Wiener Jugendzentren
2013, S. 8) passieren muss und im Dienstplan ausgewiesen sein soll.

82
Besonders hilfreich für die Abgrenzung zwischen Beruflichem und Privatem sowie einer
regelmäßigen Erreichbarkeit werden Diensthandys und eine intensive fachliche Reflexion
im Team empfunden. (vgl. Mayrhofer et al. 2017, S. 80) Der Verein Wiener Jugendzentren
hält eine klare und transparente Trennung zwischen privaten und beruflichen Kontexten in
der Kommunikation mit der Zielgruppe in seinen Social Media Guidelines fest. (vgl. Verein
Wiener Jugendzentren 2013, S. 8)
Der Verein Wiener Jugendzentren setzt auch klare Zuständigkeiten im Team fest, wobei
die Arbeit online als Teamarbeit anerkannt wird. Auch entsprechende Möglichkeiten, sich
im Team darüber auszutauschen, werden als wesentlich erachtet. (vgl. Verein Wiener
Jugendzentren 2013, S. 8) Regelmäßige fachliche Reflexionen „der eigenen beruflichen
Rolle als Jugendarbeiter*in in und mit Online bzw. Sozialen Medien kommt insgesamt eine
essenzielle Bedeutung zu. Hierfür braucht es sowohl in den Einrichtungen als auch
einrichtungs- und trägerübergreifend geeignete Formate und Rahmen […]. Hilfreich für die
Reflexionsarbeit kann die Frage danach sein, in welcher Weise bei der entsprechenden
Problemstellung offline agiert wird, welche der dort zentralen Prinzipien sich wie in die
Online-Interaktion übersetzen lassen – und was sich dort aber möglicherweise auch in nicht
vergleichbarer Form darstellt. Die Unterscheidung zwischen Online und Offline ist dabei
aber auf ihre Praxisrelevanz zu prüfen, denn in den Lebenswelten der Jugendlichen zeigen
sich solche Differenzierungen zunehmend obsolet“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 88). Fuchs
und Goldoni empfehlen einen regelmäßigen Austausch zu den Erfahrungen, die Online
gemacht werden. Hierfür eignet sich ein eigener Punkt in den regelmäßig stattfindenden
Teamsitzungen. (vgl. Fuchs und Goldoni 2013, S. 129)
Tilmann Pritzens betont als Grundvoraussetzung, „dass die Auftraggeber und Träger […]
Sozialarbeit im Netz als vollwertige Arbeit anerkennen. Das heißt, dass die
Entscheidungsträger das Web 2.0 als wichtigen Teil der Lebenswelt Jugendlicher (an-)
erkennen und akzeptieren. So ist es auch in Anbetracht der Haupt-Nutzungszeiten der
sozialen Netzwerke unabdingbar, dass Online-Zeiten als Arbeitszeiten gewertet - und
natürlich auch bezahlt werden. [...] In Anbetracht dessen […], muss angemessene mobile
Technik (wie Smartphone und Internetflatrate) bereitgestellt werden, um dadurch
ergänzend zur klassischen Arbeit […], eine ausreichende Onlineverfügbarkeit
sicherzustellen“ (Pritzens 2011, S. 32). Auch Rösch betont in diesem Zusammenhang,
dass „bestehende Ansätze […] angepasst und erweitert, neue Konzepte entwickelt
werden“ (Rösch 2013, S. 167) müssen. Es geht „darum, wie das Social Web stärker und
angemessener in die Jugendarbeit […] integriert werden kann: Jugendarbeiter/innen
müssen eine adäquate Rolle finden, in Social Communitys Nähe und Distanz zu
Jugendlichen klären und allgemein professionelle Standards festlegen“ (Rösch 2013, S.
167).
Angebote müssen „dort gemacht werden, wo die Zielgruppe sich im Netz austauscht“ (Poli
2010, S. 274). „Je mehr interessanter Inhalt auf das Profil geladen wird, desto mehr sind
Jugendliche im Kontakt mit der Jugendarbeit“ (Fuchs und Goldoni 2013, S. 130). Zudem
ist anzuerkennen, dass die Arbeit mit Sozialen Netzwerken (nach der Anfangsphase)
„keine klassische Büroarbeit, sondern Beziehungs- und Netzwerkpflege“ (Fuchs und
Goldoni 2013, S. 130) ist. Jugendliche müssen dort abgeholt werden, wo sie sind. Damit
sind die Plattformen gemeint, die die Zielgruppe auch tatsächlich aktiv nutzen. Sie müssen
auch in ihrer Wahrnehmung Sozialer Medien ernst genommen und gehört werden. (vgl.
83
B7: 96-99) Jugendarbeit muss den Mut haben „auch die Graubereiche im Netz zu betreten,
manchmal auch die schwarzen Bereiche im Netz zu betreten“ (B7: 285-286), um
lebensweltnahe an der Zielgruppe zu bleiben. „Wenn wir da den komplett koscheren Kurs
fahren, dann laufen wir Gefahr uns aus den Lebenswelten zu entfernen. Das heißt, es gilt
einen Kompromiss zu finden, zwischen interessante und sichere Alternativen präsent zu
halten, aber es auch nicht negieren, dass es aber gerade einen anderen Ort gibt, der für
Jugendliche relevant ist“ (B7: 293-298). Zudem sollte der Weg gemeinsam mit den
Jugendlichen gegangen werden. Die Zielgruppe sollte in die Entwicklungen der
Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit aktiv eingebunden werden, etwa in Bezug auf
visuelle Gestaltungswünsche. (vgl. B1: 334-339)
Im Sinne der Corporate Identity hat der Verein Wiener Jugendzentren in seinen Social
Media Guidelines die Wirkung in der Öffentlichkeit beschrieben. Hier sollen
Einrichtungsname, der Verein Wiener Jugendzentren und das Logo auf den ersten Blick
erkennbar sein. Kontaktdaten wie Telefonnummer, E-Mailadresse und Homepage sollten
angegeben sein. Ein Hinweis auf die Erreichbarkeit und eine Kurzbeschreibung der
Einrichtung sollte ebenso zu finden sein. (vgl. Verein Wiener Jugendzentren 2013, S. 7)
Zudem empfiehlt der Verein Wiener Jugendzentren regelmäßige Präsenz. Und auch der
Umgang mit problematischen Postings wird erwähnt, ist jedoch je nach Zusammenhang
im Einzelfall zu lösen. Als Handlungsmöglichkeiten werden beispielsweise „unkommentiert
löschen, eine kritische Auseinandersetzung dazu anregen, Beiträge und/oder Personen
melden, Kontakte löschen“ (Verein Wiener Jugendzentren 2013, S. 7) erwähnt.
Bei der Kommunikation auf Sozialen Netzwerken muss mehr noch als bei mündlichen
Aussagen im Arbeitszusammenhang darauf geachtet werden „was man von sich gibt und
ob dies dem Auftrag […] gerecht wird. Denn im Netz werden Statements in schriftlicher
Form gespeichert und können bei Bedarf auch später noch zitiert werden“ (Pritzens 2011,
S. 32). Grundsätzlich gilt auch bei der Arbeit mit Sozialen Medien, professionell zu agieren,
genauso wie in der Offline-Arbeit. (vgl. Verein Wiener Jugendzentren 2013, S. 8)
Es gilt ein differenziertes fachliches Verständnis für die Relevanz der Mediatisierung zu
fördern. Um den Arbeitsauftrag zu erfüllen, braucht es eine fachliche Auseinandersetzung
mit digital-interaktiven Medien. „Medienkritische Einstellungen mögen in bestimmtem
Ausmaß nützlich und wünschenswert sein, eine weitgehende Ablehnung des Arbeitens mit
Sozialen Medien wird aber in der Regel an der Lebenswelt der Jugendlichen vorbeigehen“
(Mayrhofer et al. 2017, S. 87). Besonders methodisch-didaktisches Knowhow wird
benötigt, um das Arbeiten mit Sozialen Medien in die alltägliche Arbeit zu integrieren. „Hier
ist der gesamte Fachbereich gefordert, zur Entwicklung, fachlichen Reflexion, Weitergabe
und breiten Implementierung entsprechender Kompetenzen in der Offenen Jugendarbeit
beizutragen – über unterschiedliche Formate und verschiedenste Kanäle. Zudem muss
erforderliches Grundlagenwissen an die Berufspraxis der Jugendarbeiter*innen
anschlussfähig reformuliert und vermittelt werden“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 87).
Jugendarbeiter*innen wünschen sich mehr Begeisterung ihrer Kolleg*innen für die Arbeit
auf Sozialen Medien. Es sollte sich mehr getraut und mehr ausprobiert werden und in erster
Linie die Potentiale gesehen werden, die Soziale Medien für die Offene Jugendarbeit
bieten können. „Es ist wichtig, dass die Offene Jugendarbeit sich da mehr findet und
ideenreich Angebote setzt. Ich bin gespannt, auch was andere Einrichtungen in der Zukunft
tun“ (B6: 660-662).
84
Alfert betont 2015, dass die Formulierung von Leitlinien oder Handlungsempfehlungen
lange Zeit vernachlässigt wurde und erst langsam wissenschaftliche
Auseinandersetzungen stattfinden. Grundsätzlich mangelt es in diesem Bereich „an
detaillierten Informationen sowie klaren Zuständigkeiten, Rollenverteilungen, Regeln und
Zielformulierungen“ (Alfert 2015, S. 92). Mayrhofer et al. stellen 2017 fest, dass „konkrete
Richtlinien für das Arbeiten mit und in Online- bzw. Sozialen Medien […] nur teilweise in
den Einrichtungen vorhanden“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 77) sind. Sie stellen einen
deutlichen Unterstützungsbedarf hinsichtlich Vereinbarungen zum Umgang mit Sozialen
Medien durch Dachorganisationen und Auftraggeber*innen fest. Die Regelungen, die
bisher am häufigsten existieren, betreffen die Trennung von Beruflichem und Privatem in
Online-Tätigkeiten, die klare Erkennbarkeit als Jugendarbeiter*in in virtuellen Räumen und
die Notwendigkeit einer regelmäßigen Präsenz in den Online-Medien. (vgl. Mayrhofer et
al. 2017, S. 78)
Euler und Paschen empfehlen „eine klare Regelung für die Präsenz im Netz. Fragen zum
Datenschutz, zur Kommunikation, zur Zielgruppe, zur Kontinuität der Online-Erreichbarkeit
sowie der Integration in den Arbeitsalltag stehen nur beispielhaft für die Bandbreite der
Fragen, die im Vorfeld geklärt werden sollten. Grundlage sollte ein Konzept sein, das
Antworten auf diese Fragen bereithält und flexibel an die Schnelllebigkeit des Netzes
anpassbar ist“ (Euler und Paschen 2013). Manuel Fuchs postuliert, dass ein
Handlungsleitfaden aktuelles wissenschaftliches Fachwissen und bereits vorhandenes
Erfahrungswissen beinhalten soll und dies miteinander verknüpfen soll. (vgl. Fuchs 2013,
S. 151–152) Leitfäden sollen Fachkräfte „an das Thema heranführen, Unsicherheiten
klären, sie für die Nutzung der neuen Kommunikationsformen motivieren und ihnen
Hinweise geben, wie sie sich […] zu verhalten haben“ (Alfert 2015a, S. 329–330). Um einen
Leitfaden erfolgreich zu erstellen, müssen alle Beteiligten von Anfang an involviert werden.
Social Media Guidelines sollen Mut machen, die Medien als Chance anzusehen, und für
Transparenz und Klarheit sorgen. Sie liefern einen Rahmen zur strukturierten
Auseinandersetzung mit einem anfangs schwer überschaubaren Themenkomplex. Alfert
listet die Punkte, die darin enthalten sein sollten, wie folgend auf (vgl. Alfert 2015a, S. 331–
336):
1. Begrifflichkeiten klären
2. Zielgruppenbestimmung
3. Zieldefinitionen
4. Corporate Identity
5. Wege und Formen der Kommunikation
6. Einhaltung gesetzlicher Vorgaben
7. Berufliche und private Nutzung
8. Gegenseitiger Respekt und Verhaltensregeln
9. Kontinuität, Ressourcen und Verantwortlichkeiten
10. Aktualität
„Die professionelle Teilnahme an einem virtuellen Sozialen Netzwerk fordert einen
fortlaufenden Prozess des Beobachten-Bewerten-Weiterentwickeln und Umsetzens“
(Alfert 2013, S. 102–105).
Als allgemeine Leitfrage zur Entwicklung eines Leitfadens stellt Fuchs sich folgende Frage:
„Wie (Wahl des Kommunikationsträgers) kommuniziere ich mit wem
85
(Zielgruppe/Zielperson) was (Thema/Inhalt) und warum (Ziel/e)?“ (Fuchs 2013, S. 163).
Diese Frage kann auch in regelmäßigen Reflexionsprozessen gestellt werden, um den
Leitfaden stets aktuell zu halten.
Anleitungen oder Vorlagen zur Entwicklung von Social Media Guidelines können hilfreich
sein. Sie können „von jeder Einrichtung spezifisch angepasst und verändert werden […].
Gerade kleinere Einrichtungen, die nicht Teil eines größeren Trägers sind, verfügen
teilweise nicht über ausreichend Ressourcen, solche Regelungen selbst von Grund auf zu
erarbeiten, zudem stellen sich viele zu regelnde Fragen und Thematiken in den
Einrichtungen in ähnlicher Weise, sodass es sinnvoll ist, sich Anregungen von anderen zu
holen“ (Mayrhofer et al. 2017, S. 89). Verschiedene Organisationen der Jugendarbeit und
Medienarbeit haben 2019 europäische Leitlinien für Digitale Jugendarbeit erstellt, die ein
Versuch der geforderten Anleitungen zur Entwicklung von Social Media Guidelines sind.
Sie beinhalten sechs Punkte bezüglich der Organisationsentwicklung im Rahmen der
Digitalen Jugendarbeit:
1. „Strategie: Integrieren Sie die digitale Jugendarbeit in die Strategie und Vision Ihrer
Organisation.
2. Organisationskultur: Innovativ und experimentell - probieren Sie neue Ansätze aus,
lernen Sie aus Fehlern und Erfolgen.
3. Steuerung und Management: Integrieren Sie digitale Gesichtspunkte in Richtlinien,
ethische Standards, Prozesse und Planungen.
4. Personalentwicklung: Schulen Sie Mitarbeiter*innen und Freiwillige regelmäßig, um
ihre Kompetenzen zu erweitern und ablehnende Haltungen zu hinterfragen.
5. Infrastruktur: Statten Sie Mitarbeiter*innen und Jugendlichen mit erforderlicher
Software, Hardware, Geräten, Werkzeugen und Internetanbindung aus.
6. Kooperationen: Profitieren Sie von bereichsübergreifenden Kooperationen unter
Einhaltung der Werte der Jugendarbeit“ (digital youth work 2019).
Zur Notwenigkeit der Jugendarbeit auf Sozialen Netzwerken sind sich die Expert*innen
einig: Alfert unterstreicht, dass „es eines Verständnisses, einer Bezugnahme,
Auseinandersetzung, Rollenfindung und Verantwortungsübernahme des Handlungsfeldes
in Bezug auf das Thema Neue Medien“ (Alfert 2015a, S. 157) braucht.
Ketter postuliert: „Heranwachsende weiten die Nutzung, Aneignung und Produktion ihrer
Sozialräume auf das Internet aus. Um aneignungs- und bildungsfördernde Angebote zum
Erproben von Selbstbildern, zum Aushandeln von Positionen und zur Mitgestaltung sowie
Zugang zu sozialstrukturell geschlossenen Räumen zu eröffnen, ist die sozialräumliche
Jugendarbeit um den Aspekt der medialen Raum(de)konstruktion zu ergänzen und zu
modifizieren“ (Ketter 2014, S. 302).
Tillmann betont, dass Jugendliche „einen Großteil ihrer Alltagszeit in virtuellen Räumen
verbringen […]. Die außerschulische Jugendarbeit ist daher aufgefordert, die neuen,
vielfältigen und komplexen Raumbezüge Jugendlicher zukünftig stärker in ihrer Arbeit zu
berücksichtigen [...], z.B. im Rahmen aufsuchender Jugendarbeit“ (Tillmann 2013, S. 61).
Soziale Netzwerke entwickeln sich zu einem Handlungsinstrument der Jugendarbeit. „Das
muss sich auch in entsprechenden Qualifizierungsangeboten niederschlagen; ebenso
muss es auch technische Unterstützungsstrukturen für Institutionen geben“ (Rösch 2013,
S. 167). Rösch beschreibt auch die Wichtigkeit der Entwicklung von Konzepten. So wird
„es möglich, Angebote zu machen, die den Interessen und der Lebenswelt von
86
Jugendlichen am nächsten kommen. Auch die benötigte Infrastruktur, Weiterbildungen und
weitere Unterstützung für pädagogisch Tätige sowie andere praxisbezogene
Konsequenzen können bzw. müssen aus diesen Konzepten abgeleitet werden“ (Rösch
2018, S. 151). Alfert fasst für die Kinder- und Jugendarbeit zusammen, dass nach einiger
Zeit der Skepsis und Fokussierung auf die Nutzung der Zielgruppe, auch der eigene
Einsatz von Sozialen Medien Einzug hält und diese als neue Chance und Möglichkeit des
professionellen Handelns gesehen werden. (vgl. Alfert 2015a, S. 328)

87
7. AUSBLICK
Die Forschung zur Nutzung Sozialer Medien in der Offenen Jugendarbeit muss zukünftig
deutlich schneller werden. Denn nach der Zeit, die es braucht, Erhebung und Forschung
durchzuführen, ist der beschriebene Trend, schon wieder veraltet. Es fällt auch schwer hier
einen Ausblick zu geben, da eine Empfehlung für die Nutzung der Plattform TikTok auch
bald überholt sein kann.
Um tatsächlich herauszufinden, wie Jugendliche erreicht werden können, ist es notwendig,
mit ihnen in Kontakt zu bleiben und sie selbst zu fragen bzw. sich von ihnen erklären zu
lassen, was sie wollen. Jugendliche müssen zwangsläufig als Expert*innen ihrer
Lebenswelt wahrgenommen werden.
Zudem muss die Offene Jugendarbeit schneller auf neue Phänomene reagieren, um nicht
erst bei einem Trend anzukommen, wenn bereits der nächste in der Lebenswelt der
Jugendlichen ankommt. Erwachsene werden ohne der Beteiligung Jugendlicher in diesem
Feld immer mindestens einen Schritt hinten nach sein. Die Beteiligung von Jugendlichen
kann dabei einen Gewinn für beide Seiten darstellen. Einerseits werden Jugendliche in
ihrem Expert*innenwissen gestärkt, wodurch Empowerment stattfinden kann. Andererseits
kann die Offene Jugendarbeit durch die Einbeziehung der Jugendlichen einen gewaltigen
Wissenszuwachs erhalten sowie die Beziehung zwischen ihr und der Zielgruppe stärken.
Speziell die Schwierigkeit, Konzepte und Leitfäden aktuell zu halten, konnte durch diese
Arbeit selbst erfahren werden. Bereits über ein Jahr wurde an dieser Arbeit getüftelt, mit
dem Ergebnis, dass bei Fertigstellung einiges vielleicht schon wieder veraltet ist. Der Titel
könnte auch in „#GenerationTikTok“ umbenannt werden und wäre damit wahrscheinlich
zeitgerechter.

88
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ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb.1: Jugend-Internet-Monitor 2020 Österreich (Safer Internet 2020c) ………………….. 4

93
ANHANG

Interviewleitfaden

Forschungsfrage:
In welcher Form verändern Soziale Medien die Offene Jugendarbeit und wie kann diese
auf die veränderten Bedingungen reagieren, um die Erreichbarkeit von Jugendlichen auch
zukünftig zu gewährleisten?

Seit wann sind Sie in der Offenen Jugendarbeit tätig?


Welchen Wandel haben Sie schon erlebt?
Wie verändert sich die Nutzung der Angebote der Offenen Jugendarbeit?
(Welche Sozialen Medien verwendet Ihre Einrichtung aktuell?)

Wie verändern Soziale Medien die Offene Jugendarbeit?


Ist für Sie ein aktueller Wandel – im Zusammenhang mit Sozialen Medien – beobachtbar?
Wie verändert sich die Offene Jugendarbeit in Bezug auf die Nutzung Sozialer Medien?
Wie verändert sich die Lebenswelt der Jugendlichen?
Wie nutzen Jugendliche Soziale Medien und welche Veränderungen sind beobachtbar?

Wie reagiert die Offene Jugendarbeit (bereits) auf diese Veränderungen?


Was sind Herausforderungen der Offenen Jugendarbeit im Umgang mit Sozialen Medien?
Inwiefern ist es Teil der Aufgabe Offener Jugendarbeit, in Sozialen Netzwerken präsent zu
sein?

Wie kann die Erreichbarkeit von Jugendlichen zukünftig gewährleistet werden?


Wohin soll sich die Offene Jugendarbeit entwickeln, um zielgruppengerecht zu bleiben?
Welche Sozialen Medien können die Jugendlichen Ihrer Meinung nach aktuell erreichen?
Welche Form Sozialer Medien sollte die Offene Jugendarbeit aktuell verwenden?
Wo sehen Sie Potentiale für die Offene Jugendarbeit durch Soziale Medien?
Wo sehen Sie Gefahren für die Offene Jugendarbeit durch Soziale Medien?
Welche Ziele sollte die Offene Jugendarbeit auf Sozialen Netzwerken verfolgen?
Welche Qualifikationen brauchen Fachkräfte der offenen Jugendarbeit zukünftig?

94
Transkriptionsauszug eines Interviews

I: Ja das stimmt! Kannst du aktuell einen Wandel beobachten, im Zusammenhang mit


sozialen Medien?

B1: Ja ich sehe da schon große Unterschiede. Heute also ich habe vor ein paar Monaten
eine Schulung gemacht, das waren mobile Jugendarbeiter, ich weiß jetzt gar nicht mehr
wo die her waren. Und normalerweise muss ich so am Anfang erklären, warum das wichtig
ist. Und ich habe das irgendwie fünf Minuten erklärt, warum das wichtig ist und niemand
hat darauf reagiert und ich habe mir gedacht: Was ist da los? War ganz verunsichert. Und
eigentlich war völlig klar für die: Natürlich ist das so. Da brauchen wir gar nicht lange
darüber reden. Also sozusagen, die haben mir signalisiert: Was erzählst du uns da für
einen Schmafu? Das ist doch eh klar! (Kellnerin kommt und bringt Kaffee) Also, dass das
so klar ist und dass die Haltung von Jugendarbeitern und Jugendarbeiterinnen heute
mehrheitlich die ist: Natürlich müssen wir uns mit der Lebenswelt der Kinder und
Jugendlichen beschäftigen und die ist nun mal auch digital. Das ist definitiv eine
Veränderung, also das ist noch nicht so lange. Deshalb erzähle ich immer noch dieses:
Warum ist es notwendig – Dings. Also ich bin vielleicht noch bei dem verhaftet und
eigentlich wäre es gar nicht mehr notwendig. (Lachen) Doch es gibt noch genügend wo es
notwendig ist, aber im Prinzip glaube ich geht es in die Richtung. Auch wenn, ich war vor
2 Jahren in einer Expertengruppe, da ging es um digitale Jugendarbeit und wir haben uns
da Beispiele angeschaut in ganz Europa, was so gut funktioniert. Es hat dann auch
angefangen in Österreich mehrere so Kampagnen zu geben. In Wien hat die MA13 das als
Schwerpunkt genommen. Und auch in anderen Bundesländern wird plötzlich
Digitalisierung wichtig. Es wird auch plötzlich Mainstream. Mit allen Vor- und Nachteilen.
Es hat natürlich auch Nachteile, wenn so ein Thema Mainstream wird. Aber es heißt halt
auch, man kommt eigentlich heute als Jugendarbeiter oder Jugendarbeiterin nicht mehr
darum herum. (…)

I: Kannst du ein bisschen beschreiben, wie sich die Lebenswelt der Jugendlichen
verändert, durch Soziale Medien?

B1: Naja also für Kinder und für Jugendliche ist es eine Lebenswelt, das Offline und das
Online. Also sozusagen, sie können oft nicht sagen. Sie erzählen, sie haben das mit
irgendjemandem besprochen, aber sie können eigentlich gar nicht sagen, haben sie das
im WhatsApp besprochen, haben sie das mit Audionachrichten im WhatsApp besprochen,
haben sie das schriftlich im WhatsApp besprochen, haben sie das von Angesicht zu
Angesicht besprochen, haben sie es eh am Telefon besprochen? Wissen sie oft nicht, weil
es ist ein Lebensbereich. Und das ist auch der Unterschied zu den meisten Erwachsenen.
Wo es durchaus Unterschiede gibt. Die sehen die Offline und die Online Welt und dann
gibt es so Dinge wie die wachsen zusammen und so. Aber für die Jugendlichen ist das
eine Lebenswelt. Und wie sich die jetzt verändert, das ist natürlich ein bisschen durch die

95
aktuellen Tools, die in Verwendung sind, da. Aber so die Grundbedürfnisse: Anerkennung,
Freundschaft, Kreativität, Unterhaltung. Die sind eigentlich, seitdem ich das mach immer
gleich. Es sind halt die Tools anders, es sind die Folgen vielleicht anders. Früher auf
Facebook war sehr schnell alles öffentlich und die ganze Welt konnte es sehen. Das ist
heute nicht mehr so. Heute sind zum Beispiel jugendliche Mädchen mit Essstörungen, mit
Depressionen, die in psychiatrischer Behandlung sind, die machen einfach einen privaten
Instagram Account. Da kriegt die Welt nichts davon mit, außer die 9.000 die ihnen folgen.
Aber wir sprechen auch heute von einem Dark-Social-Web. Also es ist nicht mehr
öffentlich, so wie das noch vor einigen Jahren war. Das ist schon eine Veränderung, weil
die Jugendlichen auch das Gefühl haben, das geht eh alles. Also im WhatsApp kann ich
jeden Blödsinn posten, ich kann alle Nacktfotos verteilen, ich kann alle Nazi-Propaganda
in der Gegend herumschicken, weil das sehen eh nur meine Freunde. Also sie haben das
Gefühl von, was wir als Erwachsene als „privat“ bezeichnen würden, also von Privatheit.
Nämlich das Gefühl, dass sieht die ganze Welt, dass das passieren kann. Hin und wieder
passiert‘s halt und dann gibt’s Erstaunen.

I: Also über die datenschutzrechtlichen Geschichten machen sich die Jugendlichen nicht
viele Gedanken?

B1: Also erstens haben sie das, glaube ich, noch nie gemacht. (..) Und eine Folge ist sicher
dieses Verwenden von sozusagen abgeschlossenen Netzwerken, wie eben (…) also
WhatsApp oder Insta-Gruppen oder eben auch SnapChat, wo die ja als genauso
abgeschlossen empfunden werden, privat empfunden werden und wo dann so das Gefühl
ist, da muss ich mir auch keine Gedanken über Öffentlichkeit machen. Also es könnte
schon ein bisschen eine Antwort auch sein auf so Dinge, die wir als „Datenschutz“
benennen würden. Jugendliche sagen natürlich so nicht dazu und es ist auch mehr ein
Bauchgefühl als irgendwas… Was ist privat? Irgendwann einmal haben wir sehr lange mit
einer Gruppe von Jugendlichen diskutiert um herauszufinden: „privat“ sagen sie, das was
meine Eltern nicht sehen sollen. Das ist für sie privat. Ja, da kann ich mir lange den Mund
fusselig reden als Safer Internet Tante, wenn das „privat“ ist. Also ich glaube, sie haben da
schon sehr andere Bilder und andere Begrifflichkeiten auch.

I: Ja und auch ein anderes Bewusstsein dafür.

B1: Ja und vieles ist ihnen auch einfach wurscht, weil sie auch gar nicht Konsequenzen
abschätzen können. Und das kann man ihnen auch nicht vorhalten, weil im Endeffekt
können wir alle noch nicht diese Konsequenzen abschätzen.

I: Kannst du mir ein bisschen erklären, wie die Jugendlichen Soziale Medien nutzen?

B1: Also sie nutzen es zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse (Lachen). Also das fängt an von
Anerkennung, Freundschaft, Kontakthalten bis zur Selbstdarstellung, bis zur
Selbstverwirklichung, bis zur Informationsgewinnung, Unterhaltung. Also die ganze
Palette, die man so im Leben braucht, wird auch online abgehalten. Aber ich glaube, es
gibt die Jugend nicht. Ich glaub da gibt’s zu große Unterschiede. Es gibt die, die es immer
96
schon verweigert haben, diese digitale Welt. Ich mache das jetzt auch schon, mit
Jugendlichen selber, also bei Safer Internet bin ich seit 2008, also schon einige Jahre und
es hat immer diese 10 Prozent gegeben, die es verweigert haben. Waren oft die Mädchen
aus den gebildeten Familien, die lieber ein Buch gelesen haben als da dieses Online-Zeug,
die auch zum Teil gar nicht sehr fit drauf sind, also da haben sie durchaus Ähnlichkeiten,
wenn sie es nicht in der Schule lernen wie die, die aus den marginalisierten Familien
kommen, die auch ähnlich wenig Ahnung haben. Und es gibt die, die halt 24/7 vor Netflix
hocken und sich eine Serie nach der anderen reinziehen und eigentlich überhaupt kein
Interesse haben, irgendetwas aktiv zu tun. Generell fällt uns auf, dass so Social Media
zurückgeht, das was mehr wird ist das Glotzen. Das können die Streaming-Plattformen
sein, aber es kann auch im Insta mich durch die Stories durchglotzen bedeuten. Also es
heißt gar nicht, dass es andere Plattformen sein müssen, aber die Nutzung ändert sich. So
Selbstdarstellung, das ist heute eigentlich gar nicht mehr cool. Duckface-Selfies, wie vor 8
oder 9 Jahren, interessiert niemanden mehr heute.

I: Das heißt sie produzieren selbst weniger und konsumieren mehr von Influencern, von
wem auch immer?

B1: Ja, genau. Oder auch Stories. Stories machen sie vielleicht schon noch. Aber so Posts,
das ist ganz, ganz selten. Also wenn man sich so Accounts von Jugendlichen anschaut,
das sind dann 1-2 Bilder, aber jeden Tag eine Story. Und auch das ist vielleicht schon ein
bisschen diese Antwort. Das verschwindet ja wieder, das ist eh weg, also brauch ich mir
da auch nicht so viele Gedanken machen. Ich meine es gibt dann die Geschichten: Ich
verwende auch Stories zur Umsetzung meiner Geschäftsidee, zum Beispiel Drogen zu
verkaufen, anstatt, dass ich mich da vor die Schule stelle, mache ich das auf SnapChat in
der Story oder ähnliche Dinge. Ja, aber eben die Jugendlichen gibt es nicht wirklich. Es
gibt vielleicht generelle Tendenzen, aber das ist schon auch was für einen internationalen
Hintergrund haben Jugendliche? Wenn sie Familie auf der ganzen Welt haben oder was
weiß ich in irgend einem anderen Land, wenn sie der Sprache hier nicht ganz so mächtig
sind, aus was für Gründen auch immer, dann haben sie eine ganz andere Orientierung.
Sie verwenden auch andere Netzwerke, sie verwenden andere Tools zum Teil, andere
Bildsprache, viel mehr Musik vielleicht oder auch andere Medieninhalte.

I: Das wäre auch schon die nächste Frage: Was hat sich da verändert?

B1: Ja also die Jugendlichen, die daher kommen und sagen: naja, das Internet ist eigentlich
gar nicht so wichtig, die halt so 16, 17, 18 sind. Oder die Jugendlichen, die diese digitalen
Medien stressen, das ist schon etwas was sich verändert hat. Und eigentlich ist das
verständlich, das ist eine Generation, die ist mit dem Internet aufgewachsen, für die ist das
Internet so selbstverständlich. Ich habe versucht nachzudenken: Was ist das Äquivalent
zu meiner Generation? Der Kugelschreiber, die Füllfeder! Das war für uns unglaublich
wichtig als Jugendliche.

I: Meinst du eine schöne Füllfeder, etwas Tolles?

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B1: Ja! Der 4-Farben Kugelschreiber von BIC, also der war Wahnsinn – großartig! (…)
Auch nicht die ganze Welt. Man konnte schon ur viel damit machen. Also man konnte ur
viel Zeit verplempern, das Leben richtig gestalten, damit sehr schöne Briefchen an andere
schreiben und Ähnliches. Aber jetzt so, nicht alles und ich glaub, das ist auch schon ein
bisschen, man kann nicht sagen Ernüchterung, aber so Selbstverständlichkeit, so Alltag
für Jugendliche. Für meine Generation hat das Internet, es wird auch nie Alltag kriegen,
obwohl es natürlich, ja ich verwende es wahrscheinlich genau so viel, wie viele der
Jugendlichen. Aber trotzdem ich bin immer noch: Wow, das gibt’s? Also ich kann mich
immer noch nicht einkriegen. Und Jugendliche haben das nicht.

I: Es wird ja immer noch getrennt zwischen Online und Offline und ich glaube das ist der
große Unterschied, zur jetzigen jugendlichen Generation.

B1: Ja und bei unseren Jugendlichen, ich meine die haben in der Regel überall Internet.
Also „Hier gibt es kein Internet!“ Das gibt es ja gar nicht! Dass das nicht stimmt: Es gibt
Jugendliche, die haben nicht überall Internet, weil die haben keine gescheiten Verträge,
die müssen zum Mc Donalds gehen. Die sind auf W-Lans, offene, angewiesen. Das ist ja
auch nicht für alle richtig. Sie haben zwar die gleichen Geräte aber die Ausstattung im
Endeffekt ist auch nicht gleich. Also da gibt es schon Unterschiede. Auch in der Nutzung.

I: Auch von sozioökonomischen Faktoren her?

B1: Ja und auch tatsächlich also in der Ausstattung, in der Nutzung und in der
Reflexionsfähigkeit sind da wirklich Unterschiede zu merken zwischen den Jugendlichen.
Und von außen schaut es aus, als würden alle auf ihren Handys herum wischen. Ja also
ich als Erwachsene sehe keinen Unterschied.

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