„Komplexe Zeitstrukturen“ von N.

Kathrin Hayles
Gliederung
1. Einleitung
2. Technogenese und Konkretisierung
3. Kognition
4. Aufmerksamkeit
5. Zeitlichkeit / Temporalität
6. Diskussionsfragen
1. Einleitung: Bergsons Begriff der Dauer

Temporalität als Messbare Zeit

Prozess
● Ausgedehnt ● Homogen
● Heterogen ● Verräumlicht
● Einheltich & mannigfaltig ● Objektiv
● Intuition & menschliche ● wissenschaftlich
Erfahrung

In welcher Beziehung stehen Gegenstände zur Dauer? (S. 193)

1. Einleitung: Thesen
● Verschränkung von Temporalitäten in technischen Objekten
● Technogenese
● Kognition
● Hyperaufmerksamkeit
● Elektronischer Roman TOC
Technogenese und Konkretisierung
● Technogenese ist die Idee, dass Menschen und
Werkzeuge sich koevolutiv entwickeln

● Frage der Anpassung von technischen Objekten von

technischer zu menschlicher Temporalität diskutieren

https://www.upress.umn.edu/book-division/books/on-the-mode-of-e
xistence-of-technical-objects
Von Abstraktion zur Materialität

„die Zukunft [wird] bereits in der Gegenwart vorweggenommen, während die Gegenwart die Markierungen der
Vergangenheit mit sich führt” (s.198. Hayles)

Logische Operationen

UND (Multiplikation) ODER (Addition) XOR (Kontravalenz) NICHT (Negation)

https://blog.perfectsoft.com.pl/csharp-de/operationen-puzzle-c_sharp/
Von Vakuumröhren zu integrierten Schaltkreisen
● Technische Essenz - Potenzial -
Wandel - neue Konfigurationen

● widersprüchlichen Erfordernisse des

Milieus bilden ein
Innovationspotential, das zu
Transformationen anregt

● widersprüchliche Erfordernisse:
Inkompatibilität von technischen
Elementen, niedrige Benutzbarkeit,
etc.

https://darlingevil.com/hist101-transistors/
Konkretisierung - Zukunft und Vergangenheit

1- https://www.ingenieur.de/technik/produkte/konrad-zuses-z3-computer-welt-75/; 2- http://wiki.sjs.org/wiki/index.php/History_of_Computers_-_ENIAC;
3- https://www.theverge.com/circuitbreaker/2019/9/10/20857177/apple-iphone-11-processor-a13-cpu-speed-graphics-specs
A13 Bionic Chip, 2019
Z2, 1939 ENIAC, 1945 iPhone 11
600 Relais 18,000 Vacuumröhren 8.5 Billion Transistoren

● Das technische Individuum trägt die Spuren der Vergangenheit (technischen Erfindungen und die
Geschichte ihre Konkretisierung) + das Potenzial zur Weiterentwicklung (seine Zukunft)
● Eine fortschrittliche Technologie zeichnet sich durch die hohe Anpassung von der technischen Welt aus
in die natürliche Welt rein. Durch Konkretisierung beweisen technische Wesen die Lebensfähigkeit
einer bestimmten Struktur, die den gleichen Status wie eine natürliche Struktur hat
Die Kognition in der Koevolution

● Kognition entwickelt ist im dynamischen Zwischenspiel mit den Werkzeugen

● Stanley Ambrose: Werkzeugherstellung erfordert Reflexionsprozesse, die im
Broca-Areal stattfinden. Die Ausbildung des Broca-Areals wiederum ist notwendig
für Sprachgebrauch

Werkzeugherstellung kognitive Veränderung

 Modelle der Kognition
Brainbound Embodied (Verkörpert) Embedded (situativ eingebettet) Extended (erweitert)

- Kognition findet - Bruch mit Leib-Seele- - Umwelt als entscheidendes - Kognitive Systeme als
ausschließlich im Dualismus Gerüst ganze
Gehirn statt - Antonio Damasio: - “Scaffolding” - Menschliche Kognition
untersucht - Bsp. Stromausfall auf Schiff
- Leib-Seele-Dualismus lediglich Teil dieses
Wechselwirkungen
führt zu neuen Methoden der Ganzen
zwischen Körper und
Kursbestimmung mit dem was - Human agency tritt in
Bewusstsein
- Bsp.: Töpferei zur Hand ist den Hintergrund
- Menschliche Kognition im - “Kontinuierliche
=> Kausalität/Intention Mittelpunkt selbstorganisierter wechselseitige
scheint noch vom Systeme Ursächlichkeit”
Gehirn auszugehen - Human agency im Zentrum (Clark)
- Edwin Hutchins
 Kognition

Aufmerksamkeit

unbewusste Wahrnehmung

nicht bewusste mentale Prozesse

Das neue / technologische Unbewusste
● “Behaviour-Concept-Priming”: Studien von John A. Bargh belegen
nicht-bewusste Überwachungs- und Kontrollsysteme des Menschen
○ “Bewusste Absicht” und “motorisches Verhalten” sind voneinander
getrennt
○ überwiegender Teil des Handelns ist dem bewussten Zugang entzogen

● Das technologische Unbewusste bei Nigel Thrift

○ Handlungen sinken im Medienwandel immer weiter unter die
Bewusstseinsschwelle, werden automatisiert
Aufmerksamkeit - Definition

➔ Teil der menschlichen Kognition

➔ Aufmerksamkeit = begrenztes kognitives Vermögen
➔ nach Simondon: Kernmechanismus des technologischen Wandels

Aufmerksamkeit Technischer Wandel

Aufmerksamkeit - Unterscheidung zwischen:
Physikalität:
Physische Attribute eines Objektes sind quasi Physikalität Physische
unendlich, aber nicht ausreichend für die Attribute
Erklärung technischer Innovationen

Materialität: Aufmerksamkeit
„entsteht, wenn Aufmerksamkeit sich mit
Physikalität verbindet, um ganz bestimmte
relevante Attribute zu identifizieren und zu Materialität Technischer
isolieren“ (Hayles:202) Wandel

➔ „Die Aufmerksamkeit ist auch an der Identifikation, Isolierung und Modifizierung

technischer Elemente beteiligt, die in der Evolution technischer Objekte eine
zentrale Rolle spielen.“ (Hayles:202)
Aufmerksamkeit - Veränderungen
➔ hochkomplexe Systeme laufen im Hintergrund ab und strukturieren unser Leben
➔ „Verschiebung in der Auffassung dessen, was als menschlich gilt“ (Hayles:210)
➔ „Veränderungen in Umwelt und Kognition [verlaufen] in eine ähnliche Richtung, nämlich in
Richtung zunehmender Schnelligkeit, zunehmender Komplexität und beschleunigten
Zusammenspiels von selektiver Aufmerksamkeit, Unbewusstem und technologischer
Infrastruktur.“ (Hayles:211)
➔ Aufmerksamkeit und Unterbewusstsein haben sich durch neue Medien in der Umwelt geändert
➔ Kognitive Prozesse und Umweltveränderungen: Spannungsverhältnisse in den Temporalitäten
Aufmerksamkeit - Beispiele

https://images.app.goo.gl/5numhM2KfX7NcrNe7 https://images.app.goo.gl/zodjnHENRjkwJtvS7
https://images.app.goo.gl/C5BYJf9zt6t6Q5ia7
https://images.app.goo.gl/qQnvDRUVzPxVCrQE6
https://images.app.goo.gl/UdAjuSHobmw4LVhx9
Aufmerksamkeit - neue Mechanismen
„Verschiebung im Aufmerksamkeitsspektrum weg von der stabilen
Tiefenaufmerksamkeit hin zur unbeständigen Hyperaufmerksamkeit“ (Hayles:213)

Tiefenaufmerksamkeit Hyperaufmerksamkeit

➔ Konzentration auf einen einzigen ➔ multiple Informationsströme

Informationsfluss
➔ lässt sich nicht durch
Umgebungseinflüsse ablenken
➔ längerfristige „Versenkung“ in
bestimmtes Objekt
➔ Beispiel: Lesen eines Romans
➔ Flexibilität beim schnellen Wechsel
zwischen Informationsströmen
➔ Empfänglichkeit für Umweltstimuli
➔ niedrige Schwelle zur Langeweile
➔ Beispiel: Spieler von Videospielen (?),
scrollen durch Social Media z.B. Instagram
oder Tiktok
5. Zeitlichkeit / Temporalität

● Wie entstehen komplexe Temporalitäten an der Schnittstelle zwischen

Menschen und programmierbaren Maschinen?
○ Zeitlichkeiten der Computer (S. 217)
○ Menschliche Zeitlichkeiten (S.217)
○ Illusion von konsistentem Denken (S.217)
5. Zeitlichkeit / Temporalität

● Was bedeutet nun die wechselseitige Kausalbeziehung der Temporalitäten

kognitiver Prozessen in Menschen und Maschinen? (218)
■ Bestimmte Computerprozesse liegen aufgrund ihrer Temporalität außerhalb der
menschlichen Wahrnehmung (218)
■ Spannungsverhältnisse zwischen den Temporalitäten (218)
■ Hyperaufmerksamkeit: Filme, Software-Entwicklung (220)
■ TOC materialisiert komplexe Zeitstrukturen und thematisiert sie inhaltlich (220)
6. Diskussionsfragen
Wie kann die Philosophie im Rahmen einer extended cognition agieren? Wie sieht ein philosophisches
Denken aus, das nicht im Kopf stattfindet, sondern in einem “kognitiven System, in dem die menschliche
Kognition lediglich ein Teil dieses ganzen” (205) ist?

Hyperaufmerksamkeit: Defizit oder positive Anpassung an ein Leben in informationsintensiven

Umgebungen? Muss die Tiefenaufmerksamkeit bewusst bewahrt und gefördert werden?

Verbindung zu Online Uni: Wird hier die Hyperaufmerksamkeit zur “Gefahr”?

Wie hängen Temporalität und Materialität zusammen? Bedingen sie sich gegenseitig? Ist Temporalität
ohne Materialität da?

Unter welchen Bedingungen sind Medien mit ihren speziellen Temporalitäten entweder kulturell oder
technologisch?