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DIE PHYSIKER

Fr. Dürrenmatt
Inhalt
Das Stück hat II Akte, die aber entsprechend den Personen die immer neu auftreten, jeweils in 5 Auftritte
gegliedert werden können.
Im Haupttext des I. Aktes gibt es eine ausführliche Bühnenanweisung, welche Ort der Handlung,
Hauptfiguren und dramatische Reflexionen enthält.
Dem Drama nachgestellt sind „21 Punkte zu den Physikern“, eine Thesenfolge, die das gedankliche
Beziehungsfeld der Handlung umreißt.

I.Akt: Die Handlung spielt sich in einem privaten Sanatorium, einer Irrenanstalt, ab. Die Patienten sind 3
Physiker, welche von Krankenschwestern und von der Chefärztin, Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd,
beaufsichtigt werden.
Der Patient Ernesti hält sich für Einstein, Möbius hat Visionen mit König Salomo und Beutler hält sich
für Newton.
Als der Vorhang aufgeht, liegt die Leiche einer Krankenschwester auf der Bühne und der Polizeiinspektor
Voss untersucht den Fall. Die Krankenschwester wurde von Ernesti erdrosselt. Dasselbe ist vor 3
Monaten passiert, als eine andere Krankenschwester von Beutler ermordet wurde. Der Polizeiinspektor
kann die Mörder nicht festnehmen, weil es sich doch um Verrückte handle. Er bekommt aber beim
Weggehen die Zuversicherung, dass die Krankenschwestern durch Pfleger ersetzt werden sollen.
Die geschiedene Frau von Möbius erscheint mit ihren 3 Söhnen. Sie will sich von Möbius verabschieden,
da sie einen Missionar geheiratet hat. Sie kann den Aufenthalt Möbius’ im Sanatorium nicht mehr
bezahlen, die Chefärztin garantiert aber dafür.
Möbius scheint Frau und Söhne nicht zu erkennen, bloß als der jüngste Sohn sein Physikstudium erwähnt,
verbietet Möbius ihm diesen Beruf.
Am Schluss bleibt Möbius allein mit Schwester Monika. Sie gestehen einander ihre Liebe, Monika
bekennt, dass sie von seinen heimlichen Arbeiten alles weiß. Als sie aber von einem gemeinsamen Leben
außerhalb der Klinik spricht, erdrosselt er sie mit „Tränen in den Augen“.

II.Akt: Dieser beginnt eine Stunde später als der erste: der Chefinspektor untersucht den 3. Mordfall.
Wieder wird niemand verhaftet.
Es bleiben nur noch die 3 Physiker auf der Bühne. Newton und Einstein bekennen, in Wahrheit gar nicht
verrückt zu sein. Sie geben sich als Physiker und als Geheimagenten zu erkennen, die jeweils für ihr Land
Möbius, den größten Physiker aller Zeiten, zu gewinnen versuchen. Es heißt, Möbius habe die
„Weltformel“ entdeckt und das bedeute, die Weltherrschaft zu besitzen. Möbius erklärt auch, kein Irre zu
sein. Außerdem gesteht er, alle Manuskripte zerstört zu haben, da er die große Gefahr eingesehen habe
und befürchte, diese Formel könnte in falsche Hände geraten. Deshalb habe er sich auch in diese
Irrenanstalt internieren lassen, um die Menschheit zu retten.
Möbius macht den anderen 2 Physikern den Vorschlag, weiterhin im Irrenhaus zu bleiben, denn nur hier
könnten sie noch „frei“ sein. Entschlossen, weiterhin die Verrückten zu spielen, stoßen sie an mit dem
Trinkspruch „Verrückt, aber weise. Gefangen, aber frei. Physiker, aber unschuldig.“
Doch damit ist das Stück noch nicht zu Ende, die „schlimmstmögliche Wendung“ kommt noch. Die
Chefärztin lässt die Phyiker holen und erklärt ihnen, dass auch ihr seit Jahren der König Salomo
erscheine. Um die Physiker in die Hand zu bekommen, habe sie in seinem Auftrag die Morde an den drei
Krankenschwestern provoziert; außerdem habe sie aber heimlich Möbius’ Manuskripte fotokopieren
lassen und sich damit in Besitz der „Weltformel“ gebracht. Einstein spricht das Unfassbare aus: „Die
Welt ist in die Hände einer verrückten Irrenärztin gefallen.“ Und Möbius ergänzt: „Was einmal gedacht
wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“
In der Schlussszene sind die drei Physiker alleine. Sie stellen sich ganz einfach dem Publikum vor. Es
wird auf das tragische Ende der Menschheit hingedeutet.

Merkmale der modernen Dramenform


Entstehung: Fr. Dürrenmatt war einer der originellsten und erfolgreichsten Schriftsteller des 20.
Jahrhunderts. Im Mittelpunkt von Dürrenmatts Schaffen stand immer das Drama und das Theater.
Das Theaterstück „Die Physiker“ wurde 1961 geschrieben und sein Erfolg ist maßgeblich in dem
unerwarteten Paradox begründet, dass in dem Stück das ernsthafte Thema der ethischen und sozialen
Verantwortung des Wissenschaftlers in der Form einer grotesken Komödie gestaltet wird.
In den sechziger Jahren konnte das Thema des Stücks unschwer auf das Problem der Atombombe und die
Angst der Menschen vor einem Atomkrieg bezogen werden. Also bleibt die Frage nach der
Verantwortung des Wissenschaftlers unverändert aktuell.

1. Aufbau und Form: Das Stück hat 2 Akte, deren paralleler Aufbau formaler Ausdruck einer
inhaltlichen Zweiteilung in die Kriminalkomödie des ersten und das grotesk-tragische Spiel des
zweiten Teils ist. Dürrenmatt selbst hat die Zweiteiligkeit seines Stücks mit dem Hinweis
bekräftigt, „Die Physiker“ seien Satyrspiel und Tragödie zugleich.
Der eigenwillige Umgang Dürrenmatts mit dem antiken Vorbild hat strukturbildende Wirkung. In
der einleitenden Bühnenanweisung sagt er, sein Stück halte streng die Einheiten von Ort, Zeit und
Handlung ein. Tatsächlich ist der Handlungsort immer identisch und die Handlung dauert
genauso lang wie die Spielzeit. Es ist aber trotzdem kein klassisches Stück, denn hier ist das
Publikum in die Vorgeschichte gar nicht eingeweiht. Diese Irreführung hält Dürrenmatt mit einer
Serie überraschender, oft grotesk zugespitzter Einfälle lange durch. Erst im dritten Auftritt des 2.
Aktes stellt sich heraus, dass alle 3 Physiker kerngesunde Simulanten sind. Möbius erweist sich
als verantwortungsbewusster Wissenschaflter und die beiden anderen entlarven sich als Agenten
realer Machtsysteme.
Mit dem Entschluss Newtons und Einsteins, dem Beispiel von Möbius zu folgen, ihr Wissen
zurückzunehmen und ein Leben im Irrenhaus zu führen, nimmt nicht nur die Handlung einen
unerwarteten Verlauf. Viel intensiver noch als durch die Einhaltung der drei Einheiten parodiert
Dürrenmatt mit dieser Wendung des Geschehens die klassische Dramenform.
In Dürrenmatts Stück steht aber noch die „schlimmstmögliche Wendung“ aus, von der er in Punkt
4 der 21 Punkte zu den Physikern spricht. Der „Zufall“, der sie dieser These nach bewirkt, tritt in
den „Physikern“ in Gestalt der verrückten Chefärztin auf, die sich die Forschungen von Möbius
unrechtmäßig angeeignet hat. Durch diesen Zufall ist das Gegenteil dessen eingetroffen, was
Möbius durch sein planmäßiges Handeln erreichen wollte. Also opfern sich die drei Physiker
Dürrenmatts vergeblich. Die Tragödie wandelt sich durch die „schlimmstmögliche Wendung“ in
die Komödie, als die Dürrenmatt sein Stück im Untertitel bezeichnet.
Die Form der Komödie ist Dürrenmatts ästhetische Antwort auf seine Wahrnehmung der Welt als
gesichtsloses, bedrohliches Chaos. Dürrenmatt ist der Meinung, dass die Tragödie der modernen
Welt auf der Bühne nur noch als Komödie darstellbar ist.

2. Ambivalenz des Fortschritts: Die apokalyptische Vision am Ende des Stückes beschreibt jene
Katastrophe, die der Physiker Möbius mit seinem mutigen Entschluss verhindern wollte. Er zog
sich aus dem Leben zurück, um den Menschen ein humanes Dasein zu sichern. Im Glauben an
den Sinn seines Handelns ist Möbius jedoch gescheitert. Sein Weg in die Isolation des
Irrenhauses erweist sich als nicht gangbar, weil er dadurch den wissenschaftlichen Fortschritt mit
all seinen unheimlichen Folgen nicht aufhalten kann. Für sich allein kann der heutige
Wissenschaftler mit den Problemen, die aus seiner Wissenschaft resultieren, nicht mehr fertig
werden.
Möbius´ Flucht vermag nicht zu verhindern, dass der wissenschaftliche Fortschritt in die
Katastrophe führt. Dieser Kernpunkt des Stücks basiert auf Dürrenmatts Überzeugung, dass der
Fortschritt zwangsläufig ein menschenunfreundlicher Weg ist. Die Schlussmonologe des Stücks
sprechen die beklemmende Ambivalenz des Fortschrittes aus.
Möbius steht für keine historische Figur, in seinem Monolog wird der wissenschaftlich-
technische Fortschritt auf eine fingierte Zukunft weitergedacht, weitergeführt zu jener
„schlimmstmöglichen Wendung“, mit der die Geschichte der 3 Physiker endet. Dürrenmatts Blick
in seine Gegenwart und Zukunft ist skeptisch, fast pessimistisch. Das Vernichtungspotential der
Atombombe bewirkt nicht nur im einzelnen Menschen das Grundgefühl, politisch ohnmächtig zu
sein; auch der einzelne Staat ist macht- und bedeutungslos geworden.
Den Hintergrund für Dürrenmatts Aussage bildet der 17. Punkt der 21 Punkte zu den Physikern:
„Was alle angeht, können nur alle lösen.“

3. Das Groteske und das Paradoxe: Dürrenmatt weiß, dass das Publikum eigentlich „Hilfe“ sucht,
dass es, von Zeitfragen und von Forcht bedrängt, „Antworten“ erhofft. Trotzdem betont er, nur
dem „eine Antwort auf seine Fragen geben“ zu können, „der diese Antwort selbst findet“.
Um den Zuschauer zu bewegen, zu provozieren, sich der Wahrheit auszusetzen, wählt
Dürrenmatt die Komödieform. Die Komödie schafft überhaupt erst die Voraussetzung für
Antworten, indem sie nämlich Distanz herstellt zum Gezeigten, zu den Inhalten. Nur aufgrund
dieser Distanz vermag der Zuschauer Lösungsmöglichkeiten zu bedenken. Wichtigste Stilmittel
sind dabei das Groteske und das Paradox. Sie werden augenfällig in dem überraschenden
Umschlag von komödiantischen Spiel zum tödlichen Ernst. Am offensichtlichsten aber begegnet
das Groteske in der Figur der Chefärztin Mathilde von Zahnd. Schon allein ihre missgebildete
äußere Erscheinung wirkt lächerlich-furchteinflößend, absonderlich ist aber, dass ausgerechnet
diese wahnsinnige Irrenärztin Auslöser der „schlimmstmöglichen Wendung“ im Stück wird.
Paradoxerweise legt aber erst diese Umkehr des Geschehens offen, wie grotesk auch Möbius´
scheinbar planmäßig-vernünftiges Handeln ist.
Charakterisierung der Hauptgestalt

Johann Wilhelm Möbius ist eine der zentralen Personen in dem Stück. Er ist ein 40 jähriger Mann, der
sich schon seit 15 Jahren im Irrenhaus befindet. Er wird zunächst als Verrückter dargestellt, es stellt sich
aber heraus, dass er ein genialer Physiker ist, der ins Irrenhaus flüchtete, um seine Entdeckung zu
schützen.
Seinen ersten Auftritt hat Möbius, als ihn seine Ex-Frau mit ihrem neuen Mann und seinen Kindern,
besucht. Seine Frau lernte er mit 15 Jahren, als Waisenbub kennen und heiratete sie mit 20. Sie
ermöglichte ihm das Abitur, nach welchem er anfing Physik zu studieren und kurz bevor seine Professur
in Aussicht stand, wurde er krank.
Der hochgradig geniale Wissenschaftler hat phänomenale Entdeckungen gemacht, die die ganze
Wissenschaft revolutionieren und denjenigen, die sie kennen, sehr große Macht versprechen wird. Macht,
die auch zum Töten verwendet werden könnte. Als Wissenschaftler sieht er bei sich einen Großteil der
Verantwortung für seine Entdeckungen. Er bezeichnet sich selbst und alle anderen Wissenschaftler als
"Bestien", die nicht auf die Menschheit losgelassen werden dürfen. Er meint damit, dass die Menschen
noch nicht reif für die Entdeckungen sind, die die Wissenschaft hervorbringt, sie könnten nicht damit
umgehen. Er hat Angst, was die Menschen mit dieser Technik anstellen könnten und sorgt sich darum,
dass dieses Wissen in die falschen Hände geraten könnte, deshalb geht er freiwillig ins Irrenhaus.
Dadurch will er erreichen, dass keiner seine Entdeckungen ernstnimmt und niemand Nutzen daraus
ziehen kann. Er gibt vor, dass seine Einfälle ihm von der Erscheinung König Salomos "zugeflüstert"
werden und legt ab und an ein sehr merkwürdiges Verhalten an den Tag, um seiner Verrücktheit
Ausdruck zu verleihen. Ein Beispiel ist, dass Möbius seiner Familie einen Tobsuchtsanfall vorspielt,
damit sie ihn mit ruhigem Gewissen verlässt. "Meine Familie kann mich nun mit gutem Gewissen
vergessen."
Nach dieser human scheinenden Tat, bringt Möbius die Krankenschwester Monika um, die ihm zuvor
ihre Liebe gestanden hatte. Der Zuschauer erfährt die Absicht dieses Mordes und auch Möbius
eigentlichen Charakter erst im 2. Akt. Er scheint eine Art Märtyrer für die Welt zu sein, ist es aber im
Endeffekt doch nicht, da er die Verantwortung auf sich allein nimmt und anstatt die Menschheit zu
belehren, die Menschheit hintergeht.
Am Ende wird dies besonders deutlich, dass Möbius trotz Flucht ins Irrenhaus, Aufgabe aller geliebten
Sachen (Leben, Familie, Monika) und Überzeugung der beiden anderen Physiker von der Realität wieder
eingeholt wird: Die Doktorin hat seine Entdeckungen entwendet und will sie nun zum Weltmachtstreben
benutzen.
Möbius und seine beiden Kollegen können nichts dagegen tun, da sie Gefangene in ihrem eigenen
gewählten Gefängnis sind und so die Chance verpasst haben die Menschheit zu belehren.
Anwendung von Dürrenmatts Dramentheorie

Im zweiten Akt wendet Dürrenmatt seine Dramentheorie an: „Die schlimmstmögliche Wendung, die eine
Geschichte nehmen kann, ist die Wendung in die Komödie“. Über die Probleme der modernen
Gesellschaft könne man sich seiner Meinung nach nur noch lustig machen – da das Sterben zur
Massenerscheinung geworden sei, wäre die Tragödie nicht mehr interessant. Komisch sind dabei nicht die
Dialoge, sondern die groteske Situation. Diese grotesken Ereignisse legt er an den wichtigsten Stellen im
Buch dar (Irrenärztin ist die einzige Irre im Alten Bau; eine gepflegte kleinbürgerliche Stadt neben einer
Strafanstalt im Sumpf).
Im Anhang der Komödie finden sich die „21 Punkte zu den Physikern“, darunter folgende:
 Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung
genommen hat. (Punkt 3)
 Die schlimmstmögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Sie tritt durch Zufall ein. (4)
 Träger einer dramatischen Handlung sind Menschen. (6)
 Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen. (8)
 Ein Drama über die Physiker muss paradox sein. (14)
 Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkung alle Menschen. (16)
 Was alle angeht, können nur alle lösen. (17)
 Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern. (18)
 Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit. (19)

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