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§ 1a BauGB Rn.

156-324
Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow: Berliner
Kommentar zum Baugesetzbuch
Autor: Mitschang
Titel: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch Herausgeber: Schlichter; Stich; Driehaus;
Paetow
Auflage: [keine Angabe] Autor: Mitschang

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Ergänzende Vorschriften zum Umweltschutz

Rdn.
V. Eingriffsregelung (§ 1a Abs. 3) 156
1. Entstehung 158
a) Die Rechtslage vor 1993 159
b) InvWoBaulG 1993 169
c) BauROG 1998 174
d) Bundesnaturschutzgesetz 2002/2008 177
e) EAG Bau 2004 178
f) BauGBÄndG 2006 180
g) Neugestaltung des Naturschutzrechts im Rahmen der Erarbeitung des Naturschutzgesetzbuches
182
zum Umweltgesetzbuch (UGB-I)
h) Das »Erste Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes« 183a
i) Das »Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege« 183b
2. Überblick 184
3. Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§§ 18 – 21 BNatSchG) 192
a) Vermeidung 207
b) Ausgleich und Ersatz 211
c) Naturschutzrechtliche Abwägung 219
d) Ersatzzahlung 223
4. Verhältnis zu städtebaulichen Planungen 224
5. Eingriffsregelung nach dem Städtebaurecht (planerische Eingriffsregelung) 228
a) Berücksichtigung in der Abwägung (§ 1a Abs. 3 S. 1) 237
b) Darstellungen und Festsetzungen zum Ausgleich (§ 1a Abs. 3 S. 2) 256
c) Orte des Ausgleichs (§ 1a Abs. 3 S. 3) 266
aa) Alternativen im Hinblick auf den Ort des Ausgleichs 270
bb) Voraussetzungen und Grenzen für den planexternen Ausgleich 281
cc) Zuordnungsdarstellung und Zuordnungsfestsetzung 289
d) Ausgleich durch Vertrag (§ 1a Abs. 3 S. 4) 296
e) Überplanung bestehender Baurechte (§ 1a Abs. 3 S. 5) 315
6. Überleitungsrecht (§ 243 Abs. 2) 322

V. Eingriffsregelung (§ 1a Abs. 3)
156 Im Grunde genommen führt jede bauliche Inanspruchnahme von Grund und Boden zu
Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft. Wenngleich im Rahmen einer sachgerechten
Standortprüfung schon im Vorhinein bestimmte Beeinträchtigungen vermieden und vor einem
schutzgutbezogenen Hintergrund im Weiteren auch durch das Vorhaben schließlich herbeigeführte
Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können, so ergibt sich daraus dennoch für das Schutzgut
Boden, dass Versiegelungen, soweit diese vorgenommen werden, als Flächen für den
Naturhaushalt unwiederbringlich verloren gehen.

157 Dem sollte mit den in der Mitte der siebziger Jahre geschaffenen und dem verwaltungsrechtlichen
Zulassungsverfahren »aufgesattelten« Bestimmungen über »Eingriffe in Natur und Landschaft«
weitgehend entgegengewirkt werden. Obwohl durch die Bauleitplanung, anders als bei der
Realisierung eines Bauvorhabens auf der Grundlage eines konkreten Vorhabenzulassungsverfahrens,
ein unmittelbarer Eingriff in Natur und Landschaft nicht stattfindet, werden solche Eingriffe
zweifelsohne mittels einer Bauleitplanung vorbereitet. Um aber auch für solche Vorhaben, die auf der
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planungsrechtlichen Grundlage der Bauleitplanung zugelassen werden, den durch sie
hervorgerufenen Ausgleich schon bei der Planaufstellung, -änderung, -ergänzung und -aufhebung
mitberücksichtigen zu können, wurde eine eigens dafür konzipierte »planerische
Eingriffsregelung«

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ausgestaltet. Aus dieser planerischen Eingriffsregelung ergeben sich zahlreiche Anforderungen an die
planenden Gemeinden. Mittlerweile hat die planerische Eingriffsregelung sechs verschiedene
Gesetzgebungsverfahren in den Bereichen des Städtebau- und Umweltrechts durchlaufen. Um die
volle Tragweite der planerischen Eingriffsregelung erfassen zu können, insbesondere in ihrem Bezug
auf die Struktur der Bauleitplanung sind ergänzende Ausführungen zu ihrer Entstehung erforderlich.

1. Entstehung
158 Das Verhältnis der Bestimmungen über »Eingriffe in Natur und Landschaft« zu den Regelungen
des Städtebaurechts hat vor allem in der Zeit zwischen 1990 und 2000 in maßgeblichem Umfang
fachliche Diskussionen über die Berücksichtigung der Belange von Natur und Landschaft bei der
räumlichen Planung hervorgerufen (bilanzierend: Schumacher, NuR 2012, 31 ff.; Wolf, NuR 2013,
1 ff.). Mit den Gesetzesinitiativen zum Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz (Gesetz
zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland –
InvWobaulG vom 22.04.1993, BGBl. I S. 466) und dem Bau- und Raumordnungsgesetz 1998
(BauROG 1998) hat der Gesetzgeber dieses Verhältnis von naturschutzrechtlicher
Eingriffsregelung und Städtebaurecht im Wesentlichen neu geordnet. Zwar hat sich im
Rahmen der nachfolgenden Gesetzesnovellen nichts Wesentliches im Hinblick auf die Anforderungen
der eingriffsrechtlichen Bestimmungen an die Bauleitplanung geändert, doch ist deren Stellenwert
im Rahmen der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen, insbesondere
seit der Ausgestaltung von § 13a , erheblich zurückgegangen. Da für die Durchführung von
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen regelmäßig land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen in
Anspruch genommen werden, scheiden diese für die land- und forstwirtschaftliche Produktion aus,
so dass ihr Anteil am Gesamtflächenpotenzial immer geringer wird. Mit der Innenentwicklungsnovelle
2013 wurde daher eine entsprechende Geltung der naturschutzrechtlichen Agrarklausel in § 15
Abs. 3 BNatSchG auch für die Bauleitplanung normiert. Die Entwicklung der Gesetzgebung wird im
Folgenden grob nachgezeichnet.

a) Die Rechtslage vor 1993

159 Das »Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege« (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG


vom 20.12.1976, BGBl. I S. 3574) enthielt in § 8 (heute: § 14 BNatSchG vom 29.07.2009, BGBl. I
S. 2542) die Bestimmung über »Eingriffe in Natur und Landschaft«. Zwar handelte es sich bei
dieser Bestimmung noch um eine rein rahmenrechtliche Regelung (vgl. Art. 75 Nr. 3 GG -alt), so
dass diese noch in verbindliches Landesrecht umgesetzt werden musste (zur Entwicklung insgesamt:
Wolf, NuR 2013, 1 ff.). Dabei waren allerdings, insbesondere die in

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§ 8 BNatSchG -alt enthaltenen Legaldefinitionen über den »Eingriff in Natur und Landschaft« und
seinen »Ausgleich«, für die ausführende Landesgesetzgebung verbindlich (vgl. BVerwG, U.
v. 27.09.1990 – 4 C 44.87 –, BVerwGE 85, 348 ).

160 Mit den Bestimmungen über Eingriffe in Natur und Landschaft und ihren Ausgleich wird das Ziel
verfolgt, eine weitere Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und
eine weitere nachteilige Veränderung des Landschaftsbildes zu unterbinden. Zwar stellt
dies keine starre Verhinderung von Veränderungen und Entwicklungen dar. Wenn dadurch Natur und
Landschaft auch nicht von jeglicher Inanspruchnahme ausgeschlossen ist, so soll mit diesen
Bestimmungen doch eine Erhaltung des Gesamtpotenzials von Natur und Landschaft gewährleistet
werden.

161 Im Einzelnen vermittelte damals § 8 BNatSchG -alt folgendes Bild: Vermeidbare Veränderungen der
Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das
Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können, sind zu unterlassen,
unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege
auszugleichen, soweit es zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege
erforderlich ist. Ausgeglichen ist ein Eingriff, wenn nach seiner Beendigung keine erhebliche oder
nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibt und das Landschaftsbild
landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neugestaltet ist. Kann ein Eingriff nicht oder nur teilweise
ausgeglichen werden, sind Ersatzmaßnahmen durchzuführen. Ist auch das nicht möglich, wird eine
der Eingriffsschwere und den Eingriffsfolgen entsprechende Ersatzzahlung (»Ausgleichsabgabe«)
gefordert, deren Aufkommen zweckgebunden für die Finanzierung von Maßnahmen zur
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Verbesserung und Sicherung des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds zu verwenden ist. Es
geht dabei um die Wiedergutmachung eines Natur und Landschaft zugefügten Schadens.

162 Diese Regelungen über Eingriffe in Natur und Landschaft wurden damals neben den ebenfalls
dynamisch und instrumentell ausgestalteten Bestimmungen über die Landschaftsplanung im Jahr
1976 in das BNatSchG aufgenommen. Nicht alle Arten der Beeinträchtigung von Natur und
Landschaft (z.B. durch stoffliche Immissionen) sollten durch die Eingriffsregelung erfasst werden,
sondern nur solche, die zu Veränderungen der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen führen
(physische Einwirkungen). Diese Anforderung ist jedoch bei der Flächeninanspruchnahme für
städtebauliche Zwecke regelmäßig erfüllt. Bauliche Nutzungen führen grundsätzlich zu
Bodenversiegelungen, erfordern Aufschüttungen und Abgrabungen und haben damit ökologische
sowie funktionelle Auswirkungen auf den Naturhaushalt. Naturhafter Boden, der einmal für eine
bauliche Nutzung in Anspruch genommen worden ist, bleibt der Natur im Regelfall dauerhaft
entzogen.

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163 Rückblickend lassen sich in Bezug auf die Situation vor dem Inkrafttreten des mit dem
InvWobaulG geschaffenen Baurechtskompromisses im Jahr 1993 insgesamt drei
unterschiedliche Problemebenen feststellen, die das Verhältnis von Städtebaurecht und
Naturschutzrecht kennzeichneten. Es handelte sich dabei um

die in den Gemeinden zur Anwendung gebrachte Planungspraxis,

die Problematik im Zusammenhang mit sog. »Ausgleichs- und Ersatzflächen« und

das Verhältnis von Bauleitplanung, Baugenehmigung und naturschutzrechtlicher


Eingriffsregelung.

164 In der Mitte der achtziger Jahre traten zunehmend Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der
Aufstellung von Bauleitplänen auf. Waren es vormals in erster Linie Aspekte des Immissionsschutzes,
die als Haupthemmnisse für die Bauleitplanung Bedeutung erlangten, so sind es in den Jahren vor
dem Inkrafttreten des InvWobaulG vermehrt die in der Öffentlichkeit ein immer stärkeres Gewicht
einnehmenden Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die insbesondere mit ihren
Bestimmungen über »Eingriffe in Natur und Landschaft« und deren Rechtsfolgen im Mittelpunkt
der fachlichen Diskussion standen. Der Regelungsbereich des Bundesnaturschutzrechts erstreckt
sich nämlich nach der Bestimmung in § 1 Abs. 1 BNatSchG -alt nicht nur auf den unbesiedelten,
sondern gleichermaßen auch auf den besiedelten Gemeindebereich. Aus diesem Grund sollten die
Vorschriften über Eingriffe in Natur und Landschaft grundsätzlich auch für solche Vorhaben gelten,
deren Realisierung im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes vorgesehen war. In
diesem Sinne hatte dann auch der VGH Kassel darauf hingewiesen, dass die Vorschriften über
Eingriffe in Natur und Landschaft sowohl für den beplanten als auch für den unbeplanten
Innenbereich Gültigkeit besäßen. Insoweit könne auch ein durch Bebauungsplan vorgesehenes
Vorhaben einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen, der nur im Benehmen mit der oberen
Naturschutzbehörde zugelassen werden dürfe (VGH Kassel, U. v. 09.09.1985 – 3 TG 1640/85 –, NuR
1986, 31 und Blume, NuR 1989, 334). Gleichzeitig wurde von der Rechtsprechung aber auch
vertreten, dass schon im Rahmen der Bauleitplanung sog. »Vorwirkungen« der Eingriffs- und
Ausgleichsregelungen zu berücksichtigen seien, die Sorge dafür tragen sollten, dass die sich aus den
Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsregelungen ergebenden
Rechtsfolgen tatsächlich auch durchgeführt werden könnten (VGH Mannheim, U. v. 05.12.1991 – 5 S
976/91 –, NuR 1992, 335; Gassner, NuL 1987, 416; Kolodziejcok, NuR 1992, 311 und Schmidt, UPR
1992, 363). Ergebnis der in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich vertretenen Auffassungen
waren von Bundesland zu Bundesland, ja sogar von Landkreis zu Landkreis unterschiedliche
praktische Handhabungen im Umgang mit den naturschutzrechtlichen Bestimmungen
über

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Eingriffe in Natur und Landschaft und den aus ihnen resultierenden Forderungen an die
Bauleitplanung.

165 Daneben bestanden erhebliche begriffliche Schwierigkeiten in Bezug auf die Bedeutung und den
materiellen Gehalt von »Ausgleichs- und Ersatzflächen« (vgl. ausführlich: Mitschang, Die
Belange von Natur und Landschaft in der kommunalen Bauleitplanung, 2. Aufl., Berlin, 1996, S. 151 ff.
sowie Stich, GuG 1992, 304). Insbesondere setzte sich die Auffassung durch, dass es nicht nur um
die bloße Bereitstellung von Ausgleichs- bzw. Ersatzflächen als auf Dauer von beeinträchtigenden
Nutzungen freizuhaltende Flächen geht, die zudem vielleicht die gleiche ökologische Beschaffenheit
oder Wertigkeit besitzen wie die beanspruchten Flächen, sondern Ausgleichs- bzw. Ersatzflächen
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müssen zu ihren eigenen Funktionen auch die durch den Eingriff gestörten Funktionen
mitübernehmen. Sie mussten für eine Aufwertung mithin geeignet sein.

166 Die dritte und gleichsam schwierigste Problematik bezog sich auf das Verhältnis der Vorschriften über
die Bauleitplanung und die Baugenehmigung zu den Bestimmungen über die naturschutzrechtlichen
Eingriffs- und Ausgleichsregelungen. Insbesondere bedurfte die Frage, ob die Bauleitpläne selbst nicht
schon Eingriffe in Natur und Landschaft darstellten oder zumindest als Fachpläne im Sinne von § 8
Abs. 4 BNatSchG -alt anzusehen waren und deshalb die Bestimmungen über Eingriffe in Natur und
Landschaft bereits bei der Aufstellung von Bauleitplänen berücksichtigt werden müssten, einer
raschen Klärung. Im Ergebnis kamen aber weder der Bebauungsplan noch der
Flächennutzungsplan für eine unmittelbare Anwendung der naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung in Frage (VGH Mannheim, U. v. 08.05.1990 – 5 S 3064/88 –, NVwZ-RR 1991, 20
und Gaentzsch, NuR 1986, 97).

167 Allerdings durfte daraus nicht geschlossen werden, dass durch die Darstellungen eines
Flächennutzungsplans oder die Festsetzungen eines Bebauungsplans Beeinträchtigungen von Natur
und Landschaft im Rahmen eines Aufstellungsverfahrens nicht vorbereitet und deshalb
unberücksichtigt bleiben durften. Vielmehr waren die Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege bei der Bauleitplanung in vielfältiger Art und Weise zu beachten (vgl. § 1 Abs. 5 S. 1
, § 1 Abs. 5 Nr. 7 , § 1 Abs. 5 S. 3 und 4 BauGB -alt). Hinzu kam, dass auch das bauleitplanerische
Abwägungsgebot in § 1 Abs. 6 BauGB -alt von den Gemeinden verlangte, nicht nur die öffentlichen,
sondern auch die privaten Belange in die Abwägung einzustellen und mit dem ihnen zukommenden
Gewicht zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf forderte das Abwägungsgebot von den Gemeinden,
die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu ergreifen und die durch die Bauleitpläne
vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft in größtmöglichem Umfange zu
vermindern oder auszugleichen. Nur dann war den Belangen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege entsprechend

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Rechnung getragen und gleichzeitig die im Interesse des privaten Grundstückseigentümers oder des
Erbbauberechtigten stehenden Belastungen, die sich aus den Rechtsfolgen der Anwendung der
eingriffsrechtlichen Bestimmungen ergaben, auf das höchstmögliche Maß vermindert.

168 Im Ergebnis konnte insbesondere das Verhältnis der eingriffsrechtlichen Bestimmungen zu den
Regelungen der Bauleitplanung sowie der Zulassung von Vorhaben weder im wissenschaftlichen
Schrifttum noch in der Rechtsprechung auf eine einheitliche Linie zurückgeführt werden, so dass ein
unabgestimmtes Nebeneinander von naturschutzrechtlichen Eingriffsvorschriften und
bauplanungsrechtlichen Vorschriften nahezu nicht zu bewältigende Anforderungen an deren
planungspraktische Umsetzung stellte. Unklarheiten herrschten insoweit vor allem zu den Fragen, ob,
wie und auf welcher Ebene die eingriffsrechtlichen Regelungen innerhalb des Bauplanungsrechts
angewendet werden sollten (ausführlich: Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft in der
kommunalen Bauleitplanung, 2. Aufl., Berlin, 1996, S. 148 ff.; Kuchler, Naturschutzrechtliche
Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht, Berlin, 1989, S. 216 ff.; Runkel, DVBl 1992, 1402 ff.;
Krautzberger, WiVerw 1992, 131 ff.; Schink, DVBl 1992, 1390 ff.; Gaentzsch, NuR 1986, 89 ff.;
Louis/Klatt, NuR 1987, 347 ff. sowie Porger, WiVerw 1992, 175 ff.). Angesichts dieser bestehenden
Rechtsunsicherheit und vor dem Hintergrund einer daraus resultierenden unterschiedlichen
planungspraktischen Anwendung (vgl. Krautzberger, NVwZ 1993, 523) bestand in Politik,
Wissenschaft und Praxis Übereinstimmung darin, das Verhältnis der naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung zum Bauplanungs- und Baugenehmigungsrecht neu zu gestalten.

b) InvWoBaulG 1993

169 Am 01.05.1993 ist schließlich das InvWobaulG in Kraft getreten. Die durch Art. 5 dieses Gesetzes und
mit der Überschrift »Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes« neugeschaffenen
Bestimmungen der §§ 8a bis c BNatSchG (i. d. F. der Bek. vom 12.03.1987, BGBl. I S. 889, zul. geänd.
durch G. vom 12.02.1990, BGBl. I S. 205) sollen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers
Harmonisierungsvorschriften an den Schnittstellen von Städtebaurecht und
Naturschutzrecht darstellen (vgl. BT-Drucks. 12/3944 vom 08.12.1992, S. 51). Ausführlich zum
Regierungsentwurf: Krautzberger/Wagner, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 19 ff.

170 Die §§ 8a bis c BNatSchG-alt hatten folgenden Wortlaut:

Ȥ 8a
Verhältnis zum Baurecht

(1) Sind auf Grund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von
Bauleitplänen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist über die

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Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Bauleitplan unter
entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 1 und der Vorschriften über
Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 9 nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs
und des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch in der Abwägung nach § 1 des
Baugesetzbuchs zu entscheiden. Dazu gehören auch Entscheidungen über Darstellungen
und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 des Baugesetzbuchs , die dazu dienen, die zu
erwartenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des
Landschaftsbildes auf den Grundstücksflächen, auf denen Eingriffe zu erwarten sind,
oder im sonstigen Geltungsbereich des Bauleitplans auszugleichen, zu ersetzen oder zu
mindern. Dabei sind die Darstellungen der Landschaftspläne zu berücksichtigen. Die
Festsetzungen nach Satz 2 im sonstigen Geltungsbereich eines Bebauungsplans können
ergänzend zu § 9 des Baugesetzbuchs den Grundstücksflächen, auf denen Eingriffe auf
Grund sonstiger Festsetzungen zu erwarten sind, für Ausgleichs- oder
Ersatzmaßnahmen ganz oder teilweise zugeordnet werden. Die Sätze 1 bis 4 gelten
entsprechend für Satzungen nach § 4 Abs. 2a und § 7 des Maßnahmengesetzes zum
Baugesetzbuch.

(2) Auf Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen und während der Planaufstellung
nach den §§ 30 und 33 des Baugesetzbuchs sind § 8 Abs. 2 Satz 1 und die Vorschriften
über Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 9 anzuwenden, soweit der Bebauungsplan
oder der Entwurf des Bebauungsplans entsprechende Festsetzungen auf den
Grundstücksflächen oder den Grundstücksflächen zugeordnete Festsetzungen nach
Absatz 1 enthält oder solche Festsetzungen vorsieht; im Übrigen ist § 8 nicht
anzuwenden.

(3) Die Festsetzungen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind vom Vorhabenträger
durchzuführen. Soweit Festsetzungen den Grundstücken nach Absatz 1 Satz 4
zugeordnet sind, soll die Gemeinde diese anstelle und auf Kosten der Vorhabenträger
oder der Eigentümer der Grundstücke durchführen, sofern die Durchführung nicht auf
andere Weise gesichert ist. Die Maßnahmen können bereits vor dem Eingriff
durchgeführt werden, wenn dies aus städtebaulichen Gründen oder aus Gründen des
Naturschutzes erforderlich ist; die Kosten können geltend gemacht werden, sobald die
Grundstücke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt
werden dürfen.

(4) Soweit die Gemeinde Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Absatz 3 durchführt,
sind die Kosten auf die zugeordneten Grundstücke zu verteilen. Verteilungsmaßstäbe
sind

1. die überbaubare Grundstücksfläche,

2. die zulässige Grundfläche,

3. die Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigungen.

Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden. Die Absätze 2 bis 4


gelten auch für Vorhaben im Geltungsbereich einer Satzung nach § 4 Abs. 2a und § 7 des
Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch.

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(5) Die Gemeinden können durch Satzungen regeln,

1. Grundsätze für die Ausgestaltung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen


nach Absatz 1 Satz 4 entsprechend den Festsetzungen des
Bebauungsplans,

2. den Umfang der Kostenerstattung nach Absatz 3; dabei ist § 128 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 und 2 und Satz 2 des Baugesetzbuchs entsprechend
anzuwenden,

3. die Art der Kostenermittlung und die Höhe des Einheitssatzes entsprechend
§ 130 des Baugesetzbuchs ,

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4. die Verteilung der Kosten nach Absatz 4 einschließlich einer Pauschalierung
der Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigungen nach Biotop- und
Nutzungstypen,

5. die Voraussetzungen für die Anforderung von Vorauszahlungen,

6. die Fälligkeit des Kostenerstattungsbetrags.

(6) Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, die nach § 34 des
Baugesetzbuchs zulässig sind, sind nicht als Eingriffe anzusehen, soweit sich aus
Absatz 4 Satz 4 nichts anderes ergibt.

(7) Entscheidungen nach § 8 über Vorhaben nach § 35 Abs. 1 und 4 des Baugesetzbuchs
und Entscheidungen über die Errichtung von baulichen Anlagen nach § 34 des
Baugesetzbuchs ergehen im Benehmen mit den für Naturschutz und Landschaftspflege
zuständigen Behörden. Äußert sich in den Fällen des § 34 des Baugesetzbuchs die für
Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde nicht binnen 1 Monats, kann die
für die Entscheidung zuständige Behörde davon ausgehen, dass Belange des
Naturschutzes und der Landschaftspflege von dem Vorhaben nicht berührt werden. Das
Benehmen ist nicht erforderlich in den Fällen des Absatzes 2 und des Absatzes 4 Satz 4.
Im Übrigen bleibt § 8 Abs. 5 Satz 1 unberührt.

(8) Die Geltung des § 8 für Bebauungspläne, soweit sie auf Grund gesetzlicher
Vorschriften eine Planfeststellung ersetzen, bleibt unberührt.

§ 8b
Abweichende Ländervorschriften

(1) Die Länder können abweichend von § 8a bestimmen, dass bis zum 30. April 1998

1. § 8a Abs. 1 auf Bauleitpläne und auf Satzungen nach § 4 Abs. 2a und § 7 des
Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch nicht anzuwenden ist und

2. Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen und während der


Planaufstellung nach den §§ 30 und 33 des Baugesetzbuchs und im
Geltungsbereich einer Satzung nach § 4 Abs. 2a und § 7 des
Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch nicht als Eingriffe in Natur und
Landschaft anzusehen sind.

§ 1 Abs. 5 und 6 des Baugesetzbuchs bleiben unberührt.

(2) Die Länder können abweichend von § 8a Abs. 2 und 6 und § 8c Nr. 1 weitergehend
bestimmen, dass erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigun-

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gen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes durch
Vorhaben

1. innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach § 34 des


Baugesetzbuchs ,

2. in Gebieten mit Bebauungsplänen, die vor dem 01. Mai 1993 in Kraft
getreten sind,

durch Geldleistungen auszugleichen sind; in den Fällen der Nr. 2 jedoch nur insoweit, als
Ausgleich, Ersatz oder Minderung der Beeinträchtigungen nicht bereits Gegenstand der
bauleitplanerischen Abwägung waren. Der Vorhabenträger oder Eigentümer kann
anstelle von Geldleistungen Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen durchführen. Das
Aufkommen aus den Geldleistungen steht den Gemeinden zu und ist für
Ersatzmaßnahmen zu verwenden.

§ 8c
Überleitungsvorschrift zu § 8a
§ 8a Abs. 2 bis 7 ist auch anzuwenden auf Vorhaben
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1. in Gebieten mit Bebauungsplänen, die vor dem 01. Mai 1993 in Kraft
getreten sind oder

2. über deren Zulässigkeit vor dem 01. Mai 1993 entschieden worden und die
Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden ist.«

Die vorgenannten Bestimmungen sollten gewährleisten, dass das Ziel der


Harmonisierung in den Bereichen des Naturschutzrechts und des Städtebaurechts
dadurch zu erreichen ist, dass in den Fällen der Aufstellung, Änderung und Ergänzung
von Bauleitplänen die Berücksichtigung und Bewältigung der Eingriffs- und
Ausgleichsproblematik allein auf der Ebene der Bauleitplanung, und zwar im Rahmen der
Abwägung und damit nach den Vorschriften des Baugesetzbuches, stattzufinden hat.
Um dies zu erreichen, bestimmte § 8a Abs. 2 BNatSchG-alt, dass auf der Stufe der
Zulassungsentscheidung (also im Baugenehmigungsverfahren) keine Eingriffs- und
Ausgleichsprüfung (mehr) durchzuführen ist. Die damals noch im BauGB-MaßnahmenG
geregelten Satzungen mit Vorhaben- und Erschließungsplan (vgl. § 7 ) sowie die ebenfalls
nach diesem Gesetz möglichen Innenbereichs-Erweiterungssatzungen (vgl. § 4 Abs. 2a)
sind gemäß § 8a Abs. 1 S. 5 BNatSchG-alt dem Bebauungsplan hinsichtlich der
Eingriffsbewältigung gleichgestellt.

171 Wohl kaum eine andere gesetzliche Bestimmung wurde in der fachwissenschaftlichen Literatur so
kontrovers diskutiert wie die Neuregelungen in diesen §§ 8a bis c BNatSchG-alt. Insgesamt liegen
diesen Bestimmungen folgende Anliegen schwerpunktartig zu Grunde:

Mit § 8a Abs. 1 S. 1 BNatSchG-alt hat der Gesetzgeber die Gemeinden verpflichtet, bereits auf
der Stufe der Planung die Eingriffs- und Ausgleichsproblematik zu bewältigen. Eine doppelte
Prüfung der eingriffsrechtlichen Anforderungen, einerseits auf der Stufe der
vorgeordneten Planung,

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andererseits in den der Planung nachgeordneten Zulassungsverfahren war damit
nicht mehr zulässig. Allerdings fanden nach dieser Bestimmung nur die
naturschutzrechtlichen Elemente der Vermeidung, des Ausgleichs und des Ersatzes
integrativen Eingang in die bauleitplanerische Abwägung. Die naturschutzrechtliche Abwägung
blieb auf Grund einer ansonsten notwendigen, aber der Struktur der Abwägung fremden
Doppelabwägung außen vor (Runkel, NVwZ 1993, 1138 ff.).

Die planerischen Festsetzungen waren auch für den Vollzug zwingend und konnten auf dieser
Ebene nicht mehr verändert werden.

172 Die Berücksichtigung der planerischen Eingriffsregelung fand seitdem im Rahmen der Bauleitplanung
nach den Abwägungsgrundsätzen des § 1 Abs. 7 BauGB -alt statt. Das bedeutet, dass eine
Abwägung von Ausgleich und Ersatz mit anderen bauleitplanerischen Belangen vorzunehmen ist. Auf
Grund der schon dargestellten Probleme in der Zeit vor dem Inkrafttreten des InvWobaulG im Hinblick
auf das Verhältnis von Naturschutz- und Städtebaurecht, war schon vor dem Inkrafttreten der §§ 8a
bis c BNatSchG-alt klar, dass bei dem Versuch die komplizierten eingriffsrechtlichen Bestimmungen
umzusetzen, erhebliche planungspraktische Anwendungsschwierigkeiten auftreten würden.
Als zentrale Probleme stellten sich hierbei heraus:

Die primäre Inbezugnahme der Bestimmungen auf die Neuaufstellung von


Bebauungsplänen (vgl. Schink, UPR 1995, 284 ff.; Krautzberger, NVwZ 1993, 524 ff. sowie
Kuchler, NuR 1994, 213 ff.).

Der rechtliche Stellenwert der eingriffsrechtlichen Elemente in der


bauleitplanerischen Abwägung und damit die Frage nach dem Erfordernis der
Vollkompensation aller durch eine Planung vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft (vgl.
Mitschang, ZfBR 1995, 242 ff.; Schink, UPR 1995, 285 ff.; Lüers , ZfBR 1993, 113 ff.;
Schrödter, Nds Städtetag Beilage H. 9/ 1993, S. 2 ff.; Erbguth, ZAU 1995, 96 ff.; Gassner, NuR
1993, 253 ff.; Schmidt-Eichstaedt, DVBl 1994, 1165 ff.; Jannasch, DÖV 1994, 953 ff. sowie
Möller, NVwZ 1994, 852 ff.).

Die Verpflichtung zum Ausgleich im Plangebiet und damit die Frage nach der Zulässigkeit
eines Bebauungsplanes mit zwei oder mehr Teilgeltungsbereichen (vgl. Löhr, LKV
1994, 325 ff.; Runkel, NVwZ 1993, 1140 ff.; Stemmler, GuG 1994, 265 ff.; Kuchler, LKV 1994,
101 ff.; Schink, ZAU 1994, 351 ff.; Bunzel, NVwZ 1994, 960 ff.; Stollmann, UPR 1994, 173
sowie Mitschang, ZfBR 1995, 245 ff.).

Der Einsatz von naturschutzfachlichen Bewertungs- und Bilanzierungsverfahren zur


Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 7/71
Bestimmung der Eingriffsfolgen sowie der insoweit erforderlichen Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen (vgl. Planungsgruppe Ökologie und Umwelt/Erbguth, Möglichkeiten der
Umsetzung der Eingriffsregelung in der Bauleitplanung, in: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.),
Angewandte Landschaftsökologie, Heft 26, 1999, S. 53 ff.; Köppel/Feikert/Spandau/Stras-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 92 – Lfg. 28 –


01.07.2014 << >>
ser, Praxis der Eingriffsregelung, 1998, S. 61 ff.; Kötter, AfK 1994, 57 ff.; Kiemstedt/Ott, in:
Schriftenreihe der Länder Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz, Landschaftspflege und
Erholung (Hrsg.), Methodik der Eingriffsregelung, Teil I, Stuttgart, 1994, S. 77 ff.; Werk,
Naturschutz und Landschaftsplanung 1996, 10 ff. sowie Otto, UPR 1992, 365 ff.).

Der Vollzug, und zwar insbesondere die Durchführung von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen durch die Gemeinde (vgl. Erbguth, NuR 1995, 444 ff.; Louis , ZUR
1993, 151 ff.; ders ., UPR 1995, 290 ff.; Schink, NuR 1993, 375 ff.; Fischer-Hüftle, NuR 1996,
64 ff.; Quaas , NVwZ 1995, 840 ff.; Scharmer, NVwZ 1995, 219 ff.; Schmidt-Eichstaedt, DÖV
1995, 97 ff.).

Die Finanzierung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen von


Kostenerstattungssatzungen (vgl. Porger, Die Durchführung von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen durch die Gemeinden und die Erstattung der Kosten durch die
Eingriffsverursacher, in: Kormann (Hrsg.), Naturschutz und Bauen, UPR-Spezial Band 8,
München, 1995, 81 ff.; Louis , UPR 1995, 292 ff.; Gruber, BayVBl. 1995, 420 ff.; Schink, NuR
1993, 375 ff.; Steinfort, VerwArch 1995, 149 ff.).

Die durch die landesrechtlichen Abweichungsmöglichkeiten in den §§ 8b und c BNatSchG-alt


eingeleitete Rechtszersplitterung (vgl. Sandmann, GuG 1995, 6 ff.; Schmidt-Eichstaedt, LKV
1994, 348 ff.; Stollmann, VR 1993, 340 ff. sowie Kuchler, NuR 1994, 209 ff.).

173 Vor dem Hintergrund der angeführten Anwendungs- und Auslegungsschwierigkeiten wird deutlich,
dass eine neue gesetzgeberische Initiative nicht lange auf sich warten lassen konnte, um die
bestehenden Hemmnisse im Zusammenhang mit den planungsbezogenen Fragestellungen bei der
Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu beseitigen.

c) BauROG 1998

174 Mit der Schaffung des BauROG 1998 wurden die Anforderungen an die Bewältigung der
naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsbestimmungen in der Bauleitplanung erstmals
modifiziert. Eine Vorverlagerung der Verpflichtung zur Bewältigung der Eingriffs- und
Ausgleichsproblematik von der Zulassungs- oder Genehmigungsebene auf die Stufe der Planung fand
zwar bereits mit der Ausgestaltung der §§ 8a bis c BNatSchG-alt durch das InvWobaulG im Jahr 1993
statt (vgl. oben Rdn. 169 ff. ). Mit dem BauROG 1998 wurde nunmehr aber nicht nur eine Änderung
der Eingriffs- und Ausgleichsbestimmungen vorgenommen, sondern gleichzeitig auch die für die
Bauleitplanung bedeutsamen Sachverhalte der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung
unmittelbar in das BauGB überführt (hierzu ausführlich: Bielenberg/Sandmann, GuG 1996,
193 ff. ; Lüers , UPR 1996, 402 ff. und Wagner, DVBl 1996, 710 ff.).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 93 – Lfg. 28 – 01.07.2014 <<
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175 Ursprünglich angedacht war eine zeitlich parallel laufende Novellierung bzw. Neufassung des
BNatSchG, in dessen Rahmen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung fortentwickelt und insoweit
auch eine Nachfolgeregelung zu den §§ 8a bis c BNatSchG-alt vorgesehen war (vgl. BT-
Drucks. 13/6392 vom 04.12.1996, S. 36 ff.). Die Arbeiten am Bundesnaturschutzgesetz verzögerten
sich allerdings, so dass die ursprüngliche Konzeption aufgegeben wurde und lediglich § 8a
BNatSchG-1993 durch das BauROG 1998 in einer veränderten Fassung beschlossen wurde.
Die Bestimmung lautete:

Ȥ 8a
Verhältnis zum Baurecht

(1) Sind auf Grund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von
Bauleitplänen oder von Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Baugesetzbuchs
Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist über die Vermeidung, den Ausgleich
und den Ersatz nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs zu entscheiden.

(2) Auf Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuchs ,


während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuchs und im Innenbereich nach

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 8/71


§ 34 des Baugesetzbuchs sind die §§ 18 bis 20 nicht anzuwenden; § 29 Abs. 3 des
Baugesetzbuchs bleibt unberührt. Für Vorhaben im Außenbereich nach § 35 des
Baugesetzbuchs sowie für Bebauungspläne, soweit sie eine Planfeststellung ersetzen,
bleibt die Geltung der Vorschriften über die Eingriffsregelung unberührt.

(3) Entscheidungen über Vorhaben nach § 35 Abs. 1 und 4 des Baugesetzbuchs und über
die Errichtung von baulichen Anlagen nach § 34 des Baugesetzbuchs ergehen im
Benehmen mit den für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden.
Äußert sich in den Fällen des § 34 des Baugesetzbuchs die für Naturschutz und
Landschaftspflege zuständige Behörde nicht binnen eines Monats, kann die für die
Entscheidung zuständige Behörde davon ausgehen, dass Belange des Naturschutzes
und der Landschaftspflege von dem Vorhaben nicht berührt werden. Das Benehmen ist
nicht erforderlich bei Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen und während der
Planaufstellung nach den §§ 30 und 33 des Baugesetzbuchs und in Gebieten mit
Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Baugesetzbuchs .«

176 Durch die Übernahme der für die Bauleitplanung bedeutsamen Sachverhalte der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in das BauGB stellen sich die Anforderungen hinsichtlich
einer Eingriffs-/Ausgleichsbewältigung nunmehr folgendermaßen dar:

§ 1a Abs. 2 Nr. 2 BauGB-alt bestimmt zunächst grundlegend, dass bei der bauleitplanerischen
Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB -alt »die Vermeidung und der Ausgleich der zu
erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft (Eingriffsregelung nach dem
Bundesnaturschutzgesetz)« zu berücksichtigen sind. Geltungskraft besitzt diese Bestimmung
allerdings nur für Bauleitpläne

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 94 – Lfg. 28 –


01.07.2014 << >>
und die ihnen insoweit gleichgestellten Ergänzungssatzungen. Im Hinblick darauf ist es sinnvoll
mit dem Inkrafttreten des BauROG 1998 grundsätzlich zwischen einer
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung einerseits und einer eigens für
Bauleitpläne und Ergänzungssatzung konzipierten »planerischen Eingriffsregelung«
andererseits zu unterscheiden.

Die planerische Eingriffsregelung stellt sich in diesem Sinne folgendermaßen dar:

Ausgangspunkt ist § 1a Abs. 3 BauGB-alt, wonach der Ausgleich von zu erwartenden Eingriffen
in Natur und Landschaft durch geeignete Darstellungen im Flächennutzungsplan als Flächen
zum Ausgleich und Festsetzungen im Bebauungsplan als Flächen und Maßnahmen zum
Ausgleich erfolgen soll.

Soweit dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der
Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können die
Darstellungen zum Ausgleich auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen (vgl. § 1a
Abs. 3 S. 2 BauGB-alt).

Im Hinblick auf diese »planexterne Kompensation« wird den Gemeinden nunmehr die
Möglichkeit eingeräumt, eigens einen »Ausgleichs- oder Kompensations-Bebauungsplan«
aufzustellen (vgl. § 9a Abs. 1a S. 1 BauGB -alt).

In diesem Zusammenhang ist auf die ebenfalls neu geschaffene Bestimmung in § 200a BauGB -
alt hinzuweisen, durch die der eigentlich zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
bestehende Unterschied im Hinblick auf die räumliche Komponente für die Bewältigung der
Eingriffs- und Ausgleichsproblematik im Rahmen der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder
Aufhebung von Bauleitplänen und von Ergänzungssatzungen aufgegeben wird.

Neben dieser räumlichen Abkoppelung findet auch eine zeitliche Loslösung von Eingriff und
Ausgleich statt (sog. »zeitliche Flexibilisierung«, vgl. § 135a Abs. 2 S. 2 BauGB -alt).
Maßnahmen zum Ausgleich können insoweit bereits vor den Baumaßnahmen und der
Zuordnung durchgeführt werden.

Um eine Refinanzierbarkeit der bei der Verwirklichung des Ausgleichs an anderer Stelle
entstehenden Kosten zu gewährleisten, können sowohl die Ausgleichsflächen als auch die
entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten
sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der
Gemeinde bereitgestellten Flächen.

Den Gemeinden wird für die Ebene der Flächennutzungsplanung die Möglichkeit an die Hand
gegeben, eine entsprechende Zuordnungsdarstellung zu treffen (vgl. § 5 Abs. 2a BauGB -alt).

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d) Bundesnaturschutzgesetz 2002/2008

177 Auf der Grundlage von Art. 1 des »Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und
der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG)« vom
25.03.2002 (BGBl. I S. 1193) sind die

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 95 – Lfg. 28 – 01.07.2014 <<
>>
naturschutzrechtlichen Bestimmungen über Eingriffe in Natur und Landschaft in die §§ 18 bis 21
BNatSchG -alt übernommen worden (zur Novellierung des BNatSchG ausführlich: Stich, ZfBR 2002,
542 ff.; Louis , NuR 2002, 385 ff.; ders., NuR 2004, 714 f.; Lütkes , BauR 2003, 983 ff. ; Tegethoff,
NuR 2002, 654 ff.; Schillhorn, BauR 2002, 1800 ff. und Anger, NVwZ 2003, 319 ff.). § 21 BNatSchG-
alt regelte das Verhältnis zum Städtebaurecht. Im Rahmen der Neuregelung des Naturschutzrechts
blieb diese Bestimmung weiterhin unverändert. Im Übrigen handelte es sich bei ihr sowie auch bei
der Bestimmung in § 20 Abs. 3 BNatSchG -alt (Behörden des Bundes) um unmittelbar geltende
Vorschriften (vgl. § 11 BNatSchG -alt). Demgegenüber stellten die sonstigen Bestimmungen über
»Eingriffe in Natur und Landschaft« rahmenrechtliche Vorschriften dar, welche von den Ländern
bis zum 04.04.2005 in das jeweilige Landesnaturschutzrecht umzusetzen waren (hierzu: Stich, ZfBR
2002, 547). Mit dem »Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes« (vom
12.12.2007, BGBl. I S. 2873 und BGBl. 2008 S. 43), das als sog. »Kleine Novelle« die
Unzulänglichkeiten des nationalen Habitat- und Artenschutzrechts vor dem Hintergrund der
Rechtsprechung des EuGH (U. v. 10.01.2006 – C-98/03 –, NuR 2006, 166 ff.) beseitigen sollte, haben
sich in Bezug auf die naturschutzrechtliche sowie die planerische Eingriffsregelung keine
Veränderungen eingestellt, so dass für das Verhältnis von Naturschutzrecht und Städtebaurecht
inhaltlich nach wie vor auf die Altregelungen auf der Grundlage des BauROG 1998 sowie des
BNatSchG-2002 zurückgegriffen werden konnte.

e) EAG Bau 2004

178 Auch das EAG Bau 2004 hat an der seit dem BauROG 1998 geltenden planerischen
Eingriffsregelung im Grunde genommen nichts verändert. In diesem Sinne stellt die
Neufassung von § 1a Abs. 3 nicht mehr als eine Zusammenfassung der in § 1a Abs. 2 Nr. 2 und
Abs. 3 BauGB-1998 (in der Fassung des BauROG 1998) dar. Während die insoweit in § 1a Abs. 3 S. 1
bis 4 BauGB-1998 enthaltenen Bestimmungen unverändert in § 1a Abs. 3 S. 2 bis 5 BauGB-2004 (in
der Fassung des EAG Bau 2004) übernommen wurden, findet durch § 1a Abs. 3 S. 1 BauGB-2004
lediglich eine sinngemäße Übernahme der in § 1a Abs. 2 Nr. 2 BauGB-1998 normierten Bestimmung
statt. So hieß es vormals in § 1a Abs. 2 Nr. 2 BauGB-1998, dass in der Abwägung nach § 1 Abs. 6
auch zu berücksichtigen sind »die Vermeidung und der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in
Natur und Landschaft (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz)«. Die Neuregelung in
§ 1a Abs. 3 S. 1 BauGB-2004 lautet nunmehr: »Die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich
erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit
des Naturhaushalts in seinem in § 1 Abs. 6 Nr. 7a bezeichneten Bestandteile (Eingriffsregelung nach
dem Bundesnaturschutzgesetz) sind in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 zu berücksichtigen«.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 96 – Lfg. 28 – 01.07.2014 <<
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179 Seit dem Inkrafttreten des EAG Bau 2004 hat sich folgende Struktur im Verhältnis von
Naturschutzrecht und Städtebaurecht in Bezug auf die Berücksichtigung der eingriffsrechtlichen
Anforderungen herausgebildet: Das Bundesnaturschutzgesetz enthält eine Legaldefinition des
Eingriffsbegriffs sowie Anforderungen an das Folgenbewältigungsprogramm. Demgegenüber regelt
das Städtebaurecht, wie mit den naturschutzrechtlichen Elementen der Vermeidung und des
Ausgleichs im Rahmen der Bauleitplanung umzugehen ist. Alle weiteren Neuregelungen und
Regelungsänderungen des EAG Bau 2004 lassen die planerische Eingriffsregelung unberührt.

f) BauGBÄndG 2006

180 Mit dem BauGBÄndG 2006 wird u. a. das Ziel verfolgt, den Flächenverbrauch, insbesondere in Bezug
auf die Inanspruchnahme von noch naturhaften Flächen, zu reduzieren. Erreicht werden soll dieses
Ziel in erster Linie durch eine konsequente Innenentwicklung der Gemeinden. Aus diesem
Grund hat der Gesetzgeber den Bebauungsplan der Innenentwicklung in § 13a neu geschaffen und
diesen einem beschleunigten Verfahren unterworfen. Zwar hat sich insoweit an der planerischen
Eingriffsregelung selbst nichts geändert, doch ist durch die Schaffung des Bebauungsplanes der
Innenentwicklung der Anwendungsbereich der planerischen Eingriffsregelung für derlei
Bebauungspläne eingeschränkt worden.

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181 Nach § 13a Abs. 2 Nr. 4 findet nämlich die planerische Eingriffsregelung keine Anwendung auf solche
Bebauungspläne, die in beschleunigten Verfahren aufgestellt werden und der Fallgruppe 1 nach § 13a
Abs. 1 S. 2 unterliegen. Das sind Bebauungspläne, die eine zulässige Grundfläche oder eine
Größe der Grundfläche von insgesamt weniger als 20 000 qm festsetzen. In diesen Fällen
gelten »Eingriffe, die auf Grund der Aufstellung des Bebauungsplans zu erwarten sind, als im Sinne
des § 1a Abs. 3 Satz 5 vor der planerischen Entscheidung erfolgt oder zulässig«.

g) Neugestaltung des Naturschutzrechts im Rahmen der Erarbeitung


des Naturschutzgesetzbuches zum Umweltgesetzbuch (UGB-I)

182 Am 01.09.2006 ist die Föderalismusreform in Kraft getreten. Vor diesem Hintergrund haben sich
die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Naturschutzrechts verändert. Durch das »Gesetz
zur Änderung des Grundgesetzes« (vom 28.08.2006, BGBl. I S. 2034) wurden u. a. die
Rahmenkompetenz abgeschafft und die Anforderungen an die Ausübung der
Gesetzgebungskompetenzen des Bundes modifiziert. Das BNatSchG ist ein Rahmengesetz auf der
Grundlage von Art. 75 GG -alt. Nach der Föderalismusreform stellte sich im

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 97 – Lfg. 28 – 01.07.2014 <<
>>
Hinblick darauf die Frage, welche Auswirkungen dies auf das BNatSchG haben würde (vgl. hierzu:
Louis , ZUR 2006, 340 ff.; Wolf, NVwZ 2008, 353 ff. und Otto/Sanden, NuR 2007, 802 ff.).
Diesbezüglicher Handlungsbedarf stellte sich zunächst in Bezug auf die beabsichtigte Schaffung eines
Umweltgesetzbuches (vgl. BMU (Hrsg.), Umweltgesetzbuch – I. Buch, Bonn/Berlin, 05.09.2007).

183 Da die Bestimmungen über Eingriffe in Natur und Landschaft nach den §§ 18 bis 21 BNatSchG noch
auf der rahmenrechtlichen Grundlage geschaffen wurden, ergab sich die Frage nach den
Übergangsregelungen. Insoweit war die in Art. 72 Abs. 3 GG enthaltene Sonderregelung für solche
Regelungsbereiche maßgeblich, für die der Bund bislang die Rahmenkompetenz hatte. Danach galt
das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Föderalismusreform bereits geltende
BNatSchG auf der Grundlage von Art. 125b Abs. 1 S. 1 GG fort.

h) Das »Erste Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes«

183a Am 18.12.2007 ist das »Erste Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes« (vom
12.12.2007, BGBl. I S. 2873) in Kraft getreten. Entscheidender Anlass für die Novellierung des
Naturschutzrechts war das Urteil des EuGH (vom 10.01.2006 – C-98/03 –, NuR 2006, 166 ff.),
welches auf der Grundlage eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission
gegen die Bundesrepublik Deutschland erlassen worden war. In dieser Entscheidung beanstandete
der EuGH vor allem die Umsetzung der artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote der FFH-RL in das
nationale Recht. Das Gesetzgebungsverfahren war dann von umfangreichen Diskussionen in Bezug
auf seine europarechtskonforme Umsetzung in Bezug auf die artenschutzrechtlichen Vorgaben aus
der FFH- und Vogelschutz-RL geprägt (vgl. hierzu Lau/Steeck, NuR 2008, 386 ff. sowie zum
Gesetzesentwurf selbst, insbesondere Lütkes , NVwZ 2008, 598 ff. [OVG Rheinland-Pfalz 28.01.2008
- 1 C 10634/07] und Louis , NuR 2008, 65 ff.), blieb im Weiteren aber ohne Einfluss auf das
Verhältnis von naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung zur Bauleitplanung.

i) Das »Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der
Landschaftspflege«

183b Das »Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege« (vom
29.07.2009, BGBl. I S. 2542) ist am 1. März 2010 in Kraft getreten (auf Grund von Art. 72 Abs. 3 S. 2
GG traten die Vorschriften des BNatSchG in ihren Kernbereichen erst am 1. März 2010 in Kraft). Es
enthält in Art. 1 als zentralen Bestandteil die Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes. Das
bislang geltende BNatSchG-2002 trat gleichzeitig außer Kraft getreten. Im Zusammenhang mit dieser
neuerlichen Naturschutznovelle werden folgende wesentlichen Ziele verfolgt (vgl. BT-
Drucks. 16/212274, S. 39):

Ersetzung des geltenden Rahmenrechts des Bundes durch Vollregelungen.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 98 – Lfg. 28 –


01.07.2014 << >>

Vereinfachung und Vereinheitlichung des Naturschutzrechts, insbesondere durch


Verbesserung der Verständlichkeit und Praktikabilität der Rechtsmaterie.

Benennung der allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes.

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 11/71


Umsetzung von europarechtlichen Bestimmungen durch bundesweit einheitliche
Rechtsvorschriften.

Überführung bisher im Landesrecht normierter Bereiche des Naturschutzrechts in


Bundesrecht, soweit ein Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung besteht.

183c Zurückzuführen ist die Neufassung des BNatSchG auf das Scheitern des
»Umweltgesetzbuchs« (UGB), das im Rahmen eines breit angelegten Gesetzgebungsvorhabens
auf der Grundlage der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006, das Naturschutzrecht (zur Regelung
des Naturschutzrechts im UGB III, vgl. ausführlich: Fischer-Hüftle, NuR 2008, 213 ff. sowie
Messerschmidt, UPR 2008, 361 ff.) sowie andere Umweltgesetze in einem einheitlichen
»Umweltgesetzbuch« zusammenfassen sollte. Daher wurde es erforderlich, die Inhalte
insbesondere des Naturschutzrechts in Einzelgesetzen festzulegen. Flankierend wurde ein
Rechtsbereinigungsgesetz »Umwelt« erlassen (vgl. hierzu das »Gesetz zur Bereinigung des
Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit vom 11.08.2009, BGBl. I S. 2723), mit dem das Ziel verfolgt wird, Vorschriften,
denen eine praktische Wirkung nicht mehr zukommt, aufzuheben. Die Zeit drängte, denn nach
Art. 125b Abs. 1 S. 3 GG (sog. »Moratorium«) entfielen die alten bundesrechtlichen
Rahmenvorschriften ab Januar 2010, mit der Folge, dass jedes Bundesland in die Lage versetzt
geworden wäre, auf der Grundlage der ihm nun zustehenden konkurrierenden
Gesetzgebungskompetenz eigene Regelungen zu schaffen. Soweit nämlich der Bund von seiner
Gesetzgebungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht hat, obliegt es den Ländern, eigene Vorschriften
zu erlassen und so der Gefahr einer erheblichen Rechtszersplitterung im Bereich des Naturschutz-
und Landschaftspflegerechts Vorschub zu leisten.

183d Vor dem Hintergrund der Neuordnung der Gesetzgebungszuständigkeiten hat der
Bundesgesetzgeber mit dem Inkrafttreten des BNatSchG am 1. März 2010 von seiner ihm nunmehr
uneingeschränkt zur Verfügung stehenden Kompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG im
Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet des Naturschutzes und der
Landschaftspflege Gebrauch gemacht. Ausgleichend hierfür eröffnet Art. 72 Abs. 3 S. 1 GG den
Ländern allerdings das Recht, für bestimmte Gebiete, zu denen nach Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GG
auch der Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege gehört, durch Landesgesetz vom
Bundesrecht abweichende Regelungen zu treffen. Hiervon ausgenommen sind allerdings die
»allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes und des
Meeresnaturschutzes«

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 99 – Lfg. 28 – 01.07.2014 <<
>>
(streitig hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit es dem Landesgesetzgeber zusteht, abweichende
Regelungen auch von den als abweichungsfest normierten Grundsätzen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege zu treffen. Vgl. dazu nur Schulze-Fielitz , NVwZ 2007, 249, 256 f.; Franzius , ZUR
2010, 246, 248 ff.; Becker Niebüll, DVBl 2010, 754 ff. ). Die nach Auffassung des
Bundesgesetzgebers zum abweichungsfesten Kern gehörenden Vorschriften befinden sich in den
§§ 1 Abs. 1 , 6 Abs. 1 , sowie § 8 , § 13 , § 20 , §§ 30 Abs. 1 und 59 Abs. 1 BNatSchG .

183e Von der Neufassung des Bundesnaturschutzrechts erfasst wird auch die bislang in den §§ 18 ff.
BNatSchG -alt geregelte naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Die entsprechenden Vorschriften
finden sich nunmehr in den §§ 13–18 BNatSchG , wobei die bundesrechtliche Regelung in § 13
BNatSchG einen solchen »allgemeinen Grundsatz des Naturschutzrechts« darstellt. Die einzelnen
Vorschriften wurden nicht nur neu nummeriert, sondern mit dem Ziel zur Berücksichtigung
praktischer Bedürfnisse inhaltlich auch modifiziert.

183f Vorliegend nicht weiter erörtert wird die, insbesondere aus europarechtlichen Erfordernissen heraus
notwendig gewordene, Erweiterung des räumlichen Geltungsbereichs für die Anwendung
des Naturschutzrechts. Mit Ausnahme der Vorschriften des zweiten Kapitels wird die Geltung des
Naturschutzrechts nunmehr durch § 56 Abs. 1 BNatSchG auch auf die dem Küstenmeer
vorgelagerten Bereiche der Deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des
Festlandsockels, für die bislang nur habitat- und artenschutzrechtliche Bestimmungen zur
Anwendung zu bringen waren, erstreckt (hierzu ausführlich: Wolf, ZUR 2010, 365 ff.). Nunmehr sind
also die aus den eingriffsrechtlichen Vorschriften resultierenden Anforderungen auch in dem räumlich
erweiterten Bereich zu bewältigen. Aus der Sicht des Naturschutzes ist diese Erweiterung des
räumlichen Anwendungsbereiches sicherlich begrüßenswert, auch wenn § 56 Abs. 2 BNatSchG die
eingriffsrechtlichen Bestimmungen des § 15 BNatSchG insoweit einschränkt, als die
Eingriffsfolgenregelung auf die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen, die bis zum
01.01.2017 in der Meereszone der AWZ genehmigt werden, nicht anzuwenden ist.

183g Auch im Gesetzgebungsverfahren zum BNatSchG standen die Bestimmungen über Eingriffe in Natur
und Landschaft und ihren Ausgleich in der fachlichen Diskussion. Im Ergebnis wurde an der schon
bislang geltenden und auf die Gesetzgebungsnovelle zum BNatSchG-2002 zurückzuführenden

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 12/71


Struktur der eingriffsrechtlichen Bestimmungen allerdings nur wenig verändert. Formal wird der
Eingriffsbegriff nunmehr in § 14 BNatSchG , das Folgenbewältigungsprogramm in § 15 BNatSchG
geregelt. Daneben lassen sich aber bei genauerer Betrachtung im Wesentlichen folgende, auch
materiell-rechtlich bedeutsamen, Neuerungen hervorheben:

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 100 – Lfg. 28 – 01.07.2014
<< >>

Es wird ein allgemeiner Grundsatz des Naturschutzrechts normiert, mit dem Ziel die
Abweichungsgesetzgebung der Länder einzuschränken (vgl. § 13 BNatSchG ).

Ausgleichsmaßnahmen sind gegenüber Ersatzmaßnahmen nicht mehr ausdrücklich als


»vorrangig« normiert (vgl. § 15 Abs. 2 S. 1 BNatSchG ).

Es wird eine naturschutzrechtliche Agrarklausel eingeführt, wonach Böden, die für eine
landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Nutzung besonders gut geeignet sind, nur noch
nachrangig für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen herangezogen werden sollen. Der
Inanspruchnahme von landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen ist ein
eigenständiges Prüfprogramm vorgeschaltet (vgl. § 15 Abs. 3 BNatSchG ).

Eine Ersatzgeldzahlung wird nunmehr bundesrechtlich verpflichtend ausgestaltet (vgl. § 15


Abs. 6 BNatSchG ).

Auch die Einrichtung von Kompensationsflächenkatastern wird ebenso bundesrechtlich


verpflichtend vorgeschrieben (vgl. § 17 Abs. 6 BNatSchG ).

Ebenfalls bundesrechtlich normiert werden die Anforderungen an die behördliche Anerkennung


von vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen (vgl. § 16 Abs. 1 BNatSchG ).

Es wird eine größere Zahl an Verordnungsermächtigungen für Bund und Länder (vgl. § 15 Abs. 7
und 11 BNatSchG ) festgelegt, die insbesondere der Beseitigung von Vollzugsdefiziten dienen sollen.
Außerdem werden landesrechtliche Öffnungsklauseln in Bezug auf die Flächen- und
Maßnahmenbevorratung, Ökokonten sowie zum Übergang der Verantwortung bei der rechtlichen
Sicherung und Unterhaltung von Kompensationsmaßnahmen auf Dritte neu geschaffen (vgl. § 16
Abs. 2 BNatSchG ).

j) Innenentwicklungsnovelle 2013

183h Mit dem im Jahr 2013 in Kraft getretenen »Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten
und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts« wird unter anderem das Ziel
verfolgt, die Flächeninanspruchnahme zu reduzieren (vgl. oben Rdn. 47 ff. ). Um dieses Ziel zu
erreichen, wird nicht nur in § 1 Abs. 5 S. 3 ein Vorrang der Innenentwicklung vor der
Außenentwicklung normiert, sondern es wird auch die die Bodenschutzklausel ergänzende
Umwidmungssperrklausel (§ 1a Abs. 2 S. 2) konkretisiert und um eine spezifische Begründungs- und
Ermittlungspflicht erweitert (§ 1a Abs. 2 S. 4). Diese Bestrebungen werden im Bereich der
planerischen Eingriffsregelung durch eine weitere Ergänzung in § 1a Abs. 3 S. 5 unterstützt, indem
die naturschutzrechtliche Agrarklausel in § 15 Abs. 3 BNatSchG nunmehr auch in der Bauleitplanung
Geltung findet. Dadurch soll bei einer zwar grundsätzlich zu vermeidenden, aber nach wie vor
möglichen Außenentwicklung die Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten
Flächen nur nach Absolvierung eines eigenständigen Prüfprogramms möglich sein. In diesem Sinne
verlangt § 1a Abs. 3 S. 5

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 101 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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künftig bei der Inanspruchnahmen von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen »auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen,
»insbesondere sind für die Landwirtschaft besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang
in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch
Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder
durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des
Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu
vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.« Auch diese entsprechende Geltung
der naturschutzrechtlichen Agrarklausel für die Bauleitplanung unterstützt das Ziel der
bundesdeutschen Nachhaltigkeitsstrategie (vgl. BT-Drucks. 14/8953, S. 121 ff.), wonach die
Flächenneuinanspruchnahme bis zum Jahr 2020 auf insgesamt 30 Hektar pro Tag reduziert werden
soll.

2. Überblick
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 13/71
184 Unter der Überschrift »Ergänzende Vorschriften zum Umweltschutz« enthält § 1a in Abs. 3
Regelungen zur planerischen Eingriffsregelung. Nach § 1a Abs. 3 S. 1 sind in der Abwägung nach
§ 1 Abs. 7 die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des
Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1
Abs. 6 Nr. 7a bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) zu
berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat sich hiernach für eine Integration der eingriffsrechtlichen
Elemente der Vermeidung und des Ausgleichs in die Bauleitplanung entschieden. Denn nach
§ 1a Abs. 3 S. 1 wird in der bauleitplanerischen Abwägung über die naturschutzrechtlichen Elemente
der Vermeidung und des Ausgleichs von Eingriffen, die auf Grund des Bauleitplanes zu erwarten sind,
im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung und nach bauleitplanerischen Grundsätzen
entschieden. Während insoweit die Frage nach dem »wie« nach den Bestimmungen des
Städtebaurechts beantwortet werden muss, ist für die Frage nach dem »ob« das einschlägige
Fachrecht, also das BNatSchG maßgeblich. Auch dies kann § 1a Abs. 3 S. 1 entnommen werden,
denn die Frage, ob erhebliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und
Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts vorliegen, bemisst sich nach Maßgabe der im BNatSchG
enthaltenen naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung.

185 Derlei Bestimmungen enthalten die §§ 13 bis 19 BNatSchG . In diesem Zusammenhang bezieht sich
§ 18 BNatSchG speziell auf das Verhältnis des Naturschutzrechts zum Baurecht. So ist nach
§ 18 Abs. 1 BNatSchG bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen
oder von Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 und den insoweit zu erwartenden Eingrif-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 102 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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fen in Natur und Landschaft, über die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz nach den
Vorschriften des BauGB zu entscheiden. Diese wechselseitige Zuordnung von Aufgaben zwischen
Naturschutzrecht und Städtebaurecht, wie sie hier in Bezug auf die Rechtsfolgen der
eingriffsrechtlichen Bestimmungen deutlich werden, ergeben sich aus der Integration der
Eingriffsregelung in das Städtebaurecht und in der vor diesem Hintergrund vorgenommenen
Ausgestaltung einer eigens planerischen Eingriffsregelung. Denn mit der Vorverlagerung der
Bewältigung der Eingriffs- und Ausgleichsanforderungen auf die Ebene der Bauleitplanung wird vor
allem das Ziel verfolgt, eine doppelte Prüfung der eingriffsrechtlichen Belange auf der Stufe der
Vorhabengenehmigung zu vermeiden. Auf der konkreten Vorhabenebene ist insoweit eine nochmalige
(doppelte) Bewältigung der Eingriffsanforderungen ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 2
S. 1 BNatSchG , wenn bestimmt wird, dass »auf Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen und
nach § 30 des Baugesetzbuchs , während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuchs und im
Innenbereich nach § 34 des Baugesetzbuchs die §§ 14 bis 17 BNatSchG nicht anzuwenden sind«
(vgl. zur Entwicklung Rdn. 169 ff.).

186 S. 2 enthält eine Angabe darüber, wie der Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und
Landschaft in der bauleitplanerischen Abwägung stattfinden soll. Insoweit wird bestimmt, dass dieser
durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 als Flächen oder
Maßnahmen zum Ausgleich erfolgen soll. Nach dieser Bestimmung findet eine Differenzierung im
Hinblick auf die beiden Ebenen der Bauleitplanung statt. Für die Flächennutzungsplanung soll der
Ausgleich in Form von Darstellungen von Flächen zum Ausgleich erfolgen. Demgegenüber sollen auf
der Ebene der verbindlichen Bauleitplanung geeignete Festsetzungen in Form von Flächen oder
Maßnahmen zum Ausgleich erfolgen.

187 § 1a Abs. 3 S. 3 konkretisiert für diese Darstellungen und Festsetzungen zum Ausgleich nunmehr im
Hinblick auf die räumliche Verortung des Ausgleichs. Insoweit wird bestimmt, dass »die
Darstellungen und Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen können,
soweit dies mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung
sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist«. Diese räumliche
Flexibilisierung ist im Zusammenhang mit einer weiteren Bestimmung, die in § 200a geregelt ist, zu
sehen (vgl. Mitschang, § 200a Rdn. 22 f.). Nach S. 1 dieser Vorschrift umfassen Darstellungen für
Flächen zum Ausgleich und Festsetzungen für Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des
§ 1a Abs. 3 auch Ersatzmaßnahmen. S. 2 bestimmt hierfür weiterhin, dass »ein unmittelbarer
räumlicher Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich nicht erforderlich ist, soweit dies mit
einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des
Naturschutzes und der Landschaftspflege ver-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 103 – Lfg. 28 – 01.07.2014
<< >>
einbar ist«. Die nach dem Naturschutzrecht noch bestehende Differenzierung zwischen Ausgleich
und Ersatz wird danach in Bezug auf die planerische Eingriffsregelung nach dem Städtebaurecht
aufgegeben und trägt zusammen mit der räumlichen Flexibilisierung zu einer erleichterten Anwendung
der eingriffsrechtlichen Anforderungen an die Bauleitplanung bei.

188 Nach § 1a Abs. 3 S. 4 können an Stelle von Darstellungen und Festsetzungen auch vertragliche
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 14/71
Vereinbarungen nach § 11 oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der
Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden. Hierzu regelt § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 in Bezug auf
mögliche Regelungsgegenstände eines städtebaulichen Vertrages, dass die Durchführung des
Ausgleichs im Sinne des § 1a Abs. 3 durchaus Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages sein kann.
Vertragliche Vereinbarungen, die die Durchführung des Ausgleichs im Sinne der planerischen
Eingriffsregelung betreffen, ersetzen damit Festsetzungen auf der Grundlage von § 9 . Derlei
Bestimmungen brauchen dann in einem Bebauungsplan, der künftige Eingriffe in Natur und
Landschaft vorbereitet, nicht mehr getroffen zu werden. Außer durch städtebaulichen Vertrag oder
durch Darstellungen und Festsetzungen können auch sonstige Maßnahmen zum Ausgleich auf von
der Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden. Werden geeignete Maßnahmen auf von der
Gemeinde bereitgestellten Flächen vorgesehen, so bedarf es keiner spezifischen Festsetzungen eines
Bebauungsplans oder gar eines zusätzlichen Ausgleichs- oder Kompensationsbebauungsplans. Die
von der Gemeinde bereitgestellten Flächen können sogar außerhalb des Gemeindegebiets liegen
und als Ausgleichsflächen entweder durch den Regionalplan, den Flächennutzungsplan der
Nachbargemeinde oder durch vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Eigentümer des
Eingriffsgrundstücks und der Nachbargemeinde über den Ausgleich zur Verfügung gestellt und für
die Kompensation der durch den Bauleitplan erwarteten Eingriffe in Natur und Landschaft
herangezogen werden. Dabei sind die Anforderungen in § 1a Abs. 3 S. 3 allerdings ebenfalls zu
erfüllen (darauf weist Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014,
Rn. 755 zu Recht hin).

188a Die durch die Innenentwicklungsnovelle 2013 eingeführte neue Bestimmung in § 1a Abs. 3 S. 5
verlangt daher die entsprechende Geltung der in § 15 Abs. 3 BNatSchG enthaltenen
naturschutzrechtlichen Agrarklausel auch für die Bauleitplanung der Gemeinden (vgl. oben Rdn. 183h
). Hiernach ist bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen »auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen,
insbesondere sind für die Landwirtschaft besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in
Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch
Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder
durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 104 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu
vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.« Die vormals in § 1a Abs. 3 S. 5
BauGB-alt enthaltene Bestimmung über Eingriffe, die bereits vor der planerischen Entscheidung
erfolgt sind oder zulässig waren, ist nunmehr in § 1a Abs. 3 S. 6 geregelt.

189 § 1a Abs. 3 S. 6 regelt insoweit, dass ein Ausgleich nicht erforderlich ist, soweit die Eingriffe
bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren. Mit dieser
Regelung werden zwei Anliegen verfolgt: Zunächst bezieht sich die Bestimmung darauf, dass ein
Ausgleich nicht erforderlich ist, wenn die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt
sind. Gedacht ist hier insbesondere an die Wiedernutzung von Brachflächen, insbesondere soweit es
sich um ehemalige Industrie-, Militär- und Infrastrukturstandorte handelt. In diesen Fällen soll ein
Ausgleich nicht erforderlich werden, wenn die neue Bebauung an Stelle der alten errichtet wird, und
zwar so, dass eine zusätzliche Beeinträchtigung von Natur und Landschaft ausgeschlossen wird. Der
andere durch § 1a Abs. 3 S. 6 angesprochene Fall sieht ebenfalls das Erfordernis eines Ausgleichs
nicht vor, wenn die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung zulässig waren. Hiermit
angesprochen sind Vorhaben, die auf der Grundlage von § 34 genehmigt werden können. Für sie gilt
ebenfalls, dass sie ohne zusätzliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu realisieren sind.

190 Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle noch auf § 246 Abs. 6 BauGB -1998 hinzuweisen, der
mittlerweile auf Grund der verstrichenen Fristensetzung bedeutungslos geworden ist. Diese
Bestimmung ermächtigte die Länder, zu bestimmen, dass § 1a Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 BauGB-1998
bis zum 31.12.2000 nicht auf Bauleitpläne und Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB -1998
anzuwenden sind. Soweit die Länder von dieser Ermächtigung Gebrauch machen wollten, bestand die
Voraussetzung, dass dann den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf andere
Weise Rechnung getragen werden musste.

191 Im Zusammenhang mit den Anforderungen, die sich aus der planerischen Eingriffsregelung an die
Bauleitplanung ergeben, stehen auch die Bestimmungen, für die eine Anwendung der planerischen
Eingriffsregelung ausgeschlossen wird. An erster Stelle zu nennen ist hier § 13a , der für die im
beschleunigten Verfahren aufzustellenden Bebauungspläne der Innenentwicklung gemäß
Abs. 2 Nr. 4, und zwar für den Fall, dass diese eine zulässige Grundfläche oder eine Größe der
Grundfläche von insgesamt weniger als 20 000 qm aufweisen, Eingriffe, die auf Grund der Aufstellung
eines solchen Planes zu erwarten sind, als im Sinne des § 1a Abs. 3 S. 6 vor der planerischen
Entscheidung erfolgt oder zulässig anzusehen sind. Ebenfalls nicht anzuwenden ist die planerische
Ein-

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§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 105 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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griffsregelung bei den Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und 2 (Klarstellungs-
und Entwicklungssatzung). Demgegenüber anzuwenden ist die planerische Eingriffsregelung für die
Innenbereichs-Erweiterungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 . Dies ergibt sich aus § 34 Abs. 5
S. 4 , wonach eine Anwendung des § 1a Abs. 3 auf solche Satzungen ausdrücklich vorgesehen wird.

3. Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§§ 13 – 19


BNatSchG)

192 Im Jahr 1976 sind die Bestimmungen über die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung als dritter
Abschnitt mit der Überschrift »Allgemeine Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen« neu in
das damals ebenfalls neu geschaffene Bundesnaturschutzgesetz (vgl. §§ 8 und 9 BNatSchG -alt)
aufgenommen und mittlerweile durch die §§ 13 bis 19 BNatSchG weiter entwickelt worden (zur
Entwicklung, vgl. ausführlich Fischer-Hüftle, NuR 2011, 753 ff.).

193 Die §§ 13 bis 19 BNatSchG haben folgenden Wortlaut:

Ȥ 13
Allgemeiner Grundsatz
Erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher
vorrangig zu vermeiden. Nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen sind durch
Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen
Ersatz in Geld zu kompensieren.

§ 14
Eingriffe in Natur und Landschaft
(1) Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der
Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten
Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und
Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich
beeinträchtigen können.

(2) Die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung ist nicht als Eingriff
anzusehen, soweit dabei die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege
berücksichtigt werden. Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche
Bodennutzung den in § 5 Abs. 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie
den sich aus § 17 Abs. 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-,
Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis,
widerspricht sie in der Regel nicht den Zielen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege.

(3) Nicht als Eingriff gilt die Wiederaufnahme einer land-, forst- und
fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung, wenn sie zeitweise eingeschränkt oder
unterbrochen war

1. auf Grund vertraglicher Vereinbarungen oder auf Grund der Teilnahme an


öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung und
§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 106 –
Lfg. 28 – 01.07.2014 << >>
wenn die Wiederaufnahme innerhalb von zehn Jahren nach Auslaufen der
Einschränkung oder Unterbrechung erfolgt,

2. auf Grund der Durchführung von vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen,


die vorgezogene Maßnahme aber nicht für eine Kompensation in Anspruch
genommen wird.

§ 15
Verursacherpflichten, Unzulässigkeit von Eingriffen; Ermächtigung zum
Erlass von Rechtsverordnungen
(1) Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von
Natur und Landschaft zu unterlassen. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn
zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 16/71


oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen,
gegeben sind. Soweit Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können, ist dies zu
begründen.

(2) Der Verursacher ist verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch


Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen
(Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Ausgeglichen ist eine
Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts
in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild
landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ersetzt ist eine
Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts
in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das
Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Festlegungen von Entwicklungs-
und Wiederherstellungsmaßnahmen für Gebiete im Sinne des § 20 Abs. 2 Nummer 1 bis 4
und in Bewirtschaftungsplänen nach § 32 Abs. 5 , von Maßnahmen nach § 34 Absatz 5
und § 44 Absatz 5 Satz 3 dieses Gesetzes sowie von Maßnahmen in
Maßnahmenprogrammen im Sinne des § 82 des Wasserhaushaltsgesetzes stehen der
Anerkennung solcher Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht entgegen.
Bei der Festsetzung von Art und Umfang der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind die
Programme und Pläne nach den §§ 10 und 11 zu berücksichtigen.

(3) Bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu
nehmen, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete
Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen,
ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch
Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs-
oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des
Landschaftsbildes dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass
Flächen aus der Nutzung genommen werden.

(4) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu


unterhalten und rechtlich zu sichern. Der Unterhaltungszeitraum

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 107 – Lfg. 28 –
01.07.2014 << >>
ist durch die zuständige Behörde im Zulassungsbescheid festzusetzen. Verantwortlich
für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist
der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger.

(5) Ein Eingriff darf nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die
Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen
oder zu ersetzen sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei
der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range
vorgehen.

(6) Wird ein Eingriff nach Absatz 5 zugelassen oder durchgeführt, obwohl die
Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen
oder zu ersetzen sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten. Die Ersatzzahlung
bemisst sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs-
und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für
deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der
Personal- und sonstigen Verwaltungskosten. Sind diese nicht feststellbar, bemisst sich
die Ersatzzahlung nach Dauer und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der dem
Verursacher daraus erwachsenden Vorteile. Die Ersatzzahlung ist von der zuständigen
Behörde im Zulassungsbescheid oder, wenn der Eingriff von einer Behörde durchgeführt
wird, vor der Durchführung des Eingriffs festzusetzen. Die Zahlung ist vor der
Durchführung des Eingriffs zu leisten. Es kann ein anderer Zeitpunkt für die Zahlung
festgelegt werden; in diesem Fall soll eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die
Ersatzzahlung ist zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege möglichst in dem betroffenen Naturraum zu verwenden, für die nicht
bereits nach anderen Vorschriften eine rechtliche Verpflichtung besteht.

(7) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wird


ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das
Nähere zur Kompensation von Eingriffen zu regeln, insbesondere

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 17/71


1. zu Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
einschließlich von Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von
Lebensräumen und zur Bewirtschaftung und Pflege sowie zur Festlegung
diesbezüglicher Standards, insbesondere für vergleichbare Eingriffsarten,

2. die Höhe der Ersatzzahlung und das Verfahren zu ihrer Erhebung.

Solange und soweit das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und


Reaktorsicherheit von seiner Ermächtigung keinen Gebrauch macht, richtet sich das
Nähere zur Kompensation von Eingriffen nach Landesrecht, soweit dieses den
vorstehenden Absätzen nicht widerspricht.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 108 – Lfg. 28 –
01.07.2014 << >>
§ 16
Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen
(1) Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die im Hinblick auf zu
erwartende Eingriffe durchgeführt worden sind, sind als Ausgleichs- oder
Ersatzmaßnahmen anzuerkennen, soweit

1. die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 erfüllt sind,

2. sie ohne rechtliche Verpflichtung durchgeführt wurden,

3. dafür keine öffentlichen Fördermittel in Anspruch genommen wurden,

4. sie Programmen oder Plänen nach den §§ 10 und 11 nicht widersprechen


und

5. eine Dokumentation des Ausgangszustands der Flächen vorliegt;


Vorschriften der Länder zu den Anforderungen an die Dokumentation
bleiben unberührt.

(2) Die Bevorratung von vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mittels


Ökokonten, Flächenpools oder anderer Maßnahmen, insbesondere die Erfassung,
Bewertung oder Buchung vorgezogener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in
Ökokonten, deren Genehmigungsbedürftigkeit und Handelbarkeit sowie der Übergang
der Verantwortung nach § 15 Absatz 4 auf Dritte, die vorgezogene Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen durchführen, richtet sich nach Landesrecht.

§ 17
Verfahren; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen
(1) Bedarf ein Eingriff nach anderen Rechtsvorschriften einer behördlichen Zulassung
oder einer Anzeige an einer Behörde oder wird er von einer Behörde durchgeführt, so
hat diese Behörde zugleich die zur Durchführung des § 15 erforderlichen Entscheidungen
und Maßnahmen im Benehmen mit der für Naturschutz und Landschaftspflege
zuständigen Behörde zu treffen, soweit nicht nach Bundes- oder Landesrecht eine
weiter gehende Form der Beteiligung vorgeschrieben ist oder die für Naturschutz und
Landschaftspflege zuständige Behörde selbst entscheidet.

(2) Soll bei Eingriffen, die von Behörden des Bundes zugelassen oder durchgeführt
werden, von der Stellungnahme der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen
Behörde abgewichen werden, entscheidet hierüber die fachlich zuständige Behörde des
Bundes im Benehmen mit der obersten Landesbehörde für Naturschutz und
Landschaftspflege, soweit nicht eine weiter gehende Form der Beteiligung vorgesehen
ist.

(3) Für einen Eingriff, der nicht von einer Behörde durchgeführt wird und der keiner
behördlichen Zulassung oder Anzeige nach anderen Rechtsvorschriften bedarf, ist eine
Genehmigung der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde
erforderlich. Die Genehmigung ist schriftlich zu beantragen. Die Genehmigung ist zu
erteilen, wenn die Anforderungen des § 15 erfüllt sind. Die für Naturschutz und
Landschaftspflege zuständige Behörde trifft die zur Durchführung des § 15
erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen.
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 18/71
§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 109 – Lfg. 28 –
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(4) Vom Verursacher eines Eingriffs sind zur Vorbereitung der Entscheidungen und
Maßnahmen zur Durchführung des § 15 in einem nach Art und Umfang des Eingriffs
angemessenen Umfang die für die Beurteilung des Eingriffs erforderlichen Angaben zu
machen, insbesondere über

1. Ort, Art, Umfang und zeitlichen Ablauf des Eingriffs sowie

2. die vorgesehenen Maßnahmen zur Vermeidung, zum Ausgleich und zum


Ersatz der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft einschließlich
Angaben zur tatsächlichen und rechtlichen Verfügbarkeit der für Ausgleich
und Ersatz benötigten Flächen.

Die zuständige Behörde kann die Vorlage von Gutachten verlangen, soweit dies zur
Beurteilung der Auswirkungen des Eingriffs und der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
erforderlich ist. Bei einem Eingriff, der auf Grund eines nach öffentlichem Recht
vorgesehenen Fachplans vorgenommen werden soll, hat der Planungsträger die
erforderlichen Angaben nach Satz 1 im Fachplan oder in einem landschaftspflegerischen
Begleitplan in Text und Karte darzustellen. Dieser soll auch Angaben zu den zur
Sicherung des Zusammenhangs des Netzes »Natura 2000« notwendigen Maßnahmen
nach § 34 Absatz 5 und zu vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen nach § 44 Absatz 5
enthalten, sofern diese Vorschriften für das Vorhaben von Belang sind. Der Begleitplan
ist Bestandteil des Fachplans.

(5) Die zuständige Behörde kann die Leistung einer Sicherheit bis zur Höhe der
voraussichtlichen Kosten für die Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen verlangen, soweit
dies erforderlich ist, um die Erfüllung der Verpflichtungen nach § 15 zu gewährleisten.
Auf Sicherheitsleistungen sind die §§ 232 bis 240 des Bürgerlichen Gesetzbuches
anzuwenden.

(6) Die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die dafür in Anspruch genommenen
Flächen werden in einem Kompensationsverzeichnis erfasst. Hierzu übermitteln die nach
den Absätzen 1 und 3 zuständigen Behörden der für die Führung des
Kompensationsverzeichnisses zuständigen Stelle die erforderlichen Angaben.

(7) Die nach Absatz 1 oder Absatz 3 zuständige Behörde prüft die frist- und
sachgerechte Durchführung der Vermeidungs- sowie der festgesetzten Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen. Hierzu
kann sie vom Verursacher des Eingriffs die Vorlage eines Berichts verlangen.

(8) Wird ein Eingriff ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen, soll
die zuständige Behörde die weitere Durchführung des Eingriffs untersagen. Soweit nicht
auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann, soll sie entweder
Maßnahmen nach § 15 oder die Wiederherstellung des früheren Zustands anordnen. § 19
Abs. 4 ist zu beachten.

(9) Die Beendigung oder eine länger als ein Jahr dauernde Unterbrechung eines Eingriffs
ist der zuständigen Behörde anzuzeigen. Eine nur unwesentliche

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 110 – Lfg. 28 –
01.07.2014 << >>
Weiterführung des Eingriffs steht einer Unterbrechung gleich. Wird der Eingriff länger
als ein Jahr unterbrochen, kann die Behörde den Verursacher verpflichten, vorläufige
Maßnahmen zur Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchzuführen oder,
wenn der Abschluss des Eingriffs in angemessener Frist nicht zu erwarten ist, den
Eingriff in dem bis dahin vorgenommenen Umfang zu kompensieren.

(10) Handelt es sich bei einem Eingriff um ein Vorhaben, das nach dem Gesetz über die
Umweltverträglichkeitsprüfung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, so muss
das Verfahren, in dem Entscheidungen nach § 15 Absatz 1 bis 5 getroffen werden, den
Anforderungen des genannten Gesetzes entsprechen.

(11) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere zu


dem in den Absätzen 1 bis 10 geregelten Verfahren einschließlich des
Kompensationsverzeichnisses zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 1
durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 19/71


§ 18
Verhältnis zum Baurecht
(1) Sind auf Grund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von
Bauleitplänen oder von Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nummer 3 des
Baugesetzbuches Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist über die
Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz nach den Vorschriften des Baugesetzbuches
zu entscheiden.

(2) Auf Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches ,


während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches und im Innenbereich nach
§ 34 des Baugesetzbuches sind die §§ 14 bis 17 nicht anzuwenden. Für Vorhaben im
Außenbereich nach § 35 des Baugesetzbuches sowie für Bebauungspläne, soweit sie
eine Planfeststellung ersetzen, bleibt die Geltung der §§ 14 bis 17 unberührt.

(3) Entscheidungen über Vorhaben nach § 35 Abs. 1 und 4 des Baugesetzbuches und
über die Errichtung von baulichen Anlagen nach § 34 des Baugesetzbuches ergehen im
Benehmen mit den für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden.
Äußert sich in den Fällen des § 34 des Baugesetzbuches die für Naturschutz und
Landschaftspflege zuständige Behörde nicht binnen eines Monats, kann die für die
Entscheidung zuständige Behörde davon ausgehen, dass Belange des Naturschutzes
und der Landschaftspflege von dem Vorhaben nicht berührt werden. Das Benehmen ist
nicht erforderlich bei Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen und während der
Planaufstellung nach den §§ 30 und 33 des Baugesetzbuches und in Gebieten mit
Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nummer 3 des Baugesetzbuches .«

(4) Ergeben sich bei Vorhaben nach § 34 des Baugesetzbuches im Rahmen der
Herstellung des Benehmens nach Absatz 3 Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben eine
Schädigung im Sinne von § 19 Absatz 1 Satz 1 verursachen kann, ist dies auch dem
Vorhabenträger mitzuteilen. Auf Antrag des Vorha-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 111 – Lfg. 33 –
01.05.2016 << >>
benträgers hat die für die Erteilung der Zulassung zuständige Behörde im Benehmen mit
der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde die Entscheidungen
nach § 15 zu treffen, soweit sie der Vermeidung, dem Ausgleich oder dem Ersatz von
Schädigungen nach § 19 Absatz 1 Satz 1 dienen; in diesen Fällen gilt § 19 Absatz 1 Satz 2
. Im Übrigen bleibt Absatz 2 Satz 1 unberührt.

§ 19
Schäden an bestimmten Arten und natürlichen Lebensräumen
(1) Eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen im Sinne des
Umweltschadensgesetzes ist jeder Schaden, der erhebliche nachteilige Auswirkungen
auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser
Lebensräume oder Arten hat. Abweichend von Satz 1 liegt keine Schädigung vor bei
zuvor ermittelten nachteiligen Auswirkungen von Tätigkeiten einer verantwortlichen
Person, die von der zuständigen Behörde nach den §§ 34 , 35 , 45 Absatz 7 oder § 67
Absatz 2 oder, wenn eine solche Prüfung nicht erforderlich ist, nach § 15 oder auf Grund
der Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 30 oder 33 des Baugesetzbuches
genehmigt wurden oder zulässig sind.

(2) Arten im Sinne des Absatzes 1 sind die Arten, die in

1. Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG oder

2. den Anhängen II und IV der Richtlinie 92/43/EWG

aufgeführt sind.

(3) Natürliche Lebensräume im Sinne des Absatzes 1 sind die

1. Lebensräume der Arten, die in Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der


Richtlinie 2009/147/EG oder in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführt
sind,

2. natürlichen Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse sowie


Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 20/71
3. Fortpflanzungs- und Ruhestätten der in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG
aufgeführten Arten.

(4) Hat eine verantwortliche Person nach dem Umweltschadensgesetz eine Schädigung
geschützter Arten oder natürlicher Lebensräume verursacht, so trifft sie die
erforderlichen Sanierungsmaßnahmen gemäß Anhang II Nummer 1 der Richtlinie
2004/35/EG .

(5) Ob Auswirkungen nach Absatz 1 erheblich sind, ist mit Bezug auf den
Ausgangszustand unter Berücksichtigung der Kriterien des Anhangs I der Richtlinie
2004/35/EG zu ermitteln. Eine erhebliche Schädigung liegt dabei in der Regel nicht vor bei

1. nachteiligen Abweichungen, die geringer sind als die natürlichen


Fluktuationen, die für den betreffenden Lebensraum oder die betreffende
Art als normal gelten,

2. nachteiligen Abweichungen, die auf natürliche Ursachen zurückzuführen sind


oder aber auf eine äußere Einwirkung im Zusammenhang mit der
§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 112 –
Lfg. 33 – 01.05.2016 << >>
Bewirtschaftung der betreffenden Gebiete, die den Aufzeichnungen über
den Lebensraum oder den Dokumenten über die Erhaltungsziele zufolge als
normal anzusehen ist oder der früheren Bewirtschaftungsweise der
jeweiligen Eigentümer oder Betreiber entspricht,

3. einer Schädigung von Arten oder Lebensräumen, die sich nachweislich ohne
äußere Einwirkung in kurzer Zeit so regenerieren werden, dass entweder
der Ausgangszustand erreicht wird, oder aber allein auf Grund der Dynamik
der betreffenden Art oder des Lebensraums ein Zustand erreicht wird, der
im Vergleich zum Ausgangszustand als gleichwertig oder besser zu
bewerten ist.«

194 Mit den eingriffsrechtlichen Bestimmungen nach den §§ 13 ff. BNatSchG wird ein allgemeiner
Schutzstatus für Natur und Landschaft normiert, und zwar außerhalb des
naturschutzrechtlichen Flächen- und Objektschutzes (Lau, NuR 2011, 680, 681 spricht insoweit von
einem »flächendeckenden Mindestschutz«). Die Vorschrift ist als allgemeiner Grundsatz
ausgestaltet und insoweit abweichungsfest für die Länder (Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg,
BKom BNatSchG, § 13 Rn. 9; Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München,
2011, § 13 Rn. 1). Hiernach müssen alle Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft,
vorausgesetzt sie sind erheblich, nach den Maßgaben der eingriffsrechtlichen Bestimmungen
behandelt werden. Mit diesen Bestimmungen wird das Ziel verfolgt, eine weitere Verschlechterung
der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und eine weitere nachteilige Veränderung des
Landschaftsbilds zu unterbinden (ausführlich: Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft
in der kommunalen Bauleitplanung, 2. Aufl., Berlin, 1996, S. 146 ff.). Die Eingriffsregelung nach den
§§ 13 ff. BNatSchG ist bei der Zulassung von Einzelvorhaben unmittelbar anzuwenden.
Verfahrensrechtlich ist sie dem fachrechtlichen Zulassungsverfahren »aufgesattelt« (BVerwG, U.
v. 07.03.1997 – 4 C 10.96 –, BVerwGE 104, 144 ). Für einen Vorhabenträger beinhaltet dies die
Verpflichtung, alle wesentlichen Beeinträchtigungen, die nicht vermieden werden können,
dahingehend zu kompensieren, dass der gegenwärtig vorhandene Zustand von Natur und
Landschaft erhalten bleibt. Zwar bedeutet dies nicht, dass Veränderungen oder überhaupt eine
Beanspruchung von Natur und Landschaft fortan ausgeschlossen sind, sondern, dass mit den
Bestimmungen über Eingriffe in Natur und Landschaft und ihrem Ausgleich »im Saldo« eine
Verschlechterung des derzeitigen Zustandes sowie eine negative Entwicklung des Landschaftsbildes
für die Zukunft ausgeschlossen werden sollen.

194a Erreicht werden soll dieses Ziel dadurch, dass alle Vorhaben, durch die potenziell Beeinträchtigungen
von Natur und Landschaft herbeigeführt werden, einer spezifisch eingriffsrechtlichen Prüfung i.S.e.
Folgenbewältigungsprogrammes unterzogen werden müssen. Hiernach wird für die Anwendung
der naturschutz-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 113 – Lfg. 28 – 01.07.2014
<< >>
rechtlichen Eingriffsregelung eine klare Abfolge der Entscheidungsfindung vorgegeben (vgl.
Ekardt/Hennig, NuR 2013, 694 ff.). Sie reicht, den Tatbestand des Eingriffs vorausgesetzt, von
Vermeidungs- über Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen und einer zu treffenden
Abwägungsentscheidung bis hin zu einer nunmehr bundesrechtlich geregelten Ersatzzahlung, die
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 21/71
allerdings erst dann zum Tragen kommt, wenn sich die Belange des Eingriffsvorhabens gegenüber
den Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege entweder durchgesetzt haben oder
diesen zumindest gleichrangig sind. Mit diesem Folgenbewältigungsprogramm werden den
fachrechtlichen, für die Zulassung eines bestimmten Vorhabens heranzuziehenden Bestimmungen,
auf die Bedürfnisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege zugeschnittene Anforderungen
zur Seite gestellt (vgl. BVerwG, U. v. 21.03.1996 – 4 C 19.94 –, BVerwGE 100, 370 ). Dadurch wird
verhindert, dass die nachteilige Inanspruchnahme von Natur und Landschaft eines nach den
jeweiligen fachrechtlichen Bestimmungen zulässigen Vorhabens zu Lasten von Natur und Landschaft
sanktionslos bleibt (BVerwG, U. v. 07.03.1997 – 4 C 10.96 –, BVerwGE 104, 144 ).

195 Die Bestimmungen über Eingriffe in Natur und Landschaft greifen das umweltrechtliche
Verursacherprinzip auf (zur Verpflichtungserfüllung: BVerwG, Gerichtsb. v. 15.06.2004 – 4 A 19.03
–, NuR 2004, 665; aus der Literatur: Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 13
Rn. 18 f.). Dieses verlangt, dass bei Vorhaben, durch die in Natur und Landschaft eingegriffen wird,
der Verursacher verpflichtet ist, Schäden möglichst zu vermeiden, zu minimieren, auszugleichen oder
zu ersetzen sowie ggf. auch eine Ersatzzahlung zu leisten. Deutlich zum Ausdruck kommt dieses
Verursacherprinzip durch drei unterschiedliche Vorschriften im Zusammenhang mit der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. So wird in § 15 Abs. 1 BNatSchG bestimmt, dass der
Verursacher eines Eingriffs verpflichtet ist, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und
Landschaft zu unterlassen. Private Interessen werden durch die gesetzliche Anordnung einer
Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft nicht geschützt. Sie dient vielmehr
ausschließlich den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege und damit dem
Allgemeininteresse (BVerwG, U. v. 28.03.2007 – 9 A 17.06 –, NuR 2007, 439).

196 Demgegenüber wesentlich umfangreicher sind die verursacherbezogenen Vorschriften auf der
zweiten Ebene, die den Ausgleich von Eingriffen zum Inhalt haben (vgl. § 15 Abs. 2 BNatSchG ).
Nach dieser Vorschrift ist der Verursacher nämlich weiterhin verpflichtet, unvermeidbare
Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege
»auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen)« oder zu »ersetzen (Ersatzmaßnahmen)«. Damit
werden die grundlegenden Anforderungen festgelegt, die auf eine Erhaltung bzw. gleichartige oder
gleichwertige Wiederherstellung des Voreingriffszustands von Natur und Landschaft
abstellen und damit das primäre Ziel der Eingriffsrege-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 114 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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lung kennzeichnen (vgl. auch Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München,
2011, § 13 Rn. 18 f.).

196a Schließlich wird auf der dritten Ebene der Verursacher nach der Neuregelung in § 15 Abs. 6 BNatSchG
, die durch das BNatSchG 2009 eingeführt worden ist, bei der Zulassung oder Durchführung von
nach dem Folgenbewältigungsprogramm gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft verpflichtet, Ersatz in Geld zu
leisten. Diese Ersatzzahlung greift aber erst dann, wenn die durch den Eingriff zu erwartenden
Beeinträchtigungen an Natur und Landschaft nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist
auszugleichen oder zu ersetzen sind und es sich um einen nach Durchführung der
naturschutzrechtlichen Abwägung nach § 15 Abs. 5 BNatSchG vorrangiges Vorhaben handelt.

197 Mit diesen beiden Verursacherpflichten verknüpft ist eine wichtige, aus fachlicher Sicht unabdingbare
Zielsetzung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung: Das Interesse an einer Real- oder
Naturalkompensation (vgl. Stich, UPR 2002, 166). § 15 Abs. 1 und 2 BNatSchG verfolgen das Ziel
der Erhaltung oder Wiederherstellung des vor dem Eingriff bestehenden Zustands von Natur und
Landschaft. Demgegenüber stellen andere im Zusammenhang mit der Eingriffsregelung
heranziehbare Instrumente gerade nicht auf die Zielsetzung der Naturalkompensation ab sondern
etwa auf die Leistung von Ersatzzahlungen (früher auch als sog. »Ausgleichsabgaben« bezeichnet,
heute »Ersatzgeld«). Durch die Ausgestaltung der bundesrechtlichen Bestimmung über die
Ersatzzahlung in § 15 Abs. 6 BNatSchG bleibt die Anwendung dieses Instruments – anders als bislang
– nicht mehr der Regelung durch die Länder überlassen. Nur soweit eine das Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsichersicherheit ermächtigende Rechtsverordnung über die Höhe
und das Verfahren zur Erhebung der Ersatzzahlung nach § 15 Abs. 7 S. 1 BNatSchG nicht oder noch
nicht erlassen ist, richten sich Höhe und Verfahren zur Erhebung von Ersatzzahlungen nach
Landesrecht. Allerdings darf dieses den Anforderungen in § 15 Abs. 6 BNatSchG nicht widersprechen
(vgl. § 15 Abs. 7 S. 2 BNatSchG ). Den Ländern ist es daher nicht mehr frei gestellt, den
Anwendungsbereich von Maßnahmen zu bestimmen, die auf Grund von Ersatzzahlungen
durchgeführt werden sollen, soweit eine Naturalkompensation naturschutzfachlich nicht möglich oder
unverhältnismäßig ist. Auch im Hinblick auf die bundesrechtlichen Vorgaben zur Naturalkompensation
sind die den Ländern bislang zur Verfügung gestellten weitreichenden Spielräume durch das
BNatSchG-2009 eingeschränkt worden. Besonders deutlich wird dies unter dem Gesichtspunkt, dass
§ 15 Abs. 2 BNatSchG nunmehr Vorgaben zum räumlichen Zusammenhang zwischen dem Ort des
Eingriffs und dem Ort seines Ausgleichs an dem die Realkompensation stattfinden soll, bereithält.
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 22/71
Nach § 15 Abs. 2 S. 3 BNatSchG ist eine Beeinträchtigung ersetzt, wenn und sobald die
beeinträchtigten Funktionen des Naturhaus-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 115 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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halts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild
landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Daraus ergibt sich für die Länder auch nicht mehr die
Möglichkeit, durch landesrechtliche Regelungen die Anforderungen des räumlichen Zusammenhangs
zwischen Eingriff und Ausgleich zu bestimmen.

198 § 15 BNatSchG gibt für die Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung eine klare
Abfolge der Entscheidungsfindung nunmehr bundesrechtlich vor. Sie reicht, den Tatbestand
eines Eingriffs vorausgesetzt, von Vermeidungs-, über Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen, einer
dann zutreffenden Abwägungsentscheidung bis hin zur Erhebung einer Ersatzzahlung. Insoweit ist
der bloße Verzicht auf einen bereits genehmigten Eingriff nicht geeignet, als Ausgleichs- oder
Ersatzmaßnahme für einen anderen Eingriff zu dienen (OVG Lüneburg, B. v. 08.03.2013 – 12 LA
260.12 –, NuR 2013, 503, 505). Die Länder können nach § 15 Abs. 7 und 17 Abs. 11 BNatSchG das
Bundesrecht noch ergänzende und seine Vollzugsfähigkeit vor allem steuernde Regelungen
erlassen. In diesem Sinne ermächtigt § 15 Abs. 7 S. 2 BNatSchG die Länder, solange und soweit das
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von seiner Ermächtigung nach
§ 15 Abs. 7 S. 1 BNatSchG keinen Gebrauch macht, Regelungen über das Nähere zur Kompensation
von Eingriffen zu treffen, soweit dieses jedenfalls den Vorgaben in § 15 Abs. 1 bis 6 BNatSchG nicht
widerspricht. Die in § 15 Abs. 7 S. 1 BNatSchG enthaltene Ermächtigung stellt darauf ab, dass das
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Einvernehmen mit dem
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung
des Bundesrates Vorschriften erlässt, insbesondere zu Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen einschließlich von Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von
Lebensräumen und zur Bewirtschaftung und Pflege sowie zur Festlegung diesbezüglicher Standards,
insbesondere für vergleichbare Eingriffsarten sowie zur Höhe der Ersatzzahlung und das Verfahren
zu ihrer Erhebung (derzeit liegt ein von der Bundesregierung beschlossener Entwurf eine
Bundeskompensationsverordnung (BKompV-E vom 19.04.2013) vor, der allerdings beim Bundesrat
keine Zustimmung erhalten hat. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass eine solche BKompV für die
Bauleitplanung lediglich unterstützende Funktion hätte und insoweit nur als Hilfestellung
herangezogen werden könnte. Vgl. auch Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl.,
Berlin, 2014, Rn. 745). § 17 Abs. 11 BNatSchG ermächtigt schließlich die Landesregierungen durch
Rechtsverordnung das Nähere zu dem in § 17 Abs. 1 bis 10 BNatSchG geregelten Verfahren bei
Eingriffen in Natur und Landschaft einschließlich des Kompensationsverzeichnisses zu bestimmen
(vgl. z. B. Verordnung über die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft (Bayerische
Kompensationsverordnung – BayKompV –

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 116 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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vom 07.08.2013, GVBl. 2013, S. 517, die in Bezug auf einzelne hochwasserschutzbezogene
Regelungen (§ 8 Abs. 4 S. 6 bis 9 BayKompV) schon in Kraft getreten ist, ansonsten aber erst am
01.09.2014 in Kraft tritt). Die Landesregierungen können diese Ermächtigung auch durch
Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.

199 Da die planerische Eingriffsregelung auf das vorangehend angeführte Folgenbewältigungsprogramm


Bezug nimmt ist es erforderlich, die einzelnen Elemente dieses Folgenbewältigungsprogramms näher
zu betrachten. § 14 Abs. 1 BNatSchG enthält eine gegenüber dem BNatSchG-alt (vgl. § 18 Abs. 1
BNatSchG -2002) unveränderte Legaldefinition für den »Eingriff in Natur und Landschaft«.
Danach handelt es sich bei Eingriffen in Natur und Landschaft um »Veränderungen der Gestalt oder
Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung
stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder
das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können«. Von Bedeutung hierbei ist zunächst, dass
nach der angeführten Legaldefinition auf Veränderungen abgestellt wird. Diese greifen begrifflich
nämlich weiter als bloße Einwirkungen (Krautzberger/Wagner: in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 66). Nicht vom Begriff der »Veränderungen«
erfasst, werden allerdings stoffliche Einträge, mindestens soweit sie nicht zu Veränderungen der
Bodengestalt führen wie etwa Emissionen von Industrieanlagen. Diese unterfallen dann anderen
umweltrechtlichen Bestimmungen.

200 Es gelten daher nicht alle Handlungen als Eingriff in Natur und Landschaft, sondern es findet eine
Beschränkung auf drei Handlungstypen statt, die zu einer Beeinträchtigung der
Schutzgegenstände Naturhaushalt und Landschaftsbild führen können (zu den
Tatbestandsmerkmalen, vgl. OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 05.06.2012 – 8 A 10594.12 –, NuR 2012, 568
[OVG Rheinland-Pfalz 05.06.2012 - 8 A 10594/12.OVG] ; VGH Baden-Württemberg, U. v. 15.12.2011
– 5 S 2100/11 –, NuR 2012, 130, 134). Um als Eingriff zu gelten, muss eine Veränderung
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 23/71
der äußeren Erscheinung (Gestalt),

der Funktion (Nutzung) von Grundflächen

oder des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels

vorgenommen werden, die den inneren (Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts) oder
äußeren (Landschaftsbild) Wert der Fläche herabsetzt (vgl. auch (Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.),
Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 14 Rn. 5; Fischer-Hüftle/Czybulka, in:
Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., Stuttgart, 2011, § 14 Rn. 2, die dies mit »Ursache«
und »Wirkung« umschreiben oder Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 14
Rn. 9, die von »Eingriffshandlung« und »Eingriffswirkung« spricht).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 117 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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200a Regelmäßig durchgeführte Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Unterhaltung von


Verkehrswegen und ihnen zugehörigen Betriebsanlagen sowie auch die natur- und
landschaftsverträgliche sportliche Betätigung fallen nicht unter den Eingriffsbegriff, da mit ihnen
regelmäßig die Änderung der Gestalt oder der Funktion von Grundflächen nicht verbunden ist und sie
auch nicht zu einer erheblichen Herabsetzung des inneren oder äußeren Wertes einer Fläche führen
Während die Veränderung der äußeren Erscheinung regelmäßig am Landschaftsbild erkennbar ist
und deshalb einer weiteren Erläuterung nicht bedarf, liegt eine Nutzungsänderung von Grundflächen
immer dann vor, wenn eine vorhandene Nutzung durch eine andere ersetzt wird. Dies gilt etwa für die
Umnutzung von Wiesen in Ackerland. Im Übrigen ist die inhaltliche Reichweite des Begriffes der
»Nutzungsänderung« noch weit gehend ungeklärt (siehe hierzu: Koch, in: Kerkmann,
Naturschutzrecht in der Praxis, 2. Aufl., Berlin, 2010, § 4 Rn. 18 ; abstellend auf den Einzelfall, OVG
Lüneburg, B. v. 28.05.2015 – 4 LA 275.14 –, NuR 2015, 486, 488). Nach der neueren
Rechtsprechung können auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für anderweitig zugelassene
Eingriffe in Natur und Landschaft selbst den Tatbestand des Eingriffs erfüllen (vgl. BVerwG, B.
v. 28.01.2009 – 7 B 45.08 –, NVwZ 2009, 521 f.). Das mit dem BNatSchGNeuregG im Jahr 2002 in die
Legaldefinition über »Eingriffe in Natur und Landschaft« neu aufgenommene Tatbestandsmerkmal
der Veränderung des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels
bezieht sich erstmals auf solche Handlungen, denen es an einem Grundflächenbezug mangelt,
wie bspw. der Absenkung des Grundwasserspiegels (Stich, ZfBR 2002, 547). Die in diesem Sinne
vorgenommene Ergänzung geht auf die Rechtsprechung des OVG Lüneburg (U. v. 24.06.1996 – 3 L
4259.94 –, NuR 1997, 253) zurück, nach der die Neubewilligung einer Grundwasserentnahme aus
einer vorhandenen Wassergewinnungsanlage nicht unter den Eingriffsbegriff fällt. Inwieweit die
vorgenommene Erweiterung des Eingriffsbegriffs nun zu einer tatsächlichen planungspraktischen
Relevanz führt, bleibt abzuwarten.

201 Damit wird ein wichtiger Tatbestand ausdrücklich in den Wortlaut der Eingriffsdefinition übernommen.
Das Grundwasser (zum Begriff des Grundwassers, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 27.07.2010
– 9 A 2967.08 –, NuR 2011, 293) wird im Rahmen der Eingriffsdefinition insoweit erfasst, als es für die
Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts Bedeutung hat. Dies wird dadurch klargestellt,
dass auf den mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels abgestellt
wird. Schwankungen des Grundwasserspiegels sind rechtlich dann von Bedeutung, wenn sie zu
solchen Änderungen führen, die den Naturhaushalt erheblich beeinträchtigen (ausführlich: Stich, UPR
2002, 166).

202 Der Begriff des Naturhaushalts wird in § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG definiert. Unter Naturhaushalt
sind insoweit »seine Bestandteile Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das
Wirkungsgefüge zwischen ihnen« zu ver-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 118 – Lfg. 33 – 01.05.2016
<< >>
stehen. Zur Ermittlung der Beeinträchtigungen der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des
Naturhaushalts findet in der planungspraktischen Anwendung der eingriffsrechtlichen Bestimmungen,
ausgehend von den angeführten Teilkomponenten, eine schutzgutbezogene Betrachtung statt, mit
der das Ziel, der Bestimmung der tatsächlich in Mitleidenschaft gezogenen Funktionen des
Naturhaushaltes verfolgt wird. Mit dem Begriff der »Leistungs- und Funktionsfähigkeit des
Naturhaushalts« wird an § 1 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG angeknüpft (im Einzelnen: (Lütkes , in:
ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 14 Rn. 15 f.)

203 Obwohl einer Beeinträchtigung des Naturhaushalts nach dem Wortlaut der Vorschrift die des
Landschaftsbilds gleichgestellt ist, so bedarf es inhaltlich doch der Differenzierung. In d.S. liegt eine
Beeinträchtigung des Landschaftsbildes dann vor, wenn die Veränderung von einem für die
Schönheiten der natürlich gewachsenen Landschaft aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter, als
nachteilig empfunden wird (BVerwG, U. v. 27.09.1990 – 4 C 44.87 –, BVerwGE 85, 348 ). Beim
Landschaftsbild geht es daher nicht um das objektive Funktionieren der natürlichen Gegebenheiten,
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 24/71
sondern um seine Wirkung auf den Menschen (OVG Münster, U. v. 30.06.1999 – 7a D 144.97.NE –,
ZfBR 2000, 57), mit der Folge, dass der Wert des Landschaftsbildes in Abhängigkeit von der
Wertentscheidung desjenigen steht, auf den das Landschaftsbild einwirkt (optisch-ästhetisches
Element). Aus diesem Grund ist das Landschaftsbild einer objektiven Betrachtung nach rein
naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten entzogen. Das Landschaftsbild im eingriffsrechtlichen Sinne
enthält insoweit auch subjektive Elemente, wie sie bspw. durch Gerüche, die Lärmsituation,
Vogelgezwitscher oder auch durch den Erholungswert der Landschaft gekennzeichnet sind.

204 Gleichwohl liegt eine Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und
des Landschaftsbilds nicht bereits bei jeder Veränderung vor. Vielmehr müssen die
Beeinträchtigungen erheblich, also nach ihrer objektiven Gewichtigkeit schwerwiegend und dauerhaft
sein (Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 14 Rn. 19 spricht
von »einem spürbaren Gewicht«). Im Gegensatz zur vormals geltenden Bestimmung wird hierbei
nicht mehr auf eine »erhebliche oder nachhaltige«, sondern nur noch auf eine »erhebliche«
Beeinträchtigung abgestellt (vgl. vormals § 8 Abs. 1 BNatSchG -1976). Mit der Neuregelung des
Eingriffstatbestandes ist das Merkmal der Nachhaltigkeit entfallen. In der Begründung zum
Gesetzesentwurf wird diesbezüglich zu Recht darauf hingewiesen, dass ein erheblicher Eingriff
regelmäßig auch nachhaltig ist, so dass sich im Hinblick darauf auch keine materielle Änderung der
Rechtslage ergibt (vgl. BT-Drucks. 411/01 vom 01.06.2001, S. 87).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 119 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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I. d. S. werden Beeinträchtigungen im Allgemeinen nur dann als erheblich zu bewerten sein, wenn sie
auch von einer gewissen Nachhaltigkeit sind. Als Maßstab ist für die Erheblichkeit auf das
Gefährdungspotential des Eingriffs abzustellen und danach zu fragen, in welchem Umfang,
Auswirkungen auf die bestehenden ökologischen Strukturen zu erwarten sind. Insoweit bedarf es
auch der Berücksichtigung von Vorbelastungen, und zwar sowohl in Bezug auf den Naturhaushalt als
auch auf das Landschaftsbild.

205 § 14 Abs. 2 und Abs. 3 BNatSchG befassen sich mit der land-, forst- und
fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung (kritisch zu den freistellenden Regelvermutungen
Möckel, NuR 2012, 225, 227 ff.). Schon bisher (vgl. § 18 Abs. 2 S. 1 BNatSchG -2002) wurde die
ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung nicht vom
Eingriffsbegriff erfasst (s. heute § 14 Abs. 2 S. 1 BNatSchG ), soweit dabei jedenfalls die Ziele des
Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden (im Einzelnen hierzu: BVerwG, U.
v. 06.11.2012 – 9 A 17.11 –, BeckRS 2013, 50523); Fischer-Hüftle/Czybulka, in: Schumacher/Fischer-
Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., Stuttgart, 2011, § 14 Rn. 57 ff.). Auch verbleibt es bei der bislang in § 18
Abs. 2 S. 2 BNatSchG -2002 schon vorhandenen und nunmehr in § 14 Abs. 2 S. 2 BNatSchG
enthaltenen widerlegbaren Regelvermutung für die Beachtung der Ziele des Naturschutzes und der
Landschaftspflege unter Wahrung einer »guten fachlichen Praxis« im Sinne von § 5 Abs. 2 bis 4
BNatSchG sowie der Anforderungen, die sich aus § 17 Abs. 2 BBodSchG ergeben. Ob von einer
konkreten landwirtschaftlichen Nutzung eine Beeinträchtigung droht, ist zuvörderst eine
naturschutzfachliche Frage.

205a Ebenfalls beibehalten wird eine Freistellung von der Eingriffsregelung, wenn es sich um die
Wiederaufnahme einer land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung handelt, die wegen
einer vertraglichen Vereinbarung oder auf Grund einer Teilnahme an öffentlichen Programmen zur
Bewirtschaftungsbeschränkung zeitweise eingeschränkt oder unterbrochen war (ausführlich: Lütkes ,
in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 14 Rn. 35 ff.). Voraussetzung ist
allerdings, dass die Wiederaufnahme der Nutzung innerhalb von zehn Jahren nach Auslaufen der
Einschränkung oder Unterbrechung erfolgt (vgl. § 14 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ). Diese Fristfestlegung
als bundesrechtliche Vollregelung ist neu, denn bislang blieb den Ländern die Fristbestimmung
überlassen, innerhalb derer die Wiederaufnahme der Bodennutzung erfolgen musste. Völlig neu
geschaffen wurde auch eine weitere Regelung, nach der bei einer auf Grund der Durchführung von
vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen unterbrochenen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen
Bodennutzung eine Wiederaufnahme stattfindet (vgl. § 14 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG ). Allerdings steht
dies unter der Voraussetzung, dass die vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen nicht in Anspruch
genommen worden sind. Nicht ganz

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 120 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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nachvollzogen werden kann dabei jedoch, warum solche Kompensationsmaßnahmen nicht in einen
Flächen- und/oder Maßnahmenpool aufgenommen und insoweit für die Durchführung von anderen
eingriffsrelevanten Bodennutzungen herangezogen werden (so zu Recht: Louis , NuR 2010, 77, 81).
Selbst wenn eine ökologische Aufwertung noch nicht stattgefunden hat, so sind zumindest die
Eignung sowie auch eine grundsätzliche Verfügbarkeit der Fläche für die Durchführung von
Kompensationsmaßnahmen wohl abschließend geklärt. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch
noch darauf hinzuweisen, dass § 14 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG nur von den Anforderungen der
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 25/71
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung befreit, nicht jedoch von anderen gegebenenfalls
erforderlichen Maßgaben anderer Vorschriften, etwa des Wasserrechts, die bei der Wiederaufnahme
einer Bodennutzung relevant werden können.

205b Auf der Grundlage von § 18 Abs. 4 BNatSchG -2002 konnten die Länder vom bundesrechtlichen
Eingriffsbegriff abweichen und sog. »Positiv- oder Negativlisten« aufstellen, um in erster Linie
den Verwaltungsvollzug zu erleichtern, indem sie auf eine Einzelfallprüfung verzichten zu können.
Diese den Ländern an die Hand gegebene Möglichkeit, ein bestimmtes Maß an Einheitlichkeit im
Verwaltungsvollzug zu erreichen, besteht seit dem Inkrafttreten des BNatSchG-2010 nicht mehr
(auch Michler/Müller, NuR 2011, 81; wohl auch: Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom
BNatSchG, § 14 Rn. 3, 7 ff.; offener Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz,
München, 2011, § 14 Rn. 22: lediglich in engen Grenzen und unter der Voraussetzung der
Vereinbarkeit mit § 13 BNatSchG ). Z. B. in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg,
Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein existieren solche landesrechtlichen Regelungen
mit teilweise umfangreichen Positiv- und/oder Negativlisten. Gleichwohl sind die Länder nicht
gehindert, im Rahmen von Verwaltungsvorschriften solche widerleglichen Vermutungen, wie sie in
den Positiv- oder Negativlisten enthalten sind, zu regeln.

206 Für den Fall, dass die Tatbestandsmerkmale eines Eingriffs in Natur und Landschaft erfüllt sind, tritt
das in einem Stufenverhältnis stehende Folgenbewältigungsprogramm der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in Kraft (vgl. ausführlich Lau, NuR 2011, 762 ff.).
Grundsätzlich zu unterscheiden sind hierbei folgende Stufen:

Stufe 1: Vermeidung,

Stufe 2: Ausgleich oder Ersatz,

Stufe 3: Abwägung,

Stufe 4: Ersatzzahlung.

a) Vermeidung
207 Das Folgenbewältigungsprogramm bei Eingriffen in Natur und Landschaft verlangt zunächst eine
Klärung darüber, ob ein Eingriff in Natur und Landschaft

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 121 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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überhaupt vorliegt. Ist dies der Fall, so ist auf der ersten Stufe nach den Möglichkeiten zu seiner
Vermeidung zu fragen. Die hierfür einschlägige Rechtsgrundlage stellt § 15 Abs. 1 BNatSchG dar.
Nach dieser Bestimmung ist der Verursacher eines Eingriffs verpflichtet, vermeidbare
Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen.

208 Dieses sog. »Vermeidungsgebot« ist am Vorsorgegrundsatz ausgerichtet, denn vermeidbare


Eingriffe in Natur und Landschaft sollen von vorneherein unterlassen werden. Vermiedene
Beeinträchtigungen an Natur und Landschaft treten erst gar nicht auf und brauchen, anders als beim
Ausgleich, auch nachträglich nicht beseitigt zu werden. Die Verpflichtung zur Vermeidung bezieht sich
nur auf die Art und den Umfang, also auf die konkrete Ausführung des Vorhabens und nicht auf
seine Zulässigkeit selbst. Insoweit geht es bei dem Vermeidungsgebot nicht um die Nicht-
Durchführung eines Vorhabens, sondern vielmehr um seine Natur und Landschaft in größtmöglichem
Umfange schonende Realisierung (BVerwG, B. v. 18.09.2014 – 7 B 6.14 –, NVwZ-RR 2015, 15
Rn. 15). Die von einer i.d.S. gefundenen Projektalternative verursachten Beeinträchtigungen von
Natur und Landschaft sind hinzunehmen, denn sie gelten als unvermeidbar. Vor diesem Hintergrund
bezieht sich der Vermeidungsgrundsatz daher nicht auf die Prüfung von Standortalternativen
(ebenso: Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 7). Es
geht vielmehr darum, »am gleichen Ort«, also dem gewählten Standort eine möglichst
naturschutzfreundliche Ausführungsvariante des Projekts zu wählen (so BT-Drucks. 16/12274, S. 57;
Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 14). Außerdem kann auf der
Grundlage des naturschutzrechtlichen Vermeidungsgebots nicht verlangt werden, bei mehreren in
Betracht kommenden Standorten, den ökologisch optimalen auszuwählen (BVerwG, U. v. 07.03.1997
– 4 C 10.96 –, BVerwGE 104, 144 sowie U. v. 19.03.2003 – 9 A 33.02 –, NVwZ 2003, 1120).

208a Auch geht es bei dem Vermeidungsgebot nicht um die Nicht-Durchführung eines Vorhabens (sog.
»Nullvariante«), sondern vielmehr um seine Natur und Landschaft in größtmöglichem Umfang
schonende Realisierung (auch Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München,
2011, § 15 Rn. 7; Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 14). Das
Vermeidungsgebot setzt folglich die Durchführung des Vorhabens voraus (vgl. hierzu BVerwG, B.
v. 03.03.2005 – 9 B 10.05 –, BeckRS 2005, 24465), sonst wäre jeder Eingriff in Natur und Landschaft
auch gleichzeitig vermeidbar. Vor diesem Hintergrund bestimmt § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG , in
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 26/71
Anlehnung an die einzelnen Naturschutzgesetze der Länder nunmehr bundesrechtlich neu, wann
durch einen Eingriff zu erwartende Beeinträchtigungen vermeidbar sind. Dies ist dann der Fall,
»wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder
mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind.« Typische
Vermeidungsmaßnahmen

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 122 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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bestehen bspw. im Erhalt schützenswerter Vegetation, insbesondere von Einzelbäumen oder in der
Naturschonenden Ausgestaltung von Bodeninanspruchnahmen, vor allem durch die Verwendung von
wasserdurchlässigen Materialien bei der Bodenversiegelung.

209 Das Ausmaß der Beeinträchtigungen soll im Rahmen des Vermeidbaren begrenzt werden (BVerwG, U.
v. 07.03.1997 – 4 C 10.96 –, BVerwGE 104, 144 und BVerwG, U. v. 21.03.1996 – 4 C 19.94 –,
BVerwGE 100, 370 ). Bei der Vermeidungspflicht handelt es sich um eine strikt bindende Regelung
(BVerwG, U. v. 30.10.1992 – 4 A 4.92 –, NVwZ 1993, 565), und zwar insoweit, als sie die
fachrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens an bestimmte Folgepflichten knüpft, die allerdings durch
die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begrenzt sind. Durch die in § 15 Abs. 2 S. 2
BNatSchG enthaltene Bezugnahme auf die »Zumutbarkeit« kommt dies im Übrigen auch deutlich
zum Ausdruck.

209a Eng mit dem Vermeidungsverbot verbunden ist ein Minimierungsgebot für Eingriffe, durch das
zumindest eine teilweise Vermeidung des Eingriffs angestrebt werden soll (BVerwG, U. v. 21.08.1991
– 4 B 104.90 –, NVwZ 1991, 69). Nach § 17 Abs. 7 BNatSchG ist es nunmehr Aufgabe der
zuständigen Behörde, die frist- und sachgerechte Durchführung der Vermeidungsmaßnahmen zu
prüfen (aber mehr fordernd: Gellermann, NVwZ 2010, 73, 76, der den Eingriffsverursacher nicht nur
auf die Erbringung einer Kompensationsleistung verpflichtet haben, sondern auch für den
Kompensationserfolg in Anspruch nehmen und eine behördliche Erfolgskontrolle ausgestalten
möchte; vgl. insoweit auch Hösch, UPR 2015, 81, 85 ff.). Die zuständige Behörde kann vom
Eingriffsverursacher sogar die Vorlage eines Berichts über die Durchführung von
Vermeidungsmaßnahmen verlangen. Das Minimierungsgebot kann in der bauleitplanerischen
Abwägung allerdings überwunden werden.

210 Gleichwohl darf das Vermeidungsgebot nicht darauf reduziert werden, den zum Zeitpunkt der
Veränderungen des Lebensraums aktuellen Zustand, der oft auf zufällige Ereignisse zurückzuführen
ist, zu konservieren. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (U. v. 16.12.2004 – 4 A 11.04 –, NVwZ
2005, 589; dass., B. v. 18.09.2014 – 7 B 6.14 –, NVwZ-RR 2015, 15 Rn. 16)) will das
Vermeidungsverbot zwar den Status-Quo der gegebenen Situation erhalten. Da der Zustand der
Natur aber nicht statisch ist, soll ihr durch die Vermeidung oder Minderung der Eingriffsfolgen auch
die Chance gegeben werden, sich zu entwickeln (»natürliche Dynamik«, vgl. BVerwG, B.
v. 18.09.2014 – 7 B 6.14 –, NVwZ-RR 2015, 15 Rn. 16). Allerdings werden nach der angeführten
Entscheidung des BVerwG künftige naturräumliche Entwicklungen durch das Vermeidungsgebot nur
insoweit geschützt, als ihr Eintritt tatsächlich zu erwarten ist. Nicht Maßstabbildend sind Visionen
und Hoffnungen (zur und wohl auch für eine prophylaktische Offenhaltung der Entwicklungschancen
der Natur im Rahmen des Vermeidungsgebots: Götze/Lau, DVBl 2006, 415 ff. ).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 123 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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210a Ergänzend eingefügt wurde § 15 Abs. 1 S. 3 BNatSchG , der dem Verursacher eines Eingriffs eine
besondere Begründungslast auferlegt, wenn Beeinträchtigungen im Einzelfall nicht zu vermeiden
sind. In Anbetracht des vorangehend Dargelegten erweist sich eine derartige Verpflichtung des
Eingriffsverursachers nicht nur als sinnvoll, sondern auch als sachgerecht. Dies führt zu einer
fachinhaltlichen Stärkung der Bedeutung des Vermeidungsgebots. Erforderlich ist deshalb eine sich
mit den Folgen des Eingriffs für die einzelnen Schutzgüter des Naturhaushalts sowie des
Landschaftsbilds befassende Begründung zur Unvermeidbarkeit des Eingriffsvorhabens (zu Recht
weisen Hendler/Brockhoff, NVwZ 2010, 733, 734 darauf hin, dass dabei nur eine schutzgut- und
funktionsbezogene Betrachtung den Anforderungen der Begründungspflicht genügt; a. A.
Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 19, die die Begründungslast bei der
Behörde sieht). Dies dient auch der Begrenzung der durch den Eingriffsverursacher bereit zu
stellenden Flächen für die Kompensation nicht vermeidbarer Eingriffe in Natur und Landschaft und
trägt insoweit auch zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden bei. Die Vorschrift ergänzt § 17
Abs. 4 BNatSchG , wonach durch den Verursacher eines Eingriffs bestimmte Unterlagen und
Angaben vorzulegen sind.

b) Ausgleich und Ersatz


211 Die nächste Stufe im Folgenbewältigungsprogramm betrifft die Kompensation von unvermeidbaren
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 27/71
Beeinträchtigungen eines erheblichen Eingriffs in Natur und Landschaft. Im Zusammenhang mit den
eingriffsrechtlichen Elementen des Ausgleiches sowie des Ersatzes hat schon das
BNatSchGNeuregG aus dem Jahr 2002 eine maßgebliche Veränderung gebracht. Während noch nach
altem Recht (vgl. § 8 Abs. 2 und 9 BNatSchG -1976) das Folgenbewältigungsprogramm für Eingriffe in
Natur und Landschaft zwischen der Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen und den ohnehin allein
landesrechtlich zu regelnden Ersatzmaßnahmen noch die Stufe der naturschutzrechtlichen
Abwägung vorsah, wurden gemäß den Neuregelungen in § 19 Abs. 2 BNatSchG -2002 die
Ersatzmaßnahmen den Ausgleichsmaßnahmen gleichgestellt und als Alternative für die Kompensation
von Eingriffen in Natur und Landschaft, und zwar schon vor der Stufe der naturschutzrechtlichen
Abwägung, normiert. In d. S. bestimmte § 19 Abs. 2 , dass der Verursacher zu verpflichten ist,
unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege
vorrangig auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder in sonstiger Weise zu kompensieren
(Ersatzmaßnahmen). Durch diese Neuregelung entfiel die Abgrenzung zwischen
Ausgleichsmaßnahmen als vor der Abwägung zu prüfendes Tatbestandsmerkmal einerseits und
Ersatzmaßnahmen als Rechtsfolge, die nach Abwägung zu Gunsten des Eingriffs zu prüfen ist,
andererseits (Stich, UPR 2002, 166).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 124 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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212 Nach der heute maßgeblichen Bestimmung in § 15 Abs. 2 BNatSchG sind für die Kompensation von
unvermeidbaren Beeinträchtigungen eines erheblichen Eingriffs in Natur und Landschaft Ausgleichs-
oder Ersatzmaßnahmen heranzuziehen. In diesem Zusammenhang ist auf einige Neuregelungen und
Regelungsänderungen durch das BNatSchG-2009 hinzuweisen. So ist der Vorrang von
Ausgleichsmaßnahmen gegenüber Ersatzmaßnahmen entfallen. Weitere Neuanforderungen betreffen
die Anerkennung von Kompensationsmaßnahmen, die Qualität von Kompensationsflächen, die
Maßnahmenbevorratung sowie die Unterhaltung und rechtliche Sicherung von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen.

212a Vor diesem Hintergrund ist zunächst erneut auf Veränderungen im Verhältnis der eingriffsrechtlichen
Elemente des Ausgleichs und Ersatzes hinzuweisen. Wie schon im BNatSchG-2002 so ist auch bei
den Neuregelungen des BNatSchG-2009 auf die in der Praxis immer wieder zu Problemen führende
Differenzierung zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingewirkt worden. Nach § 15 Abs. 2
S. 1 BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs zunächst verpflichtet, unvermeidbare
Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen
(Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Ausgeglichen ist eine
Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in
gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht
wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ähnlich wie § 15 Abs. 2 S. 2 BNatSchG für den Begriff des
»Ausgleichs«, enthält § 15 Abs. 2 S. 3 BNatSchG für den Begriff des »Ersatzes« nähere
Erläuterungen. Danach ist eine Beeinträchtigung ersetzt, »wenn und sobald die beeinträchtigten
Funktionen des Naturhaushalts in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild
landschaftsgerecht neu gestaltet ist«. Der Bundesgesetzgeber stellt damit unmissverständlich klar,
dass zwischen Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen deutlich zu differenzieren ist (auch
Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 9; Guckelberger,
in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 43). Ausgleich ist eben kein Ersatz, bei dem es nur
um die Gleichwertigkeit der Maßnahmen geht. Allerdings stellen beide naturschutzrechtlichen
Elemente, sowohl der »Ausgleich« als auch der »Ersatz«, auf eine Erhaltung bzw. auf eine
gleichartige (»in gleichartiger Weise«) und bei Ersatzmaßnahmen auf eine gleichwertige (»in
gleichwertiger Weise«) Wiederherstellung ab und tragen so der zwischen dem Eingriff und den für
seine Kompensation erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bestehenden funktionalen
Komponente Rechnung (auch: Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München,
2011, § 15 Rn. 22). Dies ergibt sich durch die Bezugnahme auf die jeweils »beeinträchtigten
Funktionen« in § 15 Abs. 2 S. 2 und 3 BNatSchG (siehe hierzu auch: BVerwG, U. v. 27.10.2000 – 4 A
18.99 –, BVerwGE 112, 140 Rn. 16 ). Mit diesen beiden Verursacherpflichten verknüpft ist eine
wichtige, aus fachlicher Sicht unabding-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 125 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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bare Zielsetzung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung: Das Interesse an einer Real- oder
Naturalkompensation.

212b Die Kompensationsverpflichtung erfährt jedoch – wie das Vermeidungsgebot – in den Grenzen des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Einschränkungen (Vgl. BVerwG, B. v. 24.09.1997 – 4 VR 21.96
(4 A 47.969) –, NVwZ-RR 1998, 297; B. v. 11.11.2008 – 9 A 52.07 –, NVwZ 2009, 182 ff.; U.
v. 24.03.2011 – 7 A 3.10 –, NVwZ 2011, 1124 ff.; U. v. 18.03.2009 – 9 A 40.07 –, NVwZ 2009, S: 66,
67 f.; Nieders. OVG, U. v. 22.02.2012 – 7 KS 71.10 –, DVBl 2012, 644 ).

212c Was den Ort der Kompensation angeht, hat sich ebenfalls Änderung gegenüber dem vormaligen
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 28/71
Recht ergeben. Während im bislang geltenden Recht nach § 19 Abs. 2 BNatSchG -2002 die
Notwendigkeit des räumlich-funktionalen Zusammenhangs für das Element des Ausgleichs nicht so
klar enthalten war, hat die Rechtsprechung dies immer als charakteristisch für den Ausgleich
herausgestellt (vgl. BVerwG, U. v. 27.09.1990 – 4 C 44.87 –, BVerwGE 85, 348, 360 ).
Ausgleichsmaßnahmen sind daher nach wie vor durch einen engen räumlichfunktionalen
Zusammenhang mit dem Eingriff (möglichst am Ort der Beeinträchtigung) gekennzeichnet.
Demgegenüber ist bei Ersatzmaßnahmen dieser räumlich-funktionale Zusammenhang gelockert.
Ersetzt sind die Beeinträchtigungen, wenn sie in dem betroffenen Naturraum die beeinträchtigten
Funktionen des Naturhaushalts gleichwertig herstellen und das Landschaftsbild neu gestalten. Was
die räumliche Komponente angeht, so regelt der Bundesgesetzgeber nunmehr erstmals, dass
insoweit eine Kompensation im Naturraum stattfinden soll. Mit der Heranziehung des Naturraums für
den Ersatz, stellt der Bundesgesetzgeber einerseits auf die räumliche Aufteilung Deutschlands in
naturräumliche Haupteinheiten (hierzu genauer: Ssymank, Natur und Landschaft 1994, 395, 402; eine
entsprechende Karte ist verfügbar unter: www. bfn.de/0316_grundsaetze.html), andererseits auf die
schon seit längerem bestehende Rechtsprechung des BVerwG (U. v. 17.08.2004 – 9 A 1.03 –, NuR
2005, 177 unter Berücksichtigung der U. v. 23.08.1996 – 4 A 29.95 –, NuR 1997, 87 sowie vom
09.06.2004 – 9 A 11.03 –, BVerwGE 121, 72 ) ab. Danach ist eine Entfernung von rund 15 km
zwischen dem Eingriffsort und dem Ort für die Durchführung der Ersatzmaßnahme für noch mit der
Bestimmung des Landesnaturschutzrechts als vereinbar angesehen. Im betreffenden Fall lagen
Kompensationsfläche und Eingriffsgebiet im gleichen Naturraum.

212d Eine ähnliche Differenzierung wie bei der räumlich-funktionalen Komponente kann auch für die
Kompensation von Beeinträchtigungen in Bezug auf das Landschaftsbild reklamiert werden. Beim
Ausgleich kann das Landschaftsbild entweder landschaftsgerecht wiederhergestellt oder auch
landschaftsgerecht neugestaltet werden. Dass die Neugestaltung des Landschaftsbildes ebenfalls als
Ausgleich und nicht nur als Ersatz anzusehen ist, hängt wohl mit der Erkenntnis

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 126 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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zusammen, dass es regelmäßig nicht gelingt, eine Wiederherstellung des Landschaftsbildes zu
gewährleisten. Dies hätte der Bundesgesetzgeber auch bei der Gleichstellung von Ausgleich und
Ersatz im Zuge des BNatSchG berücksichtigen und insoweit dem Ausgleich die Wiederherstellung und
dem Ersatz die Neugestaltung zuordnen können (zu Recht: Louis , NuR 2010, 77, 81). Demgegenüber
wird beim Ersatz von vorneherein davon ausgegangen, dass hier – auf Grund des gelockerten
räumlichen Zusammenhangs lediglich eine landschaftsgerechte Neugestaltung vorgenommen werden
kann.

213 Eine zweite wichtige Veränderung bezieht sich auf das Rangverhältnis von Ausgleich und Ersatz.
Gegenüber der Vorgängerregelung in § 19 Abs. 2 S. 1 BNatSchG -2002, nach der der Verursacher zu
verpflichten ist, »unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege vorrangig auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder in sonstiger Weise zu
kompensieren (Ersatzmaßnahmen) hat, ist durch Bundesgesetzgeber eine für die Systematik der
eingriffsrechtlichen Bestimmungen bedeutsame Veränderung vorgenommen worden:
Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen stehen gleichberechtigt nebeneinander, denn nach
§ 15 Abs. 2 S. 1 BNatSchG sind nunmehr Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr »vorrangig«
gegenüber Ersatzmaßnahmen durchzuführen (Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom
BNatSchG, § 15 Rn. 43). I. d. S. enthält auch der allgemeine Grundsatz in § 13 BNatSchG , welcher
auch von einer Gleichrangigkeit von Ausgleich und Ersatz ausgeht. Dies schließt an die schon im
Zusammenhang mit dem BNatSchGNeuregG im Jahr 2002 eingeleitete Entwicklung an, welche sich
zunehmend auch für den Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung – nach
dem Vorbild der planerischen Eingriffsregelung – an eher praxistauglichen Flexibilisierungsansätzen
ausrichtet.

213a Während das alte Recht (vgl. § 8 Abs. 2 und 9 BNatSchG -1976) in Bezug auf das
Folgenbewältigungsprogramm für Eingriffe in Natur und Landschaft zwischen der Durchführung von
Ausgleichsmaßnahmen und den ohnehin allein landesrechtlich zu regelnden Ersatzmaßnahmen noch
die Stufe der naturschutzrechtlichen Abwägung vorsah, wurden schon nach den Neuerungen in § 19
Abs. 2 BNatSchG -2002 die Ersatzmaßnahmen den Ausgleichsmaßnahmen gleichgestellt und als
Alternative für die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft, und zwar schon vor der
Stufe der naturschutzrechtlichen Abwägung, normiert (vgl. Sparwasser/Wöckel, NVwZ 2004,
1189; Anger, NVwZ 2003, 319, 320; Schillhorn, BauR 2002, 1800, 1804 sowie Wolf, NuR 2001, 481,
483). Dadurch entfällt schon seither die Abgrenzung zwischen Ausgleichsmaßnahmen als vor der
Abwägung zu prüfendes Tatbestandsmerkmal einerseits und Ersatzmaßnahmen als Rechtsfolge, die
nach Abwägung zu Gunsten des Eingriffs zu prüfen ist, andererseits.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 127 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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213b Dies aufgreifend sieht § 15 Abs. 2 S. 1 BNatSchG nunmehr weiter gehend vor, dass unvermeidbare
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 29/71
Beeinträchtigungen vom Eingriffsverursacher durch Ausgleichsmaßnahmen oder Ersatzmaßnahmen
zu kompensieren sind, ohne hierbei wie bislang auf die Vorrangigkeit von Ausgleichsmaßnahmen
abzustellen. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen stehen damit gleichrangig nebeneinander (Lütkes ,
in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 9; deutlich auch BVerwG,
B. v. 18.09.2014 – 7 B 6.14 –, NVwZ-RR 2015, 15 Rn. 18). Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
wurde in diesem Zusammenhang sogar erörtert, ob nicht auch Ersatzgeldzahlungen ebenfalls
gleichgestellt werden müssten. Diese Gleichstellung führt jedenfalls dazu, dass im Einzelfall
abzuwägen ist, ob Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen ergriffen werden müssen, um eine
Kompensation der durch ein Vorhaben hervorgerufenen Eingriffe in Natur und Landschaft
gewährleisten zu können. Vor diesem Hintergrund können Ersatzmaßnahmen den
Ausgleichsmaßnahmen im Einzelfall vorgezogen werden, selbst dann, wenn im Einzelfall eine
Kompensation oder auch nur eine Teilkompensation durch Ausgleichsmaßnahmen möglich wäre (wohl
a.A. Michler/Möller, NuR 2011, 81, 83). Gleichwohl steht dies weder im Belieben der zuständigen
Behörde noch des Vorhabenträgers. Vielmehr ist hier im Interesse eines flächendeckenden
Mindestschutzes die fachlich beste und im Verhältnis zu anderen betroffenen Belangen, eine
verhältnismäßige Entscheidung einzufordern (so auch Koch, in: Kerkmann, Naturschutzrecht in der
Praxis, § 4 Rn. 39; Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15
Rn. 29). Zwar entspricht dies nicht mehr vollumfänglich der Intention der eingriffsrechtlichen
Bestimmungen, die primär in der Ergreifung von Ausgleichsmaßnahmen einer der Zielsetzung der
Eingriffsregelung am nächsten kommende Vorgehensweise erwarten lassen dürfte, doch kann
sowohl dem Wortlaut der Bestimmung § 15 Abs. 2 S. 1 BNatSchG als auch dem gesetzgeberisch
Willen eine andersartige Sichtweise nicht entnommen werden. Ersatzmaßnahmen werden daher
durch den Wegfall der Vorrangigkeit des Ausgleichs in ihrer Bedeutung gesteigert.

213c Der Planungspraxis freilich dürfte dies vordergründig zunächst willkommen sein, denn hier bestanden
erhebliche Probleme mit der hierarchischen Stufung von Ausgleich und Ersatz, die nicht zuletzt auch
dazu führten, dass die der Flächenbevorratung oder dem Öko-Konto-Gedanken anhaftenden Vorteile
nicht oder nicht in vollem Umfange ausgeschöpft werden konnten. Denn Ersatzmaßnahmen durften
nur ergriffen werden, wenn die Beeinträchtigungen an Natur und Landschaft mittels
Ausgleichsmaßnahmen nicht oder nicht vollständig kompensiert werden konnten. Die Entscheidung
darüber, welche Maßnahmenart letztlich für die Kompensation des Eingriffs herangezogen wird, trifft
nach § 17 Abs. 1 bis 3 BNatSchG die für die Zulassung des Vorhabens maßgebliche Behörde im
Rahmen des ihr zustehenden Ermessensspielraumes. In die zu treffende Entscheidung muss die
zuständige Behörde auch einstellen, inwieweit auch

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 128 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Rechnung getragen wird (vgl. BVerwG, B. v. 11.11.2008 – 9 A
52.07 –, NVwZ 2009, 182 ff.).

213d Daneben stehen noch weitere Aspekte, die bei der zu treffenden Entscheidung über die zu
ergreifenden Kompensationsmaßnahmen eine Rolle spielen können. Insoweit anzuführen ist zunächst
die Landschaftsplanung, deren Darstellungen zur Kompensation von Eingriffen zu berücksichtigen
sind (vgl. § 15 Abs. 2 S. 5 BNatSchG ). Außerdem ist auch die neugeschaffene Bestimmung in § 15
Abs. 3 S. 1 BNatSchG in die Ermessensentscheidung einzubeziehen, nach der bei der
Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen auf agrarstrukturelle Belange
Rücksicht zu nehmen ist. Schließlich muss sogar vorrangig auch noch geprüft werden, ob der
Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur
Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der
dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds dienen, erbracht werden
kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden (vgl. § 15
Abs. 3 S. 2 BNatSchG ).

213e Bei alledem steht dem Eingriffsverursacher jedenfalls kein Wahlrecht zu (ebenso: Gellermann, NVwZ
2010, 73, 76; Hendler/Brockhoff, NVwZ 2010, 733, 735; Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.),
Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 29; differenzierend: Guckelberger, in:
Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 46, die dem Eingriffsverursacher dabei – wohl auch zu
Recht – jedenfalls ein subjektives öffentliches Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung für
die in Betracht kommenden Möglichkeiten der Naturalkompensation zuweist). Vielmehr obliegt es ihm,
im Rahmen seiner Antragsunterlagen gemäß § 17 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BNatSchG darzulegen, inwieweit
eine Eingriffskompensation nur mittels Ausgleichsmaßnahmen oder ergänzend auch unter
Heranziehung von Ersatzmaßnahmen möglich ist. Auf der Grundlage dieser Vorlagen entscheidet
dann die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der oben genannten Gesichtspunkte. Dadurch
wird es zumindest möglich gemacht, im betroffenen Naturraum angesiedelte, sinnvolle und vor allem
komplexere Kompensationsmaßnahmen zusammenhängend und dadurch zeitlich schneller und
vielleicht auch kostengünstiger durchzuführen. Dann würde für die Planungspraxis in der damit
einhergehenden Flexibilität bei den zu treffenden Kompensationsentscheidungen ein nicht zu
verachtender Vorteil entstehen (so auch Michler/Möller, NuR 2011, 81, 84 f).

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 30/71


213f Da der Bundesgesetzgeber auf eine Vorrangregelung zu Gunsten des Ausgleichs in § 15 Abs. 2 S. 1
BNatSchG verzichtet hat und der für die Zulassung des Eingriffs maßgeblichen Behörde einen
Ermessensspielraum bei ihrer Entscheidung über Ausgleichs- und/oder Ersatzmaßnahmen
eingeräumt hat, obliegt es nunmehr allein der zuständigen Behörde angesichts der konkreten
Sachlage

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 129 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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zu befinden, ob eher Ausgleichs- oder doch Ersatzmaßnahmen bzw. ein Mischverhältnis von ihnen
dazu geeignet sind, die durch den Eingriff hervorgerufenen Beeinträchtigungen an Natur und
Landschaft zu kompensieren (Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München,
2011, § 15 Rn. 29). Der Behörde steht eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, nach
der es ihr allein obliegt darüber zu entscheiden, welches Ermittlungs- oder Bewertungsverfahren
heranzuziehen ist. Entscheidend ist die naturschutzfachliche Vertretbarkeit des Verfahrens (BVerwG,
U. v. 06.11.2012 – 9 A 17.11 –, BeckRS 2013, 50523 Rn. 145; VGH Mannheim, U. v. 10.12.2013 – 5 S
619.12 –, NuR 2014, 724, 733; Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 58).

213g Die dargelegten Änderungen zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen lassen auf der einen Seite in
Bezug auf ihre Anwendung im praktischen Vollzug durchaus Ansätze für die Vereinfachung und
Beschleunigung erkennen, insbesondere soweit es um die Gleichstellung von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen, die Festlegung der räumlichen Komponente des Ersatzes, die Möglichkeit zur
Durchführung von sinnvollen und komplexen Kompensationsmaßnahmen oder die Anerkennung von
sonstigen Kompensationsmaßnahmen geht. Auf der anderen Seite darf aber nicht unberücksichtigt
bleiben, dass trotz der angesprochenen Vereinfachungsansätze, die Komplexität der Bewältigung
der eingriffsrechtlichen Anforderungen zugenommen hat. Deutliche Anzeichen hierfür liefern die
Berücksichtigungspflichten in § 15 Abs. 3 BNatSchG , einerseits in Bezug auf die Agrarklausel in S. 1,
andererseits im Hinblick auf die Prüfpflicht nach S. 2, bei der es sich um Möglichkeiten der
Bewältigung der Kompensationspflicht durch spezifische Kompensationsmaßnahmen (sog.
»produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen«, vgl. Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.),
Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 52 sowie ausführlich: Schrader, NuR 2012, 1,
2 ff.) geht (zu dem insoweit speziell geschaffenen Rücksichtnahmegebot und dem entsprechenden
Prüfauftrag, vgl. BVerwG, U. v. 24.03.2011 – 7 A 3.10 –, NVwZ 2011, 1124 Rn. 38).

213h § 15 Abs. 3 BNatSchG enthält die naturschutzrechtliche Agrarklausel, deren Zielsetzung in der
Schonung land- oder forstwirtschaftlicher Flächen für die Heranziehung als Flächen für die
Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. In diesem Sinne ist bei der Inanspruchnahme
von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen »auf
agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind für die Landwirtschaft
besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu
prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen
zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die
der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds dienen, erbracht werden
kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.« Seit dem
Inkrafttreten der Innenentwicklungs-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 130 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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novelle 2013 am 20.09.2013 gilt diese Bestimmung nach § 1a Abs. 3 S. 5 nunmehr entsprechend bei
der planerischen Eingriffsregelung (vgl. Rdn. 214e , 314a ff. ).

214 Weiterer Gegenstand der Neuregelungen des BNatSchG-2009 die Anerkennung von
Kompensationsmaßnahmen, eine Frage, die in der Planungspraxis sehr häufig und oftmals auch
kontrovers diskutiert wurde. In diesem Sinne regelt nunmehr § 15 Abs. 2 S. 4 BNatSchG , dass
Festlegungen von Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen für Gebiete im Sinne des § 20
Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BNatSchG und in Bewirtschaftungsplänen nach § 32 Abs. 5 BNatSchG , von
Maßnahmen nach § 34 Abs. 5 BNatSchG und § 44 Abs. 5 S. 3 BNatSchG sowie von Maßnahmen in
Maßnahmenprogrammen im Sinne des § 82 WHG einer Anerkennung als Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen nicht entgegenstehen. Damit wird endlich klargestellt, dass Maßnahmen die für die
Entwicklung oder Wiederherstellung von Naturschutzgebieten, Nationalparken oder Nationalen
Naturmonumenten, von Biosphärenreservaten sowie von Landschaftsschutzgebieten ebenso wie
Maßnahmen in Bewirtschaftungsplänen für Natura 2000 Gebieten und
Kohärenzsicherungsmaßnahmen sowie vorgezogene artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen
und Maßnahmen, wie sie für Flussgebiete in Programmen der Wasserwirtschaft festgelegt sind, als
Kompensationsmaßnahmen ohne Weiteres anzuerkennen sind, auch wenn sie wie etwa
Kohärenzsicherungsmaßnahmen i.S.v. § 34 Abs. 5 BNatSchG bereits auf der Grundlage
europarechtlicher Anforderungen durchgeführt werden müssen (befürwortend: Lütkes , in:
ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 32 f.; Reidt, in:
Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 760; kritisch allerdings
Michler/Möller, NuR 2011, 81, 85). Insoweit können nunmehr staatliche Verpflichtungen in Bezug auf
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 31/71
Naturschutz und Landschaftspflege sowie der Wasserwirtschaft auch auf private
Eingriffsverursacher übertragen werden. Anders als bei § 16 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG , wo es um die
Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen geht, kommt es hier auf die rechtliche Verpflichtung zur
Durchführung der Maßnahmen nicht an.

214a Ebenfalls nicht geringe Anforderungen bestehen auch in Bezug auf die Flächen, auf denen die
Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Kompensationsflächen müssen nämlich zu ihren
eigenen Funktionen auch die durch den Eingriff gestörten Funktionen mit übernehmen und insoweit
aufwertungsbedürftig und -fähig sein (siehe hierzu: BVerwG, B. v. 10.09.1998 – 4 A 35.97 –, NVwZ
1999, 532; VGH Kassel, B. v. 24.05.2000 – 4 N 2660.91 –, ZfBR 2001, 129). Diesen
Eignungsvoraussetzungen steht auch nicht entgegen, wenn die betreffende Kompensationsfläche
zugleich der Sanierung eines Altstandortes dient (BVerwG, U. v. 31.01.2006 – 4 B 49.05 –, BVerwGE
124, 201 ). Umgekehrt können geeignete Ausgleichsflächen auch wiederum für neue Eingriffe in
Natur und Landschaft herangezogen werden. Ausgleichsflächen müssen in einen höheren
ökologischen Zustand versetzt und dieser Zustand muss auf Dauer gewährleistet werden kön-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 131 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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nen (BVerwG, U. v. 28.01.1999 – 4 A 8.98 –, NVwZ-RR 1999, 629 [BVerwG 28.01.1999 - 4 A 18/98] ;
VGH Mannheim, U. v. 17.05.2001 – 8 S 2603.00 –, NVwZ-RR 2002, 8). Nach der früheren
Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 23.08.1996 – 4 A 29.95 –, NuR 1997, 87) scheiden für die
Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen zwar grundsätzlich solche Flächen aus, die für den
Naturschutz besonders wertvoll sind. Geeignet sind danach vielmehr biologisch minderwertige
Flächen, die durch Ausgleichsmaßnahmen verbessert werden können. Nicht als Ausgleich angesehen
werden kann daher die bloße Sicherung einer bestimmten Fläche (zur Eignung einer Flutmulde als
Ausgleichsmaßnahme, vgl. VGH Mannheim, U. v. 25.01.2008 – 5 S 210.07 –, BeckRS 2008, 33481).

214b Im Zusammenhang mit der Durchführung von Kompensationsmaßnahmen auf den dafür geeigneten
Flächen steht eine weitere Frage. So wird im Rahmen der Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen
regelmäßig erneut wieder ein Eingriff in Natur und Landschaft vorgenommen, der wiederum
ausgleichspflichtig sein könnte. In seiner neueren Rechtsprechung bejaht das BVerwG (BVerwG, B.
v. 28.01.2009 – 7 B 45.08 –, NVwZ 2009, 521, 522) dies, da auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
auf eine Veränderung der Fläche abstellen. Dann liege es auf der Hand, dass ihnen die Eignung, die
Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich zu
beeinträchtigen, nicht allein deshalb von vorneherein abgesprochen werden könne, weil die Behörde
mit diesen Maßnahmen einen Ausgleich für einen anderweitig zugelassenen Eingriff ins Werk setzen
wolle. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen schieden deshalb nicht schon ihrer Zielrichtung wegen als
Eingriff in Natur und Landschaft aus. Erweist sich daher eine Maßnahme in der
naturschutzfachlichen Gesamtbilanz als günstig, auch wenn sie zunächst eine Beeinträchtigung
des bestehenden naturschutzhaften Zustands darstellt, dann bedarf der mit der Maßnahme zunächst
bewirkte Eingriff keiner weiteren Kompensation durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, da die an
sich erforderliche Kompensation in die ökologische Gesamtbilanz regelmäßig eingeht. Nur wenn die
Gesamtbilanz keine Verbesserung der in Anspruch genommenen Fläche ausweist, hat die Ausgleichs-
oder Ersatzmaßnahme und damit der mit ihr verbundene Eingriff regelmäßig zu unterbleiben (in
diesem Sinne schon BVerwG, B. v. 10.09.1998 – 4 A 35.97 –, NVwZ 1999, 532; bejahend auch für
den Fall, dass die eingriffsverursachende Maßnahme auch den Ausgleich (vgl. BVerwG, B.
v. 18.09.2014 – 7 B 6.14 –, NVwZ-RR 2015, 15 Rn. 18; VGH Mannheim, U. v. 10.12.2013 – 5 S
619.12 –, NuR 2014, 724, 733) beinhaltet).

214c Die Frage nach der Aufwertungsfähigkeit kann in der Praxis ohnehin nur unter Betrachtung der
konkreten Sachfrage, also im Einzelfall, zu einem Ergebnis gebracht werden. Nach hier angeführten
neuen Entscheidungen des BVerwG ist es nunmehr höchstrichterlich geklärt, dass auch bereits
ökologisch wertvolle Flächen, die etwa als Landschafts- oder Naturschutzgebiet schon unter Schutz
stehen, grundsätzlich als Kompensationsflächen in Frage kommen können, dass aber

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 132 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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vor ihrer Inanspruchnahme geklärt werden muss, ob nicht auch auf eine Alternativfläche mit
geringerer ökologischer Wertigkeit zurückgegriffen werden kann (BVerwG, B. v. 28.01.2009 – 7 B
45.08 –, NVwZ 2009, 521, 522). Der Zugriff auf Privateigentum scheidet aus, wenn
Kompensationsmaßnahmen an anderer Stelle, insbesondere auf Flächen der öffentlichen Hand,
ebenfalls Erfolg versprechen (vgl. BVerwG, B. v. 07.07.2010 – 7 VR 2.10 (7 A 3.10) –, BeckRS 2010,
51166; Nieders. OVG, U. v. 22.02.2012 – 7 KS 71.10 –, DVBl 2012, 644 ; siehe auch Reidt, in:
Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 762). Bei der anzustellenden
Beurteilung darf nicht das Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens, sondern nur das
Interesse an einem Ausgleich der zu kompensierenden Beeinträchtigungen von Natur und
Landschaft ins Verhältnis zu den Auswirkungen der Flächeninanspruchnahme für den Betroffenen
gesetzt werden (BVerwG, U. v. 18.03.2009 – 9 A 40.07 –, NVwZ 2010, 66 ff.; Nieders. OVG, U.
v. 22.02.2012 – 7 KS 71.10 –, DVBl 2012, 644 ).
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 32/71
214d Auf die qualitative Eignung einer Fläche für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wirkt auf der
Grundlage von § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG nunmehr noch eine weitere Anforderung ein, die neu
geschaffene »naturschutzrechtliche Agrarklausel«. Danach ist bei der Inanspruchnahme von
land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen »auf
agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere für die landwirtschaftliche Nutzung
besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen.« Mit dieser
Regelung wird das Ziel verfolgt, das zunehmend bestehende Spannungsverhältnis, das aus der
Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen resultiert, auszugleichen, indem als besondere Ausprägung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Rücksichtnahmegebot zu Gunsten insbesondere
landwirtschaftlicher Flächen ausgestaltet wird (vgl. BT-Drucks. 16/12274, S. 57. Hierzu auch: BVerwG,
B. v. 11.11.2008 – 9 A 52.07 –, NVwZ 2009, 182 ff.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die
betreffende Fläche schon landwirtschaftlich genutzt ist, vielmehr reicht es aus, wenn sie dafür nur
geeignet ist. Eine absolute Schranke für die Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich
genutzten Flächen wird hierdurch nicht aufgebaut, wohl aber eine Prüf- und Begründungspflicht im
Rahmen der zu treffenden Entscheidungen. Der Bundesgesetzgeber regelt hier im Grunde
genommen »nachgezogen« einen Sachverhalt, der bei sachgemäßer Festlegung der
Kompensationsflächen eigentlich schon immer entscheidungsleitend war. Die Praxis hat sich aber
anders dargestellt und deshalb ist eine solche Regelung grundsätzlich zu begrüßen, doch müsste sie
umgekehrt auch bei Infrastrukturvorhaben ihre Berücksichtigung und nicht nur bei Flächen für
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Anwendung finden.

214e Die den Eingriff zulassende Behörde, in deren Regime die Berücksichtigung der
naturschutzrechtlichen Agrarklausel fällt, hat bei der Heranziehung von

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 133 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen vielmehr vorrangig zu prüfen, ob die
Kompensation auch durch Entsiegelungsmaßnahmen (z. B. nicht mehr genutzte bauliche Anlagen für
Wohn-, Gewerbe- oder Industriezwecke, aber auch Infrastrukturanlagen), Maßnahmen zur
Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der
dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds dienen, erbracht werden
kann. Ähnlich wie bei der Bodenschutzklausel des § 1a Abs. 2 S. 1 sowie der mittlerweile erweiterten
Umwidmungssperrklausel gemäß § 1a Abs. 2 S. 2 und 4 (vgl. Rdn. 107 ff. ) benennt der
Bundesgesetzgeber das zu absolvierende Prüfprogramm auch in § 15 Abs. 3 S. 2 BNatSchG .
Allerdings ist zwischen den angeführten Entsiegelungsmaßnahmen, den Maßnahmen zur
Wiedervernetzung von Lebensräumen und den Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen insoweit zu
differenzieren, als letztere nur herangezogen werden dürfen, wenn sie die Voraussetzung erfüllen,
dass sie der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds dienen. Allerdings
gilt diese Anforderung wohl für alle Kompensationsalternativen. Hierdurch soll vermieden werden,
dass Flächen für die Kompensation von Eingriffen aus der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung
herausgenommen werden (auch: Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz,
München, 2011, § 15 Rn. 47). Im Rahmen der Innenentwicklungsnovelle 2013 bestimmt der neu
eingefügte § 1a Abs. 3 S. 5 eine entsprechende Geltung des § 15 Abs. 3 BNatSchG auch für die
Bauleitplanung (Flächennutzungspläne, Bebauungspläne, vorhabenbezogene Bebauungspläne) und in
diesem Kontext auch für Ergänzungssatzungen (ausführlich unten Rdn. 234 ).

215 Die Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen ist Gegenstand einer Neuregelung in § 16


Abs. 1 BNatSchG , mit der die bislang teilweise in den einzelnen Landesnaturschutzgesetzen
verankerten Ökokonten sowie Maßnahmenpools oder ähnliche »Ansparinstrumente« zur
Maßnahmenbevorratung nunmehr auch bundesrechtlich eingeführt werden. Damit wird eine zeitliche
Flexibilisierung zwischen der Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und dem
eigentlichen Eingriff in Natur und Landschaft vorgenommen, wie es bei der planerischen
Eingriffsregelung schon seit vielen Jahren gängige Praxis ist. Es geht dabei um die Anerkennung von
Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die im Hinblick auf zu erwartende
Eingriffe durchgeführt werden, als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Mit der
Maßnahmenbevorratung wird eine schon seit dem Inkrafttreten des Baurechtskompromisses im Jahr
1993 bestehende und in der Praxis vieldiskutierte Frage nach der Anrechenbarkeit von im Sinne des
Naturschutzes und der Landschaftspflege stehenden Maßnahmen aufgegriffen, die mit Blick auf einen
in näherer Zukunft zu erwartenden Eingriff schon im Vorgriff einer Kompensationsverpflichtung
durchgeführt werden. Hiervon erfasst werden insbesondere solche Ausgleichs-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 134 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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und Ersatzmaßnahmen, die von Dritten durchgeführt und dann für die Planung und Realisierung von
Vorhaben zur Verfügung gestellt werden.

215a § 16 Abs. 1 BNatSchG stellt dafür fünf Anforderungen als Voraussetzungen für die Anerkennung
solcher Maßnahmen:
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 33/71
Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 BNatSchG müssen erfüllt sein, es muss durch die
betreffende Maßnahme also der funktionalen Komponente des Ausgleichs oder Ersatzes
Rechnung getragen werden.

Die Maßnahme darf nicht aufgrund von rechtlichen Verpflichtungen durchgeführt worden sein,
wie sie etwa bei einem kompensationspflichtigen Vorhaben entstanden sind.

Es dürfen keine öffentlichen Fördermittel bei der Durchführung der Maßnahme in Anspruch
genommen worden sein.

Die Maßnahme darf den Aussagen der Landschaftsplanung nach den §§ 10 und 11 BNatSchG
nicht widersprechen.

Schließlich muss auch eine Dokumentation des Ausgangszustands der Fläche vorliegen, da nur
so der funktionalen Komponente des Ausgleichs oder Ersatzes Rechnung getragen werden
kann. Nach § 16 Abs. 2 BNatSchG obliegt es den Ländern, die Dokumentationspflichten näher
zu regeln. Derlei landesrechtliche Regelungen bleiben in Bezug auf die an die Anerkennung von
Maßnahmen normierten Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 BNatSchG unberührt.

215b Werden diese Voraussetzungen allesamt durch eine Maßnahme erfüllt, dann besteht ein
Rechtsanspruch auf Anerkennung, mit der Folge, dass die über den Eingriff in Natur und
Landschaft entscheidende Zulassungsbehörde dies in die zu treffende Zulassungsentscheidung
einzubeziehen hat. Allerdings hat der Bundesgesetzgeber alles Weitere, über die Anforderungen an
eine grundsätzliche Anerkennung hinausgehende, den Ländern überlassen. Soweit diese nach § 16
Abs. 2 BNatSchG für die Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen Ökokonten, Flächenpools oder
andere Maßnahmen zum Einsatz bringen, sind insbesondere die Erfassung, Bewertung und Buchung
vorgezogener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, ihre Genehmigungsbedürftigkeit und
Handelbarkeit sowie der Übergang der Verantwortung nach § 15 Abs. 4 BNatSchG auf Dritte zu
regeln.

216 Nach § 18 Abs. 5 BNatSchG -2002 wurden die Länder ermächtigt, weitere Vorschriften, unter
anderem auch zur Sicherung der Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, zu
erlassen. Dies greift nunmehr § 15 Abs. 4 BNatSchG ausdrücklich auf, erweitert die Vorschrift aber
zudem durch die Anforderung, dass hiervon auch Unterhaltungsmaßnahmen nicht nur für die
Herstellungs- und Entwicklungspflege, sondern auch darüber hinausgehend erfasst werden, soweit
sie nicht schon selbst Gegenstand der Ausgleichs- oder

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 135 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Ersatzmaßnahme sind (vgl. BT-Drucks. 16/12274, S. 58). So wird verlangt, dass Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern
sind. Für viele in der Praxis Tätige wird dieser gesetzgeberische Schritt begrüßt, wenngleich die
Bundesländer schon weitgehend solche Regelungen in ihren Landesnaturschutzgesetzen haben
(oftmals in der Form von Kompensationsflächenkatastern, vgl. Übersicht bei Koch, in: Kerkmann,
Naturschutzrecht in der Praxis, § 4 Rn. 106).

217 Die rechtliche Sicherung kann auf unterschiedliche Art erfolgen. In Frage kommen,

die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nach § 1090 BGB ,

die Reallast nach § 1105 BGB ,

der Abschluss eines Pachtvertrages nach § 581 ff. BGB

sowie auf öffentlich-rechtlicher Seite die Übernahme einer Baulast nach dem Bauordnungsrecht
der Länder.

Nicht näher berücksichtigt werden vorliegend die Möglichkeiten der Flurbereinigung (vgl. dazu:
Bunzel, Bauleitplanung und Flächenmanagement bei Eingriffen in Natur und Landschaft, 1999,
S. 110 ff.) Die Übernahme einer Baulast erfolgt im Sinne einer Duldungsbaulast, bei der sich der
Grundstückseigentümer verpflichtet, sein Grundstück für die Durchführung von
Ausgleichsmaßnahmen dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Da Baulasten nur eine öffentlich-
rechtliche Sicherung darstellen, ist zusätzlich der Abschluss etwa eines Pachtvertrages erforderlich,
damit die Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen auch zivilrechtlich gesichert ist. Allerdings sehen
nicht alle Länder in ihren Bauordnungen Regelungen über die öffentlich-rechtliche Sicherung
baurechtlich bedeutsamer Zustände durch Baulasten vor.

218 Schließlich benennt § 15 Abs. 4 S. 3 BNatSchG den Personenkreis abschließend, der in Anspruch zu
nehmen ist. Verantwortlich für die Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen ist danach der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger. Bestimmt wird
der Unterhaltungszeitraum durch die den Eingriff zulassende Behörde im Zulassungsbescheid (vgl.
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 34/71
§ 15 Abs. 4 S. 2 BNatSchG ). Hierbei sind Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Die
zulassende Behörde hat außerdem die Aufgabe, die frist- und sachgemäße Durchführung der
Vermeidungs- sowie der festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der
erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen zu prüfen. Hierbei ist davon auszugehen, dass auch
Vermeidungsmaßnahmen, die eine dauerhafte Unterhaltung erfordern, von § 15 Abs. 4 BNatSchG mit
erfasst werden, wenngleich dort lediglich von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen die Rede ist. Dies
verlangt § 17 Abs. 7 S. 1 BNatSchG . Die zulassende Behörde kann hierzu sogar nach § 17 Abs. 7 S. 2
BNatSchG vom Verursacher des Eingriffs die Vorlage eines Berichts verlangen.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 136 – Lfg. 28 – 01.07.2014
<< >>

Des Weiteren räumt § 17 Abs. 5 S. 1 BNatSchG der Zulassungsbehörde zur Erfüllung der Pflichten
aus § 15 BNatSchG die Möglichkeit ein, die Leistung einer Sicherheit bis zur Höhe der
voraussichtlichen Kosten für die Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen zu verlangen. Auf die
Sicherheitsleistungen sind dann die §§ 232 bis 240 BGB anzuwenden (vgl. § 17 Abs. 5 S. 2 BNatSchG
).

c) Naturschutzrechtliche Abwägung

219 § 15 Abs. 5 BNatSchG normiert eine Zulassungsschranke (Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.),
Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 65) und bestimmt, dass ein Eingriff nicht
zugelassen oder durchgeführt werden darf, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder
nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind und die Belange des Naturschutzes
und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft
anderen Belangen im Range vorgehen. Es handelt sich dabei um die dritte Stufe des
Folgenbewältigungsprogramms, bei der es genauer betrachtet um eine Folgenbewältigung durch
Untersagung des Eingriffs geht, weil so erhebliche Beeinträchtigungen – trotz Vermeidungs-,
Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen – zurückbleiben, die eine Zulassung oder Durchführung des
Eingriffs nicht rechtfertigen. Auf einen einfachen Nenner gebracht, geht es bei dieser
naturschutzrechtlichen Abwägung im Rahmen der Bestimmungen über Eingriffe in Natur und
Landschaft um die Bedeutung des Vorhabens für das Allgemeinwohl oder für Private auf der einen
Seite sowie die Bedeutung des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds bzw. des verbleibenden
Rests nicht vermeidbarer und nicht ausgleichbarer oder ersetzbarer Beeinträchtigungen von Natur
und Landschaft, die dem Vorhaben auf der anderen Seite gegenüber gestellt werden (Fischer-
Hüftle/Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., Stuttgart, 2011, § 15 Rn. 131,
133; Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 68).

220 Bei der Abwägung i. S. v. § 15 Abs. 5 BNatSchG geht es um eine interne naturschutzfachliche
Fragestellung in Bezug auf den Eingriff und seine Kompensation. Es handelt sich dabei um eine
»echte« Abwägung, die nur eingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BVerwG, U.
v. 27.09.1990 – 4 C 44.87 –, BVerwGE 85, 348, 362 ). Sie ist von der bauleitplanerischen oder
fachplanerischen Fragestellung zu unterscheiden, bei der das Ergebnis der naturschutzinternen
Abwägung in die bauleitplanerische oder fachplanerische Abwägung einfließt. Nach der einschlägigen
Rechtsprechung des BVerwG (U. v. 17.01.2007 – 9 C 1.06 –, BVerwGE 128, 76 sowie U.
v. 18.03.2009 – 9 A 40.07 –, NVwZ 2010, 66; U. v. 06.11.2012 – 9 A 17.11 –, BeckRS 2013, 50523
Rn. 145), verfügt die Zulassungsbehörde im Rahmen der naturschutzrechtlichen Abwägung zwar
über eine fachliche Einschätzungsprärogative bei der Ermittlung der Größenordnung des
Ausgleichsdefizits und über Spielräume bei der Gewichtung

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 137 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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und vergleichenden Bewertung der abzuwägenden Belange. Dies gelte allerdings nur, soweit sich die
naturschutzrechtliche Abwägung im Zuge eines durch planerische Gestaltungsfreiheit der
Zulassungsbehörde geprägten Planfeststellungsverfahrens vollziehe. Bei der naturschutzrechtlichen
Abwägung gehe es nicht um die planerische Ausgestaltung des Vorhabens, sondern um die
Begrenzung und Bewältigung der mit ihm verbundenen Eingriffsfolgen. Daraus ergibt sich, dass die
naturschutzrechtliche Abwägung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens als rechtlich nicht voll
determiniert zu betrachten ist, mit der Folge, dass die Gerichte nicht selbst abzuwägen, sondern
nachzuprüfen haben, ob die behördliche Abwägung sich in dem vorgegebenen rechtlichen Rahmen
hält (BVerwG, U. v. 17.01.2007 – 9 C 1.06 –, BVerwGE 128, 76 ). Ob sich Ausgleichsdefizite ergeben,
hängt daher von der gerichtlich nicht voll überprüfbaren fachlichen Einschätzung der Behörde ab.
Demgegenüber entfällt der behördliche Abwägungsspielraum im Zusammenhang mit der
naturschutzrechtlichen Abwägung, wenn diese mit einer gesetzlich voll gebundenen
Zulassungsentscheidung wie bei der Baugenehmigung für ein Außenbereichsvorhaben i.S.v. § 35
Abs. 1 verknüpft ist (vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2001 – 4 C 3.01 –, NVwZ 2002, 1112). Hier handelt es
sich nach der angeführten Rechtsprechung um eine »nachvollziehende« Abwägung, die auch
gerichtlich voll überprüfbar ist. Dem Außenbereichsvorhaben ist sowohl ein bauplanungsrechtlicher
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 35/71
als auch ein naturschutzrechtlicher Charakter beizumessen, so dass dieses Vorhaben zwar
bauplanungsrechtlich zulässig, aber eingriffsrechtlich unzulässig sein kann (Guckelberger, in:
Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 85).

221 Den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege kommt dabei kein prinzipieller
Vorrang vor den übrigen planerischen Gesichtspunkten zu (BVerwG, B. v. 22.05.1996 – 4 B 30.95 –,
NVwZ 1997, 217). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Beeinträchtigungen von Natur und
Landschaft, die weder vermeidbar noch ausgleichsfähig oder ersetzbar sind, regelmäßig schwer
wiegen und zu ihrer Überwindung auch entsprechend gewichtige gegenläufige Belange verlangen. Als
grobe Faustregel kann hierbei herangezogen werden, dass je größer das Kompensationsdefizit in
Relation zur Schwere des Eingriffs ist, desto mehr spricht dafür, dass die Belange des Naturschutzes
und der Landschaftspflege im Range vorgehen. Einen allgemeinen Vorrang oder ein generell höheres
Gewicht der Belange des Schutzes von Natur und Landschaft gegenüber anderen für oder gegen das
Vorhaben sprechenden Belangen in der fachplanerischen Abwägung hat das Vermeidungs- oder
Ausgleichsgebot nicht zur Folge. Die Rechtsprechung hebt dies immer wieder hervor (BVerwG, B.
v. 03.03.2005 – 9 B 10.05 –, BeckRS 2005, 24465).

222 Die bislang in § 19 Abs. 3 S. 2 BNatSchG -2002 enthaltene Regelung berücksichtigte den besonderen
Artenschutz und verlangte, dass, soweit als Folge des Eingriffs Biotope zerstört werden, die für dort
wild lebende Tiere und wild wachsende Pflanzen der streng geschützten Arten nicht ersetzbar sind,
der Eingriff nur

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 138 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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zulässig ist, wenn er aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses
gerechtfertigt ist. Diese Regelung ist auf Grund einer unzureichenden Umsetzung europarechtlicher
Vorgaben des Artenschutzes im BNatSchG-2009 entfallen (vgl. EuGH, U. v. 10.01.2006 – C-98/03 ,
NuR 2006, 166, 167 sowie BT-Drucks. 16/12274, S. 58).

d) Ersatzzahlung
223 Mit der Vermeidungs- und Minimierungspflicht von Eingriffen in Natur und Landschaft, der Ausgleichs-
oder Ersatzpflicht und der naturschutzrechtlichen Abwägung endete das bundesrahmenrechtlich
vorgegebene Folgenbewältigungsprogramm der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Den
Ländern war allerdings durch § 19 Abs. 4 BNatSchG -2002 die Möglichkeit eröffnet, weiter gehende
Regelungen zu erlassen und damit das Folgenbewältigungsprogramm zu ergänzen. Dazu wies der
Gesetzgeber unter anderem die Länder auf die Möglichkeit hin, Regelungen über Ersatzzahlungen zu
treffen, wie sie bis dorthin auch schon von vielen Ländern, allerdings unter gänzlich verschiedenen
Voraussetzungen, in ihrem jeweiligen Landesbereich bereitgestellt wurden (zur Zulässigkeit von
derartigen Abgaben, vgl. BVerwG, U. v. 04.07.1986 – 4 C 50.83 –, BVerwGE 74, 308 sowie U.
v. 20.01.1989 – 4 C 15.87 –, BVerwGE 81, 220 ). Sinn und Zweck von Ersatzzahlungen sind darin
zu sehen, dass dann, wenn eine Realkompensation nicht oder nicht vollständig möglich ist (z.B. bei
Eingriffen in das Landschaftsbild bei Windkraftanlagen), der Eingriffsverursacher nicht aus seiner
Verantwortung entlassen wird. Praktische Anwendungsfälle sind vor allem bei massiven Eingriffen in
das Landschaftsbild zu sehen, ggf. auch in der Verfügbarkeit von Ausgleichsflächen, etwa im
hochverdichteten Ballungsraum. Allerdings dürfte durch die Einbeziehung des Naturraums (vgl. oben
Rdn. 212c ) als regelmäßig in Frage kommender Kompensationsraum der Anwendungsbereich
finanzieller Instrumente eingeschränkt sein.

223a § 15 Abs. 6 S. 1 BNatSchG enthält nunmehr eine bundesrechtliche Regelung über die Ersatzzahlung
und gestaltet insoweit die vierte Stufe des Folgenbewältigungsprogramms aus. Das Ersatzgeld ist eine
verfassungsrechtlich zulässige, insbesondere mit der grundgesetzlichen Finanzverfassung kompatible
öffentliche Abgabe, die durch das Verursacherprinzip zu rechtfertigen ist (vgl. OVG Berlin, B.
v. 25.02.2015 – OVG 11 N 139.14 –, NuR 2015, 325, 325; Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.),
Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 76; Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom
BNatSchG, § 15 Rn. 102 ff., 105). Damit soll aber ein Freikaufen von der Kompensationsverpflichtung
gerade nicht ermöglicht werden. Vielmehr stellt die Ersatzzahlung die letzte Stufe der Kompensation
dar, durch die nicht vermeidbare, nicht ausgleichbare oder ersetzbare Beeinträchtigungen, in Fällen in
denen die Naturschutzbelange gegenüber den Vorhabenbelangen nachrangig sind, eben durch
Geldleistungen abgegolten werden. Sie ist

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 139 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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gegenüber der Real- oder Naturalkompensation nachrangig. Dies entspricht im Übrigen auch
dem allgemeinen Grundsatz in § 13 BNatSchG . Wird nämlich ein Eingriff auf der Grundlage der
naturschutzrechtlichen Abwägung nach § 15 Abs. 5 BNatSchG zugelassen oder durchgeführt,
obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen
oder zu ersetzen sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten.

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 36/71


223b In § 15 Abs. 6 S. 2 bis 7 BNatSchG wird dann Genaueres über die Bemessung, Festsetzung,
Entrichtung und Verwendung von Ersatzzahlungen geregelt (zur Einordnung und rechtlichen
Qualität von Verwaltungsvorschriften (vgl. Bayerischer VGH, B. v. 03.07.2014 – 22 ZB 14/652 ,
NVwZ-RR 2014, 920 Rn. 12). In d.S. bemisst sich nach § 15 Abs. 6 S. 2 BNatSchG die Ersatzzahlung
grundsätzlich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchgeführten Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und
Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und
Verwaltungskosten (Grundlage hierbei ist der sog. »Wiederherstellungskostenansatz; hierzu OVG
Nordrhein-Westfalen, U. v. 09.12.2014 – 16 A 1397/12 , NuR 2015, 276, 277). Sind diese nicht
feststellbar, bemisst sie sich nach Dauer und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der dem
Verursacher daraus erwachsenden Vorteile (vgl. § 15 Abs. 6 S. 3 BNatSchG ). § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 2
BNatSchG enthält eine entsprechende Ermächtigung an das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Erlass einer Rechtsverordnung über die Höhe der
Ersatzzahlung und das Verfahren zu ihrer Erhebung. Festgesetzt wird die Ersatzzahlung von der
Zulassungsbehörde im Zulassungsbescheid oder, wenn der Eingriff von einer Behörde durchgeführt
wird, vor der Durchführung des Eingriffs (vgl. § 15 Abs. 6 S. 4 BNatSchG ). Die Zahlung ist vor der
Durchführung des Eingriffs zu leisten (vgl. § 15 Abs. 6 S. 5 BNatSchG ). Es kann aber auch ein
anderer Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt werden. Dann soll eine Sicherheitsleistung verlangt
werden (vgl. § 15 Abs. 6 S. 6 BNatSchG ). Schließlich wird in § 15 Abs. 6 S. 7 BNatSchG noch geregelt,
dass die Ersatzzahlung zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege möglichst in dem betroffenen Naturraum zu verwenden ist, für die nicht bereits
nach anderen Vorschriften eine rechtliche Verpflichtung besteht.

223c Da Ersatzzahlungen nur erhoben werden dürfen, wenn weder Ausgleichs-noch Ersatzmaßnahmen
möglich sind, kann mit diesem Geld auch keine Wiederherstellung der durch den Eingriff
beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts oder ein gleichwertiger Ersatz hierfür finanziert
werden (hierzu: Sparwasser/Wöckel, NVwZ 2004, 1189, 1193). Möglich ist allein, eine
Art zusätzliche Aufwertung von Natur und Landschaft durch wirkliche, unmittelbar wirkende
Maßnahmen zu ermöglichen (Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München,
2011, § 15 Rn. 78), keinesfalls jedoch bestehende Kompensationspflichten abzugelten (perspektivisch
Fischer-Hüftle, NuR 2011, 461 ff.).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 140 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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4. Verhältnis zu städtebaulichen Planungen


224 Für einen umfassenden Natur- und Landschaftsschutz von entscheidender Bedeutung ist die Frage,
inwieweit das mit den §§ 13–16 BNatSchG ausgestaltete Folgenbewältigungsprogramm auch bei der
Schaffung von Bauland für Wohn-, Gewerbe-, Industrie- sowie für Infrastrukturanlagen, also im
Rahmen der Fach- und Gesamtplanung zur Anwendung gebracht werden kann. Obwohl die
Bestimmungen über Eingriffe in Natur und Landschaft bereits 1976 in Kraft getreten sind, ist diese
Fragestellung erstmals in der Mitte der achtziger Jahre thematisiert und diskutiert worden (vgl. zur
Entstehungsgeschichte Rdn. 156 ff.). Auf der Grundlage der mit dem InvWobaulG geschaffenen §§ 8
a–c BNatSchG-alt wurde der Baurechtskompromiss mit dem BauROG 1998 weiter entwickelt (vgl.
Rdn. 174 ff. ) und die Bestimmungen über die Berücksichtigung der Anforderungen der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in der Bauleitplanung noch einmal maßgeblich modifiziert.
Das Gesetzgebungsverfahren zum BauROG 1998 stand in wechselseitiger Beziehung zu dem
ebenfalls für eine umfassende Novellierung vorgesehenen BNatSchG (vgl. Rdn. 177 ). So war eine
vollständige Neufassung der eingriffsrechtlichen Bestimmungen in der parallel zum BauROG 1998
stattfindenden Novelle zum BNatSchG im Rahmen des BNatSchGNeuregG beabsichtigt, doch ist die
Gesetzesinitiative schließlich vom Bundesrat mehrheitlich abgelehnt und erst im Jahr 2002 dann
realisiert worden. Der Gesetzgeber sah sich angesichts dieser Entwicklung dann dazu veranlasst, bei
der Ausgestaltung des BauROG 1998, die erforderlichen Änderungen und Ergänzungen in Bezug auf
die auch für die Bauleit- und Fachplanung äußerst bedeutsamen naturschutzrechtlichen Eingriffs- und
Ausgleichsbestimmungen in diesem als Artikelgesetz ausgestalteten Regelwerk gewissermaßen
»vorweg« vorzunehmen.

225 Art. 6 Nr. 1 BauROG 1998 enthielt daher unter der Überschrift »Änderung des
Bundesnaturschutzgesetzes« eine vollständige Neufassung der maßgeblichen Vorschriften
des § 8a BNatSchG-alt (vgl. Rdn. 170 ). Daneben kam auch der neuen in Art. 6 Nr. 2 BauROG 1998
enthaltenen Bestimmung nicht geringe Bedeutung zu, denn durch die Regelung wurden die §§ 8b und
c BNatSchG-alt aufgehoben, mit der Folge, dass die nach diesen Vorschriften zulässigen
landesrechtlichen Abweichungsbefugnisse mit dem Inkrafttreten des BauROG 1998 ihre Gültigkeit
verloren. Allerdings ermächtigte die mittlerweile durch Fristablauf obsolet gewordene Bestimmung in
§ 246 Abs. 6 BauGB -alt die Länder zu bestimmen, dass die Gemeinden bis zum 31.12.2000 nicht
verpflichtet sind, die planerische Eingriffsregelung anzuwenden, soweit den Belangen des
Naturschutzes und der Landschaftspflege auf andere Weise Rechnung getragen werden konnte (vgl.
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 37/71
Rdn. 190 ).

226 Von grundlegender Bedeutung ist dabei die Entscheidung des Gesetzgebers, die städtebaulich
relevanten Sachverhalte in das BauGB zu übernehmen und dadurch für Bauleitpläne und
Ergänzungssatzungen eine eigene planerische Eingriffsre-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 141 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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gelung auszugestalten. Die rechtliche Grundlage der planerischen Eingriffsregelung ist daher nicht
mehr im BNatSchG, sondern seit dem Inkrafttreten des BauROG 1998 im BauGB verankert. Für
Bauleitpläne (Flächennutzungspläne, Bebauungspläne, vorhabenbezogene Bebauungspläne) und
Ergänzungssatzungen hat eine Bewältigung der eingriffsrechtlichen Anforderungen allein nach den
Vorschriften des Städtebaurechts zu erfolgen. Heranzuziehen sind infolgedessen die
städtebaurechtlichen Maßstäbe, die für die Aufstellung, Ergänzung, Änderung und Aufhebung von
Bauleitplänen maßgeblich sind.

227 Mit dem am 04.04.2002 in Kraft getretenen BNatSchGNeuregG ist das BNatSchG dann erst vier Jahre
später tatsächlich umfassend novelliert worden. Die in § 8a BNatSchG-alt enthaltene Regelung ist
unverändert in § 21 BNatSchG -2002 übernommen worden. Durch das BNatSchG-2009 ist diese
Bestimmung nunmehr in § 18 BNatSchG enthalten. Inhaltliche Veränderungen wurden nicht
vorgenommen, so dass sich für das Verhältnis von Naturschutzrecht und Städtebaurecht daraus
folgende Struktur ergibt:

§ 18 Abs. 1 BNatSchG regelt das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu


Bauleitplänen und zu Ergänzungssatzungen.

§ 18 Abs. 2 BNatSchG regelt das Verhältnis der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zu


den Bestimmungen über die Zulässigkeit von Vorhaben.

§ 18 Abs. 3 BNatSchG regelt das Verfahren zur Beteiligung der für Naturschutz und
Landschaftspflege zuständigen Behörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bei der
Zulassung von Einzelvorhaben.

§ 18 Abs. 4 BNatSchG regelt das Verfahren, soweit bei der Zulassung von Bauvorhaben nach
§ 34 BauGB , durch das Vorhaben ein Umweltschaden (vgl. Richtlinie 2004/35/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung
von Umweltschäden (Umwelthaftungs-RL) v. 21.04.2004, ABl. EU 2004 Nr. L 143 S. 56, zul.
geänd. in ABl. EU 2006 Nr. L 102 S. 15) i.S.v. § 19 BNatSchG verursacht werden kann.

Für das Städtebaurecht findet sich die Kernregelung in § 1a Abs. 3, ergänzt um weitere
Regelungen (vgl. Rdn. 229 f. ) im sonstigen Städtebaurecht. Nach § 1a Abs. 3 ist folgende Struktur
kennzeichnend:

§ 1a Abs. 3 S. 1 regelt die Berücksichtigung der eingriffsrechtlichen Elemente der Vermeidung


und des Ausgleichs von zu erwartenden Eingriffen in Natur und Landschaft bei Bauleitplänen
und Ergänzungssatzungen.

1a Abs. 3 S. 2 bis 4 regelt die verschiedenen Möglichkeiten der Durchführung des Ausgleichs
der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft bei Bauleitplänen und
Ergänzungssatzungen.

§ 1a Abs. 3 S. 5 regelt eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 3 (naturschutzrechtliche


Agrarklausel) auch für Bauleitpläne und Ergänzungen.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 142 – Lfg. 33 –
01.05.2016 << >>

§ 1a Abs. 3 S. 6 regelt die Nicht-Anwendung der planerischen Eingriffsregelung für den Fall,
dass die Eingriffe bereits vor der planerischen Entscheidung erfolgt sind oder zulässig waren.
Auf diese Bestimmung nimmt § 13a Abs. 2 Nr. 4 für Bebauungspläne im beschleunigten
Verfahren nach § 13a Bezug, soweit es sich dabei um solche Pläne handelt, die der Fallgruppe
des § 13a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 unterfallen (vgl. Rdn. 180 ).

5. Eingriffsregelung nach dem Städtebaurecht (planerische


Eingriffsregelung)
228 Die planerische Eingriffsregelung stellt sich insgesamt betrachtet als eine logische Weiterentwicklung
der mit dem InvWobaulG angestoßenen Vorverlagerung der Verpflichtung zur Bewältigung der
Eingriffs- und Ausgleichsproblematik von den Zulassungs- oder Genehmigungsebenen auf die Stufen
der Planung und der nachfolgenden Überführung der bauleitplanungsbezogenen Sachverhalte
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 38/71
unmittelbar in das Städtebaurecht durch das BauROG 1998 dar. In diesem Sinne regelt die heute
geltende Bestimmung in § 1a Abs. 3 S. 1, dass die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich
erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit
des Naturhaushalts in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7a bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach
dem Bundesnaturschutzgesetz) in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 zu berücksichtigen sind.
Wenngleich § 1a Abs. 3 S. 1 durch den Klammereintrag »Eingriffsregelung nach dem
Bundesnaturschutzgesetz« auf die eingriffs- und ausgleichsbezogenen Regelungen des
Naturschutz- und Landschaftspflegerechts verweist, so kann dem das Verhältnis zum Baurecht
regelnden § 18 Abs. 1 BNatSchG für die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines
Bauleitplans oder einer Satzung nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 , soweit aus ihnen Eingriffe in Natur und
Landschaft zu erwarten sind, umgekehrt eine Rückverweisung auf die Vorschriften des BauGB
entnommen werden. Demgegenüber verbleiben die grundlegenden Bestimmungen über »Eingriffe in
Natur und Landschaft« sowie die diesbezüglich maßgeblichen Legaldefinitionen weiterhin im
BNatSchG (vgl. Rdn. 199 f. ). Die als widerlegliche Vermutungen ausgebildeten landesrechtlichen
Positiv- und Negativlisten über Eingriffe in Natur und Landschaft sind bei der planerischen
Eingriffsregelung nicht weiter zu beachten (so auch W. Schrödter, § 1a Rn. 47). Auch im Hinblick
darauf besteht die Notwendigkeit grundsätzlich zwischen einer naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung einerseits und einer eigens für Bauleitpläne und Ergänzungssatzungen
konzipierten »planerischen Eingriffsregelung« andererseits zu unterscheiden.

229 Der planerischen Eingriffsregelung liegen folgende Bestimmungen zu Grunde:

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 143 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Ausgangspunkt ist § 1a Abs. 3 S. 1, wonach die eingriffsrechtlichen Elemente der Vermeidung


und des Ausgleichs in der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1 Abs. 7 zu
berücksichtigen sind.

Der Ausgleich erfolgt dabei durch geeignete Darstellungen nach § 5 als Flächen zum
Ausgleich und Festsetzungen nach § 9 als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich (vgl.
§ 1a Abs. 3 S. 2).

Soweit dies mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der
Raumordnung sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist, können die
Darstellungen und Festsetzungen nach § 1a Abs. 3 S. 2 auch an anderer Stelle als am Ort
des Eingriffs erfolgen (vgl. § 1a Abs. 3 S. 3).

Diesbezüglich kann § 9 Abs. 1a S. 1 folgende Regelung entnommen werden: »Flächen oder


Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3 können auf den Grundstücksflächen, auf
denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im
sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan
festgesetzt werden«. Angesichts der Möglichkeit der sog. »planexternen Kompensation«
wird den Gemeinden dadurch die Gelegenheit zur Aufstellung eines sog. »Ausgleichs- oder
Kompensationsbebauungsplans« gegeben.

Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift ist auf den ebenfalls mit dem Bau-ROG 1998 neu
geschaffenen und durch das EAG Bau 2004 modifizierten § 200a hinzuweisen, durch den der
eigentlich zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bestehende Unterschied im Hinblick auf
die räumliche Komponente für die Bewältigung der Eingriffs- und Ausgleichsproblematik im
Rahmen der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen oder von
Ergänzungssatzungen aufgegeben wird. Dementsprechend bestimmt § 200a S. 1 , dass
»Darstellungen für Flächen zum Ausgleich und Festsetzungen für Flächen oder Maßnahmen
zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3« auch Ersatzmaßnahmen umfassen.

Gleichlautend mit § 1a Abs. 3 S. 3 ist nach § 200a S. 2 ein unmittelbarer räumlicher


Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich nicht erforderlich, soweit dies mit einer
geordneten städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des
Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar ist.

Neben dieser räumlichen Abkoppelung findet durch § 135a Abs. 2 S. 2 gleichzeitig auch eine
zeitliche Loslösung von Eingriff und Ausgleich statt. In diesem Sinne können Maßnahmen
zum Ausgleich bereits vor den Baumaßnahmen und der Zuordnung durchgeführt werden.

Zur Gewährleistung der Refinanzierbarkeit der bei der Verwirklichung des Ausgleichs
an anderer Stelle entstehenden Kosten, können sowohl die Ausgleichsflächen als auch die
entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten
sind, ganz oder teilweise

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 144 – Lfg. 28 –
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 39/71
01.07.2014 << >>
zugeordnet werden. Dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten
Flächen (§ 9 Abs. 1a S. 2 ).

Außerdem können die Gemeinden bereits auf der Ebene der Flächennutzungsplanung eine
entsprechende Zuordnungsdarstellung treffen. Diesbezüglich bestimmt § 5 Abs. 2a , dass
Flächen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3 im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans
den Flächen, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, ganz oder teilweise
zugeordnet werden können.

Nach § 1a Abs. 3 S. 4 können an Stelle von Darstellungen und Festsetzungen auch


vertragliche Vereinbarungen gemäß § 11 oder sonstige geeignete Maßnahmen zum
Ausgleich auf von der Gemeinde bereit gestellten Flächen getroffen werden.

Nach § 1a Abs. 3 S. 5 gilt die naturschutzrechtliche Agrarklausel in § 15 Abs. 3 BNatSchG


entsprechend.

Handelt es sich um die Überplanung bereits beplanter bzw. bebauter Gebiete, so


bestimmt § 1a Abs. 3 S. 5, dass dann ein Ausgleich nicht erforderlich ist.

230 Ergänzend zu diesen im Zentrum der planerischen Eingriffsregelung stehenden Bestimmungen sind
weitere, auch auf das BauROG 1998 zurückgehende Regelungen im Hinblick auf den Vollzug der
Eingriffs- und Ausgleichsregelungen ergänzend von Bedeutung. Sie sind im großen Umfange
zwar lediglich klarstellend und wurden außerdem, jedenfalls teilweise, schon länger im
planungspraktischen Vollzug angewandt. Es handelt sich dabei um die Vorschriften des
Vorkaufsrechts (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 ) sowie des Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmenrechts
(vgl. § 147 S. 2 und § 148 Abs. 2 S. 2 sowie § 154 Abs. 1 S. 4 und § 156 Abs. 1 S. 2 ; hierzu genauer:
Molitor, ZfBR 1998, 72 ff. und Gerstinger, ZfBR 1998, 65 ff.). Damit die für den Ausgleich
erforderlichen Flächen erleichtert beschafft werden können, wurden auch die Gesetzesbestimmungen
über die Umlegung an mehreren Stellen ergänzt (vgl. § 55 Abs. 2 S. 2 und 3 und Abs. 5 , § 57 S. 2 ,
§ 59 Abs. 1 und 9 und § 61 Abs. 1 S. 2 ; ausführlich hierzu: Müller-Jökel, VR 1997, 333 ff. sowie
Stadler, ZfBR 1998, 12 ff.).

231 Mit der Durchführung und Refinanzierung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen


befassen sich die an die Bestimmungen über die Erschließung angefügten §§ 135a bis c, die im
Rahmen der Ausgestaltung des BauROG 1998 vor allem eine stärkere Anpassung an das
Erschließungsbeitragsrecht sowie an das Kommunalabgabenrecht der Länder erfahren haben und die
bis auf die diesbezüglichen geringfügigen Änderungen mit den vormals geltenden Vorschriften nach
§ 8a Abs. 3 bis 5 BNatSchG-alt identisch sind.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 145 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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232 Schließlich ist noch auf § 243 Abs. 2 hinzuweisen, durch den im Zuge der
Überleitungsvorschriften geklärt wird, dass auf Bauleitplanverfahren, die vor dem 01.01.1998
förmlich eingeleitet worden sind, die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in der bis zum
31.12.1997 geltenden Fassung des BNatSchG-alt weiter angewandt werden kann.

233 Die vorangehend in ihren Grundzügen dargelegten eingriffs- und ausgleichsrechtlichen


Bestimmungen stellen nicht geringe Anforderungen an die Gemeinde im Hinblick auf die Aufstellung,
Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen oder Ergänzungssatzungen. Bei den
Bauleitplänen werden neben dem Flächennutzungsplan und dem klassischen Bebauungsplan auch der
vorhabenbezogene Bebauungsplan sowie der einfache Bebauungsplan vom Anwendungsbereich der
planerischen Eingriffsregelung erfasst. Dabei spielt es keine Rolle, ob das klassische oder vereinfachte
Verfahren zur Anwendung kommt. Nur im Falle des beschleunigten Verfahrens findet die
planerische Eingriffsregelung keine Anwendung, wenn es sich um die Fallgestaltungen des § 13a
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 handelt, in denen eine zulässige Grundfläche von weniger als 20 000 qm festgesetzt
wird (vgl. ausführlich Rdn. 181 ff. ). Trotz des bebauungsplanähnlichen Charakters von
Klarstellungssatzungen (vgl. § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ) und Entwicklungssatzungen (vgl. § 34
Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ) werden in ihrem Geltungsbereich liegende Vorhaben unter eingriffsrechtlichen
Gesichtspunkten dem bauplanungsrechtlichen Innenbereich im Sinne von § 34 zugerechnet. Nach
§ 18 Abs. 2 S. 1 BNatSchG sind die eingriffsrechtlichen Bestimmungen auf sie nicht anwendbar
(Schink, BauR 2013, 861, 868 ). Obwohl vor dem Erlass von Entwicklungssatzungen der betroffenen
Öffentlichkeit sowie den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit
zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist oder wahlweise die Auslegung nach § 3 Abs. 2 bzw.
§ 4 Abs. 2 zu geben ist, gilt für die Beteiligung der für Naturschutz und Landschaftspflege
zuständigen Behörden bei Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, dass das Benehmen
herzustellen ist, da diese Vorhaben dem bauplanungsrechtlichen Innenbereich zuzuordnen sind (vgl.
§ 18 Abs. 3 S. 1 BNatSchG ). Äußern sich diese nicht binnen eines Monats, so kann die für die
Entscheidung zuständige Behörde davon ausgehen, dass die Belange des Naturschutzes und der
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 40/71
Landschaftspflege von dem betreffenden Vorhaben nicht berührt werden (vgl. § 18 Abs. 3 S. 2
BNatSchG ).

234 Demgegenüber anders verhält es sich mit den Ergänzungssatzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 .
Zwar werden im Geltungsbereich von solchen Ergänzungssatzungen liegende Vorhaben bei der
Beurteilung ihrer Zulässigkeit dem bauplanungsrechtlichen Innenbereich im Sinne von § 34
zugerechnet, doch ist hinsichtlich ihrer eingriffsrechtlichen Wirkung eine Unterscheidung zu den
sonstigen Innenbereichssatzungen (Klarstellungs- und Entwicklungssatzung) erforderlich. In diesem
Sinne bestimmt § 34 Abs. 5 S. 4 , dass auf Ergänzungssatzungen

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 146 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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§ 1a Abs. 2 (Bodenschutzklausel) und 3 (planerische Eingriffsregelung) sowie § 9 Abs. 1a
(Zuordnungsfestsetzung) entsprechend anzuwenden sind, mit der Folge, dass für sie materiell die
gleichen Eingriffs- und Ausgleichsforderungen gelten, wie für Bauleitpläne (vgl. OVG Nordrhein-
Westfalen, U. v. 14.12.2012 – 2 D 100.11.NE –, juris. Rn. 70 ff.). Eine Anwendung der
eingriffsrechtlichen Bestimmungen kommt für die einbezogenen Außenbereichsflächen in Betracht, da
für sie, Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind. Außerdem ist Ergänzungssatzungen eine
Begründung mit den Angaben gemäß § 2a S. 2 Nr. 1 beizufügen, also Aussagen zu Zielen, Zwecken
und wesentlichen Auswirkungen der Satzung. Vor dem Hintergrund dieser Vorschrift sind
Ergänzungssatzungen und Bauleitpläne im Hinblick auf die Eingriffs- und Ausgleichverpflichtung
gleichgestellt.

235 Regelungen zur Außenbereichs-Bausatzung enthält § 35 Abs. 6 . Danach kann die Gemeinde für
bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in
denen eine Bebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass
Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 nicht entgegengehalten werden kann,
dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald
widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen.
Demzufolge können Wohnzwecken dienenden sonstigen Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 durch
den Erlass einer solchen Satzung den Status von begünstigten Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 4
erlangen. Allerdings ändert dies nichts an der Zuordnung dieser Vorhaben zum planungsrechtlichen
Außenbereich. Auf sie sind die weit reichenden Bestimmungen über Eingriffe in Natur und Landschaft
und ihren Ausgleich im Sinne der §§ 13 ff. BNatSchG und der entsprechenden landesrechtlichen
Regelungen in vollem Umfange anzuwenden. Gleichwohl können in einer solchen Satzung »nähere
Bestimmungen über die Zulässigkeit« getroffen und insoweit auch Ausgleichsmaßnahmen
festgesetzt werden, die im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens bei der Eingriffs- und
Ausgleichsprüfung zu berücksichtigen sind und so dazu beitragen, Ersatzzahlungen gering zu halten
oder ganz hinfällig werden zu lassen (vgl. § 35 Abs. 6 S. 3 ). Was die Beteiligung der für Naturschutz
und Landschaftspflege zuständigen Behörden angeht, ist lediglich die Herstellung des Benehmens
erforderlich, da Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Geltungsbereich von Außenbereichs-
Bausatzungen der Status von begünstigten Vorhaben zukommt.

236 Bebauungspläne, die eine Planfeststellung ersetzen (z.B. für eine Bundesfernstraße im Sinne
von § 17 FStrG ) sind in vollem Umfang ausgleichspflichtig. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 2 S. 2
BNatSchG , wenn bestimmt wird, dass für Bebauungspläne, soweit sie eine Planfeststellung ersetzen,
die Geltung der Vorschriften über die Eingriffsregelung unberührt bleibt. Auf der Grundlage dieser
Bestimmung wird gewährleistet, dass der Umfang der Berücksichtigung

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 147 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nicht von der Wahl des Planungsinstrumentes, also
einer Planfeststellung oder eines Bebauungsplanes, abhängig gemacht werden kann (so zu Recht:
Krautzberger/Wagner, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 73).

236a Im Zusammenhang mit einfachen Bebauungsplänen nach § 30 Abs. 3 BauGB ist darauf zu
achten, dass eine Anwendung der planerischen Eingriffsregelung von den im Plan getroffenen
Festsetzungen abhängig ist. Da der einfache Bebauungsplan anders als der qualifizierte oder der
vorhabenbezogene Bebauungsplan keine abschließenden Regelungen enthält, gelten subsidiär die
Bestimmungen nach den §§ 34 und 35 BauGB . Soweit der einfache Bebauungsplan eine
Ausgleichsbewältigung zum Gegenstand und ggf. entsprechende Festsetzungen zum Ausgleich von
Eingriffen in Natur und Landschaft getroffen hat, werden auch die Anforderungen der planerischen
Eingriffsregelung erfüllt sein. Hat aber eine Eingriffsbewältigung nicht stattgefunden, so richtet sich
die Ausgleichsverpflichtung ergänzend nach den §§ 34 und 35 BauGB (für eine Gerätehütte im
Landschaftsschutzgebiet, vgl. OVG Rheinland-Pfalz, B. v. 05.06.2012 – 8 A 10594.12 –, NuR 2012,
568 [OVG Rheinland-Pfalz 05.06.2012 - 8 A 10594/12.OVG] ). Probleme ergeben sich insbesondere
dort, wo Unklarheiten darüber bestehen, ob § 34 oder doch § 35 BauGB heranzuziehen ist. Da
insoweit eingriffsrechtlich zu differenzieren ist, empfiehlt es sich in diesen Fällen von der Möglichkeit
der Aufstellung eines Bebauungsplans Gebrauch zu machen (oder einen Bauvorbescheid einzuholen),
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 41/71
um nicht Gefahr zu laufen, eine Bewältigung des Eingriffs in Natur und Landschaft auf der falschen
Rechtsgrundlage durchzuführen (vgl. hierzu Bayerischer VGH, U. v. 25.03.2011 – 1 N 08.1708 –, NuR
2011, 72, 73).

236b Bei Änderungen, Ergänzungen sowie auch bei der Aufhebung von Bauleitplänen (vgl. § 1
Abs. 8 BauGB ) hat die planerische Eingriffsregelung ebenfalls ihren Anwendungsbereich, unabhängig
davon, wann der betreffende Bauleitplan aufgestellt wurde und ob dabei die eingriffsrechtlichen
Regelungen anzuwenden waren (BVerwG, U. v. 20.05.2003 – 4 BN 57.02 –, DVBl 2003, 1462 ).
Allerdings sind die Anforderungen der Eingriffsbewältigung in diesen Fällen nur auf die geänderten
oder ergänzten Bestimmungen zu beziehen. Auch bei der Aufhebung eines Bebauungsplans kann es
zu einer Anwendung der planerischen Eingriffsregelung kommen, insbesondere wenn durch die
Aufhebung der Festsetzungen (z. B. für Grünflächen) eines Bebauungsplans
Innenbereichssituationen geschaffen werden, in deren Rahmen eine Anwendung von § 1a Abs. 3 S. 6
dann in Frage kommt.

a) Berücksichtigung in der Abwägung (§ 1a Abs. 3 S. 1)


237 Gemäß der Bestimmung in § 1a Abs. 3 S. 1 sind die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich
erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 148 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7a
bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) in der
Abwägung nach § 1 Abs. 7 zu berücksichtigen. Zwar werden in dieser Bestimmung auf der
Grundlage unbestimmter Rechtsbegriffe, wie »Vermeidung«, »Ausgleich«, »Landschaftsbild«
oder »Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts« verwendet und durch sie
sachinhaltliche Anforderungen an die Eingriffsbewältigung im Rahmen der Bauleitplanung gestellt,
doch enthält sich der Gesetzgeber diese Begriffe erläuternde Aussagen im Rahmen der Vorschriften
des Städtebaurechts vollends. Nur durch den Klammerzusatz »Eingriffsregelung nach dem
Bundesnaturschutzgesetz« wird verdeutlicht, dass für die in der Vorschrift enthaltenen
unbestimmten Rechtsbegriffe nicht etwa wie man es vielleicht im Hinblick auf die Ausgestaltung einer
eigenständigen planerischen Eingriffsregelung erwarten könnte, andere oder neue Begriffe
geschaffen werden, sondern vielmehr ein Rückgriff auf die bereits bekannten und durch die
Rechtsprechung weitgehend ausgeleuchteten Begrifflichkeiten der naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung erfolgt.

237a Hinsichtlich der Rechtsfolgen sowie auch des Vollzugs von durch Bauleitpläne zu erwartenden
Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft bestimmt § 18 Abs. 1 BNatSchG insoweit die
Vorschriften des Städtebaurechts für anwendbar, indem »über die Vermeidung, den Ausgleich
und den Ersatz nach den Vorschriften des Baugesetzbuches zu entscheiden« ist. Daraus ergibt
sich, dass für die Frage, ob ein Eingriff in Natur und Landschaft vorliegt, § 14 BNatSchG als
fachrechtliche Regelung heranzuziehen ist. Für die daran anschließenden Fragen nach Vermeidung,
Ausgleich und Ersatz sind gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 BNatSchG die Vorschriften des Baugesetzbuchs
maßgeblich (so eindeutig auch: Krautzberger/Wagner, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,
§ 1a Rn. 74).

238 In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass auf den Begriff des »Ersatzes oder der
Ersatzmaßnahme« – anders als im Naturschutz- und Landschaftspflegerecht (vgl. Rdn. 211 f. ) – bei
der planerischen Eingriffsregelung verzichtet werden soll. Dies kann darauf zurückgeführt werden,
dass im Einzelfall eine Unterscheidung zwischen Ausgleich und Ersatz gerade in räumlicher Hinsicht
nur äußerst schwierig getroffen werden kann, so dass mit der Ausgestaltung der planerischen
Eingriffsregelung eine Zusammenführung beider Begriffe unter dem umfassenden
Oberbegriff des »Ausgleichs« stattgefunden hat (zu den Gründen im Einzelnen, vgl. BT-
Drucks. 13/6792 vom 04.12.1996, S. 73). I. d. S. bestimmt § 200a S. 1 BauGB , dass Darstellungen
für Flächen zum Ausgleich und Festsetzungen für Flächen und Maßnahmen zum Ausgleich auch
Ersatzmaßnahmen umfassen. Mit dieser geänderten Terminologie soll zum Ausdruck gebracht
werden, dass im Zusammenhang mit einzelnen städtebaulichen Planungen ein Ausgleich am
Eingriffsort oder in direkter räumlicher Nähe oftmals

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 149 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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nicht möglich und teilweise auch nicht sinnvoll, sondern vielmehr an einer anderen Stelle geboten ist.
Deshalb wird in § 1a Abs. 3 S. 3 bestimmt, dass Darstellungen und Festsetzungen zum Ausgleich von
zu erwartenden Eingriffen in Natur und Landschaft auch an anderer Stelle als am Eingriffsort erfolgen
können. Ergänzend dazu regelt § 200a S. 2 , dass ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang
zwischen Eingriff und Ausgleich nicht erforderlich ist, soweit dies mit einer geordneten
städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes und der

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 42/71


Landschaftspflege vereinbar ist. Es handelt sich bei § 200a BauGB um eine bundesrechtlich
abschließend geregelte bodenrechtliche Bestimmung, die einer Modifizierung durch das
Naturschutzrecht, auch nicht in Bezug auf die Verordnungsermächtigungen in § 15 Abs. 7 BNatSchG
, nicht zugänglich ist (so auch Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 68).

239 Ausgleich und Ersatz stehen hier gleichgewichtig nebeneinander. Wenngleich insoweit zwar
auf den räumlichen Zusammenhang grundsätzlich verzichtet wird und es nach wie vor bei dem
notwendigen funktionalen Ableitungszusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich an anderer
Stelle verbleibt, obliegt es im Rahmen der planerischen Eingriffsregelung der Gemeinde in der
bauleitplanerischen Abwägung zu bestimmen, welche Funktionen des Naturhaushalts durch den
Ausgleich an anderer Stelle aufrecht erhalten werden sollen. Der funktionale Bezug wird dadurch nicht
aufgegeben, sondern gelockert.

240 Für Kompensationsmaßnahmen, die infolge von durch Bauleitplänen und Ergänzungssatzungen
vorbereiteten Eingriffen erforderlich werden, wird auf die räumliche Komponente als wesentliches
Unterscheidungsmerkmal zwischen Ausgleich und Ersatz verzichtet und insoweit die Grundlage für
eine eigens für diese Planungen gestaltete »planerische Eingriffsregelung« geschaffen. Allerdings
verbleibt es auch bei der planerischen Eingriffsregelung bei dem notwendigen funktionalen
Ableitungszusammenhang zwischen dem Ausgleich an anderer Stelle und dem Eingriff.
Ersatzmaßnahmen sind in dem umfassenden Begriff des Ausgleichs im Sinne von § 1a Abs. 3 S. 1
und § 200a mit enthalten. Nach Auffassung des OVG Münster (U. v. 07.02.1997 – 7a D 134.95.NE –,
NVwZ 1997, 697 und U. v. 06.08.2003 – 7a D 100.01 –, NVwZ-RR 2004, 643) ist es auch zulässig, im
Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes, dessen Ausgleichsmaßnahmen nicht für den
erforderlichen Ausgleich ausreichen, in der bauleitplanerischen Abwägung zu dem Ergebnis zu
kommen, dem Vorhabenträger im Durchführungsvertrag die Zahlung eines Ersatzgeldes
aufzuerlegen (ablehnend: W. Schrödter, § 1a Rn. 60).

241 Mittlerweile geklärt ist die lange Zeit kontrovers diskutierte Streitfrage im Hinblick auf den rechtlichen
Stellenwert der Elemente der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in der bauleitplanerischen
Abwägung, insbesondere vor

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 150 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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dem Hintergrund der dazu ergangenen Rechtsprechung (grundlegend: BVerwG, B. v. 31.01.1997 – 4
NB 27.96 –, BVerwGE 104, 68 ). Im Ergebnis ist danach eine Vollkompensation der durch die
Planung vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft nicht erforderlich. Nach § 1a Abs. 3 S. 1
sind die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des
Landschaftsbildes sowie des Naturhaushalts »in der bauleitplanerischen Abwägung« zu
berücksichtigen. Maßstab für die Ausgleichspflicht und die Pflicht zur Minderung für einen zu
erwartenden Eingriff in Natur und Landschaft sind danach die Abwägungsgrundsätze. Daraus ergibt
sich, dass dem Vermeidungs- und Ausgleichsgebot bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder
Aufhebung von Bauleitplänen oder Ergänzungssatzungen keine vorrangige Bedeutung gegenüber
anderen planungserheblichen privaten und öffentlichen Belangen zukommt. Ihnen ist vielmehr der
Status von einfachen abwägungserheblichen Belangen beizumessen, die in die bauleitplanerische
Abwägung einzustellen sind und entsprechend dem ihnen zukommenden Gewicht in der konkreten
planerischen Situation zu bewerten sind.

242 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend: B. v. 31.01.1997 – 4 NB 27.96


–, BVerwGE 104, 68 ) zum Stellenwert der Elemente der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung
(Vermeidung und Ausgleich) in der bauleitplanerischen Abwägung wird deutlich zum Ausdruck
gebracht, dass es sich bei den Belangen von Natur und Landschaft zwar um abwägungsrelevante
Belange handelt, denen allerdings nicht schon unabhängig von ihrem Gewicht in der konkreten
Situation und dem entgegenstehenden Gewicht anderer abwägungserheblicher Belange ein Vorrang
beizumessen ist. Ein abstrakter Vorrang kommt ihnen nicht zu (vgl. Battis , in:
Battis/Krautzberger/Löhr, § 1a Rn. 23; Krautzberger/Wagner, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 74 ff.; W. Schrödter, in: Schrödter (Hrsg.), § 1a
Rn. 67 ff.). In seinen Ausführungen hebt das BVerwG allerdings hervor, dass der Gesetzgeber in § 1a
Abs. 5 S. 1 BauGB-alt zwar von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, durch Gewichtungsvorgaben
auf den Abwägungsvorgang steuernd Einfluss zu nehmen, in dem diesen Belangen »ein erhöhtes
inneres Gewicht zukommen soll«, doch wird dadurch den Belangen von Natur und Landschaft kein
abstrakt höherer Rang als den anderen Belangen beigemessen. Entscheidend ist auch nach dieser
Rechtsprechung das tatsächliche Gewicht der von der Planung berührten und in sie einzustellenden
Belange angesichts der konkreten Planungssituation.

243 Vor diesem Hintergrund führt auch die Verankerung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes in § 1 Abs. 5
S. 1 nicht zu einer veränderten Sichtweise (hierzu auch: Stüer, NVwZ 2005, 508 ff.). Schon vor dem
Inkrafttreten des BauROG 1998 war es höchstrichterlich geklärt, dass die Elemente der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung dem Abwägungsgebot unterliegen und insoweit eine
Vollkompensation der durch die Planung vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft nicht
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 43/71
§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 151 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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zwingend erforderlich war. Zwar bezog sich die für die Bauleitplanung maßgebliche Entscheidung des
BVerwG (B. v. 31.01.1997 – 4 NB 27.96 –, BVerwGE 104, 68 ) noch auf § 8a BNatSchG-alt, mit der
Folge, dass die Regelung im BauROG 1998 im Grunde genommen nur noch klarstellender Natur war.
Deshalb stellt § 1a Abs. 3 S. 1 nunmehr ausdrücklich klar, dass die Anwendung der planerischen
Eingriffsregelung Gegenstand der bauleitplanerischen Abwägung im Sinne von § 1 Abs. 7 ist. Ein
abstrakter Vorrang im Sinne eines Optimierungsgebotes und erst recht eines Planungsleitsatzes
kommt den Elementen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in der Bauleitplanung nicht zu.
Vielmehr werden die in der bauleitplanerischen Abwägung schon auf der Grundlage von § 1 Abs. 6
Nr. 7 zu berücksichtigenden Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege um die
eingriffsrechtlichen Elemente der Vermeidung und des Ausgleichs ergänzt. § 1a Abs. 3 S. 1
verpflichtet in diesem Sinne die Gemeinde, bei durch Bauleitpläne oder Ergänzungssatzungen
vorbereiteten Eingriffen in Natur und Landschaft auch über das Folgenbewältigungsprogramm
abwägend zu entscheiden. In welchem Umfang und durch welche Maßnahmen eine Kompensation
der künftigen Eingriffe vorgenommen wird, bestimmt sich aus den Anforderungen des Einzelfalls,
mithin aus der konkreten planerischen Situation.

244 Die durch die planerische Eingriffsregelung an die Bauleitplanung gestellten Anforderungen sind in
Bezug auf die Ermittlung und Bewertung der Belange von Natur und Landschaft identisch mit denen
der UP. Es sind die gleichen Umweltinformationen zu beschaffen, wie sie im Rahmen der UP
erforderlich sind (vgl. Mitschang, § 2 Rn. 108). Auch die prognostische Ermittlung der
voraussichtlichen Auswirkungen eines Plans auf die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und des
Landschaftsbilds sowie die daran anschließende Ausgestaltung von Vermeidungs- und
Ausgleichsmaßnahmen sind bei beiden Umweltprüfverfahren gleich. Minimierungs- und
Ausgleichsalternativen sind im Umweltbericht darzulegen und zu bewerten und in der
zusammenfassenden Erklärung im Verhältnis zur gewählten Alternative zumindest in den Grundzügen
zu beurteilen (auch W. Schrödter, § 1a Rn. 57). Als einheitliches Trägerverfahren fungiert
daher die UP, in die die planerische Eingriffsreglung integriert ist (vgl. Mitschang, § 2
Rn. 102 ff.). Zwar sind die ermittelten Belange von Natur und Landschaft im Umweltbericht zu
beschreiben und zu bewerten, doch erfolgt die eigentliche Abwägung über sie im Verhältnis mit den
anderen planungserheblichen Belangen außerhalb des Umweltberichts und ist auch außerhalb von
diesem zu erläutern (zu Recht: W. Schrödter, § 1a Rn. 57).

245 Bei der bauleitplanerischen Abwägungsentscheidung über zu treffende Ausgleichsmaßnahmen ist die
ökologische Gesamtsituation der Gemeinde zu berücksichtigen (Krautzberger/Wagner, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 24). § 8a Abs. 3 S. 3 BNatSchG-alt regelte in Bezug
auf den Zeitpunkt der Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen, dass diese von der

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 152 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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Gemeinde bereits vor dem Eingriff durchgeführt werden können, wenn dies aus städtebaulichen
Gründen oder aus Gründen des Naturschutzes erforderlich ist. Nach der seit dem BauROG 1998
geltenden Bestimmung können die Maßnahmen zum Ausgleich bereits vor den Baumaßnahmen, also
vor dem tatsächlichen Eingriff, und damit vor der Zuordnung (vgl. unten Rdn. 289 ) im
Bebauungsplan durchgeführt werden. Städtebauliche Gründe oder Gründe des Naturschutzes
müssen nach dieser Regelung nicht mehr angeführt werden. Die insoweit gewährleistete zeitliche
Flexibilisierung im Zusammenhang mit der Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen beruht auf der
in vielen Gemeinden gebräuchlichen Praxis der Ausgestaltung von kommunalen »Öko-Konten« (vgl.
Mitschang, ZfBR 1995, 240 ff.). Mit der Schaffung dieser zeitlichen Flexibilisierung tritt die Frage auf,
ob auch eine Anrechnung solcher ökologischer Leistungen möglich ist, die vor dem Inkrafttreten von
§ 135a Abs. 2 S. 2 im Jahr 1998 von den Gemeinden durchgeführt wurden, erfolgen darf. Zwar weist
insoweit der Ausschussbericht (vgl. BT-Drucks. 13/7589, S. 12) ausdrücklich darauf hin, dass die
Möglichkeit, Ausgleichsmaßnahmen schon vor den Baumaßnahmen und vor der Zuordnung
durchzuführen nicht dafür herangezogen werden kann, vergangene ökologisch positive Maßnahmen
der Gemeinde gewissermaßen »nachträglich« als Ausgleichsmaßnahmen einzubringen, doch muss
insoweit auch beachtet werden, dass ökologisch positive Maßnahmen der Vergangenheit durchaus im
Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung eine Rolle spielen können, und zwar insoweit, als die
heutige ökologische Situation durch sie insgesamt positiv zu beurteilen ist. Das bedeutet, die planende
Gemeinde kann unter Einstellung der bisherigen positiven ökologischen Entwicklung in die
bauleitplanerische Abwägung auf die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen ggf. insgesamt oder
zumindest in Teilen verzichten (ebenso: Battis , in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 1a Rn. 24).
Gleichwohl muss im Zusammenhang mit diesem Ergebnis auch darauf hingewiesen werden, dass der
mit der räumlichen Flexibilisierung (vgl. ausführlich Rdn. 266 ff. ) im Hinblick auf den Ort der
Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen (bis hin auf die regionale Ebene) verknüpfte Ansatz zu
weiteren Fragestellungen führt, insbesondere ob die Gemeinde dazu verpflichtet ist, regelmäßig alle
Möglichkeiten des räumlichen Ausgleichs zu prüfen, bevor ein Kompensationsdefizit hingenommen
werden kann. Nach der hier vertretenen Auffassung dürfte dies zumindest regelmäßig zu bejahen
sein, weil ansonsten die Gemeinde lediglich auf den Geltungsbereich des Plans abstellen und realistisch
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 44/71
bestehende Möglichkeiten zur Eingriffskompensation außer Acht lassen könnte.

246 Die bauleitplanerische Entscheidung darüber, wie Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen nach
Art und Umfang im Bauleitplan oder in der Ergänzungssatzung berücksichtigt werden, muss ebenfalls
am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtet sein. Dies hat das BVerwG in seiner

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 153 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Entscheidung (B. v. 31.01.1997 – 4 NB 27.96 –, BVerwGE 104, 68 ) über die Berücksichtigung der
eingriffsrechtlichen Elemente in der bauleitplanerischen Abwägung deutlich gemacht. Soweit danach
Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen möglich sind, wolle sie § 8a Abs. 1 BNatSchG-alt
(heute: § 1a Abs. 3) auch planerisch ausgewiesen wissen. Daher sind vermeidende und
kompensierende Maßnahmen jenseits einer am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichteten
Widerspiegelung mit den von der Planung verfolgten städtebaulichen Zielsetzungen, die einerseits die
privaten Grundstückseigentümer der Ausgleichsflächen, andererseits die Eigentümer der mit einer
Kostenerstattung zu belegenden Eigentümer der Eingriffsgrundstücke treffen können, als nachteilig
berührte Belange ebenfalls in die bauleitplanerische Abwägung einzustellen.

247 So können natürlich auch in die bauleitplanerische Abwägung andere umweltschutzbezogene


Maßnahmen eingestellt werden, die zwar keine Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen im Sinne des
Naturschutzrechts sind, die aber die ökologische Gesamtbilanz einer Planung insgesamt verbessern
oder sogar als positiv darstellen. In Bezug auf eine solche ökologische Gesamtbilanz ist auch die
Entscheidung des Gesetzgebers für den nach § 13a aufzustellenden Bebauungsplan der
Innenentwicklung zu sehen, der im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden darf und gemäß
§ 13a Abs. 2 Nr. 4 einer Anwendung der planerischen Eingriffsregelung nicht bedarf.
Gerechtfertigt wird die Nichtanwendung der planerischen Eingriffsregelung mit der den
Flächenverbrauch reduzierenden Entwicklung nach innen in der Form der Wiedernutzung
brachgefallener Flächen, der Nachverdichtung oder anderer Maßnahmen der Innenentwicklung, durch
die eine Heranziehung noch naturnaher Flächen des Außenbereichs für eine weitere bauliche
Entwicklung nicht erforderlich wird.

248 Um das Folgenbewältigungsprogramm der Eingriffsregelung abarbeiten zu können, bedarf es


zunächst der Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen des Bauleitplans oder der
Ergänzungssatzung auf das Landschaftsbild und die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des
Naturhaushalts. Dazu ist es zunächst erforderlich, im Rahmen einer Bestandsaufnahme (vgl. hierzu
auch Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 745 ff.) den
bestehenden Zustand der einzelnen Faktoren des Naturhaushalts zu erfassen. § 1a Abs. 3 S. 1 weist
insoweit auf § 1 Abs. 6 Nr. 7a hin, der die Bestandteile des Naturhaushaltes im Einzelnen auflistet.
Davon erfasst werden »Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge
zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt«. Soweit eine Landschaftsplanung
zur Verfügung steht (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 7g) , können auf die dort niedergelegten Angaben zum
Naturhaushalt, die sich sowohl aus einem den Bestand aufnehmenden als auch einem ihn
bewertenden Teil bestehen (vgl. § 9 Abs. 3 Nr. 1 und 3 BNatSchG ), zurückgegriffen werden.
Überhaupt muss nach der Rechtsprechung (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 19.05.2009 – 1 MN 12.09 –,
NVwZ-RR

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 154 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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2009, 830 Rn. 61) nicht jeder Frage, die sich im Zusammenhang mit der Aufstellung eines
Bebauungsplans stellt, durch Einholung eines Gutachtens nachgegangen werden. Das ist nur
dann erforderlich, wenn die Gemeinde entweder aus eigener Erkenntnisquelle oder durch
Einwendungen im Beteiligungsverfahren darauf gestoßen oder den Eindruck gewinnen muss, hier
stellten sich Fragen, die sie mit »Bordmitteln«, d.h. mit eigenen Erkenntnismöglichkeiten nicht in der
Weise würde beantworten können, wie dies zur Schaffung der Grundlage für eine sachgerechte
Abwägungsentscheidung notwendig ist.

249 Hinsichtlich des Umfangs der Ermittlungspflicht kann schon seit längerem auf Entscheidungen des
BVerwG zurückgegriffen werden. In seiner Rechtsprechung ist das BVerwG immer wieder
überschießenden Anforderungen, insbesondere von der naturschutzfachlichen Seite,
entgegengetreten. So führt das BVerwG in seinem Urteil (v. 30.01.2003 – 4 CN 14.01 –, NVwZ 2003,
742, 746) zur erforderlichen Ermittlungstiefe im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung aus:
»Zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Rahmen der straßenrechtlichen Fachplanung hat
der Senat bereits entschieden, dass Ermittlungen nur durchzuführen sind, soweit sie für eine
sachgerechte Planungsentscheidung erforderlich sind«. Die Eingriffsregelung diene nicht einer
allgemeinen Bestandsaufnahme. Es werde häufig nicht erforderlich sein, die von einem Vorhaben
betroffenen Tier- und Pflanzenarten vollständig zu erfassen. Es könne vielmehr ausreichen, für den
Untersuchungsraum besonders bedeutsame Repräsentanten an Tier- und Pflanzengruppen
festzustellen und für die Bewertung bestimmte Indikationsgruppen heranzuziehen. Im Einzelfall
könnten Rückschlüsse auf die Tierarten anhand der vorgefundenen Vegetationsstrukturen (und
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 45/71
vorhandenen Literaturangaben) methodisch hinreichend sein. Je typischer die Gebietsstruktur des
Eingriffsbereichs sei, desto eher könne auch auf typisierende Merkmale und allgemeine Erfahrungen
abgestellt werden. Gebe es dagegen Anhaltspunkte für das Vorhandensein besonders seltener Arten,
werde dem im Rahmen der Ermittlungen nachzugehen sein.

250 Die zuletzt genannte Ermittlungsverpflichtung, soweit sich Anhaltspunkte für das Vorhandensein
besonders seltener Arten ergeben, beziehen sich auf eine weitere Entscheidung des BVerwG (B.
v. 21.02.1997 – 4 B 177.96 –, NVwZ-RR 1997, 607). Ermittlungen, die keine zusätzlichen
Erkenntnisse versprechen oder deren Aufwand zu dem möglicherweise zu erzielenden zusätzlichen
Erkenntnisgewinn außer Verhältnis steht, werden rechtlich nicht gefordert (BVerwG, U.
v. 15.01.2004 – 4 A 11.02 –, NVwZ 2004, 732). Mit Blick darauf, kann von der planenden Gemeinde
nicht verlangt werden, alle tatsächlich vorhandenen Tier- und Pflanzenarten zu erfassen (siehe hierzu
auch VGH Mannheim, U. v. 17.05.2001 – 8 S 2603/00 –, NVwZ-RR 2002, 8, 10). Ebenso wenig kann –
wie dies in der Planungspraxis nach wie vor geschieht – von ihr gefordert werden, über einen
bestimmten Zeitraum hinweg (gefordert wird oftmals 1 Jahr) den

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 155 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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Planungsraum zu beobachten, damit eine umfassende Bestandsaufnahme gewährleistet werden
kann. Unterstützung findet diese Auffassung im Übrigen in den europarechtlichen Anforderungen an
die Durchführung der UP gemäß § 2 Abs. 4 (vgl. W. Schrödter, § 1a Rn. 70). Die im Umweltbericht
darzulegende Bestandsaufnahme der Belange des Umweltschutzes hat hinsichtlich des
Darstellungsumfangs keinen umfassenden Anspruch; sie ist nämlich auf das eingeschränkt, »was
nach dem gegenwärtigen Wissensstand sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplanes
angemessener Weise verlangt werden kann« (vgl. § 2 Abs. 4 S. 3 ). Im Übrigen besteht auch keine
bundesrechtliche Verpflichtung bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung eines
Bauleitplanes einen Landschafts- oder Grünordnungsplan aufzustellen.

251 Ist die Bestandsaufnahme im vorgenannten Sinne abgeschlossen, sind in einem weiteren Schritt die
für die bauleitplanerische Abwägung erforderlichen Angaben zur Eingriffsbewertung bzw. zum
Ausgleichsbedarf zu erarbeiten. Dazu werden der Zustand von Natur und Landschaft vor dem
Eingriff (sog. »Voreingriffszustand«) und der Zustand von Natur und Landschaft nach dem
Eingriff (sog. »Nacheingriffszustand«) einander gegenübergestellt und daraus der
Kompensationsbedarf sowie der insoweit erforderliche Umfang der zu treffenden
Kompensationsmaßnahmen ermittelt (sog. »Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung«). Die auf
dieser Grundlage festgestellten Untersuchungsergebnisse sind nun in die bauleitplanerische
Abwägung einzustellen und mit den sonstigen anderen öffentlichen und privaten Belangen
abzugleichen. Die Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung ist ebenfalls schon durch die Rechtsprechung
des BVerwG (U. v. 22.01.2004 – 4 A 32.02 –, NVwZ 2004, 722, 729, vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz,
U. v. 08.05.2013 – 8 C 10635.12 –, UPR 2013, 393, 395; OVG Niedersachsen, U. v. 15.04.2011 – 1
KN 356.07 –, ZfBR 2011, 690, 694) konkretisiert worden (grundsätzlich zu den Anforderungen, vgl.
Ellinghoven/Brandenfels , NuR 2004, 564 ff.). Nach den Ausführungen des Gerichts enthalten die
eingriffsrechtlichen Bestimmungen keine verbindlichen Bewertungsvorgaben. Sie geböten nicht, die
Eingriffsintensität anhand standardisierter Maßstäbe oder in einem bestimmten schematisierten und
rechenhaft handhabbaren Verfahren zu beurteilen. Es stelle keine Besonderheit der Eingriffsregelung
dar, dass das Ergebnis der als gesetzliches Erfordernis unverzichtbaren Bewertung unterschiedlich
ausfallen könne, je nachdem, welches Verfahren angewendet würde. Es komme nicht darauf an, ob
sich bei Verwendung anderer Parameter ein höherer Ausgleichsbedarf errechnen lasse. Zu
Beanstandungen bestünde erst dann Anlass, wenn ein Bewertungsverfahren sich als unzulängliches
oder gar als ungeeignetes Mittel erweise, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Die
Auseinandersetzung mit standardisierten Bewertungsverfahren ist auch Gegenstand noch anderer
Entscheidungen des BVerwG (vgl. B. v. 23.04.1997 – 4 NB 13.97 –, NVwZ 1997, 1215 [BVerwG
23.04.1997 - 4 NB 13/97] ; U. v. 11.01.2001 – 4 A 13.99 –, NVwZ 2001, 1154, 1156; OVG Rheinland-
Pfalz, U. v. 08.05.2013 – 8 C 10635.12 –, UPR 2013, 393).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 156 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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252 Die meisten standardisierten Bewertungsverfahren setzen an der Wertigkeit von Biotopen an (sog.
»Biotopwertverfahren«) und erfassen die Differenz der Wertigkeit dieser Biotope vor und nach der
Durchführung des Eingriffs, meistens unter Heranziehung eines Flächenmaßstabs, bei dem die
Eingriffsfläche zunächst quantifiziert und der ermittelte Ausgleichsbedarf wiederum über die
Aufwertung einer entsprechend großen Fläche stattfinden soll. Ökologische Aufwertung und dafür
heranzuziehender Flächenumfang stehen insoweit in einer Relation. Je höher die ökologische
Aufwertung einer Fläche ist, desto geringer muss ihr Umfang sein, um den Kompensationsbedarf zu
befriedigen. Und umgekehrt: Eine relativ geringfügige ökologische Aufwertung erfordert einen
größeren Flächenumfang für die Bewältigung des Kompensationsbedarfs. Aus diesem Grund eignen
sich schon ökologisch wertvolle Flächen (z.B. Naturschutzgebietsflächen) im Grunde genommen nicht
als Ausgleichsflächen, weil zur Deckung eines schon geringfügigen Kompensationsbedarfs
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 46/71
vergleichsweise umfängliche Flächen bereitgestellt werden müssen (zu den Anforderungen an
Ausgleichsflächen genauer unten Rdn. 261 und 307 ). Neuere Bewertungsverfahren sind auch dazu
in der Lage, die Auswirkungen auf die abiotischen Faktoren des Naturhaushalts zu erfassen. Für eine
annäherungsweise Quantifizierung der Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft und ihres
Ausgleichs, zumindest in bestimmten Teilen, stellen standardisierte Bewertungsverfahren geeignete
Hilfsmittel zur Durchführung der Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung dar. Nahezu alle Bundesländer
haben solche Bewertungsverfahren eingeführt.

253 Da auf ein gesetzlich vorgeschriebenes Bewertungsverfahren jedenfalls nicht zurückgegriffen werden
kann (zum Stand einer BKompV, vgl. Rdn. 198 ), besteht auch keine Bindung an ein
standardisiertes Verfahren zur Eingriffs- und Ausgleichsbewertung (auch: Lütkes , in:
ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 37; Reidt, in:
Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 745). Gerade weil es an
allgemeinen anerkannten einheitlichen rechtlichen Bewertungskriterien fehlt, sind verschiedene
standardisierte Bewertungsverfahren entwickelt worden. Aufgabe der Gemeinde ist es nun, unter
hilfsweiser Heranziehung der Ergebnisse solcher Bewertungsverfahren in der bauleitplanerischen
Abwägung darüber zu entscheiden, inwieweit Eingriffe in Natur und Landschaft vermieden und
unvermeidbare ausgeglichen werden können. Wichtig in diesem Zusammenhang ist aber, dass die
Gemeinde an die mittels der standardisierten Bewertungsverfahren ermittelten Ergebnisse nicht
gebunden ist, sondern sich über diese im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung hinwegsetzen,
wie sie dies auch bei anderen technischen Normen tun, kann. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, in eigener
Verantwortung über die durch ihre Planung erwarteten Eingriffe in Natur und

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 157 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Landschaft und den durch sie hervorgerufenen Ausgleichsbedarf abwägend zu entscheiden (zur
Zulässigkeit der Hinnahme von Ausgleichsdefiziten, wegen Unzulänglichkeiten jedes rechnerischen
Verfahrens zur Bewertung von Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft und deren Ausgleich,
vgl. BVerwG, B. v. 07.11.2007 – 4 BN 45.07 –, NVwZ 2008, 216). Allerdings muss die getroffene
Entscheidung nachvollziehbar sein. Für die Praxis empfehlen sich deshalb einfach handhabbare
Modelle zur Bewertung der Beeinträchtigungen, ergänzt um eine verbal-argumentative
Gesamtbetrachtung. Dadurch können Mängel nach Art und Umfang der nur scheinbar genauen
mathematischen Bewertungsverfahren aufgefangen werden.

253a Eine besondere Schwierigkeit kann sich für die Frage der Schaffung von »Baurecht auf Zeit« im
Zusammenhang mit befristeten Festsetzungen eines Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2 S. 1
herausstellen. Insoweit kann sich die Frage ergeben, ob sich die Ausgleichsbilanzierung auf die
befristete oder vielmehr auf die schon feststehende Folgenutzung beziehen soll. Dies wird nur
angesichts des Einzelfalls zu beantworten sein, im Zweifelsfall ist aber der langfristigen Perspektive
der Vorrang einzuräumen (so auch Krautzberger/Wagner, in: Ernst/
Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 86a).

254 Nicht nur, aber vor allem in Bezug auf die Bewertung des Landschaftsbildes werfen mathematische
Bewertungsverfahren Probleme auf, die bei einer verbalargumentativen Gesamtbetrachtung
behoben werden können (auch Kuschnerus , BauR 1998, 1 ff. ). Mittlerweile hat auch die
Rechtsprechung einzelne dieser standardisierten Bewertungsverfahren als geeignet für die Eingriffs-
und Ausgleichsbilanzierung angesehen. In seiner Entscheidung (U. v. 30.06.1999 – 7a D 187.97.NE –,
ZfBR 2000, 57 [OVG Nordrhein-Westfalen 30.06.1999 - 7a D 184/97 .NE] ) wird die im Jahr 1996 von
der Landesregierung Nordrhein-Westfalen erstellte »Arbeitshilfe für die Bauleitplanung« als ein
»sachgerechtes Bewertungsverfahren« bezeichnet. Auch der VGH Kassel hat in seiner
Entscheidung (U. v. 25.02.2004 – 9 N 3123.01 –, NVwZ-RR 2004, 726) das in Hessen der Anlage 2
der hessischen Ausgleichsabgabenverordnung (vom 09.02.1995, GVBl I S. 120) zu Grunde gelegene
Biotopwertverfahren als ein sachgerechtes, aus naturschutzrechtlicher Sicht plausibles Verfahren für
die Eingriffs- und Ausgleichsberechnung angesehen.

255 Leidet ein Bebauungsplan an Mängeln, weil gegen die Anforderungen der planerischen
Eingriffsregelung verstoßen wurde, so kann gemäß § 214 Abs. 4 ein ergänzendes Verfahren
durchgeführt werden (BVerwG, B. v. 25.05.2000 – 4 BN 17/00 –, NVwZ 2000, 1053).

b) Darstellungen und Festsetzungen zum Ausgleich (§ 1a Abs. 3 S. 2)

256 Während der Bestimmung in § 1a Abs. 3 S. 1 entnommen werden kann, dass die eingriffsrechtlichen
Elemente in der bauleitplanerischen Abwägung nach § 1

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 158 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Abs. 7 zu berücksichtigen sind, wird in § 1a Abs. 3 S. 2 bis 6 konkretisiert, wie der Ausgleich der zu
erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft erfolgen kann. Nach S. 2 sind dazu »geeignete
Darstellungen und Festsetzungen nach den §§ 5 und 9 als Flächen oder Maßnahmen zum
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 47/71
Ausgleich« in den entsprechenden Bauleitplänen sowie der Ergänzungssatzung zu treffen. Es ist
also das Darstellungs- und Festsetzungsinstrumentarium der §§ 5 und 9 in Bezug zu nehmen.

257 § 1a Abs. 3 S. 2 ist im Zusammenhang mit der Regelung in § 1a Abs. 3 S. 3 und der darin angelegten
räumlichen Flexibilisierung des Ausgleichs zu sehen. Darstellungen im Flächennutzungsplan und
Festsetzungen im Bebauungsplan als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich können danach auch
an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs erfolgen. Aus dieser Vorschriftenanordnung ergibt sich,
dass die in S. 2 in Bezug genommenen Darstellungen und Festsetzungen zunächst einmal die
Möglichkeit der Eingriffsbewältigung innerhalb des Eingriffsbauleitplanes betreffen. Erst auf Grund der
nachfolgenden Vorschrift in S. 3 wird der Ort des Ausgleichs flexibilisiert.

258 Zur Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege steht den
Gemeinden ein umfangreiches Instrumentarium auch tatsächlich zur Verfügung. Auf der Ebene der
Flächennutzungsplanung können diesbezüglich vor allem folgende Darstellungsmöglichkeiten für
den Ausgleich von zu erwartenden Eingriffen herangezogen werden:

Flächen für die Abwasserbeseitigung (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 ),

Grünflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 ),

Wasserflächen (§ 5 Abs. 2 Nr. 7 ),

Flächen für die Landwirtschaft (§ 5 Abs. 2 Nr. 9a ),

Flächen für Wald (§ 5 Abs. 2 Nr. 9b ),

sowie in erster Linie Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von
Boden, Natur und Landschaft (§ 5 Abs. 2 Nr. 10 ).

259 Entsprechend umfangreich sind auch die Festsetzungsmöglichkeiten für die Stufe der
Bebauungsplanung. Allerdings wird auf dieser Ebene der Planung regelmäßig zwischen der
Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen und der Festsetzung von Ausgleichsflächen unterschieden,
während auf der Ebene der Flächennutzungsplanung schon auf Grund des größeren
Abstraktionsgrades meistens eine reine Flächendarstellung im Vordergrund steht (zur
Darstellungstiefe, vgl. BVerwG, U. v. 18.08.2005 – 4 C 13.04 –, BVerwGE 124, 132 und U.
v. 26.04.2007 – 4 CN 3.06 –, NVwZ 2007, 1081).

260 Die Festsetzung von Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen im Bebauungsplan steht unter der
Voraussetzung, dass sie einen städtebaulichen Bezug und damit bodenrechtlichen Charakter
aufweisen muss (ausführlich dazu: Mit-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 159 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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schang, Steuerung der städtebaulichen Entwicklung durch Bauleitplanung, Köln, 2003, S. 233 ff.).
Auch wenn die Bauleitplanung neben der Steuerung der baulichen Nutzung in gleichem Maße auch
eine Steuerung der nicht baulichen, sonstigen Nutzung der Grundstücke zum Gegenstand hat, so
muss sie doch städtebaulich veranlasst und damit für das Baugeschehen relevant sein (vgl. OVG
Münster, U. v. 28.07.1997 – 10a D 31.97. NE –, NuR 1998, 163). Insbesondere auf die mit der
Bewältigung der eingriffsrechtlichen Ausgleichsanforderungen verbundenen Bestrebungen in der
städtebaulichen Planungspraxis, auch solche Regelungen in den Bebauungsplan aufzunehmen, die
nicht städtebaulich relevant sind, sah sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des BauROG 1998
dazu veranlasst, im einleitenden Satzteil zu § 9 Abs. 1 diese erforderliche bodenrechtliche Relevanz
planerischer Festsetzungen hervorzuheben und deren Rechtmäßigkeit unter die Voraussetzung des
Vorliegens »städtebaulicher Gründe« zu stellen. Im Hinblick darauf können
Ausgleichsmaßnahmen uneingeschränkt als Festsetzungen in den Bebauungsplan
aufgenommen werden, da sie stets ihre Veranlassung in den Auswirkungen der baulichen und
sonstigen Nutzung auf Natur und Landschaft haben und zudem funktional auf diese zurückgeführt
werden können (ebenso Krautzberger/Wagner, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, § 1a
Rn. 91). Schließlich sind nach § 1 Abs. 6 Nr. 7a BauGB »die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen,
Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die
biologische Vielfalt« als planerische Grundsätze bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Schon
von daher liegen für die Festsetzung von Kompensationsmaßnahmen, die dem Ausgleich von durch
den Bebauungsplan zu erwartenden Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft dienen,
städtebauliche Gründe i. S. v. § 9 Abs. 1 BauGB stets vor.

261 Ebenfalls nicht geringe Anforderungen bestehen auch in Bezug auf die Flächen, auf denen die
Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden sollen (vgl. schon oben Rdn. 214a ff. ). Die mit
Ausgleichsmaßnahmen angestrebten ökologischen Funktionsverbesserungen führen darstellungs-
und festsetzungstechnisch zwangsläufig vielfach dazu, verschiedene Darstellungen eines
Flächennutzungsplans bzw. Festsetzungen eines Bebauungsplans mit Ausgleichsflächen zu
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 48/71
überlagern, insbesondere dann, wenn die überlagerten Flächen neben der Ausgleichsfunktion noch
eine andere Funktion, bspw. eine land- oder forstwirtschaftliche übernehmen sollen. Die im Hinblick
darauf sich für die Planung ergebenden Möglichkeiten sind sehr vielgestaltig und erlauben es den
Gemeinden, die Anforderungen der eingriffsrechtlichen Bestimmungen umfassend anzugehen.

261a In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass durch die aus den
eingriffsrechtlichen Bestimmungen resultierenden Flächenanforderungen im Hinblick auf den
Eingriffsausgleich gleichwohl auch über eine Weiterent-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 160 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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wicklung des konzeptionellen Verhältnisses von Kompensation und sie auslösenden anderen
Raumnutzungsansprüchen nachzudenken wäre. Kompensationserfordernisse ergeben sich für die
kommunale Bauleitplanung so nicht nur aus den nationalen eingriffsrechtlichen Bestimmungen,
sondern auch aus den europarechtlichen Anforderungen des Gebiets- und Artenschutzes, also der
FFH-RL und der Vogelschutz-RL. Eine besondere Schwierigkeit stellt dabei zunehmend die
Verfügbarkeit von Flächen für die Durchführung von Kompensationsmaßnahmen dar. Für die
Gemeinden stellt sich auf Grund des Zusammenwirkens von naturschutzbezogenen
Umweltprüfverfahren die Frage, inwieweit nicht nur die methodisch und rechtlich auseinander zu
haltenden Verfahren, sondern auch die aus ihnen hervorgehenden Erfordernisse nach
Ausgleichsmaßnahmen und den damit zusammenhängenden Ausgleichsflächen einer
raumbezogenen Steuerung auf planerisch-konzeptionelle Weise zugänglich gemacht werden
können. Insoweit angesprochen sind die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen nach § 1a
Abs. 3 BauGB, Kohärenzsicherungsmaßnahmen auf der Grundlage einer FFH-Verträglichkeitsprüfung
nach den §§ 36 , 34 BNatSchG i. V. m. § 1a Abs. 4 BauGB und vorgezogene artenschutzrechtliche
Ausgleichsmaßnahmen nach § 44 Abs. 5 BNatSchG . Für diese unterschiedlichen
Ausgleichserfordernisse, denen vor dem Hintergrund der stets auch erforderlichen Ausgleichsflächen
auch eine räumliche Komponente beizumessen ist, stellt sich die Frage, ob sie nicht im Sinne eines
erweiterten planerischen Kompensationsansatzes auf einer ersten Stufe zu einem ganzheitlichen
naturschutzfachlichen Kompensationskonzept (zu den Anforderungen in Bezug auf die Fachplanung,
vgl. BVerwG, U. v. 24.03.2011 – 7 A 3.10 –, NVwZ 2011, 1124 Rdn. 55 ff.; für die Bauleitplanung, vgl.
Mitschang/Wagner, DVBl 2010, 1257 ff. sowie dies., DVBl 2010, 1457 ff. ) zusammengeführt werden
können (schon frühzeitig Wagner/Mitschang, DVBl 1997, 1137 ff. ).

261b Nicht nur bei der Anwendung der planerischen Eingriffsregelung in der Bauleitplanung, sondern auch
bei der Heranziehung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Falle von
planfeststellungsersetzenden Bebauungsplänen, Fachplanungen oder bei Außenbereichsvorhaben
werden für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geeignete Flächen benötigt.
Dass die Frage der Flächenverfügbarkeit insoweit eine zunehmend bedeutendere Rolle einnimmt, zeigt
sich für die Anwendung der Eingriffsregelung im Naturschutzrecht in der mit dem BNatSchG-2009
geschaffenen Neuregelung nach § 15 Abs. 3 BNatSchG , durch die eine eigens ausgestaltete
»Agrarklausel« normiert wird. Für das Städtebaurecht wird diese Bestimmung mit dem
Inkrafttreten der Innenentwicklungsnovelle 2013 durch § 1a Abs. 3 S. 5 ebenfalls in Bezug genommen
und als entsprechend anzuwenden bestimmt (vgl. unten Rdn. 314a ff. ).

261c In einem daher auf einer zweiten Stufe zu erarbeitenden »übergreifenden Kompensationskonzept«
(so auch Louis , NuR 2010, 77, 82) lägen erhebliche

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 161 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Chancen für die Bauleitplanung ebenso wie für den Naturschutz (Scheidler, UPR 2010, 134, 138
spricht insoweit von einem »naturschutzfachlichen Gesamtkonzept«). Ein solches
Kompensationskonzept müsste zwangsnotwendiger Weise auch Anforderungen der Siedlungs- und
Infrastrukturentwicklung mitberücksichtigen, so dass es zu einem umfassenden
naturschutzfachlichen Kompensations- und Freiraumkonzept weiterentwickelt werden
könnte.

262 Der Festsetzungskatalog in § 9 Abs. 1 enthält umfangreiche Festsetzungsmöglichkeiten für


Ausgleichsflächen und Ausgleichsmaßnahmen. Insoweit kommen in Betracht:

Flächen, die von Bebauung frei zu halten sind, und ihre Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 10 ),

Flächen für die Abwasserbeseitigung einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von
Niederschlagswasser (§ 9 Abs. 1 Nr. 14 ),

Grünflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 ),

Wasserflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 16 ),

Flächen für die Landwirtschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 18a ),


Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 49/71
Flächen für Wald (§ 9 Abs. 1 Nr. 18b ),

Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und
Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 )

sowie Anpflanzungs-, Bindungs- und Erhaltungsbestimmungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 25a und b ).

263 Ebenso wie die planerische Eingriffsregelung selbst ist auch der Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1
seit der Ausgestaltung des BauROG 1998 im Hinblick auf die heranziehbaren Darstellungs- und
Festsetzungsmöglichkeiten zur Eingriffs- und Ausgleichsbewältigung nicht mehr verändert worden.
Allerdings sind die damals vorgenommenen Änderungen und Erweiterungen am Festsetzungskatalog
für die Bewältigung der eingriffsrechtlichen Anforderungen auch heute noch grundlegend.
Zusammen mit den Möglichkeiten, Anpflanzungs-, Bindungs- und Erhaltungsbestimmungen nach § 9
Abs. 1 Nr. 25a und b zu treffen, bilden sie das Rückgrat der planerischen Eingriffsbewältigung in
Bauleitplänen und Ergänzungssatzungen:

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 14 BauGB -alt konnten im Bebauungsplan lediglich »Flächen für die
Abwasserbeseitigung« festgesetzt werden. Im Hinblick darauf stellte das BauROG 1998 durch
eine Regelungsergänzung in § 9 Abs. 1 Nr. 14 klar, dass von den Flächen für die
Abwasserbeseitigung auch solche erfasst werden, die »der Rückhaltung und
Versickerung von Niederschlagswasser« dienen. Für die Eingriffs- und
Ausgleichsbewältigung ist diese klarstellende Regelungserweiterung von erheblicher Bedeutung,
weil derlei Festsetzungen in fast allen Bebauungsplänen getroffen werden, um die durch
Bodenversiegelungen hervorgerufenen Beeinträchtigungen zu mindern oder auszugleichen.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 162 – Lfg. 28 –
01.07.2014 << >>

Eine weitere durch das BauROG 1998 hervorgerufene Veränderung im Festsetzungskatalog


betrifft § 9 Abs. 1 Nr. 16 und 20 und betrifft die Streichung des in diesen
Festsetzungsmöglichkeiten ehemals enthaltenen Subsidiaritätsvorbehaltes. So durften nach 9
Abs. 1 Nr. 16 BauGB-alt Festsetzungen für Wasserflächen sowie die Flächen für die
Wasserwirtschaft, für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses
nur getroffen werden, »wenn sie nicht nach anderen Vorschriften getroffen werden
können«. Durch die Streichung des Subsidiaritätsvorbehaltes in dieser Bestimmung ist es den
Gemeinden seither möglich, wasserrechtliche Maßnahmen, wie bspw. die
Gewässerrenaturierung, in ihren Bebauungsplänen festzusetzen. Gleichwohl können
diesbezügliche Festsetzungen das an und für sich erforderliche wasserrechtliche Verfahren
allerdings nicht ersetzen. Für die Bewältigung der Eingriffsanforderungen kommt allerdings der
Streichung des Subsidiaritätsvorbehaltes in § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB -alt die größte Bedeutung
zu. Nach dieser Bestimmung war es möglich im Bebauungsplan »Maßnahmen zum Schutz,
zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft« festzusetzen, »soweit solche
Festsetzungen nicht nach anderen Vorschriften getroffen werden können«. Den Gemeinden
steht mit dem Wegfall der Subsidiaritätsklausel ein weitreichender Spielraum im Hinblick auf die
Ausgestaltung ihres natur- und landschaftsbezogenen Freiraumes mittels dieser
Festsetzungsmöglichkeit nunmehr zu.

264 In jüngerer Zeit kommt einer durch das EAG Bau 2004 im Zusammenhang mit dem städtebaulichen
Ziel der Innenentwicklung neu geschaffenen Festsetzungsmöglichkeit auch für die
Eingriffsbewältigung Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um § 9 Abs. 2 , der den Gemeinden
Regelungen über befristete und bedingte Baurechte zur Verfügung stellt. Diese Bestimmung
erlangt insoweit unter zweierlei Aspekten Bedeutung für die Eingriffsbewältigung. Zunächst können
die für Zwischennutzungen vorgesehenen Flächen auch als Flächen für den Ausgleich von Eingriffen
an anderer Stelle herangezogen werden und dabei einerseits der jeweiligen Ausgleichsverpflichtung
sowie andererseits auch den zunehmend wichtiger werdenden Anpassungsstrategien an den
voranschreitenden Klimawandel Rechnung getragen werden. Gleichwohl stellen Zwischennutzungen,
die nicht dem Ausgleichserfordernis dienen, regelmäßig auch einen Eingriff in Natur und Landschaft
dar, der ausgleichspflichtig ist. Insoweit stellt sich die Frage nach dem Ausgleich im Verhältnis von
Zwischennutzung und Folgenutzung. Dies wird wohl nur anhand des konkreten Einzelfalles
klärungsfähig sein, wobei in streitigen Fällen, der Folgenutzung ein Vorrang einzuräumen ist.

265 Werden im Bebauungsplan Festsetzungen über den Ausgleich an anderer Stelle getroffen, so
schließen diese regelmäßig eine weitere private Nutzung des Grundstücks aus. Der Eigentümer kann
dann unter Bezugnahme auf § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 eine Übernahme verlangen.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 163 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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c) Orte des Ausgleichs (§ 1a Abs. 3 S. 3)


Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 50/71
266 § 1a Abs. 3 S. 3 stellt den Gemeinden die Möglichkeit zur Verfügung, Darstellungen und
Festsetzungen auch an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs zu treffen, wenn dies mit einer
nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung und den Zielen der Raumordnung sowie des Naturschutzes
und der Landschaftspflege vereinbar ist. Diese Bestimmung erweitert damit den räumlichen
Bezugsraum für die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen. Der Gesetzgeber geht mit der
Ausgestaltung der Vorschrift im Hinblick auf den räumlichen Bezugsraum von Ausgleichsmaßnahmen
über § 1a Abs. 3 S. 2 hinaus, denn danach erfolgt der Ausgleich durch geeignete Darstellungen und
Festsetzungen als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich (vgl. Rdn. 256 ff. ). Die Vergrößerung des
räumlichen Bezugsraumes erweitert nicht nur die Möglichkeiten, einen Ausgleich der durch die
Planung vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft vorzunehmen, sie verpflichtet die planende
Gemeinde auch geradewegs dazu, das Integritätsinteresse der Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege vor dem Hintergrund der räumlichen Flexibilisierung zu betrachten. Dies
erschwert das Abrücken von der Vollkompensation (in diesem Sinne auch OVG Münster, B.
v. 13.03.1998 – 7a B 374.98 –, NVwZ-RR 1999, 113).

267 Für die Bewältigung der Eingriffs- und Ausgleichsproblematik in der Bauleitplanung und bei
Ergänzungssatzungen ist die mit dem BauROG 1998 geschaffene räumliche und zeitliche
Flexibilisierung von Eingriff und Ausgleich von ganz entscheidender Bedeutung. Vor dem Hintergrund
des damals ebenfalls neu normierten Ausgleichsbegriffs in § 1a Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 200a
(vgl. Rdn. 174 ff. ) und der Vergrößerung des Suchraumes für Ausgleichsflächen im Rahmen der
räumlichen Flexibilisierung (vgl. Mitschang, § 1a Rn. 22 f.) wird die ehemals an die Ebene der
Vorhabenzulassung geknüpfte naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in eine planerisch-
konzeptionelle und eigens für Bauleitpläne und die ihnen gleichgestellten Ergänzungssatzungen
geltende planerische Eingriffsregelung abgewandelt, bei der zwar bestimmte Elemente der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (Vermeidung und Ausgleich) weiterhin ihre Bedeutung
behalten, die aber in ihrem Kernbereich in erster Linie auf die Planung bezogene Anforderungen
enthält. Mit der gelockerten funktionalen Komponente des Ausgleichs (vgl. Rdn. 238 ), der
räumlichen Flexibilisierung und der Einbeziehung der naturschutzrechtlichen Elemente der
Vermeidung und des Ausgleichs in die bauleitplanerische Abwägung, wird der Ausgleich von durch die
Planung vorbereiteten Eingriffen in Natur und Landschaft zu einem in das bauleitplanerische
Entscheidungsprogramm eingestellten Planungsbelang.

268 Die planerische Eingriffsregelung erlaubt den Gemeinden, auch bei einem faktisch möglichen
gleichartigen Ausgleich, aus städtebaulichen Gründen, bspw. um die für den Eingriffsausgleich
benötigten Flächen für eine andere Nutzung

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 164 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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zu verwenden, direkt auf einen gleichwertigen Ausgleich an anderer Stelle auszuweichen. Dabei kann
sie außerdem auch noch ein Ausgleichsdefizit hinzunehmen, soweit dieses, jedenfalls gemessen an
den Maßstäben des bauleitplanerischen Abwägungsgebotes, sachgerecht und möglich ist (vgl.
Rdn. 237 und 241 ). Dies verdeutlicht, dass die planerische Eingriffsregelung eine andere
Zielsetzung verfolgt als die an der Erhaltung des Status Quo von Natur und Landschaft und insoweit
an einer möglichst umfänglichen Realkompensation ausgerichtete naturschutzrechtliche
Eingriffsregelung. Zwar hat sich die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung durch den Wegfall der
Vorrangigkeit des Ausgleichs gegenüber dem Ersatz der planerischen Eingriffsregelung angeglichen,
jedoch ist sie mit dieser jedenfalls noch nicht identisch. Wenn allerdings, wie im Koalitionsvertrag
(Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode zwischen CDU/CSU und FDP, Wachstum. Bildung.
Zusammenhalt, S. 31) vereinbart, die Bundesländer die Kompetenz erhalten sollen, beim Ausgleich
von Eingriffen in die Natur, die Ersatzzahlung anderen Kompensationsmaßnahmen gleichzustellen
(vgl. hierzu Franzius , ZUR 2010, 346, 352), würde dies die innere Struktur der naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung maßgeblich verändern. Sie würde sich zunehmend von der Realkompensation zu
einem eher monetär geprägten Instrument i. S. e. Schadensersatzes hin entwickeln.

269 Ergänzt wird die räumliche Flexibilisierung durch die zeitliche Abkoppelung von Eingriff und Ausgleich
(sog. »zeitliche Flexibilisierung«). Danach können Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in
Natur und Landschaft bereits vor den Baumaßnahmen und der Zuordnung durchgeführt werden
(vgl. § 135a Abs. 2 S. 2 ). Anwendung und Vollzug dieser Regelung stehen im Belieben der Gemeinden
und haben im planungspraktischen Vollzug sehr unterschiedliche Modelle von sog. »Öko-Konten«,
Flächenpools und Maßnahmenbevorratung hervorgebracht. Auch in dieser Hinsicht findet durch § 16
BNatSchG eine Anpassung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an die planerische
Eingriffsregelung statt. Mit dieser Bestimmung werden Öko-Konten sowie andere Formen der
Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen bundesrechtlich eingeführt.

aa) Alternativen im Hinblick auf den Ort des Ausgleichs


270 Vor dem Hintergrund der räumlichen Flexibilisierung kann die Gemeinde bezüglich des Ortes, an
dem die Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden sollen, zwischen mehreren Alternativen
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 51/71
wählen. Infrage kommen:

Die vom Eingriff betroffenen Grundstücksflächen.

Flächen im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans, auch in einem räumlich getrennten


Teilgeltungsbereich.

Flächen im Geltungsbereich eines räumlich getrennten Ausgleichs- oder


Kompensationsbebauungsplans (sog. »planexterner Ausgleich«).

Flächen in der Region.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 165 – Lfg. 28 –
01.07.2014 << >>

Von der Gemeinde bereitgestellte Flächen.

271 Alle hier angeführten Möglichkeiten stehen gleichwertig nebeneinander und können auch
miteinander kombiniert werden (ausführlich dazu: Schink, DVBl 1998, 613 ff.; Müller-Jökel, VR
1997, 334 ff.). Die Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen auf dem Eingriffsgrundstück war schon
vor dem Inkrafttreten des Baurechtskompromisses durch das InvWobaulG im Jahr 1993 möglich und
stellt die nach wie vor in der Praxis gebräuchlichste Form der Eingriffsbewältigung dar. Sie kommt
auch am ehesten dem Sinn und dem Zweck der Bestimmungen über Eingriffe in Natur und
Landschaft am nächsten (vgl. Rdn. 194 ). Ausgleichsmaßnahmen sind gemäß dem umweltrechtlichen
Verursacherprinzip durch den Vorhabenträger durchzuführen (vgl. Rdn. 195 ) und können, soweit sie
Gegenstand eines Baugenehmigungs- oder sonstigen bauordnungsrechtlichen
Genehmigungsverfahrens sind, durch Nebenbestimmungen in Form von Auflagen
durchgesetzt werden (vgl. Louis , ZUR 1993, 151 ff.). Im Übrigen ergeben sich aus dieser Form der
Eingriffsbewältigung nicht von der Hand zu weisende Vorteile für die Gemeinde. Sie braucht die
entsprechenden Flächen nicht zu besorgen und trägt keine Verantwortung für die Ausführung der
Maßnahmen, die sie außerdem auch nicht vorfinanzieren muss. Damit sind aber auch die Nachteile
dieser Form des Ausgleichs evident. Die Durchführung der Maßnahmen obliegt dem
Grundstückseigentümer und dieser soll gewährleisten, dass die betreffenden Flächen und
Maßnahmen auf Dauer erhalten bleiben. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, ergänzend mit den
Grundstückeigentümern eine vertragliche Vereinbarung über die Durchführung der
Ausgleichsmaßnahmen und die dauerhafte Sicherstellung der entsprechenden Flächen zu treffen, um
bei nicht sachgerechter Vertragserfüllung auf ebenfalls zu regelnde Sicherungsmittel zurückgreifen zu
können.

272 Für die planerische Festsetzung im jeweiligen Bebauungsplan oder in der Ergänzungssatzung
kann der Festsetzungskatalog des § 9 Abs. 1 bis 3 herangezogen werden (vgl. Rdn. 262 ff. ). Soweit
eine Bewältigung der Eingriffsanforderungen durch die Festsetzung von Ausgleichsmaßnahmen auf
den Eingriffsgrundstücken nicht herbeigeführt werden kann, besteht die Möglichkeit, für die
Kompensation des Eingriffs, auf Flächen »an anderer Stelle« als dem Eingriffsort zurückzugreifen.
Nach § 9 Abs. 1a S. 2 können die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle den
Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden (vgl.
Rdn. 289 ). Die Durchführung der Maßnahmen obliegt in diesen Fällen der Gemeinde an Stelle und auf
Kosten der Vorhabenträger oder Eigentümer der Eingriffsgrundstücke.

273 Grundsätzlich sind hier zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. Angesprochen sind zunächst solche
Ausgleichsflächen, die im räumlichen Zusammenhang mit den Eingriffsflächen gelegen und insoweit
Bestandteil des sonstigen Gel-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 166 – Lfg. 28 – 01.07.2014
<< >>
tungsbereichs des Bebauungsplans sind. Da es im Hinblick auf die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten
sowie auf Grund der im konkreten Fall beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde
oftmals problematisch ist, beide Flächenarten in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang
auszuweisen, ist Mitte der neunziger Jahre die Frage nach der Zulässigkeit eines Bebauungsplans
mit zwei oder mehr räumlich getrennten Teilgeltungsbereichen geführt worden (verneinend,
etwa: Runkel, NVwZ 1993, 1140; Löhr, LKV 1994, 325; Krautzberger, NVwZ 1993, 523 und
Mitschang, ZfBR 1995, 242; bejahend, etwa: Blume, NVwZ 1993, 942; Kuchler, LKV 1994, 101 ff.;
Schink, ZAU 1994, 351; Bunzel, NVwZ 1994, 960; Gassner, NuR 1993, 253 sowie Stollmann, UPR
1994, 173). Mittlerweile liegt diesbezüglich eine Entscheidung des BVerwG (B. v. 09.05.1997 – 4 N
1.96 –, ZfBR 1997, 258) vor, nach der sich ein einheitlich erlassener Bebauungsplan auf zwei räumlich
voneinander getrennte Gebiete, also auf Teilgebiete eines räumlichen Geltungsbereichs, erstrecken
kann. Im Hinblick darauf ist es zulässig, die für die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen
erforderlichen Flächen auch räumlich getrennt von den Eingriffsflächen in einem anderen
Teilgeltungsbereich des Bebauungsplans festzusetzen.

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 52/71


274 Die Möglichkeit, Ausgleichsmaßnahmen auf Flächen im Geltungsbereich eines vom
Eingriffsbebauungsplan räumlich getrennt liegenden Ausgleichs- oder Kompensationsplans
festzusetzen, besteht erst seit dem Inkrafttreten des BauROG 1998. Während diesbezüglich § 1a
Abs. 3 S. 3 zunächst allgemein bestimmt, dass Darstellungen und Festsetzungen zum Ausgleich von
Eingriffen auch an anderer Stelle als am Eingriffsort erfolgen können, enthält § 9 Abs. 1a S. 1 die
Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit des Ausgleichs- oder Kompensationsplans. Danach können
Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3 auf den Grundstücksflächen, auf
denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen
Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden.
§ 200a S. 2 ergänzt dies insoweit in sachinhaltlicher Form, dass ein unmittelbarer räumlicher
Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleich nicht erforderlich ist. Dabei darf der
Ausgleichsbebauungsplan nicht nach dem Eingriffsbebauungsplan erlassen werden (darauf weist
Reidt, in: Bracher/Reidt/ Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 765 f. unter Anführung
von Beispielen zu Recht hin), sondern muss vielmehr zeitgleich in Kraft gesetzt werden. Über das
Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 7 sind der Eingriffsbebauungsplan und der Ausgleichs- oder
Kompensationsbebauungsplan materiellrechtlich miteinander verknüpft. Gegenüber dem
Bebauungsplan mit räumlich getrennten Teilgeltungsbereichen wird durch den Ausgleichs- oder
Kompensationsbebauungsplan eine noch weiter gehende Abkoppelung von Eingriff und Ausgleich
vollzogen (ausführlich dazu: Lüers , UPR 1996, 404 ff.; Wolf, NuR 2001, 481 ff.; ders., NuR 2004,
6 ff.).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 167 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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275 Mit der Möglichkeit der räumlichen Abkoppelung von Eingriff und Ausgleich ergibt sich eine weitere
Alternative für die räumliche Flexibilisierung. Insoweit angesprochen ist der Ausgleich in der
Region. Nach § 7 Abs. 2 ROG können eigens den Ausgleich von Eingriffen betreffende Ziele der
Raumordnung in den Raumordnungsplänen festgelegt werden. In diesem Sinne kann geregelt
werden, dass Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft an anderer Stelle als etwa
in städtischen Agglomerationsräumen, in einzelnen, durch die Raumordnung bestimmten
Standortbereichen durchzuführen sind. In der Raumordnungspraxis werden die diesbezüglich infrage
kommenden Ausgleichsflächen einer Region regelmäßig über das Instrument der »Regionalen
Grünzüge« festgelegt.

276 Impulse für die Schaffung eines überörtlichen Freiraumkonzeptes unter Einbeziehung der gesamten
Region können sich auch aus den europarechtlichen Anforderungen der FFH- sowie der Vogelschutz-
Richtlinie und ihrer Umsetzung ergeben. Ziel ist die Ausgestaltung eines vernetzten Biotopsystems,
das ergänzend zu den bereits auf nationaler Ebene bestehenden flächenbezogenen Schutzgebieten
hinzutritt. In diesem Zusammenhang ist es durchaus denkbar, die Ausbildung einer umfassenden
Schutzgebietskonzeption anzustreben, bestehend aus europäischen und nationalen Schutzgebieten,
sie umgebenden »Pufferzonen« und diese vernetzenden »Trittsteinen«, wobei sowohl die
Pufferzonen als auch die Trittsteine als potenzielle Flächen für Ausgleichsmaßnahmen zur Bewältigung
der Eingriffs- und Ausgleichsproblematik bei Bauleitplänen und Ergänzungssatzungen herangezogen
werden können (vgl. zu einem umfassenden Kompensations- und Freiraumkonzept Rdn. 261a ff.). Als
das hierfür geeignete Instrument zur Umsetzung des regionalen Ausgleichs steht insbesondere der
städtebauliche Vertrag (vgl. Rdn. 296 ff. ) zur Verfügung, dessen Regelungsumfang sich auch auf
die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen auf den insoweit erforderlichen Ausgleichsflächen
erstrecken kann. Instrumentelle Bedeutung kann in diesem Zusammenhang auch die Aufstellung
eines Regionalen Flächennutzungsplans im Sinne von § 9 Abs. 6 ROG erlangen, da dieser sowohl die
Funktion des Regionalplans als auch des Flächennutzungsplans übernimmt.

277 Eine spezifische Form des planexternen Ausgleichs wird im Hinblick auf die Durchführung von
Ausgleichsmaßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen auf der Grundlage der
Bestimmung von § 1a Abs. 3 S. 4 zur Verfügung gestellt. Danach können an Stelle von Darstellungen
und Festsetzungen zum Ausgleich von zu erwartenden Eingriffen, sowohl vertragliche
Vereinbarungen als auch geeignete Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen
getroffen werden (einschränkend insoweit allerdings Bayerischer VGH, U. v. 30.03.2010 – 8 N
09.1861 –1869, 8 N 09.1870–1875 –, NuR 2010, 505, 509 f.) In dieser Entscheidung verlangt der
Bayerische VGH für vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen des Artenschutzrechts i.S.v. § 44 Abs. 5
S. 3 BNatSchG

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 168 – Lfg. 33 – 01.05.2016
<< >>
zwingend eine Festsetzung im Bebauungsplan. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 5
S. 3 BNatSchG . Sonstige geeignete Maßnahmen i.S.v. § 1a Abs. 3 S. 4 BauGB seien dagegen nicht
ausreichend. Diese Auffassung des Bayerischen VGH überzeugt allerdings nicht, zunächst, weil viele
vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen einer Festsetzung i.S.v. § 9 Abs. 1 BauGB einfach nicht
zugänglich sind (z.B. Schaffung von Ersatzlebensstätten oder Aufhängen sowie Anbringen von
Fledermauskästen), so dass gerade vertragliche Regelungen das geeignete Instrument zu ihrer
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 53/71
Festlegung darstellen. Außerdem hat das BVerwG (U. v. 19.09.2002 – 4 CN 1.02 –, DVBl 2003, 204 )
zur Sicherung von Ausgleichsmaßnahmen ausgeführt, dass die Gemeinde für die Frage der
Umsetzung einer Kompensation nicht auf die Mittel der Bauleitplanung und der Vereinbarung
beschränkt sein soll. Sie darf vielmehr jede andere Möglichkeit nutzen, um das Ziel eines Ausgleichs
für den vorgesehenen Eingriff zu erreichen, sofern sie hierfür Flächen bereitstellt. Nicht nur an die
Maßnahmen selbst, sondern auch an die gemeindlichen Flächen, auf denen die Maßnahmen
ausgeführt werden sollen, sind bestimmte Anforderungen zu stellen, wenngleich nach dem Wortlaut
der Vorschrift lediglich für Maßnahmen verlangt wird, dass sie »geeignet« sein müssen (vgl. zu
den Anforderungen an Ausgleichsflächen im Einzelnen: Rdn. 214a ff. , 261 ff. und 307 ).

278 Da § 1a Abs. 3 S. 4 anders als die vorangegangene Regelung in § 8a BNatSchGalt keine


Verpflichtung zur planerischen Sicherung dieser Flächen verlangt, vielmehr die Durchführung
von Ausgleichsmaßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen den Darstellungen des
Flächennutzungsplans oder den Festsetzungen eines Bebauungsplans sowie entsprechenden
Vorschriften eines städtebaulichen Vertrages gleichstellt, sind an ihre Einbeziehung in ein
gesamtgemeindliches Kompensations- und Freiraumkonzept keine spezifischen Anforderungen
gestellt. Die gemeindeeigenen Flächen müssen insoweit nicht notwendigerweise in der Gemeinde
selbst liegen, sondern können auch außerhalb des Gemeindegebiets liegen, müssen aber ebenso wie
innerhalb des Gemeindegebiets gelegene Ausgleichsflächen hinreichend verfügbar sein (Reidt, in:
Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 757). Auch planexterne
Ausgleichsmaßnahmen müssen hinreichend rechtlich gesichert und durchführbar sein (OVG
Nordrhein-Westfalen, U. v. 27.05.2013 – 2 D 37.12. NE –, BauR 2013, 1966, 1973 ; dass., U.
v. 06.05.2014 – 2 D 14.13.NE –, NuR 2015, 337, 346). Daher müssen der bauleitplanerischen
Abwägung Aussagen entnommen werden können, welche Flächen (und welche Maßnahmen) für die
Eingriffsbewältigung insoweit vorgesehen sind (vgl. Schink, DVBl 1998, 614 sowie Battis , in:
Battis/Krautzberger/Löhr, § 1a Rn. 27, differenzierend zwischen der Durchführung von bestimmten
Pflanzungen und dauerhaften Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen: Reidt, in:
Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 776 ff.). Umstritten ist dabei
insbesondere, ob und wieweit die Durchführung der Ausgleichsmaßnahme mit der anderen Gemeinde

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 169 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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jeweils abgestimmt sein muss (offen lassend OVG Lüneburg, U. v. 25.06.2008 – 1 KN 132.06 –, NuR
2008, 714, und zwar für den Fall, dass die Ausgleichsfläche nicht nur in einer anderen Gemeinde,
sondern auch in einem anderen Bundesland liegt). Infolgedessen ist es notwendig, in der Begründung
zum Bauleitplan oder zur Ergänzungssatzung entsprechende Angaben zu machen. Inwieweit die
Gemeinden von dieser in § 1a Abs. 3 S. 3 angeführten Möglichkeit der Bereitstellung von Flächen
Gebrauch machen, ist hinsichtlich Art und Umfang ganz in ihr Belieben gestellt. Ein Ausgleich auf von
der Gemeinde bereitgestellten Flächen kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Gemeinde
vorsorgend im Rahmen einer Flächen- oder Maßnahmenbevorratung Ausgleichsflächen erworben
oder in sonstiger Weise dauerhaft gesichert hat. Sie können durch vertragliche Vereinbarung mit der
Nachbargemeinde und mit dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Eingriff vorgenommen
wird, für den Eingriffsausgleich bereitgestellt werden (vgl. Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller,
Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 757). In zeitlicher Hinsicht ist eine solche vorsorgende
Flächenpolitik von besonderer Bedeutung, weil bei der Bewältigung der eingriffsrechtlichen
Anforderungen das oftmals schwierige und daher auch langwierige Suchen nach geeigneten Flächen
unterbleiben können.

279 Noch nicht abschließend geklärt sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Sicherung des
Ausgleichs auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen (hierzu: Köck, NuR 2004, 1, 4 ff.; Thum,
ZUR 2004, 278, 283 f.). Die hier aufgeworfene Problematik ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil
zu Recht die Gefahr gesehen wird, dass sich eine Gemeinde durch nur einseitig abgegebene
Erklärungen über den Eingriffsausgleich ohne rechtliche Folgen für den Bebauungsplan und
gewissermaßen sanktionslos nach einiger Zeit von ihren Absichtsdarlegungen zurückzieht (vgl.
BVerwG, B. v. 18.11.1997 – 4 BN 26.97 –, NVwZ-RR 1998, 552; OVG Nordrhein-Westfalen, U.
v. 27.05.2013 – 2 D 37.12.NE –, BauR 2013, 1966, 1973 sowie Halama, in: Berkemann/Halama,
Erstkommentierungen zum BauGB 2004, Bonn, 2005, § 1a Rn. 31; a.A. Schmidt-Eichstaedt, ZfBR
2005, 751, der auf die Kommunalaufsicht abstellt). Dem muss die planende Gemeinde
entgegentreten, ohne dass der Gesetzgeber allerdings vorgibt, wie sie dies tun soll. Der ihr insoweit
zugestandene Spielraum wird aus der vielfältigen Rechtsprechung zur Sicherung von
Ausgleichsmaßnahmen deutlich.

280 Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich zwar, dass eine Gemeinde bei der Ausgleichsbewältigung
nicht allein auf Darstellungen oder Festsetzungen oder auf den Abschluss von vertraglichen
Vereinbarungen beschränkt ist. Denn sonstige geeignete Maßnahmen stehen als dritte Alternative
gleichberechtigt neben den vorangehend angeführten Regelungsmöglichkeiten. Schon daraus ergibt
sich, dass die Gemeinde nicht zwingend auf den Abschluss vertraglicher Vereinbarungen
abstellen muss, um einer Ausgleichsverpflichtung nachzukommen. Ob insoweit eine einseitige
Erklärung der Gemeinde als »sonstige Maßnahme«
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 54/71
§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 170 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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anerkannt werden kann, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls (so BVerwG, U. v. 19.09.2002
– 4 CN 1.02 –, DVBl 2003, 204 ; OVG Lüneburg, B. v. 19.05.2009 – 1 MN 12.09 –, NVwZ-RR 2009,
830 Rn. 59). Schließlich besteht die Gefahr, dass sich die Gemeinde von der nur einseitig gegebenen
Erklärung, mit der eine Kompensationsmaßnahme in Aussicht gestellt wird, im Nachhinein ohne
weitere Kontrolle und ohne Gefahr für den rechtlichen Bestand des Bebauungsplans wieder lossagt
(vgl. BVerwG, B. v. 18.11.1997 – 4 BN 26.97, NVwZ-RR 1998, 552; OVG Rheinland-Pfalz, U.
v. 08.05.2013 – 8 C 10635.12 –, UPR 2013, 393, 396). Nach den Ausführungen des Gerichts lässt die
gesetzliche Regelung in § 1a Abs. 3 S. 3 (heute § 1a Abs. 3 S. 4) erkennen, dass ein Mindestmaß an
rechtlicher Bindung unabdingbar ist. Hinzu kommt, dass die vorgesehene Maßnahme auch bei
realistischer Betrachtung durchführbar zu sein hat (OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 27.05.2013 – 2
D 37.12.NE –, BauR 2013, 1966, 1973 ). Dies ergibt sich mittelbar aus § 135a Abs. 1 und 2 . Das
BVerwG hat es in seiner Entscheidung (BVerwG, B. v. 18.11.1997 – 4 BN 26.97, NVwZ-RR 1998, 552)
allerdings offen gelassen, ob es ausreicht, wenn die Flächen, auf denen die Maßnahmen durchgeführt
werden sollen, im Eigentum der Gemeinde stehen (so jedenfalls OVG Nordrhein-Westfalen, U.
v. 27.05.2013 – 2 D 37.12.NE –, BauR 2013, 1966, 1973 ) Jedenfalls seien die
Anwendungsvoraussetzungen dann erfüllt, wenn sich aus den sonstigen Umständen ergebe, dass
der Ausgleich sichergestellt sei. Ausreichend war es danach, dass die Gemeinde als Eigentümerin der
Fläche, die Ausgleichsmaßnahmen genau bestimmt und sich zur Durchführung der Maßnahmen
verpflichtet hat (BVerwG, U. v. 19.09.2002 – 4 CN 1.02 –, DVBl 2003, 204 ). Nicht ausreichend ist es
aber, wenn die durchzuführenden Entwicklungs- und Entwicklungspflegemaßnahmen nur vage und
stichwortartig beschrieben werden (z.B. »gelegentliche Entbuschung«, vgl. OVG Rheinland-Pfalz,
U. v. 08.05.2013 – 8 C 10635.12 –, UPR 2013, 393, 396). Vielmehr muss es für die
Naturschutzbehörde im Nachhinein kontrollierbar feststehen, was die Gemeinde zum Ausgleich der
Eingriffe zu tun gedenkt (VGH Baden-Württemberg, U. v. 22.01.2002 – 8 S 1388.01 –, NuR 2002,
552). Auch nicht ausreichend ist es, wenn sich den Bebauungsplanakten entnehmen lässt, dass sich
der Gemeinderat mit der Frage der planerischen Sicherung überhaupt nicht befasst hat und unklar ist,
in wessen Eigentum die vorgesehenen Ausgleichsflächen stehen und ob der Eingriffsverursacher
überhaupt die Verfügungsgewalt über die betreffenden Flächen hat (so Bayerischer VGH, U.
v. 30.03.2010 – 8 N 09.1861 –1869, 8 N 09.1870–1875 –, NuR 2010, 505, 509 f.). Auch nicht
ausreichend ist die bloße Flächenbereitstellung, ohne dass eine planerische Absicherung erfolgt
(Bayerischer VGH, U. v. 07.11.2006 – 14 N 04.107 –, BeckRS 2009, 38514). Ebenso wenig genügt die
bloße Möglichkeit einer kommunal-aufsichtlichen Durchsetzung einseitiger Erklärungen der Gemeinde
grundsätzlich nicht (BVerwG, U. v. 19.09.2002 – 4 CN 1.02 –, DVBl 2003, 204 ). Auch eine
vertraglich geregelte Verpflichtung zur Übereignung eines Grundstücks stellt keine
hinreichende Sicherung dar, da im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses die für die Durchführung von
sonstigen
§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 171 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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Maßnahmen von der Gemeinde bereitgestellte Fläche sich im Eigentum der Gemeinde befinden muss
oder zumindest ein zeitlich unbefristetes Verfügungsrecht der Gemeinde über diese Fläche gesichert
sein (so deutlich: OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 27.05.2013 – 2 D 37.12.NE –, juris.; U.
v. 19.04.2007 – 7 D 3.06.NE –, juris. Rn. 64, 66 und U. v. 18.12.2009 – 7 D 124.07.NE , 7 D 128.08.
NE –, juris. Rn. 197; auch Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014,
Rn. 771 f. und 778). Ebenfalls nicht ausreichend ist eine lediglich in die Planbegründung
aufgenommene »Festlegung« der planexternen Kompensationsmaßnahmen, da diese nicht Teil des
allein aus der Planzeichnung und den textlichen Festsetzungen bestehenden verbindlichen Planinhalts
ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 25.02.2010 – OVG 2 A 18.07 –, juris Rn. 46). Auch können
nach der Rechtsprechung des OVG Koblenz (U. v. 17.01.2007 – 8 C 11088.06 –, BauR 2007, 2030 )
Ausgleichsgrundstücke, die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses einem laufenden
Flurbereinigungsverfahren unterliegen, frühestens dann als im Sinne des § 1a Abs. 3 S. 4 »von der
Gemeinde bereitgestellt« gelten, wenn der Flurbereinigungsplan bekannt gegeben und zumindest
der Zuteilung dieser Grundstücke unanfechtbar geworden ist (in Bezug auf die Umlegung: OVG
Koblenz, U. v. 07.12.2004 – 6 A 11280.04 –, NVwZ-RR 2006, 176). Nach einer anderen Entscheidung
des BVerwG (B. v. 11.12.2002 – 4 BN 52.02 –, NVwZ 2003, 206, 207 [BVerwG 11.11.2002 - 4 BN
52/02] ) genügt es den Anforderungen des § 1a Abs. 3 S. 4, dass der Gemeinderat mit der Aufnahme
der durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen in den Bebauungsplan und seiner Zustimmung zum
Abschluss eines korrespondierenden Vertrages mit der Unteren Naturschutzbehörde zu erkennen
gegeben hat, dass die Gemeinde bereit ist, diese Maßnahmen tatsächlich auszuführen.
Demgegenüber nicht ausreichend ist eine nur mündlich zwischen der zuständigen
Naturschutzbehörde und der planenden Gemeinde getroffene Absprache über die Durchführung von
Ausgleichsmaßnahmen, da nicht sichergestellt ist, dass die Einhaltung der von der Gemeinde konkret
eingegangenen Verpflichtungen unabhängig von Personalwechseln in der zuständigen
Naturschutzbehörde überwacht werden kann, zumal insbesondere Maßnahmen der
Entwicklungspflege auf längere Sicht getroffen werden. Insoweit reichte es dem OVG Rheinland-Pfalz
(U. v. 08.05.2013 – 8 C 10635.12 –, UPR 2013, 393, 397) nicht aus, dass die durchgeführten
Maßnahmen mit der zuständigen Naturschutzbehörde abgestimmt wurden. In einer weiteren

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 55/71


Fallgestaltung hat das BVerwG (B. v. 18.07.2003 – 4 BN 37.03 –, NVwZ 2003, 1515, 1516 [BVerwG
18.07.2003 - 4 BN 37.03] ) eine ausreichende Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen anerkannt, bei
der auf ein beschlossenes, aber noch nicht realisiertes Nutzungskonzept zurückgegriffen wurde, das
im Übrigen die Unterschutzstellung der betreffenden Ausgleichsfläche als Naturschutzgebiet vorsah.
Das OVG Lüneburg (U. v. 22.03.2001 – 1 K 2294/99 –, BauR 2001, 1542 ) sieht es schließlich als
ausreichende Sicherung an, wenn die Ausgleichsfläche im Flächennutzungsplan dargestellt ist.
Letztlich lassen sich angesichts der differenzierten Rechtsprechung zur Sicherung des Ausgleichs
zwei Anforderungen ableiten, deren Einhaltung anzuempfehlen ist. Zunächst muss das
Ausgleichsgrundstück
§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 172 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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auf Dauer für die vorgesehene Nutzung als Fläche für die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen
zur Verfügung stehen. Soweit die Gemeinde nicht selbst Eigentümerin des Ausgleichsgrundstücks ist,
muss eine zivilrechtliche Sicherung (z.B. Dienstbarkeit) oder aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich
eine Baulast bestehen. Um sicher zu gehen, dass die beabsichtigten Ausgleichsmaßnahmen auch
durchgeführt werden, wird in der Rechtsprechung (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 25.06.2008 – 1 KN
132.06 –, NuR 2008, 714) der Abschluss eines Vertrages mit dinglicher Sicherung gefordert.
Außerdem muss die Gemeinde für das bereitgestellte Ausgleichsgrundstück hinreichend
dokumentieren, dass das Grundstück für die Durchführung der (festsetzungsähnlich) beschriebenen
Ausgleichsmaßnahmen herangezogen werden kann. Aus diesem Grund wird in der Praxis auch
vielfach der Weg gegangen, auf von der Gemeinde bereitgestellten Grundstücken den erforderlichen
Ausgleich nicht »durch sonstige geeignete Maßnahmen«, sondern ebenfalls in der Form von
Festsetzungen, insbesondere auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 20 und 25a , zu treffen. Dies hat
jenseits der Sicherungsproblematik den Vorteil, dass dann sowohl vom Vorkaufsrecht (vgl. § 24
Abs. 1 Nr. 1 ) sowie ggf. auch von der Möglichkeit der Enteignung Gebrauch gemacht werden kann
(so auch W. Schrödter, § 1a Rn. 93).

bb) Voraussetzungen und Grenzen für den planexternen Ausgleich


281 Die verschiedenen Möglichkeiten des planexternen Ausgleichs dürfen von der Gemeinde nicht
generell, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden. So
muss ein Ausgleich an anderer Stelle mit

einer geordneten städtebaulichen Entwicklung,

den Zielen der Raumordnung

sowie den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege

vereinbar sein. Diese ebenfalls in § 1a Abs. 3 S. 3 enthaltenen Anforderungen gelten grundsätzlich für
alle Möglichkeiten, durch die die Folgen eines Eingriffs in Natur und Landschaft kompensiert werden
sollen.

282 Die Voraussetzung, dass der Ausgleich an anderer Stelle mit einer »geordneten
städtebaulichen Entwicklung« vereinbar sein muss, stellt auf die vorbereitende Bauleitplanung
ab (so auch W. Schrödter, § 1a Rn. 80). Der Flächennutzungsplan ist das wichtigste planerische
Instrument zur Umsetzung der gemeindlichen Entwicklungsvorstellungen. In ihm wird die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung konkretisiert, mit dem Ergebnis, dass seine Darstellungen
als Ausdruck einer geordneten städtebaulichen Entwicklung in dem betreffenden Gemeindegebiet
anzusehen sind. Nach der in § 214 Abs. 2 Nr. 2 enthaltenen Bestimmung wird von der »sich aus
dem Flächennutzungsplan ergebenden geordneten städtebaulichen Entwicklung« gesprochen. Für
den Ausgleich an anderer Stelle als am Eingriffsort ergibt sich aus dieser Anforderung der
»Vereinbarkeit mit der geordneten städtebaulichen Entwicklung«, dass die davon erfassten Flächen
dem

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 173 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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in § 8 Abs. 2 enthaltenen Entwicklungsgebot Rechnung tragen müssen (so auch Louis , UPR 1995,
293). Dieses Entwicklungsgebot verlangt, dass Bebauungspläne dergestalt aus dem
Flächennutzungsplan »zu entwickeln« sind, dass durch ihre Festsetzungen die ihnen zugrunde
liegenden Darstellungen des Flächennutzungsplans konkreter ausgestaltet und auch zugleich
verdeutlicht werden. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (U. v. 28.02.1975 – 4 C 74.72 –, DVBl
1975, 661) zum Verhältnis von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan ist das Entwicklungsgebot
noch eingehalten, wenn durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes von den räumlichen oder
inhaltlichen Darstellungen des Flächennutzungsplans abgewichen wird. Dann müssen sich allerdings
diese Abweichungen »aus dem Übergang in eine konkretere Planungsstufe rechtfertigen und die
Grundkonzeption des Flächennutzungsplans unberührt lassen«. Zwar ist es nach § 214 Abs. 2 Nr. 2
unbeachtlich, wenn das Entwicklungsgebot verletzt worden ist, soweit jedenfalls hierbei die sich aus
dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung nicht beeinträchtigt wird.
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 56/71
Im Hinblick darauf ist eine Verletzung des Entwicklungsgebots rechtlich nicht gleichbedeutend mit
einer Beeinträchtigung der sich aus dem Flächennutzungsplan ergebenden geordneten
städtebaulichen Entwicklung. Vielmehr können die Grenzen des Entwickelns aus dem
Flächennutzungsplan verletzt worden sein, ohne dass dadurch die geordnete städtebauliche
Entwicklung beeinträchtigt wird. Hat dabei die Größenordnung der Abweichung keine
Auswirkungen auf das städtebauliche Gesamtkonzept des Flächennutzungsplans, ist sie
unbeachtlich. Ob den Anforderungen des § 8 Abs. 2 S. 1 genügt ist, hängt davon ab, ob die
Konzeption, die dem Flächennutzungsplan zu Grunde liegt, in sich schlüssig bleibt. Welche
Abweichung vom Flächennutzungsplan den Grad eines unzulässigen Widerspruchs erreicht, kann
nicht generell, sondern nur angesichts des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden (so BVerwG, B.
v. 11.02.2004 – 4 BN 1.04 –, BRS 67 Nr. 55 ). Vor diesem Hintergrund kann es nach der
Rechtsprechung des OVG Münster (U. v. 10.07.2007 – 7 D 43.06.NE –, juris. Rn. 36) durchaus im
Rahmen des Entwicklungsgebots liegen, wenn im Flächennutzungsplan dargestellte Bereiche für
Wohnbebauung in dem diese Darstellungen konkretisierenden Bebauungsplan nicht ausschließlich als
Wohngebiete festgesetzt werden, sondern teilweise auch als dieser Wohnbebauung nebst
zugehörigen Erschließungsanlagen zugeordnete Grünflächen, wie als Ausgleichsflächen und als
Spielplatz. Dies gelte namentlich dann, wenn die Grünflächen der planerischen Bewältigung der
naturschutzbezogenen und infrastrukturellen Folgen der Wohngebietsausweisung dienen und nur
einen Bruchteil der Gesamtfläche einnehmen.

283 Aus dieser Unbeachtlichkeitsklausel ergibt sich nach der Rechtsprechung des BVerwG (U.
v. 26.02.1999 – 4 CN 6.98 –, UPR 1999, 271) eine doppelte Prüfpflicht. Ob das Entwicklungsgebot
eingehalten sei, beurteile sich nach der planerischen Konzeption des Flächennutzungsplans für den
engeren Bereich des Bebauungsplans. Für die Frage, ob die sich aus dem Flächennutzungsplan

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 174 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden sei, sei die planerische
Konzeption des Flächennutzungsplans für den größeren Raum, d.h. für das gesamte Gemeindegebiet
oder einen über das Bebauungsplangebiet hinausreichenden Ortsteil, in den Blick zu nehmen.
Maßgeblich ist daher, ob der Flächennutzungsplan seine Bedeutung als kommunales
Steuerungsinstrument der städtebaulichen Entwicklung behalten oder verloren hat.

284 Durch die Möglichkeiten, einen planexternen Ausgleich herbeizuführen, wird regelmäßig in die
Grundkonzeption des Flächennutzungsplanes eingegriffen. Meistens sind die Flächen, die an anderer
Stelle als Ausgleichsflächen herangezogen werden sollen, im Flächennutzungsplan als »Flächen für
die Landwirtschaft« dargestellt. Bei der Prüfung des engeren Bereichs des Bebauungsplanes, wird
es in Anbetracht dessen maßgeblich auf die mit dem Ausgleich verfolgte Art der
Bodennutzung ankommen, so dass danach zu fragen ist, ob der mit der Darstellung im
Flächennutzungsplan verfolgte Zweck einer Fläche auch dem des Ausgleichs entspricht (z.B. im
Zusammenhang mit extensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen). In der Praxis dürfte dies nicht
immer der Fall sein, so dass der Flächennutzungsplan jedenfalls in Gemeinden mit umfangreicher
Planungstätigkeit, häufigen Änderungsverfahren für Ausgleichsflächen unterliegen wird. Der
Flächennutzungsplan würde seinen Sinn und Zweck als vorbereitender Bauleitplan verlieren, wenn ihm
Aussagen über die Lage und den Umfang von Ausgleichsflächen für das Gemeindegebiet nicht
entnommen werden könnten (so auch W. Schrödter, § 1a Rn. 80). Gestützt wird diese Auffassung
durch die dem Flächennutzungsplan zunehmend zukommende Bedeutung für den planerischen
Außenbereich. Insoweit hinzuweisen ist auf die Möglichkeiten zur Steuerung von bestimmten
privilegierten Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 mittels des in § 35 Abs. 3 S. 3 normierten
Planvorbehalts, die Möglichkeit zur Zurückstellung von Baugesuchen gemäß § 15 Abs. 3 S. 1 , die
Möglichkeit zur Aufstellung von Teilflächennutzungsplänen gemäß § 5 Abs. 2b sowie die einschlägige
Rechtsprechung des BVerwG (U. v. 18.08.2005 – 4 C 13.04 –, BVerwGE 124, 132 und U.
v. 26.04.2007 – 4 CN 3.06 –, NVwZ 2007, 1081).

285 Vor allem in der angeführten Entscheidung vom 18.08.2005, bei der die rechtliche Zulässigkeit einer
Darstellung über Grenzwerte von Geruchsimmissionen zur räumlichen Steuerung von
Tierhaltungsbetrieben im Flächennutzungsplan bejaht wurde, geht das BVerwG auf den Begriff der
»Grundzüge der Art der Bodennutzung«, wie er nach § 5 Abs. 1 S. 1 als Aufgabe der
Flächennutzungsplanung normiert wird, ein. Die Beantwortung der Frage, welche Darstellungen noch
zu den Grundzügen der Art der Bodennutzung gehören, hängt nach den Darlegungen des BVerwG
nicht von dem Grad ihrer Bestimmtheit, sondern davon ab, ob sie den Bezug zur jeweiligen
städtebaulichen Konzeption »für das gesamte Gemeindegebiet« wahren. Diese Entscheidung des
BVerwG hat das Steuerungs- und Konfliktlösungspotenzial des Flächennutzungsplans im
Außenbereich

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 175 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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gestärkt (Rojahn, Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Begrenzung von Geruchsimmissionen im
Flächennutzungsplan, in: Mitschang (Hrsg.), Flächennutzungsplanung – Aufgabenwandel und
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 57/71
Perspektiven, Frankfurt, 2007, 108). Die Gemeinde darf sich vor dem Hintergrund der angeführten
Entscheidung darauf beschränken, ohne Aufstellung eines Bebauungsplans, allein durch die
Darstellungen des Flächennutzungsplans, die Entwicklung im Außenbereich zu steuern und dazu das
ihr zur Verfügung gestellte Darstellungspotenzial auch ausschöpfen. Dadurch gewinnt der
Flächennutzungsplan eine dem Bebauungsplan vergleichbare Steuerungsfunktion. Er nähert sich ihm
inhaltlich und funktional an und seine Darstellungen erlangen im planerischen Außenbereich die gleiche
Durchsetzungskraft wie die Festsetzungen eines Bebauungsplans. Auch angesichts dieser
Betrachtungen wird deutlich, dass die geordnete städtebauliche Entwicklung aus den Darstellungen
des Flächennutzungsplans hervorgeht und daher eine Vereinbarkeit des Ausgleichs an anderer Stelle
mit den Aussagen des Flächennutzungsplans zur Deckung gebracht werden muss.

286 Die zweite Voraussetzung für den planexternen Ausgleich besteht darin, dass dieser mit den Zielen
der Raumordnung vereinbar sein muss. Grundsätzlich sind die Bauleitpläne an die Ziele der
Raumordnung anzupassen. Die Anpassungspflicht ergibt sich aus § 1 Abs. 4 . § 1a Abs. 3 S. 3 stellt
dies für die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle klar. Doch kommt der
Voraussetzung in § 1a Abs. 3 S. 3, dass der Ausgleich an anderer Stelle mit den Zielen der
Raumordnung vereinbar sein muss, noch eine zweite Bedeutung zu. Nach § 8 Abs. 5 S. 2 ROG
können die Raumordnungspläne auch Festlegungen zur anzustrebenden Freiraumstruktur enthalten.
Dabei kann zugleich bestimmt werden, dass »in diesem Gebiet unvermeidbare Beeinträchtigungen
der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbilds an anderer Stelle ausgeglichen,
ersetzt oder gemindert werden können«. Enthält ein Raumordnungsplan derlei festgelegte Ziele
über den Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft, sind die Gemeinden im Rahmen ihrer
Ausgleichsbewältigung an anderer Stelle zur Beachtung verpflichtet. Das bedeutet allerdings nicht,
dass die Gemeinden nur an den im Raumordnungsplan festgelegten Stellen durch ihre Planungen
vorbereitete Eingriffe in Natur und Landschaft ausgleichen müssen (ebenso W. Schrödter, § 1a
Rn. 81). Sie können vielmehr auch auf anderen Flächen innerhalb und außerhalb des Gemeindegebiets
einen Ausgleich herbeiführen, dürfen aber den im Raumordnungsplan festgelegten Zielen im Hinblick
auf den Ausgleich durch ihre Planungen nicht widersprechen. Umgekehrt ist es auch nicht
erforderlich, dass im Raumordnungsplan eine entsprechende Darstellung für den Ausgleich an
anderer Stelle enthalten sein muss. Insbesondere in den Agglomerationsräumen kommt den
Raumordnungsplänen für den überörtlichen Eingriffsausgleich eine maßgebliche Bedeutung zu.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 176 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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287 Als letzte Voraussetzung bestimmt schließlich § 1a Abs. 3 S. 3, dass der planexterne Ausgleich auch
mit den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vereinbar sein muss. Zum
Ausdruck kommen die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege in den überörtlichen und
örtlichen Landschaftsplanungen (vgl. § 8 ff. BNatSchG ). In den Aufgabenbereich der
Landschaftsplanung fällt es außerdem, auch Aussagen über die Bewältigung der Eingriffs- und
Ausgleichsproblematik zu treffen (vgl. hierzu insbesondere § 9 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4a BNatSchG ).
Darauf abgestimmte Angaben betreffen nicht nur die Arten und den Umfang von
Ausgleichsmaßnahmen, sondern auch den Ort, an dem die Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen
sind. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der überörtlichen Einbindung und
Abstimmung der Ausgleichsmaßnahmen mit den Landschaftsplanungen und den damit verbundenen
Ausgleichsmaßnahmen der Nachbargemeinden sowie mit einem ggf. vorhandenen Kompensations-
und Freiraumkonzept der Region insgesamt zu. Aus der Anforderung der Vereinbarkeit des
planexternen Ausgleichs mit den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege lassen sich
zwei wichtige Folgerungen ableiten:

Zum einen wird dadurch sichergestellt, dass eine bestehende Landschaftsplanung


berücksichtigt wird und ihr entgegen gerichtete Maßnahmen eine Auseinandersetzung mit den
Aussagen des Landschaftsplanes zwangsläufig mit sich bringen.

Zum anderen wird durch die Anforderung deutlich gemacht, dass eine Gemeinde, soweit sie
von der Möglichkeit des Ausgleichs an anderer Stelle Gebrauch machen möchte, – auch ohne
bundesrechtliche Verpflichtung – sinnvoller Weise eine Landschaftsplanung aufzustellen
hat, in der sie die bestehenden Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele des
Naturschutzes und der Landschaftspflege darstellt (vgl. § 9 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG ).

288 Ohne einen Landschaftsplan fehlt es an der erforderlichen Konkretisierung der eingriffs- und
ausgleichsbezogenen Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege.

cc) Zuordnungsdarstellung und Zuordnungsfestsetzung

289 Die in § 9 Abs. 1a S. 2 geregelte Zuordnungsfestsetzung bestand schon seit dem


Baurechtskompromiss durch das InvWobaulG im Jahr 1993. Sie bietet die Möglichkeit, die von der
Gemeinde an Stelle des Vorhabenträgers oder Grundstückseigentümers an anderer Stelle
durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen nebst den dafür erforderlichen Flächen, den
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 58/71
Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, ganz oder teilweise
zuzuordnen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 14.12.2012 – 2 D 100.11.NE –, juris Rn. 70 und
74). Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zuordnung besteht nicht

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 177 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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(vgl. BVerwG, B. v. 26.04.2006 – 4 B 7.06 –, BRS 70, Nr. 40 ; B. v. 16.03.1999 – 4 BN 17.98 –, BauR
2000, 242 ). Allerdings empfiehlt sich die Zuordnungsfestsetzung stets deshalb, weil ohne sie von der
Möglichkeit der Kostenerstattung nicht Gebrauch gemacht werden kann (vgl. BVerwG, B.
v. 26.04.2006 – 4 B 7.06 –, BRS 70, Nr. 40 ; BFH, U. v. 28.10.2009 – II R 18.08 –, BFHE 227, 382;
OVG Münster, B. v. 20.01.2010 – 8 A 2285.09 –, juris.). Die Gemeinde bleibt dann auf den Kosten für
die von ihr durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen sitzen.

290 Aus diesem Grund wird in der Planungspraxis eine Zuordnungsfestsetzung oftmals nachgeholt, sei
es, weil sie vergessen wurde oder sich die Kostenerstattung als undurchführbar herausstellte (zu
nachträglichen Zuordnungen vor dem Inkrafttreten des InvWobaulG, vgl. OVG Koblenz, U.
v. 07.12.2004 – 6 A 1128/04 –, NVwZ-RR 2006, 176). Nach der Rechtsprechung des VGH Mannheim
(U. v. 25.01.2008 – 5 S. 210/07 –, BeckRS 2008, 33481) ist eine Zuordnung jedoch nur in dem
Umfang möglich, als sie im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans gesetzlich möglich war. Die
Entscheidung stellte dabei auf die Regelungen der §§ 8a ff. BNatSchG-1993 ab, wo gemäß § 8a Abs. 1
S. 2 und 4 nur eine Zuordnung von Ausgleichsflächen und -maßnahmen, und zwar nur hinsichtlich
»Festsetzungen« von Ausgleichsmaßnahmen, »im sonstigen Geltungsbereich« des
Bebauungsplans gestattet war. Diese Bestimmung ließ damit sowohl in räumlicher als auch in
zeitlicher Hinsicht eine Zuordnung von Ausgleichsflächen und -maßnahmen zu Eingriffsflächen nur in
einem geringeren Umfang zu, als dies § 1a Abs. 3 S. 2 und 3 (heute § 1a Abs. 3 S. 3 und 4) i.V.m. § 9
Abs. 1a S. 2 des BauROG 1998 tun. Eine nachträgliche Zuordnungsfestsetzung auf der
Grundlage eines vor dem 01.01.1998 beschlossenen Bebauungsplans kann daher nur
Ausgleichsmaßnahmen in dem Umfang zuordnen, als dies unter der Geltung des § 8a BNatSchG-
1993 zulässig war.

291 Über die Zuordnung kann die Gemeinde die Umsetzung des Ausgleichs strukturieren. Sie hat zwei
wichtige Funktionen im Zusammenhang mit der Eingriffsbewältigung. Zunächst zeigt sie dem
Vorhabenträger bzw. Grundstückseigentümer an, in welchem Umfang durch sein Vorhaben Eingriffe
in Natur und Landschaft vorbereitet werden und dass daraus finanzielle Belastungen auf ihn
zukommen. Außerdem ermöglicht die Zuordnungsfestsetzung erst die Refinanzierung der
Ausgleichsmaßnahmen und verdeutlicht überdies, dass ein Kostenerstattungsanspruch durch die
Gemeinde besteht. Die Zuordnung muss daher inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies ist dann der
Fall, wenn sich aus ihr ergibt, ob und für welche Flächen im Plangebiet eine Ausgleich erfolgt (OVG
Nordrhein-Westfalen, U. v. 27.05.2013 – 2 D 37.12.NE –, BauR 2013, 1966, 1973 ). Jedenfalls nicht
ausreichend ist es nach der Rechtsprechung des VGH Mannheim (B. v. 31.03.2005 – 5 S 2507.04 –,
NVwZ-RR 2005, 649), auf eine Beschreibung des sachlich-funktionellen Zusammenhangs zwischen
festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen und Eingriffen im Plangebiet abzustellen. Ein entsprechender
Zuordnungswille der

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 178 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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Gemeinde kann nicht schon daraus hergeleitet werden, dass der sachlich-funktionelle
Zusammenhang von Eingriffen und Ausgleichsmaßnahmen aus den Festsetzungen des
Bebauungsplans hervorgeht.

292 Dennoch kommt auch ein Verzicht auf die Zuordnungsfestsetzung in Betracht, und zwar für
den Fall, dass eine Gemeinde mit dem Ziel der Flächensicherung, Festsetzungen über
Ausgleichsflächen und -maßnahmen in einem Bebauungsplan trifft, also vorsorglich eine planerische
Flächensicherung betreibt, bspw. zum Aufbau eines Flächen- und/oder Maßnahmenpools.
Zuordnungsfestsetzungen können demnach von der Gemeinde immer dann herangezogen werden,
wenn auf den Grundstücksflächen, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind,
Ausgleichsmaßnahmen nicht in einem solchen Umfang vorgenommen werden können, um den
Anforderungen des Abwägungsgebots zu entsprechen. Umgekehrt ergibt sich daraus aber auch,
dass sich aus den der Abwägung zugrunde gelegten Planunterlagen ergeben muss, weshalb die
zugeordneten Ausgleichsmaßnahmen von ihrer ökologischen Wertigkeit her in etwa geeignet sind, die
auf den Eingriffsgrundstücken zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft auszugleichen. Der
nachvollziehbare Darlegungsbedarf erhöht sich allerdings für den Fall, dass bestimmte
Ausgleichsmaßnahmen anteilig mit sehr unterschiedlichen Prozentsätzen den verschiedenen
Eingriffsgrundstücken zugeordnet werden (OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 06.11.2013 – 8 C
10607/13.OVG –, JurionRS 2013, 48995).

293 Zuordnungsfestsetzungen können nach § 9 Abs. 1a S. 2 auch für Maßnahmen auf von der
Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden. Die Zuordnungsfestsetzung unterliegt
dabei den Anforderungen des Abwägungsgebots (hierzu: OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 06.11.2013 – 8
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 59/71
C 10607/13.OVG –, JurionRS 2013, 48995).

294 Die Flächen, auf denen die zugeordneten Kompensationsmaßnahmen durchgeführt werden sollen,
müssen nicht notwendigerweise im Geltungsbereich des Bebauungsplans liegen, in dem auch die
Eingriffe in Natur und Landschaft vorgenommen werden. Sie können auch in einem eigenen
Ausgleichsbebauungsplan oder auf den schon erwähnten von der Gemeinde bereitgestellten Flächen,
sogar außerhalb des Gemeindegebiets, gelegen sein. Im Hinblick auf die Zuordnung zu unterscheiden
sind Einzel- und Sammelzuordnungen (zu den Anforderungen, vgl. VGH Mannheim, B.
v. 31.03.2005 – 5 S 2507.04 –, NVwZ-RR 2005, 649; VG Oldenburg, U. v. 30.01.2007 – 1 A 2186.05
–, juris; VG Greifswald, B. v. 02.08.2013 – 3 B 240.13 –, juris Rn. 31 f.). Die Einzelzuordnung ist
dadurch gekennzeichnet, dass für ein bestimmtes Grundstück eine individuelle Zuordnung konkreter
Ausgleichsmaßnahmen getroffen wird. Demgegenüber wird von dieser Einzelfallgerechtigkeit bei der
Sammelzuordnung

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 179 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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abgewichen, und zwar zu Gunsten einer pauschalen Zuordnung von Ausgleichsmaßnahmen, die an
anderer Stelle durchgeführt werden sollen, zu den Grundstücksflächen, auf denen Eingriffe in Natur
und Landschaft zu erwarten sind (OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 06.11.2013 – 8 C 10607/13.OVG –,
JurionRS 2013, 48995; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 28.05.2008 – 8 A 1664.05 –, juris Rn. 27 f.).
Für die Planungspraxis empfiehlt sich hier regelmäßig der Rückgriff auf die Sammelzuordnung, da
diese gegenüber der Einzelzuordnung nicht nur im Hinblick auf das Abrechnungsverfahren für die
Kostenerstattung mit Vorteilen behaftet ist, sondern auch bezüglich einer Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes bei weitem weniger anfällig ist. Demzufolge dürfte eine flächenmäßige
Zuordnung, etwa von Wohnbauflächen, Verkehrsflächen und Gemeinbedarfsflächen ausreichen,
wenn die Eingriffsgrundstücke ohne weiteres bestimmbar sind und wenn es sich bei den
zusammenfassenden Beschreibungen um Grundstücke mit den gleichen Eingriffslagen handelt, bei
denen sich die für die Auswahl der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen maßgebliche ökologische
Wertigkeit nicht wesentlich unterscheidet (so OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 06.11.2013 – 8 C
10607/13.OVG –, JurionRS 2013, 48995). Von der Einzelzuordnung sollte daher nur dann Gebrauch
gemacht werden, wenn für die durch die Planung vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft
bereits von vorneherein absehbar ist, dass sie auf Flächen mit sehr unterschiedlichen ökologischen
Voraussetzungen stattfinden sollen, oder wenn zu erwarten ist, dass für nur einen Teil der
vorgesehenen Eingriffe, ein Ausgleich auf den Eingriffsgrundstücken vorgenommen werden kann, für
den anderen Teil aber Festsetzungen an anderer Stelle notwendig werden, um das
Kompensationserfordernis insgesamt erfüllen zu können. Im Übrigen wäre auch an eine Quotelung
der Ausgleichsmaßnahmen zu denken, nämlich in der Weise, dass ein Teil der erforderlichen
Ausgleichsmaßnahmen auf den Eingriffsgrundstücken im Rahmen von sog. »stadtökologischen
Festsetzungen« getroffen wird, während der andere Teil der erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen
zwar an anderer Stelle als dem Eingriffsort durchzuführen ist, den Eingriffsgrundstücken aber gerade
deshalb zugeordnet wird.

295 Seit dem Inkrafttreten des BauROG 1998 besteht die Möglichkeit, bereits auf der Ebene der
vorbereitenden Bauleitplanung, eine Zuordnungsdarstellung zu treffen. In diesem Sinne erlaubt § 5
Abs. 2a , dass Flächen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs. 3 im Geltungsbereich des
Flächennutzungsplans den Flächen, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind,
ganz oder teilweise zugeordnet werden können. Dabei kann es auf dieser der Bebauungsplanung
vorgelagerten Planungsstufe lediglich um eine pauschale Zuordnung von Flächen gehen, da der
Umfang zukünftiger Eingriffe im Regelfall noch nicht abgesehen werden kann. Durch die
Zuordnungsdarstellung bestimmt nun die Gemeinde, welche Flächen des Gemeindegebiets als
Ausgleichsflächen für zu erwartende Eingriffe in Natur und Landschaft herangezogen werden sollen.
Von der Möglichkeit der Zuordnungsdarstellung auf der Ebene der Flächennut-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 180 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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zungsplanung sollte allerdings nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn Flächenalternativen in
erheblichem Umfang für den Eingriffsausgleich zur Verfügung stehen und die Realisierung eines
Eingriffs nicht notwendigerweise nur auf der Grundlage der zugeordneten Ausgleichsfläche erfolgen
kann. Hier begibt sich die Gemeinde in eine nicht erforderliche Abhängigkeit des jeweiligen
Eigentümers der Ausgleichsfläche. Aus diesem Grund empfiehlt sich eine Zuordnungsdarstellung nur
dann, wenn es sich bei den Flächen für Ausgleichsmaßnahmen um von der Gemeinde bereitgestellte
Flächen handelt. Ansonsten wird in der Rechtsprechung betont (vgl. BVerwG, B. v. 26.04.2006 – 4 B
7.06 –, BRS 70, Nr. 40 ), dass es im Allgemeinen mit dem Gebot gerechter Abwägung vereinbar ist,
die Regelung des Ausgleichs der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft dem Verfahren
der jeweiligen Vorhabengenehmigung und, wenn die Bereitstellung der für den Ausgleich
erforderlichen Flächen nicht auf andere Weise gesichert ist, der Aufstellung eines Bebauungsplans
vorbehalten werden kann (so zur Ausweisung von Konzentrationszonen für Windkraftanlagen und
den hierfür erforderlichen Eingriffsausgleich). Die Zuordnungsfestsetzung erfolgt über den
Eingriffsbebauungsplan, der auf die entsprechenden Festsetzungen zum Ausgleich verweist.
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 60/71
d) Ausgleich durch Vertrag (§ 1a Abs. 3 S. 4)
296 Nach § 1a Abs. 3 S. 4 können an Stelle von planerischen Darstellungen und Festsetzungen auch
vertragliche Vereinbarungen nach § 11 oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf
von der Gemeinde bereitgestellten Flächen getroffen werden (zu den Anforderungen an die
»sonstigen geeigneten Maßnahmen«, vgl. oben Rdn. 277 ff. ). Diese Regelung trägt der Bedeutung
städtebaulicher Verträge Rechnung. Auch im Rahmen der Bewältigung der an räumliche Planungen
gestellten Anforderungen des Naturschutz- und Landschaftspflegerechts in Bezug auf den Ausgleich
von Eingriffen in Natur und Landschaft stellen städtebauliche Verträge heute ein wichtiges
Umsetzungsinstrument dar (schon früh: Quaas , NVwZ 1995, 840 ff. und Schmidt-Eichstaedt,
DÖV 1995, 95 ff.).

297 Durch § 1a Abs. 3 S. 4 wird § 11 als zentrale Bestimmung zu städtebaulichen Verträgen, die im
Übrigen auch mit der Schaffung des BauROG 1998 in das Städtebaurecht neu aufgenommen wurde,
in Bezug genommen und dabei gleichzeitig, die bei der Heranziehung von vertraglichen Regelungen
geltenden rechtlichen Anforderungen auf die in die Bauleitplanung integrierte planerische
Eingriffsbewältigung übertragen. Das planerische Ausgleichsinstrumentarium, das den Gemeinden
nunmehr zur Verfügung steht, bietet drei nicht unter einem Anwendungsvorrang stehende
und miteinander kombinierbare Alternativen, nämlich

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 181 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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die natur- und landschaftsbezogenen Darstellungen und Festsetzungen (§ 1a Abs. 3 S. 2),

die sonstigen geeigneten Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen (§ 1a
Abs. 3 S. 4, 2. Alt),

sowie den städtebaulichen Vertrag (§ 1a Abs. 3 S. 4, 1. Alt).

Die Schnittflächen von städtebaurechtlichen Vorschriften und eingriffsrechtlichen Anforderungen


werden mittels des planerischen Ausgleichsinstrumentariums deutlich und umreißen den naturschutz-
und landschaftsbezogenen sowie städtebaulichen Regelungsrahmen, innerhalb dessen der
städtebauliche Vertrag für den Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft zur Anwendung
gebracht werden kann. Mit seinem B. v. 05.01.1999 (– 4 BN 28.97 –, NVwZ-RR 1999, 426) hat das
BVerwG im Übrigen auch für planfeststellungsersetzende Bebauungspläne anerkannt, dass
Regelungen in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag herangezogen werden dürfen, um die Sicherung
und Durchführung von erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu gewährleisten.

298 Mit dem städtebaulichen Vertrag nach § 11 steht den Gemeinden neben der städtebaulichen Satzung
ein weiteres Handlungsinstrument zur Verfügung. Verträge dienen der Erfüllung städtebaulicher
Aufgaben und treten insoweit flankierend zu dem hoheitlichen Instrumentarium des
Städtebaurechts hinzu. Grundsätzlich stellen sie keinen Planersatz dar, sondern setzen
städtebauliche Planungen und Maßnahmen um. Für den Ausgleich von planungsbedingten Eingriffen
stellt sich dies noch etwas deutlicher dar, denn die gesetzliche Regelung geht für diesen speziellen
Belang ausdrücklich einen Schritt weiter. Nach § 1a Abs. 3 S. 4 können nämlich an Stelle von
Darstellungen und Festsetzungen auch vertragliche Regelungen getroffen werden. Das bedeutet,
dass die Gemeinden im Rahmen ihrer Ausgleichsbewältigung die Wahl haben, entweder auf die
Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten in den §§ 5 und 9 sowie auf sonstige geeignete
Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen zurückzugreifen oder einen
städtebaulichen Vertrag abzuschließen. Dabei können sie sich zwischen diesen Alternativen
grundsätzlich frei entscheiden (wohl anders: Ohms , BauR 2000, 985 ff.).

299 Insoweit hat der Gesetzgeber für die Eingriffsbewältigung städtebaulichen Verträgen eine inhaltlich
zwar begrenzte, aber dennoch ersetzende Funktion zugeordnet. Das bedeutet, dass im
Geltungsbereich eines Bauleitplanes die Regelungen eines städtebaulichen Vertrages neben die
Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen treten und diese sogar ersetzen können
(ebenso: Krautzberger/Wagner, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 100). Eine
vertragliche Ausgestaltung des Ausgleichs weist den Vorteil auf, dass unabhängig vom Darstellungs-
und Festsetzungsinstrumentarium der §§ 5 und 9 spezifische Regelungen vereinbart werden können,
die es ermöglichen, sowohl die Bereitstellung

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 182 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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von Ausgleichsflächen sowie die Art der durchzuführenden Ausgleichsmaßnahmen einschließlich des
Zeitpunktes ihrer Herstellung, Pflege und Unterhaltung zu vereinbaren.

300 § 1a Abs. 3 S. 4 nimmt Bezug auf § 11 und die darin enthaltenen Bestimmungen über städtebauliche
Verträge. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 können die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung
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verfolgten Ziele und insoweit auch die Durchführung des Ausgleichs im Sinne von § 1a Abs. 3,
Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages sein (vgl. hierzu auch: BVerwG, U. v. 11.02.1993 – 4 C
18.91 –, DVBl 1993, 654, wonach sich städtebauliche Verträge auf Gegenstände eines rechtmäßigen
öffentlichen Interesses beziehen, dessen Durchsetzung, wie hier die Eingriffsbewältigung, eine
Aufgabe der Gemeinde darstellt).

301 Schon auf der Grundlage der Bestimmung des InvWobaulG aus dem Jahr 1993 war die Gemeinde nur
dann zur Durchführung von Kompensationsmaßnahmen verpflichtet, wenn deren »Durchführung
nicht auf andere Weise gesichert ist« (vgl. § 8a Abs. 3 S. 2 BNatSchG-alt). Mit dieser
»Sicherung der Durchführung auf andere Weise« angesprochen war auch damals schon der
Abschluss von städtebaulichen Verträgen, durch die gewährleistet wird, dass jemand anderes als die
Gemeinde die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchführt (vgl. diesbezüglich Patzelt, ZUR 2014,
600 ff.; Schrödter, Nds Städtetag Beilage H. 9/1993, S. 2; Scharmer, NVwZ 1995, 219 ff.; Stich, in:
Kormann (Hrsg.), Das neue Bundesbaurecht, UPR-Special, Band 6, München, 1994, S. 24; Reidt, in:
Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 774 ff.). Die in § 8a Abs. 3 S. 2
BNatSchG-alt den Gemeinden eingeräumte Möglichkeit, zugeordnete Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen an Stelle und auf Kosten der Vorhaben- bzw. Grundstückseigentümer
durchzuführen, betraf allerdings nur solche Kompensationsmaßnahmen, die im Geltungsbereich des
Bebauungsplans festgesetzt wurden. Hier trat der städtebauliche Vertrag neben die
Kostenerstattungsregel nach den Vorschriften in § 8a Abs. 3 bis 5 BNatSchG-alt. Eine weiter gehende
Bedeutung kann dem städtebaulichen Vertrag allerdings zur Durchführung von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen auf Grundstücken außerhalb des Geltungsbereiches eines
Bebauungsplanes zukommen (so auch Schmidt-Eichstaedt, DÖV 1995, 97 ff. und Quaas , NVwZ
1995, 843). Durch die Rechtsprechung des BVerwG (B. v. 09.05.1997 – 4 N 1.96 –, ZfBR 1997, 258)
wurde dies mittlerweile bestätigt. In seiner Entscheidung führt das Gericht diesbezüglich aus, dass ein
planbedingter Eingriff durch Maßnahmen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des
Bebauungsplans ausgeglichen werden kann. Zur Sicherung und zur Durchführung dieser
Maßnahmen sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen Gemeinde und staatlicher
Naturschutzbehörde ein zulässiges Mittel. Dies bestimmt § 1a Abs. 3 S. 4 nunmehr ausdrücklich.
Allerdings muss die Gemeinde in diesem Zusammenhang auch sicherstellen (vgl. Bayerischer VGH, U.
v. 16.10.2009 – 2 N 06.3341 –, juris. Rn. 53., wonach eine in der Präambel zu einem

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 183 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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städtebaulichen Vertrag getroffene Regelung, nach der bestimmte Flächen als Ausgleichsflächen
»angedacht« sind, diese Sicherstellung gerade nicht gewährleistet; OVG Lüneburg, U.
v. 25.06.2008 – 1 KN 132.06 –, NuR 2008, 714 für die Darstellung einer vertraglich zu begründenden
Ausgleichsfläche im Anhang zur Begründung, ohne dass jedoch erkennbar ist, in welchem Bereich
der Gemeinde das Grundstück liegt), dass die vertraglichen Vereinbarungen über die Durchführung
von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen – ebenso wie für andere bauleitplanerische Festsetzungen –
auch tatsächlich durchführbar sind (zu vertraglichen Regelungen der Ausgleichsverpflichtung
ausführlich: Mitschang, BauR 2003, 183 ff. ; Bunzel/Coulmas/Schmidt-Eichstaedt, Städtebauliche
Verträge, 4. Aufl., Berlin, 2013, S. 126 ff.).

302 Wie alle anderen Verträge so setzt auch der Abschluss von Verträgen über die Durchführung von
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen die Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten voraus. Je
größer die Zahl der Beteiligten ist, desto schwieriger wird es sein, einen Vertragsabschluss zu
erreichen. In Bezug auf praktische Anwendungsfälle ist insoweit zwischen zwei Fallgestaltungen bei
städtebaulichen Verträgen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft zu unterscheiden:

Vertragliche Regelungen über den Ausgleich im Zusammenhang mit der Realisierung eines
bestimmten investiven Vorhabens.

Vereinbarungen im Kontext einer kommunalen Angebotsplanung.

303 Angesichts dessen kommt der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages zunächst dann in Betracht,
wenn der Bebauungsplan der Verwirklichung eines konkreten Vorhabens dient. Angesprochen ist hier
der vorhabenbezogene Bebauungsplan, für den § 12 Abs. 1 sogar ausdrücklich den Abschluss eines
Durchführungsvertrages verpflichtend vorschreibt. Da aber beim vorhabenbezogenen
Bebauungsplan ausdrücklich die Regelungen über die Kostenerstattung im Sinne der §§ 135a bis c
nicht herangezogen werden können, müssen die Durchführung und Finanzierung des
Ausgleichs notwendigerweise inhaltlicher Gegenstand des Durchführungsvertrages sein
(vgl. § 12 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ). Aber auch wenn es sich um einen klassischen Bebauungsplan handelt,
mit dem kein bestimmtes Vorhaben realisiert werden soll, kann der städtebauliche Vertrag für die
Eingriffsbewältigung herangezogen werden. Für derartige Fallgestaltungen regelt § 135a Abs. 2 S. 1 ,
dass die an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs festgesetzten und den Eingriffsflächen nach § 9
Abs. 1a zugeordneten Ausgleichsmaßnahmen von der Gemeinde durchzuführen und die dafür
erforderlichen Flächen bereitzustellen sind, »sofern dies nicht auf andere Weise gesichert ist«. Die
Sicherung auf andere Weise bezieht sich – wie vorangehend schon dargestellt – auf den Abschluss
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 62/71
eines städtebaulichen Vertrages im Sinne von § 11 zwischen der Gemeinde und einem
Dritten (vgl. Rdn. 301 ). Dabei wird die Bereitschaft eines Vorhabenträgers, eine vertragliche
Regelung

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 184 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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über die Ausgleichsverpflichtung in den Durchführungsvertrag aufzunehmen, regelmäßig größer sein,
als wenn die Gemeinde für eine Vielzahl von Bauwilligen die Baulandbereitstellung mit den Mitteln der
Angebotsplanung sicherstellen will. In diesen Fällen, bei denen es gerade nicht um die Verwirklichung
eines konkreten Vorhabens geht, bleibt es den Gemeinden unbenommen, den Versuch zu
unternehmen, mit den betroffenen Grundstückseigentümern einen städtebaulichen Vertrag
abzuschließen. Allerdings fehlt es hier am Realisierungsinteresse des Investors und
Vertragsverhandlungen müssen nicht nur mit einem Grundstückseigentümer, sondern mit allen
Grundstückeigentümern geführt werden. Dabei kann es dahinstehen, inwieweit die gemeindliche
Befugnis, bei zwei grundsätzlich im gleichen Umfang geeigneten Standorten, denjenigen auszuwählen
und mit einer städtebaulichen Planung zu belegen, bei dem die Grundstückseigentümer eine größere
Bereitschaft zum Abschluss von städtebaulichen Verträgen zeigen, hilfreich ist (hierzu genauer:
Bunzel, Bauleitplanung und Flächenmanagement bei Eingriffen in Natur und Landschaft, Berlin, 1999,
S. 158 ff.).

304 Nach § 11 Abs. 4 bleibt die Zulässigkeit anderer als in § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 genannter
städtebaulicher Verträge unberührt. Aus diesem Grund handelt es sich bei der in § 11 Abs. 1 S. 2
enthaltenen Aufzählung städtebaulicher Verträge auch nicht um eine abschließende Auflistung.
Vielmehr enthält die Bestimmung eine Auswahl von Regelungsgegenständen, die Inhalt eines
städtebaulichen Vertrages sein können. Wie im Übrigen auch aus dem Zusatz »insbesondere«
hervorgeht, enthält § 11 Abs. 1 S. 2 eine solche beispielhafte Auflistung möglicher Inhalte
städtebaulicher Verträge, die in unterschiedlicher Art und Weise auch für die Bewältigung der
eingriffsrechtlichen Anforderungen herangezogen werden können. Dem in § 11 Abs. 1 S. 2
enthaltenen Schema, wonach zuerst geplant (Nr. 1), dann die Grundstücke baureif gemacht (Nr. 2)
und schließlich gebaut sowie die Infrastruktur hergestellt wird, können auch die eingriffsrechtlichen
Anforderungen untergeordnet werden. So steht am Anfang die planerisch-konzeptionelle
Berücksichtigung des Ausgleichserfordernisses im Zusammenhang mit der Aufstellung der
Bauleitpläne, auf der zweiten Stufe folgt dann die Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen und
schließlich geht es auf der letzten Stufe um die Finanzierung des Ausgleichs (siehe dazu: Schmidt-
Eichstaedt, vhw FW 2000, S. 376; Bunzel/Coulmas/Schmidt-Eichstaedt, Städtebauliche Verträge, 4.
Aufl., Berlin, 2013, S. 128 ff. unter Anführung möglicher Regelungsinhalte).

305 Nach § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 kann die Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher
Maßnahmen durch einen Vertrag von der Gemeinde auf einen Dritten und zu dessen Kosten
übertragen werden. Anforderungen des Eingriffsausgleichs werden hierbei in zwei Fällen
angesprochen, und zwar, wenn es um die vertragliche Übernahme der »Ausarbeitung
städtebaulicher Planungen«

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 185 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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sowie um die Ausarbeitung eines gegebenenfalls erforderlichen »Umweltberichts« geht.

306 Nach § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 können die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung
verfolgten Ziele vertraglich geregelt werden. Derlei Verträge sind regelmäßig darauf gerichtet, den
Vertragspartner zu einem bestimmten Tun zu verpflichten, um so eine Verwirklichung der
gemeindlichen Planungsabsichten sicherzustellen. Mit der Bauleitplanung verfolgte Ziele beziehen sich
auch auf die in § 1 und in § 1a enthaltenen umweltbezogenen Belange, wie sie bei allen Bauleitplänen
zu berücksichtigen sind. Damit angesprochen ist auch der Ausgleich von durch die
Bauleitplanung vorbereiteten Eingriffen in Natur und Landschaft. Dies stellt § 11 Abs. 1 S. 2
Nr. 2 klar, indem auch die »Durchführung des Ausgleichs im Sinne von § 1a Abs. 3« als
Vertragsgegenstand aufgelistet wird.

307 § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 enthält eine Bestimmung über Folgekostenverträge. Derlei Verträge dienen
der Übernahme von Kosten oder von sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche
Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten
Vorhabens sind (zu diesem Vertragstyp ausführlich: BVerwG, U. v. 06.07.1973 – IV C 22.72 –, NJW
1973, 1895). Beispielhaft wird in dieser Bestimmung auch die »Bereitstellung von Grundstücken«
als inhaltlicher Gegenstand eines solchen Folgekostenvertrages angeführt und insoweit eine für den
Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft besonders wichtige Voraussetzung angesprochen
(vgl. VG Greifswald, B. v. 02.08.2013 – 3 B 240.13 –, juris.). Die Durchführung von
Ausgleichsmaßnahmen setzt schließlich das Vorhandensein von Ausgleichsflächen voraus.

308 Die in § 1a Abs. 3 S. 4 durch den Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Möglichkeit des
Eingriffsausgleichs durch städtebaulichen Vertrag herbeizuführen, steht unter der Anforderung, dass

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 63/71


sowohl eine nachvollziehbare Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung (vgl. Rdn. 252 )
vorgenommen wird, als auch eine ebenfalls hinreichend genaue Bestimmung der erforderlichen
Ausgleichsflächen, auf denen die Ausgleichsmaßnahmen ausgeführt werden sollen, benannt wird.

309 Hinsichtlich des Zeitpunktes eines Vertragsabschlusses enthält das Städtebaurecht keine
Regelung. Allerdings bestimmt § 12 Abs. 1 S. 1 , dass der Durchführungsvertrag zeitlich vor dem
Satzungsbeschluss über den vorhabenbezogenen Bebauungsplan abgeschlossen werden muss. Im
Hinblick darauf liegt es nahe, eine derartige Regelung auch entsprechend für den Zeitpunkt des
Abschlusses von Verträgen über den Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft anzunehmen
(so auch OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 06.11.2013 – 8 C 10607/13.OVG –, JurionRS 2013, 48995; vgl.
allerdings dazu: BVerwG, B. v. 21.02.2000 – 4 BN 43.99 –, ZfBR 2000, 424, wonach ein
Satzungsbeschluss auch vor dem Abschluss eines Vertrages über die Sicherstellung der
Durchführung der im Bebauungs-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 186 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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plan festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für rechtmäßig angesehen wurde, weil der
Vertrag noch vor der Bekanntmachung des Bebauungsplans geschlossen wurde und die Gemeinde
mit der Sicherstellung rechnen durfte). Für Folgekostenverträge besteht außerdem die Besonderheit,
dass diese nur bis zum Eintreten der formellen und materiellen Planreife abgeschlossen werden
dürfen, denn lediglich bis zu diesem Zeitpunkt kann die Gemeinde die Aufstellung des
Bebauungsplans von der Bereitschaft des Vorhabenträgers zur Zahlung der Folgekosten abhängig
machen (vgl. § 33 Abs. 1 ).

310 Verträge über den Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft unterliegen bestimmten
Voraussetzungen. Zunächst müssen sich beide Vertragspartner freiwillig auf den Vertragsinhalt
einigen. Städtebauliche Verträge sind weiterhin nur dann zulässig, wenn sie den gesetzlichen Rahmen
einhalten. Daraus ergibt sich, dass die Verwaltung auch beim Abschluss von Verträgen an Recht und
Gesetz gebunden ist (vgl. Stich, BauR 1997, 746). Sie dürfen daher weder gegen Rechtsnormen noch
gegen öffentlich-rechtliche Grundsätze verstoßen. Zur Konkretisierung der einzuhaltenden
rechtlichen Grenzen hat die Rechtsprechung im Einzelnen zu beachtende Grundsätze
herausgearbeitet. Im Hinblick darauf müssen die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen
nach angemessen sein. Das aus dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot entwickelte Prinzip der
Angemessenheit bedeutet, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs, die
Gegenleistung des Vertragspartners des öffentlichen Rechtsträgers nicht außer Verhältnis zu der
Bedeutung und dem Wert der von diesem erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehen darf und
sich daraus keine unzumutbaren Belastungen für den Vertragspartner oder für etwaige Dritte, auf die
diese Lasten abgewälzt werden, ergeben dürfen. Ein Vertrag als Folge eines Machtmissbrauchs,
sowohl von Seiten der Gemeinde als auch des Vertragspartners der Gemeinde soll dadurch
ausgeschlossen werden (zur schwierigen Grenzziehung, vgl. weiterführend: Bunzel/Coulmas/Schmidt-
Eichstaedt, Städtebauliche Verträge, 4. Aufl., Berlin, 2013, S. 41 f. sowie Scharmer, NVwZ 1995,
221 ff.; Huber, DÖV 1999, 183 ff.; Battis , ZfBR 1999, 243 ff. sowie Oerder, BauR 1998, 23 ff.). Auf
diesen Angemessenheitsgrundsatz weist § 11 Abs. 2 ausdrücklich hin. In der Praxis der
Eingriffsbewältigung spielt das Gebot der Angemessenheit regelmäßig eine eher untergeordnete Rolle.
Eine Ausnahme hiervon ergibt sich aus der Problematik über den Umfang der Abwälzung von über die
Herstellungs- und Entwicklungspflege hinausgehenden Dauerpflegemaßnahmen (verneinend und
weiter differenzierend Schmidt-Eichstaedt, BauR 2010, 1865, 1873 ) und deren Kosten. Verletzt
werden dürfte die Grenze der Angemessenheit, wenn ein Vorhabenträger mehr Kosten zu tragen hat,
als durch sein Vorhaben an Ausgleichsbedarf ausgelöst wird.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 187 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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311 Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in Bezug auf die Rechtmäßigkeit städtebaulicher Verträge
eine wichtige Rolle spielt, besteht darin, dass eine vertragliche Vereinbarung über eine vom
Vertragspartner zu erbringende Leistung auch dann unzulässig ist, wenn er ohne sie einen
Rechtsanspruch auf die Gegenleistung hätte (vgl. BVerwG, U. v. 16.05.2000 – 4 C 4.99 –, UPR 2001,
29). Dieses sog. »Koppelungsverbot«, das in § 11 Abs. 2 S. 2 niedergelegt ist, setzt den
Gemeinden einen recht engen Rahmen im Hinblick auf die Verknüpfung von hoheitlichen Leistungen
ihrerseits mit wirtschaftlichen Gegenleistungen durch den Vertragspartner (grundlegend: BVerwG, U.
v. 06.07.1973 – IV C 22.72 –, NJW 1973, 1895 sowie U. v. 11.02.1993 – 4 C 18.91 –, DVBl 1993,
654). Vor allem für den Abschluss von Folgekostenverträgen spielt dies eine wichtige Rolle. Aber auch
bei gebundenen Entscheidungen, also bei Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben nach
den §§ 30 , 34 und 35 , bei denen bereits ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung besteht, ist
der Gemeinde kein Ermessensspielraum belassen und deshalb eine vertragliche Vereinbarung
ausgeschlossen (BVerwG, B. v. 25.11.1980 – 4 B 140.80 –, NJW 1981, 1747). In der hier angeführten
Entscheidung hat das BVerwG klargestellt und dargelegt, dass die Erteilung des gemeindlichen
Einvernehmens bei einem Bauvorhaben im unbeplanten Innenbereich nicht vom Abschluss eines
Folgekostenvertrages abhängig gemacht werden darf, wenn der Antragsteller einen Anspruch auf die
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 64/71
beantragte Baugenehmigung hat (vgl. zum umgekehrten Fall: Reidt, NVwZ 1999, 149 [VG München
18.01.1997 - M 1 K 96.5697] ). Städtebauliche Verträge sind hier nur soweit zulässig, wie die Leistung
auch als Nebenbestimmung gefordert werden könnte. Ein Verkauf bestehender Baurechte ist
demnach nicht möglich.

312 Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass auch Verträge, soweit sie den Ausgleich von Eingriffen
in Natur und Landschaft gestalten, der Schriftform bedürfen. Dies gilt jedenfalls, soweit nicht durch
Rechtsvorschriften eine andere Form vorgeschrieben ist. Eine derartige Bestimmung enthält § 11
Abs. 3 . Bspw. gilt dies, wenn sich in einem Vertrag der einen Teil verpflichtet, das Eigentum an einem
Grundstück (oder Grundstücksteil) zu übertragen oder zu erwerben. Eine derartige Fallgestaltung
kann im Zusammenhang mit der Eingriffsbewältigung durchaus vorkommen, denn es kann sich ein
Vorhabenträger dazu verpflichten, der Gemeinde für die Durchführung zugeordneter
Ausgleichsmaßnahmen, geeignete Flächen zu Eigentum zu überlassen und die Kosten der
Durchführung der Maßnahmen zu übernehmen. In diesen Fällen ist auch eine notarielle Beurkundung
erforderlich. Demgegenüber ist eine solche für die Sicherung von über die Herstellungs- und
Entwicklungspflege hinausgehenden Pflegemaßnahmen durch Vereinbarung einer Reallast zu Gunsten
der Gemeinde nicht erforderlich, weil die Reallast bereits mit der Eintragung im Grundbuch
Rechtswirksamkeit erlangt (hierzu Stich, ZfBR 2001, 83).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 188 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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313 § 11 lässt sich keine Regelung zur Sicherung von Vertragspflichten entnehmen. An der Erfüllung der
Ausgleichsverpflichtungen besteht jedoch grundsätzlich ein öffentliches Interesse. Der
Ausgleichsvertrag muss daher – ähnlich wie die Festsetzung – die tatsächliche Durchführbarkeit der
Ausgleichsmaßnahmen gewährleisten. Mit Blick darauf müssen die Ausgleichsmaßnahmen nach Art
und Umfang den eingriffsrechtlichen Anforderungen genügen. Auch der Vertragspartner der
Gemeinde muss dazu in der Lage sein, über das Grundstück zu verfügen, so dass eine auf Dauer
angelegte Kompensation sichergestellt ist. Befristete schuldrechtliche Verträge mit den betreffenden
Grundstückseigentümern der Ausgleichsflächen reichen hierfür nicht aus. Vielmehr muss hierfür
regelmäßig das Eigentum oder eine dingliche Sicherung an den Ausgleichsflächen erworben werden
(zur Vereinbarung einer Sicherheitsleistung oder Vertragsstrafe, vgl. OVG Koblenz, U. v. 20.01.2003 –
8 C 11016.02 –, NVwZ-RR 2003, 629).

314 Daraus folgt, dass in eine vertragliche Regelung über den Ausgleich von Eingriffen in Natur und
Landschaft nicht nur Regelungen über die Art und den Umfang der durchzuführenden Maßnahmen
aufzunehmen sind, sondern auch Bestimmungen darüber, wie ihr Vollzug sichergestellt werden
kann. Dabei sind die üblichen, für eine Sicherung der Erfüllung von Vertragspflichten in Betracht
kommenden Möglichkeiten schon vielfältig genug und reichen von der Vollstreckungsunterwerfung,
der Bürgschaft, Patronatserklärungen, Ankaufs- und Wiederkaufsrechten, über
Aufzahlungsverpflichtungen und das dingliche Vorkaufsrecht bis zur Eintragung von
Grunddienstbarkeiten, Real- und Baulasten sowie der Vereinbarung von Vertragsstrafen. Auch die
Rechtsprechung sieht im Hinblick auf vertragliche Regelungen nur dann den Ausgleich als hinreichend
gesichert an, wenn auch die Realisierung und der Erhalt der Ausgleichsmaßnahme hinreichend
rechtlich gesichert sind (vgl. OVG Münster, U. v. 06.08.2003 – 7a D 100.01. NE –, NVwZ-RR 2004,
643 sowie OVG Lüneburg, U. v. 30.05.2001 – 1 K 389.00 –, NVwZ-RR 2002, 98). Allerdings wird es
insoweit maßgeblich darauf ankommen, für die konkrete Situation das geeignete
Sicherungsmittel heranzuziehen, denn auch hierbei ist der Grundsatz der Angemessenheit zu
beachten. Besondere Bedeutung erlangt dies im Hinblick auf den vorhabenbezogenen Bebauungsplan
nach § 12 , so dass es bei einer vertraglichen Ausgestaltung des Eingriffsausgleichs im Rahmen des
Durchführungsvertrages nicht ausreicht, wenn die als erforderlich angesehenen
Ausgleichsmaßnahmen lediglich in den Vertrag aufgenommen werden, ohne dass deren dauerhafte
rechtliche Absicherung vertraglich gewährleistet wird.

e) Entsprechende Geltung von § 15 Abs. 3 BNatSchG (§ 1a Abs. 3 S. 5)


314a Landwirtschaftlich oder als Wald genutzte Flächen, werden seit Jahren zunehmend für andere
Bodennutzungen in Anspruch genommen. Darunter fällt auch

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 189 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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ihre Heranziehung für die Bewältigung der Anforderungen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und
Landschaft unabhängig davon, ob dies auf der Grundlage städtebaulicher Planungen oder von
Planfeststellungen oder anderen Vorhabengenehmigungen stattfindet. Zurückzuführen ist dies
darauf, dass diese Flächen vergleichsweise billig sind und auch die Durchführung von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen auf ihnen regelmäßig unproblematisch vonstatten geht. Dem soll durch die
Neuregelung in § 1a Abs. 3 S. 5 entgegengetreten werden, indem eine entsprechende Geltung der
naturschutzrechtlichen Agrarklausel in § 15 Abs. 3 BNatSchG als weitere Anforderung der
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 65/71
planerischen Eingriffsregelung normiert wird. Mit ihr wird die Schonung von land- oder
forstwirtschaftlich genutzten Flächen bezweckt, soweit diese für die Durchführung von
Kompensationsmaßnahmen in Anspruch genommen werden sollen. Dadurch findet eine weitere
Annäherung von planerischer und naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung statt. Diese verlangt
schon seit 2010 im Zusammenhang mit der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung
nach §§ 13 ff. BNatSchG , dass bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich
genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu
nehmen ist, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im
notwendigen Umfang in Anspruch zunehmen (§ 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG ). Außerdem ist vorrangig
zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch
Maßnahmen zu Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder
Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes
dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung
genommen werden (§ 15 Abs. 3 S. 2 BNatSchG ).

314b Der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 BNatSchG wird einerseits durch die
naturschutzrechtlichen Regelungen über Eingriffe in Natur und Landschaft und ihren Ausgleich sowie
im hier interessierenden Zusammenhang durch die Vorschriften über die planerische
Eingriffsregelung bestimmt. Die Vorschrift gilt allerdings nicht für vorgezogene
Ausgleichsmaßnahmen nach § 44 Abs. 5 S. 3 BNatSchG , soweit diese auf land- oder
forstwirtschaftlichen Flächen durchgeführt werden müssen (Fischer-Hüftle/A. Schumacher, in:
Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., Stuttgart, 2011, § 15 Rn. 2; Lütkes , in: ders./Ewer
(Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 49).

314c Die neu geschaffene Bestimmung in § 1a Abs. 3 S. 5 ergänzt nicht nur die planerische
Eingriffsregelung sondern auch die in § 1a Abs. 2 S. 4 ebenfalls mit der Innenentwicklungsnovelle
2013 neu ausgestaltete Bestimmung zur Konkretisierung der Umwidmungssperrklausel (vgl.
Rdn. 107 ). Sie bezieht sich auch auf die Schonung von land- oder forstwirtschaftlich genutzten
Flächen, allerdings

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 190 – Lfg. 28 – 01.07.2014
<< >>
vor einer baulichen Inanspruchnahme (Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl.,
Berlin, 2014, Rn. 763).

314d Sowohl bei dem Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG als auch bei der Prüfpflicht in
§ 15 Abs. 3 S. 2 BNatSchG handelt es sich um verfahrensrechtliche Anforderungen (Lütkes , in:
ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 49). An einer gegebenenfalls
bestehenden Kompensationspflicht ändern sie nichts. Sie stellen sich daher in Bezug auf eine
Ausgleichsverpflichtung keinesfalls hinderlich dar, und zwar dergestalt, dass eine bestehende
Ausgleichsverpflichtung vermindert oder nicht mehr erforderlich wird, weil land- oder
forstwirtschaftlich genutzte Flächen geschont werden sollen.

314e Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes (vgl. BT-Drucks. 17/11468, S. 12) soll § 15 Abs. 3
BNatSchG beim Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds sowie
der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts entsprechend Anwendung finden. Das Ziel
dieser neu geschaffenen Bestimmung besteht im Abbau des Spannungsverhältnisses bei der
Heranziehung von land- oder forstwirtschaftlich genutzten bzw. geeigneten Flächen für Ausgleichs-
und Ersatzmaßnahmen. Landwirtschaftlich oder als Wald genutzte Flächen, sollen künftig geschont
werden. Ihre Heranziehbarkeit für eine anderweitige Nutzung wird erschwert, um zu vermeiden, dass
diese Flächen aus der Nutzung genommen werden. Erreicht werden soll diese Zielsetzung, indem in
§ 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG ein Rücksichtnahmegebot in Bezug auf agrarstrukturelle Belange und in
§ 15 Abs. 3 S. 2 BNatSchG eine Prüfpflicht im Hinblick auf mögliche Kompensationsalternativen
normiert. Soweit damit ein Bauleitplan up-pflichtig ist, wird zugleich auf die Darstellung von
anderweitigen Planungsalternativen und deren Bewertung im Rahmen der UP nach Nr. 2d der
Anlage 1 zu den § 2 Abs. 4 , §§ 2a und 4c abgestellt.

314f Mit § 15 Abs. 3 BNatSchG wird der Rechtsprechung des BVerwG (B. v. 11.11.2008 – 9 A 52.07 –,
NVwZ 2009, 182) Rechnung getragen. In dieser Entscheidung, bei der sich ein Landwirt gegen den
Neubau einer Bundesstraße wendet und die ohne weiteres auch auf die Bauleitplanung übertragen
werden kann, wird darauf hingewiesen, dass ungeachtet der Frage, ob es – auch mit Blick auf die
Möglichkeit von Ersatzzahlungen – überhaupt zulässig ist, zu Gunsten einer naturschutzrechtlichen
Ersatzmaßnahme die Existenzgefährdung eines landwirtschaftlichen Betriebs in Kauf zu nehmen, der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) es erfordert, darzulegen, dass trotz
entsprechender Bemühungen um vorrangig heranzuziehende Flächen der öffentlichen Hand und
mangels anderer geeigneter Flächen Privater gerade die Inanspruchnahme der Flächen dieses
Betriebs erforderlich und die Hinnahme seiner Existenzgefährdung im Hinblick auf das öffentliche
Interesse an einer Kompensation mit dem Straßen-

Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 66/71


§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 191 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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neubau verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft verhältnismäßig ist. § 15 Abs. 3 BNatSchG
trägt damit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung
(vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf des BNatSchG-2010, BR-Drucks. 278/09, S. 182; Lütkes ,
in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 48). Dabei geht es primär
um die Frage nach der Qualität der für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für
eine Inanspruchnahme vorgesehenen land- oder forstwirtschaftlichen Flächen für die land- und
fortwirtschaftliche Produktion und eben nicht um die Frage, inwieweit eine Inanspruchnahme land-
und forstwirtschaftlicher Flächen für die Eingriffskompensation zu einer Existenzgefährdung
betroffener Land- oder Forstwirte beitragen kann.

314g Die in § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG ausgestaltete Berücksichtigungspflicht verlangt von der Gemeinde,
bei einer Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen auf
agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen (»Berücksichtigungsgebot«). Dadurch wird
der Blick von den Auswirkungen einer Planung auf die existenziellen Grundlagen des einzelnen
landwirtschaftlichen Betriebs (Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 64;
Fischer-Hüftle/A. Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., Stuttgart, 2011,
§ 15 Rn. 96) hin zu den auf die landwirtschaftliche Produktionsweise, Besitz- und Betriebsstruktur
mithin auf die landwirtschaftlichen Verflechtungen Kompensationsraum gelenkt (a. A. Lütkes , in:
ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 51, der insoweit auf den
Eingriffsraum abstellt). Im Hinblick darauf ist danach zu fragen, inwieweit sich für die Durchführung
von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aus der Nutzung zu nehmende land- oder forstwirtschaftlich
genutzte Flächen auf die Bewirtschaftung (Art und Größe) der Flächen im Ausgleichsraum auswirken.
Ausgleichsraum ist nach § 15 Abs. 2 S. 3 BNatSchG regelmäßig der Naturraum, in dem der Eingriff
stattfindet (vgl. Rdn. 212c ). Für die Berücksichtigung von landwirtschaftsräumlichen Verflechtungen
können sich allerdings andere Zuschnitte ergeben, da landwirtschaftsbezogene Aspekte bei der
Abgrenzung der Naturräume sicherlich nicht im Vordergrund standen. Insoweit hat eine Orientierung
am Ziel der Regelung stattzufinden, wonach insbesondere für die landwirtschaftliche Nutzung
besonders geeignete Böden geschont werden sollen (auch Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.),
Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 51). Zwar werden in § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG
lediglich »agrarstrukturelle« Belange ausdrücklich angesprochen, doch dürfte dies auch die
»forstwirtschaftlichen« Belange mitumfassen (auch Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom
BNatSchG, § 15 Rn. 64).

314h In besonderem Maße gilt die Berücksichtigungspflicht des § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG für »für die
landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden«. Daraus ergibt sich, dass in erster
Linie minderwertige oder für die land-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 192 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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wirtschaftliche Nutzung weniger geeignete Böden (sog. »Grenzertragsböden«) für die
Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen herangezogen werden sollen. Ob ein Boden
besonders geeignet ist für die landwirtschaftliche Nutzung ergibt sich aus den im Rahmen der
Bodenschätzung erstellten Schätzungskarten, in denen grundsätzlich zwischen Acker- und
Grünland, jeweils angegeben als Bodenwert und Ackerzahl bei Ackerland bzw. Grünlandgrundzahl und
Grünlandzahl bei Grünland, unterschieden wird. Böden mit überdurchschnittlichen Acker- und
Grünlandzahlen (60 und mehr bzw. 50 und mehr) sind für die landwirtschaftliche Bodennutzung
besonders geeignet. Die Schätzungskarten dienen als Grundlage für die Übernahme der
Bodenschätzung in die Liegenschaftsbücher, welche dann neben der Acker- bzw. Grünlandzahl auch
eine Ertragsmesszahl enthalten. Letztere ist Ausdruck der natürlichen Ertragsfähigkeit einer Fläche
und damit wichtigste Grundlage für die Besteuerung von Grundstücken. Auskunft über die
Geeignetheit von Böden für die landwirtschaftliche Nutzung erhalten die Gemeinden im Rahmen des
Planungsverfahrens primär durch die Beteiligung der Liegenschaftsämter sowie weitergehend die
gesamte Agrarverwaltung betreffend von den Landwirtschaftskammern oder -ämtern. Nicht
erforderlich ist es, dass die betreffenden Flächen land- oder forstwirtschaftlich genutzt sind. Vielmehr
reicht es aus, dass diese hierfür geeignet sind. Gleichwohl ist in der Schonung landwirtschaftlicher
Flächen an sich auch ein gewisser Widerspruch angelegt. Denn gerade landwirtschaftliche Flächen
sind im Regelfall, jedenfalls unter ökologischen Gesichtspunkten auch diejenigen Flächen die
aufwertungsbedürftig und –fähig sind (vgl. BVerwG, U. v. 07.07.2010 – 7 VR 2.10 (7 A 3.10) –,
BeckRS 2010, 51166). Allerdings steht hier zwar nicht die ökologische, sondern vielmehr die
landwirtschaftliche Eignung der Bodenflächen im Vordergrund, doch vermag die in § 15 Abs. 3
BNatSchG angelegte Besserstellung, insbesondere der Landwirtschaft, gegenüber anderen
Bodennutzungen, nicht ohne Weiteres zu überzeugen (zu Recht: GK-BNatSchG, Koch, § 15 Rn. 25).

314i Land- oder forstwirtschaftliche Belange sollen nur im notwendigen Umfang in Anspruch
genommen werden. Was »notwendig« ist, ergibt sich erst aus den Prüfergebnissen im Hinblick auf
die Frage, ob Kompensationsmaßnahmen nicht durch Entsiegelung, Maßnahmen zur
Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen
Wolters Kluwer Deuts chland GmbH 67/71
erbracht werden können und ob dann zusätzlich noch land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen
herangezogen werden müssen. Erst wenn dies nicht möglich ist, dürfen land- oder forstwirtschaftlich
genutzte Flächen herangezogen werden, und zwar im Zuge einer zweistufigen Prüfung. Zunächst
sind die für die landwirtschaftliche Nutzung minderwertigen oder weniger geeigneten Flächen für die
Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch zu nehmen und erst auf der
zweiten Stufe dann die für die landwirtschaftliche Bodennutzung geeig-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 193 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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neten Flächen. Auch ergibt sich daraus erst der Umfang der Flächen, die notwendig sind.

314j Das Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG wird um eine an die Gemeinde gerichtete
Prüfpflicht in S. 2 ergänzt. Mit ihr ist eigentlich zur Ableistung der Anforderungen aus § 15 Abs. 3
BNatSchG zu beginnen. Es gilt vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch
Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch
Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder
des Landschaftsbilds dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus
der Nutzung genommen werden. Diese Anforderung stellt auf die Bestimmung bzw. die
Konzeptionierung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ab (auch Guckelberger, in:
Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 62) und impliziert, dass durch die Heranziehung der
Maßnahmen nach S. 2 eine Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen
gar nicht mehr erforderlich ist. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind diejenigen Maßnahmen im
Sinne von § 1a Abs. 3 S. 1 (vgl. Rdn. 238 ff. ).

314k § 15 Abs. 3 S. 2 BNatSchG verlangt im Rahmen seiner Prüfpflicht auch solche Maßnahmen in den Blick
zu nehmen, die versiegelt sind und im Sinne der Kompensation nunmehr entsiegelt werden können
(zu den rechtlichen Anforderungen, vgl. Schink, BauR 2013, 861, 871 ). Derlei Flächen, für die
Maßnahmen zur Entsiegelung in Frage kommen, bestehen vor allem in schon bebauten und nicht
mehr genutzten Arealen. Als Ausgleich für die Versiegelung noch unverbrauchter Flächen sind sie
grundsätzlich geeignet (darauf weist auch die im Entwurf vorliegende BKompV in Anlage 4 hin).
Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Entsiegelung solcher Flächen
oftmals kostspielig und aufwändig sein kann. Weiterhin ist zu bedenken, dass versiegelte Flächen, die
für eine Entsiegelung herangezogen werden sollen, regelmäßig nicht in einem solchen Umfang zur
Verfügung stehen, als dass dieser Alternative eine hohe Bedeutung in der Planungspraxis zukommt.

314l Neben Entsiegelungsmaßnahmen kommen auch Bewirtschaftungs- und Pflegemaßnahmen, die


von der Land- oder Forstwirtschaft erbracht werden, für die Durchführung des Eingriffsausgleichs in
Betracht. Die Land- und Forstwirte werden insoweit für die von ihnen erbrachten Leistungen vergütet.
Da die Maßnahmen jedenfalls einer dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des
Landschaftsbilds dienen sollen, kommen wohl in erster Linie Pflegemaßnahmen (sog.
»produktintegrierte Maßnahmen«), die lediglich eine dauerhafte Aufwertung gewährleisten müssen,
in Frage kommen. Denn eine Umstellung der Bewirtschaftung, z.B. in eine ökologische
Landwirtschaft, ist in der Regel nur unter engeren Voraussetzungen möglich. Nicht ausreichend ist
daher die bloße Einhaltung einer guten fachlichen Praxis (Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bun-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 194 – Lfg. 33 – 01.05.2016
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desnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 52). Die Voraussetzung, dass die Maßnahmen der
»dauerhaften« Aufwertung dienen sollen, gilt wenngleich der Wortlaut der Vorschrift diesbezüglich
nicht eindeutig ist, wohl für alle zu prüfenden Maßnahmen, denn die Aufwertung ist sie gemeinsam
kennzeichnendes Merkmal (Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 67).

314mAls weitere Maßnahme kommen auch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen in
Frage. Dabei handelt es sich z.B. Fischtreppen, Grünbrücken oder Durchlässe, insbesondere unter
Straßen- und Schienenwegen. Sie dienen dazu Zerschneidungs- und Hinderniswirkungen, die mit
solchen Infrastrukturanlagen regelmäßig einhergehen, zu mindern oder sogar ganz zu vermeiden. Die
Entscheidung darüber, welche Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen herangezogen
werden sollen, muss unter fachlichen Gesichtspunkten getroffen werden, setzt aber nicht voraus,
dass die zu vernetzenden Lebensräume schon bestehen. Sie können auch im Rahmen der
Kompensation neu geschaffen werden, müssen aber von ihrem Umfang her auch geeignet sein, einen
Lebensraum darzustellen.

314n § 15 Abs. 3 BNatSchG unterliegt der bauleitplanerischen Abwägung (auch Krautzberger/Wagner,


in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1a Rn. 101a; Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller,
Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 763; Bunzel, ZfBR 2013, 211, 213; OVG Nordrhein-
Westfalen, B. v. 14.07.2014 – 2 B 581.14.NE –, ZfBR 2014, 774, 779). Ein Vorrang in dem Sinne,
dass andere Flächen, land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen vorzuziehen sind, existiert
nicht. Jedenfalls hindert § 15 Abs. 3 BNatSchG nicht daran, auch land- oder forstwirtschaftlich
genutzte Flächen für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch zu

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nehmen. Vielmehr verlangt die Bestimmung nur, dass bei der Heranziehung land- oder
forstwirtschaftlich genutzter Flächen, agrarstrukturelle Belange berücksichtigt werden (Guckelberger,
in: Frenz/Müggenborg, BKom BNatSchG, § 15 Rn. 63). Das bedeutet, dass ein Verbot im Hinblick auf
die Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlichen Flächen – wie auch bei der
Umwidmungssperrklausel – für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gerade
nicht besteht. Allerdings muss sich die Gemeinde im Sinne einer erhöhten Berücksichtigungspflicht
(Lütkes , in: ders./Ewer (Hrsg.), Bundesnaturschutzgesetz, München, 2011, § 15 Rn. 51) damit
auseinandersetzen, inwieweit nicht andere Flächen zur Bewältigung des Ausgleichserfordernisses
herangezogen werden können. Insbesondere besteht diese Prüfpflicht dann, wenn es sich um
besonders geeignete landwirtschaftliche Flächen handelt, die für eine Kompensation von durch die
Planung hervorgerufenen Eingriffen in Natur und Landschaft in Anspruch genommen werden sollen.
Im Umweltbericht ist dies – analog zur Umwidmungssperrklausel – zu dokumentieren.

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 195 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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314o Außerdem stellt § 15 Abs. 2 S. 2 BNatSchG nunmehr auch klar, dass Festlegungen von Entwicklungs-
und Wiederherstellungsmaßnahmen auf Flächen des naturschutzrechtlichen Gebietsschutzes (vgl.
§ 20 Abs. 2 BNatSchG ) sowie Maßnahmen zur Kohärenzsicherung beim Gebietsschutz ebenso wie
vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen des Artenschutzes einer Anerkennung als Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen nicht entgegenstehen und verknüpft insoweit naturschutzrechtliche
Ausgleichsmaßnahmen im Sinne der Eingriffsregelung mit europarechtlich erforderlichen
Kompensationsmaßnahmen des Gebiets- und Artenschutzes. Für eine dergestalt gebündelte
Betrachtungsweise (auch Gassner, NuR 2013, 324, 326; Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller,
Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 760) sprechen noch zwei weitere Gesichtspunkte:

Bei einem Eingriff auf der Grundlage eines nach öffentlichem Recht vorgesehenen Fachplans,
etwa einem planfeststellungsbedürftigen Fachplanungsvorhaben, sind Angaben des
Eingriffsverursachers zu den zur Sicherung des Zusammenhangs des Netzes »Natura
2000« notwendigen Kohärenzsicherungsmaßnahmen (vgl. § 34 Abs. 5 BNatSchG ) und zu
vorgezogenen artenschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen (vgl. § 44 Abs. 5 BNatSchG ) zu
machen.

Das Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 3 S. 1 BNatSchG sowie die in § 15 Abs. 3 S. 2 BNatSchG


normierten Prüfpflicht fordern eine Auseinandersetzung mit der Frage nach der
»erforderlichen« Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlichen Flächen für
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und verlangen insoweit ebenfalls nach einer eher
konzeptionellen Betrachtungsweise.

Dadurch wird deutlich, dass die unterschiedlichen Formen des Ausgleichs nicht isoliert betrachtet
werden dürfen, sondern in einem konzeptionellen Zusammenhang stehen und einander ergänzen
sollen (vgl. Rdn. 115 ff. ).

314p Zur Anwendbarkeit von § 15 Abs. 3 BNatSchG ist die Überleitungsvorschrift in § 233 Abs. 1 zu
beachten. Hiernach dürfen Bauleitplanverfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift
bereits förmlich eingeleitet waren, nach den bis dorthin geltenden Vorschriften fortgeführt und
abgeschlossen werden. Das bedeutet, dass in diesen Fällen § 15 Abs. 3 BNatSchG nicht entsprechend
gilt.

f) Überplanung bestehender Baurechte (§ 1a Abs. 3 S. 6)

315 Gemäß § 1a Abs. 3 S. 6 ist ein Ausgleich nicht erforderlich, soweit die Eingriffe bereits vor der
planerischen Entscheidung erfolgt oder zulässig waren. Auch diese Bestimmung geht auf das
BauROG 1998 zurück. Praktische Bedeutung kommt dieser Bestimmung in mehrfacher Hinsicht zu.
Besonders brachliegende Industrie-, Gewerbe-, Militär- oder Infrastrukturflächen, die einer baulichen

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 196 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Wiedernutzung sinnvoller Weise zugeführt werden und insoweit zu einer Reduzierung des
Flächenverbrauches beitragen sollen, sind nicht ausgleichspflichtig, wenn durch sie an Stelle der
alten, brachgefallenen Bebauung, nunmehr eine neue Bebauung ohne zusätzliche
Beeinträchtigung von Natur und Landschaft tritt. Dadurch soll mitunter auch dem
städtebaulichen Ziel der Innenentwicklung entsprochen und für den Fall der Wiedernutzung von
Brachflächen sowie auch bei anderen Maßnahmen der Innenentwicklung durch eine verpflichtende
Anwendung der planerischen Eingriffsregelung ggf. entstehende Probleme, und zwar sowohl
zeitlicher als auch inhaltlicher Natur, ausgeblendet werden (in diesem Sinne auch Battis , in:
Battis/Krautzberger/Löhr, § 1a Rn. 19).

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316 Im Vorfeld zu der heute geltenden Vorschrift bestand hinsichtlich der Anwendung der
naturschutzrechtlichen Eingriffs- und Ausgleichsbestimmung bei der Überplanung von Gebieten mit
bereits bestehenden Baurechten sowohl in der fachwissenschaftlichen Literatur als auch in der
Rechtsprechung ein uneinheitliches Bild (vgl. VGH Mannheim, B. v. 12.08.1994 – 8 S 903.94 –, NuR
1995, 262 und OVG Lüneburg, B. v. 08.11.1994 – 1 M 5749.94 –, NuR 1995, 157). Auch das BVerwG
(U. v. 31.08.2000 – 4 CN 6.99 –, NVwZ 2001, 560, 561) stellt mit Blick auf § 8a Abs. 1 BNatSchG-
1993 auch für die Änderung von Bauleitplänen klar, dass bei einer lediglich planerischen
Festschreibung schon vorhandener baulicher oder sonst als Eingriff zu wertender Nutzungen, auch
soweit diese noch nicht ausgenutzt sind, diese Bestimmung herangezogen und damit auch für die
Bauleitplanung auf Innenbereichsflächen anwendbar ist. Für eine unterschiedliche Behandlung der
Bauleitplanung im beplanten Innenbereich und der Bauleitplanung im unbeplanten Innenbereich im
Hinblick auf § 8a Abs. 1 BNatSchG-1993 gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, da es unerheblich
ist, auf welcher Grundlage die bereits gegebene Zulässigkeit von baulichen Vorhaben beruht.

317 Bei der Überplanung von Flächen, für die bereits Baurechte bestehen, ist nach § 1a Abs. 3 S. 6
nunmehr nur noch insoweit ein Ausgleich erforderlich, als zusätzliche und im Hinblick darauf neu
geschaffene Baurechte entstehen (vgl. Bayerischer VGH, U. v. 16.10.2009 – 2 N 06.3341 –, juris.;
Nieders. OVG, U. v. 15.04.2011 – 1 KN 356.07 –, ZfBR 2011, 690, 695). Das bedeutet, dass ein
Ausgleichsbedarf nicht entsteht, wenn ein Bebauungsplan bereits vorhandene bauliche oder sonst als
Eingriffe in Natur und Landschaft zu wertende Nutzungen lediglich planerisch festschreibt. Dies gilt
auch, wenn der Bebauungsplan bereits bestehende Baurechte nur fortschreibt oder diese
einschränkt. Dabei müssen die bestehenden Baurechte nicht ausgenutzt sein, sondern können
durchaus noch durch bauliche Nutzungen belegt werden. Ebenso ist es unerheblich, auf welcher
rechtlichen Grundlage die bereits vorhandene Zulässigkeit von Nutzungen beruht. Insoweit kommt
eine Zulassung auf der Grundlage von § 34 im unbeplanten Innenbereich oder von § 30 in
Geltungsbereich eines Bebau-

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 197 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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ungsplans in Frage. Daraus ergibt sich, dass die Anwendung der planerischen Eingriffsregelung
bei der Überplanung von Innenbereichsflächen, sowie bei der Änderung von Bebauungsplänen
ausgenommen ist.

318 Nach der Rechtsprechung des BVerwG gilt § 1a Abs. 3 S. 6 auch im Hinblick auf solche alten
Bebauungspläne, bei deren Aufstellung die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nicht
berücksichtigt worden ist (B. v. 20.05.2003 – 4 BN 5.02 –, NVwZ 2003, 1259 [BVerwG 20.05.2003
- 4 BN 57.02] ). Die Bestimmung in § 1a Abs. 3 S. 6 stellt nach dieser Rechtsprechung allein darauf
ab, welche Bebauung vor der Aufstellung des neuen Bebauungsplans zulässig war, und differenziert
nicht danach, wann und unter welcher Rechtslage die bestehenden Baurechte entstanden sind. Ein
Ausgleich ist danach bei der Überplanung von Flächen, für die bereits Baurechte bestehen, nur
insoweit erforderlich, als zusätzliche und damit neu geschaffene Baurechte entstehen. Angesichts
des klaren Wortlauts der Regelung kommt eine im konkreten Streitfall von der Beschwerde
befürwortete einschränkende Auslegung, nach der von einem Ausgleich nur abgesehen werden darf,
wenn bei der Aufstellung oder dem Vollzug des alten Bebauungsplans die Anforderungen der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen erfüllt waren, auch mit Blick auf die
Staatszielbestimmung in Art. 20a GG nicht in Betracht.

319 Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ist bei der Überplanung von bereits bebauten Bereichen zu
differenzieren, und zwar im Hinblick darauf, ob bestehende Baurechte lediglich
festgeschrieben, ggf. sogar eingeschränkt werden oder ob erstmals bauliche Nutzungen
in einem eingriffsrechtlich beachtlichen Umfang ausgewiesen oder erweitert werden. In
diesem Zusammenhang hat das BVerwG (B. v. 04.10.2006 – 4 BN 26.06 –, BRS 70 Nr. 66 ) die
uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Voraussetzungen des § 1a Abs. 3 S. 6 bejaht und
ausgeführt, dass die Frage, ob eine Bebauung bereits vor der planerischen Entscheidung nach § 34
Abs. 1 zulässig wäre, eine Rechtsfrage sei, die der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung
unterliegt. Die Anerkennung eines kommunalen »Einschätzungsspielraumes« verbiete sich auch im
Hinblick auf die mit der Zuordnung zum Eingriffsgebiet verbundenen Rechtsfolgen (hierzu genauer:
Schink, BauR 2013, 861, 869 f. ). Nur den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten seien,
könnten nach § 9 Abs. 1a S. 2 Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich (§ 1a Abs. 3 S. 1 und 2) an
anderer Stelle zugeordnet werden. Nur Eigentümer von Grundstücken, die zu den Eingriffsflächen
zählten, können nach den §§ 135a ff. zur Finanzierung von Ausgleichsmaßnahmen herangezogen
werden. Da die Regelung in § 1a Abs. 3 S. 6 im Sinne einer Ausnahmebestimmung ausgestaltet
wurde, sollte mit Blick auf diese Rechtsprechung bei Zweifelsfragen die planerische
Eingriffsregelung angewendet werden (so zu Recht: Halama, in: Berkemann/Halama,
Erstkommentierungen zum BauGB 2004, Bonn, 2005, § 1a Rn. 33; Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller,
Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 752).

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 198 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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320 Werden durch die Überplanung eines bereits bebauten oder beplanten Gebietes insoweit neue
Baurechte geschaffen, findet § 1a Abs. 3 S. 1 Anwendung. Die zu treffenden
Abwägungsentscheidungen hinsichtlich des Ausgleichserfordernisses von durch die Planung
hervorgerufenen Eingriffen in Natur und Landschaft beziehen sich dann auf die zusätzlich für
Eingriffe vorgesehenen Flächen (vgl. schon OVG Lüneburg, U. v. 27.08.1997 – 1 K 7061/95 – NVwZ-
RR 1995, 75). Das bedeutet, es sind die Festsetzungen des geltenden Planes, denen des
Änderungsplanes gegenüberzustellen und in Bezug auf das Ergebnis der Eingriffs- und
Ausgleichsbilanzierung, im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung eine Entscheidung zum
festgestellten Ausgleichsbedarf zu treffen (auch Reidt, in: Bracher/Reidt/Schiller,
Bauplanungsrecht, 8. Aufl., Berlin, 2014, Rn. 750). In einer neuen Entscheidung des BVerwG (B.
v. 20.03.2012 – 4 BN 31.11 , BeckRS 2012, 49293 Rn. 4) werden hierzu die Anforderungen
klargestellt. Nach den Ausführungen des Gerichts erlaubt § 1a Abs. 3 S. 6 eine Verrechnung, bei der
sowohl eine Abnahme als auch eine Zunahme der Eingriffstiefe im Verhältnis zum neuen
Bebauungsplan berücksichtigt werden darf. So hat im Fall einer Überplanung eines nicht
ausgenutzten Bebauungsplans die Gemeinde in eigener Verantwortung sowohl die Eingriffe, die im Fall
der Verwirklichung auf den von der ursprünglichen Planung erfassten Grundstücke eingetreten
wären, als auch die Eingriffe, die aufgrund des neuen Bebauungsplans eintreten, zu ermitteln und
nach ihrer ökologischen Wertigkeit zu bewerten. Dabei sind alle Grundstücke in den Blick zu nehmen,
die von der alten und der neuen Planung erfasst sind. Werden im Bereich des alten Bebauungsplans
unter Berücksichtigung der ökologischen Wertigkeit der Flächen keine oder geringere Eingriffe als
nach der neuen Planung festgestellt, so schlägt sich auch dies in der Flächenbilanz zu Buche. Dies
gilt unabhängig davon, ob bei der Aufstellung des ursprünglichen Bebauungsplans die
naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zu berücksichtigen war, denn S. 6 verpflichtet die Gemeinden
nicht zur Sanierung von Altflächen. Sie müssen nur in der Bilanz Verschlechterungen entgegenwirken.

321 Auf § 1a Abs. 3 S. 6 nimmt § 13a Abs. 2 Nr. 4 Bezug für den Bebauungsplan im beschleunigten
Verfahren. Soweit danach die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 vorliegen, gilt die
gesetzliche Fiktion, dass die Voraussetzungen des § 1a Abs. 3 S. 6 erfüllt sind (Schink, BauR 2013,
861, 869 ).

6. Überleitungsrecht (§ 243 Abs. 2)


322 § 243 enthält Überleitungsvorschriften für das Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch und das
Bundesnaturschutzgesetz. In Abs. 2 wird diesbezüglich für die Anwendbarkeit der planerischen
Eingriffsregelung bestimmt, dass bei Bauleitplanverfahren, die vor dem 01.01.1998 förmlich
eingeleitet worden sind, die

§ 1a BauGB Rn. 156-324 – Schlichter / Stich / Driehaus / Paetow – Seite 199 – Lfg. 28 – 01.07.2014
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Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung
weiter angewendet werden kann. Den Gemeinden obliegt es danach, für zum 01.01.1998 bereits
förmlich eingeleitete, aber noch nicht abgeschlossene Bauleitplanverfahren zu bestimmen, dass diese
entweder unter Anwendung der eingriffsrechtlichen Bestimmungen nach § 8a BNatSchG-1993 oder
unter Heranziehung der Vorschriften des § 1a Abs. 3 BauGB-1998 verfahrensrechtlich
weiterzuführen sind. Praktische Bedeutung erlangen kann diese Bestimmung insoweit, als durch das
BauROG 1998 für die Bewältigung der eingriffsrechtlichen Anforderungen, die Möglichkeiten des
planexternen Ausgleichs geschaffen wurden (vgl. Rdn. 266 ff. ).

323 In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die in § 8b Abs. 2 BNatSchG-1993
enthaltene Bestimmung zur Ermächtigung der Länder, abweichend von § 8a Abs. 2 und 6 und § 8c
Nr. 1 weiter gehend zu bestimmen, dass erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen der
Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbilds durch Vorhaben nach § 34 sowie in
Gebieten mit Bebauungsplänen, die vor dem 01.05.1993 in Kraft getreten sind, durch
Geldleistungen auszugleichen. Diese Regelung ist mit dem Inkrafttreten des BauROG 1998 entfallen,
eine Überleitungsregelung hierzu gibt es nicht.

324 Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass das in § 243 Abs. 2 enthaltene Wahlrecht nicht von
den Anforderungen, die sich aus den Vorgaben der FFH-RL ergeben, entbindet (vgl. BT-
Drucks. 13/7589, S. 31).

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