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Schulangst.
In X. Feng (Hrsg.),
Wichtige Themen der
Pädagogischen Psychologie
(S. 87–104).
Beijing, CN: China Renmin University Press.
Erster Teil Texte
Schulangst
Detlef H. Rost und Werner Haferkamp
1 Angst
Eine der ersten Arbeiten zum Thema „Angst“ verfasste 1895 Sigmund Freud, der Begründer der
Psychoanalyse, zum Thema ,,Über die Berechtigung, von der Neurasthenie einen bestimmten
Symptomkomplex als ,Angstneurose‘ abzutrennen“. Seitdem wird Angst immer wieder mit neuen
Untersuchungen und unter differenzierenden Fragestellungen erforscht. Obwohl besonders in
den letzten Jahrzehnten bedeutsame Fortschritte, sowohl, was die theoretische Fundierung der
Angst als auch die Aufklärung ihre Entstehungsbedingungen, Messung und Modifikation betrifft,
festzustellen sind, ist Angst ein virulentes Forschungsgebiet vieler Fachdisziplinen wie der
Pädagogischen Psychologie, Entwicklungspsychologie, Klinischen Psychologie, psychologischen
Diagnostik und Psychiatrie. Die Beschreibung klinischer (= therapiebedürftiger) Angstzustände
steht nicht mehr — wie vor Jahrzehnten — im Focus. Stattdessen widmet man sich den
Ursachen, der Diagnostik, der Therapie und der Prävention von Angst in allen Äußerungsformen
(von emotionaler Unsicherheit über Neurotizismus bis hin zu Phobien), allen Lebensbereichen
(Schule, Hochschule, Beruf, Familie, Alltagsleben) und allen Altersstufen (Kinder, Jugendliche,
Erwachsene).
Angst ist ein Spezialfall eines Erregungs- und Spannungszustandes mit spezifischen
somatischen und psychischen Empfindungen und Reaktionen. Sie ist gekennzeichnet durch
Vorwegnahme, aktuelle Empfindung oder Erinnerung einer subjektiv bedeutsamen realen oder
vorgestellten Unsicherheit bzw. Bedrohung (Versagen, Schmerz, Gefahr) im weitesten Sinne. Sie
wird in der Regel durch gelernte Hinweisreize ausgelöst. Die empfundene Bedrohung oder Gefahr
macht den Kern der Angstemotion aus. Angst neigt zur Verselbständigung und Generalisierung
(d. h. sie kann sich unter bestimmten Umständen von den angstmachenden Ereignissen
loslösen und mit anderen — an und für sich unbedrohlichen (= „neutralen“) — Reizen
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verbinden. Ursprünglich nicht als bedrohlich empfundene Situationen und Reize können dadurch
ebenfalls Angstreaktionen hervorrufen.
Angstäußerungen betreffen vor allem drei Ebenen:
• Physiologische Indikatoren: erhöhter Puls, beschleunigte Atmung bis hin zur Atemnot,
erhöhter Blutdruck, Adrenalinausschüttung, Pupillenerweiterung, Schweißausbruch, Blässe,
verstärkte Darmperistaltik, Harndrang, Erbrechen usw.
• Emotional-subjektives Erleben: Wahrnehmung von Angst durch die eigene Person,
unangenehme innere Erregungszustände, Unwohlsein, Unsicherheit, Nervosität, innere
Spannung, ,,Kloß im Hals“, Übelkeit usw.
• Beobachtbare Verhaltensweisen und motorische Reaktionen: Unruhe, Zittern, Verkrampfung
bis zur Starre, Flattern der Stimme, Vermeidungsverhalten, Fluchtverhalten bzw. Aggression
usw.
Innerhalb dieser Erscheinungsebenen und zwischen ihnen korrelieren die Variablen in der Regel
nur mäßig miteinander, die einzelnen Reaktionen verlaufen oft nicht zeitlich parallel.
Physiologische Begleitreaktionen werden hauptsächlich durch das vegetative Nervensystem
gesteuert. Man kann sie im Allgemeinen nicht willentlich beeinflussen. Sie sind zudem polyvalent
(= mehrdeutig), d. h. ähnliche physiologische Reaktionen lassen sich bei unterschiedlichen
Affektzuständen wie z. B. Angst, Wut, Freude beobachten. Den kognitiven Theorien des sozialen
Lernens zufolge bestimmt die subjektive Bewertung von Situationen oder Reizen und nicht der
objektive neurologisch-physiologische Zustand Angst. Beispielsweise kann ein junger Mann
spüren, dass sein Herz schneller schlägt, wenn er sich zum ersten Mal mit einer Frau, die er
schon lange heimlich verehrt, trifft. Ein erhöhter Herzschlag kann sich bei ihm auch im Angesicht
einer Gefahr einstellen, wenn z. B. ein großer Hund aggressiv bellend auf ihn zu läuft. In diesen
beiden Fällen sind die physiologischen Reaktionen ähnlich, die erlebten Gefühle aber sehr
unterschiedlich.
2 Angsttheorien
Manche Autoren bezeichnen auf konkrete Objekte (z. B. Schlangen, Spinnen) gerichtete Angst
(z. B. Furcht vor Schlangen oder Spinnen) als „Furcht“. Häufig jedoch werden Angst und Furcht
als ein gleiches Phänomen angesehen. In der Auseinandersetzung mit dem Thema „Angst“
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sind zahlreiche Theorien entwickelt worden. Wir erwähnen hier nur kurz psychoanalytische,
lerntheoretische und kognitive Ansätze.
• Psychoanalytische Theorien. Angst wird als ein Affektzustand angesehen, der auf Konflikte
und Versagungen in der frühen Kindheit zurückzuführen ist. In einer Stresssituation werden
diese unzureichend verarbeiteten Erfahrungen, die im Unterbewusstsein schlummern, erneut
aktualisiert. Hatte S. Freud zunächst noch Angst als Unfähigkeit verstanden, sowohl von
der Umwelt gestellte Aufgaben zu bewältigen ( = „normale“ Angst) als auch mit den aus
unterdrückter Trieberregung resultierenden Anforderungen (= „neurotische“ Angst) fertig zu
werden, so integrierte er später Angst in seine allgemeine Neurosenlehre. Aus dem Erlebnis
des Geburtstraumas und der eigenen Hilflosigkeit erwächst die primäre Angst. Sekundäre
Ängste beziehen sich auf Erwartungen von Beeinträchtigungen, sind Reaktionen des „Ich“
und entstehen zumeist in der Auseinandersetzung mit den anderen Instanzen des Individuums
(„Es“ und „Über-Ich“) bzw. der Umwelt („Reale“ Angst = Konflikt zwischen der Person
und der Wirklichkeit; „neurotische“ Angst = Konflikt zwischen den „Ich“ und dem „Es“;
„moralische“ Angst = Konflikt zwischen dem „Ich“ und dem „Über-Ich“). Seit einigen
Jahrzehnten wird öfter auch ein enger Zusammenhang von Angst, Aggression und Frustration
thematisiert.
• Lerntheorien. Angst wird als erlernte Reaktionstendenz auf (bedrohliche) Reize verstanden.
Eine in dieser Tradition stehende Theorie definiert Angst als emotional bestimmten Trieb,
der in einer multiplikativen Verknüpfung mit der Reaktionsstärke die Wahrscheinlichkeit
einer Reaktion bestimmt. Wenn, wie bei einfachen Aufgaben, nur eine einzige Reaktion
im Vordergrund steht, kann sich Angst lernfördernd auswirken, während bei komplexen
Aufgaben, wie sie in der Schule in der Regel vorkommen, verschiedene Reaktionen
möglich sind und nicht selten eine unangebrachte Reaktion gewohnheitsmäßig ausgeführt
wird. Eine andere Theorie betont die angstauslösende Wirkung situativer Faktoren und den
Zusammenhang von Leistungsangst und kognitiven Prozessen. Verbindet sich der Angsttrieb
mit aufgabenrelevanten Reaktionen, wird die Aufgabenlösung erleichtert; verbindet er sich
mit aufgabenirrelevanten Reaktionen (= Hilflosigkeit, Überforderungsgefühlen etc.), wird die
Lösung einer Aufgabe erschwert.
• Kognitive Theorien. Wichtig sind die subjektiven Erwartungen und Bewertungen von
Reizen und Situationen und ihr Zusammenhang mit der persönlichen Selbsteinschätzung. So
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unterscheiden sich z. B. erfahrene oder nicht ängstliche Menschen von unerfahrenen oder
neurotischen Personen dadurch, dass sie angstauslösende Reize und Situationen richtig deuten
können und entsprechende Abwehrmechanismen kennen und anwenden können, welche die
Angst ,,kontrollieren“. Furchterzeugende Hinweisreize können bei der Wahrnehmung, im
Denken und bei offenen Reaktionen vermieden werden. Man kann mit Angst unvereinbare
Reaktionen erzeugen oder positive Aspekte eines Ziels besonders betonen.
3 Phänomen Schulangst
Die Frage nach Entstehung, Einfluss und Modifikation von Angst stellt sich besonders
im Zusammenhang mit Leistungssituationen. So rückt denn auch die Schule ins Blickfeld, ist
sie doch — neben dem Elternhaus — die wichtigste Instanz zur Vermittlung kognitiver und
sozialer Kompetenz, deren Erwerb zudem an von der Gesellschaft aufgestellten Normen (z. B.
Zensuren) gemessen wird. Die Diskussion um Schulangst entzündet sich immer wieder an dem
zunehmenden Leistungsdruck in der Schule. Das wird in der Öffentlichkeit mit dem Schlagwort
„Schulstress“ bezeichnet. Herrschten noch in den Mitte des 20. Jahrhunderts im deutschen
Sprachraum tiefenpsychologisch-philosophischen Arbeiten zum Problemgebiet vor, so dominieren
heute lernpsychologisch-erfahrungswissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese ,,empirische
Wende“ wurde durch die zunehmende Verfügbarkeit über brauchbare Messinstrumente zur
Angsterfassung, nämlich Angstfragebogen, möglich gemacht.
Der Begriff „Schulangst“ weist auf das angstauslösende Objekt „Schule“ hin. In der Schule
machen viele Kinder negative Lernerfahrungen. Daraus entwickelt sich dann Angst vor und
in schulischen Lehr- und Erziehungssituationen im weitesten Sinne: Angst vor Lehrern, vor
Mitschülern, vor Unterrichtsfächern und Unterrichtsinhalten, vor schulischen Regelungen und
Interaktionsformen, vor Prüfungen und schlechten Zensuren, vor Versagen, vor schulbezogenen
elterlichen Anforderungen usw. Die Bezeichnungen „Prüfungsangst“ und „Leistungsangst“
werden oft als Synonyme zu „Schulangst“ verwendet. Aus der Multikomplexität schulischer
Lehr-, Lern- und Erziehungssituationen ergibt sich, dass die Aufgliederung von Angst in „state
anxiety“ (= Angst als nur augenblicklicher und kurzfristiger Zustand, wenn z. B. ein sonst wenig
ängstlicher Schüler angesichts einer überraschend als besonders schwierig empfundenen Klausur
Versagensangst spürt) und „trait anxiety“ (= Angst als relativ stabile Persönlichkeitseigenschaft,
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also als unspezifische Angstdisposition im Sinne einer prinzipiell leichten Erregbarkeit und
Unsicherheitstendenz in vielen unterschiedlichen Situationen), wie sie früher die Erfassung der
Angst dominierte, nicht mehr ausreicht. Die Unterscheidung der Angstreaktionen einer Person
in die Facetten „Besorgnis“ (= Grübeln) einerseits und Aufgeregtheit (= Selbstwahrnehmung
physiologischer Reaktionen) muss um eine emotionale Komponente (= Gefühl von
Niedergeschlagenheit und Hilflosigkeit im Sinne einer prä-depressiven Verstimmung) erweitet
werden.
Inwiefern allgemeine, also nicht auf Schule und Unterricht bezogene Angst für schulisches
Verhalten von Bedeutung ist, ist noch nicht endgültig geklärt. Neuere Forschungen zu Folge
stellen früher gefundene Zusammenhänge zwischen allgemeiner Angst und Schulleistungs-
bzw. Persönlichkeitsmaßnahmen möglicherweise Artefakte der Erfassungsmethoden dar, da
allgemeine Angstskalen in der Regel auch zugleich Elemente schulspezifischer Bedingungen
enthalten. Letztlich lässt sich individuelle Schulangst immer nur definieren und erklären, wenn
die persönlichen situativen Rahmenbedingungen und die jeweils besonderen Interaktionsmuster
von Lehrern, Kind, Eltern und Mitschülern genau analysiert werden.
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Vermeidungsreaktionen, mit denen konditionierten Stimuli aus dem Wege gegangen wird,
verhindern oftmals, dass die gelernte CS→CR-Verbindung gelöscht wird. Sie wird also wieder
verlernt. In der Schule treten bei Schulangst Löschungsprozesse selten auf, ständige Tadel,
Drohungen, Bestrafungen etc. stabilisieren neu aufgebaute Konditionierungen.
Die Verschiedenartigkeit der Äußerungsformen von Angst, die Mannigfaltigkeit
angstauslösender Reize und Situationen sowie die enorme Variabilität individueller
Umweltbedingungen weisen darauf hin, dass es nicht die eine Ursache von (Schul-) Angst geben
kann. (Schul-)Angst entwickelt sich in der Regel auf unterschiedliche Art und Weise und hat
meistens mehrere Ursachen.
Dieser entwicklungsdynamische Aspekt von Angst ist durch eine sich selbst stabilisierende
und aufschaukelnde Aufeinanderfolge von auslösendem Erleben, individuellen Reaktionen und
Verhaltenskonsequenzen gekennzeichnet.
Der individuellen Lerngeschichte (Angsterfahrungen und misslungene Versuche, die Angst
zu bewältigen) kommt ein hervorragender Erklärungswert für die Behandlung von Angst zu.
Zweifellos gibt es individuell unterschiedliche Angstäußerungen in gleichen Situationen sowie
gleiche Angstäußerungen in verschiedenen Situationen. Das dürfte vor allem aus der spezifischen
Anhäufung persönlicher Erfahrungen unter bestimmten familiären und gesellschaftlichen
Sozialisationsbedingungen (elterliches Erziehungsverhalten, Geschwisterkorrelation,
Geschlechtsrolle, Sozialstatuts, Schulschicksal usw.) zu erklären sein.
Immer wieder hat die Forschung gefunden, dass Jungen weniger Angst haben oder bei
Befragungen zugeben als Mädchen, was sich auch eher mit ihrem sozialen Image verträgt.
Unterschichtkinder, die oft mit den in der Schule praktizierten Normen und Regeln wenig
vertraut sind, sind in der Schule häufig ängstlicher als Mittel- und Oberschichtkinder. Außerdem
ist eine befehlende und bestrafende Erziehungshaltung bei Eltern aus unteren sozialen Schichten
öfter anzutreffen als bei Eltern höher Schichten. Das tritt oft zusammen mit einer geringeren
sprachlichen Differenzierung aus und begünstigt die Entwicklung eines impulsiven kognitiven
Stils. So scheinen Unterschichtkinder Probleme spontaner, d. h. ohne längere Überlegungsphase,
anzugehen, so dass ihnen öfter und mehr Fehler unterlaufen. So erleben sie Misserfolge in
Leistungssituationen, was die Angstentstehung fördert.
Wichtige Bedingungsvariablen schulischer Angst sind neben ungünstigen vorschulischen
Erfahrungen in Leistungssituationen und im Elternhaus folgende Faktoren:
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gültig einschätzen. Mehrere Untersuchungen haben nämlich festgestellt, dass die mit einem
Fragebogen gemessene Schulangst von Kindern mit der Einschätzung ihrer Angst durch Eltern
oder Lehrer nur sehr gering zusammenhängt. Das liegt auch daran, dass Angst hauptsächlich
etwas ist, was eine Person in sich spürt. Gefühle, die eine Person hat, kann man nicht gut als
Außenstehender sehen. Eine solide pädagogisch-psychologische Diagnose kommt nicht ohne eine
gezielte Befragung des betreffenden Schülers aus. Es existieren inzwischen auch Fragebogen,
mit denen man häufige auslösende Bedingungen (= was die Leistungsangst verursacht), mehrere
Manifestationsweisen (= wie sich die Angst beim Schüler bemerkbar macht), unterschiedliche
Strategien zur Bewältigung (= ob der Schüler schon weiß, mit welchen Maßnahmen die Angst
reduziert werden kann und er diese flexibel einsetzt) und wichtige Stabilisierungsformen (=
Verhaltensweisen des Schülers und der Eltern bzw. Lehrer, welche verhindern, dass sich mit der
Zeit die Angst abschwächt) differenziert feststellen kann.
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stabilisiert sich ihr negatives Selbstwertgefühl, die Erfolgswahrscheinlichkeit bleibt auf niedrigem
Niveau oder sinkt sogar. Hinzu kommt, dass sich diese Kinder nicht selten überhöhte oder gar
unrealistische Ziele setzen. Ihr Misserfolg (bedingt durch die Diskrepanz von Leistung und
Leistungswunsch) bestätigt sie in ihrer negativen Erwartungshaltung und trägt damit zu erhöhter
Unsicherheit und Leistungsangst bei.
Umgekehrt verfügen gute Schüler in der Regel über ein an ihren Fähigkeiten orientiertes
Anspruchsniveau und haben deshalb allgemein weniger Angst in Leistungssituationen. Erfolge
führen leistungsstarke Schüler selbstbewusst auf ihre gute Begabung („klar doch, ich bin eben
schlau und schaffe so etwas natürlich“) zurück. Misserfolge dagegen schreiben sie äußeren
Faktoren zu („das liegt nur daran, dass ich diesmal Pech gehabt habe“).
Da allgemein gilt, dass die der eigenen Erwartung entsprechenden Noten deutlicher
wahrgenommen und beachtet werden und so als Verstärker wirken, kann auch durch einige
außerplanmäßige Erfolge (einige gute Zensuren bei schwachen Schülern bzw. einige schlechte
Zensuren bei guten Schülern) diese in der persönlichen Lerngeschichte verankerte Verbindung
nicht nachhaltig erschüttert werden. Auch wenn ein leistungsschwaches Kind aufgrund
zusätzlicher Bedingungen, z. B. durch Nachhilfeunterricht, bessere Leistungen erbringen, kann
die Angst vor der Prüfung dazu führen, dass der Schüler diese neugewonnene Fähigkeit nicht in
eine Leistungsverbesserung umsetzen kann.
Eine in verschiedenen Untersuchungen beobachtete leistungsfördernde Komponente
von Angst trifft wohl nur bei leichten und überschaubar strukturierten Aufgaben zu. Das
Aktivierungsniveau des Schülers ist dann erhöht, es ist aber nicht überhöht, und er ist deshalb
hellwach und leistungsfähig und nicht blockiert. Bei den komplex determinierten Schulnoten
sind aber solche kurvilinearen Beziehungen kaum zu finden. Manche Autoren halten in diesem
Zusammenhang auch Neugierde für eine Vorform von Angst.
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☛Unterricht
Einen erheblichen Teil des Tages verbringen Schüler im Klassenzimmer im unmittelbaren
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Kontakt mit ihrem Lehrer. Dennoch gehen viele Pädagogen nicht hinreichend ausgebildet
in diese Unterrichts- und Erziehungssituation hinein. Die Verwirklichung effektiver und
psychohygienischer Techniken des Lehrerverhaltens sollte stärker als heute üblich in der
Lehrerausbildung verankert sein.
Entwicklungspsychologische, lernpsychologische und unterrichtspsychologische
Erkenntnisse sollten in der Lehrerausbildung eine größere Rolle als bisher spielen.
• Erziehungs- und Führungsstil. Insbesondere gilt es, dass Lehrer lernen, ihren eigenen
Erziehungs- und Führungsstil selbstkritisch wahrzunehmen und zu reflektieren sowie die
Auswirkungen auf das Schülerverhalten möglichst objektiv festzustellen. Vor allem sollte sich
der Lehrer auf subjektive Wahrnehmungsverzerrungen hin kontrollieren und sich über seine
implizite Führungs- und Persönlichkeitstheorie bewusst werden bzw. diese durch regelmäßige
Arbeitsbesprechungen mit Kollegen und gegenseitige Hospitationen in Frage stellen und
diskutieren.
• Offene Gespräche. Indem Schüler regelmäßig und ausgiebig Gelegenheit erhalten, sich
und ihre Probleme darzustellen (z. B. gemeinsame Regelung klasseninterner sozialer
Fragen, anonyme Lehrerkritik) und im Gespräch mit dem Lehrer positive Lösungs- bzw.
Änderungsvorschläge zu erarbeiten, wird ihr Engagement für die Schule unterstützt und
Selbstverantwortlichkeit für eigenes Verhalten angebahnt.
• Lehrertraining. Praxisbegleitende Lehrertrainings können elementare Prinzipien
effektiven Unterrichts vermitteln und den Lehrer anleiten, seine Aufmerksamkeit auf
positives Schülerverhalten zu zentrieren, dieses positiv zu verstärken und zynische, das
Selbstwertgefühl verletzende Bemerkungen zu vermeiden.
• Lernpsychologie. Der Unterricht sollte nach modernen lernpsychologischen Erkenntnissen
gestaltet werden. Die Aufgliederung von Lehr-/Lernaktivitäten in kleinere Einheiten und ihre
optimale zeitliche Aufeinanderfolge, verbunden mit kurzen Unterrichtsüberprüfungen, welche
feststellen, wie weit die Kinder alles verstanden haben, geben dem Lehrer Hinweise, bei
wem und wo er noch zusätzliche Hilfen geben muss. Die Verständlichkeit von mündlichen
Erklärungen und von Texten (Arbeitsblätter, Lehrbücher) kann beispielsweise durch
folgende Maßnahmen verbessert werden: Verwendung einer einfachen und klaren Sprache,
Anreicherung des Lehrstoffs durch zusätzliche Veranschaulichungen (Bilder, Grafiken, Videos
etc.) und konkrete Beispiele sowie Aufgliederung des Lehrstoffs in inhaltlich prägnante und
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nicht zu umfangreiche Teile. All das führt dazu, dass die Schüler Erfolgserlebnisse haben,
weil sie den Lehrstoff kapieren.
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☛Elternhaus
Das Hineinwirken der Schulsituation ins Elternhaus hat entscheidenden Anteil an Aufbau
und Stabilisierung schulischer Ängste. Dieses Problem ist nur durch eine Intensivierung
der Kommunikation und Kooperation zwischen Schule und Elternhaus zu lösen. Die dazu
erforderliche Zusammenarbeit wird anfangs für Lehrer und Eltern eine zusätzliche Belastung
bedeuten, langfristig jedoch Entlastung bringen. Insbesondere gilt auch für das Elternhaus:
• Die schulische Situation des Kindes sollte offen und frei von persönlichen Abwertungen im
Kreise der Familie regelmäßig besprochen werden (nicht erst bei schlechten Noten!), und in
solidarischer Unterstützung sollten auch die Meinungen und Vorschläge des Schülers gehört
und anerkannt werden.
• Elterliche Reaktionen auf (positives und negatives) Leistungs- und Schulverhalten des
Schülers müssen eindeutig vorhersehbar und angemessen sein, so dass sie als gerecht
empfunden werden und das gegenseitige Vertrauen nicht zerstört wird.
• Die eigenständige Persönlichkeit des Schülers sollte man achten und wertschätzen. Eltern
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die Schule sehen → auf den Schulhof gehen → in der Schultür einem Lehrer begegnen → vor
der Klassentür stehen → die Klassentür öffnen → in das Klassenzimmer hineingehen → sich
auf den Platz setzen → Unterrichtsbeginn → vom Lehrer angeschaut werden → aufgerufen
werden → zur Tafel gehen usw.). Weiterhin wird der Schüler durch bestimmte Techniken wie
progressive Muskelentspannung oder autogenes Training angeleitet, sich zu lockern und zu
entkrampfen. Diese gelernte Entspannungsreaktion ist mit den Begleitsymptomen von Angst,
d. h. mit psychischer und physischer Verkrampfung, unvereinbar. Im Verlauf der Therapie wird
das Schulkind schrittweise angstauslösenden Situationen ausgesetzt, zuerst in der Vorstellung
und ggf. veranschaulicht durch Bilder oder Photos und später in der Wirklichkeit. So lernt es,
dass aufkeimende Angst mit Entspannung verringert werden kann. Schließlich kann auch die
an der Spitze der Angsthierarchie stehende Situation ohne größere Furcht ertragen werden. Es
empfiehlt sich, parallel dazu den Schüler für neu bewältigte Situationen von Eltern, Lehrern und
Therapeuten positiv zu verstärken. Zusätzlich sollten noch andere Hilfsmittel eingesetzt werden,
wobei besonders ein reales Training zusammen mit weniger ängstlichen Modellpersonen (das
sind die Klassenkameraden) erfolgversprechend ist.
Da schulängstliche Kinder häufig auch unterdurchschnittliche Schulleistungen
zeigen, sollten therapeutische Verfahren durch Maßnahmen zum Erwerb von Arbeits- und
Studiertechniken, auch durch Nachhilfeunterricht ergänzt werden, um Schülern in der Schule
zu häufigeren Erfolgserlebnissen zu verhelfen. In neueren verhaltenstherapeutischen Ansätzen
werden darüber hinaus zusätzlich stärker kognitive Aspekte betont, indem Motivation,
Einstellung und Denkprozesse in die Therapie einbezogen werden. Aufmerksamkeits- und
Selbstbehauptungstrainings können dazu beitragen, das Selbstvertrauen der Schüler zu steigern,
ihnen zur realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zu verhelfen und langfristig eine
Leistungssteigerung zu bewirken.
Im Rahmen personzentierter (= gesprächstherapeutischer) Ansätze kann das Kind in einer
emotional warmen Atmosphäre seine Gefühle und Probleme dem Psychologen mitteilen, fühlt
sich bedingungslos akzeptiert und verstanden und erlebt häufig so erstmals ein angstfreies
Gespräch über seine Probleme. Es wird sich ihrer bewusster und ist aufgeschlossener, sie zu
relativieren und Lösungsstrategien zu entwickeln.
Beim nicht-lenkenden (= nicht-direktiven) spieltherapeutischen Vorgehen steht als
therapeutisches Medium nicht so sehr das — bei jüngeren Kindern weniger angemessene —
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systematische Gespräch, sondern das Spiel im Vordergrund. Hier richtet der Psychologe seine
ganze Aufmerksamkeit auf die Gefühle des Kindes, die sich im Spiel offenbaren. Außer in
wenigen, genau definierten Situationen (z. B. bei gröberen Regelverstößen) verhält er sich nicht-
lenkend (ohne allerdings vollständig gewähren zu lassen) und hilft so dem Schüler, seine Ängste
zu erkennen und sie spielerisch zu verarbeiten, was auch in Gruppensituationen möglich ist.
Nur der Vollständigkeit halber sei auch auf zwei der zahlreichen psychoanalytischen Versuche
hingewiesen. Manche Therapeuten schalten sich direkt in das Spiel ein und deuten seinen
Symbolgehalt, spiegeln die kindlichen Reaktionen und versuchen so, das Unbewusste bewusst zu
machen. Andere wollen die heilenden Kräfte des kindlichen Spiels nutzen, indem sie das Spiel
immer wieder aktiv anregen und vorwärtstreiben. Sie fühlen sich in das Spielgeschehen ein und
geben mit neuen Instruktionen neue Impulse.
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