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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
H. Brost et al. (Hrsg.), Private Banking und Wealth Management, Edition
25
Frankfurt School, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23779-0_2
1 Private Wealth Banking in Deutschland – Potenziale und
Wettbewerber
Ist dieses Kundensegment bei aller Attraktivität der Kunden auch ein profitables Ge-
schäftsfeld für Finanzdienstleister und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Primäres Merkmal der Kundensegmentierung im Private Wealth Banking ist bei der Viel-
zahl der Wettbewerber noch immer das liquide Vermögen der Kunden (Barvermögen,
Wertpapiervermögen und Bankeinlagen), auch wenn eine stärkere Differenzierung der
Kundensegmente nach weiteren Faktoren zunehmend bedeutsamer wird. Hinsichtlich
der Einstiegsgrenzen zeigt ein Marktüberblick ein deutlich heterogenes Bild des Kunden-
segmentes Private Wealth Banking.
Eine Vielzahl der Privat- und Großbanken ordnet Kunden ab einem liquiden Vermögen
von mehr als 500.000 EUR dem Private-Wealth-Banking-Segment zu. Im Volksbanken-
und Sparkassensektor hingegen beginnt die Segmentgrenze des Private-Wealth-Banking-
Angebots oftmals bereits ab 250.000 EUR. Der Trend einer deutlichen Reduzierung der
Einstiegsgrenzen hat sich nach einer zunehmenden Retailisierung des Segmentes in den
letzten Jahren entscheidend umgekehrt, denn ein nachhaltig rentables Private-Wealth-
Banking-Segment mit entsprechendem Dienstleistungs- und Service-Portfolio ist nur für
Kunden, die über ein entsprechendes liquides Vermögen verfügen, dauerhaft darstellbar.
Daher betonen Anbieter wieder stärker die Exklusivität des Segmentes und analysieren
ihren Kundenbestand hinsichtlich der notwendigen Mindesteinstiegsvolumen.
20
2.000
30-50
1.000
30-60
500 ~50
60-80
250
80-100
28
Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Ebenfalls ca. 35% liegen bei Sparkassen, deren Landesbanken und Genossenschafts-
banken, die durch ihre Private-Wealth-Banking-Initiativen und durch die Marktverände-
rungen im Zuge der Finanzmarktkrise an Marktanteilen gewonnen haben.
Auf Family Offices und freie Vermögensverwalter entfallen ca. 6% der AuM im deut-
schen Markt, diese Zielgruppe gewinnt v.a. bei hochvermögenden Privatkunden immer
stärker an Bedeutung.
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
u. v. a. u. v. a.
Marktanteil
24% 35% 35% 6%
nach AuM
Markttrends // Erfolgreicher
Erfolgreicher Markteintritt
Markteintritt und
und -ausbau
-ausbau der
der regionalen
regionalen Anbieter
Anbieter (Sparkassen,
(Sparkassen, DZ
DZ Privatbank)
Privatbank)
// Stärkung
Stärkung ausländischer
ausländischer Anbieter:
Anbieter: HSBC
HSBC Trinkaus
Trinkaus und
und Bethmann
Bethmann Bank
Bank mit
mit Marktanteil
Marktanteil 6%
6% (2010:
(2010: 5%)
5%)
// Weiterhin
Weiterhin hohe
hohe Bedeutung
Bedeutung unabhängiger
unabhängiger (Multi)
(Multi) Family
Family Offices:
Offices: 6%
6% Gesamtmarktanteil
Gesamtmarktanteil
1) Relevant Set zur Marktanteilsbetrachtung in Deutschland besteht aus den genannten Instituten und: Bankhaus Lampe, Bethmann Bank,
Donner & Reuschel, Fürst Fugger Privatbank und Merck, Finck & Co
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Regionale Kundenverteilung
Liquides Haushalts- Anteil am
Vermögen verbünde Gesamtprivat- CAGR
in TEUR in Tsd. kundenmarkt 2011-2015
Wealth
Manage- > 3.000 0,08% 4 bis 6%
ment 30
PWB
Private
Banking 500-3.000 382 1,0% 2 bis 4%
Affluent
Banking 300-500 622 1,6% 4 bis 6%
31
Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
+4% 3,0
200
2,7 2,7 14%
2,6 2,5
14% 2,5 14% 8%
2,3 12%
13% 14%
7% 7% 150
16% 8% 7%
8%
1,8 6% 39%
19% 39% 39%
40% 39% 39% 100
4% 38%
37%
50
35% 34% 35%
34% 34% 34%
35%
34%
5% 5% 5% 6% 6% 6% 6% 6% 0
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
2000 2005 2008 2009 2010 2011 2012e 2015e
Wertpapiere Immobilien Versicherungen Aken Rohstoffe Immobilien
Einlagen Beteiligungen Hedge-Fonds Anleihen
1) Referenzindizes: Aktien: MSCI WORLD, Rohstoffe: S&P GSCI Commodity Spot, Immobilien: MSCI ACWI REAL ESTATE, Hedgefonds: HFRX GLOBAL
HEDGE FUND, Anleihen: JPM GLOBAL GOVT BOND
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Gesamtvermögensstruktur
Vermögensallokation nach
Asset-Klassen Gesamtvermögen in Mio. EUR
Quelle: zeb/research
Der Vergleich der Asset Allocation zeigt verschiedene Implikationen für das Beratungs-
modell der einzelnen Anbieter: So sollte z.B. das Beratungsangebot der Tatsache Rech-
nung tragen, dass die relative Bedeutung des liquiden Vermögens mit wachsendem Ge-
samtvermögen signifikant abnimmt – ganzheitliche Beratung in allen Asset-Klassen wird
zunehmend zum Erfolgsfaktor der Potenzialerschließung.
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Das Ertragspotenzial von 8,9 Mrd. EUR in 2011 verteilt sich zu 6,4 Mrd. EUR auf das
Private-Banking-Segment (500.000 EUR bis 3 Mio. EUR liquides Vermögen) sowie zu
2,5 Mrd. EUR auf das Wealth-Management-Segment (ab 3 Mio. EUR). Bezogen auf den
einzelnen Haushaltsverbund (oftmals bestehend aus mehreren Kunden) stellt dies ein
Ertragspotenzial von ca. 17.000 EUR im Private Banking und ca. 84.000 EUR im Wealth
Management dar.
Split nach Segmenten (in Mrd. EUR) Split nach Bedarfsfeldern (in Mrd. EUR)
X% Werte 2011
(X%) Werte 2008
Ergänzend ist die Aufteilung dieses Potenzials auf die einzelnen Bedarfsfelder der Kun-
den zu betrachten. Es zeigt sich ein deutlicher Unterschied des Ertragspotenzials über die
einzelnen Kundengruppen, wie Abbildung 7 veranschaulicht.
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Wealth
Wealth Management
Management Private
Private Banking
Banking
84 Gesamtertragspotenzial 16,8
(100%) pro Haushalt (100%)
36 8,0
-7% Vermögensanlage -7%
(42%) (48%)
Quelle: zeb/research
Entgegen der marktüblichen Fokussierung auf die Vermögensanlage als zentrale Ertrags-
quelle zeigt sich eine deutliche Verteilung der Erträge über die verschiedenen Bedarfe von
der Vermögensanlage über Vorsorge und Finanzierung bis hin zu sonstigen Erträgen, wie
z.B. Stiftungen, Beteiligungen oder Transaktionsmanagement. Im Wealth Management
ist diese Streuung der Erträge noch stärker als im Private Banking: Der Anteil der klassi-
schen Vermögensanlage reduziert sich von 49% auf 42%, wohingegen sich der Anteil aus
Finanzierungen und Immobilien von 33% auf 35% erhöht. Dieser Trend spiegelt sich
analog in der Entwicklung der Gesamtvermögensstruktur mit zunehmenden Vermögen
wider, wie in Abbildung 5 dargestellt.
Zentral für die Schrumpfung des Marktpotenzials im Segment Vermögensanlage ist neben
dem beschriebenen Rückgang der AuM die Verminderung der Margen im Geschäftsfeld.
Bedingt durch Verlusterfahrungen im Rahmen der Finanzmarktkrise sowie verloren
gegangenes Vertrauen in ihre Berater verlagern vermögende Privatpersonen verstärkt
Volumen in risikoärmere und damit einhergehend margenschwächere Produktkatego-
rien. So hat sich der Anteil von Geldmarktpapieren, Tagesgeldern und festverzinslichen
Wertpapieren an der Gesamt-Asset-Allocation gegenüber 2007 um insgesamt 11% erhöht.
Darüber hinaus bestätigen Umfragen, dass die Transaktionshäufigkeit in den einzelnen
Portfolios signifikant zurückgegangen ist. In Summe ist dies ein hoher negativer Preis-
effekt, der zum Absinken des Marktertragspotenzials geführt hat.
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Wie beschrieben, nimmt mit wachsendem liquidem Vermögen die Komplexität der
Gesamtvermögenssituation deutlich zu. Die Herausforderung für die einzelnen Anbieter
im Private Wealth Banking besteht darin, ein Beratungsangebot für den Kunden zu
schaffen, das die Ganzheitlichkeit seiner Asset Allocation abdeckt und gleichzeitig der
Bank neue Ertragspotenziale eröffnet. Gerade die zusätzlichen Ertragsquellen wie Finan-
zierung, Immobilienmanagement oder auch Vorsorgefragen sind nicht nur im Sinne hoher
Ertragspotenziale attraktiv, sondern ermöglichen es auch, sich unabhängiger von der jewei-
ligen Finanzmarktsituation zu machen als dies im reinen Asset Management der Fall ist.
Denn auch wenn der Risikoappetit der Anleger auf mittlere Sicht wieder zunimmt, wird
es nicht zuletzt durch den intensiven Wettbewerb und die verstärkten Verbraucherschutz-
auflagen schwierig sein, margenstarke Produkte oder hohe Transaktionshäufigkeiten in
der Breite der Kundschaft durchzusetzen. Neue Ertragsquellen und eine Forcierung des
Geschäfts auf Bereiche mit Recurring-Erträgen sind zwingend erforderlich, soll das
Geschäftsfeld nachhaltig rentabel bleiben.
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Damit wird die besondere Bedeutung dieser Asset-Klasse für Unternehmer z.B. durch
die starke ökonomische Abhängigkeit vom Wohl des Unternehmens deutlich. Bera-
tungs- und Betreuungsangebote sollten auf damit verbundene besondere Fragestellungen
Antworten geben können, wie bspw. Liquiditätsplanung zwischen unternehmerischer
und privater Sphäre, Beachtung familiärer Beziehungsgeflechte sowie für Unternehmer
in unterschiedlichen privaten wie unternehmerischen Lebenszyklussituationen (Grün-
dung/Wachstum/Übergabe vs. Vermögensaufbau/Vermögenssicherung/Vermögensüber-
tragung).
Am Markt sind einige gute Ansätze bei der Beratung von Unternehmern zu beobachten.
Trotzdem ist branchenübergreifend aktuell zu konstatieren, dass ein tiefgreifendes Ver-
ständnis der Bedürfnisstruktur von Unternehmern im Wechselspiel zwischen Firmen-
und Privatvermögen noch zu entwickeln ist. Bisher umgesetzte Ansätze zielen eher auf
selektive Beratungsthemen ab. Eine ganzheitliche Betrachtung entlang des Lebenszyklus
des Unternehmers und seines Unternehmens ist marktübergreifend nur selten vorzufinden.
Für den Aufbau eines Angebotes zur Betreuung von Unternehmern sind neben der
bereits aufgeworfenen Fragestellung einer klaren Nutzenargumentation gegenüber den
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Zielkunden aus Sicht von zeb/ fünf weitere Herausforderungen zu erörtern, deren Aus-
gestaltung erfolgskritisch ist.
1. Systematisches Erkennen von Zielkundenpotenzialen:
• Zur systematischen Erkennung von Zielkundenpotenzialen sind die Segmentie-
rungskriterien im Private Wealth Banking um weitere Kriterien zu ergänzen, die
speziell auf die Unternehmereigenschaft ausgerichtet sind.
• Um bei bestehenden Kunden Potenziale zu identifizieren, ist neben der Etablierung
gemeinsamer Portfolio-Gespräche zwischen Firmenkunden- und Private-Wealth-
Banking-Beratern zur systematischen Potenzialanalyse und Zielkundenplanung
ein laufender Informationsaustausch erforderlich.
• Darüber hinaus muss ein systematischer Akquisitionsprozess zur Gewinnung von
Neukunden am Markt etabliert werden, wofür unterschiedliche Ansätze zur Ver-
fügung stehen.
2. Implementierung von Beratungsmodellen zur sphärenübergreifenden Beratung:
• Beratungsmodelle für eine Unternehmerberatung müssen sämtliche Vermögens-
positionen sowohl privater als auch unternehmerischer Natur berücksichtigen.
• Ziel der Beratungsmodelle ist die Erstellung der Unternehmerstrategie aus Unter-
nehmens-, Familien-, persönlicher und Vermögensstrategie des Zielkunden.
• Die Beratungsmodelle müssen neben einer gesamthaften Vermögensbilanz die Wech-
selwirkungen zwischen Privat- und Unternehmensvermögen aufzeigen und die
Handlungsfelder entlang des Lebenszyklus des Unternehmers und des Unterneh-
mens darstellen, was ein entsprechendes Produkt- und Leistungsangebot erfordert.
Geschäftliche
Geschäftliche Bilanz
Bilanz Schnittmenge
Schnittmenge Private
Private Bilanz
Bilanz
Anlagevermögen
Anlagevermögen Eigenkapital
Eigenkapital Marktwert
Marktwert der
der Nettovermögen
Nettovermögen
// Betriebsimmobilien
Betriebsimmobilien Unternehmens-
Unternehmens-
// Kapitalmarkt-
Kapitalmarkt- anteile
anteile
risiken
risiken
// Gesellschafterdarlehen
Gesellschafterdarlehen
// Zinsrisiken
Zinsrisiken Mezzanine-Kapital/ Private
Mezzanine-Kapital/ Private Immobilie(n)
Immobilie(n) Diverse
Diverse Vorsorge-
Vorsorge-
// Sachrisiken
Sachrisiken Gesellschafter-
Gesellschafter- verpflichtungen
verpflichtungen
darlehen // Pensionsrückstellungen
Pensionsrückstellungen
darlehen
Umlaufvermögen
Umlaufvermögen Rückstellungen
Rückstellungen // Rücklagen
Rücklagen vs.
vs. Entnahmen/
Entnahmen/ Sonstige
Sonstige Immobilien,
Immobilien,
Kapitalanlagen,
Immobilien,
// Forderungs-
Forderungs- // z.B.
z.B. vAV
vAV Dividenden
Dividenden Kapitalanlagen,
Versicherungen
Kapitalanlagen, Private
Private Verbindlich-
Verbindlich-
risiken
risiken Versicherungen
Versicherungen keiten
keiten
// Rohstoffpreis-
Rohstoffpreis- Verbindlichkeiten // Eigenkapital
Eigenkapital Liquidität
Verbindlichkeiten Liquidität
risiken
risiken //Privatkredite
/Privatkredite
Privatkredite
// Währungsrisiken
Währungsrisiken // Firmenkredite
Firmenkredite
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
An dieser Stelle greift das Angebot der Spitzeninstitute wie DZ Privatbank oder Deka-
Bank im Private Banking. Das Leistungsversprechen zielt auf ein subsidiäres Betreuungs-
angebot für Volksbanken und Sparkassen sowie deren direkte Endkunden ab und ermög-
licht dabei den risikoarmen Aufbau eines attraktiven Private-Banking-Angebotes vor
Ort – mit eigenständiger Proposition, jedoch mit einem starken Partner als Unterstüt-
zung.
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Für die Sparkassen und Volksbanken besteht so die Möglichkeit, ein hochwertiges Pro-
duktangebot über einen qualitativ hochwertigen Beratungsprozess anzubieten, ohne
dabei selbst über die notwendige kritische Masse, z.B. für die Entwicklung einer eigenen
Vermögensverwaltung oder einer komplexen Anlageproduktpalette, verfügen zu müssen
und ohne dabei selbst eine regionale Private-Banking-Marke aufbauen zu müssen.
Die Anlageberatung im Private Wealth Banking wird massiv durch sich verschärfende
regulatorische Anforderungen beeinflusst. Neben Transparenz- und Organisationspflich-
ten, Informationspflichten, Dokumentationspflichten, Eignungs- und Angemessenheits-
test für Kunden sehen sich auch die Anlageberater mit umfangreichen neuen Anforde-
rungen konfrontiert. Neben den negativen Implikationen auf die Ertrags- und Kostenbasis
durch die Erhöhung der Transparenzanforderungen sowie des notwendigen Dokumen-
tations- und Schulungsumfangs werden die Banken über die Regulierung stärker in Haf-
tung genommen (z.B. Beratungsfehler) – mit entsprechendem Impact auf die Reputation
als Private-Banking-Anbieter.
Die Regulierung hat mit Einführung von MiFID II (Markets in Financial Instruments
Directive) einen neuen Charakter erhalten; die Implikationen bedeuten für die Institute
einen direkten Eingriff in das Geschäftsmodell im Wertpapierbereich.
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Quelle: zeb/
Durch die Forcierung der Transparenz- und Organisationspflichten sind Banken auf-
gefordert, Zuwendungen Dritter offenzulegen und den Kunden über die in der Beratung
zugrunde gelegten Produkt-Portfolios zu informieren. Damit sollen aus Sicht des Regu-
lators interessenskonfliktfreie Vorgaben für die Berater in den Häusern möglich sein.
Aus Sicht des Kunden führt dies zu einer deutlich umfangreicheren Information über das
Produkt-Portfolio der Häuser sowie der zugrunde liegenden Gebühren. Die einheitliche
Bereitstellung von Produktinformationsblättern zu jedem zum Kauf empfohlenen Finanz-
instrument sowie die Vorgabe der formalen und inhaltlichen Gestaltung der Informa-
tionsblätter erleichtern dem Kunden die ausführliche und detaillierte Information über
das durch den Private-Banking-Anbieter präsentierte Produkt-Portfolio, führen aus
Sicht der Banken jedoch zu deutlich erhöhten Aufwendungen in der Produktion des
Angebots-Portfolios.
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Institutssicht bietet sich hier neben einem Ansatzpunkt zur Diversifizierung vom Wett-
bewerb durch qualitativ hochwertige Beratungsprozesse ein Ansatz, die Risiken aus
Falschberatungen der Zielkunden durch korrekte Einstufung der Kunden und durch eine
umfassende Analyse der Kunden zu reduzieren.
Durch die Einführung der Protokollierungspflicht jedes Kundengesprächs und die um-
fassenden inhaltlichen Anforderungen an das Beratungsprotokoll wird aus Kundensicht
die Nachvollziehbarkeit des Beratungsgesprächs und dessen Inhalte nachhaltig gestei-
gert; sie führt aus Banksicht jedoch zu erheblichem zeitlichen Mehraufwand für die Kun-
denberater.
Die umfangreichen Anforderungen, mit denen die Kundenberater hinsichtlich ihrer per-
sönlichen und fachlichen Kompetenzanforderungen konfrontiert sind, erhöhen zusätz-
lich das Ambitionsniveau zur Erfüllung der Rolle als Relationship Manager im Private
Banking. Mit der Registrierungspflicht aller Vertriebsmitarbeiter bei der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sowie der Meldepflicht von Kundenbeschwer-
den erhält der Kunde zwar einerseits mehr Durchschlagskraft bei Beschwerden, aus
Banksicht führen dieser Prozess und die Erfüllungserfordernis der Anforderungsfaktoren
andererseits zu einem deutlichen administrativen Mehraufwand. Banken sind gefordert,
mit klaren Rollen- und Anforderungsprofilen und hinterlegten Kompetenzentwick-
lungsplänen ihre Mitarbeiter laufend weiterzuentwickeln und die notwendigen Anforde-
rungen der Aufsicht entsprechend zu erfüllen.
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Perspektive
Compliance Detaillierte
Detaillierte Hohe
Hohe Hürden
Hürden für
für Hohe
Hohe Sicherheit
Sicherheit Unterschrift
Unterschrift des
des // Hohe
Hohe Detaillierte
Detaillierte und
und
Aufnahme
Aufnahme „Schlupfloch“
„Schlupfloch“ und
und dadurch
dadurch Beraters
Beraters auf
auf dem
dem Individualität
Individualität individuelle
individuelle
finanzielle
finanzielle intensive,
intensive, Beratungs-
Beratungs- bei
bei Produkt-
Produkt- Dokumentation
Dokumentation
//Beratungs-
Beratungs-
Situation
Situation papierhafte
papierhafte protokoll
protokoll auswahl
auswahl der
der Beratung
Beratung
freiesGeschäft
freies Geschäft
Information
Information (Bsp.
(Bsp. // Angemessen-
Angemessen-
//Execution
Execution Only
Only des
des Kunden:
Kunden: Deutschland,
Deutschland, heit
heit
-- Aufklärung
Aufklärung für
für Österreich
Österreich
-- Kosten
Kosten // Geeignetheit
Geeignetheit
wünschenswert)
wünschenswert)
-- PIB,
PIB, KID
KID
-- etc.
etc.
Perspektive
Vertrieb // Grobe
Grobe Vermeiden
Vermeiden // Starke
Starke Unterschrift
Unterschrift des
des Vorgedachte
Vorgedachte Nutzung
Nutzung von
von
Aufnahme
Aufnahme von
von unnötigen
unnötigen Reduktion
Reduktion der
der Kunden
Kunden aufauf dem
dem Produkt-
Produkt- Textbausteinen
Textbausteinen
Einnahmen-/
Einnahmen-/ Hürden
Hürden papierhaften
papierhaften Beratungs-
Beratungs- lösungen
lösungen
Ausgaben-
Ausgaben- Information
Information protokoll
protokoll
überschuss
überschuss // Suche
Suche nach
nach
// Grobe
Grobe elektronischen
elektronischen
Aufnahme
Aufnahme Alternativen
Alternativen
Vormögens-
Vormögens-
überschuss
überschuss
Die operative Umsetzung im Beratungsprozess erfordert den Spagat zwischen einer IT-
basierten Unterstützung des Beratungsprozesses und der gleichzeitig kundenindividuel-
len Umsetzung der Beratung – ohne dem Kunden das Gefühl zu vermitteln, bei der
Beratung technisch gestützt in ein Raster gepresst zu werden. Dabei sollte die Unterstüt-
zung in allen Schritten des Beratungsprozesses erfolgen, von der Kundenansprache über
eine systematische Analyse bis hin zur Generierung des kundenindividuellen Anlage-
konzeptes und des Abschlusses.
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
// Unsicherheiten
Unsicherheiten bei
bei der
der // Online-Tool
Online-Tool und
und nicht
nicht // Auswahl
AuswahlProdukt-
Produkt- // Doppeleingaben
Doppeleingaben
Begründung
Begründung desdes der
der Berater
Berater bestimmt
bestimmt vorschläge
vorschlägedes
desTools bei
bei Nutzung
Nutzung Folge-
Folge-
Tool-Tinsatzes
Tool-Tinsatzes ggü.
ggü. den
den Ablauf
Ablauf des
des sind nicht
Tools sindnachvoll-
nicht anwendungen
anwendungen
dem
dem Kunden
Kunden Gesprächs
Gesprächs ziehbar (Kunden +
nachvoll-ziehbar
Berater) // Folgeanwendungen
Folgeanwendungen
Typische // Angst (Kunden + Berater)
Angst vor
vor Image-
Image- // Starke
Starke Verhör-
Verhör- mit
mit eigenen
eigenen Bedarfs-
Bedarfs-
Heraus- verlust
verlust situation
situation für
für den
den // Berater
Beraterkann
kanndiesbe-
dies- erhebungsfunktionen
erhebungsfunktione
forderungen Kunden
Kunden bezügliche
zügliche Rück-
Rückfragen n
/ Unterschiedliche
fragen
nicht nicht
beantworten
/ Begriffsdefinitionen
Unterschiedliche
beantworten
(z. B.: LHK etc.)
Begriffsdefinitionen
/ Angst vor Kompetenz-
/ Angst vor (z. B.: LHK etc.)
/ etc.
verlust
Kompetenz-
// „Drehbuch“
„Drehbuch“ fürfür den
den // Intuitive
Intuitive Bedien-
Bedien- // Zweistufiger
Zweistufiger Aus-
Aus- // Programmierung
Programmierung von
von
Gesprächseinstieg
Gesprächseinstieg barkeit
barkeit des
des Tools
Tools wertungsprozess
wertungsprozess Schnittstellen
Schnittstellen
in
in das
das Online-Tool
Online-Tool // Intelligente
Intelligente // Grafische
Grafische Unter-
Unter- // Angleichen
Angleichen von
von
// Startseite
Startseite im
im Tool
Tool Gestaltung
Gestaltung der
der stützungen
stützungen Begriffen
Begriffen
Bewährte mit
mit guten
guten Nutzen-
Nutzen- Eingabefelder
Eingabefelder // Interessenwecker
Interessenwecker als
als // Integration
Integration von
von
argumenten
argumenten für für den
den um
um Eingabezeiten
Eingabezeiten
Lösungsansätze Kunden stark
Verstärker
Verstärker Folgeanwendungen
Folgeanwendungen inin
Kunden stark zu
zu verkürzen
verkürzen das
// Individuell das Beratungs-Tool
Beratungs-Tool
// „Drehbuch“ Individuell auswähl-
auswähl-
„Drehbuch“ für
für den
den und
Analyseteil und ausdruckbare
ausdruckbare // etc.
etc.
Analyseteil Hintergrundinfos
Hintergrundinfos
Gerade bei sehr vermögenden Privatkunden müssen sich die Banken im Rahmen des
Beratungsprozesses der Herausforderung stellen, dass die Kunden ihre Vermögenswerte
nicht aktiv distribuieren wollen, sondern vielmehr die Assets bei ihrer Kernbank belassen
und über die Vergabe von externen Mandaten einzelne Vermögensbestandteile durch
unterschiedliche und über einen dezidierten Due-Dilligence-Prozess ausgewählte Anbie-
ter managen lassen. Auch für dieses hochattraktive Geschäftsfeld müssen die Banken die
notwendige Infrastruktur sowie die erforderlichen regulatorischen Prozesse zur Ver-
fügung stellen.
Neben den nationalen Initiativen im Bereich Regulatorik sehen sich gerade Anbieter mit
internationalem Kunden-Portfolio oder auch internationalen Standorten mit internatio-
nalen regulatorischen Auflagen konfrontiert, die ihr Private-Banking-Geschäft nachhal-
tig erschweren (v.a. Fragen bzgl. der Lockerung des Bankgeheimnisses oder der Diskus-
sion bzgl. der Repatriierung von internationalem Vermögen sowie die FATCA-Regelung
(Foreign Account Tax Compliance Act)). Diese Prozesse führen bei den Häusern zu
einer stärkeren Fokussierung auf Onshore-Geschäft. Alternativ wird verstärkt Geschäft
mit Ländern in niedrigen Risikokategorien im Sinne von Reputational Risk getätigt, in
Summe werden die Anforderungen an die Anti-Money-Laundry- und Compliance-Pro-
zesse der Häuser deutlich erhöht. Die Repatriierung bisher nicht deklarierten Vermögens
und die aktive Begleitung der Kunden durch den Prozess der Legalisierung der Vermö-
genswerte ist ein Prozess, dem sich aktuell eine Vielzahl von Anbietern im Private-Ban-
king-Markt aktiv stellt. Die Ansprache der Kunden und die professionelle Begleitung
durch die Selbstanzeige zur Legalisierung der Vermögenswerte auch bei den übrigen
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Instituten des Kunden betrachten die Anbieter dabei – neben dem steuerlich indizierten
Vermögensabfluss – als aktive Chance, die Vertrauensposition gegenüber dem Kunden
auszubauen und damit Neugelder des Kunden bei anderen Häusern zu gewinnen.
Vertrauen der Kunden gegenüber Banken wurde bereits immer diskutiert, aber durch die
Finanzmarktkrise wurde Grundsätzliches, wie die Sicherheit von Spareinlagen bei Ban-
ken und Anleihen von Eurostaaten, in Frage gestellt. Bekannt gewordene Betrugsfälle
durch Schneeballsysteme und die anhaltenden Diskussionen um Gehälter bei Banken
taten ihr Übriges zum weiteren Verlust von Kundenvertrauen und zur Erzeugung von
Unsicherheit auf Kundenseite.
Die Kundenanforderungen und Erwartungen haben sich in den vergangenen Jahren ver-
ändert, insbesondere hinsichtlich
• der Sicherheit und des Vermögenserhalts – die Risikoaversion ist gestiegen und der
Inflationsausgleich wurde zum Renditemaßstab;
• transparenter und nachvollziehbarer Beratung – auf emotionaler Ebene sind „Kunden-
bedürfnisse verstehen“ und „Vertrauen“ die wichtigsten positiven Treiber der Kun-
denbindung;
• aktiver und umfassender Betreuung v.a. in negativen Marktphasen;
• der Kundenbetreuung – „Kopf und Herz“ der Zielkunden müssen gleichzeitig er-
reicht werden;
• der Unabhängigkeit des Beraters – sie unterstreicht die Vertrauenswürdigkeit aus
Kundensicht. Aktuell ist v.a. bei unabhängigen Beratern im Markt ein Kundenzulauf
zu beobachten. Der Erfolg einerseits von Beratern, die keine eigenen Produkte ver-
kaufen, sowie andererseits der bezahlten Beratung ohne jede Vermögensverwaltungs-
und Verkaufstätigkeit sind zwei Folgen des Vertrauensverlustes der Banken im Bera-
tungssektor.
Diese Kundenerwartungen werden heute in der Praxis nur bedingt erfüllt: Typische Kri-
tikpunkte sind:
• mangelnde Beratungskompetenz hinsichtlich Gesamtkonzept und Anlagevorschlag;
• fehlende Neutralität des Beraters – Groß- und Privatbanken können im Vergleich zu
unabhängigen Vermögensverwaltern Neutralität nur bedingt gewähren, hier verkehrt
sich der Cross-Selling-Gedanke ins Gegenteil und der Nutzen wird zweifelhaft;
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Neben den sich durch die Krise eher kurzfristig verändernden Kundenanforderungen
wandelt sich das Kundenverhalten durch die zunehmende Digitalisierung. Die Wucht,
mit der die Digitalisierung die Bankenwelt erreicht, wird deutlich am Markteintritt von
neuen, bisher branchenfremden Wettbewerbern, die teilweise mit großem Erfolg Teile
des Kerngeschäfts von Banken übernehmen. PayPal verzeichnet bspw. große Erfolge bei
der Gewinnung von Marktanteilen im Zahlungsverkehr.
Wenn Banken auch künftig die tatsächlichen Bedürfnisse ihrer Kunden adressieren, den
direkten Kundenkontakt nicht verlieren und neuen Wettbewerbern den Markteintritt er-
schweren wollen, müssen sie die neuen technischen Möglichkeiten zügig in ihr Produkt-
angebot und ihren Beratungsprozess integrieren. Dies betrifft insbesondere den Vertrieb,
aber auch die gesamte IT einer Bank. Der Kunde entscheidet künftig individuell darüber,
wann und über welchen Kanal er mit der Bank in Kontakt tritt. Haben Private-Wealth-
Banking-Kunden Rückfragen zu Internet- oder Mobile-Banking-Angeboten, möchten
sie künftig auch in diesen Fällen direkt mit ihrem Berater sprechen. Idealerweise kann der
Berater technisch unterstützt die Rückfrage seines Kunden nachvollziehen und somit
zielgerichtet aufgreifen. Über interaktive Medien werden die Berater mit ihren Kunden
in Kontakt treten und den Kunden, z. B. direkt online über seinen Tablet-Computer,
bzgl. seiner Gesamtvermögensstruktur oder einzelnen Investments beraten können.
Individuelle Reports, z.B. zur Vermögensentwicklung oder Detailanalysen zu einzelnen
Asset-Klassen oder Einzelinvestments, können die Private-Wealth-Banking-Kunden über
ihr mobiles Endgerät, z.B. über eine App, abrufen. Die Dynamik der Digitalisierung
wird bis 2020 hoch bleiben, zentrale Treiber hierfür sind:
• anhaltend dynamische technologische Entwicklungen – Rechnerleistungen und Über-
tragungskapazitäten vervielfachen sich, Benutzeroberflächen werden einfach und in-
tuitiv zu bedienen;
• hohe Internetpenetration in der Gesamtbevölkerung – die Generation 60+ erobert das
Internet und lässt die Internetpenetration auf über 90% steigen, die Nutzungsdauer
steigt auf über 105 Minuten pro Tag und die e-Commerce-Bereitschaft erhöht sich auf
ca. 80% in der Gesamtbevölkerung;
47
Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Die Verbreitung von mobilen Endgeräten führt dazu, dass der Kunde überall und jeder-
zeit Bankdienstleistungen wahrnehmen kann. Beispielsweise werden Überweisungen
nicht mehr am Multifunktionsterminal oder heimischen Rechner, sondern unterwegs ge-
tätigt. Teilweise verschwinden Bankleistungen auch aus der Wahrnehmung des Kunden,
wenn z.B. das Taxi per App gefunden, gerufen und bezahlt wird. Schon heute ist es für
Banken eine Herausforderung, mit ihren Kunden in Kontakt zu treten. Künftig wird aus
Kundensicht die Notwendigkeit, mit ihrer Bank in direkten persönlichen Kontakt zu tre-
ten, weiter abnehmen; gerade im Private Wealth Banking wird daher die Anforderung,
dem Kunden alternative Zugangswege zu seinem Berater zu ermöglichen, elementarer
Bestandteil der künftigen Betreuungspräposition sein. Immer mehr Kunden informieren
sich im Internet, auch in Interaktion mit anderen Interessierten, über Bankleistungen,
bevor sie das Beratungsgespräch suchen. Dies führt zu immer mehr besser informierten
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Kunden und damit einhergehend höheren Ansprüchen an die Berater. Zwar steigt der
Anteil der Produktkäufe im Internet, aber viele Kunden wollen nicht auf das persönliche
Beratungsgespräch vor einer Entscheidung verzichten. Dies zeigt, dass der RoPo-Effekt
(Research online, Purchase offline) auch bei Finanzthemen existiert. Heute informieren
sich knapp 50% der Kunden online, bevor sie offline einen Abschluss tätigen.
Gerade in einer digitalen Welt gewinnen die Marke oder das Image an Bedeutung. Die
Marke einer Bank schafft Differenzierung und ist ein sehr wichtiger Loyalitätsfaktor, da
sich nur in einer Marke Vertrauen verankern lässt. Gerade im Zuge der Finanzmarktkrise,
in der viele Kunden ihr Vertrauen in Banken verloren haben, gewinnt der Aufbau bzw.
der Erhalt einer positiv aufgeladenen Marke an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist
gerade im Private-Wealth-Management-Markt eine starke Marke, idealerweise mit His-
torie, ein Kernerfolgsfaktor.
ein breites …
Produktangebot! ~74% 2012
5 / Geld anlegen
/ Geld ausgeben/übertragen ~75% 2004
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Katrin Lumma/Wolfgang Knoke/Ilmhart-Wolfram Kühn
Betrachtet man die Reaktionen deutscher Banken auf den Trend der Digitalisierung, so
sind aktuell echte innovative Anpassungsmaßnahmen nicht klar erkennbar bzw. noch
nicht umgesetzt. Aktuelle Initiativen fokussieren sich auf die Optimierung des Online-
Auftritts, die partielle Integration von Online- und Offline-Vertriebskanälen sowie den
Aufbau von Mobile-Banking-Angeboten.
Eine Marktstudie zum Social Banking in Deutschland, die zeb/ in Zusammenarbeit mit
der Alanus Hochschule (Alfter) und puls Marktforschung durchgeführt hat, ergab fol-
gende zentrale Ergebnisse:
• Zwar ist der Anteil sozial-ökologischer Banken im deutschen Privatkundenmarkt mit
0,2% noch sehr klein, jedoch gehören sie mit einem jährlichen Wachstum von 20-30%
des Kredit- und Einlagevolumens von 2006-2011 zu den am stärksten wachsenden
Bankengruppen.
• Affin für ein sozial-ökologisches Bankangebot sind über 16 Mio. Menschen, die mehr-
heitlich hochgebildet und einkommensstark sind.
• Die sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Verwendung ihrer Spargelder
verschafft ihnen eine soziale Rendite, die in ihrer Wertigkeit dem bisher üblichen
Bewertungsmaßstab, der Verzinsung ihres Guthabens, nahe kommt.
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Die vielschichtigen Trends, regulatorischen Einflüsse und die Veränderung der Kunden-
anforderungen führen zu deutlich geänderten Anforderungen an den Berater im Private-
Banking-Markt. Für den künftig erfolgreich im Markt positionierten Relationship Mana-
ger wird es unerlässlich sein, in allen Punkten front runner zu bleiben und die geänderten
Kundenerwartungen und Zielsetzungen zu antizipieren. Es wird deutlich, dass der Bera-
ter als Finanz-Coach des Kunden eine besondere Rolle im Leben des Kunden spielen
muss. Darüber hinaus muss er die Gesamtvermögenssituation des Kunden kennen.
Dies ist eine Holschuld des Beraters. Dieser Weg kann – gerade nach den bankmäßigen
Verwerfungen der letzten Jahre – nur über einen mehrjährigen Vertrauensaufbau gesche-
hen. Dazu gehören auch Gespräche über bankfremde Themen wie Reisen, Sport oder die
Hochzeit der Tochter des Kunden; es wird weniger um den entscheidenden Aktientipp
gehen. Es gilt, langsam und behutsam eine vertrauensvolle Partnerschaft zum Kunden
aufzubauen. In der Sphäre des Kunden ist der Ansprechpartner der Bank in einer ähnlich
gewichtigen Position wie der Anwalt oder Steuerberater – nur eben in allen Finanzfragen.
Die Beratereigenschaft der fachlichen Integrität ist für den Vermögensinhaber im Private
Wealth Banking eine Selbstverständlichkeit. Dies gilt für ein leistungsfähiges Gesamt-
servicepaket genauso wie für Online-Zugangskanäle im Private Wealth Banking auf allen
Endgeräten. Dieses allein erzeugt also nicht den Mehrwert. Interaktion zwischen zwei
Menschen funktioniert nur, wenn sie auf Augenhöhe miteinander reden und sich dabei
auch verstehen. In Zeiten von Tablet-Computer und Internet hat sich dies nicht geän-
dert. Häufig ist bei Beratern vor lauter Zielstrebigkeit das Zwischenmenschliche zu kurz
gekommen. Der Kunde will nicht nur als spezifischer Lösungsnachfrager, sondern in
seiner ganzheitlichen finanziellen Lebenssituation verstanden werden. Dies bedeutet z.B.
für einen Kunden unter 45 Jahren, der schon zu Lebzeiten Vermögensübertragungen der
Eltern oder Großeltern erhalten hat, etwas deutlich anderes als für den 70-jährigen Kun-
den, der über eine Übertragung nachdenkt. Das ist bereits ein Ergebnis der Bemühungen,
Mehrwerte für Vermögen im Rahmen der ganzheitlichen Vermögensnachfolge zu bieten,
damit die Erbengeneration langfristig an das Haus zu binden und eine Basis für mittel-
fristige Cross-Selling-Ansätze zu legen.
Aber versteht der Berater Lebensrhythmen und relevante Themen dieser Klientel? Weiß
er, wie diese zu thematisieren sind? Ist der Bankansprechpartner für solche plötzlichen
Vermögenszuwächse in seiner Kommunikation vorbereitet? Wird er die richtigen Fragen
an einen Menschen in einer für ihn vollkommen neuen Lebenssituation stellen können?
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Berater der alten Schule verfügen zweifelsohne über tiefe Expertise, bspw. in der Anlage-
beratung. Sie haben aber oft kein internes oder externes Netzwerk zu anderen fachlichen
Themen. Für einen Berater, der noch länger in diesem Umfeld arbeiten möchte, wird es
zwingend erforderlich sein, über ein fachliches Netzwerk anderer Disziplinen sowie eine
gewisse Neugier für das Kundenleben mit Inhalten jenseits der Finanzwelt zu verfügen.
Nur damit können langfristig andere Finanzthemen erobert werden.
Bisher Neu
/ Gewinnende / Ausbildung
Persönlichkeit
/ Qualifizierung/
/ Diskretion Zertifizierung
/ Beratungswissen/ / Anpassung
prozess Advisory-/Client-
Coverage-Modell
/ Tiefes Investment-
(Spezialisten)
Know-how
/ Ggf. Trennung in
/ Fundiertes Wissen über
Farmer vs. Hunter
steuerliche/rechtliche
Rahmenbedingungen / Fokussierung auf
wenige Zielmärkte
/ Teamplayer (mit
und Kunden-
Spezialisten)
segmente (Wissen)
/ Unternehmerische
/ Etablierung
Kompetenz
Führungs-
/ Soziale Kompetenz ( ) kompetenz
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Private Banking in Deutschland – Status quo, Entwicklungen und Perspektiven
Auf der Kundenseite ist für die Zukunft nur mit einer langsamen Rückkehr des Ver-
trauens zu rechnen. Es gilt für die Banken, neben der klassischen Vermögensanlage, den
Kunden künftig transparent, ganzheitlich und nachhaltig zu beraten, um sich von den
Wettbewerbern zu differenzieren und die sich bietenden Ertragspotenziale auszuschöp-
fen. Nur so können die angestrebten Renditeziele erreicht werden.
Ganzheitlichkeit gilt insbesondere für die umfassende Beratung der Kunden in allen
Asset-Klassen, denn gerade die Wechselwirkung des Privatvermögens mit dem oftmals
unternehmerisch geprägten Hintergrund der Vermögensinhaber sowie der hohe Anteil
an Immobilienvermögen sollten künftig ebenfalls zentrale Punkte in der Beratung dar-
stellen.
Des Weiteren sind die Banken gefordert, sich aktiv um die Erbengeneration der vermö-
genden Privatkunden zu kümmern, denn wie die Altersstruktur verdeutlicht, werden in
den kommenden Jahren Vermögenswerte in hohem Volumen an die nachfolgende Gene-
ration weitergegeben.
Die beschriebene Entwicklung zeigt: Das strategische Fenster im Private Wealth Banking
ist noch immer geöffnet – es bleibt abzuwarten, welche Institute die aktuellen Heraus-
forderungen als Gewinner meistern.
Literatur
Datamonitor, Wealth Management in Germany 2010.
zeb/-Private-Wealth-Banking-Studie 201.
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