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Vorwort
Das Seminar „Deutsche Literatur 1“ soll vietnamesische Germanistik-Studierende im dritten
Jahr des Bachelorstudiums an der ULIS – VNU Hanoi für die Besonderheiten literarischer Texte
sensibilisieren und sie befähigen, literarische Texte zu analysieren, zu interpretieren und über
sie zu sprechen. Hierfür werden sukzessive die wichtigsten Begriffe, Techniken und Redemittel
für die Analyse lyrischer und narrativer Texte sowie die Merkmale einzelner Textsorten erar-
beitet. Im Mittelpunkt des Seminars steht die eingehende Auseinandersetzung mit ausgewähl-
ten, zumeist kurzen, aber dichten literarischen Primärtexten. Knappe Einführungen in die
Merkmale und Entwicklungen besonders wichtiger Epochen sollen den Studierenden einen
Orientierungsrahmen bieten und sie schrittweise auch mit einigen Eckdaten der deutschen
Literaturgeschichte vertraut machen.
Das vorliegende Lehr- und Arbeitsbuch basiert auf dem derzeitigen Lehrplan für das Seminar
„Deutsche Literatur 1“ und enthält die Unterrichtsmaterialien, die in den vergangenen drei
Jahren für diese Lehrveranstaltung entwickelt und mehrfach in der Praxis erprobt wurden.
Hinzu kommen ergänzende Materialien zu einigen Texten, die nicht im Lehrplan enthalten
sind. Diese sollen interessierten Studierenden eine weitergehende Beschäftigung mit deut-
scher Literatur ermöglichen und künftigen Seminarleiterinnen und -leitern Spielräume bei der
Unterrichtsgestaltung eröffnen.
Die Unterrichtsmaterialien sind, soweit möglich, auf die Bedürfnisse, Interessen und sprachli-
chen Voraussetzungen vietnamesischer Germanistik-Studierender im dritten Studienjahr zu-
geschnitten. Die ausgewählten literarischen Texte sind überwiegend solche, deren Lektüre
schon von Lernern mit B1-Niveau ohne größere Probleme zu bewältigen ist. Möglichst sinnli-
che Einstiege sollen die Studierenden auf die Atmosphäre und Thematik des jeweiligen Textes
einstimmen. Die Aufgabenstellungen ermöglichen eine lerneraktivierende Textarbeit in wech-
selnden Arbeits- und Sozialformen und sollen die Studierenden zur Äußerung ihrer Beobach-
tungen, Eindrücke und Interpretationshypothesen ermutigen. Die Einbeziehung von Bildern,
Vertonungen und filmischen Umsetzungen sorgt für Abwechslung und soll die Studierenden
zugleich für die divergierenden Gestaltungs- und Ausdrucksmittel unterschiedlicher ästheti-
scher Medien sensibilisieren. Darüber hinaus eröffnen die Materialien auch Möglichkeiten
zum kreativen Umgang mit Literatur (Schreiben, Zeichnen, Singen etc.).
Das Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ wurde ausschließlich für den
Unterricht in dieser Lehrveranstaltung erstellt. Es ist keine offizielle Publikation, dient keinen
kommerziellen Zwecken und ist auch nicht für die Veröffentlichung im Internet bestimmt.
Übernahmen oder Verarbeitungen didaktischen Materials anderer Autorinnen und Autoren
wurden mit entsprechenden Quellenangaben versehen. Die kurzen Einführungen zu ausge-
wählten Epochen basieren auf einer Vielzahl von Quellen, die zwar im Literaturverzeichnis
aufgeführt sind, aber nicht im Einzelnen kenntlich gemacht wurden. Für die verwendeten
Texte, die noch nicht gemeinfrei sind, liegen keine Rechte vor. Auch für die Bilder liegen keine
Rechte vor.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Inhalt
Kapitel 1: Was ist Literatur und was ist Literaturwissenschaft? …………………………..…….. 7
• Aufgaben …………………………………………………………………………………………………….…. 7
• Erläuterungen ……………………………………………………………………………………………….. 11
Kapitel 2: Was macht einen Text zu einem literarischen Text? …………………………………… 15
• Erläuterungen ……………………………………………………………………………………………….. 15
• Aufgaben zu Text 1: „der tod“ (1971) von Ernst Jandl ………………………………….….. 16
• Aufgaben zu Text 2: „Konjugation“ (1974) von Rudolf Steinmetz ……………………. 17
• Aufgaben zu Text 3: „Alltag“ (1981) von Robert Gernhardt …………………………….. 18
• Aufgaben zu Text 4: „Zeitsätze“ (1971) von Rudolf Otto Wiemer ……………………. 20
• Aufgaben zu Text 5: „Leichenrede“ (1969) von Kurt Marti ………………………………. 22
Kapitel 3: Grundbegriffe der Lyrikanalyse …………………………………………………………..……. 24
• Erläuterungen, Teil 1: Was ist ein Reim? .……………………………………………………….. 24
• Aufgaben zu Teil 1 ……………………………………………………………………………………….…. 25
• Erläuterungen, Teil 2: Was ist ein Versmaß (Metrum)? ..…………………………………. 26
• Aufgaben zu Teil 2 ………………………………………………………………………………………….. 27
• Erläuterungen, Teil 3: Was sind Stilmittel bzw. rhetorische Figuren? ..…………….. 28
• Aufgaben zu Teil 3 ………………………………………………………………………………………….. 29
Kapitel 4: Texte aus der Epoche des „Sturm und Drang“ ……………………………………….….. 30
• Aufgaben zu „Der Erlkönig“ (1782) von Johann Wolfgang von Goethe ……………. 30
• Hintergrundinformationen zum „Sturm und Drang“ ………………………………………. 34
• Aufgaben zu „Maifest“ (1771) von Johann Wolfgang von Goethe …………………… 37
• Aufgaben zu „Heidenröslein“ (1771) von Johann Wolfgang von Goethe …………. 44
Kapitel 5: Texte aus der Epoche der „Weimarer Klassik“ ………………………………………..…. 48
• Aufgaben zu „Gefunden“ (1813) von Johann Wolfgang von Goethe ……………….. 48
• Hintergrundinformationen zur „Weimarer Klassik“ ………………………………………… 52
• Aufgaben zu „Die Bürgschaft“ (1799) von Friedrich Schiller ……………………………. 55
Kapitel 6: Texte aus der Epoche der „Romantik“ ………………………………………………….…… 65
• Aufgaben zu „Mondnacht“ (1835/37) von Joseph von Eichendorff …………………. 65
• Hintergrundinformationen zur „Romantik“ ……………………………………………………. 70
• Aufgaben zu „Der Froschkönig“ (1812) von Jakob und Wilhelm Grimm …………… 73
• Aufgaben zu „Die Loreley“ (1824) von Heinrich Heine …………………………………….. 80
• Tipps für die schriftliche Analyse und Interpretation eines Gedichts ……………….. 86
Kapitel 7: Texte aus der Epoche der „Klassischen Moderne“ ……………………………………… 88
• Aufgaben zu „Gibs auf“ (1922/33) von Franz Kafka …………………………………………. 88
• Hintergrundinformationen zur „Klassischen Moderne“ …………………………………. 94
• Aufgaben zu „Sachliche Romanze“ (1928) von Erich Kästner …………………………… 98
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Kapitel 1:
Was ist Literatur und was ist Literaturwissenschaft?
Aufgaben
1. Stellen Sie mindestens drei verschiedenen Personen die folgenden Fragen und notieren
Sie ihre Antworten.1
1
Quelle: Simone Heine (2010): Deutsche Literatur. Eine Einführung in die literarischen Epochen der Aufklärung,
des Sturm und Drangs, der Klassik, der Romantik, des Biedermeiers und des Vormärz/Jungen Deutschlands. Vi-
entiane: Nationaluniversität von Laos, S. 4.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
3. Ordnen Sie die untenstehenden Begriffe den literarischen Grundgattungen Lyrik, Epik
und Dramatik zu. Arbeiten Sie dabei in Kleingruppen und schlagen Sie die Begriffe, die
Sie noch nicht kennen, im Wörterbuch nach.2
2
Quelle: Simone Heine (2010): Deutsche Literatur. Eine Einführung in die literarischen Epochen der Aufklärung,
des Sturm und Drangs, der Klassik, der Romantik, des Biedermeiers und des Vormärz/Jungen Deutschlands. Vi-
entiane: Nationaluniversität von Laos, S. 5.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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7. Tauschen Sie sich in Kleingruppen aus: Wie haben Sie sich in der Schule mit Literatur
beschäftigt?
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
8. Schauen Sie sich die folgenden Texte an: Ist das Literatur? Begründen Sie Ihre Meinung.
Beispiel 1: Beispiel 2:
Beispiel 3: Beispiel 4:
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Erläuterungen
Die drei klassischen Formen (Grundgattungen) der Literatur im engeren Sinne sind:
• Die Dramatik:
Dramen sind Theaterstücke, die von Schau-
spielern in der Dialogform gespielt werden.
Sie sind meistens in Akte und Szenen unter-
gliedert. Typische Formen sind die Tragödie
und die Komödie.
• Die Epik:
Zur Epik zählen alle Texte, die erzählt werden
(z. B. Roman, Erzählung, Novelle, Kurzge-
schichte, Märchen, Fabel, Parabel usw.). Oft
wird auch die Bezeichnung Prosa gebraucht.
Mit dieser Bezeichnung wird die ungebun-
dene Sprache (im Gegensatz zur gebundenen
Sprache der Lyrik) betont.
• Die Lyrik:
Zur Lyrik zählen alle Arten von Gedichten. Ty-
pisch für Lyrik ist: relative Kürze, meist subjek-
tive Ich-Aussage, gebundene Sprache (Reim,
Metrum), verschiedene Verfahren der ästheti-
schen Organisation der Sprache (z. B. Allitera-
tionen, rhetorische Figuren, Metaphern usw.).
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Das Verständnis von Literatur im engeren Sinne hat sich im Laufe der Zeit sehr gewandelt:
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
• Bis heute gibt es viele kontroverse Diskussionen darüber, was für Texte als Literatur
im engeren Sinne bezeichnet werden können, was „gute“ und was „schlechte“ Lite-
ratur ist, ob literarische Texte nicht-literarischen (z. B. politischen) Zielen dienen dür-
fen oder sogar sollen usw.
Eine weitere Möglichkeit, Texte zu klassifizieren, ist die Unterscheidung von „Sach- oder
Fachliteratur“ (auch „Gebrauchsliteratur“ genannt) und „schöner Literatur“:
• „Sach- oder Fachliteratur“ (auch „Gebrauchsliteratur“ genannt) sind Texte, die in-
formieren. Die wichtigste (und oft die einzige Funktion) der Sprache solcher Texte
ist: zu informieren.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Außerdem gibt es noch die Unterscheidung von fiktionalen und nicht-fiktionalen Texten:
• die Literaturgeschichte,
• die Literaturtheorie,
• die Analyse und Interpretation von Lite-
ratur,
• die Literaturkritik.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Kapitel 2:
Was macht einen Text zu einem literarischen Text?
Erläuterungen
Wie wir im ersten Kapitel gesehen haben, bezieht das Adjektiv „literarisch“ sich auf Dichtung,
also auf Texte, die mit dem Anspruch geschrieben wurden, ein Kunstwerk zu sein. Dabei zeigt
schon die Unterscheidung von drei Grundgattungen (Dramatik, Epik, Lyrik), dass ganz unter-
schiedliche Texte „literarische Texte“ sein können: z. B. die Dramen von Shakespeare, die Ge-
dichte von Goethe, die Romane von Tolstoi, die Kurzgeschichten von Nam Cao. Es stellt sich
also die Frage, was all diese Texte gemeinsam haben. Welche spezielle Eigenschaft unterschei-
det sie von Sach- und Fachliteratur einerseits und von reiner Unterhaltungsliteratur anderer-
seits? Was macht sie zu Kunstwerken? Oder anders formuliert: Was macht einen Text zu ei-
nem literarischen Text?
Uneigentliches Sprechen
Mit der besonderen Rolle der Form eng verbunden ist ein zweites charakteristisches Merkmal
von Dichtung, nämlich das „uneigentliche Sprechen“. Uneigentliches Sprechen ist jede Art des
Sprechens, bei der der Sprecher nicht direkt sagt, was er meint. Das heißt, beim uneigentli-
chen Sprechen ist das Gemeinte nicht mit dem Gesagten identisch. Literarische Texte sind voll
von uneigentlicher Rede. Sie verlangen deshalb einen aktiven Leser, der mitdenkt, kombiniert,
interpretiert, gewissermaßen „übersetzt“. Uneigentliches Sprechen kommt aber nicht nur in
literarischen Texten vor. Auch jede Art von alltäglicher indirekter Kommunikation ist eine
Form des uneigentlichen Sprechens.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Ernst Jandl
der tod
des todes
dem tod
den tod
a. Was denken Sie: Ist dieser Text ein literarischer Text? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum
nicht?
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b. Vergleichen Sie die Wörter in den Zeilen 1 bis 4 mit den Wörtern in den Zeilen 5 bis 6. Was
fällt Ihnen auf?
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c. Versuchen Sie, das Substantiv „Tod“ in dem Text durch ein anderes maskulines Substantiv
wie z. B. „Tisch“ zu ersetzen. Gibt es einen Unterschied? Wenn ja, welchen?
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Quelle: Gerlind Belke (2011): Literarische Sprachspiele als Mittel des Spracherwerbs. In: Fremdsprache Deutsch
44, 17-18.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Rudolf Steinmetz
KONJUGATION
Ich gehe
du gehst
er geht
sie geht
es geht
Geht es?
Danke – es geht.
a. Was denken Sie: Ist dieser Text ein literarischer Text? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum
nicht?
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b. Vergleichen Sie die Bedeutungen des Verbs „gehen“ in den Zeilen 1 bis 5 und in den Zeilen
6 bis 7. Vergleichen Sie auch die Bedeutungen des Pronomens „es“ in den Zeilen 5 und 6
bis 7. Was fällt Ihnen auf?
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c. Kennen Sie andere Verben, die in Verbindung mit dem Pseudo-Subjekt „es“ eine andere
Bedeutung haben? Notieren Sie alle Verben, die Sie finden können.
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d. Nehmen Sie eines dieser Verben und versuchen Sie, einen eigenen Text nach dem Muster
des Textes von Rudolf Steinmetz zu schreiben.
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Quelle: Gerlind Belke (2011): Literarische Sprachspiele als Mittel des Spracherwerbs. In: Fremdsprache Deutsch
44, 18-19.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Robert Gernhardt
ALLTAG
• Inszenieren Sie den Text theatralisch (z. B. indem eine Person ihn vorliest und eine
andere Person Pantomime spielt).
• Variieren Sie den Text, indem Sie das Pronomen „ich“ durch ein anderes Pronomen
ersetzen.
• Variieren Sie den Text, indem Sie Ihren eigenen Alltag mithilfe von reflexiven Verben
darstellen.
• Schauen Sie sich die Frau auf dem Foto an. Schreiben Sie aus der Perspektive dieser
Frau einen Text nach dem Muster des Textes von Robert Gernhardt.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
ZEITSÄTZE
Worterklärungen
Als wir sechs waren, hatten wir 1
Masern (Pl.): = eine Kinder-
Masern.1 krankheit
Als wir vierzehn waren, hatten wir 2
Bombenangriff eines feindli-
Krieg. chen Flugzeugs
Als wir zwanzig waren, hatten wir 3
der Schutt: = Ruinen
Liebeskummer. 4
das Kopfgeld: = hier: ein Geld-
Als wir dreißig waren, hatten wir betrag pro Person
Kinder. 5
Oberwasser haben: = im Vor-
Als wir dreiunddreißig waren, hatten wir teil sein, überlegen sein
Adolf. 6
der Wohlstand: = ein hoher Le-
Als wir vierzig waren, hatten wir bensstandard
Feindeinflüge.2 7
Gallensteine (Pl.): = Erkran-
Als wir fünfundvierzig waren, hatten wir kung der Galle
Schutt.3
Als wir achtundvierzig waren, hatten wir
Kopfgeld.4
Als wir fünfzig waren, hatten wir
Oberwasser.5
Als wir neunundfünfzig waren, hatten wir
Wohlstand.6
Als wir sechzig waren, hatten wir
Gallensteine.7
Als wir siebzig waren, hatten wir
gelebt.
a. Schauen Sie sich die Form des Textes an. Was fällt Ihnen auf? Und was bedeutet das Wort
„Zeitsätze“ in der Überschrift?
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5
Quelle: Rosmarie T. Morewedge (2008): Mitlesen Mitteilen: Literarische Texte zum Lesen, Sprechen, Schreiben
und Hören. 4. Aufl. Boston: Thomson Heinle, 88-89.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
b. Was meinen Sie: Auf was für Menschen bezieht sich das Pronomen „wir“ in diesem Text?
Wann wurden diese Menschen geboren? Wo haben sie gelebt?
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e. Was meinen Sie: Welche Bilder in dem Text sind universell (allgemein menschlich) und
welche Bilder spielen auf bestimmte historische Ereignisse an?
f. Was meinen Sie: Warum wird in dem Text ausschließlich das Verb „haben“ verwendet?
Was sagt der Text damit aus?
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g. Versuchen Sie zu zweit oder in Kleingruppen, einen eigenen Text mit dem Titel „Zeitsätze“
zu schreiben. Denken Sie vorher über die folgenden Fragen nach:
• Möchten Sie über sich selbst oder eine andere Person bzw. Personengruppe schrei-
ben?
• Möchten Sie auch das Verb „haben“ verwenden? Oder vielleicht ein anderes Verb?
• Möchten Sie über die Vergangenheit schreiben? Oder vielleicht über die Zukunft?
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Kurt Marti
Worterklärungen
LEICHENREDE1 1
die Leichenrede: = Rede zu Ehren ei-
nes Verstorbenen bei einer Beerdi-
als sie mit zwanzig gung
ein kind erwartete 2
der Verzicht: = das Aufgeben eines
wurde ihr heirat Wunsches
befohlen 3
die Unternehmungslust: = Lust auf
Aktivitäten
als sie geheiratet hatte 4
der Anstand: = gutes Benehmen
wurde ihr verzicht2 5
die Tugend: = hier: die Reinheit
auf alle studienpläne 6
verbraucht: = hier: müde, kaputt
befohlen 7
die Gemeinde: = hier: die Men-
schen, die sich zu der Beerdigung
als sie mit dreißig versammelt haben
noch unternehmungslust3 zeigte
wurde ihr dienst im hause
befohlen
liebe gemeinde7
wir befehlen zu viel
wir gehorchen zu viel
wir leben zu wenig
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
b. Versuchen Sie, den Inhalt der Strophen 1 bis 5 mit Ihren eigenen Worten zu erzählen.
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c. Analysieren Sie die Form des Textes und vergleichen Sie sie mit der Form von Text 4. Was
fällt Ihnen auf?
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• Variieren Sie den Text, indem Sie die Lebensgeschichte eines anderen Menschen er-
zählen.
• Variieren Sie den Text, indem Sie eine positive Alternative erfinden (z. B., indem Sie
„befohlen“ durch „erlaubt“ ersetzen).
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Kapitel 3:
Grundbegriffe der Lyrikanalyse
Erläuterungen, Teil 1
Lyrik ist eine der drei Grundgattungen der Literatur. Texte der Lyrik nennt man Gedichte. Diese
sind im Regelfall in Strophen untergliedert, die wiederum aus mehreren Versen (= Zeilen) be-
stehen. Gedichte können in freier oder gebundener poetischer Form auftreten.
Gebundene Sprache ist eine künstlerisch ausgearbeitete Sprache mit einem Versmaß (Met-
rum) und Reimen.
• je nach Anordnung der Verse, in denen Leit- und Reimwort enthalten sind:
o Paarreim: Schema: aabb („… Liebe / … Triebe / … Herz / … Schmerz“)
o Kreuzreim: Schema: abab („… Liebe / … Herz / … Triebe / … Schmerz“)
o umarmender Reim: Schema: abba („… Liebe / … Herz / … Schmerz / … Triebe“)
• je nach Grad und Art der klanglichen Übereinstimmung von Leit- und Reimwort:
o reiner Reim: „… Herz / … Schmerz“
o unreiner Reim: „… Blick / … Glück“ (vokalisch unreiner Reim)
„… brausen / … rauschen“ (konsonantisch unreiner Reim, Assonanz)
Aufgaben zu Teil 1
Bearbeiten Sie zu zweit oder in Kleingruppen die folgenden Arbeitsaufträge:
d. Eine reimähnliche Struktur ist die sogenannte „Alliteration“. Eine Alliteration ist ein
Gleichklang der Anfangslaute von zwei oder mehreren Wörtern. Bekannte Beispiele
sind die Fernsehsendung „Titel, Thesen, Temperamente“ und der Zungenbrecher
„Zehn Ziegen zogen zehn Zentner Zucker zum Zoo“. Bitte suchen Sie nach weiteren
Alliterationen.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Erläuterungen, Teil 2
Zweisilbige Versfüße
Der Jambus:
Senkung, Hebung
„gemach“, „vertagt“, „gewagt“, „verliebt“, „geübt“, „Zitat“
Der Trochäus:
Hebung, Senkung
„lieben“, „üben“, „reimen“, „Versform“, „Schema“, „wenig“, „Rhythmus“, „Versmaß“
Dreisilbige Versfüße
Der Daktylus:
Quelle: Angela Jekosch (gedichte-schmieden.de) (2018): Rhythmus und Versmaß, [online] https://www.ge-
dichte-schmieden.de/rhythmus-versma%C3%9F [29.07.2018].
Wenn es in einer Zeile (= einem Vers) eines Gedichtes vier Jamben und somit vier betonte
Silben (Hebungen) gibt, sagt man: „Das Versmaß ist ein vierhebiger Jambus.“ Beispiel: „Es ist
nur ein Vorübergehn, / es ist nur ein Hinüberwehn.“
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Aufgaben zu Teil 2
Finden Sie heraus, in welchem Versmaß die folgenden Fragmente verfasst sind.
Versmaß: _____________________________________________________
Versmaß: _____________________________________________________
Versmaß: _____________________________________________________
Versmaß: _____________________________________________________
Versmaß: _____________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Erläuterungen, Teil 3
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Aufgaben zu Teil 3
Versuchen Sie zunächst, weitere Beispiele für die Stilmittel auf der vorherigen Seite zu fin-
den. Schauen Sie sich dann die nachfolgenden Sätze an. Welche Stilmittel finden Sie hier?
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f. Der Lehrer sagt zu dem 20 Minuten verspäteten Studenten: „Schön, dass Sie so
pünktlich sind!“
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g. Der Literaturkurs ist anstrengend. Wir müssen dort Millionen neuer Begriffe lernen.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Kapitel 4:
Texte aus der Epoche des „Sturm und Drang“
Aufgaben zu „Der Erlkönig“ (1782) von Johann Wolfgang von Goethe
1. Überlegen und erzählen Sie:
c. Gibt es auch böse Geister? Wenn ja – wie geht man mit ihnen um?
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2. Schauen Sie sich einen kleinen Film zu Goethes Gedicht „Der Erlkönig“ an und beantwor-
ten Sie die folgenden Fragen:
3. Lesen Sie das Gedicht „Der Erlkönig“ und unterstreichen Sie Stellen, die Sie nicht verste-
hen.
DER ERLKÖNIG
Worterklärungen
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? 1
der Sohn hat Angst hinzuse-
Es ist der Vater mit seinem Kind;
hen
Er hat den Knaben wohl in dem Arm, 2
ein Stern kann einen Schweif
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.
(eine Art Schwanz) haben
3
altes Wort für ,aus Gold‘
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?1 – 4
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht? Kleid
5
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif?2 – ein leises Geräusch machen
6
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. – altes Wort für ,pflegen‘, ,sor-
gen für‘
7
»Du liebes Kind, komm, geh mit mir! altes Wort für ,Reigen‘ (Grup-
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir; pentanz)
8
Manch bunte Blumen sind an dem Strand, Bäume, die nah am Wasser
Meine Mutter hat manch gülden3 Gewand4.« wachsen
9
locken, anziehen
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, 10
Figur, Körper
Was Erlenkönig mir leise verspricht? – 11
er hat große Angst
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind; 12
schnell
In dürren Blättern säuselt5 der Wind. – 13
laut atmen, z. B. wenn man
Schmerzen hat
»Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten6 schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn7
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.«
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
4. Wie viele Strophen mit wie vielen Versen hat das Gedicht?
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6. Markieren Sie: Wann spricht der Erzähler (Erzähler), wann der Vater (V), wann der Sohn
(S) und wann der Erlkönig (E)?
8. Sammeln Sie Assoziationen zu den Bildern auf S. 33 und vergleichen Sie sie:
a. Was macht der Mann im linken Bild, was macht der Mann im rechten Bild?
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c. Welchem der beiden Männer ist der Vater in Goethes Gedicht ähnlicher?
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
a. Wie kann man das Gedicht interpretieren, wenn man annimmt, dass es Geister gibt?
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b. Wie kann man das Gedicht interpretieren, wenn man annimmt, dass es keine Geister
gibt?
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10. Schauen Sie sich noch einen kleinen Film zum Gedicht „Der Erlkönig“ an und beantwor-
ten Sie die folgenden Fragen:
Die Aufklärer waren Optimisten und glaubten an die Erziehbarkeit des Menschen: Sie mein-
ten, der Mensch sei von Natur aus gut und man müsse ihm nur das Richtige zeigen, damit er
es tue. Sie glaubten auch, dass die Menschen sich selbst befreien würden, wenn man sie über
ihre Unfreiheit und die Ursachen dieser Unfreiheit aufkläre. Die wichtigsten Medien für die
Verbreitung der neuen Ideen waren die damals entstehende Presse und die Kunst.
Die berühmteste Definition des Begriffs „Aufklärung“
stammt aus der Programmschrift „Beantwortung der
Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784) des deutschen Philo-
sophen Immanuel Kant: „Aufklärung ist der Ausgang des
Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.
Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstan-
des ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstver-
schuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache der-
selben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Ent-
schließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung
eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich
deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der
Wahlspruch der Aufklärung.“
Der wichtigste deutsche Dichter der Aufklärung war
Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781). Lessing war im
18. Jahrhundert der erste deutsche Autor, der einigen tra-
ditionellen Regeln nicht mehr folgte. Beispielsweise war
er ein Gegner der Meinung, dass in „hoher“ Literatur nur
Adelige vorkommen dürfen. Als erster Autor schrieb er
„bürgerliche Trauerspiele“, in denen Bürgerinnen und
Bürger die Hauptfiguren waren. Die Werke Lessings gel-
ten als Beginn der neueren deutschen Literatur. Mit sei-
nen Dramen und theoretischen Schriften war er ein Weg-
bereiter des modernen Theaters.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Der bisher vorherrschenden Regelpoetik setzten die „Stürmer und Dränger“ ein ganz eigenes
Verständnis von Literatur entgegen:
• Ihr Ideal war das Genie, das sich seine Regeln selbst schafft, statt vorgegebene Regeln
einzuhalten.
• Ihrer Meinung nach konnte wahre Dichtung nur aus der schöpferischen Kraft leiden-
schaftlicher Gefühle entstehen.
• In der schöpferischen Kraft des Genies äußerte sich aus ihrer Sicht die schöpferische
Kraft der Natur.
• Im Mittelpunkt der Dichtung des „Sturm und Drang“ stand das eigene Ich, das eigene
Gefühl.
• Daneben gab es in den Werken des „Sturm und Drang“ auch Protest gegen den Abso-
lutismus und gesellschaftliche Missstände.
Die „Stürmer und Dränger“ waren also die Ersten in Deutschland, die die Dichtung als etwas
Autonomes (= Selbstständiges, Unabhängiges) ansahen: Literarische Texte sollten nicht mehr
nach vorgegebenen Regeln geschrieben werden; sie sollten auch keine dienende Funktion für
andere Lebensbereiche (Religion, Politik, Wissenschaft) mehr haben. Dieses Literaturver-
ständnis wird als „Autonomieästhetik“ bezeichnet.
Die zwei wichtigsten Autoren des „Sturm und Drang“ waren Johann
Wolfgang Goethe (1749 – 1832) und Friedrich Schiller (1759 – 1805).
Neben Gedichten verfassten die beiden vor allem Dramen. Die bekann-
testen Dramen aus dieser Phase sind „Götz von Berlichingen“ (1773) von
Goethe sowie „Die Räuber“ (1781) und „Kabale und Liebe“ (1784) von
Schiller.
Goethe schrieb in seiner „Sturm und Drang“-Zeit auch den ersten mo-
dernen Roman der deutschen Literatur, nämlich „Die Leiden des jungen
Werther“ (1774, überarbeitete Fassung: 1787). Dieser Briefroman er-
schien zunächst anonym, sodass die Leser dachten, die Briefe seien echt.
Im Mittelpunkt des Romans steht ein junger Mann namens Werther, der unglücklich in eine
schon verlobte Frau verliebt ist und am Ende Selbstmord begeht. Die tragische Geschichte, in
der Goethe auch eigene Erlebnisse verarbeitete (seine unglückliche Liebe zu einer verlobten
Frau und den Selbstmord eines Bekannten), wurde sofort zum Bestseller. Der gefühlsbetonte
Werther ist in mehrfacher Hinsicht eine typische Figur des „Sturm und Drang“: Er rebelliert
gegen den Rationalismus
der Aufklärung, gegen die
Ständegesellschaft, gegen
die Enge des bürgerlichen
Berufslebens und gegen die
bürgerlichen (also christli-
chen) Moralvorstellungen.
36
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
2. Schauen Sie sich einen kurzen Film zu Goethes Gedicht „Maifest“ an und überlegen Sie:
3. Lesen Sie Goethes Gedicht „Maifest“ (auf der nächsten Seite) einmal OHNE Wörterbuch.
Überlegen Sie zu zweit:
MAIFEST
Worterklärungen
Wie herrlich leuchtet 1
Mir die Natur! Landschaft
2
Wie glänzt die Sonne! Sträucher, Büsche
Wie lacht die Flur1! 3
Vergnügen, Freude, Lust
4
Berge, Hügel; höchste Stellen
Es dringen Blüten 5
wenn Wasser kocht, entsteht
Aus jedem Zweig Dampf
Und tausend Stimmen 6
leuchten, glänzen
Aus dem Gesträuch2 7
Singvogel
Und Freud und Wonne3
Aus jeder Brust.
O Erd', o Sonne,
O Glück, o Lust,
O Lieb', o Liebe,
So golden schön
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn4,
Du segnest herrlich
Das frische Feld -
Im Blütendampfe5
Die volle Welt!
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb' ich dich!
Wie blinkt6 dein Auge,
Wie liebst du mich!
Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst.
38
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
5. Hören Sie die erste und zweite Strophe und analysieren Sie das Metrum des Gedichts.
________________________________________________________________________
6. Unterstreichen Sie alle Reime in dem Gedicht und analysieren Sie sie:
a. Sind es Paarreime, Kreuzreime oder umarmende Reime?
_____________________________________________________________________
b. Sind es reine oder unreine Reime?
_____________________________________________________________________
c. Sind es männliche oder weibliche Reime?
_____________________________________________________________________
7. Schauen Sie sich die Stilmittel an. Suchen Sie in Partnerarbeit nach je einem der folgen-
den Stilmittel und notieren Sie die Textstellen:
a. Personifikation:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
b. Hyperbel:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
c. Apostrophe:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
d. Parallelismus:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
8. Überlegen Sie zu zweit: In was für einer Beziehung steht das lyrische Ich zu der Frau in
dem Gedicht? Und wie wird diese Beziehung in der Zukunft aussehen?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
39
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
9. Lesen Sie drei Seiten aus einem Goethe-Comic6 und versuchen Sie, die folgenden Fragen
zu beantworten:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
d. Wo liegt Sesenheim?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
___________________________________________________
___________________________________________________
___________________________________________________
___________________________________________________
Friederike Brion
(1752 – 1813)
6
Quelle: Friedmann Bedürftig; Christoph Kirsch (1999): Goethe. Zum Sehen geboren. Die Comic-Biografie, Bd. 1.
Stuttgart: Goethe-Institut & Egmont Ehapa, 16-18.
40
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
42
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
43
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Interpretation: John Kelly & Maite Itoiz Interpretation: Amy Lee (Sopran) & Mary Au (Klavier)
Aufführung: ARD-Sendung „Deutschland singt“ (2007) Aufführung: Newman Recital Hall Los Angeles (2006)
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=UubQOtDZbGM Video: Melissa Lawson
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=znjksJmXlFk
2. Hören Sie die erste Strophe der Vertonung von Heinrich Werner noch einmal und versu-
chen Sie mitzusingen.
44
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
3. Lesen Sie nun den Text und unterstreichen Sie Stellen, die Sie nicht verstehen.
HEIDENRÖSLEIN
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
5. Bestimmen Sie das Metrum und das Reimschema. Tragen Sie Ihre Ergebnisse in die Ta-
belle auf der nächsten Seite ein.
6. Finden Sie mindestens ein Stilmittel in dem Gedicht. Notieren Sie die Textstelle und das
Stilmittel:
______________________________________________ = _________________________
______________________________________________ = _________________________
______________________________________________ = _________________________
45
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
7. Versuchen Sie, die Fragen zum Inhalt des Gedichts in der linken Spalte der Tabelle zu
beantworten. Tragen Sie Ihre Antworten in die Tabelle ein.7
7
Quelle: Simone Heine (2010): Deutsche Literatur. Eine Einführung in die literarischen Epochen der Aufklärung,
des Sturm und Drangs, der Klassik, der Romantik, des Biedermeiers und des Vormärz/Jungen Deutschlands. Vi-
entiane: Nationaluniversität von Laos, S. 26.
46
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
8. Lesen Sie den untenstehenden Auszug aus dem Essay „Frauen lesen anders“ von Ruth
Klüger (Text 1) sowie den Kommentar eines Youtube-Nutzers zu dem Gedicht (Text 2).
Was halten Sie von diesen Interpretationen? Welche Textstellen im Gedicht sprechen
dafür, welche sprechen dagegen?
TEXT 1
[…] Die Verherrlichung oder Verharmlosung der Gewalt gegen Frauen in der Literatur
beginnt früh, zum Beispiel mit dem „Heideröslein“. Man sollte meinen, daß sich die sym-
bolische Darstellung einer brutalen Vergewaltigung, vertont oder unvertont, nicht zum
Schulunterricht eigne und schon gar nicht auf eine Stufe mit wirklichen Liebesliedern ge-
setzt werden solle. Denn Goethe hin, Schubert her, die letzte Strophe ist eine nur leicht
verbrämte Terrorszene: „Doch der wilde Knabe brach / ’s Röslein auf der Heiden. / Rös-
lein wehrte sich und stach / Half ihm doch kein Weh und Ach / Mußt’ es eben leiden.“
Die Verharmlosung entsteht dadurch, daß der Vergewaltiger, also ein ausgewachsener,
zumindest geschlechtsreifer Mann, als „wilder Knabe“ einherkommt, daß die Tat symbo-
lisch an einer Blume ausgeführt wird, obwohl deutlich Kraftmeier und schwächeres Mäd-
chen gemeint sind, und daß im hingeträllerten Refrain „Röslein, Röslein, Röslein rot / Rös-
lein auf der Heiden“ der Terror verplätschert. Das Lied ist verlogen, weil es ein Verbrechen
als unvermeidlich und obendrein wie eine Liebesszene darstellt. […]
Quelle: Ruth Klüger (1994): Frauen lesen anders. In: ZEIT, 25.11.1994, [online]
http://www.zeit.de/1994/48/frauen-lesen-anders/seite-2 [22.02.2016].
TEXT 2
[…] Es [das Gedicht „Heidenröslein“] ist eine Anklage an junge Adelige, die sich einfach
das Recht genommen haben, junge Frauen bzw. Mädchen zu verführen und/oder zu ver-
gewaltigen. Als Goethe das Gedicht geschrieben hatte, ist das leider sehr häufig vorgekom-
men. In dem Moment wo die Frau/das Mädchen ihre „Unschuld“ verloren hatte und nicht
verheiratet war, war diese gesellschaftlich tot. Damit war sozusagen das Röslein, als Zei-
chen der Reinheit und der Tugend, gebrochen. Vergewaltigung konnte man vor gut 250
Jahren leider nicht anzeigen.
Nun konnte Goethe damals nicht einfach das Verhalten junger Adeliger anprangern, son-
dern musste das Ganze anders formulieren. Daher das Gedicht vom Röslein auf der Hei-
den.
Quelle: Kommentar des Youtube-Nutzers Connor MacLean, [online]
https://www.youtube.com/watch?v=UubQOtDZbGM [17.02.2017].
9. Schauen Sie sich Interpretation des Liedes „Heidenröslein“ von John Kelly & Maite Itoiz
noch einmal an. Was meinen Sie – passt diese Interpretation zum Text des Gedichts?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Kapitel 5:
Texte aus der Epoche der „Weimarer Klassik“
Aufgaben zu „Gefunden“ (1813) von Johann Wolfgang von Goethe
1. Ordnen Sie den Bildern die passenden Wörter/Ausdrücke zu.
a. b. c.
d. e. f.
a. Was bedeutet es, wenn eine Pflanze / ein Mensch verwurzelt ist?
8
Quelle (Aufgaben 2, 5, 6, 11, 12): Petra Anders (2013): Lyrische Texte im Deutschunterricht. Grundlagen, Me-
thoden, multimediale Praxisvorschläge. Seelze: Klett/Kallmeyer, 143-147.
48
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
b. Was bedeutet es, wenn eine Pflanze / ein Mensch gebrochen wird?
c. Was bedeutet es, wenn eine Pflanze / ein Mensch entwurzelt ist?
3. Lesen Sie Goethes Gedicht „Gefunden“ und unterstreichen Sie Stellen, die Sie nicht ver-
stehen.
GEFUNDEN
Worterklärungen
Ich ging im Walde 1
ohne Ziel, ohne Zweck
So vor mich hin1, 2
Wunsch, Absicht
Und nichts zu suchen, 3
Das war mein Sinn2. kleine Augen
4
kleine Wurzeln
5
Im Schatten sah ich ausgraben = aus der Erde heben
Ein Blümchen stehn, 6
neue Zweige bekommen
Wie Sterne leuchtend, 7 immer weiter
Wie Äuglein3 schön.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
4. Überlegen Sie in Partnerarbeit: Was für eine Geschichte wird hier erzählt?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
5. Was für Oppositionspaare (z. B. „Wald“ vs. „Garten“) gibt es in diesem Text?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
6. Was für Wörter rund um das Thema „Wachsen und Vergehen“ gibt es in diesem Text?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
7. Was lässt sich über die Form des Textes (Reime, Metrum, Stilmittel) sagen?
a. Reime: _______________________________________________________________
_____________________________________________________________________
b. Metrum: _____________________________________________________________
c. Stilmittel: _____________________________________________________________
_____________________________________________________________________
8. Das Blümchen in dem Gedicht ist möglicherweise ein Symbol. Welche symbolische(n)
Interpretation(en) lässt der Text zu?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
9. Ergänzen Sie nun die rechte Spalte der Tabelle auf S. 46. Analysieren Sie die Gemeinsam-
keiten und Unterschiede zwischen den Gedichten „Heidenröslein“ und „Gefunden“.
10. Das Gedicht „Maifest“ war Friederike Brion gewidmet. Das Gedicht „Gefunden“ hat Goe-
the einer Frau namens Christiane gewidmet. Was meinen Sie – in welcher Beziehung
stand er zu dieser Frau?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
50
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
11. Überlegen Sie in Partner- oder Gruppenarbeit, wie dieses Gedicht filmisch umgesetzt
werden könnte. Fertigen Sie hierzu ein paar Skizzen an und präsentieren Sie Ihre Ideen
im Plenum.
12. Schauen Sie den Brick-Trickfilm „Gefunden“ von Steffen Troeger und Sandra Abele an
und analysieren Sie ihn.
a. Wie setzt der Film bildliche Vergleiche („Wie Sterne leuchtend, Wie Äuglein schön“)
um?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
b. Wie setzt der Film innere Haltungen des lyrischen Ich (z. B. „Und nichts zu suchen, Das
war mein Sinn“) bildlich um?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
c. Hält der Film sich genau an den Text oder erfindet er zusätzliche Situationen, Gegen-
stände oder Orte? Was ist die Wirkung?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
Anmerkung
Das Gedicht „Gefunden“ schrieb Goethe im Jahr 1813 für seine Frau
Christiane von Goethe (Mädchenname: Christiane Vulpius), die er 25
Jahre zuvor kennengelernt und im Jahr 1806 – nach vielen Jahren
„wilder Ehe“ – geheiratet hatte.
51
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Ein historisches Ereignis, das das Denken und Schreiben der „Klas-
siker“ stark beeinflusste, war die Französische Revolution (1789 –
1799), eine Revolution der Bürger und Bauern (des sogenannten
„dritten Standes“) unter dem Motto „Freiheit, Gleichheit, Brüder-
lichkeit“. Den Revolutionären ging es um die Abschaffung des ab-
solutistischen Ständestaates, um bürgerliche Freiheitsrechte, um
die Umsetzung der Werte und Ideale der „Aufklärung“. Die Revo-
lution war zunächst erfolgreich; da es aber viele Gegner gab, die
diesen Erfolg bedrohten, schlug sie bald in eine blutige Terrorherr-
schaft um.
53
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
In Deutschland hatten vor allem die gebildeten Menschen zunächst große Hoffnungen in die
Französische Revolution gesetzt. Doch am Ende waren die meisten entsetzt über deren Ver-
lauf (die Terrorherrschaft). Die Autoren der „Weimarer Klassik“ schlossen daraus, dass ihre
Ideale nicht durch eine revolutionäre Umwälzung, sondern nur durch eine langsame Höher-
entwicklung, durch die Veränderung des Einzelnen zu erreichen seien. Schiller meinte, dass
man hierfür den Idealzustand in der Kunst veranschaulichen müsse. Das nannte er die „äs-
thetische Erziehung des Menschen“.
Neben ästhetischen Schriften und zahlreichen Gedichten verfasste
Schiller vor allem Dramen, z. B. „Don Carlos“ (1787), „Wallenstein“
(1799), „Maria Stuart“ (1800) und „Wilhelm Tell“ (1804). Auch bei
Goethe machen die Dramen, z. B. „Iphigenie auf Tauris“ (1787),
„Egmont“ (1787), „Torquato Tasso“ (1790), „Faust I“ (1808) und
„Faust II“ (1832), einen zentralen Teil seines Schaffens aus. Die
zweiteilige Tragödie „Faust“ gilt nicht nur als sein größtes Werk,
sondern als das bedeutendste Werk der deutschen Literatur über-
haupt. Darüber hinaus schrieb Goethe viele Gedichte und auch Er-
zählprosa, darunter die Romane „Wilhelm Meisters Lehrjahre“
(1796), „Die Wahlverwandtschaften“ (1809) und „Wilhelm Meis-
ters Wanderjahre“ (1829).
Die „Weimarer Klassik“ war nicht nur ein Höhepunkt der deutschen
Literatur – sie hatte auch Auswirkungen auf das deutsche Bil-
dungssystem. Denn der mit Goethe und Schiller befreundete Wil-
helm von Humboldt (1767 – 1835) leitete in Preußen eine Reform
des Schulwesens ein, die sich an den Idealen der Klassik orien-
tierte: Aus Humboldts Sicht sollte das eigentliche Ziel der Schulbil-
dung nicht die Vorbereitung auf einen bestimmten Beruf, sondern
die Entwicklung einer autonomen, mündigen individuellen Persön-
lichkeit mit umfassender Allgemeinbildung sein. Der Unterricht
sollte demgemäß nicht von Drill und Auswendiglernen geprägt
sein, sondern die Motivation und das eigenständige Denken der
Schüler fördern. Diese Vorstellungen werden auch als „humboldt-
sches Bildungsideal“ bezeichnet.
54
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
1. Sammeln Sie in Einzelarbeit Assoziationen und Gedanken zu den folgenden Fragen. Tau-
schen Sie sich danach in Kleingruppen darüber aus.
b. Was war für Sie das schönste Erlebnis mit einem Freund oder einer Freundin?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
c. Was war für Sie die größte Enttäuschung, die Sie mit einem Freund oder einer Freun-
din erlebt haben?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
„Die Bürgschaft“: Ballade von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1799
Eine Ballade ist ein längeres Gedicht, in dem eine meist spannende Geschichte erzählt
wird, oft auch mit Hilfe von Dialogen. Die Ballade ist also eine Gattung im Grenzgebiet
von Lyrik, Epik und Dramatik.
Den Stoff für seine Ballade „Die Bürgschaft“ entnahm Friedrich Schiller dem Kapitel 108
(„Vom getreuen Halten eines Versprechens“) der spätmittelalterlichen Textsammlung Ge-
sta Romanorum (deutsch: Die Taten der Römer). Die Handlung der Ballade, die zu den be-
kanntesten Texten Schillers gehört, spielt in der Antike, in der damals griechischen Stadt
Syrakus im Südosten der Insel Sizilien (heute Italien). Der Herrscher, um den es in der
Ballade geht, Dionysios I. (430 v. Chr. – 367 v. Chr.), war Tyrann von Syrakus und einer
mächtigsten Tyrannen der Antike.
Im Zentrum der Handlung steht die Freundschaft zweier Männer, von denen einer eine
Bürgschaft für den anderen eingeht. Eine Bürgschaft ist die freiwillige Übernahme von
Verantwortung für einen anderen Menschen: Wenn ein Mensch für einen anderen Men-
schen bürgt, verspricht er, dessen Verpflichtungen zu erfüllen (z. B. dessen Schulden zu
bezahlen), falls der andere Mensch dies nicht tut. Eine Bürgschaft setzt also ein hohes Maß
an Vertrauen voraus. Der Mensch, der für einen anderen Menschen bürgt, wird als
„Bürge“ bezeichnet.
3. Versuchen Sie, Schiller Ballade (auf den folgenden Seiten) mit den Verständnishilfen in
der rechten Spalte zu lesen. Versuchen Sie, nur so viel zu verstehen, dass Sie die folgen-
den Verständnisfragen beantworten können.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
f. Warum meint Philostratus, dass Damon sein eigenes Leben retten soll?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
h. Wie reagiert das Volk, als Damon im letzten Moment wieder da ist?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
i. Wie reagiert der Tyrann (König) auf das Verhalten der Freunde?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Friedrich Schiller
Die Bürgschaft
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
12 Und die Sonne versendet glühenden Brand,28 28 Die Sonne verstrahlt glü-
Und von der unendlichen Mühe hende Hitze.
Ermattet sinken die Kniee.29 29
Er sinkt müde auf die
»O hast du mich gnädig aus Räuberhand, Knie.
Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,30 30
Du (der Gott) hast mich
Und soll hier verschmachtend verderben,31 vor den Räubern und aus
Und der Freund mir, der liebende, sterben!« dem Fluss gerettet.
31 Und nun soll ich hier ver-
dursten.
13 Und horch! da sprudelt es silberhell, 32 Das Geräusch von Was-
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen, ser ist zu hören und er
Und stille hält er, zu lauschen;32 lauscht/horcht.
Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell, 33
Aus dem Felsen kommt
Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,33 Wasser.
Und freudig bückt er sich nieder
Und erfrischet die brennenden Glieder.
14 Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün 34 Die Sonne malt riesige
Und malt auf den glänzenden Matten Schatten auf das glän-
Der Bäume gigantische Schatten;34 zende Laub der Bäume.
Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,35 35 Er sieht zwei Wanderer
Will eilenden Laufes vorüber fliehn,36 auf der Straße.
Da hört er die Worte sie sagen: 36
Er will eilig/schnell vor-
»Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.« beilaufen.
60
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
4. Teilen Sie die 20 Strophen in der Klasse so auf, dass jede Strophe von jeweils ein bis zwei
Personen übernommen wird. Lesen Sie „Ihre“ Strophe ganz genau und bitten Sie die
Lehrkraft um Hilfe, wenn Sie etwas nicht verstehen.
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
5. Hören Sie sich eine Rezitation von Marco Caduff aus dem Jahr 2011 an.
Quelle:
https://www.youtube.com/watch?v=T9tUl3j-A-U
6. Analysieren Sie in Partnerarbeit oder in Kleingruppen, wie der Text aufgebaut ist: In wel-
che thematischen Abschnitte lässt sich die Ballade untergliedern? Und was für Über-
schriften könnte man den thematischen Abschnitten geben?
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
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________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
b. Was lässt sich über das Reimschema und die Art der Reime sagen?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
8. Versuchen Sie, in Partnerarbeit oder Kleingruppen die folgenden Fragen zur Interpreta-
tion des Textes zu beantworten.
a. Warum lächelt der König „mit arger List“, als Damon ihn um eine dreitägige Frist bittet?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
b. Was für ein Verständnis von Freundschaft kommt in dem Text zum Ausdruck? Ist dieses
Verständnis realistisch? Welche Absicht steht hinter der Darstellung dieser Freund-
schaft?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
c. Welche Elemente in der Ballade stehen im Kontrast zum idealen Verhalten der Freun-
de? Welchen Einfluss hat das Ideal auf diese Elemente?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
d. Am Anfang des Textes steht ein gescheitertes Attentat (eine versuchte Revolution), am
Ende die Veränderung durch Vorleben des Ideals. Inwiefern ist das charakteristisch für
die Weimarer Klassik?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
9. Diskutieren Sie mit Ihrem Partner oder in Kleingruppen über die folgenden Fragen.
a. Gefällt Ihnen dieser Text? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
c. Was denken Sie über Schillers Vorstellungen von der Entwicklung der Gesellschaft?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Kapitel 6:
Texte aus der Epoche der „Romantik“
Aufgaben zu „Mondnacht“ (1835/37) von Joseph von Eichendorff
1. Schauen Sie die Bilder an und versuchen Sie in Partnerarbeit oder in Kleingruppen, sie
möglichst genau zu beschreiben:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
a. Was bedeutet für Sie „nach Hause kommen“ bzw. „zu Hause sein“?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
3. Lesen Sie Eichendorffs Gedicht „Mondnacht“ auf der nächsten Seite einmal OHNE Wör-
terbuch. Überlegen Sie zu zweit:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
4. Lesen Sie das Gedicht noch einmal und unterstreichen Sie Stellen, die Sie nicht verste-
hen.
66
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
MONDNACHT
Worterklärungen
Es war, als hätt der Himmel 1
ein zartes Leuchten der Blü-
Die Erde still geküßt, ten
Daß sie im Blütenschimmer1 2
ohne Wolken, sodass die
Von ihm nun träumen müßt. Sterne zu sehen sind
3
die Flügel ausbreiten, um los-
Die Luft ging durch die Felder, fliegen zu können
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar2 war die Nacht.
a. Wie viele Strophen mit wie vielen Versen à wie viele Silben hat das Gedicht?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
a. Auf welche Weise werden Himmel und Erde in der ersten Strophe personifiziert? Ver-
suchen Sie, diese Personifikation zu zeichnen.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
c. Was meinen Sie: Welche Elemente in der zweiten Strophe gehören zum Himmel und
welche zur Erde?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
d. Wie verläuft die Bewegung in den einzelnen Strophen (vertikal oder horizontal, nach
unten oder nach oben)?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
e. Zeichnen Sie die Bildlichkeit (Fliegen, Flügel, „nach Haus“) der dritten Strophe. Was
symbolisieren diese Bilder?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
b. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen diesem Symbol und der Bildlichkeit in
„Mondnacht“?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
68
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
8. Hören Sie sich drei verschiedene Vertonungen des Textes an. Wie gefallen Ihnen diese
Vertonungen und wie gut passen sie Ihrer Meinung nach zum Text?
9. Denken Sie in Partnerarbeit oder in Kleingruppen über die folgenden Fragen nach:
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
9
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=VcGtMEiVx_Y
10
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=l2QhFc_dsbM
11
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=qq6B1UmDVW4
69
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
70
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die wichtigsten Unterschiede zwischen „Wei-
marer Klassik“ und „Romantik“:
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72
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
a. b. c.
d. e. f.
2. Überlegen Sie, was für Märchen Sie kennen und was Sie über Märchen wissen.
a. Kennen Sie eines der Märchen aus Aufgabe 1? Oder kennen Sie noch andere deutsche
Märchen?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
c. Was ist typisch für vietnamesische Märchen (z. B. hinsichtlich Ort, Zeit, Personen,
Handlung, Sprache)?
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
3. Überlegen Sie in Partnerarbeit oder in Kleingruppen, was der Inhalt eines Märchens mit
dem Titel „Der Froschkönig“ sein könnte.
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b. Schauen Sie die Bilder12 an und versuchen Sie, eine Geschichte zu diesen Bildern zu
erzählen.
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12
Quelle: Angelika Lundquist-Mog (2012): Märchenhaft. Ein Kalender – viele Möglichkeiten. Unterrichtsvor-
schläge rund um das Thema Märchen. Illustratorin: Irmtraud Guhe. München: Goethe-Institut, S. 24.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
4. Hören Sie das Märchen13 einmal ganz und kreuzen Sie die richtigen Lösungen an.
13
Quelle: Video „Der Froschkönig“ (Animation: Anne Schmidt. Sprecher: Hans Paetsch), [online]
https://www.youtube.com/watch?v=ep5lbuA4EXA.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
5. Lesen Sie das Märchen in der folgenden Kurzfassung 14 oder in der Langfassung15 auf S. 78.
14
Quelle: Rosemarie Griesbach (1995): Deutsche Märchen und Sagen. Für Ausländer bearbeitet. 8. Aufl. Isma-
ning: Hueber.
15
Quelle: Angelika Lundquist-Mog (2012): Märchenhaft. Ein Kalender – viele Möglichkeiten. Unterrichtsvor-
schläge rund um das Thema Märchen. München: Goethe-Institut.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
6. Schauen Sie sich die typischen Merkmale eines Märchens an und ergänzen Sie danach
die untenstehende Tabelle.
Figuren
irreale Elemente
Ende
Sprache
16
Quelle (bearbeitet): Simone Heine (2010): Deutsche Literatur. Ein Lesebuch mit literarischen Texten. Fabeln,
Märchen, Kurzgeschichten. Vientiane: Nationaluniversität von Laos, S. 22.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
7. Auch die Figuren, Orte, Geschehnisse in Märchen können als Symbole interpretiert wer-
den. Was meinen Sie - welche symbolische(n) Interpretation(en) lässt das Märchen „Der
Froschkönig“ zu?
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
1. Schauen Sie das Video „UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal“ an und machen Sie
sich Notizen zu den folgenden Fragen:
a. Ergänzen Sie die Basisinformationen, die zu Beginn des Videos genannt werden.
Das Obere Mittelrheintal beginnt bei Rheinkilometer _________ in Bingen und Rüdes-
heim und endet bei Rheinkilometer ___________ in Koblenz. Diese einzigartige
_____________________________________________ lockt jährlich zahlreiche Touristen
aus aller Welt an. Ein großes Erlebnis ist eine ___________________________, _______
Kilometer lang. Dieser Bereich gilt als der schönste Teil des Rheins zwischen den
________________ und der ______________________. Hier gibt es weltweit die meisten
_______________________ und Schlösser, perfekt umrahmt von steilen
_________________________. Es gibt ______________________ Ecken auf Schritt und
Tritt.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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2. Lesen Sie den folgenden kleinen Text: Was ist die Loreley?
„Loreley“ ist der Name eines 130 m hohen Felsen im Oberen Mittelrheintal zwischen
Mainz und Koblenz („Ley“ oder „Lei“ ist im rheinischen Sprachraum eine häufig anzu-
treffende Bezeichnung für „Fels“). Der Felsen befindet sich an der engsten (nur 22 m)
und zugleich tiefsten Stelle des Rheins. Wegen der starken Strömungen und der im Was-
ser verborgenen Felsen war diese Stelle bis ins 19. Jh. äußerst gefährlich für die Schiffe.
3. Wenn auf einer Schiffstour das Schiff am Loreley-Felsen vorbeifährt, wird den Touristen
immer ein sehr bekanntes Lied vorgespielt. Hören Sie das Lied und versuchen Sie, die
Fragen auf der nächsten Seite zu beantworten.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
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4. Lesen Sie den Text des Liedes und unterstreichen Sie Stellen, die Sie nicht verstehen.
Heinrich Heine
DIE LORELEY
Worterklärungen
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, 1
ich kann es nicht vergessen
Dass ich so traurig bin; 2
ihr goldener Schmuck
Ein Märchen aus alten Zeiten, 3
Melodie
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.1
4
er wird furchtbar traurig
5
Die Luft ist kühl und es dunkelt, er achtet nicht auf die Felsen
Und ruhig fließt der Rhein; (im Wasser)
6
Der Gipfel des Berges funkelt der Schiffer und das kleine
Im Abendsonnenschein. Schiff gehen im Wasser unter
(versinken / ertrinken)
Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr goldnes Geschmeide2 blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
5. Lesen Sie den folgenden Text und beantworten Sie die untenstehenden Fragen.
Viele Deutsche denken, dass das Lied von der Loreley ein
Volkslied ist. Aber ähnlich wie das „Heidenröslein“ ist es
gar kein Volkslied, sondern eine Vertonung eines Ge-
dichts. Dessen Verfasser ist der Lyriker, Essayist und
Journalist Heinrich Heine (1797 – 1856), der zu den be-
deutendsten deutschsprachigen Autoren des 19. Jahrhun-
derts zählt. Er gilt als „letzter Dichter der Romantik“ und
zugleich als deren Überwinder.
Bis heute glauben auch viele Deutsche, dass die Geschich-
te von der „Jungfrau“, die auf dem Felsen sitzt und durch
ihren Gesang die Schiffer in den Tod reißt, tatsächlich ein
„Märchen aus alten Zeiten“, eine altdeutsche Rheinsage
ist. Doch in Wirklichkeit ist dieses „Märchen“ eine Erfin-
dung der Romantik.
Der Erfinder ist der romantische Lyriker Clemens Brentano, in dessen Ballade „Zu Bach-
arach am Rheine“ (1801) zum ersten Mal eine Zauberin namens „Lore Lay“ auftaucht.
Viel bekannter als Brentanos Ballade wurde jedoch die Variation von Heinrich Heine,
die erstmals 1824 in der Sammlung „Dreiunddreißig Gedichte“ und dann noch einmal
im „Buch der Lieder“ (1827) erschien. Im 19. Jh. wurde Heines Gedicht viele Male ver-
tont. Am bekanntesten wurde die Liedfassung von Friedrich Silcher (1837).
Wirklich alt ist in diesem Text allein das Motiv der Nixe (Wasserfrau), das in den My-
then, Märchen und Sagen vieler Völker vorkommt. Nixen sind unheilvolle Wasser-
frauen, die Männer oder auch Kinder verführen und sie auf den Grund des Gewässers
hinabziehen. Solche Nixen gibt es schon in der griechischen Mythologie: Hier heißen sie
„Sirenen“ und locken die Seefahrer mit ihrem betörenden Gesang in den Tod. Die älteste
überlieferte Fassung des Mythos findet sich in dem Werk „Odyssee“ des griechischen
Dichters Homer (ca. 8. Jh. v. Chr.).
In Heines Gedicht wird das Motiv insofern abgewandelt, als die Nixe jetzt oben, auf dem
Gipfel des Berges, angesiedelt ist, während der von ihr betörte Mann sich unten befindet.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
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6. Überlegen und erzählen Sie: Gibt es das Motiv der Nixe (Wasserfrau) auch in der vietna-
mesischen Kultur?
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7. Lesen Sie das Gedicht auf S. 3 noch einmal und versuchen Sie, die Bildlichkeit des Textes
arbeitsteilig zu zeichnen.
a. Gruppe 1: Strophen 1 – 2
b. Gruppe 2: Strophen 3 – 4
c. Gruppe 3: Strophe 5
d. Gruppe 4: Strophe 6
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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c. Was meinen Sie: Identifiziert das lyrische Ich sich mit dem Schiffer – ist es vielleicht
sogar mit ihm identisch? Oder gibt es zwischen beiden eine Distanz?
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d. Was meinen Sie: Warum ist das lyrische Ich „so traurig“?
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e. Vor allem aufgrund der sentimentalen Vertonung von Friedrich Silcher wurde Heines
„Loreley“ lange Zeit als Inbegriff deutscher Rheinromantik rezipiert. Heutige Literatur-
forscher tendieren hingegen dazu, den Text als ironische Kritik an der Romantik zu deu-
ten. Wie lesen Sie ihn?
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Nachbemerkung
Wegen seiner jüdischen Herkunft und seines kritischen Geistes wurde Heinrich Heine in
Deutschland immer ausgegrenzt. Auch sein Versuch, durch die christliche Taufe seine Anstel-
lungschancen als Jurist zu erhöhen, scheiterte. 1831 siedelte er nach Paris über. Nach dem Ver-
bot seiner Werke in allen deutschen Staaten (1835) wurde Paris zu seinem endgültigen Exil; er
sah Deutschland nur noch zweimal wieder.
In der Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945) waren Heinrich Heines Werke ebenfalls ver-
boten, wurden sogar öffentlich verbrannt. Zugleich wurde die Rheinromantik zu einem we-
sentlichen Bestandteil nationalsozialistischer Ideologie; das Loreley-Lied wurde einem „unbe-
kannten Verfasser“ zugeschrieben.
85
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Einleitung
• Fragen:
o Wie lautet der Titel des Gedichts, wer hat es geschrieben, wann ist es entstanden?
o Lässt sich das Gedicht einer bestimmten Epoche zurechnen?
o Worum geht es in dem Gedicht?
o Wer spricht in dem Gedicht? Gibt es ein lyrisches Ich?
o Welche Eindrücke hinterlässt das Gedicht bei der ersten Lektüre?
o Was für Fragen wirft der Text auf?
• Redemittel:
o Das Gedicht [Titel] von [Autor] wurde im Jahr xxx verfasst / wurde erstmals im Jahr
xxx veröffentlicht.
o Das Gedicht gehört zur Epoche xxx / ist der Epoche xxx zuzurechnen. / Das Gedicht
lässt sich keiner Epoche eindeutig zurechnen.
o Das Thema des Gedichtes ist … / In dem Gedicht geht es um … / In dem Gedicht
spricht ein lyrisches Ich über … / In dem Gedicht bringt ein lyrisches Ich xxx zum Aus-
druck. / In dem Gedicht wird eine Geschichte erzählt. Sie handelt von ….
o Beim ersten Lesen hinterlässt das Gedicht den Eindruck / das Gefühl, dass …
o Das Gedicht wirft die Frage auf, …
o Es gibt in dem Gedicht keine Reime. / Die Verse sind durch Kreuzreime / Paarreime /
umarmende Reime verbunden. / Das Reimschema ist …
o Die Reime sind durchgängig rein / teilweise unrein.
o Die Zeilen xxx und xxx haben einen weiblichen / männlichen Versschluss.
o In dem Text fallen die folgenden Stilmittel auf: ….
Interpretation
• Fragen:
o Welche Aspekte (z. B. besondere formale Merkmale, auffällige grammatische Struk-
turen, Wortwiederholungen, Wortfelder, Stilmittel wie z. B. Metaphern etc.) sind für
die Interpretation besonders relevant? Was für Deutungen lassen sich daraus ablei-
ten?
o Gibt es in dem Text Elemente, die sich als Sinnbilder bzw. Symbole interpretieren las-
sen? Was symbolisieren diese Elemente?
o Was könnte die Intention des Textes sein?
• Redemittel:
o xxx deutet darauf hin, dass …
o xxx lässt erkennen, dass …
o xxx lässt sich folgendermaßen interpretieren: … / xxx lässt die Interpretation zu,
dass …
o Eine mögliche Deutung von xxx ist, dass
o xxx symbolisiert / ist ein Symbol für / ist ein Sinnbild für …
Eigene Meinung
• Fragen:
o Gefällt Ihnen der Text? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
o Welche Aspekte finden Sie besonders interessant? Warum?
o Gibt es Aspekte, die Sie irritierend finden? Wenn ja, welche und warum?
o Ist der Text noch aktuell? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
• Redemittel:
o Aus meiner Sicht ist dieser Text … / Ich halte diesen Text für …
o Ich finde diesen Text sehr interessant / schön / berührend, weil …
o Besonders interessant ist, dass …
o Besonders irritierend / problematisch finde ich, dass …
o Ich denke, dass dieser Text immer noch aktuell ist / nicht mehr aktuell ist, weil …
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Kapitel 7:
Texte aus der Epoche der „Klassischen Moderne“
Aufgaben zu „Gibs auf“ (1922/33) von Franz Kafka
1. Beantworten Sie die folgenden Fragen zunächst für sich allein. Tauschen Sie sich dann in
Kleingruppen darüber aus.
a. Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine wichtige Entscheidung treffen (z. B. über Ihr wei-
teres Studium, Ihre Berufswahl, einen Auslandsaufenthalt, eine mögliche Heirat).
Wessen Meinung ist für Sie ausschlaggebend? Warum?
Die Meinung meiner Eltern
Die Meinung meiner Großeltern oder anderer Verwandter
Die Meinung meiner Lehrer
Die Meinung meiner Freunde
Meine eigene Meinung
Sonstiges:
Anmerkungen: _________________________________________________________
b. Stellen Sie sich vor, Sie waren mit einer Gruppe von Freunden im Kino. Alle Ihre
Freunde fanden den Film furchtbar schlecht, nur Sie allein fanden ihn gut. Wie wür-
den Sie reagieren?
Ich denke, dass meine Freunde doch alle keine Ahnung von Filmen haben.
Ich sage, dass ich den Film gut fand, und begründe das.
Ich bleibe zwar bei meiner Meinung, schweige aber lieber.
Es verunsichert mich sehr, wenn alle meine Freunde anders denken als ich. Ich be-
ginne dann, an meiner Meinung zu zweifeln.
Wenn alle meine Freunde sich einig sind, denke ich, dass sie Recht haben. Ich än-
dere meine Meinung.
Sonstiges:
Anmerkungen: _________________________________________________________
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
c. Haben Sie sich schon einmal getraut, einem Lehrer oder einer Lehrerin im Unterricht
zu widersprechen?
Ja, klar, das mache ich häufig.
Ja, manchmal traue ich mich – wenn ich meine Meinung gut begründen kann.
Es gab schon Momente, in denen ich meinem Lehrer oder meiner Lehrerin gerne
widersprochen hätte. Aber ich hatte nicht den Mut.
Es gab schon Momente, in denen ich meinem Lehrer oder meiner Lehrerin gerne
widersprochen hätte. Aber ich tue das nicht, weil ich es unhöflich fände.
Nein, ich würde einem Lehrer oder einer Lehrerin niemals widersprechen, weil ich
denke, dass er/sie es besser weiß als ich.
Sonstiges:
Anmerkungen: _________________________________________________________
_____________________________________________________________________
e. Welche der folgenden Aussagen trifft auf Sie persönlich am ehesten zu?
Ich weiß, was ich will, und ich gehe meinen Weg.
Ich habe eine grobe Vorstellung von dem, was ich will. Aber es ist mir immer wich-
tig, auch die Meinung anderer Menschen zu hören.
Mir ist noch nicht klar, was ich eigentlich will und was der richtige Weg für mich ist.
Aber ich versuche, es herauszufinden.
Ich möchte meine Eltern nicht enttäuschen. Ich wünsche mir, dass sie stolz auf mich
sind.
Ich möchte ein gutes Mitglied der Gesellschaft sein.
Ich habe keine Ahnung, was ich will, und will auch nicht danach gefragt werden.
Sonstiges:
Anmerkungen: _________________________________________________________
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
2. Lesen Sie den folgenden kleinen Text und unterstreichen Sie Wörter, die Sie nicht ver-
stehen.
Franz Kafka
GIBS AUF
Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als
ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, dass es schon viel später war,
als ich geglaubt hatte, ich musste mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Ent-
deckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch
nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann1 in der Nähe, ich lief zu
ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg. Er lächelte und sagte: „Von mir willst
du den Weg erfahren?“ „Ja“, sagte ich, „da ich ihn selbst nicht finden kann.“ „Gibs
auf, gibs auf2“, sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab3, so wie
Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.
Worterklärungen:
1
Polizist
2
aufgeben: = mit etwas aufhören, etwas nicht weitermachen, resignieren, keine Hoffnung mehr
in etwas setzen
3
er drehte sich schnell weg
Autornotiz:
Franz Kafka (1883 – 1924)
• wurde als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Prag geboren,
• promovierte im Fach Jura, arbeitete als Angestellter in einer Versi-
cherungsanstalt in Prag und starb 1924 an Kehlkopftuberkulose in
einem Sanatorium in der Nähe von Wien,
• entwickelte durch das problematische Verhältnis zu seinem Vater
ein Gefühl des Ausgeliefertseins, das ihn sein Leben lang begleitete,
• stellte in seinen Erzählungen und Romanen die Vereinsamung des
Individuums und seine Fremdheit in der Welt dar,
• schuf ein Werk, das durch seine Offenheit und Rätselhaftigkeit
Spielraum für eine Fülle von Interpretationen (psychologische, sozi-
ologische, philosophische, religiöse etc.) bietet,
• publizierte zu seinen Lebzeiten nur sehr wenige Texte – die meisten
seiner Werke wurden erst nach Kafkas Tod und gegen seinen Willen
von seinem Freund Max Brod veröffentlicht.
• Der Titel des Textes „Gibs auf“ stammt von Max Brod, der den Text
erstmals 1933 unter dem Titel „Die Auskunft“ veröffentlichte. Der
Text befand sich ohne Titel im Nachlass Kafkas.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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b. Was fällt an der Sprache und dem Satzbau des Textes auf?
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c. Was fällt an dem Dialog zwischen dem Ich-Erzähler und dem Schutzmann auf?
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d. Texte wie „Gibs auf“ werden als Parabel bezeichnet. In einer Parabel wird eine Geschichte
(Bildebene) erzählt, die auf einem Vergleich mit einer anderen, eigentlich gemeinten Situ-
ation (Sachebene) basiert. Der Leser muss das, was die Parabel aussagen will, selbst er-
schließen. Fast immer sind mehrere Interpretationen möglich.
Versuchen Sie, die Bilder/Situationen in Kafkas Parabel „Gibs auf“ zu interpretieren:17
17
Beispiel: Der frühe Morgen und die reinen, leeren Straßen können z. B. einen Neuanfang im Leben des Ich-
Erzählers symbolisieren.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
e. Was meinen Sie: Warum vergleicht der Ich-Erzähler die Uhren? Warum vertraut er der
Turmuhr mehr als seiner Armbanduhr?
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f. Was meinen Sie: Wie könnte man den Imperativ „Gibs auf“ interpretieren?
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4. Schauen Sie den Kurzfilm „Gibs auf!“ des Deutsch-Leistungskurses der Integrierten Ge-
samtschule Ernst Bloch, Ludwigshafen (Regie: Oliver Satter, Kamera: Pascal Gehrlein) an
und analysieren Sie ihn.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
https://www.youtube.com/watch?v=wN1GldCYcmk
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b. Im Vorspann des Films wird die Titelseite einer Zeitung vom 28. Februar 1933 eingeblen-
det:
Hintergrund: Im Juli 1932 war die NSDAP mit 37,3 % der Stimmen zur stärksten Partei im
Reichstag gewählt worden; am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler er-
nannt. Am 27. Februar 1933 brannte der Reichstag. Die Regierung beschuldigte die Kom-
munisten, diesen Brand gelegt zu haben. Einen Tag später wurde eine „Verordnung zum
Schutz von Volk und Staat“ („Reichstagsbrandverordnung“) erlassen, mit der alle Bürger-
rechte außer Kraft gesetzt wurden. Dies war der Beginn der NS-Diktatur.
Was meinen Sie: Warum wird in dem Video ein Bezug zu diesem historischen Ereignis her-
gestellt? Auf welche Weise interpretiert der Film damit Kafkas Parabel?
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Während die „Grundlagenkrise“ den Glauben an die Objektivität der Wissenschaften und an
die vollständige Erkennbarkeit der Welt erschütterte, kam es in der Literatur zu einer „Sprach-
krise“: Den Zweifel daran, dass die menschliche Sprache die Wirklichkeit wiedergeben kann,
formulierte der österreichische Lyriker, Dramatiker und Erzähler Hugo von Hofmannsthal
(1874 – 1929) in seinem fiktiven „Brief des Lord Chandos“ (1902). In diesem Brief findet sich
der Satz: „Die Worte zerfielen mir im Munde wie modrige Pilze.“
Besonders häufige Reaktionen der modernen Autoren auf die „Grundlagenkrise“ und die
„Sprachkrise“ waren:
• eine fragmentarische Sicht der Welt,
• viele Perspektivenwechsel, die die Relativität von Sichtweisen zeigen,
• Wiedergabe subjektiver Wahrnehmungs- und Bewusstseinsvorgänge,
• ästhetische Selbstreflexion.
Auch die Heterogenität der damaligen Literatur – in der „Klassischen Moderne“ gab es eine
große Vielzahl von literarischen Strömungen und individuellen Schreibweisen – lässt sich als
Reaktion auf die beiden „Krisen“ deuten.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
• Der Wiener Arzt Arthur Schnitzler (1861 – 1931) stellte in seinen Dra-
men und Erzählungen vor allem psychische Prozesse dar und war der
erste deutschsprachige Schriftsteller, der konsequent das literarische
Verfahren des „Bewusstseinsstroms“ einsetzte.
• Der in Prag geborene Dichter Rainer Maria Rilke (1875 – 1926) versuch-
te in seinen Gedichten, das innere Wesen der Dinge ergründen, und war
einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker überhaupt.
• Der in Lübeck geborene Schriftsteller Thomas Mann (1875 – 1955) woll-
te – wie sein Vorbild Goethe – vollendete Werke schreiben und wurde
für seinen Roman „Buddenbrooks“ (1901) mit dem Literaturnobelpreis
(1929) ausgezeichnet.
• Sein Bruder Heinrich Mann (1871 – 1950) meinte, dass Literatur und
Politik nicht voneinander zu trennen seien, und stellte in seinem Roman
„Der Untertan“ (1918) den Menschentyp dar, der später den National-
sozialismus möglich machte.
• Der in Prag geborene Schriftsteller Franz Kafka (1883 – 1924) stellte in
seinen Erzählungen und Romanen die Vereinsamung des Individuums
und seine Fremdheit in der Welt dar; er stand thematisch den „Expres-
sionisten“ und stilistisch den Autoren der „Neuen Sachlichkeit“ nahe.
• Der in Calw geborene Autor Hermann Hesse (1877 – 1962), der in der
Anfangsphase seines Schaffens noch in der Tradition der Romantik
stand, interessierte sich vor allem für das menschliche Individuum und
dessen Selbstverwirklichung; er erhielt 1949 den Literaturnobelpreis
und ist einer der meistgelesenen und übersetzten deutschen Autoren;
der literarische Wert seiner Werke ist aber umstritten.
• Der in Dresden geborene Autor Erich Kästner (1899 – 1974) gehörte mit
seinen Gedichten sowie publizistischen Texten zu den wichtigsten Ver-
tretern der „Neuen Sachlichkeit“; er war einer der wenigen regimekriti-
schen Autoren, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten
nicht emigrierten, und wurde in der Nachkriegszeit vor allem als Autor
von Kinderbüchern rezipiert.
• Der in Stettin geborene Schriftsteller Alfred Döblin (1878 – 1957)
schrieb den ersten und bedeutendsten deutschen Großstadtroman,
„Berlin Alexanderplatz“ (1929); in diesem Roman verzichtete er auf eine
fortlaufende Handlung und wandte eine Montagetechnik an, die er dem
neuen Medium Film entliehen hatte.
• Der in Augsburg geborene Autor Bertolt Brecht (1898 – 1956) war mit
seinem „epischen Theater“ einer der wichtigsten Dramatiker des 20.
Jahrhunderts und war mit seinen Gedichten auch ein bedeutender Ver-
treter der „Gebrauchslyrik“ der „Neuen Sachlichkeit“.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
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c. Was meinen Sie: In welcher Beziehung stehen der Mann und die Frau zueinander? Wie
sind ihre Gefühle?
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2. Diskutieren Sie in Kleingruppen: Können zwei Menschen (ein Mann und eine Frau) sich
ein ganzes Leben lang gegenseitig lieben?
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
3. Lesen Sie Erich Kästners Gedicht „Sachliche Romanze“ (unten) einmal ohne Wörterbuch.
Überlegen Sie zu zweit:
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4. Lesen Sie den Text noch einmal und unterstreichen Sie Stellen, die Sie nicht verstehen.
Erich Kästner
SACHLICHE ROMANZE
Worterklärungen
Als sie einander acht Jahre kannten
1 Ihre Liebe ging verloren.
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.1
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
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__________________________________ Quelle:
https://www.duden.de/rechtschreibung/Romanze
6. Versuchen Sie, die Form und die Sprache des Gedichts zu analysieren.
a. Wie viele Strophen mit wie vielen Zeilen hat das Gedicht? Was fällt dabei auf?
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b. Was für ein Reimschema und was für Reime gibt es? Was fällt dabei auf?
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d. Wer spricht in diesem Gedicht? Wie wird gesprochen? Und was für eine Zeitform wird
dabei benutzt?
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
a. In der ersten Strophe wird der Verlust der Liebe mit dem Verlust eines Huts oder Stocks
verglichen. Auf welcher Art von Ähnlichkeit („tertium comparationis“) basiert dieser
Vergleich?
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b. Wie werden in der zweiten Strophe das Verhalten und die Empfindungen der beiden
Personen dargestellt?
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c. In dem Gedicht kommt sehr oft die Konjunktion „und“ vor. Das einzige „und“, vor dem
ein Punkt steht, befindet sich in der achten Zeile. Was drückt dieser Punkt aus?
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d. In der dritten Strophe gibt Elemente (z. B. „Schiffen winken“), die sich als Sinnbilder
deuten lassen. Wofür stehen diese Sinnbilder? In welchem Verhältnis stehen sie zu
dem Verhalten des Mannes und der Frau?
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
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a. Hören Sie eine Vertonung des niederländischen Singer-Songwriters Herman van Veen.
Wie finden Sie diese Vertonung? Passt sie zu dem Gedicht?
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b. Schauen Sie einen Poesiefilm an, der im Rahmen eines Literaturseminars von Studie-
renden in Ho-Chi-Minh-Stadt produziert wurde. Wie finden Sie diesen Film? Passt er
zu dem Gedicht?
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Kapitel 8:
Texte aus der Epoche der „Trümmerliteratur“
Aufgaben zu „Das Brot“ (1946) von Wolfgang Borchert
1. Schauen Sie den Anfang eines Videos18 über Deutschland im Jahr 1945 an. Was erfahren
Sie über die damalige Situation?
2. Lesen Sie den folgenden kleinen Text19. Was erfahren Sie über die „Trümmerliteratur“?
Die Literaturperiode gleich nach dem Zweiten Weltkrieg wird als „Trümmerlitera-
tur“(auch „Heimkehrerliteratur“, „Kahlschlagliteratur“ und „Literatur der Stunde null“)
bezeichnet. Zur Namensgebung dieser Epoche tragen nicht nur die zerstörten Städte bei,
sondern vor allem auch die zerstörten Ideale und Vorstellungen der Menschen, die inmit-
ten der Ruinen um ihr Überleben kämpfen.
[…] Die Autoren der Trümmerliteratur wollen die Welt, die sich ihnen zu dieser Zeit prä-
sentiert, möglichst realitätsnah abbilden. Es geht nicht darum, das Dargestellte poetisch zu
verschleiern, sondern ein lebensnahes Bild zu entwerfen. In gewollt kargen und direkten
Beobachtungen werden das Geschehene und das Existierende durch eine lakonische Spra-
che genau beschrieben. Die Autoren setzen sich für eine „Reinigung der Sprache“ („Kahl-
schlag“) von der nationalsozialistischen Ideologie ein.
18
Quelle: GND (Gedächtnis der Nation): 1945. [Online] https://www.youtube.com/watch?v=uUnvfCjgMmw
[16.04.2017].
19
Quelle: Lektürehilfe.de: Trümmerliteratur. [Online] https://lektuerehilfe.de/literaturepochen/truemmerlitera-
tur [18.04.2017].
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
3. Lesen Sie die ersten zwei Absätze der Kurzgeschichte „Das Brot“. Überlegen Sie in Klein-
gruppen: Was für eine Situation wird hier dargestellt? Was könnte jetzt passieren?
DAS BROT
Plötzlich wachte sie auf. Es war halb drei. Sie überlegte, warum sie aufgewacht war. Ach
so! In der Küche hatte jemand gegen einen Stuhl gestoßen. Sie horchte nach der Küche. Es
war still. Es war zu still, und als sie mit der Hand über das Bett neben sich fuhr, fand sie
es leer. Das war es, was es so besonders still gemacht hatte: sein Atem fehlte. Sie stand auf
und tappte durch die dunkle Wohnung zur Küche. In der Küche trafen sie sich. Die Uhr
war halb drei. Sie sah etwas Weißes am Küchenschrank stehen. Sie machte Licht. Sie stan-
den sich im Hemd gegenüber. Nachts. Um halb drei. In der Küche.
Auf dem Küchentisch stand der Brotteller. Sie sah, dass er sich Brot abgeschnitten hatte.
Das Messer lag noch neben dem Teller. Und auf der Decke lagen Brotkrümel. Wenn sie
abends zu Bett gingen, machte sie immer das Tischtuch sauber. Jeden Abend. Aber nun
lagen Krümel auf dem Tuch. Und das Messer lag da. Sie fühlte, wie die Kälte der Fliesen
langsam an ihr hoch kroch. Und sie sah von dem Teller weg.
[…]
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4. Hören Sie die Kurzgeschichte „Das Brot“ (gelesen von Silvio Rauch20) einmal ganz und
kreuzen Sie zu den Fragen die richtige(n) Lösung(en) an.21
a. Wann wacht die Frau auf?
1. Um 1:30 Uhr.
2. Um 2:30 Uhr.
3. Um 3:30 Uhr.
b. Warum wacht sie um diese Zeit auf?
1. Draußen hat ein Hund gebellt.
2. Der Wecker hat irrtümlich geklingelt.
3. In der Küche ist jemand gegen einen Stuhl gestoßen.
c. Was macht die Frau immer, bevor sie abends zu Bett geht?
1. Sie macht überall das Licht aus.
2. Sie macht das Tischtuch sauber.
3. Sie fegt die Küche.
d. Wie alt ist der Mann?
1. Er ist 63 Jahre alt.
2. Er ist 65 Jahre alt.
3. Er ist 68 Jahre alt.
e. Nachts …
1. finden sie sich beide sehr attraktiv.
2. finden sie sich beide recht alt.
3. finden sie sich beide recht langweilig.
f. Wie lange ist das Paar verheiratet?
1. Sie sind seit 25 Jahren verheiratet.
2. Sie sind seit 31 Jahren verheiratet.
3. Sie sind seit 39 Jahren verheiratet.
g. Der Mann …
1. lügt seine Frau an.
2. hat Brot gegessen.
3. hat Milch getrunken.
h. Welches Geräusch hört die Frau, bevor sie einschläft?
1. Sie hört das Ticken der Uhr.
2. Sie hört den Regen, der gegen das Fenster tropft.
3. Sie hört das gleichmäßige Kauen ihres Mannes.
i. Wie viele Scheiben Brot pro Tag hat der Mann bislang gegessen?
1. Er hat zwei Scheiben Brot gegessen.
2. Er hat drei Scheiben Brot gegessen.
3. Er hat vier Scheiben Brot gegessen.
j. Wie begründet es die Frau, dass sie ihm eine Scheibe Brot abgibt?
1. Sie vertrage abends Brot nicht so gut.
2. Sie habe keinen Hunger.
3. Sie brauche weniger zum Essen, weil sie eine Frau sei.
20
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=WEbfeAQGAiM.
21
Quelle: Belgin Saygi (2018): Literaturtest zu der Kurzgeschichte „Das Brot“ von Wolfgang Borchert, [online]
https://lehrermarktplatz.de/material/2106/literaturtest-zu-das-brot-von-wolfgang-borchert [29.07.2018].
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
5. Lesen Sie den Text und unterstreichen Sie Wörter oder Passagen, die Sie nicht verstehen.
Wolfgang Borchert
DAS BROT
Plötzlich wachte sie auf. Es war halb drei. Sie überlegte, warum sie aufgewacht war. Ach so!
In der Küche hatte jemand gegen einen Stuhl gestoßen. Sie horchte nach der Küche. Es war
still. Es war zu still, und als sie mit der Hand über das Bett neben sich fuhr, fand sie es leer.
Das war es, was es so besonders still gemacht hatte: sein Atem fehlte. Sie stand auf und tappte
durch die dunkle Wohnung zur Küche. In der Küche trafen sie sich. Die Uhr war halb drei. Sie
sah etwas Weißes am Küchenschrank stehen. Sie machte Licht. Sie standen sich im Hemd ge-
genüber. Nachts. Um halb drei. In der Küche.
Auf dem Küchentisch stand der Brotteller. Sie sah, dass er sich Brot abgeschnitten hatte. Das
Messer lag noch neben dem Teller. Und auf der Decke lagen Brotkrümel. Wenn sie abends zu
Bett gingen, machte sie immer das Tischtuch sauber. Jeden Abend. Aber nun lagen Krümel
auf dem Tuch. Und das Messer lag da. Sie fühlte, wie die Kälte der Fliesen langsam an ihr
hochkroch. Und sie sah von dem Teller weg.
„Ich dachte, hier wäre was“, sagte er und sah in der Küche umher.
„Ich habe auch was gehört“, antwortete sie, und dabei fand sie, dass er nachts im Hemd doch
schon recht alt aussah. So alt wie er war. Dreiundsechzig. Tagsüber sah er manchmal jünger
aus. Sie sieht doch schon alt aus, dachte er, im Hemd sieht sie doch ziemlich alt aus. Aber das
liegt vielleicht an den Haaren. Bei den Frauen liegt das nachts immer an den Haaren. Die ma-
chen dann auf einmal so alt.
„Du hättest Schuhe anziehen sollen. So barfuß auf den kalten Fliesen. Du erkältest dich noch.“
Sie sah ihn nicht an, weil sie nicht ertragen konnte, dass er log. Dass er log, nachdem sie neu-
nunddreißig Jahre verheiratet waren.
„Ich dachte, hier wäre was“, sagte er noch einmal und sah wieder so sinnlos von einer Ecke in
die andere, „ich hörte hier was. Da dachte ich, hier wäre was.“
„Ich habe auch was gehört. Aber es war wohl nichts.“ Sie stellte den Teller vom Tisch und
schnappte die Krümel von der Decke.
„Nein, es war wohl nichts“, echote er unsicher.
Sie kam ihm zu Hilfe: „Komm man. Das war wohl draußen. Komm man zu Bett. Du erkältest
dich noch. Auf den kalten Fliesen.“
Er sah zum Fenster hin. „Ja, das muss wohl draußen gewesen sein. Ich dachte, es wäre hier.“
Sie hob die Hand zum Lichtschalter. Ich muss das Licht jetzt ausmachen, sonst muss ich nach
dem Teller sehen, dachte sie. Ich darf doch nicht nach dem Teller sehen.
„Komm man“, sagte sie und machte das Licht aus, „das war wohl draußen. Die Dachrinne
schlägt immer bei Wind gegen die Wand. Es war sicher die Dachrinne. Bei Wind klappert sie
immer.“
Sie tappten sich beide über den dunklen Korridor zum Schlafzimmer. Ihre nackten Füße
platschten auf den Fußboden.
106
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
„Wind ist ja“, meinte er. „Wind war schon die ganze Nacht.“
Als sie im Bett lagen, sagte sie: „Ja, Wind war schon die ganze Nacht. Es war wohl die Dach-
rinne.“
„Ja, ich dachte, es wäre in der Küche. Es war wohl die Dachrinne.“ Er sagte das, als ob er schon
halb im Schlaf wäre.
Aber sie merkte, wie unecht seine Stimme klang, wenn er log. „Es ist kalt“, sagte sie und
gähnte leise, „ich krieche unter die Decke. Gute Nacht.“
„Nacht“, antwortete er und noch: „ja, kalt ist es schon ganz schön.“
Dann war es still. Nach vielen Minuten hörte sie, dass er leise und vorsichtig kaute. Sie atmete
absichtlich tief und gleichmäßig, damit er nicht merken sollte, dass sie noch wach war. Aber
sein Kauen war so regelmäßig, dass sie davon langsam einschlief.
Als er am nächsten Abend nach Hause kam, schob sie ihm vier Scheiben Brot hin. Sonst hatte
er immer nur drei essen können.
„Du kannst ruhig vier essen“, sagte sie und ging von der Lampe weg. „Ich kann dieses Brot
nicht so recht vertragen. Iss du man eine mehr. Ich vertrage es nicht so gut.“
Sie sah, wie er sich tief über den Teller beugte. Er sah nicht auf. In diesem Augenblick tat er
ihr leid.
„Du kannst doch nicht nur zwei Scheiben essen“, sagte er auf seinen Teller.
„Doch. Abends vertrag ich das Brot nicht gut. Iss man. Iss man.“
Erst nach einer Weile setzte sie sich unter die Lampe an den Tisch.
22
Quelle (gekürzt und bearbeitet): Manfred Mai (2004): Geschichte der deutschen Literatur. Weinheim, Basel:
Beltz & Gelberg, S. 158-162.
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b. Was meinen Sie: Wann und wo spielt die Geschichte? Was deutet darauf hin?
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
a. Welche Rolle spielt in diesem Text der Gegensatz von Licht und Dunkelheit?
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b. Was meinen Sie: Ist die Ehe, die der Mann und die Frau führen, eine gute Ehe? Wa-
rum (nicht)?
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10. „Das Brot“ ist eine Kurzgeschichte. Der Name dieser Textsorte ist vom englischen Wort
„short story“ abgeleitet. Auf der nächsten Seite finden Sie eine Reihe von Merkmalen,
die vor allem für die deutsche Kurzgeschichte von 1945 bis 1955 kennzeichnend sind.
Schauen Sie sich die Merkmale an und überlegen Sie, welche davon in „Das Brot“ zu
finden sind.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
• Umfang:
o Eine Kurzgeschichte ist im Regelfall kurz: Die Geschichte soll in einem Leseakt gelesen wer-
den können.
• Inhalt:
o Der Ort des Geschehens wird im Regelfall nicht näher benannt. Der Leser weiß meistens
nicht, wo die Geschichte eigentlich spielt.
o Es gibt meistens nur wenige Figuren. Diese sind im Regelfall alltägliche Menschen, keine
Helden. Der Leser erfährt nur sehr wenig über sie.
o Die Handlung ist meistens knapp; oft geht es um ein alltägliches Geschehen. Im Mittel-
punkt der Geschichte steht zumeist ein besonderes kleines Ereignis, ein besonderer Mo-
ment, eine exemplarische Situation.
• Sprache und Erzähltechnik:
o Meistens gibt es keine Einleitung, sondern einen unmittelbaren Einstieg in die Handlung.
Personen werden oft nur durch Pronomina eingeführt.
o Die erzählte Zeit umfasst meist nur wenige Minuten oder Stunden.
o Im Regelfall wird chronologisch erzählt; das Tempus ist zumeist das Präteritum. Mitunter
gibt es innere Monologe oder Einblendungen anderer Geschehnisse.
o Der Sprachstil ist lakonisch: Es wird überwiegend Alltagssprache, teilweise auch Umgangs-
sprache, Dialekt oder Jargon verwendet.
o Es gibt viele Aussparungen, d. h. vieles wird nicht gesagt oder nur angedeutet. Der Leser
muss sich das Nicht-Gesagte selbst erschließen, z. B. anhand von Metaphern und Leitmoti-
ven (= wiederkehrenden Bild- oder Wortfolgen).
o Der Text enthält keine Wertungen, Deutungen, Lösungen. Der Leser soll alles selbst beur-
teilen.
o Am Ende gibt es einen offenen Schluss oder eine Pointe (d.h. ein geistreicher, überraschen-
der Schlusseffekt). Der offene Schluss „zwingt“ den Leser dazu, über das Geschehen nach-
zudenken.
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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c. Was für eine Bedeutung haben Brücken für die Entwicklung eines Landes?
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d. Was für übertragene (metaphorische) Bedeutungen kann das Wort „Brücke“ haben?
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e. Was ist der Unterschied zwischen „auf der Brücke“ und „an der Brücke“?
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2. Ende der 1940er-Jahre wurden in Deutschland viele Brücken gebaut. Was meinen Sie –
warum?
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3. Lesen Sie den ersten Absatz der Kurzgeschichte „An der Brücke“ von Heinrich Böll und
versuchen Sie, die untenstehenden Fragen zu beantworten.
AN DER BRÜCKE
Die haben mir meine Beine geflickt nach dem Krieg und haben mir einen Posten gegeben,
wo ich sitzen kann: Ich zähle die Leute, die über die neue Brücke gehen. Es macht ihnen ja
Spaß, sich ihre Tüchtigkeit mit Zahlen zu belegen, sie berauschen sich an diesem sinnlosen
Nichts aus ein paar Ziffern, und den ganzen Tag, den ganzen Tag, geht mein stummer
Mund wie ein Uhrwerk, indem ich Nummer auf Nummer häufe, um ihnen abends den
Triumph einer Zahl zu schenken. Ihre Gesichter strahlen, wenn ich ihnen das Ergebnis
meiner Schicht mitteile, je höher die Zahl, umso mehr strahlen sie, und sie haben Grund,
sich befriedigt ins Bett zu legen, denn viele Tausende gehen täglich über ihre neue Brü-
cke ….
[…]
a. Was erfährt man über den Ich-Erzähler? Was für ein Mensch ist das?
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b. Was meinen Sie: Warum wurden dem Ich-Erzähler die Beine „geflickt“? Und warum
bekommt der Ich-Erzähler einen Job, bei dem er „sitzen kann“?
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4. Lesen Sie die Kurzgeschichte „An der Brücke“ (auf den folgenden Seiten) ohne Wörter-
buch einmal ganz und kreuzen Sie zu den Fragen die richtige Lösung an.
a. Der Ich-Erzähler …
1. hilft beim Bau der neuen Brücke.
2. muss die Menschen zählen, die über die neue Brücke gehen.
3. ist arbeitslos.
b. Seine Auftraggeber …
1. freuen sich über hohe Zahlen.
2. finden Zahlen uninteressant.
3. halten die Zahlen des Ich-Erzählers für falsch.
c. Der Ich-Erzähler …
1. achtet sehr darauf, dass die Zahlen korrekt sind.
2. ist nur gelegentlich unaufmerksam.
3. hat Spaß daran, die Zahlen zu manipulieren.
d. Wenn die „kleine Geliebte“ über die Brücke geht, …
1. zählt der Ich-Erzähler besonders konzentriert.
2. hört der Ich-Erzähler mit dem Zählen auf.
3. zählt der Ich-Erzähler nur die „kleine Geliebte“ nicht mit.
e. Die „kleine Geliebte“ ist eine Frau, …
1. die der Ich-Erzähler eigentlich gar nicht kennt.
2. mit der der Ich-Erzähler eine Liebesbeziehung hat.
3. mit der der Ich-Erzähler eine Liebesbeziehung haben möchte.
f. Als eine Kontrolle kommt, …
1. merkt der Ich-Erzähler das gar nicht.
2. bekommt der Ich-Erzähler große Angst.
3. wird der Ich-Erzähler von einem Kollegen gewarnt.
g. Das Stundenergebnis des Ich-Erzählers …
1. ist zu hundert Prozent mit dem Ergebnis des Kontrolleurs identisch.
2. weicht um eine Person von dem Ergebnis des Kontrolleurs ab.
3. unterscheidet sich sehr stark von dem Ergebnis des Kontrolleurs.
h. Der Kontrolleur …
1. ist sehr zufrieden mit der Arbeit des Ich-Erzählers.
2. weiß nicht, wie er die Arbeit des Ich-Erzählers bewerten soll.
3. ist sehr unzufrieden mit der Arbeit des Ich-Erzählers.
i. Der Ich-Erzähler freut sich darüber, dass er nun Pferdewagen zählen soll, weil …
1. seine Arbeit dadurch abwechslungsreicher wird.
2. er Pferde liebt.
3. er dann fast nichts zu tun hat.
j. Der Ich-Erzähler träumt davon,
1. seiner „kleinen Geliebten“ zu sagen, dass er sie liebt.
2. seine „kleine Geliebte“ in der Eisdiele anzuschauen.
3. seine „kleine Geliebte“ zu heiraten.
5. Lesen Sie den Text noch einmal und unterstreichen Sie Wörter oder Passagen, die Sie
nicht verstehen.
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Heinrich Böll
AN DER BRÜCKE
Worterklärungen
Die haben mir meine Beine geflickt1 nach dem Krieg und haben mir 1
genäht, repariert
einen Posten2 gegeben, wo ich sitzen kann: Ich zähle die Leute, die 2
Job, Position
über die neue Brücke gehen. Es macht ihnen ja Spaß, sich ihre Tüch- 3
Fleiß
tigkeit3 mit Zahlen zu belegen, sie berauschen sich4 an diesem sinn- 4
sie begeistern sich
losen Nichts aus ein paar Ziffern, und den ganzen Tag, den ganzen
Tag, geht mein stummer Mund wie ein Uhrwerk, indem ich Num-
mer auf Nummer häufe, um ihnen abends den Triumph einer Zahl
zu schenken. Ihre Gesichter strahlen, wenn ich ihnen das Ergebnis
meiner Schicht mitteile, je höher die Zahl, umso mehr strahlen sie,
und sie haben Grund, sich befriedigt ins Bett zu legen, denn viele
Tausende gehen täglich über ihre neue Brücke …
Aber die Statistik stimmt nicht. Es tut mir leid, aber sie stimmt
nicht. Ich bin ein unzuverlässiger Mensch, obwohl ich es verstehe,
den Eindruck von Biederkeit5 zu erwecken. 5
Gewöhnlichkeit,
Insgeheim macht es mir Freude, manchmal einen zu unterschla- Langweiligkeit
6
gen6 und dann wieder, wenn ich Mitleid empfinde, ihnen ein paar verschweigen, ver-
heimlichen
zu schenken. Ihr Glück liegt in meiner Hand. Wenn ich wütend bin,
wenn ich nichts zu rauchen habe, gebe ich nur den Durchschnitt
an, manchmal unter dem Durchschnitt, und wenn mein Herz auf-
schlägt, wenn ich froh bin, lasse ich meine Großzügigkeit in einer
fünfstelligen Zahl verströmen.
Sie sind ja so glücklich! Sie reißen mir jedes Mal das Ergebnis förm-
lich aus der Hand, und ihre Augen leuchten auf, und sie klopfen
mir auf die Schulter. Sie ahnen ja nichts! Und dann fangen sie an
7
zu multiplizieren7, zu dividieren8, zu prozentualisieren, ich weiß rechnen (z. B.
3 x 3 = 9)
nicht was. Sie rechnen aus, wie viel heute jede Minute über die Brü-
8
cke gehen und wie viel in zehn Jahren über die Brücke gegangen rechnen (z. B.
9 : 3 = 3)
sein werden. Sie lieben das zweite Futur, das zweite Futur ist ihre
Spezialität – und doch, es tut mir leid, dass alles nicht stimmt …
Wenn meine kleine Geliebte über die Brücke kommt – und sie
kommt zweimal am Tag –, dann bleibt mein Herz einfach stehen.
Das unermüdliche Ticken meines Herzens setzt einfach aus, bis sie
in die Allee eingebogen und verschwunden ist. Und alle, die in die-
ser Zeit passieren9, verschweige ich ihnen. Diese zwei Minuten ge- 9
vorbeigehen / die
hören mir, mir ganz allein, und ich lasse sie mir nicht nehmen. Und Brücke überqueren
auch wenn sie abends wieder zurückkommt aus ihrer Eisdiele – ich
weiß inzwischen, dass sie in einer Eisdiele arbeitet –, wenn sie auf
der anderen Seite des Gehsteiges meinen stummen Mund passiert,
der zählen, zählen muss, dann setzt mein Herz wieder aus, und ich
fange erst wieder an zu zählen, wenn sie nicht mehr zu sehen ist.
Und alle, die das Glück haben, in diesen Minuten vor meinen blin- 10
feierlich vorbeimar-
den Augen zu defilieren10, gehen nicht in die Ewigkeit der Statistik schieren
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b. Was meinen Sie: Wann und wo spielt die Geschichte? Was deutet darauf hin?
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
a. Welches Verhältnis hat der Ich-Erzähler zu der wirtschaftlichen Entwicklung, für die
der Brückenbau steht? Fühlt er sich als Teil dieser Entwicklung?
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c. Welches Verhältnis hat der Ich-Erzähler zu den Statistiken, für die er die Zahlen liefert?
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e. Was meinen Sie: Wird der Ich-Erzähler seine „kleine Geliebte“ jemals ansprechen?
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f. Was ist für den Ich-Erzähler wichtiger: die Realität oder seine Phantasie? Und warum
ist das so?
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
10. Stellen Sie sich vor, es käme tatsächlich zu einer Begegnung und einem Gespräch zwi-
schen dem Ich-Erzähler und seiner „kleinen Geliebten“.
a. Überlegen Sie in Kleingruppen, wie die Situation aussehen könnte, in der es zu einem
Gespräch zwischen den beiden kommt.
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b. Überlegen Sie, wie sich der Ich-Erzähler verhalten würde, wenn er tatsächlich mit
seiner „kleinen Geliebten“ spräche. Wie und worüber würde er mit ihr sprechen?
Wäre er dabei unsicher oder selbstbewusst?
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c. Versuchen Sie, von außen – aus der Perspektive der „kleinen Geliebten“ – auf den
Ich-Erzähler zu schauen: Wie sieht er aus? Wie alt ist er? Wie wirkt er auf die junge
Frau? Wie könnte die junge Frau auf ihn reagieren?
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d. Verfassen Sie nun einen Dialog zwischen dem Ich-Erzähler und der „kleinen Gelieb-
ten“. Spielen Sie den Dialog im Plenum vor.
11. Welche Merkmale einer Kurzgeschichte erkennen Sie in „An der Brücke“?
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Kapitel 9:
Grundbegriffe der Erzähltextanalyse
Erläuterungen
Erzählertypen23
In literarischen Texten, die zur erzählenden Literatur (Epik bzw. Prosa) gehören, können un-
terschiedliche Arten von Erzählern vorkommen. Die drei wichtigsten Typen sind:
(1) Der auktoriale Erzähler:
Dies ist ein Erzähler, der nicht selbst in die Handlung verwickelt ist und von außen Regie führt.
Er kennt die Gedanken und Gefühle der Textfiguren; er überblickt auch Vergangenheit und
Zukunft. Aus dieser Überblickshaltung kann der Erzähler kommentieren und werten und sich
durch Voraussagen und Rückverweise einmischen. Er schaltet sich für den Leser spürbar als
sprechende und reflektierende Figur ein. – Er ist nicht mit dem Autor gleichzusetzen.
Die Geschichte wird aus der Perspektive einer Figur dargestellt, die selbst am Geschehen be-
teiligt ist. Die Leser verfolgen das Geschehen aus dem begrenzten Blickwinkel einer oder meh-
rerer Personen der erzählten Welt und nehmen an ihren Erfahrungen, Gefühlen und Reflexi-
onen teil. Der Erzähler tritt also hinter diese Figur(en) zurück. Erzählt wird in der Er-/Sie-Form.
– Vor allem in der Moderne gibt es häufig Figurenrede als „erlebte Rede“ (3. Person Indikativ
Präteritum) ohne Redeeinleitung zur Vermittlung der Gedanken einer Figur: Sollte sie hier den
Wagen verlassen? ... (vom Leser zu ergänzen: dachte sie).
23
Quelle (bearbeitet): Günther Einecke (2007): Erzählmittel, [online]
http://www.fachdidaktik-einecke.de/9b_Meth_Umgang_mit_Texten/erzaehlmittel.htm [29.07.2018].
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Erzählsituationen
Da auktoriale und personale Erzähler selten in Reinform auftreten, sprechen viele Literatur-
wissenschaftler (in Anlehnung an Franz K. Stanzel) lieber von „auktorialen Erzählsituationen“
und „personalen Erzählsituationen“. In den meisten Erzählungen wechseln auktoriale und
personale Erzählsituationen sich ab; die Übergänge sind oft fließend.
Beispiel für eine auktoriale Erzählsituation aus Franz Kafkas Erzählung „Das Urteil“
Es war an einem Sonntagvormittag im schönsten Frühjahr. Georg Bendemann, ein junger
Kaufmann, saß in seinem Privatzimmer im ersten Stock eines der niedrigen, leichtgebauten
Häuser, die entlang des Flusses in einer langen Reihe, fast nur in der Höhe und Färbung un-
terschieden, sich hinzogen.
(Hier blickt der Erzähler von außen auf die Hauptfigur Georg und seine Umgebung.)
Beispiel für eine personale Erzählsituation aus Franz Kafkas Erzählung „Das Urteil“
Was wollte man einem solchen Manne schreiben, der sich offenbar verrannt hatte, den man
bedauern, dem man aber nicht helfen konnte. Sollte man ihm vielleicht raten, wieder nach
Hause zu kommen, alle die alten freundschaftlichen Beziehungen wiederaufzunehmen – wo-
für ja kein Hindernis bestand – und im übrigen auf die Hilfe der Freunde zu vertrauen?
(Hier werden die Gedanken der Hauptfigur Georg in erlebter Rede wiedergegeben. Der Erzähler tritt
völlig hinter Georg zurück.)
120
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Auch in Ich-Erzählungen kann es Wechsel zwischen einer auktorialen und einer personalen
Erzählperspektive geben. In auktorialen Erzählsituationen ist das erzählende Ich deutlich prä-
sent, erzählt aus einer spürbaren Distanz, kommentiert und wertet das Geschehen. In perso-
nalen Erzählsituationen rückt die Sicht des erlebenden Ich in den Vordergrund; seine Wahr-
nehmungen und Gedanken werden häufig in erlebter Rede wiedergegeben.
Der Ich-Erzähler organisiert als erzählendes Ich (= Das Geschehen wird nur oder weitgehend aus der
sich erinnerndes Ich) die Elemente der Geschichte Sicht des erlebenden Ich (= erinnertes Ich) vermit-
von einem Standpunkt außerhalb des Geschehens; telt; daher liegt ein starkes Gewicht auf der inne-
er kommentiert, wertet oder distanziert sich von ren Handlung (Gefühle, Gedanken, Erinnerungen).
früherem Verhalten des erlebenden Ich.
→ Distanz → Unmittelbarkeit
Wenn Erzählzeit und erzählte Zeit ungefähr gleich sind, spricht man von zeitdeckendem Er-
zählen. Ist die Erzählzeit kürzer als die erzählte Zeit, spricht man von zeitraffendem Erzählen.
Ist die Erzählzeit länger als die erzählte Zeit, spricht man von zeitdehnendem Erzählen.
Wird die Handlung Schritt für Schritt chronologisch erzählt, spricht man von linearem Erzäh-
len. Wird die Chronologie durch Rückblicke in die Vergangenheit (Rückblenden) oder Hinweise
auf spätere Ereignisse (Vorausdeutungen) durchbrochen, spricht man von nicht-linearem Er-
zählen.
24
Quelle (bearbeitet): Lehrerinnenfortbildung Baden-Württemberg (2018): Neue Medien im Deutschunterricht.
Bernhard Schlink, Der Vorleser. Sprache: Erzählperspektiven, [online] https://lehrerfortbildung-bw.de/u_sprach-
lit/deutsch/bs/projekte/epik/der_vorleser/sprache/index.html [29.07.2018]
121
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
E = Erzählzeit (Zeit, die man zum [Vor-]Lesen Erklärungen und zukunftsge- zukunfts-
des Textes benötigt) Ergänzungen der wiss: ungewiss:
Gegenwarts- Erzähler kün- Aussagen
e = erzählte Zeit (Zeitumfang der erzählten Hand- handlung durch digt spätere der fikti-
lung, Dauer des Geschehens) Aufnahme von Ereignisse an ven Figu-
Vergangenem ren
(2) Szenische Darstellung: Ähnelt dem Dialog im Drama, enthält einen hohen Anteil direkter Äußerungen der
Figuren, wodurch erzählte Zeit und Erzählzeit beinahe deckungsgleich werden. Der Erzähler kann sich
einmischen oder völlig im Hintergrund bleiben.
(3) Beschreibung: Hier werden Aussehen oder Eigenschaften von Dingen, Personen, Sachverhalten beschrie-
ben. Es vergeht keine Zeit im Werk, während der Erzähler beschreibt.
(4) Reflexion: Die Handlung wird unterbrochen durch Betrachtungen, Wertungen, Erinnerungen etc., mit
denen der Erzähler die Ereignisse kommentiert. Der Erzähler erzählt nun weniger, sondern bespricht das
Geschehen mit sich selbst oder auch dem Leser.
25
Quelle: Lehrerinnenfortbildung Baden-Württemberg (2018): Neue Medien im Deutschunterricht. Bernhard
Schlink, Der Vorleser. Sprache: Zeitgerüst, [online] https://lehrerfortbildung-bw.de/u_sprachlit/deutsch/bs/pro-
jekte/epik/der_vorleser/sprache/index.html [29.07.2018]
122
Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
Sie ist immer ori- Sie ist als Nebensatz Typisch ist die 3. Per- Typisch ist die 1. Hier werden gram-
ginale Rede und (oft im Konjunktiv I) son Singular Präteri- Person Singular matische Bindungen
daher zeitdecken- immer dem Erzähler- tum, meist ohne re- Präsens. Der Erzäh- aufgelöst und nur
des Erzählen. Sie bericht untergeord- deeinleitende Ver- ler schlüpft in eine noch Bruchstücke
ist eine typische net. Inhaltlich gese- ben. Der Erzähler Figur hinein und von Gedanken dar-
Redeform des hen ist sie vom Erzäh- schlüpft in eine Fi- versucht, deren Ge- gestellt, um Be-
personalen Erzäh- ler ausgewählte und gur, um deren Ge- danken, Gefühle wusstseinsvorgän-
lens. zitierte Rede, d.h. danken und Gefühle und Wahrnehmun- gen so wiederzuge-
nicht originales und wiederzugeben, ist gen wiederzuge- ben, wie sie sich
nicht zeitdeckendes aber noch als Erzäh- ben. Er ist während auch in der Wirklich-
Erzählen. ler spürbar. des inneren Mono- keit abspielen; mo-
logs nicht mehr derne Erzählweise,
präsent meist ohne Zeichen-
setzung.
26
Quelle (bearbeitet): Lehrerinnenfortbildung Baden-Württemberg (2018): Neue Medien im Deutschunterricht.
Bernhard Schlink, Der Vorleser. Sprache: Erzählerbericht/Personenrede, [online] https://lehrerfortbildung-
bw.de/ u_sprachlit/deutsch/bs/projekte/epik/der_vorleser/sprache/index.html [29.07.2018]
123
ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Aufgaben
1. Welchen Erzählertyp (auktorialer Erzähler, personaler Erzähler oder Ich-Erzähler) erken-
nen Sie in den bisher gelesenen Texten?
Text Erzählertyp
Brüder Grimm: „Der Froschkönig“
Franz Kafka: „Gibs auf“
Wolfgang Borchert: „Das Brot“
a. Wird das Geschehen auf eine lineare oder nicht-lineare Weise erzählt?
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_____________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
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c. Schauen Sie sich die Textpassagen ab dem Beginn der Geschichte bis zu dem Moment
an, als die Frau vom gleichmäßigen Kauen ihres Mannes einschläft. Wie ist hier das
Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit? Zeitdeckend, zeitraffend oder zeitdeh-
nend?
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_____________________________________________________________________
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Lehr- und Arbeitsbuch zum Seminar „Deutsche Literatur 1“ (B. A.)
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_____________________________________________________________________
d. Fügen Sie für die Formen der Personenrede, die Sie gefunden haben, Textbeispiele in
die Tabelle ein.
Direkte Rede
Indirekte Rede
Erlebte Rede
Innerer Monolog
Bewusstseinsstrom
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ULIS – VNU Hanoi, Fakultät für Deutsche Sprache und Kultur
Literaturverzeichnis
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