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Paradigmakern und Theoriendynamik der Kritischen Theorie der Gesellschaft: Personen und
Programme
Author(s): Hauke Brunkhorst
Source: Soziale Welt, 34. Jahrg., H. 1 (1983), pp. 22-56
Published by: Nomos Verlagsgesellschaft mbH
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40877372
Accessed: 17-10-2015 21:33 UTC

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Paradigmakernund Theoriendynamik
der KritischenTheorie der Gesellschaft
Personen und Programme

Von Hauke Brunkhorst

Vorbemerkung

In den folgendenÜberlegungen zur Entwicklung der Kritischen Theorieder


frankfurterSchule*greifeich eine Reihe von Motivenund Unterscheidungen
deran T. S. KuhnsBegriff desParadigmasanschließenden wissenschaftshistorischen
Richtung der postempiristischenWissenschaftstheorie auf.1)
In derallgemeinsten Bestimmung ist einParadigmadie FormdersozialenInte-
grationeiner Gruppe von Wissenschaftlern: eine spezifische Lebensform oder
Lebenswelt.2) Für dieselassensichkeinelogischzwingenden Kriterien,notwendige
und hinreichende Bedingungen festlegen, die die Wissenschaft ein füralle mal von
anderen Formen der Sozialintegration unterscheiden. Zwischenverschiedenen
Paradigma-Gemeinschaften gibt es nur „Familienähnlichkeiten"3): eine offene
Listevon Beispielen,die bestimmte notwendige, aber keinehinreichenden Bedin-
gungenfür die Zugehörigkeit zu jenerListe erfüllen.4) Um das Besondereder
Wissenschaft näher zu bestimmen, muß deshalb die „logischeAnalyse" der
„Sätze"5)derWissenschaft durchempirische, historischeUntersuchungen derinne-
ren und äußerenEntwicklungsgeschichte konkreter Paradigmagemeinschaften er-
gänzt werden.
Wendetman sichder Theoriendynamikß) derfrankfurter Schule*zu, so lassen
sicheine Reihe von Merkmalenund Charakteristika die die Kri-
identifizieren,
tischeTheoriemitanderen,wenngleich nichtmitallenParadigma-Gemeinschaften
teilt:
1. Die KuhnsdienStandardmerkmale desTheorienwandels (Normalwissenschaft,
Rätsel,Anomalien,Krisen etc.) lassen sich auch an bestimmten Entwicklungs-
phasender Kritischen Theoriebeobachten. So ist die Phase relativkonsolidierter,
.normalwissenschaftlicher'Tätigkeitdie Zeit des New YorkerExils,die die Zeit-
schrift fürSozialforschung' eindrucksvoll dokumentiert. Es sind die Rätsel' des
Klassenbewußtseins, die sicham Ende der frühenKritischen Theorie7)zu hart-
näckigen Anomalien ausgeweitet haben und die der
Fortsetzung ,normalen' Arbeit

*) Vgl. Kuhn, T. S.: Die Strukturwissenschaftlicher


Revolutionen, 1967.
Frankfurt
Lakatos, I. / Musgrave, A.: Criticismand the Growthof Knowledge,
Cambridge1970; Scheffler, New York 1967;
I.: Science and Subjectivity,
T o u 1mi n , St.: Human Understanding,Princeton1972; Stegmüller, W.:
Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und der analytischenPhilosophie,
Band II, Teil D und E, Berlin 1973.
2) Die „BefürworterkonkurrierenderParadigma üben „ihren Beruf in verschiedenen
Welten aus", Kuhn, a. a. O., S. 198.
3) Wittgenstein, L.: Philosophische Untersuchungen,Frankfurt 1971, § 66 ff.
4) S t e g m ü 1 1 e r , a. a. O., S. 195 ff.
5) P o p p e r , K. R.: Logik der Forschung,Tübingen 1971, S. 3.
«) S t e e m ü 1 1 e r , a. a. O., S. 153 ff.
7) D u b i e 1 , H. : Wissenschaftsorganisationund politische Erfahrung. Studien zur
frühenKritischenTheorie, Frankfurt1978.

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Krit.Theoried. Gesellschaft 23

des Problemlösenszunächsterschweren, dannauchaus innerenGründenunmöglich


machen.Das zeigtsicha) in der Zuflucht zu immerkühneren Spekulationen und
riskanten ad-hoc-Hypothesen, von Pollockund Horkheimers Staatskapitalismus-
theoremüberdie Geschichtsphilosophie der instrumenteilen
Vernunft bis zu den
steilensozialpsychologischenThesen von der Gleichschaltung der Kleinfamilie
und dem Ende des Individuumsim autoritären und manipulad ven Charakter;
und es wirddeutlich b) in den Faschismuskontroversenderfrühen 40erJahre,die
die Einheitder ,Schulecsprengen.Die „Dialektikder Aufklärung" zieht dann
bereitsdie Konsequenzenaus der Krise,und sie leiteteine neue Entwicklungs-
phase der Kritischen Theorieein,in der die Krisedurchden Rückzughinterdie
LinieneineswissenschaftlichenForschungsprogramms auf Positionensubstantieller
Philosophie und Kulturkritik
sozialphilosophischer für lange Zeit latentgehalten
werdenkann.Sie brichterstwiederaus in derKonfrontation mitdergesellschaft-
lichenPraxisin der Studentenrevolte und in der Konfrontation mitden empiri-
schenWissenschaften Ende der60erJahre.
im ,Positivismusstreit'
2. NebendiesenAspekten derTheoriendynamik sindes vorallemzwei wichtige,
häufiganzutreffende CharakteristikaeinesParadigmas,die zum impliziten Hin-
tergrundswissen der KritischenTheorie(nebenanderenwesentlichen Momenten,
Motiven)gehören- und die immererstin Krisenexplizit
wie z. B. theologischen
und beobachtbar werden.

a) Die Existenz
einerexemplarischen Leistung.
wissenschaftlichen
Deren theoretischeIdealisierungengrenzenden Paradigmakern ein und systematisieren
die zentralenProblembereiche, die dann in konkreten Forsdiungsprogrammen bearbeitet
werdenkönnen.
MeineTheseist,daß in unseremFalle die stillschweigend zugrundegelegteparadigma-
tisdieLeistung(übrigensfürden gesamten,westlichen Marxismus')die Aufsatzsammlung
„Gesdiiditeund Klassenbewußtsein" die Marx-
von G. Lukácsist.8)Lukácsreinterpretiert
sdie Werttheorieso, daß sidi auf der GrundlagediesesParadigmakerns eine hegelmarxi-
stische Version der Klassenbewußtseinstheoriezwangslos mit einer webermarxistischen
Versionder Verdinglichungstheorie
integrierenläßt. Verstehtman Lukács Leistungnidit
- wie dieserselbst- als dialektischenHandstreich, der alle Problemebegrifflich
löst,
sondernals Paradigmaim KuhnsâienSinn,das „das zu lösendeProblem"allererstals ein
solchesempirischerForschung„stellt"9),dann ist der werttheoretischfundierteBogen,
der sichvon Hegel überMarx zu Weberspannt,zugleichder Horizont,der die geistige
Wirklichkeit Theorieumgrenzt.
der Kritischen InnerhalbdiesesHorizontseinerintellek-
tuellenLebensweltsteht die KritischeTheorie vor den durchLukacs aufgeworfenen
Problemen und der Verdinglichung.
des Klassenbewußtseins
b) Die Zentralreferenz.
Gleichsamontologische Grundvorstellungenüber die spezifische,Naturfdes Gegen-
überdessenrealeStruktur,
standsbereichs, sindein weitereswichtigesMerkmalparadigma-
tischerEntwürfe.So ist fürden älterenMarxismusfraglosder Klassenkampf (als repro-
duktionstheoretischgefaßteAneignungdes erwirtschafteten Mehrprodukts') das Grund-
Seins,währendim Neomarxismus
schemades gesellschaftlichen die „Zentralreferenzen"10)
abstrakterbei den Paradigmenvon ,System'und ,Lebensweltcansetzen.Diese Unterschiede
sind für die Theoriendynamik Theorie,insbesondere
der Kritischen für den Übergang
zu Habermas,von entscheidender Bedeutung.
Die Zentralreferenz oder die Grundvorstellungüber die ,Naturfoder das ,Sein*des
jeweiligenGegenstandsbereichskonfrontiertuns mit dem Problemdes gesellschaftlichen

8) Lukács, G.: Geschichteund Klassenbewußtsein,Amsterdam 1967.


9) Kuhn, a.a.O., S. 49.
10) Ritsert,in:Ritsert,J. /BrunkhorstfH.: Theorie, Interesse,Forschungs-
1978,S. 6.
Frankfurt
strategien,

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24 Hauke Brunkhorst

Seins und der Frage nachden fundamentalen Unterschieden zwischennaturwissenschaft-


lichenund sozialwissenschaftlichen
Paradigmen.11) hier nur ein Aspekt:
Uns interessiert
der selbstreferentielle Paradigmata.Ihre Grundannah-
Charatkersozialwissenschaftlicher
men enthaltenexplizitoder implizitVorstellungen über die eigeneRolle in der Gesell-
schaft;normativgehaltvolleIdeen über das wirkliche,das möglicheund das richtige
Leben; Wertbezüge etc. Insbesondere
setzensozialwissenschaftliche
Paradigmensichselbst
in Beziehungzu anderenParadigmender Soziologie.Marxistische Theorienansätze,die
sichan der Vermittlung von Theorieund Praxisorientieren, solcheBeziehun-
reflektieren
genin derRegelexplizit,so Horkheimer in demAufsatzüber„Traditionelle undKritische
Theorie",Lukãcs in seinenÜberlegungen zur bürgerlichenWissenschaft,Marx,indemer
die Kapitalismusanalyse als immanente„Kritik der politischenÖkonomie" entwirft,
oder Habermas,wenner KritischeTheorieals „Kritikder funktionalistischen Vernunft"
begründenwill.

Die 7 hese, die ich verteidigen möchte,lautet: Die früheKritischeTheorie


schließtauchin diesemPunktan Lukácsan und organisiert ihreZentralreferenz
an der Parzdigmenkonkurrenz von Historischem Materialismus und bürgerlicher
Wissenschaft,mit der sie nach der „Dialektikder Aufklärung" über-
Wissenschaft
haupt identifiziert.Diese abstrakteNegationder Wissenschaft ist am Ende ein
wesentlicherAspektder Krise der Kritischen Theorie,der Habermasheutedurch
ein anderesGrundschema, eben das von Systemund Lebenswelt,entkommen
möchte.
3. Die meistenVersuche, das in den Kontroversen um Kuhn12)am heftigsten
umstrittene Problemder Rationalitätzu lösen,laufenauf eine Unterscheidung
zwischeninternen,rationalenMotiven theoretischen Wandels und externen
Bedingungen und Determinanten des Paradigmawechsels, zwischender argumen-
tativ zugänglichen und verstehbaren Gründegeschichte, der semantisch sinnvoll
verknüpften Entwicklungs/og¿& und dernurvon außenerklärbaren und beobacht-
baren Kausalgeschichte, der kontingenten TiLnxwi&hmgsdynamik oder Ereignis-
hinaus.
geschichte13),
Ich werdedas Verhältnis internerGründeund externer Ursachenim folgenden
an den Punktendiskutieren, an denenin der Geschichte der KritischenTheorie
die Brücheliegen,an denendie ,normalec Wissenschaft ins Rutschen kommtund
die außerordentliche* in Bewegunggerät:am Übergangvon Grünberg zu Hork-
heimer,an der Krise der 40er Jahreund am Wechselzu Habermas.An diesem
Beispielwerdeichauchder Fragenachgehen, ob es sichhiera) um die Ausarbei-
tungeinesbis dahin als sozíúwissenschaftliches nochgar nichtoder nur unzu-
reichendentwickeltes Paradigmahandelt;oder b) um die interneWeiterentwick-
lungeinesim GrundeseitMarx identischen Paradigmas;oderc) um ein mitdem
alten Paradigmakern inkompatibles neues Paradigma(etwa nach dem Muster
,vomMaterialismus zur Kommunikationstheorie')?

n) Vgl. Bernstein, ierung der Gesellschaftstheorie,Frankfurt


R. J.: Re Struktur
1979, S. 169ff.
12) Vgl. die unter1) zitierteLiteratur.WichtigeHinweise zum Rationalitätsproblem
entnehme ich einemhekt.Manuskriptvon Kocyba, H. : „Positivitätdes Wissens
und Rekurrenzder Begründung - Zum Verhältnisvon Wissenssoziologie und Er-
kenntniskritik",Frankfurt1982; zum Problemvgl. ferner:Rorty, R.: Zur Lage
der Gegenwartsphilosophie in den USA (im Erscheinen) ; Habermas, J.: „Die
Philosophieals Platzhalterund Interpret",Vortragsmanuskript, Hegel-Kongreß
Stuttgart1981.
um die Problemerationaler,
Wissenschaftstheorie
13) Die Diskussionderpostempiristischen
internerKonstruktion beginntmit I. Lakatos (vgl. Lakatos / Musgrave,
a.a.O.; vgl. auch Lakatos, I.: The Methodology of Scientific Research Pro-
grammes, Papers, V. I, London1974.
Philosophical

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Kriu Theoried. Gesellschaft 25

Ich diskutiere
im folgenden Leistung'Lukács',den
zunächstdie exemplarische
Anschlußder Theoriendynamik der Kritischen
Theoriean dieseLeistungund die
Brücheam Beginnund am Ende der frühenKritischen Theorie;zum Schluß
diskutiereichdann die Wendezu Habermas:die Veränderungen und die konse-
quent sozialwissenschatfliche
Fassung der Zentralreferenz
und des Paradigma-
kerns.

1. Lukács und die Theoriendynamikder frühenKritischenTheorie

Mit seinemWerk„Geschichte und Klassenbewußtsein" hatteder frühemarxi-


stischeLukács nachEnde des ErstenWeltkriegs den Grundstein fürden „west-
lichenMarxismus"gelegt.Der Kernvon LukãcsWerkist nebender Theoriedes
Klassenbewußtseins eineVerknüpfung derMarxsàien„Kritikderpolitischen Öko-
nomie"mitMax WebersTheoriedes welthistorischen Rationalisierungsprozesses.
Damit eröffnete LukácseineNeuinterpretation von Marx aus derOptikdes Ver-
dinglichungsbegriffs.
Verdinglichung ist,schlichtgesagt,das „Erscheinenvon Menschen undzwischen-
menschlichen Beziehungen als Objekte,Dinge und als Verhältnisse zwischenOb-
der
jekten,Dingen".14)Paradigma Verdinglichung ist fürMarx die kapitalistische
Warenwirtschaft, die Vermittlung zwischenmenschlicher Beziehungendurchden
weltweitexpandierenden Austausch von Waren,spezielldurchdas zentraleSteue-
rungsmedium Geld. Die wesentlichen Aspektevon Verdinglichung sind Quanti-
fizierungund Abstraktion.
Die Waren/orwentstehtan den Grenzenprimitiver Gesellschaftenzu ihrer
sozialenUmwelt:„In derTat erscheint derAustauschprozeß von Warenursprüng-
lichnichtim Schoßdernaturwüchsigen Gemeinwesen, sondernda, wo sie aufhören,
an ihrenGrenzen,denwenigenPunkten,wo sie in KontaktmitanderenGemein-
wesentreten.Hier beginntder Tauschhandel, und schlägtvon da ins Inneredes
Gemeinwesens zurück,auf das er zersetzendwirkt."15) Dieser ersteSchrittzur
„Entkoppelung" des Wirtschaftssystems von dersozialenLebenswelt16) machtdie
Warenform freilichnoch nicht„zur konstitutiven Form einer Gesellschaft"17),
zu dieserwird sie erst,wie Lukács immerwiederbetont,wenn sie „sämtliche
Lebensäußerungen der Gesellschaftdurchdringt"18): im „modernenKapitalis-
mus"19),als dessen„zentrales,strukturelles Problem"sie erscheint.20) Jetzterst
gewinnt die von der ursprünglichen ,Zersetzungc des Gemeinwesens durch die
Rückwirkungen der Warenform ausgehende„Verdinglichung eine entscheidende
Bedeutungsowohl für die objektiveEntwicklung der Gesellschaft wie für das
VerhaltenderMenschen zu ihr".21)UrsachederVerdinglichung ist fürLukácsdie
kapitalistischeEntwicklung. Kern dieserEntwicklung ist - und hier schließt
Lukács unmittelbar an Max Weberan - eine ständig„zunehmende Rationali-
sierung".22)

14) M a r c u s e , H.: Zeit-Messungen, 1975,S. 9.


Frankfurt
15) M a r x , K.: Zur KritikderPolitischen Ökonomie,Berlin1971,S. 47.
16) Habermas, J.: Theoriedes kommunikativenHandelns,Band 2, S. 229 rt.
li) L u k á c s , a. a. U., 5. V6.
«) A. a. O., S. 94, 96 usw.
") A. a. O., S. 95.
*°) A. a. O., S. 94.
21) A. a. O., S. 97.
2a) A. a. O., S. 99.

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26 Hauke Brunkhorst

Die KlammerzwischenMarx jVerdinglichung* und Webers,Rationalisierungc


ist fürLukács das Prinzipder Kalkulierbarkeit. Ist im Kontextder Marxsdien
Arbeitswertlehre Verdinglichung unmittelbar mitderQuantifizierung von Arbeits-
leistungen in Zeit-Geld-Relationen verknüpft, so ist fürWeber Rationalisierung
„das WissenoderderGlaubedaran,. . . daß man. . . alle Dinge- im Prinzip-
durchBerechnen beherrschen könne".Genau dies nenntWeberauch „die Ent-
zauberungderWelt".23)Und Lukácsschreibt: „Für unsist das Prinzip,das hier-
bei zur Geltunggelangt,am wichtigsten: das Prinzipder auf Kalkulation,auf
Kalkulierbarkeit eingestellten Rationalisierung."24)
SchonfürWeberselbstwar das Geld dasjenigeMedium,das die Bedingungen
formalerRationalitätam reinstenverkörpert: „Rein technisch gesehenist Geld
das ,vollkommenste' wirtschaftliche Rechnungsmittel, das heißt: das formalra-
tionalsteMittel der Orientierung wirtschaftlichen Handelns."25)Doch gerade
darinstecktdas Problem,das Marx und dannvor allemdie westlichen Marxisten
so beunruhigt hat: die Kraft der Realabstraktion.2*) Weberhat sie gesehen:
„RationaleWirtschaft ist sachlicherBetrieb.Orientiert ist sie an GeWpreisen, die
im Interessenkampf der Menschen untereinander auf demMarktentstehen. Ohne
Schätzungin Geldpreisen,also: ohne jenen Kampf,ist keinerleiKalkulation
möglich. Geld ist das Abstrakteste und Unpersönlichste, was es im Menschenleben
gibt.««)
Die Rationalisierung des Arbeitsprozesses machtdiesenzu einemvon seinem
menschlichen Träger abstrahierten funktioneilen mechanischen System.Für die
miteinander kommunizierenden menschlichen Akteureist in dieser„rationalen
Ordnung"nurPlatz, insofern sie „brauchbare Instrumente (sind),die Weltratio-
nal umwälzenund zu beherrschen"28), ansonstensind sie, so Lukács, „bloße
Fehlerquellen".29)
Die Verschachtelung der Weberschen Rationalisierung* mit der Marxsdien
jVerdinglichung* geht bei Lukács so weit, daß er schließlich in einemAtemzug
von „rationellverdinglichten Beziehungen"spricht.30) Im Anschlußan Marx
sprichtLukács auch von der Universalität der Warenkategorie: „Denn nur als
des
Universalkategorie gesamtengesellschaftlichen Seins ist die Ware in ihrer
unverfälschten Wesensartbegreifbar."31) Und im Anschlußan Weber drückt
Lukács denselbenSachverhalt mit den Wortenaus, „daß das Prinzipder ratio-
nellen Mechanisierung und Kalkulierbarkeit sämtlicheErscheinungsformen des
Lebenserfassen muß."32)
Darin steckteine ebenso beachtliche wie überraschende Akzentverschiebung
gegenüber dem bis dahin üblichen und auch heutenochbei Orthodoxenaller
Schattierungenkanonisierten Marxverständnis. Die Rekonstruktion des kapitali-
stischenVerdinglichungszusammenhangs mit Hilfe des Rationalisierungsbegriffs

28) Weber, M.: „Wissenschaft als Beruf", in: ders., Schriften zur theoretischen
Soziologie der Politik und Verfassung,Frankfurt1947, S. 8.
24) L u k á c s , a. a. O., S. 99 f.
Tübingen1956,S. 61.
und Gesellschaft,
**) W e b e r , M.: Wirtschaft
26i Vel. Sohn-Rethel,A.: Arbeit,Frankfurt
Geistigeund Körperliche 1970.
*i) Weber, M.: Gesammelte Bd. I, Tübingen1920,
Aufsätzezur Religionssoziologie,
S. 544.
28) A. a. O., S. 535.
2») Lukács, G, a.a.O., S. 100.
») A. a. O., S. 102f.
31) A. a. O., S. 97.
82) A. a. O., S. 103.

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Kriu Theoried. Gesellschaft 27

führtnämlichzu einer(freilich stillschweigenden) Relativierung, wennnichtPreis-


gabe des klassischen Basis-Überschau-Schemas , der These von der „Letztinstanz-
lichkeitdes ökonomischen". Zwar mag der Rekursauf ökonomische Klassenver-
hältnissenach wie vor einen weitenBereichsozialer Ereignisseund Prozesse
zureichenderklären,aber dahinterwird als gleichsamtiefergreifende Ursache
der dehumanisierenden Nebenfolgender kapitalistischen Entwicklung, als die
ökonomische Basis übergreifende Ursachedermodernen Verdinglichung der welt-
historischeRationalisierungsprozeß sichtbar.In der Ausdifferenzierung rational
organisierterSozialsysteme in Wirtschaft, Staat und Rechtist ein Grundprinzip
der Entwicklung modernerGesellschaften wirksam,das allgemeiner ist als das
Organisationsprinzip der kapitalistischen Produktionsweise. Nur unter dieser
stillschweigenden Voraussetzung kann Lukãcs Max Weherals Zeugen für die
Marxsdie,an derökonomischen Kernstruktur haftende Verdinglichungskonzeption
zitieren.33)
Zweifellosverstärkt sichbei Lukãcs das kulturkritische Motiv im Marxismus.
Aber die Verknüpfung von Marx und Webermachtaus Lukács weder einen
reinenModernisierungstheoretiker nocheinenreinenKulturkritiker, der bei der
„bloßenBeschreibung" der„äußerlichen Erscheinungsformen derVerdinglichung"34)
stehenbliebe.Auchdie von mirskizzierteRelativierung der ökonomischen Basis-
Überbau-Theorie konnteLukácsvorerstvermeiden um
(freilich einen recht hohen
Preis).Er konntesomitauchein Auseinandertreten der Kapitalismuskritik in a)
eine Kritikder ungerechten Verteilungdes Reichtums, d. h. des ökonomischen
Klassenverhältnissesund b) eine Kritikder vom Klassenverhältnis unabhängigen
unerwünschten (dehumanisierenden und verdinglichenden) Nebenfolgen des Mo-
dernisierungs-und Rationalisierungsprozesses unterlaufen.
Warum?WeilLukácsin „Geschichte undKlassenbewußtsein" seineRekonstruk-
tionder Marxschen Theorienichtnurauf die Verdinglich ungs-Rationalisierungs-
Theorie,also auf einenmit den AugenWebersund der Kulturkritik gelesenen
Marx stützt,sonderndarüberhinausauf eine philosophische Theorieüber das
Verhältnisvon Theorieund Praxis. Ich meinedamitdie Theoriedes Klassen-
bewußtseins. Diese hat nunmitWeberund derKulturkritik nichtszu tun.Lukács
entwickelt sie, indemer Marx mit den AugenHegels und, was die erkenntnis-
theoretische Funktiondes Klassenbewußtseins und die Konstruktion des Praxis-
begriffs angeht,mit denenKants und Fichtes liest.Die theoretische Originalität
von „Geschichte und Klassenbewußtsein" ist also, nebender Verknüpfung von
Marx und Weberin der Verdinglichungs théorie,die von Hegel und Marx in der
Klassenbewußtseinstheorie. Allerdingsist letztere,die die spekulativeEinheit
der MarxsdienGesellschaftstheorie mitden praktischen Handlungsorientierungen
der Arbeiterim proletarischen Klassenbewußtsein behauptet, von vornherein mit
erheblichenHypotheken belastet.
Allein, mit Hilfe dieser Konstruktion gelingtLukács beides zugleich:den
orthodoxen Marxismus zu bestätigen undihnzu revidieren, indemer die Revision
in das orthodoxeGrundschema einbaut.Er ist deshalbwederzu einerexpliziten
Relativierung der Thesevom Primatdes ökonomischen nochzu einerTrennung
der Kritikin Kritikder Klassenherrschaft einerseits und Kulturkritik anderer-
seitsgezwungen. Das ist die eigentlichedialektische Leistungvon „Geschichte und
Klassenbewußtsein" und der theoriestrategische Sinn der MarxsdienArbeits-
M) A. a. O., S. 106-108.
*) A. a. O., S. 106.

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28 Hauke Brunkhorst

Werttheorie. Genau das leistetdie Werttheorie bei Lukàcs: die Integrationder


,Weber-Marxistischen* Verdinglichungs théoriemitder hegelmarxistischen Klassen-
bewußtseinstheorie. Beide Theorienkann Lukàcs nämlichim unmittelbaren An-
schlußan die MarxsdieWerttheorie entwickeln. Dabei ist, wie wir sahen,der
Begriff der Rationalisierung Interpretament fürdie Verkehrung derBeziehungen
zwischenPersonenin BeziehungzwischenDingen im Warentausch, und der
idealistische
Begriff des Selbstbewußtseins ist Interpretament fürdie im Kapitalis-
mus ebenfallsüber den Austauschvon Waren,nämlichder Ware Arbeitskraft
gegenvariablesKapital,vermittelte Dynamikdes Klassenkampfes.
Die Verdinglich e
ungsthorie führtzu dem unorthodoxen Schluß,daß die Ver-
dinglichung fürdie Bourgeoisie im Prinzipdieselbenverheerenden Auswirkungen
hat wie fürdas Proletariat- ebenweil sie alle „Lebensformen derGesellschaft"
auf GrundderUniversalisierung der Warenform übergreift. „Die Verdinglichung
aller Lebensäußerungen teilt das Proletariat. . . mit der Bourgeoisie. . .: die
objektiveWirklichkeit istin ihrerUnmittelbarkeit fürProletariat und Bourgeoisie
dieselbe'." ; „. . . die Verdinglichung (ist) die notwendige unmittelbare Wirklich-
keitfüreinenjedenim Kapitalismus lebendenMenschen."85)
Die Klassenbewußtseinstheorie aber hält die alles entscheidende orthodoxe
Differenzierung fest: Je nach Klassenlage ist die Möglichkeit, den Verdinglichungs-
zusammenhang zu durchbrechen und die eigenePositioninnerhalbdiesesZusam-
menhangszu erkennen, total verschieden. DerselbeProzeß der kapitalistischen
Entwicklung erzeugt an beiden Polen der entgegengesetzten Klasseninteressen
einengänzlichanderenobjektivenSinngehalt:Treibter den idealtypischen Kapi-
talistenimmertieferin den isoliertenInstrumentalismus, also in die Verding-
lichunghinein,so konstituiert er das Proletariatschließlich als selbstbewußte
Klasse,das die Vereinzelung aufhebt.Bleibtder Kapitalistgleichsam in der fal-
schenUnmittelbarkeit hängen,so erlösendie dialektischen Vermittlungen qua
Klassenlagedas Proletariatam Ende aus der Verstrickung.36) Führtalso das
Selbstbewußtsein der eigenenLage die Bourgeoisiemittenin die bekannten
„Antinomien des bürgerlichen Denkens",37) so zieht es das Proletariat(wenig-
stensder„Tendenz"nachund mitder„Intention auf das Richtige")zur richtigen
Erkenntnisder gesellschaftlichen Wirklichkeit auf die Höhe der dialektischen
Theorieder Gesellschaft. Die Ursachefür diese grundlegende Differenzfindet
Lukàcs in der MarxsdienWerttheorie, durchdie hindurchihm tatsächlich die
von
Integration Verdinglichungs- und Klassenbewußtseinstheorie gelingt.
Die wesentliche Differenz,die das Proletariatzum eigentlichen „Träger"38)
und Adressatender Theorie,zum „wahrenSubjekt"39)der Geschichte, zur Er-
füllung„des Programmsder klassischenPhilosophie"40) werdenläßt, ist die
spezifischeStellungdes Arbeiterszur Warenform, also der schlichte Umstand,
daß die Arbeiternur überlebenkönnen,indemsie als Arbeitskraft zur Ware
verdinglicht werden.Diese Verdinglichung der lebendigen Arbeitzur Wareist in
der Tat der Kern der Marxsdien Mehrwerttheorie, an der die gesamteDynamik
des Klassenantagonismus hängt. Gerade wegen dieser „Verwandlung der Arbeit

35) A. a. O., S. 165, 216.


S6) A.a.O., S. 188.
87) A. a. O., S. 122ff.
38) A.a.O., S. 194.
w) A. a. U., 5. 1V8.
w) A. a. u., à. ¿¿s.

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Krit.Theoried. Gesellschaft 29

in Ware" wird „fürden Arbeiterder verdinglichte Charakterder unmittelbaren


Erscheinungsweise der kapitalistischen Gesellschaft auf die äußersteSpitze getrie-
ben".41)
Um nunvon dieser„äußersten Spitze",dem„Höhepunkt"der Verdinglichung
zum direktenGegenteil,zum Klassenbewußtsein zu gelangen,brauchtLukács
Hegels Dialektikdes Selbstbewußtseins. Die Ware Arbeitskraft unterscheidetsich
nämlichvon allen Warendes kapitalistischen Universums dadurch,daß sie denkt,
und,was das entscheidende ist,sichselbstals Waredenkt.Blicktdie WareArbeits-
kraftauf sichselbst,so erblickt sie eineWare,und zwar eine solche,ohnederen
Verkaufdas kapitalistische Systemzusammenbrechen würde,die also im Zentrum
diesesSystemssteht.Diese Einsichtin die zentralegesellschaftliche Funktionder
selbstbewußten Ware Arbeitskraft ist in nuce das „Klassenbewußtsein", „seinem
Sinnenach"die „Intention auf die TotalitätderGesellschaft".42)
Da nunLukácsdieses„Selbstbewußtsein der Ware"*s)im Sinnederreflexiven
Selbstbeziehung der idealistischen Philosophiebegreift, ist fürihn der Akt der
Selbsterkenntnis zugleichder Akt der Selbsterzeugung einesSubjekts.Aus der
WareArbeitskraft wirddadurch,daß sie sichselbstals Wareerkennt, etwasande-
resals das, was dieselbeWare füreinenneutralen Beobachter des kapitalistischen
Warenmarktes unabhängigvon diesemSelbstbewußtsein objektivwar. Deshalb
ist fürLukácsdas „Selbstbewußtsein der Ware" derBeginnder Vermittlung von
Theorieund Praxis,die im Klassenbewußtsein zur Einheitvon MarxsdierTheorie
undrevolutionärer Aktiongelangt.Den AktderKonstitution von Klassenbewußt-
sein nenntLukács im SchlußsatzseinesAufsatzesüberdie Verdinglichung, fast,
als wolle er nocheinmalFichtesGeistbeschwören: „die - freie- Tat des Prole-
tariats".44)
IchfassedenGangvonLukácsArgumentation zusammen:
1. Die Arbeitist diejenigeWare,die als einzigeim kapitalistischen Warenkreis-
lauf in der Lage ist, Werte,also andereWarenzu erzeugen.Sie garantiert
also die lebensnotwendige Reproduktion des Systems:sie ist die einzigepro-
duktiveWare. Sie ist darüberhinausso in den Reproduktionskreislauf einge-
bunden,das sie mehrWerteerzeugt,als sie selbstverbraucht: Sie erzeugt
Mehrwert und garantiertdeshalbdie erweiterte Reproduktion derGesellschaft
als Klassengesellschaft.Aus diesemGrundstehtdie Ware Arbeitskraft im
Zentrumder gesellschaftlichen Totalität:IhreReproduktion erhältdas System
als Ganzes.
2. Die mit dem Rationalisierungsprozeß und der Universalisierung des Waren-
austauschs überallerscheinende Verdinglichung der menschlichen Beziehungen
trifftdas Proletariattotal: Weil es als Arbeitskraft selbstWare und insofern
total verdinglicht,eben nichtsanderesals ein Objekt kalkulatorischer Ver-
fügungist.
3. Diese Warehat eineEigentümlichkeit, die sie als lebendige, Werteerzeugende
Arbeitvon allen anderenWarenunterscheidet: Nur sie kannsichihresCha-
raktersals Warebewußtwerden.In einererstendialektischen Drehungdreht
sichdas totalverdinglichte Objekt,WareArbeitskraft' aus derVerdinglichung
heraus:Im „Selbstbewußtsein derWare" konstituiert sichdie Arbeitals Sub-
jekt.
«) A. a. O., S. 182.
42) A. a. O., S. 190.
*°) A. a. U.y î>. loi).
") A. a. O., S. 228.

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30 Hauke Brunkhorst

4. In einerzweitendialektischen Drehungerweitert sichdiesesfrüheSelbstbe-


wußtseinzum Klassenbewußtsein. Das Proletariatist zum „identischen Sub-
jekt-Objekt derGeschichte" geworden. HattenMarxundEngelsin der„Deut-
schenIdeologie"den hegelschen Weltgeistnochspöttisch als „Weltmarkt" ent-
larvt,so ist jetztin der hegelmarxistischen
Rückwendung auf den Idealismus
das revolutionäreProletariatzu einem eigentümlich empirisch-materiellen
Weltgeist avanciert.
Mit dieserArgumentation hat Lukácsin derTat alle Problemeseinerverding-
lichungstheoretischen MarxinterpretationmiteinemSchlageigensinnig „orthodox"
gelöst- aber um den Preis,seineLösungmitallen ungelösten Problemendes
deutschen Idealismuszu belasten.SeineLösungstehtund fälltmitder optischen
Basismetapher45) dieserPhilosophiedes Bewußtseinsebensowie mitden Chancen
einerEinlösungdesProgramms einerdialektischen
Logik.
Aber selbstwenn man von diesenProblemender immanenten Theorienkon-
struktion absiehtund die Möglichkeit ihrerLösungeinmalunterstellt - selbst
dann läßt uns dieseTheoriemitfundamentalen empirischen Schwierigkeiten,ge-
nauer:mitvölligunhaltbaren empirischenBehauptungen zurück.
Zwar gipfeltdie erstedialektische Drehungin eineräußerstplausiblen,auch
von Lukácseingehend beschriebenen,
empirischenAnnahmeüberdas gewöhnliche
Alltagsbewußtsein der Arbeiterklasse.
Das „Selbstbewußtsein der Ware" äußert
sich im Trade-Unionismus, im gewerkschaftlichenLohnbewußtsein und in den
periodisch ausbrechenden Lohnkämpfen und Lohnstreiks.Auch ohne die Bestäti-
gungdurchzahlloseempirische Studienzum Arbeiterbewußtsein wirddieseempi-
rischeImplikationder Thesevom „Selbstbewußtsein der Ware" schondurchdie
Existenzund Machtreformistischer Gewerkschaften eindrucksvoll verifiziert.
Auch die zweite dialektische Drehungmündetin eine empirischeThese ein:
Das Klassenbewußtsein WaffeimKampfumdenSozia-
ist die alles entscheidende
lismus.Eindringlich
beschreibt Lukácsdie empirischenMerkmaledieserWaffendes
Bewußtseins:
an Maditmitteln,
derÜberlegenheit
„Denngegenüber an Wissen, undRoutine
Bildung
usw., die die Bourgeoisie zweifellos besitzt und solange besitzen wird, als sie herrsdiende
Klasse bleibt,ist die entsdieidendeWaffe, die einzig wirksame Überlegenheitdes Proleta-
riats: seine Fähigkeit, die Totalität der Gesellsdiaft als konkrete,gesdiiditlidie Totalität
zu sehen; die verdingliditenFormen als Prozesse zwisdien Mensdien zu begreifen; den
immanentenSinn der Entwicklung,der in den Widersprüchender abstraktenDaseinsform
nur negativ zutage tritt,positiv ins Bewußtsein zu heben und in Praxis umzusetzen."46)

Leiderentbehrt Drehungdes „Selbstbewußt-


dieseThesevon der dialektischen
seins"zum „Klassenbewußtsein" Evidenz.
jeder empirischen
Das von Lukácsantizipierte
Klassenbewußtseinhat es als Bewußtseinderarbei-
tendenMassennie gegeben- auchnichtin außergewöhnlichen Lagen,wedernach
den großenKriegennochin den großenWirtschaftskrisen. Deshalbwarendie ent-
wickelten Länderkaumje ernsthaft
kapitalistischen derGefahreinerproletarischen
Revolutionausgesetzt.Das hat Lukácsselbstgeahntund fürdas Klassenbewußt-
seinsogleicheinenplatonischen,Wächter* Partei.Aber
gefunden:die leninistische
das war,wie jederweiß,eineüberschwenglicheUtopiederPartei,mitderLukács,
**) Hierzu vgl. Tugendhat, zur Einführung
E.: Vorlesungen in die sprachanalytische
Philosophie, Frankfurt1976, S. 20 f.
«) Lukács, a.a.O., S. 215.

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d. Krit.Theoried. Gesellschaft
u. Theoriendynamik
Paradigmakern 31

dieserunnachgiebige Kritikerdermodernen Verdinglichung, „nichtunwesentlich zu


jenemunglücklichen Parteimythos beigetragen (hat), der heutzutageein Muster-
beispielfürVerdinglichung Nein,LukácsLösungist keine,„sondern
darstellt".47)
schlichtund einfach"derBeginn„einertheoretischen undindividuellen Tragik".48)
Aber: Wenn Lukács auch das Problemder marxistischen Intellektuellen des
20. Jahrhunderts, nämlichangesichts derim Zentrum desKapitalismus, imWesten,
ausbleibenden Revolutioneine der Maraschenanalogeund ähnlichüberzeugende
Analyse dieserveränderten Situationzu finden,nicht,auchim Prinzipund im
konstruktiven Ansatznichtgelösthat,so hat er doch,und das ist seineeigentlich
imponierende Leistung,dem ,westlichen Marxismus'die Richtungund den Weg
vorgezeichnet, in der allein Lösungen zu suchen und zu erwarten sind.„Geschichte
und Klassenbewußtsein" istnichtdie Lösung,es istdiefürden,westlichen Marxis-
mus*fortangültigeFormulierung derzentralenProbleme, es ist dasjenigeparadig-
matische Werk,das die Problemedes westlichen Marxismus als Problemeallererst
konstituierthat. Die Verdinglichungs-Klassenbewußtseinstheorie ist exakt eine
paradigmatische Leistungim SinneThomasKuhns:„Die Existenzdes Paradigmas
stelltdas zu lösendeProblem".49) Fortangibtes fürundogmatische marxistische
Intellektuellezwei und nurzwei Problemzonen, die ihnenzu lösendeRätselauf-
geben.
Diesebeidenzentralen Problembereiche sind:
a) das ProblemderVerdinglichung (undRationalisierung),
b) das Problemdes Klassenbewußtseins (und derEinheitvon TheorieundPraxis).
Nun bin ich mirnichtganz sicher,ob sichmeineThesewirklich füralle Aus-
prägungen des westlichen Marxismus haltenläßt - dafüristdieserinsgesamt viel
zu wenigeinewissenschaftliche Schule,zu wenigakademisch fixierbar undzu sehr
eineSacheofteinzelner intellektueller
Figuren, am RandeoderjenseitsdesWissen-
schaftsbetriebs,mit den zentralenkulturellen und politischen Strömungen ihrer
Zeitverwoben.
Aberziemlich sicherbin ichmirimHinblickaufdieKritische TheoriederFrank-
furter Schule.Dies istebendeshalbwahrscheinlich, weil die Kritische Theorienoch
am ehesteninnerhalb des westlichenMarxismus so etwaswie einewissenschaftliche
Schuledarstellt.Sie ist ganz gewißmehrals eine Fraktioninnerhalbdes Wissen-
schaftsbetriebsund die ,KritischenTheoretiker* habenihrLebennichtausschließlich
mit dem Lösen „normalwissenschaftlicher" Rätsel verbracht. Aber der Kreis um
Max Horkheimer wollteimmeraucheinewissenschaftliche Schuleseinund schul-
bildendwirken.Das war ein zentralerPunktin Horkheimers Programm undhat
sichin der„Zeitschrift fürSozialforschung" eindrucksvoll niedergeschlagen.
Und obwohl die ,Kritischen Theoretiker* sichin der Regel eher kritisch auf
„Geschichte und Klassenbewußtsein" bezogenhabenund Lukács nur einervon
vielenTheoretikern ist,an die die KritischeTheorieanknüpft, sindes dochdiese
beidenProblemzonen und keineanderen,um die die gesamteGeschichte derKri-
tischenTheorieimmerwiederkreist.Dabei bleibt,wenigstens in der klassischen
Phase der Frankfurter Schulein den 30er und frühen40er Jahre,die Marxsdie

47) B rein es, P.: „Utopie und Partei. Anmerkungen zum jungen Lukács", in:
Grimm, R. / Hermand, J. (Hrsg.) : Deutsches utopischesDenken im 20. Jahr-
hundert,Stuttgart1974, S. 103.
48) A.a.O.; vgl. auch B rein es, P.: „Young Lukacs, Old Lukács, New Lukács ,
in: Journalof ModernHistory,Vol. 51, No. 3, 1979.
«) Kuhn, a.a.O.

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32 Hauke Brunkhorst

Wert-und Mehrwerttheorie in ihrerGeltungals KlammerzwischenVerding-


lichungs-und Klassenbewußtseinstheorie ein gleichsam
völlig unproblematisiert:
gewisserundunbezweifelterParadigmakern.
Sehenwiruns die Sacheeinmaletwasnäheran. ZunächsteineBemerkung zum
Paradigma-Statusder Werttheorie.

a) A. Sohn-Rethel undderParadigmakern
Es ist T. S. KuhnsThese,daß in den Zeitenformalen* Problemlosem das Para-
digmaselbsttabu ist. Es stelltdie Probleme,aber es stehtnichtzur Diskussion.
Paradigmadebatten gehörenin die Zeit der Krise und der im KuhnsdienSinne
„außergewöhnlichen Forschung".
A. Sohn-Rethels Außenseiterrolle am Rande derFrankfurter Schulestammt aus
der Zeit, in der es Horkheimer darumging,trotzder schwierigen Bedingungen
des Exils den Forschungsalltag auf derGrundlageseinesProgramms zu organisie-
ren.50)A. Sohn-Rethelaber war sein Leben lang stetsnur von einemeinzigen
Problemfasziniert und er hattesichschonfrühdie LösungdiesesProblemsin den
Kopf gesetzt: die Marxsdie Werttheorie. Fürihnstandbald fest,daß dieseTheorie
erheblicheSchwächen undFehlerhatundMarxselbstderLösungan einigenStellen
zwar nahegekommen ist,am Ende aber docheine falscheRichtung eingeschlagen
hat.51)Wennman auch darüberstreiten kann,ob Sohn-Rethelselbsteine über-
zeugendeLösunggelungen ist,in jedemFall enthüllen seinewiederholten Versuche
die ungeheuren Schwierigkeiten, die in derWerttheorie stecken und die eindeutigen
GrenzendesMarxsdien Vorschlags.
All dies hat Sohn-Rethel dazu prädestiniert, in den Zeitenformaler*Wissen-
schafteherwie ein etwasverschrobener Querkopfzu erscheinen, derwie ein eigen-
sinnigesKind etwasverlangt, was es nichtgibt;aberes hatihnauchdazu bestimmt,
in Zeitender Kriseund der ,außergewöhnlichen* Forschung zum Star zu werden.
Sohn-Rethel war dereinzigeaus demUmkreisderfrühenFrankfurter Schule,der
sichnichtfürdie Problemeinteressierte, die sichauf derGrundlagedes als gültig
akzeptierten Paradigmakerns bearbeitenließen - eben weil ihm gerade die
Gültigkeit dieser Grundlage zweifelhaft erscheinen mußte.Eine ernsthafte Grund-
lagendebatte aberhättedie Entwicklung einergeordneten Arbeitan den ,Rätseln*
der Verdinglichung und des Klassenbewußtseins und damitdas Horkheimer sòie
Programm gefährdet. Als es dann in den 40er Jahren zu einererstenKrise kam,
war Krieg, Sohn-RethelLehrerin England,und die Kommunikation unter-
brochen.In der langenLatenzphaseder Krisenachdem Krieghat Sohn-Rethel
mehrfach Adornozu einerDiskussionseinesProblemszu bewegenversucht.52) Mit
wenig Erfolg.Für Adorno war die Werttheorie ein zentralesInstrument der
Kulturkritik, auf das er sich stetsunkritischverlassen hat. Ihm ginges darum, diese
Theorie,insbesondere dieLehrevomWarenfetischismus aufimmer neuePhänomene

50) Dubiel, a.a.O.; Sohn-Rethel, A.: Warenform und Denkform,Frankfurt


1978; Dombrowski, L. u. a (Hrsg.):Symposium Warenform - Denkform,
Frankfurt 1978;Koch,G. /Brunkhorst, H.: „Blickdurch unserer
dasDickicht
Zukunft"- Ein Gesprädimit AlfredSohn-Rethel,FrankfurterRundschauv.
5. 4. 1979,S. 28.
51) Sohn-Rethel, Geistige und körperlicheArbeit, a. a. O. ; Koch/Brunk-
h ors t , a. a. O.
52) Persönliche vgl. auchKoch/Brunkhorst,
Mitteilung, a. a. O.

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d. Krit.Theoried. Gesellschaft
u. Theoriendynamik
Paradigmakern 33

anzuwenden) nichtdieseselbstzu begründenund in Fragezu stellen.53)Erstin der


Kriseder 70erJahreerinnern
wissenschaftlichen Erben,inzwi-
sichdie irritierten
schenin heftigemStreitum Status,Auslegungund Gültigkeit des Paradigmakerns,
Seine Ideen lagenquer zur Entwicklungsphase
des Außenseiters: des Forschungs-
Programms. Die Krise aber verlangtaußernormale Reflexionenund begründet so
denspätenRuhmdes eigensinnigen Abweichlers.
Doch wendenwir uns den beidenProblembereichen zu, derenRätseldie frühe
KritischeTheorieauf der Basis des Paradigmakerns mit sehrunterschiedlichem
Erfolgzu lösenversuchthat.

b) Der ErfolgderVerdinglichungstheorie
Die webermarxistische wurdevonAnfangan mitgroßem
Verdinglichungstheorie
Erfolgin immerneuenWendungen undDetailforschungen,von denfrühen Kritiken
Wissenschaft
positivistischer und Untersuchungen wie denen über den Fetisch-
charakter der Musikbis zu den zahllosenkultursoziologischenStudien(vor allem
Adornos)im Anschlußan das Kulturindustriekapitel der „Dialektikder Auf-
klärung",ausgearbeitet und ausgebaut.Und dieseTheoriewar - weit überdie
früheKritische Theoriehinaus- der überzeugende Kern der großensystemati-
schenEntwürfe, von der „DialektikderAufklärung" bis zum „Eindimensionalen
Menschen", von der „Kritikder Instrumentellen Vernunft" bis zum „Struktur-
wandel der Öffentlichkeit" und den Theorienüber Motivationskrisen und die
knapperwerdendeRessource,Sinnc.Es ist sicherlich keinZufall,daß die Kritische
Theoriein diesemZusammenhang immerwiederaufMax Weberzurückgekommen
ist.So fälltfürdie Autorender„DialektikderAufklärung" derBegriff derAuf-
klärungmit dem We^erschender Entzauberungder Welt zusammenund die
zentraleThese, Aufklärungwäre totalitär,schließtunmittelbar an dessenBe-
von als
stimmung Rationalisierung Berechenbarkeit, als „HerrschaftdurchBerech-
nen" an. Und Marcuseentwickelt die Theseseines„Eindimensionalen Menschen"
von der immanenten Tendenz der technischen Rationalität,mit Herrschaft zu
verschmelzen, in einer gesondertenStudie über Max Weber. Dessen Begriffder
Rationalisierung imZentrumderjüngsten
stehtschließlich Versuche vonHabermas,
die KritischeTheoriein einer„Theoriekommunikativen Handelns"neuzu begrün-
den. Insgesamt warendie Versuche, die ,Rätsel'der Verdinglichung im Rahmen
einerKritischen Theorieder Gesellschaft zu lösen,sowohl wissenschaftlich wie
(von Adornoskorrektivem
politisch-praktisch Einflußauf das geistig-kulturelle
Klima der postfaschistischen Republikbis zur europäischen und amerikanischen
Studentenbewegung) außerordentlicherfolgreich.

c) Das Scheitern derKlassenbewußtseinstheorie


Ganz anderswar es um das Schicksalderhegelmarxistischen
Klassenbewußtseins-
theoriebestellt.Diese wurdein den erstenStundender KritischenTheorievon
Max Horkheimer und ErichFrommgründlich metaphysischentrümpeltund in
einewissenschaftlich Grob gesprochen
Formgebracht.54)
rationalisierte tratan die
Stelle von Hegels dialektischen Drehungeneine freudianische
Sozialpsychologie

5S) Vgl. z. B. Grenz, F.: Adornos Philosophie in Grundbegriffen,Frankfurt 1974,


S. 35 ff.
54) Vgl. D u b i e 1, a. a. O.; Bonß, W.: „KritischeTheorie und empirische
Sozial-
forschung", in: Fromm, E.: Arbeiterund Angestellte am Vorabenddes Dritten
Reiches, Stuttgart 1980.
3 Soziale Welt

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34 Hauke Brunkhorst

(was übrigensnichtheißt, daß der Geist Hegels aus der KritischenTheorie ver-
schwindet).Damit wird der Weg frei für die Frage nach den faktisch-empirischen
Zwischengliedernder Vermittlungvon Theorie und Praxis und für eine schritt-
weise, fast schon jnormalwissenschaftliche'empirischeÜberprüfung,Kontrolle und
Erweiterungder Klassenbewußtseinstheorie. Um das Ergebnis dieses einzigartigen
Versuchseines empirischen Hegelmarxismusvorwegzunehmen:Die Klassenbewußt-
seinstheoriewurde von der KritischenTheorie nach und nach preisgegeben- und
zwar sowohl aus politisch-praktischer Einsicht (Faschismusund Stalinismus) wie
auf Grund einer Serie empirischerFalsifikationen.Das beginnt mit der frühen
Studie über Arbeiterund Angestellte1932 im Rheinland, die noch von der vor-
sichtigen,dann freilichenttäuschtenHoffnung auf revolutionärePotentiale ge-
tragenist; reichtüber die Studienüber Autoritätund Familie und die „Autoritäre
Persönlichkeit",in der sich das Interessebereitseinseitigauf die genaue Identifizie-
rung und Beschreibungdes autoritärenPotentials konzentriert;bis zu der für die
orthodoxenMarxistenso bedrohlichgewordenenund fürdie ,Neue Linke' geradezu
konstitutivenThese Marcuses von der Integration des Proletariats in die ein-
dimensionaleGesellschaft.
Aus dem anfangs für lösbar gehaltenenjKlassenbewußtseinsrätsel* ist am Ende
das geworden,was Thomas Kuhn eine „hartnäckigeAnomalie" nennt: der Beginn
einer wissenschaftlichen und intellektuellenKrise. Denn die wohl begründete
Falsifikationder Klassenbewußtseinstheorie droht das ganze Theoriegebäudezum
Einsturz zu bringen.Ohne die Theorie des Klassenbewußtseinsdroht die Kraft
bestimmterNegation aus der Verdinglichungstheorie zu entweichen.Sie verblaßt
- und sei sie noch so erfolgreich - zur abstraktenNegation des Bestehenden,sie
wird von bloßer Kulturkritikununterscheidbar.
Hätte die KritischeTheorie sich mit diesem Umstand abgefunden,dann wäre
der häufig erhobene Vorwurf des Konservatismusberechtigt.Die theoretischen
Anstrengungen der KritischenTheorie nach 1945 lassen jedoch erkennen,daß zu-
mindestAdorno und Marcuse dieses Desiderat gespürtund nach einem Ersatz für
die falsifizierteKlassenbewußtseinstheorie gesuchthaben. Adornos „Negative Dia-
lektik" und seine späte „ÄsthetischeTheorie" lassen sich dann als Versuchelesen,
in der einsame Reflexion des Intellektuellenund in der mimetischenKraft des
esoterischenKunstwerksein nichtlänger zu einem monströsenÜber-Subjektauf-
gespreiztesSelbstbewußtsein dialektischaus demVerdinglichungszusammenhang her-
auszudrehen.Dieser Versuchvermeidetzwar die empirischen Schwächender Lukâcs-
schenThorie ebenso wie deren de facto totalitäreKonsequenzen,teilt mit letzterer
aber alle Probleme und Fallstrickeder idealistischenBewußtseinsphdlosophie und
muß überdies den Preis praktischerHoffnungslosigkeit zahlen. Das hat Marcuse
durch den philosophischallerdingskaum weniger problematischen, nämlich allzu
unkritischen Rückgriff auf die späte FreudsdieTriebtheorie, Dynamik von Eros
die
und Thanatos in „Triebstrukturund Gesellschaft"vermeidenkönnen. Indem bei
ihm die Triebtheoriean die Stelle der Klassenbewußtseinstheorie rückt,konnteer
im Vorgriffauf die breitstreuendenästhetisch-expressiven Protest-und Alternativ-
bewegungen der späten 60er und 70er Jahre der KritischenTheorie ein neues
praktischesFundament,das den Konfliktlagenund Krisentendenzendes entwickel-
ten Kapitalismusangemessenererscheint, schaffen.
Die SpätphilosophieAdornos wie die Marcuses stehtfreilichnichtlängerim un-
mittelbarenKontext der Sozialwissenschaften:Sie schließtweder an die Gesell-
noch an die empirischeSozialforschungwie immerauch kritischan.
schaftstheorie

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Kriu Theoried. Gesellschaft 35

Nur durchdenRückzugderGeschichtsphilosophieaus denpauschalals ,instrumen-


telleVernunft*
denunzierten Wissenschaften
gelingtes,die Kriseder40erJahrefür
langeZeitlatentzu halten:
„Hatten wirauch",heißtes in derVorrede zur„Dialektik derAufklärung", „seitvielen
Jahrenbemerkt, daß im modernen Wissenschaftsbetrieb die großenErfindungen mit
"wachsendem ZerfalltheoretischerBildungbezahltwerden, so glaubtenwirimmerhin
demBetriebsoweitfolgenzu dürfen, daß sichunsereLeistung vornehmlich aufKritik
und Fortführung fachlicher
Lehrenbeschränkte . . . Die Fragmente, die wirhierver-
einigthaben,zeigenjedoch,daß wir jenesVerhalten aufgeben mußten. . . (weil)im
gegenwärtigen Zusammenbruch der bürgerlichen Zivilisation nichtbloß der Betrieb
sondern derSinnvonWissenschaft fraglich
geworden (ist)."55)
Weil der Rückzugin - wie auchimmernegative,fürdas traditionelle philo-
sophischeDenkendestruktive - Positionensubstantiellen Philosophierens gleich-
wohl keinRückfallhinterdie Aufklärung und die moderneGestaltder Vernunft
seinwollte,wirddie Kritische Theoriedie Krise,die die einessozialwissenschaft-
lichorientiertenForschungsprogramms war, nichtlos. Sie wolltewederauf eine
höhereundtiefere EinsichtdesDenkensjenseitsderWissenschaft hinaus,nochwoll-
te sie zum „gegensätzlichen Allheilmittel" (Horkheimer) einer die Wissenschaft
pragmatisch ergänzenden metaphysischen Lebenshilfe verkommen. Darin stecktein
wesentlicherUnterschiedzwischen AdornoundHeidegger:Heideggerhättesichnie
auf einenPositivismusstreiteingelassen.Adornomußtees,weiler an derIntention
festgehaltenhat, den Anspruch der Aufklärung auf vernünftige Erkenntnis, von
dem er glaubte,die zum linstrumentalistischen Betriebverkommene Wissenschaft
habe ihn verraten, unterkeinenUmständen preiszugeben. Das hat auchMarcuse
nie getan,wie seine stetsvehemente und scharfeKritikan allen Formeneines
neuenIrrationalismus und Mystizismus in den Oppositionsbewegungen seitMitte
der60erJahreeindrucksvoll belegt:
istin derdialektischen
„Sicherlich Logikdas GanzedieWahrheit, jedocheinGanzes,
bei demalle TeileundTrennungen ihrenPlatzundihreBühnehaben.Die Beziehungen
zwischen ihnen,ihrespezielle dieverschiedenen
Funktion, EbenenundArtenvonWirk-
lichkeitunddereninnereEntwicklung müssenaufgezeigt werden- erst
unddefiniert
dann,im endlosen StromderVermittlung, derdas unterenachobenkehrt,erscheint
das Wahreals derbacchantischeTaumel:nüchterne Trunkenheit
desGanzen:Vernunft
als Freiheit.
Einekritische,keineabsoluteVision;eineneueRationalität,
nichteinfach
dieVerneinung derRationalität."56)
keinerderbeidenPhilosophen,
Freilich, die nachder„DialektikderAufklärung"
versuchthaben,die Kritische
Theorietheoretisch wederMarcuse
weiterzuentwickeln,
nochAdornohabenje ernsthaft versucht,solche- nichtzufälligin der Sprache
Hegels paraphrasierte- Intentionen in ein sozialwissenschaftliches
Forschungs-
programm nach dem Vorbild der frühen KritischenTheorieumzusetzen.Als dann
im Kontextderaufbrechenden und wissenschaftspolitischen
politischen Konfliktein
den 60er Jahrenauch der externewissenschaftliche Erwartungs
druckauf die
Kritische
Theoriewuchs,wurdedieinterne, bloßverdrängte Krisemanifest.
Übrigensfindensichdie Spurender Klassenbewußtseins-Anomalie auch noch
beimfrühenHabermas.Wie R. Bubnergezeigthat, kannman die Freud-lnter-
pretationvon „Erkenntnis und Interesse"als weiterenVersuchverstehen, einen

n) Horkheimer, M. /Adorno, Th.W.: Dialektik


derAufklärung,
Amsterdam
1955,S. 5.
M) Marcuse, H.: „Mystifizierung
der Liebe", in: Brown, N. O.: Love's Body,
München1977, S. 242 f.
3*

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36 Hauke Brunkhorst

Die Theoriendynamik Theorie


der Kritischen

Paradigmakern
-- - - ^~
Wert-undMehrwerttheorie
(orthodoxerMarx)

ProblemvorgabeI Problemvorgabe II
Verdinglidiungstheorie ttiv Ars
luiía^ò Klassenbewußtseins-
(Webermarxismus) ^^
(Hegelmarxismus)

I I
; Transformation ;
i in empirischen ;
; Hegelmarxismus ;
: qua Sozialpsychologie;
; (HorkheimerlFromm) ;

^- „normalscience" -7 I

t( „Falsifikation"
„Verifikation ■

durchFalsifikation
der ¿ i u™Z aT'™ !
Klassenbewußtseinstheorie^ j !
£^£2°/
y„ i i
„Krise" JîJ
-^ Reorganisation
" "
^^^^__^--___^^_->-___^ des Paradigmakerns: _«««^^^_____«
I Systemund Lebenswelt |
ProblemvorgabeI | | PoblemvorgabeII
Kolonialisierung neue Protestpotentiale
der Lebenswelt HABERMAS

Ersatz für die falsifizierteKlassenbewußtseinstheoriezu finden, der die äußerst


problematischeIdee nahelegt,die Psychoanalysezu einer Art Gesellschaftstherapie
aufzublasen.57)Und wie bei Lukacs findetsich das Erbe Fichtesin dem Versuch,
die Einheitvon Theorieund Praxis als „Akt der Selbstreflexion"zu denken.58)
Freilichhat Habermas inzwischendie radikalen Konsequenzen aus dem Scheitern
der Klassenbewußtseinstheorie gezogen und den traurigenRest des Paradigma-

57) B u b n e r , R. : „Was ist KritischeTheoriet"in: Hermeneutik


und Ideologiekritik,
Frankfurt 1971.
M) Vgl. McCarthy, Th.: Kritik der Verständigungsverhältnisse,
Frankfurt1980,
S. 110ff.

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Kriu Theoried. Gesellschaft 37

kerns,die MarxscheWerttheorie, die nurnodi die hilfloseAlternative:


Dogmatis-
musoderohnmächtige Kulturkritikübrigließ,abgeräumt. An derenStelleist die
systematische
Verknüpfung derParadigmen ,System'und,Lebensweltc getreten,die
allerdingsbeansprucht, die Fäden, die nach Marx auseinandergelaufen sind,in
einerder Werttheorie analogenWeise so wiederzusammenzufügen, daß aus der
semantischen Frage nach der dialektischen Vermittlung der Wertform mit der
lebendigen Arbeitdie empirischenachden systemisch induziertenPathologiender
modernen „Formender Intersubjektivitätmöglicher Verständigung" wird.59)
Das damitgestellteProblemdesParadigmenwechsels möchteichin zweiSchritten
diskutieren- und zwar zunächstnocheinmalam Beispielder frühen Kritischen
Theorieund dann am Übergangzur „Theoriedes kommunikativen Handelns".
(Das Schemaauf S. 36 faßtdie bisherigeSkizzezur Theoriendynamik der»Frank-
furterSchule*zusammen.)

in der frühenKritischen
2. Das Problemdes Paradigmenwechsels Theorie

Ich möchtedem Problemdes Wandelswissenschaftlicher


Grundorientierungen
und demsolchenWandelprägenden Verhältnis und interner
externer Gründeam
Anfangder frühenKritischenTheorie,am Übergangvon Grünbergzu Hork-
heimerundan derenEnde,derals SymptomderKrisezu verstehenden
Faschismus-
kontroverse,
nachgehen.

a) Von Grünberg zu Horkheimer


Nach der fastschonklassischen Studievon Paul Kluke überdie Frankfurter
Universitätund den mittlerweile rechtzahlreichpublizierten Interviewsmitden
heutenoch lebendenZeugenjenerTage60)sind es vor allem die Arbeitenvon
U. Migdalund W. Bonß,vor denendie KonturenderGründungsphase derfrank-
furter immerdeutlicher
Schule* sichabzeichnen.61)
Als Horkheimer 1931 Direktordes 1923,nacheinerlangenund komplizierten
gegründeten
Vorgeschichte62), ,Instituts
fürSozialforschung' wurde,fander einen
Rahmenvor,den er unverändert
institutionellen übernehmen konnte,um die Idee
des Forschungsprogramms zu realisieren,das er in seinerAntrittsvorlegungent-
worfenhatte.63) Die Institutionund ihreGeschichte warenihmseit langemver-
traut,sein engsterFreund,FriedrichPollock war einerder Organisatoren der
erstenStundegewesenundhattezumnächsten umCarl Grünberg,
Mitarböiterkreis
Horkheimers Vorgänger, gehört.Die Finanzierungsbasiswar ebensofürlangeZeit
wie
gesichert das Verhältnis
institutionelle zur Universität
geregelt,
wichtigewissen-
Vorentscheidungen
schaftsorganisatorische standenfest:so dieBindungdermarxisti-
an empirische
schenGesellschaftstheotfie SozialforschungunddieIdee,die inhaltliche
mit der HerausgabeeinerZeitschrift
Institutsarbeit eng zu verknüpfen. So weit

*•) Habermas, J.: Theoriedeskommunikativen 2 Bde.,Frankfurt


Handelns, 1981.
w) Kluke, P.: Die Stiftungsuniversität
Frankfurtam Main 1914-1932,Frankfurt
1972;Löwenthal, L.: Mitmachen
wollteichnie,Frankfurt
1980;Greffrath,
M.: Die Zerstörung einerZukunft, Reinbek1979.
61) Migdal, U.: Die Frühgeschichte des Frankfurter
Institutsfür Sozialforschung,
Frankfurt 1981: B o n ß %W.. a. a. O.
") Ausführlich: Migdal, a.a.O.
•8) „Die gegenwärtige Lage der Sozialphilosophieund die Aufgabeneines Instituts
für Sozialforschung",in: ders.: SozialphilosophischeStudien,Frankfurt 1972.

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38 Hauke Brunkhorst

reichendie Kontinuitäten. An ihnenist wissenschaftsgeschichtlich vor allem ein


Aspektinteressant: Die Trennung von Lehreund Forschung. In ihr spiegeltsich
nämlichder institutionelle Abschlußeinesobjektivengesellschaftlichen Prozesses:
die Ausdifferenzierung der Wissenschaft als kognitivspezialisierte kooperative
Wahrheitssudie. Das ist es, was die Frankfurter Institutsgrün dung mit anderen
Institutsgründungen jener Zeit verbindet:die Entlastungdes theoretischen Dis-
kursesvon praktischen Fragenderpädagogisch-didaktischen Wissensvermittlung.64)
An dieserKontinuität freilich
wird zugleichder Bruchder Kritischen Theorie
mit Grünbergs Austromarxismus erkennbar. Er ist einesder inneren,rationalen
MotivefürdenParadigmawechsel.
Das ersterationaleMotiv für den Paradigmawecfoe/ ist der Bruchmit der
Form der Ausdifferenzierung
positivistischen kognitivspezialisierter Sozialfor-
schung.Für Grünberg war die strikteTrennung von Philosophie und Wissenschaft
eineebensoparadigmatische Voraussetzung derInstitutsarbeit wie die von Wissen-
schaftund Weltanschauung - wobei für ihn »Philosophie" unbeweisbare meta-
physische Spekulation und Weltanschauung* in derSubstanzetwasnichtRationali-
sierbaresblieb; als rationalesKorrektivvon Philosophieund Weltanschauung
wollteGrünberg nurpositiveempirische Tatsachengeltenlassen.65) Gegendiesen
Positivismus setztdie KritischeTheoriebekanntlich die Idee der Kritik,die die
vermittelte Einheitvon Theorieund Praxisantizipiert. Ohne je den Primatder
Wahrheitsfragen zu bezweifeln,wird die Philosophieals Selbstreflexion ihrer
Grundlagen und ,Praxis* als moralische
und ästhetische KritikimRahmenkognitiv
spezialisierter
SozialwissenschaftzurGeltunggebracht.66)
Das zweiterationaleMotiv im Übergangzur Kritischen Theoriesetztan der
inhaltlichenGrundorientierung derempirischen Sozialforschung an. Die nochunter
Grünberg begonnene, faktisch aberbereitsvomH orkheimer-Kr eisbetreuteundvon
E. FrommgeleiteteStudie über Arbeiterund Angestellte im präfaschistischen
Deutschland67) ist das ersteBeispieldessen,was ich oben ,empirischen Hegel-
marxismus* genannthabe. Diese gleichsam empiristische Wendeder Lukãcssdien
Klassenbewußtsseinstheorie, die für derenAnnahmen, wie W.Bonß gezeigthat,
methodologisch den Weg einer„Falsifikationsanalyse" eröffnet68), Wichtmitdem
orthodoxenMarxverständnis Grünbergs, das die Erwartungdes bevorstehenden
Übergangszum Sozialismusals wissenschaftlich gesicherte Prognoseempfand.69)
Von nun an galt es, das Ausbleibendes Klassenbewußtseins und der Revolution
zu erklären.
Ohne die internenGründebliebeder Wechselvon Grünberg zu Horkheimer
völligunverständlich. FreilichmußteneineReiheexterner notwendiger Bedingun-
generfülltsein,damitdie rationalen MotivederKritischen Theoriefaktisch wirk-
sam werdenund der Paradigma Wechsel eintreten konnte.Es sind dies vor allem
dreiBedingungen:

64) Migdal, a.a.O., S. 76ff.;v. Alemann, H.: „Leopoldvon Wieseund das


Forschungsinstitut in Köln 1919-1934", in: Lepenies,
fürSozialwissenschaften
W. (Hrsg.): Geschichte derSoziologie,Bd. 2, Frankfurt
1981.
«) Migdal, a.a.O., S. 79 f.
") Vgl. H a b e r m a s , a. a. O., Bd. 2, S. 585.
f7) Fromm, a.a.O.
w) Bonß, a.a.O., S. 36.
*9) G r ü n b e r g , C: „Festredev. 22. 6. 1924",in: Forum12/137,Wien 1965.

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Paradigmakernu. Theoriendynamikd. Kriu Theorie d, Gesellschaft 39

1. Die bereitsgenannteExistenz des institutionellen


Rahmens.
2. Das biologischeEreignisder KrankheitGrünbergs,ohne die Horkheimernicht
Institutsdirektorgewordenwäre.
3. Die strenghierarchische Strukturdes Institutsmit der „Diktatur des Direktors"
an der Spitze, die es Horkheimerermöglichte,die Personenauszutauschenund
so zusammenzusetzen,daß sie in das ,Spiel' seines Wissenschaftsprogramms
paßten.
An dieser Stelle möchteich eine Anmerkungzum Verhältnisvon Rationalität
und Theoriendynamik machen.

Gewiß,der Wechselvon Grünbergzu Horkheimer ist niditausschließlich,


nichteinmal
primärein Prozeß rationalerKonsensusbildung, er ist sdion gar nidit das zwingende
Resultatvon Deduktionplus neutraleBeobachtung, „die Wirkungder Natur und der
Logik".70)Horkheimers Gegnerwurdennichtrationalüberzeugt,eher wurdensie ent-
lassenoder sind freiwilliggegangen.Aberdas alles bedeutetnicht,daß rationaleMotive,
daß der „eigentümlich zwangloseZwang des besserenArguments" (Habermas)in Para-
digmadebatten überhauptkeine Wirkunghaben würden,jede Übereinstimmung, wenn
sie überhauptzustandekommt,nur das Resultatvon Rhetorikund Manipulationwäre.
Wie wir gesehenhaben,gibtes rationaleMotiveund es gibtauchKriteriender Rationa-
lität des Paradigmawandels:
Wenndas neueParadigmaeine theoretische Erklärungder Irrtümer des altenParadig-
mas möglichmacht,werdenwir nichtzögern,dem Übergangzum neuenParadigmaein
rationalesMotiv zuzuschreiben. Die Rationalitätdes Wechselsvon Grünbergzu Hork-
heimerwürdesichdaran bemessen, ob der Kritischen Theorieeine plausiblegesellschafts-
theoretischeErklärungder ideologischen Schranken eben jenes Positivismusgelingt(oder
gelungenist),der auchdemaustromarxistischen Forschungsprogramm Grünbergs zugrunde
liegt.
Eine solcherationaleRekonstruktion des Paradigmawandels ist von der »Theorien-
dynamik'im Rahmeneinesidentisch bleibenden Paradigmasodergarvon derstufenweisen
Entwicklung einerprogrammatischen Intentionzur fertigenGestalteines sozialwissen-
schaftlichenParadigmaszu unterscheiden.
In diesemFalle wäre das Rationalitätskriterium nichtdie theoretische Erklärungder
Irrtümer und ideologischenSchranken der vorhergehenden Entwicklungsstufe,die Ratio-
nalitätdes neuenTheorieentwurfs und Forschungsprogramms würdesichvielmehrdaran
bemessen, wie weit es gelingt,die frühereGestaltdes Paradigmakerns durchein solches
„systematisches Äquivalent"7*)zu ersetzen,das jene als Spezialfall erhält und mehr
erklärt.Auf diesebeidenKriterienwerdeichbeimÜbergangzu Habermasnochzurück-
kommen.
Bis jetzt habe ich unterstellt,daß sich der Übergang von Grünbergzu Hork-
heimerals Paradigmawechselbeschreibenläßt. In der Tat gibt es viele Ähnlich-
keiten mit jenen Vorgängen, die Kuhn mit der dramatischenFormel von den
„wissenschaftlichen Revolutionen" treffenmöchte. Als „Wandlung des Weltbil-
des"72)läßt sichder Einzug der KritischenTheorie ins ,InstitutfürSozialforschung'
mit Recht bezeichnen.Doch handelt es sich wirklichum den Wandel von einem
sozizXwissenschaftlichen Paradigma zum anderen?
Wenigstens ein wesentlicher Aspekt jenes Wandels, den ich bis jetzt vernach-
lässigt habe, legt eine negative Antwortnahe. Wie U. Migdal gezeigt hat, gab es
unter der Leitung Grünbergsim Marxismuszwar einen allgemeinenweltanschau-
lichen' Hintergrundund ,Wertbezug'der Institutsarbeit.Aber Grünbergverstand
sich eher als Koordinator eines pluralen Spektrumsvon Forschungsansätzenund
wollte die Bildung einerSchule unterallen Umständenvermeiden.Diese Offenheit

70) Kuhn, a.a.O., S. 131.


71) Habermas, a. a. O.
n) Kuhn, a.a.O., S. 151ff.

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40 Hauke Brunkhorst

hat auch „die weltanschaulich-politische Spannweiteund Mannigfaltigkeit"78)


des Institutorgans, des „Archivsfürdie Geschichte des Sozialismusund der Ar-
beiterbewegung" geprägt- und sie hat sichin den 20er Jahrensogarnochver-
größert.74)
Ganz im Unterschied zur produktivsten Phase der frankfurterSchulecim
New YorkerExil wärees falsch,in der,Grünberg-Kxtf bereitseinequasi normal-
wissenschaftlicharbeitende, traditionsbildende
Schule zu vermuten, und während
das jArchiv'insoferneherder traditionellen Formeinerwissenschaftlichen Zeit-
schriftglich,als sichin ihmzwar eine Richtung, aber keinForschungsprogramm
spiegelte,war die ,Zeitschrift für Sozialforschung' buchstäblich von der ersten
bis zur letztenSeite und noch im schließlichen ,Scheitern*die Verwirklichung
einessolchenProgramms, Ausdruckder „Idee einerauf die gegenwärtige Epoche
gerichteten Theorieder Gesellschaft, die sich dem Urteil der empirischen For-
schung in allen sozialwissenschaftlichen
Disziplinenunterwirft."75)
Wenndas richtig ist,bleibtder Übergangvon Grünberg zu Horkheimer zwar
ein „Wandeldes Weltbildes",diesesverdichtet sichaber erstunterHorkheimer
zu einemwissenschaftlichen Paradigma.Bei dem in diesemAbschnitt rekonstru-
iertenProzeßhabenwiralso nichtetwa einensozialwissenschaftlichen Paradigma-
wandelvor uns,sondernallererstdie Konstitution einessolchenParadigmas.
Aber- so müssenwir fragen- gelingtdieseKonstitution einessozialwissen-
schaftlichenForschungsprogramms unterHorkheimer} Was kommt in derKriseder
40erJahrezumAusdruck* - Das scheiternjener„Idee einerauf die gegenwärtige
Epoche gerichteten Theorieder Gesellschaft" oder nur der Umstand,daß diese
Idee in jenemgrandiosen erstenVersuchunterdemlastendenDruckvon Exil und
Verfolgung noch nichtkonsequentgenugverwirklicht und nichtradikal genug
begründet wordenist?
b) Die Faschismuskontroverse
Das letztegroßekollektiveProjektder frühenKritischen Theoriesollteeine
umfassende, interdisziplinär Faschismustheorie
aufgefächerte hervorbringen. Dieses
Projekt,dessenersteErgebnisse zumTeil in denletztenNummern derZeitschrift*
publiziert,zum Teil in einerVortragsreihe Ende 1941 an der ColumbiaUniver-
sity vorgestellt wurden, ist - obwohl die Beiträgevon Horkheimer, Pollock,
Neumann,Gurland,Kirchheimer und Marcusein ihrer„diskursiven Gesamt-
gestalt... ein bis heutenichtwiedererreichtes Niveau der Faschismusforschung
anzeigen"78) - „Ohne
gescheitert: Übertreibung läßt sichsagen,daß dieseKon-
troverse in denfrühen 40erJahrendas Institut in zwei Lagerspaltete."77)
Angelpunktder Faschismuskontroversen war der Streitum das veränderte
Verhältnisvon Politik und Ökonomie:Ist der Nationalsozialismus eine neue
Ordnung, die die „Tauschwirtschaft"
kapitalistische zugunsten einer machtgesteu-
erten„Befehlswirtschaft" abgelösthat78),in derdas „Profitmotiv . . . vomMacht-
motiversetztworden"ist?79)

™) Migdal, a.a.O., S. 116.


74) A.a.O.
Profile,Frankfurt
76) H a b e r m a s , J.: Philosophisch-politische 1981,S. 417.
™) Horkheimer, Rechtund btaat im Nationalsozialismus,
M. u. a., Wirtschaft,
hrsg.v. Dubiel/Söllner, Frankfurt 1981,S. 7 der Einleitungvon D u b i e 1/
S ö 1 1n e r.
77) A.a.O., S. 8. . . ......
78) A. a. O., S. 121 (Pollock: „Ist der Nationalsozialismuseine neue Ordnung?).
7Ö) A.a.O., S. 130 (Neumann: des Nationalsozialismus").
„Die Wirtschaftsstruktur

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Krit.Theoried. Gesellschaft 41

Für Horkheimer und Pollockist klar,daß im autoritären Staat das „Primat


der Politiküberdie Wirtschaft . . . eindeutigerrichtet"ist.80)Das Geld-Medium
wirdin der totalitären Einheitder ganzenGesellschaft durchdas Macht-Medium
abgelöst.Befehlund Kommandoersetzendie veralteten Integrationsmechanismen
Wareund Geld. Aus Arbeitern werdenSoldaten,die Wirklichkeit stimmt mitder
faschistischenReklameüberein.„Der striktestaatlicheBefehl. . . entspricht der
modernenOrganisationder Wirtschaft."81) „An die Stelle des Tauschesmit der
Arbeittrittdas Diktat über sie."82)Bürokratische Herrschaft löst die dysfunk-
tional gewordeneEigentumsordnung auf. „Der Staatskapitalismus beseitigt. . .
den Markt."88)Zumindestoberflächlich rücktdiese These in die Nähe gän-
gigerTotalitarismustheorien: faschistischer Staatskapitalismus und staatssoziali-
stischer„integralerEtatismus"84)sindnurmehr Erscheinungsformen des nämlichen
autoritären Staates.
Neumann,Gurlandund Kirchheimer könnendie Staatskapitalismusthese weit-
gehendempirisch entkräften.
Weder sind die Marktmechanismen außer Kraft
gesetzt85),noch funktionieren die von den Nazis propagierten Gewinn-und
Kreditkontrollen dort,wo es um die ökonomischen Profitinteressen der großen
Konzernegeht.86)„Die Triebkraft des ökonomischen Systems ist der aggressive,
expansionistische
imperialistische, Geistdes deutschen Großkapitals."87) Selbstdie
von Marx wie Webergleichermaßen als Grundbedingung des modernen Kapitalis-
mus postulierte Freiheitder Arbeitund des Arbeitsvertrags sind im Faschismus
keineswegs vollständig Die konstitutive
beseitigt. „Unterscheidung von Arbeitund
Freizeit"bleibtebensoerhaltenwie das Institutdes Arbeits Vertrags.88) Neumann
kannzeigen,„daß alle Versuchedernationalsozialistischen Juristen, den Arbeits-
vertragdurchein anderesrechtliches Instrument zu verdrängen. . ., gescheitert
und alle Beziehungen zwischenArbeitgeber und Arbeitnehmer nochvertraglich
sind".89)An unterschiedlichen empirischen Gegenständen belegenNeumannund
Kirchheimer die These,„daß die Widersprüche des Kapitalismus in Deutschland"
keineswegs geglättet und überwunden, vielmehr„auf einemhöherenund deshalb
auch gefährlicheren Niveau wirksamsind".90)Überdieshat Neumanndie ent-
scheidende theoretischeSchwächeder Staatskapitalismusthese soforterkannt.Ihr
Fehlerist die „Entdifferenzierung der ökonomischen und der politischen Kate-
gorien".91)
Pollock und Horkheimerhaben nämlichdie für den liberalenKapitalismus
postulierte des „universalenMediumsdes Geldes"92)durch
Integrationsleistung
das im Staatskapitalismus ebensouniversellund monolithisch wirksameMacht-

80) A. a. O., S. 124 (P o 11o c k)


81) A. a. O., S. 35 (H o r k h e i me r : „Die Judenund Europa")
82) A. a. O., S. 36.
88) A. a. O., S. 56 (H o r k h e i m e r : „Autoritärer
Staat").
M) A. a. O., S. 61 f.
») A. a. O., S. 175ff. (N e u m a n n).
M) A.a.O., S. 186ff.,214 ff.
87) A. a. O., S. 215.
*) A. a. O., S. 199.
8») A.a.O.
••) A. a. O., S. 136.
w) A.a.O., S. 17 (Dubiel/Söllner).
92) A. a. O., S. 286 (Kirchheimer: „Strukturwandeldes politischen
Kompromisses").

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42 Hauke Brunkhorst

Mediumeinfachausgetauscht. Da ohnehinfürHorkheimer und Pollockim Fa-


schismus Tendenzdermodernen
die historische Gesellschaft nurbesonders deutlich
zum Ausdruckkommt,verstellensie sich von vornherein die Möglichkeit, die
hohe„organisatorische Flexibilität
Effizienz'*39), und Stabilitätdes Spätkapitalis-
musals Folgedes systematischen Zusammenspiels derSteuerungsmedien Geld und
Macht,das heißtvor allemals Stzztsinterventionismus zu analysieren. Der Natio-
nalsozialismusist für Neumanndeshalb „totalitärerMonopolkapitalismus"94):
„Monopolwirtschaft - und . . . Befehlswirtschaft", „eine privatkapitalistische
Ökonomie,die durcheinentotalitären Staat reglementiert wird".95)
Freilichabstrahiertein solcherVergleichder theoretischen Konsistenzund des
empirischen Gehaltsder beiden - in der Faschismuskontroverse vertretenen The-
sen - Staatskapitalismus* vs. totalitärerMonopolkapitalismus' - von der
innerenund äußerenGeschichte der frankfurterSchule'.An der Faschismus-
kontroverse des Instituts
zeigt sich exemplarisch die Grenzeeinerabstrakten, wie
Kuhnsagt,auf „die WirkungderNaturund derLogik" eingeschränkten Wissen-
théorie.Denn Pollockund Horkheimer
schafts habensichja keineswegs den nach
den Regelnder Logik und der Erfahrung zwingendenArgumenten Neumanns,
Kirchheimers und Gurlandsangeschlossen. Im Gegenteil, sie habennurum so ent-
schiedeneran der Staatskapitalismusthese festgehalten,und Horkheimer hat nicht
gezögert,sie als empirisch tragfähiges Fundamentfür den Umbau der frühen
KritischenTheoriein einenegativeGeschichtsphilosophie derAufklärung und der
instrumenteilenVernunft zu akzeptieren.
Ich fragemich,ob das nurDogmatismus war - jenerDogmatismus, von dem
Kuhn gezeigthat, daß ganz ohne ihn eine ,normale'wissenschaftliche Tätigkeit
gar nichtmöglichist; eben weil die wissenschaftliche Praxis vom Kontextder
Lebenswelt^Paradigma'!)so wenigabgelöstwerdenkannwie jede kommunika-
tive Praxis.Aber man darf die Vernunft nicht,wie nochder früheKuhn ganz
im Sinne des Empirismus meint,auf „die Wirkungder Natur und der Logik"
beschränken (sofernin „Wirkungen" überhauptVernunft steckenkann- es sei
denn, man wäre ernsthaftbereit,einen metaphysischen Naturalismus zu verteidi-
gen). Nur unter dieser- empiristischen - Prämisse ließe sichdie Lebenswelt
umstandslosmit ,Dogmatismus' identifizieren,der dann wissenschaftshistorisch
durchexterneUrsachenerklärtwerdenmüßte.
Natürlichwäre es unsinnigzu leugnen,daß in der ReaktionHorkheimers und
PollocksauchjDogmatismus' zu Tage tritt,fürden es plausibleexterneErklärun-
gengibt.Sie reichen von sozialpsychologischen Marginalisierungstheoremen96) über
die erhellendeAnalysebiographischer Kontexte97) bis zu der von Horkheimer
selbstfavorisiertenErklärung,daß es in den frühen40er Jahrenmit dem ur-
sprünglichenProjektzu Ende ging,weilkeinGeld mehrda war.98)

M) A. a. O., S. 214 (N e u m a n n).


M) A. a. O., 5. 142.
95) A.a.O.
a. a. O., S. 17 ff.
fl6)D u b i e 1, Wissenschaftsorganisation,
97) Ja y , M.: Dialektische
Phantasie, 1976,S. 21ff.;Gumnior/Ring-
Frankfurt
Reinbek1973; K a t z , B. M.: „Praxisand Poiesis:An Intellec-
g u t h , Horkheimer,
tual Biographyof HerbertMarcuse",Ms. 1980 (forthcoming); Hellige, H. D.:
Generationskonflikt,Selbsthaßund die Entstehung Positionenim
antikapitalistischer
Judentum.
) Vg1-Ja y » a. a. ü.

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Krit.Theoried. Gesellschaft 43

Doch die Kausalgeschichte99)


derfrankfurterSchule'ist (wie die jedesintellek-
tuellenUnternehmens,ja, jederLebenswelt)mitderEntwicklungslogik derArgu-
mentezu einervermittelten Einheitverfilzt.
MeineTheseist,daß aus der Perspektive dieserEntwicklungslogik ein anderes
Lichtauf die Faschismuskontroverse fällt,das eine Reihe guterGründefürdas
scheinbarnurdogmatische Festhalten an der in der Tat empirisch haltlosen,wüst
spekulativenStaatskapitalismustheorie erkennenläßt - und das zugleichbe-
stimmteSchwächender These vom „totalitärenMonopolkapitalismus" sichtbar
macht.Hinterbeidem,den gutenGründenfürein falschesArgument wie den
Schwächen einerkonsistenten und gehaltvollen Theorie,erscheint dann aber der
innereGrundfürdie Krise: die unaufgelösten Schwierigkeiten jeneserstenVer-
suchs,die Idee einerKritischen TheoriederGesellschaft an die empirischen Sozial-
wissenschaften anzuschließen.
Das wird sofortklar, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß die Formelvom
Staatskapitalismus* das ,missinglink'ist,das die entwicklungslogisch konsequente
Transformation eines interdisziplinären marxistischen Forschungsprogramms in
die negativeGeschichtsphilosophie der „Dialektikder Aufklärung" genetisch er-
klärt.Ursprünglich wollte die KritischeTheoriedialektisch dargestellte „inter-
disziplinäreSozialforschung" sein100),in der die „Philosophie"auf die „Rolle
eines problemsensitiven integrierenden Mediumsder disziplinärzersplitterten
Einzelwissenschaften"101) eingeschränkt war. Am Ende war es mit dem „Ver-
trauen" in den „modernenWissenschaftsbetrieb" vorbei und „der Sinn von
Wissenschaft fraglichgeworden".102) Das gesuchte,den Widerspruch vermit-
telndeZwischenglied müßtedann die folgendeForm haben: Es müßteeinen
emprischen Anspruch erhebenund so die Gesellschaftstheorie an die Einzelwissen-
schaftenanschließen und es müßtezugleichempirisch so gehaltlossein,daß es sich
langfristignur durcheine Abkoppelungder Gesellschaftstheorie von ebenjenen
Einzelwissenschaften aussichtsreich
verteidigen ließe.Von genaudieserdialektisch-
paradoxen,entwicklungslogisch-dynamischen Formist das Staatskapitalismustheo-
rem:Pollockerhebteinenempirischen Wahrheitsanspruch und verteidigtihn ent-
schiedenmit einzelwissenschaftlichen, nämlichökonomischen Argumenten gegen
die EinwändeNeumanns.AberPollockkannseineThesen- ganz im Gegensatz
zu Neumann- kaumbelegen,nurapodiktisch behaupten.
Die einzigeMöglichkeit, das Theoremlangfristig zu verteidigen und zugleich
durchden Rückzugin die Philosophiedie Krise zu verdrängen und 20 Jahre
latentzu halten,habenHorkheimer und Adornodann ergriffen: indemsie die
empirischen Sozialwissenschaften als Richter in Fragen der Gesellschaftstheorie
fürbefangenerklärthaben.„PollocksTheoriebot ihnendie ökonomische Recht-
fertigung dafür,eine ökonomische Gesellschaftsanalyse nichtmehrfürnötigund
möglichzu halten."103) Von nun an konntensie ihr Hauptaugenmerk darauf
richten,die These von der systematischen Unzuständigkeit der Wissenschaften
geschichtsphilosophisch,anthropologisch und ideologiekritisch zu begründen. Erst
im Anschlußan den „Positivismusstreit" wurdendie innerenMängeldieserBe-

••) Das meine idi nidit in ersterLinie im Sinne universeller Kausalgesetze,sondern


primärim Sinnesingulärer Kausalitätvon Ereignisfolgen
á la D a n t o {Analytische
PhilosophiederGeschichte, Frankfurt 1974).
1<w)Dubiel, a.a.O., S. 135ff.
m) A. a. O., S. 52.
im) DialektikderAutklärung, a. a. O.
iva) D u b i e 1, a. a. U., 5. 100.

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44 Hauke Brunkhorst

gründung so offenbar, daß schließlich die seitüber20 Jahren,verdrängte* Krise


die Barrierenderphilosophischen jAbwehrmechanismen* durchbrach.
Vergegenwärtigen wir uns nocheinmaldas Schemaauf Seite36 zur Theorien-
dynamikderKitischen Theorie,dannwirddeutlich, daß Horkheimer undPollock
in der Staatskapitalismustheorie die negativeKonsequenzaus den Anomaliendes
Klassenbewußtseins-Rätsels ziehen: von nun an kann die Klassenbewußtseins-
theoriefürfalsifiziert gelten.Sie spüren,daß einesolcheFalsifikation den Para-
digmakern nichtunberührt lassen kann. Und doch halten sie auf eigentümliche
Artan ihmfest.Obwohlsie ahnen,daß es nichtmehrgeht,möchten sie sichdoch
nichtganz von der Werttheorie verabschieden. Deshalb erhaltensie die Struktur
des Paradigmakerns, indemsie die Werttheorie durchein funktionales Äquivalent
ersetzen,das an die Stelle derselbentrittund diese nichtmehrals Spezialfall
impliziertbzw. im semantischen Feld enthält.An die Stelle des Geldes ist die
Machtgetreten, die das Wertgesetz als Integrationsprinzip des Spätkapitalismus
ablöst und zugleichdas totalitäreWesendes dem ScheinenachliberalenWert-
gesetzesoffennachaußenkehrt.Das universell gewordene Macht-Medium vermag
zwar das zu erklären, was die Werttheorie nichtmehrerklärenkann: das Aus-
bleibendes Klassenbewußtseins und derRevolution.Abersie erklärtnichtlänger,
was die Werttheorie immernocherfolgreich erklärenkonnte:den nachwie vor
existierenden Kapitalismusund die nach wie vor fundamentale Dynamikdes
kapitalistischenWachstums. Die Theoriedes Staatskapitalismus kannalso struktu-
rellnichtmehrerklären als die unbrauchbar gewordene Werttheorie.
Überdiesstecktim Austauschder explanativenFunktiondes „Geldes" durch
die „Macht"ein weiteres- und sogargut hegelmarxistisches - Motiv fürdie
Loskoppelung der Kritischen Theorie von den Einzelwissenschaften. Da nämlich
der Staatskapitalismus sichdadurchvom wertgesteuerten liberalenKonkurrenz-
kapitalismusunterscheidet, daß er,wie Horkheimer und dannauchAdornoimmer
wiederbetonen,die alles entscheidende Differenzvon Wesenund Erscheinung
einzieht,wäre der ein schlechter Dialektiker,der dann nochan der Wissenschaft
festhaltenwürde- dennwie sagtderHegelianerMarx: „Alle Wissenschaft wäre
überflüssig,wenn die Erscheinungsform unmittelbar mit dem Wesender Dinge
zusammenfiele."10321)
Haltenwir fest:Die Staatskapitalismusthese ist die innere,entwicklungslogische
Konsequenz aus den Anomalien der frühen Kritischen Theorie.Nur auf den
erstenBlickscheintes deshalbso, als stündedie polemisch scharfprofilierte und
empirisch ungleich solidere von
Gegenposition Gurland, Neumann und Kirch-
heimer,die Formelvom „totalitären Monopolkapitalismus" den ursprünglichen
Intentionen der frankfurterSchule*näherals die Horkheimers und Pollocks.
NeumannsVersuch,„die marxistische Annahmevom methodologischen Primat
der Ökonomie"mit einerraffinierten Argumentation dochnochzu rettenund
mitdemempirisch beobachteten „Funktionszuwachs", ja, demfaktischen „Primat
kompatibelzu machen,mißachtet
der Politik"104) genaudie Gründe,die Hork-
heimerundPollockzur Preisgabejener„marxistischen Annahme"bewogenhaben.
Die verschwiegene Orthodoxie,die an den unhaltbargewordenenarbeitswert-
theoretischenGrundlagen des Marxismus haftetund die Gurlandin einemfreilich
brillantenEssay noch einmal zur orthodoxen Behauptung verdichtet,der „totali-
täreMonopolkapitalismus" ruheauf dem„technologischen Unterbau"„chemischer

108a)M a r x , K.: Das Kapital III, Berlin 1968, S. 825.


104) Dubiel/Söllner, a.a.O., S. 18.

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Paradigmakernu. Theoriendynamikd. Krit. Theorie d. Gesellschaft 45

Verfahren" wie weiland der liberale Konkurrenzkapitalismusauf jener legen-


dären Marxsdien Dampfmaschine105), diese Orthodoxie ist selbst einer der wich-
tigsteninternenGründe für die Krise, die in der Faschismuskontroverse des Insti-
tuts aufbrichtund die zum rationalen Motiv für die folgende ¡Kehre* Adornos
und Horkheimersin eine negative Geschichtsphilosophie wurde.
Die Gruppe um Neumann muß nämlichstillschweigend an den Grundannahmen
der Klassenbewußtseinstheorie festhalten,um die These verteidigenzu können,
der wachsendeTerrorismusdes Naziregimes wäre Ausdruckeines höherenNiveaus
der „Widersprüchedes Kapitalismus"; denn in der Zusammenbruchsmetaphorik
von den sich verschärfendenWidersprüchenbleibt die Annahme eines an sich
immer revolutionärerwerden Kollektivsubjekts,das nur noch durch nackte Ge-
walt und Terror von der revolutionärenAktion zurückgehaltenwerden kann,
zumindestlatent erhalten.
Weil er eine vermittelndeStellung „zwischen den Fronten" der Faschismus-
kontroversebezieht106), weist Marcuses Essay über „Einige gesellschaftliche Folgen
moderner Technologie" noch am ehesten in die Richtung einer Aufhebung der
Krise. Marcuse, der in dieser Arbeitzentrale Thesen des „EindimensionalenMen-
schen" vorwegnimmt,schließtim Begriffder „technologischenRationalität" zu-
nächst eng an Webers Begriffder „formalen Rationalität" an.107) Ähnlich wie
Horkheimerund Adorno suchtMarcuse der Orthodoxie zu entkommen,indem er
den Begriffder Rationalitätins Zentrumder Analyse rückt.TechnologischeRatio-
nalität ist zum umfassenden„Geist" der modernenGesellschaftgeworden,der sich
heute „fast auf den gesamten Bereich des Denkens" ausdehnt, den Lebensstil
prägt108)und „auch das kulturelleFeld okkupiert".109)Als solche sprengtsie den
Rahmen jeder werttheoretisch angelegtenklassenspezifischenZurechnung.Anderer-
seits, und hier schließtMarcuse, wie Dubiel und Sollner herausarbeiten,an die
Gruppe um Neumann an, ist die Vereinseitigungder Rationalität zur technolo-
gischen,die eindimensionaleAuflösung der Spannung zwischen „technologischer"
und „kritischerRationalität", „deren Wertvorstellungen nur verwirklichtwerden
können, wenn sie selbst alle persönlichen und gesellschaftlichenVerhältnissege-
staltethat" und die „den Prinzipien der Autonomieentspringt,welche die indivi-
dualistische Gesellschaftsordnungselber zu ihren unmittelbar einleuchtenden
Wahrheiten erklärt hatte"110),ein empirischesProblem, das aus der Dynamik
der kapitalistischenEntwicklungerklärt werden muß und nicht durch ein ge-
schichtsphilosophischesApriori in ein analytischesProblem umdefiniertwerden
darf.
In Marcuses Essay deutet sich eine Perspektivezur Überwindungder Krise an,
die sehr viel später Habermas aufgegriffenhat. Freilich haftet am Begriffder
„technologischenRationalität" eine Schwierigkeit,die mit dem Webermarxismus
der KritischenTheorie zusammenhängtund die eine handlungstheoretische Ver-
engung der Verdinglichungstheorie erkennenläßt. Wie HorkheimersBegriffder
„instrumentellen Rationalität" erlaubter nicht,zwischenden gesellschaftlichen Fol-

105) G u r 1 a n d : „Technologische Entwicklung und Wirtschaftsstruktur im National-


sozialismus", in: Horkheimer u. a.: Wirtschaft. . . a. a. O., S. 235.
tw) M a r c u s e , in: H o r k h e i m e r u. a. a. a. O., S. 337 ff.
107) Vgl. audi Dubiel/ Soline r, a. a. O., S. 23 f.
108) M a r c u s e , a. a. O., S. 354.
1M) D u b i e 1/ S ö 1 1 n e r , a. a. O., S. 24.
i10) Marcuse, a.a.O., S. 347.

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46 Hauke Brunkhorst

gen zweckrationalen Handelns und den Rückwirkungen Sozial-


organisierter
système Lebenhinlänglich
auf das gesellschaftliche trennscharf
zu unterscheiden.
Was nunin derKrisederfrühenKritischen TheoriezumAusdruck kommt, das
Scheiternihrerursprünglichen Idee, eine Deutung,die Horkheimer und Adorno
nach dem Krieg selbstnahegelegthaben,oder nur die Unzulänglichkeiten und
unaufgelösten Schwierigkeitendes erstenVersuchs,den Marxismus- ohne dem
Positivismuszu verfallen- an die empirischen anzuschlie-
Sozialwissenschaften
ßen,das läßt sich- wie alles in derGeschichte- erstvomEnde hersagen.

zu Habermas
3. Von Horkheimer

Der Übergangvon Grünberg zu Horkheimer war - bei äußererKontinuität


Rahmens- eininnererBruch,in diesemSinneeinParadigma-
des institutionellen
wechsel,wenngleich nichtder Wandel einessozialwissenschaftlichen Paradigmas.
Der Wechselvon Horkheimers früherKritischer Theorie,derenRahmennach
demKriegnichtverlassen, nuraufPhilosophie eingeengt wurde,zu Jürgen Haber-
mas ist Einheitund Differenzzugleich.Die innereEinheitderKritischen Theorie
bleibt- gutidealistisch - in dieserDifferenz gewahrt. IndemHabermassichvon
Marx und Horkheimer entfernt, kehrter zu ihnenzurück.Marx wie Horkheimer
- denn das, die jempiristische* Wendeder Klassenbewußtseinstheorie ist es, die
ihnvon Lukãcstrennt- wolltenals Theoretiker SozialWissenschaftlersein.Doch
der erstekam von den steilenKonstruktionen der HegelsdienLogik nichtlos,
und der letztereblieb am Ende dochim Bannkreisdes geschichtsphilosophischen
Denkens.Habermashat, nachanfänglichem Zögern,den philosophischen Ballast
abgeworfen. Das heißtnatürlich nicht,daß die Philosophie- oder gar das idea-
Erbe der ,Kritik'- ganz aus derKritischen
listische Theorieverschwunden wäre.
Nur, ihreForm hat sichso verändert, und ihreRolle ist so jetzteingegrenzt, daß
sie die Entfaltungeinessozialwissenschaftlichen Paradigmasbeziehungsweise den
kritischenAnschlußan die Paradigmen derGesellschaftstheorie und die empirische
Forschungzwanglos und ohne grundlegende ,Anomalien"möglichzu machen
Das
verspricht. jedenfalls ist das Habermassdie Programm. Indemer die formalen
Aufgabender Philosophievon den inhaltlichen Interessen der Gesellschaftstheorie
scharfabgrenzt,gelingtes ihm,jene Konfudierung der philosophischen Grund-
/¿gewforschung mit substantieller, empirisch gehaltvoller Theoriebildung, die für
den älterenHegelmarxismus war,zu vermeiden
so charakteristisch und die beiden
Seitender Kritischen Theorie,die Philosophieund die Wissenschaft in ein be-
gründetes, systematischesVerhältnis zueinander zu setzen - insofernbleibt auch
er Hegelmarxist.
Aus dieserPerspektive erscheint die Krisederfrühen Kritischen Theoriekeines-
wegs wie ein Falsifikation ihrerIdee, vielmehrals Folge jener Konfudierung,
derenAuflösung erstdie Gesellschaftsí¿eone aus denFesselndesbewußtseinsphilo-
sophischen Denkenslöstundsie aufdemkognitiven Differenzierungsniveau sozial-
Paradigmatamöglichmacht.
wissenschaftlicher
Nun sehenwir, wo die Einheitund wo die Differenzierung in der jüngsten
Geschichte derKritischen Theoriezu findenist:
- Die ,Differenz€ ist der Abschiedvon der Bewußtseinsphilosophie. Er be-
gründeteinen philosophisch-kategorialen Paradigmawechsel in der Zentral-
referenz(bzw. im jOntologischen* Grundschema) Kritischer Theorie.

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Krit.Theoried. Gesellschaft 47

- Die jEinheit* Kern des Marxismus.Seine Aus-


ist der sozialwissenschaftliche
arbeitung,die ihn zugleichfreilegtund erweitert, zeigt, daß die Kritische
Theorieheute - und das war ja die genialeIntuitiondes jungenHork-
heimer- an die Paradigmender Sozialwissenschaft (die freilichzur Zeit
derfrühen KritischenTheorienochkaumentwickelt undnochnichtzur ,normal
science*gewordenwaren) in ähnlicher Weiseanknüpfen kann wie seinerzeit
Marxan die PolitischeÖkonomie.
Ich diskutierezunächstdie Differenz,um anschließend zu zeigen,daß die
„Theoriedes Kommunikativen Handelns"die Paradigmen,System'und ,Lebens-
daß der alte Paradigmakern,
welt*so integriert, die Werttheorieim semantischen
Feld dieserTheorieerhaltenbleibtund so erweitert wird,daß erklärtwerden
kann,was die Werttheorie nichtmehrerklärt:Die ökonomische Stabilitätdes
Kapitalismus,die Integration die neuenFormender Krise und
des Proletariats,
des Widerspruchs.

a) Der Wechselder Zentralreferenz: von ¡Kritische vs. Bürgerliche Wissenschaft*


zu ,Systemund Lebenswelt'
UnterderPrämisse, in derArbeitswertlehre das Organisationsprinzip moderner
Gesellschaftengefunden zu haben, hat Marx das Produktionsverhältnis von Lohn-
arbeitundKapitalals das „epocheprägende Prinzip"bezeichnet:
„Die Begriffe, die das Wertgesetz als einenwidersprüchlichen Kreislaufkenn-
zeichnen,implizieren allesamteinensemantischen Gehalt,der nurvon der Kern-
strukturdes sozialenSystemsjKapitalismus* herbegründbar ist: das ist das Klas-
senverhältnisvon Lohnarbeit undKapital,zugleichdie Zentralreferenz derMarx-
schenTheorie."111)
Das sozialontologische Grundschema dieserTheoriekombiniert den Gesichts-
punktderschichten- bzw. klassenmäßigen Differenzierung mitdemBasis-Überbau-
Schema:Das in letzterInstanzökonomisch bestimmte Klassenverhältnis ist die
Kernstruktur der Gesellschaft. Demgegenüber wären dann, aus der Perspektive
diesesModells,die funktionale Differenzierung der Subsysteme Staat und Wirt-
schaftebensowie die strukturelle, die kulturelle und die funktionale Differenzie-
rung der Lebenswelt (unterGesichtspunkten jeweils der symbolischen Reproduk-
tion,universeller Geltungsansprüche und der institutionellen Spezialisierung ge-
samtgesellschaftlicherAufgaben) der ökonomischen Basis gegenüberinsofern
sekundäre Phänomene, als sie nurimKontextdesökonomisch bestimmten Klassen-
verhältnissesangemessen interpretiertwerden könnten.
Würdeman umgekehrt wie Habermasdie Zentralreferenz bei derDifferenzie-
rung von System und Lebenswelt ansetzen und die gesellschaftliche,Basis*nicht
längerauf das ökonomische Subsystem eingrenzen, sie vielmehrmitder „norm-
freienSozialität"(Luhmann)der organisierten Sozialsysteme, also mit ,System-
integration*überhaupt identifizieren, dann wäre das Marxsdie „epocheprägende
Prinzip" von Lohnarbeitund Kapital nichtlänger ,epocheprägendf: es wäre
lediglichdie Kernstruktur einerhistorisch ausgeprägten Produktionsweise im Kon-
text der durchdie „Entkoppelung von Systemund Lebenswelt"insgesamtge-
prägtenGesellschaftsformation.112) Entsprechend hättees den StatuseinesPara-

m) Rit sert, J.: Drei Diskussionsbeiträge zu Grundbegriffen im Projekt „Sozial-


geschicbte , Frankfurt
und Sozialphilosophie"
der Sozialwissenschaften 1981,S. 78.
112)Habermas, J.: Zur Rekonstruktiondes Historischen Frankfurt
Materialismus,
1976, S. 169.

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48 Hauke Brunkhorst

digmas,das als „conceptualframework"113) der empirischen Forschung vorher-


geht,verloren:Seine prägendeKraftwäre ein offenesProblem,normalwissen-
Studienim begrifflichen
schaftlicher' Rahmenvon „System"und „Lebenswelt"
(so wie im anderen Fall die Differenzierungen von Systemund Lebensweltim
Rahmenvon „Lohnarbeit"und „Kapital" zu untersuchen wären).Die Zentral-
referenzen von ¡Systemund Lebenswelt'und von Lohnarbeitund Kapital'
schließensichalso wechselseitigaus - sofernsie einenparadigmatischen Status
beanspruchen.
An das ontologische Grundschema derZentralreferenz schließensichVorstellun-
gen über das Verhältnisdes eigenenBezugssystems zu anderenBezugssystemen,
insbesondere zu den Paradigmender Sozialwissenschaften an. Daran läßt sich
das rationaleMotivfürjenenWechselderZentralreferenz ablesen,denHabermas
vollzogenhat.
Dem alten Schemavon Lohnarbeitund Kapital*folgtdie Differenzierung
von Ideologieund Wahrheit, von richtigem und falschem Bewußtsein, schließlich
die von bürgerlicherundkritischerWissenschaft.Das hat mitorthodoxem Dogma-
tismuszunächstnichtszu tun.Die Zentralreferenz kannnämlichso wenigwie die
bloße „Existenzdes Paradigmas"(Kuhn) per se irgendeinenWahrheitsanspruch
begründen. Das ist es, was ihrenparadigmatischen Statusausmacht:Bestandteil
einerwissenschaftlichenoder intellektuellen Lebensweltzu sein. Nur innerhalb
diesesRahmenskönnenWahrheitsansprüche begründet werden.Die Wahrheitdes
zentralenReferenzrahmens selbstkann dann nurindirektdurchden Erfolgder
normalwissenschaftlichen Praxis getestetund argumentativ in der Auseinander-
setzungmitmöglichen Gegnernverteidigt werden.
Darin aber stecktgenau die Schwierigkeit einerideologiekritischenSystemati-
Paradigmata,die dem Grundschema
sierungsozialwissenschaftlicher ökonomisch
differenzierterKlassenund Schichten folgt:Sie muß den eigenenTheorieansatz
nämlichals Paradigmenkonkurrenz zur bürgerlichen (oder konservativen'oder
Sozialwissenschaft
,traditionellen') begreifen.
Damit ist ein Problemangesprochen, das sichMarx in dieserFormüberhaupt
nicht gestellthat. Es ist erst für die Problemsituation des Marxismusim
20. Jahrhundert undeinTeil seinerKrise.SofernMarxundEngels
charakteristisch
die bürgerlicheIdeologiein Gestaltderpolitischund rechtlich institutionalisierten
Ideen der Aufklärung und der bürgerlichen Revolutionoderin Gestaltder idea-
listischen
Philosophiekritisierthaben,paßt das SchemaeinerKonkurrenz wissen-
Paradigmenso wenigwie bei der Kritikder bürgerlichen
schaftlicher Apologetik
(besonders der„Vulgärökonomie"). Diese Kritikschöpft nämlicheinengutenTeil
ihrerKraftaus dem Rationalisierungsvorsprung der sichetablierenden modernen
Wissenschaft gegenüber««wissenschaftlichen oder ^orwissenschaftlichen Denk-
weisen.An die Kritik„der wissenschaftlichen bürgerlichenÖkonomie"114) schließ-
lichließedie sozJrf/wissensAaftlich-gesellschaftstheoretische
Paradigmenkonkurrenz
zwischenmarxistischer undbürgerlicher SoziologieabernurunterderPrämissean-
schließen,daß die im 20. Jahrhundert, also nachMarx,etablierten Sozialwissen-
schaftenimmernoch dem nämlichenideologischen Muster,von den einsamen
Robinsonadenbis zum latentenIdealismus,folgenwie die klassischePolitische
Ökonomie.

m) I. S. von Taylor, Ch.: „Neutralityin PoliticalScience",in: Ryan, A.: The


Philosophy of Social Explanation,Oxford1973,S. 146.
114)M a r x , K.: Das Kapital,Bd. 1, Berlin1969,S. 21.

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d. Krit.Theoried. Gesellschaft
u. Theoriendynamik
Paradigmakern 49

Nach dem eindrucksvollen Aufstiegder Sozial* und Geisteswissenschaften um


die Jahrhundertwende ließ sich die, in der Kritik der PolitischenÖkonomie
ebensoüberzeugend wie exemplarisch behaupteteÜberlegenheit des Historischen
Materialismuszunächstnur durch eine eigentümliche Doppelstrategieretten:
Lukácsund Korschbegründen den festlichen*Marxismus, indemsie diesenden
durchDilthey,die Hermeneutik und die Phänomenologie auf dereinenund durch
Weber,Simmelund die Soziologieauf der anderenSeite repräsentierten, neuen
Wissenschaften
stillschweigendassimilierenund sichzugleichgegen deren Ansprüche
immunisieren.
geschichtsphilosophisch Die Assimilationistdie eigentlich
produktive
Leistung:Was LukácsmitWebersBegriff der„Rationalisierung" unternimmt, das
machtKarl KorschmitDiltheysBegriff der„geistig-gesellschaftlich-geschichtlichen
Doch beidemüssenauf eineGeschichtsphilosophie
Wirklichkeit".115) des proletari-
schenSelbstbewußtseinszurückgreifen,um denHistorischen Materialismus vor der
KritikderneuenWissenschaften
zudringlichen zu retten:
sind audi im Ideologisdien
„Wie im Wirtsdiaftlidien und Bour-
Proletariat
geoisieeinandernotwendigzugeordnete Klassen.. . . Fürdas Proletariat
ist die
Wahrheit Waffe;. . . Die WutderVerzweiflung,
einesiegbringende mitderdie
Wissenschaftder Bourgeoisie
den historischen Materialismus bekämpft, wird
dadurch verständlich."116)
Lukácsmuß sichauf eine wissenschaftliche
Paradigmenkonkurrenz gar nichterst
Praxisden StreitzwischenMarxismusund bür-
einlassen,weil die revolutionäre
Wissenschaft
gerlicher wirdund der Sieg des Proletariats
entscheiden zugleichdie
Wahrheit
geschichtliche ÄhnlichKorsch:
verbürgt.
„Der wirklicheGegensatz zwischendemwissenschaftlidien Marxens
Sozialismus
und allenbürgerlichenPhilosophien und Wissenschaftenberuhtvielmehr allein
darauf,daß dieserwissenschaftliche
Sozialismusder theoretische
Ausdruck eines
Prozesses
revolutionären ist,dermitdervölligen Aufhebung dieserbürgerlichen
Philosophienund Wissenschaften,zugleichmitder Aufhebung derjenigenmate-
die in diesenPhilosophien
riellenVerhältnisse, undWissenschaften ihrenideolo-
gischenAusdruckgefunden hatten,
endigen wird."117)
Erst Horkheimer brichtmit der geschichtsphilosophisch verbürgtenErwartung
derbevorstehenden Weltrevolution und stelltsichderHerausforderung der empi-
Freilichnimmtdie früheKritische
rischenSozialWissenschaften. Theorienurzö-
gerndvon der Bewußtseinsphilosophie Abschied.Diese bleibtals gleichsam mar-
Rest der Klassen£ezew/?isemstheorie
ginalisierter in der Horkheimersdien Version
der Unterscheidungvon Marxismusund bürgerlicher Wissenschafterhalten:Auch
von ¡traditioneller*
die Differenzierung und ¡kritischer'
Theoriefolgtder„ökono-
mischgrundlegenden Struktur",dem „Klassenverhältnis in seinereinfachsten
Gestalt"und der „Idee seinerAufhebung"118), in der die KritischeTheorieim
„Selbstbewußtseinder Subjekteeiner großengeschichtlichen Umwälzung"zur
„realenMacht"der hegel-marxistischen ,Vernunft in der Geschichte*
„wird".119)
AuchHorkheimer will sichnichtauf die wissenschaftliche Paradigmenkonkur-
renzeinlassenund sichertdie WahrheitderKritischen Theorievorgängig in einer

115)K o rs c h , K.: Marxismus undPhilosophie,


Frankfurt1975.
116)L u k á c s , a. a. O., S. 80.
m) Korsch, a.a.O., S. 109.
118)Horkheimer, M.: Kritische Theorie Bd.2,S. 182.
derGesellschaft,
"wj Horkheimer, a. a. U., 5. 179.
4 SozialeWelt

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50 Hauke Brunkhorst

Geschichtsphilosophiedes revolutionärenSelbstbewußtseins.Diese Rückversiche-


rung beim philosophischenWahrheitsbegriffläßt den späteren Abschied der
frühen KritischenTheorie von den Fachwissenschaftenals innere Konsequenz
der alten Zentralreferenzerscheinen.
Freilichkontrastiertdieser abstrakte Gegensatz von traditioneller*und briti-
scher' Theorie eigentümlichmit der auf derselbenSeite seines Aufsatzes wieder-
holten Idee einer KritischenTheorie der Gesellschaft,die immanentan die tra-
ditionelle*anschließt:

„Wird die theoretisdie


Anstrengung, die im Interessepinervernünftig organi-
sierten zukünftigenGesellsdiaftdie gegenwärtigekritisdi durdileuchtetund
anhand der in den Fachwissenschaften ausgebildetentraditionellenTheorien
nidn fortgesetzt,
konstruiert, so ist der Hoffnung,die mensdilidieExistenz
grundlegend der Bodenentzogen."120)
zu verbessern,

Dieser Widerspruchzwischen ihrer gesellschaftstheoretischen Idee und ihren


philosophischenGrundlagen ist der frühenKritischenTheorie inhärent.Im Zuge
der Krise hat sie sich zunächst auf die philosophischeSeite dieses Widerspruchs
zurückgezogen.Erst im sehr viel späteren dialektischenGegenzug hat Habermas
den philosophischenParadigmawechselvollzogen, um die Idee der Gesellschafts-
theoriewieder aufzugreifen.
Dieser kategoriale Paradigmawechsel vom ,Bewußtsein*zur ,Sprachec,von
,Subjekt*und ,Objekt' zur ,InterSubjektivität'schließtdie Preisgabe jenes alten,
um das ökonomische KlassenverhältniszentriertenReferenzrahmensnicht nur
aus empirischenGründen (,Integrationdes Proletariats'etc.), sondern auch syste-
matischein. Denn die werttheoretisch fundierteZentralreferenzvon ,Lohnarbeit
und Kapital' läßt sich zwar von der Bewußtseinsphilosophieloskoppeln121),doch
die Bindung dieses Modells an ,Arbeit', ,Produktioncund Produktionsverhält-
nisse*hat schwervermeidbareinstrumentalistische Implikationen,die die Formen
der Intersubjektivitätso erscheinenlassen, als wären sie immer schon durch die
Subjekt-Objekt-Relation der Arbeitsverhältnissebestimmt.Demgegenüber läßt
das Grundschemavon ,System und Lebenswelt' die Frage offen, ob nicht „die
eigentlichproduktivenKräfte, die vernünftigenPotentiale,eher in den Verständi-
gungs-als in den Arbeitsverhältnissenangelegt" sind.122)
Ich möchteabschließendzeigen, daß der Anschlußder KritischenTheorie an die
Paradigmen von Systemund Lebenswelt,wenn er auch die Rolle der Werttheorie
als Organisationsprinzipder Gesellschaftsformation zurückweistund deshalb mit
der Zentralreferenzvon ,Lohnarbeitund Kapital' unvereinbarist, doch den alten
Paradigmakern,eben jene Werttheorieim semantischenFeld als Spezialfall erhält.
Strukturder Werttheorieläßt sich nämlich aus der
Die gesellschaftstheoretische
Perspektive der in den vergangenen 100 Jahren entwickeltenParadigmen der
Soziologie als Modellfall einer kritischen,die ideologischenBeschränkungender
etabliertenParadigmen aufhebenden,Integration von System- und Handlungs-
theoriebegreifen.Insofernbehält sie etwas von ihremexemplarischenCharakter.

120)A. a. O., S. 181.


121)Das macht JürgenR i t s e r t : Problemepolitisch-ökonomischer Theoriebildung,
Frankfurt 1973; ders.: „Anerkennung, in: Soziale Welt,
Selbstund Gesellschaft",
32, (1981),Heft 3.
122)Habermas: Profile,a. a. O. ,S. 425.

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d. Krit.Theoried. Gesellschaft
u. Theoriendynamik
Paradigmakern 51

b) Die Werttheorie Integrationder Paradigmen


als Spezialfalleinerkritischen
System' und .Lebenswelt':der Warenfetischismus und „die Herrschaftdes
derLebenswelt
Metalls"als Modellfürdie Kolonialisierung
verfluchten
Freilichnur unter der Prämisse,daß die KritischeTheorie sich nichtals „Kon-
kurrent" der „etablierten Forschungsrichtungen" selbst mißversteht,an diese
vielmehrkritischanknüpft,indem sie erklärt,„worin die spezifischeBeschränkung
bleibt die Werttheoriemit der
und das relative Recht jener Ansätze besteht"123),
Theorie des kommunikativenHandelns kompatibel. In einem solchen Verfahren
hat Marx das von ihm exemplarischan der PolitischenÖkonomie entwickelte
Wesen der immanentenKritik gesehen.Sie ist „Einheit von Kritik und Darstel-
lung"124):
„Die Kritikder ökonomisdien Kategorien. . . (ist) das Systemder bürgerlidien
Ökonomie kritischdargestellt.Es ist zugleichDarstellungund durchdie Dar-
stellungKritikdesselben."125)

Gehalt der Werttheorieist ein Erklärungsschema


Der gesellschaftstheoretische
für die - zuerst von Sohn-Rethel untersuchte- Realabstraktionin den Aus-
tauschbeziehungenzwischen ökonomischemSystem und Lebenswelt: Sie soll die
Umstellung eines Handlungsbereichs von der normativen Koordinierung der
Handlungsorientierungenauf die funktionaleKoordinierung der beobachtbaren
Handlungsfolgen erklären, die Abkoppelung des ökonomischenSystems vom
Verständigungshorizontder Lebensweit.126)Marx verstehtdas Geld als system-
Medium
integratives „normfreier Sozialität":

„Geld ... ist keine bloß vermittelnde Form des Warentauschs. Es ist eine
aus dem Zirkulationsprozeß hervorgewachsene Form des Tauschwerts, ein ge-
Produkt,das sich durchdie Beziehungen,
sellschaftliches woreindie Individuen
in der Zirkulationtreten,von selbst erzeugt.Sobald Gold und Silber (oder
jede andere Ware) als Wertmaßund Zirkulationsmittel (sei es als letztresin
ihrerleiblichenForm oder durchSymbolersetzt)sichentwickelt haben,werden
sie Geld, ohne Zutun und Wollen der Gesellschaft. Ihre Machterscheintals ein
Fatum, und das Bewußtseinder Menschen,besondersin gesellschaftlichen Zu-
ständen,die an einer tiefernEntwicklungder Tauschverhältnisse untergehn,
sträubtsich gegen die Macht,die ein Stoff,ein Ding ihnen gegenübererhält,
gegendie Herrschaft Metalls,die als reineVerrücktheit
des verfluchten erscheint.
Es ist im Geld zuerst,und zwar in der abstraktesten,daher sinnlosesten, unbe-
greiflichstenForm - eine Form, in der alle Vermittlungaufgehobenist - ,
worin die Verwandlungder wechselseitigen gesellschaftlichenBeziehungenin ein
festes,überwältigendes,die Individuensubsummierendes Ver-
gesellschaftliches
hältniserscheint.Und zwar ist die Erscheinung um so härter,als sie hervor-
wächstaus der Voraussetzungder freien,willkürlichen, nur durchdie wechsel-
seitigenBedürfnissein der Produktionsich aufeinanderbeziehenden,atomisti-
schenPrivatpersonen."127)
Geld ist also, (a) ein systemischer(„selbst erzeugt"), (b) intentions-und
motivloser („ohne Zutun und Wollen") Mechanismusder Handlungskoordinie-
rung, der (c) einen BereichnormfreierSozialität (ein „festes. . . gesellschaftliches
Verhältnis") (d) aus dem Verständigungshorizont der Lebenswelt („wechselseitige

12S)D e r s., Theoriedes kommunikativen Handelns,Bd. 2, S. 550.


124)Lohmann, G.: „Gesellschaftskritik und normativer Maßstab", in: Honneth,
A.. Taeeei. U. (Hrse/):Arbeit,Handlunx,NormativitäU Frankfurt1980. S. 237.
12Ä)Marx/Engels, Briefeüberdas Kapital,Berlin1954,S. 80.
126)Habermas, a. a. O.
127)Marx, K.: Grundrisse, Berlin1953,S. 928.
4*

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52 Hauke Brunkhorst

gesellschaftliche Beziehungen"der „Individuen";„sinnvoll"und „begreiflich")


herausgelöst („abstrahiert"= „sinnlos",„unbegreiflich", aus der Teilnehmer-
perspektive „verrückt") und (e) den EffekteinerKolonialisierung derLebenswelt
haben kann („die Herrschaft des verfluchten Metalls",die jede kommunikative
„Vermittlung aufhebt")und sich (f) der Paradoxie der Rationalisierung der
Lebensweltverdankt,weil er erstaus der rationalisierten Lebenswelt„hervor-
wächst".
In mehreren Argumentationsschritten läßt sichdie Werttheorie an die Theorie
des kommunikativen Handelnsanschließen:
1. Das MarxsdieProblemist,die Geschichte einerseitsals einevon Klassenkämp-
fen,d. h .von normativ vermittelten Interaktionsbeziehungen zwischen Klassen,
zwischenAvantgarden und Massenund zwischenden einzelnenGruppenund
Akteurenin praktischer Absichtzu rekonstruieren und andererseits dieselbe
Geschichte als objektiveDialektikvon Produktivkräften und Produktionsver-
hältnissen, als einen nichtnur symbolisch sonderndurchden Umgangmit
harten,widerständigen Sachen vermittelten Arbeitsprozeßtheoretisch zu
erklärenund zu begreifen. Marx „ist der Autor des 18. Brumairewie des
Kapital".1™)
2. Die LösungdiesesProblemsistdie Werttheorie.
3. Sie soll mit einemdialektischen Handstreichalle Problemein einemlösen:
das Verhältnis von Theorieund Praxis,von Notwendigkeit und Freiheit,von
BasisundÜberbau,vonobjektiven Strukturen undsubjektiven Orientierungen,
von Darstellungund Kritik,von ökonomischem Zusammenhalt und revo-
lutionärer Auflösung, von StabilitätundKrise.
4. Das Stichwort, das die Lösungenthält,heißt:„Doppelcharakter der Ware".
Das Tauschverhältnis ist zugleichderjenigeökonomische Steuerungsmechanis-
mus,der das Funktionieren des Ökonomischen Kreislaufsceterisparibuser-
klärt,undes isteinReflexionsverhältnis, das den„kapitalistischen Wirtschafts-
prozeß ... als Klassenverhältnis, d. h. als eine entzweite Totalität
sittliche
verständlich macht."129) Das Wertgesetz, die „invisiblehand", Marktgeseíze und
-mechanismen sind in den institutionellen Rahmendes Vertragsrechts, der
letzten Endes ausschlaggebende Tausch von Arbeitskraft gegen variables
Kapital istin die „Institution des Arbeitsvertrags" eingebunden.130) Die Wert-
theorieist Kritikdes Warenfetischs, der Subsumtion lebendiger unterdie tote
Arbeit,derAusbeutung und des „Diebstahlsfremder Arbeitszeit", des „Leids"
produktiver Arbeit, der Zerstörung des „individuellen Eigentums"durchdas
„Privateigentum"131), und sie ist dieseKritikindemsie „unmittelbar System-
analyse des wirtschaftlichen Reproduktionsprozesses" ist.132)Das Marxsdie
,Kapitaleenthältdas Kapitel über das Gesetzvom Fall der Profitrate und
das Kapitel über den Kampf um den Normalarbeitstag. Das ökonomische
Kreislaufmodell istum denKonfliktvon Lohnarbeit undKapitalzentriert.133)

128)Habermas, T.: Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt 1973,S. 49.


129)Habermas, J.: „KönnenkomplexeGesellsdjaften eine vernünftigeIdentitätaus-
bilden"*in: d e r s., H e n r i e h , D.: Zwei Reden,Frankfurt 1974,S. 64.
13°) Habermas, J.: „Geschichte und Evolution",in: d e r s.: 2ur Rekonstruktion des
Historischen Materialismus, Frankfurt 1976,S. 223.
1S1)Vgl. Marx , K.: Das Kapital,I, Berlin1969,S. 85 ff.,209, 271, 532, 635, 791 u. v.
a. m.; d e r s.: Grundrisse derKritikderPolitischen Ökonomie,Berlin1953,S. 582 ff.,
592 ff.
1S2)Habermas : Legitimationsprobleme, a. a. O., S. 49.
183) Vgl. Ritsert, Theonebüdung, 1973.
J.: Probleme politisch-ökonomischer

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u. Theoriendynamik
Paradigmakern d. Krit.Theoried. Gesellschaft 53

5. Wie ist nun die Beziehungvon „Steuerungsmechanismus" und „Reflexions-


verhältnis"? Habermassprichthierzunächstmetaphorisch von „Abbildung".
Problemeder Systemintegration (Ebene der „Steuerungsmechanismen") sollen
auf der Ebene der Sozialintegration („ReflexionsVerhältnisse")abgebildet
werden:das sei der forschungsstrategische
Sinnder Werttheorie. Im ,Kapitalf
wird deshalbdie Theorieder proletarischen Revolutionals objektiveKreis-
lauftheorieund Analyse rein ökonomischer Wertverhältnisse durchgeführt.
Dieser,wie Habermassagt,„Durchgriff" „durchsystemtheoretische Zusam-
menhängeauf Interaktionsstrukturen"134)erlaubtes Marx einerseits beispiels-
weise das bürgerliche Rechtssystemauf das ökonomische Systemhin durch-
sichtigzu machen, Überbauphänomene wie „Freiheit,GleichheitundBentham"
aus der Perspektiveder objektivenBasis als Schattenspiele zu entzaubern,
andererseits Mißverständnisse
objektivistische der Kritikder politischenÖko-
nomiezu entkräften; dennderDop/?e/charakter derWareist real: der Schein
ist, wie der vom Neukantianismus kommendeSohn-Rethelsogleicherkannt
hat135),konstitutiverSchein,hegelianisch
gesprochen, ein dem Wesenwesent-
licherSchein.136)
6. Schließlichläßt sichdas Verhältnis
derzwei Dimensionen der Werttheorie als
Zweisprachenkonzept explizieren:Aussagenüber Verwertungsprozesse des
Kapitals sind durchZuordnungs- oder Übersetzungsregeln mit solchenüber
VorgängezwischensozialenKlassenso verknüpft, daß sichersterein letztere
rückübersetzen lassen.Der Begriffdes Kapitals „ist ebensosehrein Wertaus-
druck, mitdemAussagenauf deranalytischen Ebenedesökonomischen Systems
gebildetwerdenkönnen,wie auch Ausdruckfür ein Klassenverhältnis, das
in handlungstheoretischenGrundbegriffenanalysiert werdenkann".137)
Das läßt sich (a) weiterpräzisierenund (b) im Anschlußan die glänzende
Marxinterpretation von ErnstMichaelLange™8)als linguistische Rekonstruktion
der Wertform entwickeln.
(a) Zunächstist wichtig,daß die „Verwertungssprache"Lv (in der die Aussagen
überVerwertungsprozesse formuliertsind) und die „Klassensprache" Lk (in der
die Aussagenüber soziale Klassenverhältnisse formuliertsind) nicht wie bei
Carnap einerseits Theoriesprache,andererseits Beobachtungsspracheist, sondern
daß es sichbei Lv ebensowie bei Lk um verschiedene Theoriesprachen handelt
(wobei allerdingslediglichLv eine strengoder reinkognitiveTheoriesprache im
Sinnederanalytischen Wissenschaftstheorieist).
Wodurchaber unterscheiden sichdie theoretischenBegriffevon Lv von denen
von Lk? Dadurch,daß sie durchunterschiedliche pragmatische Rollen mit der
Wirklichkeit
gesellschaftlichen verknüpft sind- und zwar im Falle Lv durchdie
teilnahmslosen
Rolle des neutralisierten, Beobachters und im Falle Lk durchdie
undbetroffenen
Rolle des engagierten Interaktionsteilnehmers.
Die „Verwertungs-

184)Habermas, Können. . .?, a. a. O., S. 64.


1S5)Sohn-Rethel, A.: Geistigeund körperliche 1970; Brunk-
Arbeit,Frankfurt
horst, H. / Koch, G. :„Blickdurchdas DickichtunsererZukunft"- ein Ge-
spräch mit Alfred Sohn-Rethel,FrankfurterRundsdiau vom 5. April 1979, S. 28.
1Ä6)Vgl. Bubner, R.: „Logik und Kapital", in: ders.: Dialektik und Wissenschaft,
Frankfurt1973, S. 68 ff.
137) Habermas, Legitimationsprobleme,a. a. O., S. 49; ders.: Geschichteund Evo-
lution, a. a. O., S. 223.
138) Lange, E. M. : „Wertformanalyse,Geldkritik und die Konstruktion des Fetischis-
mus bei Marx", in: neue heftefürphilosophie 13/1978,S. 1 ff.

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54 Hauke Brunkhorst

spräche"ist dementspredind durcheineBeobachtungssprache Lvbmitder sozialen


Wirklichkeit und die „Klassensprache" durcheine Teilnebmersprache Lkt,eine
nichtwertfreie,praktische Lebens,mitdersozialenRealität
Sprachedes wirklichen
verknüpft.Referenzebene von Lv bzw. Lvbist das soziale System(in dessenUm-
welt die „interpenetrierenden" Personenabgedrängtsind). Referenzebene von
sozialeLebenswelt.
Lk bzw. Lktist die (anthropozentrische) Wie das Schemazeigt,
gibtes entsprechend vierKlassenvon Zuordnungsregeln:

Lv Lvb System

Zi Z4
i z3
Lk Lkt Lebenswelt

Theorie- Erfahrungssprachen Referenzklassen


sprachen (Objektbereiche)

Lv = Verwertungssprache Zi . . . Z4 = Zuordnungsregeln
Lk = Klassenspradie
Lvb ~ Beobachtungssprache
Lkt = Teilnehmersprache

Um die Zuordnungregeln Zi und Z4 gehtes, wie Lange gezeigthat, bei den


bekanntenProblemender dialektischen Darstellungder Werttheorie, beimGeld-
rätselusw.Die Aufstellung von Zuordnungsregeln des TypsZ2 erlaubtempirische
Testsder MarxsdienTheorie(klassische Beispiele:Untersuchungen überzyklische
Krisenvon Marx bis Mandel); bei Sprachregeln vom Typ Z3 kommtes dagegen
daraufan, ein den handlungstheoretischen Annahmen des HistorischenMaterialis-
mus korrespondierendes Alltagsbewußtsein beim potentiellen Adressatenauszu-
machen:es gehtum die Bewährung praktischer Hypothesenin sozialenLernpro-
zessen (klassisches
Beispiel: 18. Brumaire, 8. Kapitel des ,Kapital'). Z3-Regeln
verweisenauf das Problemdes Klassenbewußtseins und die (zweite)Entstehung
desProletariats„als Lernprozeß".139)In Zuordnungsregeln vomTyp Z4 reflektiert
sichüberdiesdas Sozialforschern bekannteProblemder „doppeltenOperationali-
sierung"und„doppeltenSozialisation"140), politisch-praktischdas derAgitation.
in
Das Ganze läßt sich, Rückerinnerung an die ersten Kapitel des ,Kapitals',
vielleichtdurchfolgendeBeispielsätze und Begriffe weiterverdeutlichen: Theore-
tischeLy-Begriffesindz. B. ,abstrakte und,Wertc,
Arbeit* einetheoretischeAussage
in Lv wäredannMarxensBehauptung, abstrakte Arbeitläge demWertderWaren
zugrunde.Handlungstheoretische Lk-Begriffe z. B. ,konkrete
sind Arbeit',Waren-
aber auch ,Klasseninteressee
fetischismus', oder Klassenbewußtsein*. Eine in der
Geschichte des MarxismussicherbedeutsameThese in reinenLk-terms war die
Unterstellung eines inneren Zusammenhangs von konkreten Arbeitsbedingungen
(der berühmten ,Klassenlagec oder, andersformuliert, der ,Lebensweltder Ar-
beiter') und der Entstehungoder Hemmungvon Klassenbewußtsein'. Solche

199) Ves ter, M.: Die Entstehungdes Proletariats als Lernprozeß, Frankfurt1970.
i«) vgi#Rjtsert, J. / Brunkhorst, H.: Theorie, Interesse, torscbungsstrategien,
Frankfurt1978.

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d. Krit.Theoried. Gesellschaft
u. Theroriendynamik
Paradigmakern 55

gemischten Sätze schließlich, die Zusammenhänge zwischenVerwertungsbedingun-


gen des Kapitals und Klassenbewußtsein postulieren, sind Beispielefür rein
theoretische Zuordnungsregeln Zi. Ein berühmtes Beispielaus den erstenSeiten
des Kapitals ist die Marxsalt These von der Reduktionkonkreter Arbeitauf
abstrakte Arbeit.Auchdas Zusammenbruchsgesetz, sofernes einenZusammenhang
von ökonomischer Krise und Revolutionpostuliert, ist eine typischeZi-Regel.
Sätze einerSprache,in der sichsinnliche Erfahrungen im UmgangmitMenschen
und Dingenausdrücken, sind:
(1) aus der Perspektive des neutralen Beobachters Behauptungen überdie Wert-
äquivalenz zweier bestimmter Warenmengen (Lvb),
(2) aus der Perspektive des tauschenden Interaktionsteilnehmers die Annahme,
daß dieserfüreine bestimmte Menge Waren eines bestimmten Typs andere
WarenanderenTypsrauszurücken bereitsei,x WareA fürihnalso y Ware
B wertsei (Lkt).
Gemischte Sätze Z4 sinddannalle diejenigen Aussagenim »Kapital*, die sichauf
die Widersprüche dereinfachen Wertform und ihreAuflösung beziehen,also z. B.
die,die den Lvb-Satz„x WareA = y WareB" mitdemLkt-Satz„x WareA ist
y Ware B wert" durchdas logischePartikel„oder" verknüpft (hierzuvgl. die
Ausführungen des nächsten Absatzes und die Interpretation von Lange). Ein Bei-
spielfüreineZ2-Aussageist die These,daß die Tauschäquivalenz von x WareA
und y Ware B sichdurchdas gleicheQuantumabstrakter Arbeitin x Ware A
und y WareB erklären ließe.Und schließlich wäredie Vermutung, daß bestimmte
Warenfüreinebestimmte soziale Klasse oderKlassenfraktion oder Organisation
oder einzelneAkteurevon besonderem Wertseien,weil sie aus einerbestimmten
(Klassen-)Lage heraus handelten, BeispielfürZuordnungsregeln
ein vom Typ Z3
(also z. B.: ,die Arbeiter des Betriebs P zum Zeitpunkt Q versuchen durch Streiks
möglichst hohe Löhne für ihre Arbeitskraft zu erzielen,weil sie die gleichen
Klasseninteressen habenund umgekehrt versuchtder Kapitalistaus dem umge-
kehrten Klasseninteresse herausdie Löhnezu drücken').
(b) Auf demHintergrund von LangesMarxinterpretation istes nunin derTat
das
möglich, Zweisprachenmodell bis in die Feinheiten der Wertformanalyse nach-
zukonstruieren. Ich kann das hier nur andeuten.Lange ist nämlicheine über-
raschende Lösungder berühmten Widersprüche der einfachen Wertform gelungen,
die sich bekanntlich über die Geldformbis in die einzelnenFormationendes
,KapitalscdurchMarx' Hauptwerkhindurchziehen und immerwiederden einen
zu hegelianisierenden dialektischen Spracheskapaden, den anderenzum „Nach-
weis"logischfalschen Denkensbei MarxAnlaßwaren.
Die Wertgleichheit: (I) „x WareA = y WareB"(Lvb)wirdnämlichvon Marx
adjunktiv, d. h. wahrheitsäquivalent mitderprädikativen Bestimmung derWareA
in Maßeinheiten derWareB: (II) „x WareA isty WareB wert"(Lkt)verknüpft
(Z4). Der Widerspruch istoffenkundig: So symmetrisch die FormelI ist,so assym-
metrisch ist die FormelII. Denn es ist nichtdasselbe,Perlenin Öl-Einheiten zu
messenwie öl in Perlen.Beide Formelnbeziehensichauf den gleichen Vorgang,
aber sie sindwahroder falschrelativauf verschiedene illokutionäre Rollen: Aus
der Perspektivedes neutralenBeobachters ist FormelI dem Sachverhaltder
Wertgleichheit zweierWarenmengen angemessen, FormelII hingegennur,sofern
auchihreUmkehrung: (III) „y Ware B ist x Ware A wert"(Lkt)gilt.Für den
konstatierenden Beobachter reduziertsichdie FormelII auf FormelI aber nur
dann, wenn der Beobachtersystematisch von der situationsgebundenen, lebens-

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56 u. Theoriendynamik
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weltlichdurchsozial interpretierte und normativlizensierte Bedürfnissegebroche-


nen Perspektive des handelndenInteraktionsíe/ZweÃmers, des konkreten, auf dem
Marktanwesenden Tausch- Akteursabstrahiert. Durchdie postulierte Wertgleich-
heitder Formel(I) wird die Lebensweltdes Marktestechnisiert. Im Unterschied
zur Formel(I) wahrtnun die Formel(II) genaudie lebens weltlichePerspektive
des handelndenAkteurs:Für diesenist die Umkehrung der Formel(II) sinnlos,
er hat 30 wertvollePerlenund will 10 Gallonenöl, und da er keinöl hat,kann
er auchkeinePerlenhabenwollen,und er würdeauchunteranderenUmständen
keineswegsselbstverständlich bereitsein, hätte er 10 Gallonen öl, diese für
30 Perlenrauszurücken (FormelIII) - wohl aber umgekehrt (FormelII). Die
Beobachterperspektive ist also der des Systemtheoretikers äquivalent,seineSprache,
die „Verwertungssprache" ', mit der er beständigdie Teilnehmerperspektive zu
identifizieren trachtet,um den Interaktionsteilnehmer in einenrationalkalkulie-
renden,einsamenAkteurzu verwandeln. Der Teilnehmer aberwirdnurals idea-
lisierter
Grenzfall, als „homooeconomicus" oderals „Personifikation ökonomischer
Kategorien",als „Privateigentümer" diese Verwandlungmitmachen. Denn die
Teilnehmerperspektive bleibt in den Traditionszusammenhang der Lebenswelt
eingebettet; und solltesie mitder handlungstheoretischen Perspektive des histori-
schenMaterialismus übereinkommen, dann würdedie „Klassensprache", klassen-
bewußtgeworden, der „Verwertungssprache" widersprechen. Eine Rekonstruktion
deutetsichsomitan, die überdiesden dialogischen Sinnvon Dialektikwahrt.
Damit wäre gezeigt,daß die Werttheorie sichals exemplarisches Modellfürdie
Integration von Handlungs-und Systemtheorie verstehen läßt - dannjedenfalls,
wennman ihrengesellschaftstheoretischen Gehaltvon seinenbewußtseinsphiloso-
phischen Schranken ablöst.
Die „Herrschaft des verfluchten Metalls" erweistsichfreilichbei genauerem
Hinsehennur als eine faktische Interpretation einesumfassenderen Modells,das
als systematisches Äquivalentfür die in hoffnungslose Anomalienverstrickte
Werttheorie geltenkann.Die in der Theoriedes kommunikativen Handelnsfun-
dierteKritische Theorieder Gesellschaft erlaubtes, die Bürokratisierung und den
innerenImperialismus der Machtals weitereInterpretation ihrestheoretischen
Modells zu analysieren- ohne umgekehrt die Gesellschaftstheorieauf eine
jMikrophysik der Macht* zu reduzieren und den zu
Kapitalismusganz vergessen.
Die „kommunikationstheoretische Wende"141)schließlich bewahrtsie vor dem
müßiggewordenen Unternehmen, „den verwehtenSpureneines revolutionären
Bewußtseins nachzujagen"142) ebensowie vordemRückfallin denneueuropäischen
Irrationalismus derjungkonservativen Revoltegegendie Machtunddas Wissen-
weil sie die Sinnefürdie Vernunft in der Geschichte der Verständigungsverhält-
nisse schärft.Die EinlösungdiesesimmerschonwirksamenVernunîtanspruchs
bleibtderutopische HorizontderKritischen Theorie.

deskommunikativen
141)Habermas : Theorie Bd. 1,S. 531.
Handelns,
ltó) A. a. O., Bd. 2, S. 522.

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