Sie sind auf Seite 1von 24

Originalarbeit Sexuologie

Erhebungsinstrumente in der klinischen


Sexualforschung und der sexualmedizinischen
Praxis –
Ein Überblick über die Fragebogenentwicklung in
Sexualwissenschaft und Sexualmedizin

Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

University Clinic Charité, Berlin, Germany. The develop-


Assessment instruments in ment of that latter was necessary to overcome the absen-
clinical sexology and sexological ce of measures suitable to both assessing the diversity
and particularities of sexual experience and behaviour and
research – identifying sexual disorders according to DSM-IV/CD-10
An overview of questionnaires in criteria.
Keywords: Sexual medical diagnostics, sexual history, se-
sexology and sexual medicine xological questionnaires, clinical sexology, sexual dysfunc-
tions, sexual disorders.
Abstract
Despite the second half of the 20th Century seeing a Zusammenfassung
steady growth in the body of literature on sexual history Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. gibt es zunehmend vie-
assessment and sexological questionnaires the number of le Veröffentlichungen zu Sexualanamnesen und sexual-
widely used instruments, particularly in clinical sexology, wissenschaftlichen Fragebögen, gleichzeitig aber nur we-
remains small. The vast majority of procedures are re- nige Instrumente, die sich vor allem in der sexualmedizini-
search instruments, which to some extent may be well schen Praxis tatsächlich durchgesetzt hätten. Die überwie-
established in English speaking countries, however, with gende Mehrzahl der Verfahren sind Forschungsinstru-
few exceptions, they are neither translated into German mente, die zum Teil zwar im angloamerikanischen Sprach-
nor has their adaptability for German speaking countries raum etabliert sind, aber (von einigen Ausnahmen abge-
been investigated. With the development and introduc- sehen) weder in’s Deutsche übersetzt noch auf ihre An-
tion of pharmaco-therapeutical interventions for erectile wendbarkeit im deutschsprachigen Mitteleuropa über-
dysfunction most questionnaires focus more and more on prüft worden sind. Seit der Entwicklung medikamentöser
isolated areas of sexual function, mainly erectile function. Behandlungsmöglichkeiten für Erektionsstörungen heben
Thus, though imperative for an accurate diagnosis and die meisten Fragebögen zunehmend nur noch auf einzel-
sufficient treatment planning, the comprehensive asses- ne Störungsbereiche der sexuellen Funktionen ab (meis-
sment of sexual experience and behaviour including all tens Erektion) und erfassen dabei nicht das gesamte
non-dysfunctional aspects is not achieved. This article pre- Spektrum des (auch ungestörten) sexuellen Erlebens und
sents psychological testinstruments relevant for sexologi- Verhaltens, welches für eine suffiziente Diagnostik und
cal diagnostics and an overview of the most important Therapie sexueller Störungen gleichwohl überschaut wer-
sexological questionnaires in German language as well as den sollte. Es folgt zunächst eine Darstellung von psycho-
an introduction to instruments, which have been develo- logischen Testverfahren, die auch in der sexualmedizini-
ped at the Institute of Sexology and Sexual Medicine, schen Diagnostik einsetzbar sind und dann eine Übersicht

Sexuologie 11 (3/4) 2004 74 – 97 / Elsevier-Urban & Fischer


http://www.elsevier.de/sexuologie
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 75

über die wichtigsten sexualwissenschaftlichen Fragebö- sollte. Hierbei handelte es sich um eine Sammlung
gen im deutschsprachigen Mitteleuropa. Im Anschluss da- von 137 untergliederten, offenen Fragen, deren Beant-
ran werden Instrumente vorgestellt, die am Institut für wortung im Freitext den Probanden überlassen blieb.
Sexualwissenschaft und Sexualmedizin des Universitäts- Inhaltlich bildet diese erste sexualwissenschaftliche
klinikums Charité Berlin entwickelt wurden, weil keine Fragensammlung ein breites Spektrum sexualmedizi-
Verfahren verfügbar waren, die sexuelles Erleben und Ver- nischer Aspekte in Form einer ausformulierten sexual-
halten in ausreichender Bandbreite und befriedigender biographischen Anamnese ab. Um einen standardisier-
Differenziertheit erheben und sexuelle Störungsbereiche ten Fragebogen mit skalierten Antwortoptionen im
nach DSM-IV/CD-10 operationalisiert erfassen konnten. modernen Sinne handelt es sich hierbei noch nicht,
Schlüsselwörter: Sexualmedizinische Diagnostik, Sexual- gleichwohl aber um die erste Systematisierung und
anamnese, sexualwissenschaftliche Fragebögen, klinische Strukturierung einer Sexualanamnese, die Hirschfeld
Sexualforschung, sexuelle Funktionsstörungen. bis 1923 mehrfach überarbeitete und optimierte und in
revidierten Auflagen publizierte (vgl. Hirschfeld,
1923).
Rückblick
Ein Überblick über die Entwicklung von strukturierten
Methodischer Entwicklungsstand
und / oder standardisierten Datenerhebungs- und For- in der Sexualwissenschaft
schungsinstrumenten in der Sexualwissenschaft ver-
mittelt das Bild einer „Alles-und-Nichts“-Situation: Bei standardisierten Erhebungsinstrumenten werden
Zwar gibt es spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. die interessierenden Informationen – im Gegensatz
Jh. viele Veröffentlichungen zu Sexualanamnesen und zur freien Gesprächsexploration bzw. zum Leitfaden-
sexualwissenschaftlichen Fragebögen, aber gleichzeit- Interview – weitgehend unabhängig vom jeweiligen
ig nur sehr wenige, weit verbreitete, geschweige denn Untersucher (d.h. diesbezüglich objektiv) und damit
in der klinischen Praxis tatsächlich gebräuchliche Ins- interindividuell vergleichbar erfasst. Dadurch ist eine
trumente. elektronische und statistische Verarbeitung von erho-
Die meisten veröffentlichen sexualwissenschaftli- benen Daten möglich, die sich aus freien Gesprächs-
chen Fragebögen stammen aus dem anglo-amerikanis- anamnesen nicht ergibt und die z.B. für Therapieeva-
chen Sprachraum (vor allem aus Nordamerika, vgl. luation und Begleitforschung wesentlich ist. Wichtig
Davis et al. 1998) und sind (von einigen Ausnahmen ist jedoch, darauf hinzuweisen, dass sich die ge-
abgesehen) nicht in’s Deutsche übersetzt und auf ihre sprächsbasierte Exploration und Informationsgewin-
Anwendbarkeit im deutschsprachigen Mitteleuropa nung, z.B. mit Interview-Leitfäden, und die standard-
überprüft worden. Des Weiteren heben viele Fragebö- isierte Informationserhebung mit Fragebögen und
gen nur auf einzelne Bereiche der menschlichen Se- Testverfahren nicht widersprechen oder das ein Ver-
xualität ab (meistens einzelne Störungsbilder) und er- fahren dem anderen vorzuziehen ist, sondern, dass
fassen nicht das gesamte Spektrum des sexuellen Er- sich beide Vorgehensweisen komplementär ergänzen,
lebens und Verhaltens, welches für eine suffiziente dass aber niemals ein standardisiertes Verfahren eine
Diagnostik und Therapie sexueller Störungen gleich- gesprächsbasierte Exploration z.B. in Form einer Se-
wohl überschaut werden sollte. Man darf davon aus- xualanamnese ersetzen kann. Ganz im Gegenteil kön-
gehen, dass in vielen Zentren sexualwissenschaftliche nen die standardisierten Instrumente viel mehr als die
Instrumente existieren, die nicht publiziert sind und bildgebenden Verfahren der Psychodiagnostik angese-
nur dort verwendet werden. hen werden, wodurch ihr additiver Charakter im Rah-
Die Notwendigkeit einer standardisierten Datener- men des gesamten diagnostischen Prozesses deutlich
hebung zu Zwecken der Objektivierbarkeit, Vergleich- wird. Sexualmedizinische Spezialfragebögen können
barkeit und statistischen Analysierbarkeit wurde sinnvoll sein, um dem Therapeuten schon vor dem
schon zu Beginn des 20. Jh. von einem der Gründer- Erstgespräch Informationen über mögliche Problem-
väter der Sexualwissenschaft – Magnus Hirschfeld – oder Störungsbereiche zu geben, die eine entsprechen-
erkannt und reklamiert. Aus diesem Grunde entwic- de Orientierung und Fokussierung des Gesprächs er-
kelte Hirschfeld auch bereits 1908 seinen „Psycho- lauben. Sie können also eine Sexualanamnese und die
biologischen Fragebogen“, mit dessen Hilfe unter an- im Gespräch gemachten Angaben ergänzen, niemals
derem die Datenerhebung am (weltweit ersten) Institut aber ein sexualmedizinisches Explorationsgespräch
für Sexualwissenschaft in Berlin optimiert werden ersetzen.
76 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

Im Gegensatz zum bisherigen Entwicklungsstan- handler einer Abfolge offener Fragen zu vielen Be-
dard bei Sexualanamnesen stehen für die Anamnese- reichen der Sexualität folgen und so das Gespräch
erhebung bei allgemeinen psychischen Erkrankungen strukturieren kann. Allerdings liegt bis dato kein sex-
Interview- und Dokumentations-Leitfäden zur Verfü- ualmedizinischer Interview-Leitfaden vor, in dem sich
gung, die sich an den international verwendeten Klas- die Konstruktion der vorgegebenen Fragen an der
sifikationssystemen für psychische Erkrankungen und Kriteriologie der internationalen Klassifikationssys-
Verhaltensstörungen ICD-10 (WHO 1996) und DSM- teme für psychische Erkrankungen und Verhaltens-
IV (APA 1996) orientieren. Es handelt sich hierbei um störungen ICD-10 (WHO, 1996) und DSM-IV (APA,
Fragenkataloge, Symptomchecklisten und Leitfäden 1996) orientiert.
zur Durchführung von klinischen Interviews, welche Hierin lag der Grund, warum am Institut für Sexu-
als so genannte „Fremdbeurteilungsverfahren“ die alwissenschaft und Sexualmedizin der Charité in
psychodiagnostische Exploration vereinfachen und Berlin eine „Strukturierte Sexualanamnese“ (SSA)
strukturieren können, wie z.B. die „Internationale Dia- entwickelt wurde (s.u.), mit deren Hilfe sämtliche
gnose-Checkliste für Persönlichkeitsstörungen“ (IDCL- Bereiche des sexuellen Erlebens und Verhaltens sys-
P, Bronisch et al. 1995), das „Diagnostische Interview tematisch nach der Kriteriologie von ICD-10 und
bei psychischen Störungen“ (DIPS, Margraf et al. DSM-IV erfragt werden können. Ebenfalls wurde
1995), das „Strukturierte klinische Interview für hierzu ein sexualmedizinischer Dokumentations-Leit-
DSM-IV“ (SKID, Wittchen et al. 1997) u.s.w.. faden entwickelt, mit Hilfe dessen die erhobenen In-
Eine umfassende Sammlung von Verfahrensbe- formationen nach sexualmedizinisch relevanten Ord-
schreibungen zu wichtigen Klinischen Interviews und nungsbereichen festgehalten werden können: Das
Ratingskalen („Fremdbeurteilungsverfahren“) liefern „5x3 der Sexualmedizin“ (SEXMED-5x3), der eben-
Strauss & Schumacher (2005). Nach einer kurzen Ein- falls in diesem Artikel weiter unten ausführlich dar-
führung, die einen systematischen Überblick über die gestellt wird.
in diesem Buch enthaltenen Verfahren gibt und diese Neben diesen sog. „Fremdbeurteilungsverfahren“,
verschiedenen Aufgabenbereichen zuordnet, werden mit Hilfe derer ein Diagnostiker oder Therapeut eine
91 Erhebungsinstrumente unter einheitlichen Ge- Einschätzung und Zuordnung bezüglich bestimmter
sichtspunkten beschrieben. Die einheitliche Verfah- Problembereiche beim Patienten vornehmen kann,
rensbeschreibung ermöglicht einen schnellen Zugang spielen in der Sexualwissenschaft und der Sexual-
zu den wichtigsten Informationen und bietet Hinweise medizin – wie in der Psychodiagnostik insgesamt –
für die Auswahl und den verantwortungsvollen Ein- auch Verfahren eine Rolle, bei denen der Proband oder
satz der Instrumente in der Klinischen Psychologie, der Patient durch die Beantwortung entsprechender
Psychotherapie, Psychosomatik und Sexualmedizin. Fragen (meistens durch Ankreuzen) eine Selbstein-
Zu dieser Kategorie von psychodiagnostischen schätzung bezüglich der gefragten Inhalte vornimmt,
Instrumenten („Fremdbeurteilungsverfahren“) zählen sog. „Selbstbeurteilungsverfahren“. Hierzu zählen:
schließlich auch Dokumentationssysteme, mit denen
klinische Explorationsergebnisse systematisch bzw. Psychologische Testverfahren
nach Ordnungsbereichen festgehalten bzw. dokumen-
tiert und Störungsbereichen zugeordnet werden kön- Dies sind statistisch-standardisierte bzw. normierte,
nen, um hierdurch ebenfalls eine Vergleichbarkeit und Fragebogen, i.d.R. in Form von sog. „Rating-Skalen“,
Auswertbarkeit psychodiagnostischer Daten gewähr- bei denen die einzelnen Fragen meist als ausformu-
leisten zu können. Viele Interviewleitfäden sehen die lierte Aussage-„Items“ konstruiert sind, z.B.: „Wenn
unmittelbare systematische Informationserhebung mit ich wütend bin, könnte ich den nächstbesten Gegen-
entsprechenden Dokumentationsbögen direkt vor. An- stand nehmen und an die Wand werfen.“ Antwortop-
dere Verfahren sind zur Ex-post-Dokumentation bes- tionen (Zustimmung): „gar nicht“, „wenig“, „mit-
timmt, um nicht während der Exploration dokumen- telmäßig“, „ziemlich“, „sehr“. Bei der Auswertung
tieren bzw. kodieren zu müssen, sondern im Nach- werden aus den Antworten des Patienten Normwerte
hinein nur die wichtigsten Informationen gegliedert gebildet, die Auskunft darüber geben, wie eine jeweils
nach übergeordneten Kategorien festhalten und klin- gemessene Merkmalsausprägung im Vergleich zu
isch zuordnen zu können. einer nach Alter und Geschlecht zugeordneten Ver-
Für die Durchführung einer sachverständigen sex- gleichsstichprobe ausfällt (z.B.: 80 % der Referenz-
ualdiagnostischen Exploration bzw. einer Sexual- population gleichen Geschlechts und Alters verfügen
anamnese stehen zwar verschiedene Interview-Leit- über eine geringere Ausprägung des Merkmals Ag-
fäden zur Verfügung (s.u.), mit Hilfe derer ein Be- gressivität). Im Rahmen der sexualmedizinischen Dia-
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 77

gnostik sind in dieser Rubrik unter anderem sog. bögen als standardisierte Erhebungsinstrumente). Nur
„Multidimensionale Persönlichkeitsinventare“ von sehr wenige Instrumente im Bereich der klinischen
Bedeutung, mit Hilfe derer ein Überblick über die Sexualforschung befinden sich auf dem Testkonstruk-
Persönlichkeitsstruktur eines Patienten gewonnen tions-Niveau statistisch-standardisierter Testverfahren
werden kann. Besonders weit verbreitet sind hier z.B. mit Normwerten als resultierenden Ergebnissen (s.u.).
der „Minnesota-Multiphasic-Personality-Inventory“
MMPI-2 (Hathaway et al. 2000), der „16-Persön-
lichkeits-Faktoren-Test“ 16PF-R (Schneewnid et al.
1998), das „NEO-Fünf-Faktoren-Inventar“ NEO-FFI
Stand der Sexualforschung mit
(Borkenau et al. 1993) oder das „NEO-Persönlich- normierten Testverfahren
keits-Inventar“ NEO-PI-R (Ostendorf et al. 2003) oder
das im deutschen Sprachraum weit verbreitete „Frei- Bis zum Ende des 20. Jh. wurden in einer Vielzahl von
burger Persönlichkeits-Inventar“ FPI-R (Fahrenberg Publikationen statistisch-standardisierte bzw. normierte,
et al. 2001) u.s.w.. psychologische Testverfahren daraufhin untersucht,
Des Weiteren sind in dieser Gruppe von normier- ob sie bei sexuellen Funktionsstörungen und speziell
ten psychologischen Testverfahren in der sexualmedi- bei Erektionsstörungen zur „Differentialdiagnose psy-
zinischen Diagnostik solche Instrumente von Bedeu- chogen versus organogen“ eingesetzt werden können.
tung, die spezielle Bereiche der Persönlichkeit, be- Das Design dieser Studien war hierbei meist sehr ähn-
stimmte Symptombilder oder andere Eigenschaften lich: Patienten wurden zunächst – meist auf der Basis
von Probanden bzw. Patienten erfassen. Zu erwähnen von Messungen der nächtlichen penilen Tumeszenz
wäre hier beispielsweise die „Symptom-Checkliste (NPT) – in die Gruppen „somatogen“ und „psycho-
von Derogatis“ SCL-90-R (Franke 2002), das „Inven- gen“ aufgeteilt und dann die Zuordnungsgenauigkeit
tar zur Erfassung interpersonaler Probleme“ IIP-D eines Fragebogens überprüft. Nachdem in einer Unter-
(Horowitz et al. 2000), der „Fragebogen zur Partner- suchung Mitte der 70er Jahre mittels einer bestimmten
schaftsdiagnostik“ FPD (Hahlweg 1996), der „Frage- Entscheidungsregel eine 70-80 %ige Trefferquote für
bogen zum Körperbild“ FKB-20 (Clement et al. eine psychogene Verursachung erzielt werden konnte
1996), die „Frankfurter Körperkonzept-Skalen“ FKKS, (Beutler et al. 1975), erschienen die differentialdiag-
(Deusinger 1998), das „State-Trait-Angstinventar“ nostischen Möglichkeiten z.B. des MMPI recht viel-
STAI (Schwenkmezger et al. 1992), das „Beck De- versprechend. Diese Zuordnungsregel von Beutler
pressions-Inventar“ BDI (Beck et al. 1995) oder die und Mitarbeitern hat eine Reihe von ähnlichen Un-
„Allgemeine Depressions-Skala“ ADS (Hautzinger & tersuchungen nach sich gezogen, die alle zu demsel-
Bailer 1993) u.s.w.. ben Ergebnis gelangten: Das Ergebnis von Beutler
und Mitarbeitern ließ sich nicht replizieren, und der
Standardisierte Datenerhebungs- MMPI stellte sich im Hinblick auf die „Differential-
Instrumente diagnose psychogen vs. organogen verursachte Im-
potenz“ als untaugliches Instrument heraus (vgl. Mar-
Zu diesen Selbstbeurteilungsverfahren zählen des shall et al. 1980; Staples et al. 1980; Levenson et al.
Weiteren Fragebögen als Datenerhebungs-Instrumente 1986; Jefferson et al. 1989). Auch andere normierte
zur standardisierten Informationsgewinnung (d.h., Testverfahren führten bei dieser Anwendungsfrage-
keine normierten, psychologischen Testverfahren), stellung nicht zu besseren Ergebnissen: Das von Mar-
mit denen allgemeine und störungsrelevante Informa- tin und Mitarbeitern (1983) verwendete „California
tionen in der standardisierten Form geschlossener Fra- Personality Inventory“ CPI, ein aus dem MMPI abge-
gen durch Selbstbeantwortung der Patienten (meistens leitetes Verfahren, konnte zwischen den beiden Grup-
in Form von Ankreuzen) erhoben werden können, oh- pen nicht trennen. Bei den von Segraves & Segraves
ne dass aus den erhobenen Ergebnissen Normwerte re- (1986) überprüften Verfahren: „Eysenck Personality
sultieren. Bei diesen Fragebögen werden die interes- Questionnaire“ EPQ und „Inventory of Sexual Attitu-
sierenden Inhalte in der Regel als Fragen formuliert, des“ ISA war Extraversion die einzige Variable, die auf
z.B. „Wie oft haben sie Geschlechtsverkehr?“, und der einem allerdings sehr niedrigen Signifikanzniveau die
Proband oder Patient kann eine für ihn zutreffende beiden Gruppen trennte, wobei die „psychogene Gruppe“
Häufigkeitsangabe ankreuzen, z.B. „1-2 x pro Wo- stärker zur Introvertiertheit tendierte. Auch das „Mil-
che“. Die meisten sexualwissenschaftlichen Fragebö- ton Behavioral Health Inventory“ MBHI, mit dem Ca-
gen befinden sich auf dem forschungsmethodischen mic (1983) eine 81 %ige Zuordnungsquote erzielte, er-
Niveau solcher Fragebögen (nicht normierte Frage- reichte in einer Replikationsuntersuchung von Lantin-
78 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

ga und Mitarbeitern (1988) in verschiedenen Diskri- alität scheint diesem Bedingungsgefüge näherungs-
minanzanalysen nur noch Quoten von 60-75 %. weise gerecht werden zu können.
In ihrem Beitrag über diesen sexualwissenschaft-
lichen Forschungsdiskurs („psychogene versus soma- Psychologische Testverfahren in der sexual-
togene Erektionsstörung“) liefern Heim & Strauß
(2003) eine Übersicht über die ebenso vielseitigen wie medizinischen Diagnostik
vergeblichen Bemühungen in der zweiten Hälfte des Die Auswahl geeigneter psychodiagnostischer Ins-
20. Jh., mit Forschungsinstrumenten eine scheinbar trumente ist je nach Störungsgruppe unterschiedlich.
klare Diskriminierung in „entweder körperlichen / Der FKB-20 sowie der FKKS (s.o.) eignen sich
oder seelischen“ Dimensionen von Erektionsstörun- beispielsweise bei der Untersuchung von Geschlechts-
gen zu erlangen. identitäts-Störungen (GIS), aber auch bei vielen Funk-
Die Tatsache, dass allein mit standardisierten Ins- tionsstörungen, um Problemen im Umgang mit dem
trumenten wie Fragebögen prinzipiell keine Diagno- eigenen Körper bzw. im Körpererleben auf die Spur zu
sen – schon gar keine Differentialdiagnosen – gestellt kommen. Wichtig erscheint es in diesem Zusam-
werden können und ebenso die Betonung des Um- menhang allerdings, explizit darauf hinzuweisen, dass
standes, dass die Unterteilung in „psychogen vs. orga- kein standardisiertes Testverfahren existiert, welches
nogen“ einem dichotomen Denkbild entspricht, das in Geschlechtsidentitäts-Störungen (GIS) zu messen
den Humanwissenschaften als überholt angesehen oder gar zu detektieren im Stande wäre. Die beispiels-
werden kann und an der Erlebniswirklichkeit von Be- weise im FPI-A1 früher häufig zu diesem Zweck
troffenen ohnedies vorbei geht, ist in diesen Untersu- eingesetzte Skala „Maskulinität / Femininität“ wurde
chungen noch nicht anzutreffen. in dem revidierten FPI-R (s.o.) genau aus dem Grunde
Eine integrierte, bio-psycho-soziale Sichtweise des gestrichen, weil die Autoren bemerkt hatten, dass die-
menschlichen Lebens, folglich auch der menschlichen se Skala häufig missbräuchlich (unter anderem im
Sexualität und eben gerade darum auch der sexuellen Kontext GIS oder zur „Diagnostik von Homosexua-
Funktionen und ihrer Störungen, war bis zum Ende lität“) eingesetzt worden war und dabei systematisch
des 20. Jh. augenscheinlich noch nicht verbreitet. Bis zu unzulässigen Interpretationen geführt hatte. Auch
heute hält sich offenbar hartnäckig die Sehnsucht nach das in diesem Kontext zum Teil bis heute verwendete
einer klaren Differenzierbarkeit zwischen körperlich „BEM-Sexrole-Inventory“ BSRI (Bem 1974) er-
und seelisch, weil sie als Orientierungs-Fata-Morgana scheint vor dem Hintergrund sich wandelnder Ge-
Forschern wie Praktikern Ordnung und damit Sicher- schlechtstypizität heute unzeitgemäß und damit zu-
heit suggeriert. mindest für die Heranziehung zur Individualdiagnos-
Als Sackgasse entpuppt sie sich spätestens in der tik bei GIS invalide. In verschiedenen methodologi-
sexualtherapeutischen Arbeit mit Patienten (-Paaren). schen Untersuchungen zu diesem Thema erwies sich
Hier berichten die Betroffenen bei sachverständiger das BSRI als für diesen Zweck ungeeignet und allen-
Gesprächsführung ausnahmslos von der untrennbaren falls als Forschungsinstrument brauchbar – wofür es ja
Wechselwirkung zwischen ihren sexualitätsbezogenen auch eigentlich entwickelt worden war (vgl. Schnei-
Einstellungen und Überzeugungen, ihren körperlichen der-Düker & Kohler 1988). Für die sexualmedizini-
Beschwerden und Erkrankungen, ihren einhergehen- sche Praxis mit ihrer Ausrichtung auf die Paarbezie-
den Gefühlen und Gedanken, ihren vorausgegangenen hung bietet sich z.B. der „Fragebogen zur Partner-
oder resultierenden sexuellen Funktionsstörungen und schaftsdiagnostik“ FPD (Hahlweg 1996) sowie das
schließlich den damit zusammenhängenden Auswir- „Marburger Einstellungsinventar zu Liebesstilen“
kungen auf die partnerschaftliche Kommunikation MEIL (Bierhoff et al. 1993) an, um relevante Aspekte
und sexuelle Interaktion. der Paarbeziehung zu objektivieren. Allgemeine Le-
Dass eine sexuelle Funktionsstörung überwiegend benszufriedenheit kann rationell mit dem Fragebogen
auf physische oder überwiegend auf psychische Ur- zur Lebenszufriedenheit FLZ (Fahrenberg et al. 2000)
sachen zurückgehen kann, ändert nichts daran, dass erhoben werden, der auf einer gesonderten Skala auch
immer beide Qualitäten bei der Entstehung und Auf- partnerschaftliche und sexuelle Zufriedenheit berück-
rechterhaltung sexueller Funktionsstörungen beteiligt sichtigt.
sind und dass betroffene Patienten bzw. ggf. Paare Für beide Varianten, Forschung wie Praxis, gilt,
immer auf beiden Ebenen mit einer Funktionsstörung dass die Anwendung psychodiagnostischer Verfahren
zurechtkommen müssen. Allein eine tatsächliche, eine fundierte Kenntnis von Testtheorie und Testkon-
integrierte bio-psycho-soziale Sichtweise des mensch- struktion sowie von Statistik und Methodik verlangt,
lichen Lebens und damit auch der menschlichen Sexu- die in der Regel ein Studium der Psychologie voraus-
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 79

setzt. Keinesfalls ausreichend ist es, Testbefunde allein ren, die sich für den klinischen Kontext bzw. die prak-
„nach Kochrezept“, d.h. nach Durchblättern des Test- tische sexualtherapeutische Arbeit eignen und die vor
manuals zu bewerten und zu interpretieren. Wer die allem sexuelle Funktionen erfassen. Diese Untersu-
Ergebnisse standardisierter psychodiagnostischer Ver- chungsinstrumente sollen ausführlicher dargestellt wer-
fahren fachgerecht verstehen und verwenden will, den, weil es zu den Verfahren, die speziell zum Thema
muss über die besonderen Konstruktionsmerkmale der Sexualität entwickelt wurden, im deutschsprachigen
Tests, die Auswahl der Items, die Zusammensetzung Raum nur wenige Übersichtsdarstellungen gibt und es
der Eichstichprobe, die Gütekriterien des Tests und die hier deswegen besonders schwierig ist, eine Orien-
Tauglichkeit der Testnormen im Bilde sein und über tierung über Brauch- und Nutzbarkeit zu gewinnen.
entsprechende Erfahrung und Kenntnisse verfügen. Das international wohl umfangreichste Kompen-
Dies trifft umso mehr zu, je umfassender und kom- dium zum Thema Erhebungs- und Forschungsinstru-
plexer die Konstrukte sind, die ein Test erfassen will mente im Zusammenhang mit Sexualität stellt das
(Beispiele: Intelligenz, die grundlegenden Faktoren „Handbook of Sexuality-Related Measures“ von Da-
der Persönlichkeit), während dies bei eindimensio- vis et al. aus dem Jahre 1998 dar. Es erfasst auf nahezu
nalen Skalen (Depression, Angst) etwas weniger kri- 600 Seiten ca. 230 Fragebögen und Skalen zu über
tisch ist. Unproblematischer sind Fragebögen, die 100 verschiedenen Themenbereichen der Sexualität
nicht normiert sind (aber auch keine Testgütekriterien aus dem angloamerikanischen Sprachraum und dürfte
erfüllen) und dem Kliniker nur bestimmte Informa- damit weltweit die umfassendste Übersichtsdarstel-
tionen liefern sollen. Zusammengefasst bedeutet das, lung zu diesem Thema sein.
dass die sachverständige Durchführung und Auswer- Eine ebenfalls umfassende Übersicht über deutsch-
tung von psychologischen Testverfahren und vor al- und englisch-sprachige standardisierte Erhebungsver-
lem die sachgerechte Interpretation und Befundung fahren zur Sexualität aus den Bereichen
von psychologischen Testergebnissen sich nicht im a) sexuelle Einstellungen, Normen, Wissen über Sexu-
Auszählen, Addieren und Zuordnen von Punkt- oder alität,
Normwerten erschöpft, sondern eine profunde Aus- b) sexuelle Entwicklung und Sexualverhalten,
bildung in Psychologischer Testdiagnostik erfordert c) sexuelle Funktionen, Funktionsstörungen und sexu-
und aus diesem Grunde grundsätzlich von hierfür qua- elle Probleme sowie
lifizierten Diplom-Psychologen durchgeführt werden d) sexueller Missbrauch und sexuelle Traumatisierung
sollte. liefern Strauß & Heim (1999).
Einen guten Überblick über statistisch-standard- In ihrer umfangreichen Übersichtsdarstellung
isierte bzw. normierte und wissenschaftlich verlegte, werden nicht nur die wichtigsten, bis dahin vor allem
psychologische Testverfahren (Selbstbeurteilungsver- auch im deutschsprachigen Raum veröffentlichten
fahren) und Erhebungsinstrumente wie Interview-Lei- sexualwissenschaftlichen Fragebögen kommentiert
tfäden, Symptomchecklisten und Dokumentationssys- und erläutert, sondern sogar tabellarisch nach Indika-
teme (Fremdbeurteilungsverfahren), bieten sowohl tionsbereichen sortiert und mit (oder ohne) Testgüte-
Brähler et al. (2002, 2003), als auch Strauss & Schu- kriterien sowie inklusive der erfassten Bereiche
macher (2005) sowie der im zweijährigem Turnus (Skalen) und Anzahl der Items präsentiert. Bei dieser
erscheinende Katalog der Testzentrale des Hogrefe Übersichtsarbeit handelt es sich wohl um die profun-
Verlags Göttingen (2004 / 2005), mit über 750 psy- deste Aufbereitung sexualwissenschaftlicher For-
chodiagnostischen Verfahren für alle Anwendungsbe- schungs- und Diagnose-Instrumente im deutschspra-
reiche. Alle hier aufgeführten Verfahren und Autoren chigen Mitteleuropa. Sie bietet einen äußerst differen-
finden sich in diesen Quellen und sind bestellbar zierten Überblick über die wichtigsten bis zum Ende
unter: www.testzentrale.de. des 20. Jh. veröffentlichen Verfahren. Sämtliche, in
der jetzt folgenden Übersicht aufgeführten Verfahren
und Autoren finden sich in diesen beiden Quellen
(Davis et al. 1998; Strauß & Heim 1999).
Entwicklung sexualwissenschaft-
licher Datenerhebungs- und Überblick
Forschungsinstrumente Der 1974 von LoPiccolo & Steger entwickelte „Se-
xual Interaction Inventory“ SII gehört zu den Vor-
Die nachfolgende Übersicht konzentriert sich auf sol- reitern der sexualwissenschaftlichen Fragebögen. Es
che sexualwissenschaftliche Instrumente und Verfah- handelt sich um einen Partnerschaftsfragebogen zu
80 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

Auftretenshäufigkeit und Empfindungen bei hetero- Funktionsstörungen im eigentlichen Sinne. Das von
sexuellen Verhaltensweisen mit den Skalen: Unzufrie- Derogatis 1979 in seiner ursprünglichen Form ent-
denheit, Selbstakzeptanz, Vergnügen, Wahrnehmungs- wickelte „Derogatis Sexual Functioning Inventory“
genauigkeit, Partnerakzeptanz und gesamte Nichtüber- DSFI (Derogatis et al. 1979) genießt ebenfalls einen
einstimmung. Nicht zuletzt wegen seiner Paar-Orien- hohen Bekanntheitsgrad. Das Instrument umfasst fol-
tierung besitzt dieser frühe, weit verbreitete sexualwis- gende Skalen: Sexualwissen, Sexualerfahrung, Stärke
senschaftliche Fragebogen bis heute Vorbildcharakter. sexuellen Verlangens, Sexuelle Aktivität, Sexuelle
Sexuelle Funktionsstörungen im engeren Sinne werden Einstellungen, Psychische Symptome, Gefühlslage,
nicht erfasst, sondern eher Störungsbereiche der sexuel- Geschlechtsrollen, Sexuelle Phantasien, Gefühle zum
len Beziehung. Das Verfahren wurde 1977 als „Frage- Körper, Sexuelle Befriedigung und einen Gesamtscore.
bogen zur sexuellen Interaktion“ FSI in’s Deutsche Von dem Fragebogen gibt es zwei Adaptierungen
übersetzt (Crombach-Seeber & Crombach 1977). (1997): das Fremdbeurteilungsverfahren („Derogatis
1975 präsentierten Arentewicz und Mitarbeiter Interview for Sexual Functioning“ DISF) und das
ihren „Fragebogen zum sexuellen Verhalten“, mit Hilfe Selbstbeschreibungsinstrument („Derogatis Interview
dessen Vorkommen und Häufigkeit sexueller Verhal- for Sexual Functioning-Self-Report“ DISF-SR). Laut
tensweisen sowie damit assoziierte Emotionen erho- Autoren erfassen die weiterentwickelten Instrumente
ben werden konnten. Das Instrument wurde im Rah- DISF und DISF-SR die Qualität der sexuellen Funk-
men einer Evaluation des verhaltenstherapeutischen tion auf folgenden Skalen: Sexuelle Kognition und
Programms nach Masters & Johnson (1970) entwickelt. Phantasie, Sexuelle Erregung, Sexuelles Verhalten
Erfasst werden insbesondere Veränderungen im sexu- und Erfahrung, Orgasmus, Antrieb und Beziehung so-
ellen Erleben und Verhalten während und nach einer wie einen Gesamtscore.
sexualtherapeutischen Behandlung. Der Fragebogen Drei weitere sexualwissenschaftliche Fragebögen
besteht lediglich aus 22 Fragen, deren inhaltliche und legte Wendt 1979 vor: Mit dem „Fragebogen zur all-
thematische Zuordnung aus heutiger Sicht etwas glo- gemeinen Information“ konnten soziodemographische
bal anmutet, wobei die einzelnen sexuellen Interak- Daten, Religiosität, sexuelle Entwicklung, sexuelles
tionsbereiche jeweils in den Kategorien „mit und ohne Verhalten und sexuelle Beziehung zum Partner er-
Orgasmus“ abgefragt werden. Aus heutiger Perspek- hoben werden. Die deutsche Übersetzung der „Body
tive erscheint der Fragebogen (insbesondere vor dem Cathexis Scale“ von Secord & Lourard (1983) zielt
Hintergrund der damals noch nicht etablierten ICD auf die Erhebung von Zufriedenheit mit Körperteilen
und DSM) in der thematischen Orientierung etwas und Körperfunktionen und der „Orgasmus-Fragebo-
willkürlich und lückenhaft und vor allem sprachlich gen“ schließlich beinhaltet Fragen zum Orgasmuser-
nicht mehr zeitgemäß (z.B. „Ich habe mit ihm Zun- leben von Frauen (Wendt 1979).
genkuss gemacht“). Arentewicz und Mitarbeiter ver- Mit dem „Fragebogen zur soziosexuellen Selbst-
öffentlichten im selben Jahr 1975 neben dem „Fra- unsicherheit“ FUSS (Fahrner, 1984) wurde ein Erhe-
gebogen zum sexuellen Verhalten“ außerdem noch bungsinstrument entwickelt, der die Erfassung von
vier weitere sexualtherapeutisch relevante Selbstbeur- Verhaltensbereichen ermöglicht, in denen Mangel an
teilungsverfahren, nämlich einen „Fragebogen zu Ein- sozialen und sexuellen Fertigkeiten sowie Ängste im
stellungen zur Sexualität“, ein „Tagebuch zur Proto- Umgang „mit dem anderen Geschlecht“ auftreten. Der
kollierung des Sexual- und Partnerverhaltens“, einen Fragebogen ist damit sowohl von allgemeiner sexual-
„Fragebogen zur Katamnese sexualtherapeutischer diagnostischer Bedeutung, als auch von forensisch-
Behandlungen“ sowie als Fremdbeurteilungsverfah- sexualmedizinischer Relevanz, weil er einen Persön-
ren ein Dokumentationssystem zur „Beurteilung der lichkeitsbereich anspricht, der häufig bei Personen
sexuellen Funktionsstörung durch den Therapeuten“. ausgeprägt ist, die wegen sexueller Übergriffe begut-
Alle diese Instrumente wurden im Rahmen der be- achtet werden. Bedauerlich ist, dass das Instrument
sagten Evaluationsstudie eingesetzt und bildeten darü- zumindest bis zum Ende des 20 Jh. über keine Test-
ber hinaus einen wertvollen Grundstock deutsch- gütekriterien verfügte und nicht zu einem regerechten
sprachiger Instrumente in der klinischen Sexualwis- Testverfahren weiterentwickelt wurde.
senschaft. Ein weiteres Verfahren, das relative Verbreitung
Eine strukturierte Sexualanamnese wurde mit der gefunden hat ist das „Golombok-Rust Inventory of Se-
„Sexual History Form“ SII von Nowinski & LoPicolo xual Satisfaction“ GRISS von Rust und Golombok
(1979) vorgelegt. Das Verfahren, in dem mit ge- (1985), welches nach Angaben der Autoren „Anor-
schlossenen Fragen Häufigkeiten von sexuellen Ak- gasmie und Vaginismus bzw. Impotenz und vorzeitige
tivitäten erhoben werden, erfasst keine sexuellen Ejakulation, Vermeidung, Unzufriedenheit, mangeln-
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 81

de Sinnlichkeit, Seltenheit sexueller Aktivität, man- biographie. Der klinisch orientierte „Impotenzfrage-
gelnde Kommunikation und einen Score globaler sexu- bogen“ (IFB 4.0) von Langer und Hartmann (1992)
eller Zufriedenheit“ erfasst. wurde für den „integrierten Behandlungsansatz“ erek-
Für den Praktiker interessant sind auch Instrumen- tiler Dysfunktionen konzipiert und erfasst Sexualität
te wie der „Fragebogen zu sexuellen Verhaltensweisen „unabhängig vom Partner“, Sexualität in der Partner-
und Störungen“ von Appelt & Strauß (1988), der sexu- schaft, Persönlichkeitsschilderungen, Erektions-
elles Interesse, sexuelle Erregung, Orgasmus, Selbst- schwäche und Erektionsstörungen, Einstellungen zur
befriedigung, sexuelle Kommunikation, sexuelle Sexualität, somatische Faktoren, Medikamente und
Probleme und sexuelle Zufriedenheit erfasst. Speziell Drogen. Hartmann & Haiser entwickelten 1994 einen
auf letzteres zielt auch der „Fragebogen zur sexuellen „Kurzfragebogen für sexuelle Probleme“ (KFSP), der
Zufriedenheit“ FSZ von Christmann & Hoyndorf in Versionen für Frauen und Männer wesentliche An-
(1988), der zwar auch nicht validiert ist bzw. ebenfalls gaben zu allen „gängigen“ sexuellen Funktionsproble-
über keine Testgütekriterien verfügt, aber Zusatzinfor- men liefern soll, aber bedauerlicherweise nicht veröf-
mationen im Rahmen der sexualmedizinischen Dia- fentlicht wurde. Das „Premature Ejaculation Questio-
gnostik liefern kann. In der selben Zeit entstanden naire“ PEQUEST ist ein Fragebogen zur Erfassung
auch der „Fragebogen über Einstellungen zur Sexua- von vorzeitigem Samenerguss (Hartmann 1996).
lität“ sowie der „Fragebogen zu sexualmedizinischen Der „Brief Index of Sexual Functioning for Wo-
Kenntnissen“ von Brähler & Böhm (1988), die bis men“ (BISF-W) von Taylor und Mitarbeitern (1994)
heute in der sexualmedizinischen Ausbildung Anwen- misst auf drei Skalen sexuelle Funktion und Zufrie-
dung finden. denheit bei Frauen. Der Fragebogen mit den Faktoren
Den Versuch, eine Sexualanamnese konkret zu sexuelles Interesse, sexuelle Aktivität und sexuelle
operationalisieren, stellt der „Fragebogen zu Sexua- Zufriedenheit wurde in erster Linie zur Erfassung sexu-
lität und Partnerschaft“ von Zimmer (1989) dar, der eller Dysfunktionen bei Frauen entwickelt, er kann
sich, ähnlich wie der „Fragebogen zur Partnerschafts- aber ebenso bei nicht sexuell gestörten Frauen zur An-
diagnostik“ FPD (Hahlweg 1996, s.o.), aus drei Kom- wendung kommen.
ponenten zusammensetzt, nämlich dem „Anamnese- Der Fragebogen „Ressourcen in Sexualität und
bogen zu Sexualität und Partnerschaft“ (ASP), den Partnerschaft“ RSP (Klinger & Loewit 1996) fokus-
„Tübinger Skalen zur Sexualtherapie“ (TSST) sowie siert auf positive Potentiale in Partnerschaften bzw.
dem „Nachbefragungsbogen zu Sexualität und Part- darauf, in wieweit zwei Partner (noch) in der Lage
nerschaft“ (NSP). Während der ASP sich kaum von sind, einander positive Gefühle zu bescheren. Die
einem Anamnesebogen unterscheidet, wie er üblicher- Skalen lauten: Körperwahrnehmung, Zärtlichkeit, se-
weise vor Beginn einer Psychotherapie vom Patienten xuelle Lust und Befriedigung, Liebe und Geborgen-
ausgefüllt wird und auch das Gebiet der Sexualität heit, Kommunikation sexueller Wünsche und Bedürf-
nicht wesentlich vertiefter behandelt, als viele andere nisse. Der Fragebogen ist validiert und verfügt über
Anamnesebögen, geht der TSST konkreter auf die Testgütekriterien. Das von Spector und Mitarbeitern
Themen Sexualität und Partnerschaft ein und verfügt (1996) konzipierte Instrument „The Sexual Desire
über teststatistische Gütekennwerte, bleibt aber insbe- Inventory“ SDI ist ein kurzer Fragebogen zur Mes-
sondere bezüglich sexueller Funktionsbereiche sehr sung des sexuellen Verlangens, der auf die Erfassung
subjektiv und vage. Als kurzes und rationelles Instru- von partnerbezogenem und von autoerotischem sexu-
ment zur Ex-post-Evaluation von Sexualtherapien ist ellen Verlangen bei Männern und Frauen abzielt.
allerdings der NSP sehr gut geeignet, der bezüglich In der „Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von
aller relevanten Bereiche kurze Vorher-Nachher-Fra- Libido- und Erektionsstörungen“ der Deutschen Ge-
gen bietet (vgl. Zimmer 1989). sellschaft für Urologie (DGU, 2001) wird der „In-
1989 legte Hartmann seinen „Fragebogen zu sex- ternational Index of Erectile Function“ (IIEF) von
uellen Phantasien“ sowie den „Fragebogen zu Ein- Rosen und Mitarbeitern (1997) als „Königsweg für die
stellungen zu Sexualität und sexuellen Phantasien“ Diagnostik der Erektionsstörungen“ empfohlen. Er
vor, die zwar nicht statistisch validiert sind, aber – ge- wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und hat damit
nau wie die Instrumente von Brähler & Böhm (1988) international weitere Verbreitung gefunden als irgend
– bis heute gut integrierbare Verfahren in der sexual- ein anderes Instrument für diese Indikation.
medizinischen Praxis und Lehre darstellen. Der IIEF erfasst die folgenden fünf Bereiche (Do-
Mit dem „Fragebogen zur Erfassung sexueller Er- mains): Erektile Funktion, Orgasmus, sexuelles Ver-
fahrungen“ entwickelten Kommer und Mitarbeiter langen, Zufriedenheit mit Koitus und allgemeine
(1990) einen anamnestischen Fragebogen zur Sexual- Zufriedenheit. Das Instrument liegt in einer „Lang-
82 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

fassung“ (16 Items) und in einer aus nur 5 Items beste- durch sexuelle Stimulation unterscheidet. Bei der Stu-
henden Kurzfassung vor. Der IIEF bietet einen „Cut- die zur Erprobung dieses (nicht benannten) Fragebo-
Off-Wert“ an, d.h. wenn das Ergebnis eines Patienten gens resultierte, dass Orgasmuserleben von den be-
über einem bestimmten Wert liegt, wird von einer fragten Frauen (N = 112, Alter: 20 – 48 Jahre) als
„signifikanten Erektionsstörung“ ausgegangen. Der wichtiger Bestandteil ihrer Sexualität erlebt wurde,
Vorteil des IIEF ist seine Kompaktheit, die schnell gleichwohl aber über die Hälfte der befragten Frauen
einen Orientierungswert liefern kann, und seine Ein- angaben, dass Orgasmuserleben beim Geschlechtsver-
satzmöglichkeit in der Verlaufskontrolle. Wichtig er- kehr nicht die favorisierte Empfindung sei. Hiervon
scheint in diesem Zusammenhang darauf hinzuwei- benannten 37 % der befragten Frauen explizit, emotio-
sen, dass der IIEF zur Evaluation klinischer Pharma- nale und körperliche Nähe zu ihrem Partner (die sog.
studien entwickelt wurde, um (vor allem international) „Syndyastische Dimension der Sexualität“, vgl. Beier
vergleichbare Indices für das Ausmaß einer „erektilen & Loewit, 2004) als wichtigere Gefühlsqualität beim
Dysfunktion“ und die Effektivität eines Medikaments Geschlechtsverkehr zu empfinden, als das Orgasmus-
zu erhalten. Als Forschungsinstrument zur epidemiolo- erleben (Büsing et al. 2001).
gischen Untersuchung der Häufigkeit und Ausprägung Das ebenfalls von Rosen und Mitarbeitern (2000)
von Erektionsstörungen in der Allgemeinbevölkerung entwickelte Instrument „Female Sexual Function
ist der IIEF nicht entwickelt worden und folglich dazu Index“ FSFI misst auf sechs Skalen die weiblichen
auch nicht geeignet. Zum einen weil aus Fragebogen- Sexualfunktionen: Lust, subjektive Erregung, Lubri-
daten niemals Diagnosen ableitbar sind (und Erektile kation, Orgasmus, Zufriedenheit und Schmerzen. Eine
Dysfunktion wird ja allgemein als Diagnose gehand- deutsche Adaptation dieses Instrumentes (FSFI-d)
habt – auch wenn dies ungenau ist) und zum anderen legten Berner und Mitarbeiter (2002, 2004) vor, die in
der sexuelle Funktionsbereich der Erigibilität nicht se- ihrer Revision der vorliegenden Instrumente feststell-
xualmedizinisch fachgerecht nach DSM-IV operatio- ten, dass bis dahin international wenige und in Deut-
nalisiert wurde. So berücksichtigt der IIEF lediglich schland keine validierten Messinstrumente für sexu-
einen Betrachtungszeitraum von vier Wochen und die elle Funktionsstörungen bei Frauen existierten (vgl.
Erfragung von störungsbezogenem Leidensdruck fehlt Meston & Derogatis 2002).
völlig. Nachteile sind darüber hinaus die geringe In- Fahrner & Kockott (2002) bringen in ihrem The-
formationsdichte und die ausschließliche Orientierung rapiemanual „Sexualtherapie – Ein Manual zur Be-
am Koitus als dem „Endzweck“ und maßgeblichen handlung sexueller Funktionsstörungen bei Männern“
Kriterium der Sexualität. Aus sexualmedizinischer ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass „Sexualbe-
Perspektive kann die Auffassung der DGU damit nicht ratung (...) ohne Diagnostik nicht möglich“ sei. An der
bestätigt werden (vgl. Schaefer et al. 2003). Notwendigkeit dieser Aussage – trotz ihrer Trivialität
Nachdem in den 90er Jahren des 20. Jh. durch die – ist erkennbar, wie dringend immer wieder auf den
zufällige Entdeckung der PDE-5-Hemmer in ihrer selbstverständlichen Umstand hingewiesen werden
Wirkung auf die Erektionsfunktion die Forschung zu muss, dass es weder eine fundierte Beratung noch eine
Erektionsstörungen eine Vielzahl von entsprechenden suffiziente Behandlung ohne vorausgehende sachver-
Instrumenten hervorgebracht hatte, stellte sich zum ständige Diagnostik geben kann. Ihrem verhaltensthe-
Ende des 20. Jh. ähnlich motiviert ebenfalls eine Zu- rapeutischen Manual fügen Fahrner & Kockott (2002)
nahme der Instrumentenentwicklung bezüglich weib- einen Interviewleitfaden zur Sexualanamnese-Erhe-
licher Funktionsstörungen ein, weil die pharmazeuti- bung an, dessen Fokus deutlich auf Störungsbedin-
sche Industrie nach medikamentösen Behandlungs- gungen gerichtet ist.
formen auch für Sexualstörungen bei Frauen forschte Das „Sexual Moodes Questionnaire“ (SMQ) von
und so in die Entwicklung entsprechender Instrumente Nobre und Pinto-Gouveia (2003) erfasst kognitive und
investierte (vgl. Bancroft, 2000). Ein Verfahren zu se- emotionale Dimensionen der sexuellen Funktion. Als
xuellen Funktionsstörungen bei Frauen, welches nicht kognitive Dimension werden kognitive Ablenkung,
im deutschsprachigen Raum publiziert wurde, ist z.B. Effizienzerwartung, Kausalattributionen und Perfek-
die „Sexual Self-Efficacy Scale for Female Functio- tionismus genannt.
ning“ von Bailes und Mitarbeitern (1998). Büsing und Die von Heinemann und Mitarbeitern (2004) ent-
Mitarbeiter entwickelten 1999 einen Fragebogen, der wickelte „Scale for Quality of Sexual Function“
explizit die überdauernde sexuelle Zufriedenheit von (QSF) intendiert die Erfassung eines sexuellen Funk-
Frauen auf verschiedenen Ebenen der Sexualität und tionsstatus für beide Geschlechter mit einem Instru-
der Partnerschaft erfasst und diese methodisch von situ- ment. Die Skala besteht aus 32 Einzel-Items und acht
ativer sexueller Befriedigung (Orgasmuserleben) übergeordneten Fragen, wobei aus der faktorenana-
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 83

lytischen Untersuchung vier zentrale Dimensionen eine gesprächsbasierte sexualmedizinische Exploration


hervorgingen: Psychosomatische Lebensqualität, sexu- von entscheidender Bedeutung bleibt.
elle Aktivität, sexuelle Dysfunktion-Selbst und sexu- Bis zum Ende des 20. Jh. existierten damit so gut
elle Dysfunktion-Partner. wie keine für das deutschsprachige Mitteleuropa etab-
lierte Verfahren, die sexuelles Erleben und Verhalten
in ausreichender Bandbreite und befriedigender Diffe-
Metaanalysen renziertheit zu erheben vermochten. Des Weiteren
standen ebenfalls keine Verfahren zur Verfügung, die
In ihrem Überblick über die „Differentialdiagnostik klinisch relevante Aspekte der menschlichen Sexuali-
der erektilen Dysfunktion mit Selbstbeurteilungsver- tät, wie z.B. sexuelle Funktionsstörungen, operationa-
fahren“ fokussieren Heim & Strauss (2003) weiterhin lisiert nach ICD-10 bzw. DSM-IV zuverlässig erfassen
auf die Differenzierungsmöglichkeiten zwischen „or- konnten, was auch in internationalen Metaanalysen
ganischen versus psychogenen“ Erektionsstörungen zur Häufigkeit sexueller Funktionsstörungen dezidiert
mit standardisierten Erhebungsinstrumenten, insbe- als methodischer Hauptkritikpunkt der bisherigen
sondere Selbstbeurteilungsverfahren. Sie referieren klinischen Sexualforschung herausgestellt wurde (vgl.
den Stand der diesbezüglichen Forschung und stellen Simons & Carey, 2001). Die Faktoren, welche die Ver-
fest: „Die bisherigen Studien gehen in der Regel von gleichbarkeit der bisherigen Forschungsergebnisse am
einer eindimensionalen, bipolaren Skala organisch vs. meisten einschränken, betreffen vor allem die unter-
psychogen aus und postulieren, dass, sollte keine or- suchten Stichproben, die Art der Befragung (Interview
ganmedizinische Ursache gefunden werden, von einer oder standardisierte Datenerfassung mit Fragebögen)
psychogenen Ursache auszugehen ist“. Am Ende sowie die Definition der sexuellen Funktionsstörung.
kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es als ein Simons & Carey (2001) kommen in ihrer zusammen-
Ziel zukünftiger psychologischer Forschung anzuse- fassenden Bewertung der Forschung eines Jahrzehnts
hen ist, „die Entwicklung standardisierter, reliabler wegen dieser Mängel zu dem ernüchternden Schluss,
und validierter Fragebogenverfahren zur Differential- dass den bisher vorliegenden Ergebnissen der klinis-
diagnostik der erektilen Dysfunktion voranzutreiben. chen Sexualforschung nur eingeschränkt vertraut wer-
Die Instrumente sollten eine hohe und stabile Dis- den könne, weil unter anderem in keiner einzigen der
kriminationsfähigkeit besitzen und darüber hinaus de- bis 1999 durchgeführten sexualwissenschaftlichen
taillierte Aussagen über die Struktur der beteiligten Studien zu sexuellen Funktionsstörungen die Kriterio-
psychosozialen Faktoren bereitstellen“ Heim & logie von DSM konsequent operationalisiert wurde
Strauss (2003). (vgl. Simons & Carey, 2001). Dabei ist seit der Ein-
Vor allem vor dem Hintergrund, dass es aus sexu- führung pharmakologischer Erektionshilfen gleichzei-
almedizinischer Sicht unzulässig ist, aus Fragebogen- tig eine Tendenz zur Fragmentierung und Partialisie-
daten „Diagnosen“ abzuleiten, ist der Nutzen psycho- rung der sexuellen Funktionsbereiche erkennbar, in-
metrischer Verfahren in der Diagnostik sexueller Stö- dem immer mehr Verfahren entwickelt wurden, die
rungen, zumindest unter Praxisgesichtspunkten, als z.B. ausschließlich Erigibilität, unter Außerachtlas-
eher begrenzt einzustufen. Neben den speziellen sung der DSM-IV-Kriteriologie, in Form von Scree-
Kenntnissen, die ihre Interpretation überwiegend er- nig-Tests „messen“ sollten. Ähnliche Anstrengungen
fordert, ist der oft hohe zeitliche Aufwand zu nennen, richten sich bis heute auch auf die sexuelle Appetenz
der für den Patienten und den Untersucher mit ihrer der Frau (vgl. Madersbacher, 2004).
Anwendung verbunden ist. Zudem weisen viele Ver- Gleichzeitig herrscht in der klinischen Sexualwis-
fahren methodische Mängel auf und verfügen häufig senschaft und der praktischen Sexualmedizin Konsens
nicht über Testgütekoeffizienten. darüber, dass für die sachverständige Diagnostik und
Gleichwohl können spezielle Instrumente für die Therapie sexueller Störungen immer zumindest das
sexualmedizinische Diagnostik nützlich sein, indem gesamte Spektrum der sexuellen Funktionen über-
sie sowohl Information zu Problembereichen liefern, schaubar sein sollte, nicht zuletzt deswegen, weil psy-
denen im Erstgespräch besondere Aufmerksamkeit chophysiologische Zusammenhänge zwischen den
gelten soll, als auch zur therapiebezogenen Informa- einzelnen Phasen des sexuellen Reaktionszyklus be-
tionsgewinnung und Erfolgskontrolle (Evaluation) stehen, die auch die sexuellen Funktionen samt ihrer
herangezogen werden können. Letztlich sind standar- Störungen bestimmen.
disierte Untersuchungsinstrumente in ihrem Kern al- Diese Ausgangssituation bildete den Hintergrund
lerdings nichts anderes als das strukturierte Extrakt für die Entwicklung eigenständiger sexualwissen-
einer detaillierten Sexualanamnese, so dass am Ende schaftlicher Forschungsinstrumente und Erhebungs-
84 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

verfahren am Institut für Sexualwissenschaft und die dem Zweck dienen sollen, sexualmedizinische Dia-
Sexualmedizin der Charité in Berlin. Das Bemühen gnostik zu standardisieren, zu objektivieren und zu va-
richtete sich hier nicht vornehmlich darauf, rationelle lidieren, um dadurch eine praktikable und gleichwohl
Kurz-Screening-Tests für isolierte Sexualfunktionen umfassende und differenzierte Datenerfassung im kli-
zu konstruieren, sondern sexualwissenschaftliche Da- nisch-praktischen Arbeitsalltag der Sexualmedizin zu
tenerhebungs- und Forschungsinstrumente, die auch ermöglichen. Im einzelnen sind seit 1998 am Berliner
der Kriteriologie der internationalen Klassifikations- Institut die folgenden Verfahren1 entwickelt worden:
systeme für psychische und Verhaltensstörungen ICD-
10 und DSM-IV genügen. 1. „Strukturierte Sexual-Anamnese“ SSA
(Ahlers Ch. J. & Beier K. M., 2000)

1.1 „Sexualmedizinische Allgemein-Anamnese“ SAA


Datenerhebungs- und (Ahlers Ch. J. & Bellardi A. M. 2000a)
Forschungsinstrumente am
2. „5 x 3 der Sexualmedizin“ SEXMED-5x3
Institut für Sexualwissenschaft (Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. 2001)
und Sexualmedizin der Charité
3. „Fragebogen zum sexuellen Erleben und
Sexualmedizinisch relevante Daten sind für gewöhn- Verhalten“ FSEV
lich ausschließlich im Rahmen eines vertauensvollen (Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. 2002)
Gesprächs zwischen Therapeut und Patient bzw. zwis-
chen Diagnostiker und Proband als zeitaufwendige 4. „Sexualmedizinischer Fragebogen bei
Sexualanamnese erhebbar. Zur kompetenten Durch- chronischen Erkrankungen“ SFCE
führung bzw. Erhebung einer sachverständigen Sexu- (Ahlers Ch. J., Goecker D., Beier K. M. 2001a)
alanamnese bedarf es einer Qualifikation, die in den
regulären Curricula der medizinischen und klinisch- 5. „Inventar zu Dimensionen von Sexualität“ 3-D
psychologischen Ausbildung fehlt bzw. nicht gelehrt (Beier K. M., Ahlers Ch. J., Mundt I. A.,
wird. Eine diesbezügliche Qualifikation kann ledig- Loewit K. K. 2002)
lich im Rahmen einschlägiger, „sexualmedizinischer 6. „Evaluationsbogen zur sexualmedizinischen
Fort- und Weiterbildungen“ erworben werden, wo- Gesprächsführung“ ESG
durch ein entsprechender zeitlicher und finanzieller (Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. 2003)
Aufwand entsteht. Gleichzeitig besteht aber – unter
anderem im Rahmen klinischer Forschung – ein Be- 7. „Evaluationsbogen zu forensisch-
darf für die Verfügbarkeit standardisiert erhobener, se- sexualmedizinischen Kenntnissen“ EFSK
xualmedizinischer Daten, für die qualifizierte Erhe- (Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. 2004)
bungsmöglichkeiten immer noch weitgehend fehlen.
Ein Grund dafür, Datenerhebungs- und For- 8. „Dokumentationsbogen zur Dissexualitäts-
schungsinstrumenten am Institut für Sexualwissen- Therapie“ DDT
schaft und Sexualmedizin der Berliner Charité zu ent- (Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. 2004a)
wickeln, bestand folglich daran, standardisierte Er-
hebungsmethoden zur Verfügung zu stellen, die sexu- 9. „Forensisches Dokumentationssystem, Modul:
elles Erleben und Verhalten in der notwendigen Band- Sexualdelinquenz“ FDS-S
breite und Differenziertheit erheben und die klinisch (Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Wille R.,
relevanten Informationen dabei operationalisiert nach Beier K. M. 2000)
der Kriteriologie von ICD-10 und / oder DSM-IV
erfassen zu können.
Um Studierenden (genau wie Teilnehmern der
postgraduellen, sexualmedizinischen Ausbildung)
eine möglichst strukturierte sexualmedizinische Be-
1 Die in Klammern gesetzten Namen und Jahreszahlen beziehen sich
funderhebung zu erleichtern und damit auch die an-
nicht auf Publikationen, sondern bezeichnen die Autoren und das Jahr,
fängliche Unsicherheit im sexualmedizinischen Ex- in dem das jeweilige Verfahren entwickelt wurde. Alle aufgeführten
plorationsgespräch zu verringern, wurden am Berliner Verfahren sind über das Institut im Rahmen von Forschungskooperatio-
Institut spezielle Erhebungsinstrumente entwickelt, nen erhältlich. E-mail: sexualmedizin@charite.de
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 85

1. „Strukturierte Sexual-Anamnese“ SSA Auswirkungen des Problems: Art der Störung und Be-
dingungen, unter denen sie auftritt (primär / sekundär;
Den wesentlichen Teil der sexualmedizinischen Un- generalisiert / situativ); Bedeutung von bestehender
tersuchung bildet eine ausführliche und differenzierte Partnerschaft: Einstellung und Haltung des Partners /
Sexualanamnese, mit Hilfe derer alle sexuellen und der Partnerin zur Störung; Bedeutung von Sexualität
partnerschaftlichen Inhalte erhoben werden und deren und der Einfluss der sexuellen Störung; Sexuelles Set-
Erörterung in einem persönlichen Gespräch durch ting: Exploration der letzten Situation, bei der das Pro-
einen Fragebogen zwar ergänzt, nicht aber ersetzt wer- blemverhalten aufgetreten ist (Selbstverstärkungs-
den kann. Gegenstand der hier vorgestellten, „Struk- Mechanismen?); Initiative in der Sexualität: Differen-
turierten Sexual-Anamnese“ SSA sind sowohl sexu- zen, Präferenzen / Abneigungen, Kommunikation von
elle Erlebnisse, Erfahrungen, Neigungen, Vorlieben, Bedürfnissen und Grenzen.
Gewohnheiten, als auch Funktionsstörungen und ab-
weichende Verhaltensweisen, wie sie in den Katego- Phase II: mittlere Phase (Sexualanamnese 2)
rien und Kriterien des „Diagnostischen und statistis- Sexuelle Entwicklung / Kindheit und Jugend
chen Manual psychischer Störungen“ (DSM-IV, APA, Familiäre Situation, Eltern, Elternvorbild, Beziehung
1996) erwähnt werden. Durch die Kombination aus zu Eltern, andere Elternfiguren, Atmosphäre im famili-
der differenzierten Erhebung sowohl nicht-störungs- ären Rahmen (evtl. religiöse Bezüge); Geschwister,
bezogener Komponenten, als auch sexueller Funk- Beziehung zu Geschwistern, Familiäre Einstellungen,
tions- und Verhaltensstörungen wird angestrebt, das Umgang, Erziehungsstil, Reinlichkeitserziehung, wirt-
sexuelle und partnerschaftliche Erleben und Verhalten schaftliche Situation, Umgang mit Körperlichkeit und
möglichst umfassend zu eruieren. Es handelt sich um Nacktheit, Zärtlichkeit und Sexualität bei Eltern, zwis-
einen strukturierten Interview-Leitfaden zur Erhebung chen Eltern und Kindern, unter Geschwistern, öffent-
einer umfassenden sexualmedizinischen Anamnese liche Zärtlichkeiten, Sexuelle Aufklärung, Sexuelle
(Gesprächsdauer ca. 60 Min.). Trotz der Strukturiert- Kindheitserlebnisse, traumatisierende Erfahrungen.
heit des Interviewleitfadens ist für die sachgerechte
Nutzung und Handhabung der „Strukturierten Sexual- Adoleszenz / junges Erwachsenenalter / Sexuelle
Anamnese“ SSA eine Einführung und Übung in sexu- Reifung
almedizinischer Gesprächsführung unerlässlich. Die Menarche / Ejakularche, sexuelle Orientierung, Selbst-
einzelnen Gesprächsabschnitte untergliedern sich in befriedigung, Partnerschaftliche Beziehungen: Erste
folgende Phasen: partnerschaftliche und weitere Beziehungen, Bedeu-
tung und Zufriedenheit von Beziehungen. (Erste) sex-
Phase I: Anfangs- / Aufwärmphase uelle Erfahrungen: Sexuelle Interaktionen ohne Ge-
Erhebung soziodemographischer Daten schlechtsverkehr (Petting), Alter und Erleben von Ge-
Orientierung über Lebenssituation, Geschlecht, famili- schlechtsverkehr, Anzahl aller Koitusbeziehungen,
äre bzw. partnerschaftliche Situation, Beruf, momen- Einfluss von Personen auf die sexuelle Einstellungen,
tane wirtschaftliche Situation, Konfession, Klärung sexuelle Schwierigkeiten mit anderen Partnern, ein-
möglicher anderer oder zusätzlicher Beschwerden. Er- schüchternde / traumatisierende Erfahrungen, Inzest-/
öffnungsfragen: Was führt Sie hierher? Wie sind Sie Missbrauchserfahrungen, Bedeutung und Verarbei-
mit Ihrem Sexualleben zufrieden? tung; Schwellensituationen (Heirat / Trennung, Schwan-
gerschaft, Klimakterium o. ä.).
Spontanangaben der Patienten
Schilderung der Klagen und der Symptomatik – mög- Phase II: mittlere Phase (Sexualanamnese 3)
lichst mit wörtlichen Zitaten, ggf. auch Darlegung des Aktuelles Selbsterleben
Berichts des Beziehungspartners; Auslöser: Warum Sexuelle Phantasien, aktuelle Selbstbefriedigung, sex-
kommt der Patient / das Paar gerade jetzt und durch uelle Kommunikation und Kontaktgestaltung, sexu-
wen / was veranlasst? Ziel / Wunsch und bisherige Lö- elle Funktionsstörungen (nach den Phasen des sex-
sungsversuche, Idealvorstellung („Heilungsvision“ uellen Reaktionszyklus), Lustempfinden, Orgasmus-
der Patienten) und Therapiemotivation. erleben, allgemein präferierte sexuelle Praktiken (und
ihre Präferenz in der aktuellen Beziehung), allgemein
Phase II: mittlere Phase (Sexualanamnese 1) präferierte Koituspositionen (und ihre Präferenz in der
Exploration der sexuellen Störung aktuellen in Partnerschaft), spezielle sexuelle Vorlie-
Überblick über den Entstehungszeitpunkt („Geschich- ben und Abneigungen.
te der Störung“), Häufigkeit und Dauer der Störung;
86 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

Beziehungsentwicklung elle Störung betreffenden Behandlungsversuche sowie


Kennenlern-Situation; ursprüngliche Faszination; auch frühere Psychotherapien. Zum somatischen Be-
gegenseitige Erwartungen / Versprechungen; Domi- fund gehören darüber hinaus alle relevanten Epikrisen
nanzstruktur, Rollenverteilung; Auseinandersetzungs- und Vorbefunde sowie ggf. konsiliarische Vorstellun-
formen; Enttäuschungen, Verletzungen; Außenbezie- gen, etwa zur Erhebung eines gynäkologischen, urol-
hungen. Aktuell: Was ist gemeinsam, was ist trennend ogischen, psychiatrischen Befundes (vgl. SAA, s.u.).
(„Was schätzen / vermissen Sie aneinander?“), was ist
konflikthaft? Phase III Abschlussphase
Zusammenfassung, Arbeitsdiagnose, weiteres Vorgehen:
Fortpflanzung
Schwangerschaftsverhütung, Schwangerschaften, Zur sexuellen Störung (orientiert am DSM-IV
Schwangerschaftsabbruch, Kinder. oder ICD-10)
Zum Status der Partnerschaft
Exploration der Dimensionen von Sexualität Wie ist die sexuelle Störung mutmaßlich zu er-
Was bedeutet für den Patienten Sexualität und wie ist klären?
seine sexuelle ‚Welt-Anschauung‘?
Beziehungs-Dimension (sog. Syndyastische Di- Behandlungsplan und Zielsetzung
mension): Exploration der Grundbedürfnisse (nach Welche Vorstellungen bestehen beim Patienten / Part-
Akzeptanz, Nähe, Geborgenheit) hinsichtlich ihrer Er- ner und welche Ideen haben Sie dazu? Geht es mehr
füllung in der Beziehung und ihrer Verbindung zur se- um die Abklärung gegenseitiger Vorstellungen und die
xuellen Körpersprache als deren mögliche Realisie- Ermutigung zur Wiederaufnahme noch möglicher sexu-
rung (z. B. sind Zärtlichkeiten oder andere sexuelle eller Kontaktformen, stehen möglicherweise Lernde-
[koitale] Vollzüge Ausdruck vorhandener Nähe und fizite im Vordergrund (Indikation zur Beratung) oder
Akzeptanz zwischen den Partnern?) bedarf es des Einsatzes strukturierter Übungen, um die
Fortpflanzungs-Dimension: Bedeutung und Partner wieder aneinander anzunähern und Selbst-
Stellenwert der Fortpflanzungsfähigkeit. verstärkungsmechanismen abzubauen (Indikation zur
Lust-Dimension: Bedeutung und Stellenwert se- sexualmedizinischen Behandlung)? Was möchten die
xueller Lust, Stimulation und Erregung. Individuell Patienten noch erwähnen? Zusammenfassung der we-
und paarbezogenes Zusammenspiel dieser drei Di- sentlichen Punkte des Gesprächs, erste Beurteilung der
mensionen. sexuellen Probleme, Vorschlag für weiteres Vorgehen.

Psychologischer Befund und eigene Gefühlsregungen Prognose


Beschreibung des äußeren Eindrucks und des emo- Mögen sich die Partner? Wie klar ist der Verände-
tionalen Kontaktes. Aussagen über Differenziertheit rungswille und die Veränderungsbereitschaft? Wie gut
der Persönlichkeit, Krankheitseinsicht, Motivation für ist die Beziehung, wie sehr von Trennung bedroht?
eine sexualmedizinische Behandlung der sexuellen Wie stark wirken sich Konzepte des Patienten/des
Störung unter Einbeziehung des Partners; Psychopa- Paares (Fixierung auf körperlich verursachte Sympto-
thologische Auffälligkeiten; eigene Gefühlsregungen: matik) entwicklungshemmend aus? Können die drei
Welche Gefühle löst der Patient / das Paar im Behand- Dimensionen der Sexualität vom Patienten/Paar nach-
ler aus? vollzogen werden? Geht es also mehr um die Wieder-
herstellung einer Funktion und damit um die Ein-
„Sexualmedizinische Allgemein-Anamnese“ SAA (s.u.) engung auf die Lustdimension oder ist eine Öffnung
Es sollen möglichst alle wesentlichen organisch-so- für die sozial-bindende Dimension möglich?
matischen Erkrankungen, die ärztlicher Behandlung
bedurften oder bedürfen, erwähnt werden, insbeson- 1.1 „Sexualmedizinische Allgemein-
dere diejenigen, die in einem Zusammenhang mit der Anamnese“ SAA
sexuellen Störung stehen könnten. Dies umfasst alle
urologisch / gynäkologisch / psychosomatischen Er- Die körperliche Gesundheit steht in engem Wechsel-
krankungen und Eingriffe sowie ggf. Medikamenten- spiel mit der sexuellen Funktionalität. Aus diesem
einnahme und / oder Substanzmittelmissbrauch bzw. - Grund wird im Verlauf der sexualmedizinischen Dia-
abhängigkeit. Immer enthalten sein sollte ein Über- gnostik grundsätzlich der biomedizinisch-organische
blick über bisherige Schwangerschaften. Erwähnung Gesundheitsstatus der Patienten exploriert, bevor der
finden müssen darüber hinaus alle bisherigen, die sexu- psychodiagnostische Prozess beginnt. Die „Sexualme-
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 87

dizinische Allgemein-Anamnese“ SAA listet hierfür view-Leitfadens aufgelistet sind, ist im Rahmen der
alle aus sexualmedizinischer Sicht relevanten körper- sexualmedizinischen Ausbildungsoptimierung auch
lichen Faktoren auf, die einen Einfluss auf die sexu- ein Dokumentations-Leitfaden entwickelt worden, mit
elle Gesundheit und Funktionalität haben können und Hilfe dessen die übergeordneten Komponenten der
die ein Mindestmaß an Information bezüglich mög- Sexualstruktur im Anschluss an die Explorationsge-
licher körperlicher Erkrankungen darstellen. spräche dokumentiert werden können: Das „5 x 3 der
Sexualmedizin“ SEXMED-5x3 (Ahlers et al. 2001).
Aktualanamnese (Aktuelle Beschwerden) Dieser Dokumentations-Leitfaden gewährleistet, dass
Appetit, Durst, Übelkeit / Erbrechen, Miktion, Defä- neben den detaillierten Einzelinformationen (vor al-
kation, Schlaf, Nykturie, Dyspnoe, Husten / Auswurf, lem auch zu Störungsbereichen, -bedingungen und -
Fieber, Nachtschweiß, Allergien, Arzneimittel-Unver- ausprägungen), die im Rahmen der Sexualanamnese
träglichkeit, Nahrungsmittel-Unverträglichkeit, Tier- erhoben werden (vgl. SSA, s.o.), auch die übergeord-
kontakte, Giftstoffexposition. neten Zusammenhänge erfasst werden können, welche
die menschliche Sexualität fundieren und damit auch
Medikamente das fachliche Paradigma der Sexualmedizin begrün-
Analgetika, spezielle Prophylactica bzw. Therapeu- den. Dieser Dokumentations-Leitfaden (SEXMED-
tica, Schlafmittel, Rausch- und Suchtmittel (Nikotin, 5x3) beinhaltet folgende Komponenten:
Koffein, Alkohol, THC, Opiate, Synthetica).
1. Drei Grundlagen
Frühere Erkrankungen Sexualität kann nur als bio-psycho-soziales Phäno-
Kinderkrankheiten, allgemeine Erkrankungssymp- men verstanden und beschrieben werden: Das heißt,
tome, Operationen, Unfälle, Frakturen, Innere Erkran- sexuelles Erleben und Verhalten basiert auf:
kungen, Koronare Herzkrankheiten (Hypertonus), a) biologischen (Körperlichkeit),
Stoffwechselstörungen (vor allem Diabetes Mellitus), b) psychologischen (Persönlichkeit) und
Infektionskrankheiten, Skeletterkrankungen. c) soziologischen (Sozial- und Partnerbezogenheit)
Grundlagen, die ineinander greifen und alle erfragt
Medizinische Familienanamnese werden sollten.
Hypertonus, Diabetes Mellitus, Malignome, Erbleiden.
Beispiele für Fragen zu allen drei Grundlagen:
Körperlicher Befund (nur bei gegebenem Anlass) a) biologische Grundlagen: z.B. Erkrankungen, Miss-
Allgemeine Statuserhebung, Blutdruck- und Pulsmes- bildungen, Verletzungen, Behinderungen, Operatio-
sung, Auskultation von Herz und Lunge, grob orien- nen, Medikation etc.;
tierende neurologische Untersuchung. Körperlicher b) psychologische Grundlagen: z.B. Vor- u. Einstel-
Aktivitäts-Status des Patienten anhand von Selbstaus- lungen, Körperkonzepte, Weltanschauungen, Selbst-
kunft (körperliche Betätigung pro Tag). wertschätzung, Sexualmoral, Geschlechtsrollen-Ste-
Urologische Amnese reotypien etc.;
Urogenitale Fehlbildungen, Phimose (Circumcission), c) soziologische Grundlagen: z.B. Familienstruktur
Harnwegs-, Blasen- und / oder Nieren(becken)-Ent- und -beziehungen, Einzelgänger oder Gruppentyp, so-
zündungen, sexuell übertragbare Krankheiten. ziale Integration oder Isolation, Partnerschaft oder
Single etc..
Gynäkologische Anamnese
Menarche, Menstruationsbeschwerden, Datum der let- 2. Drei Dimensionen
zten Regel, Kontrazeption/ Hormone, Gravidität, Par- Sexualität ist gekennzeichnet durch drei zentrale
tus, Abortus, letzte gynäkologische Untersuchung. Dimensionen:
a) Lust,
b) Fortpflanzung
2. „5 x 3 der Sexualmedizin“ SEXMED-5x3 c) Beziehung.
Dokumentations-Leitfaden zur sexual- Das heißt, sexuelles Erleben und Verhalten setzt sich
zusammen aus lustorientierten, fortpflanzungsori-
medizinischen Exploration entierten und beziehungsorientierten Motiven, die
Neben der „Strukturierten Sexual-Anamnese“ SSA ineinander greifen und alle erfragt werden sollten.
(Ahlers & Beier, s.o.), in der sämtliche sexualmedi-
zinisch relevanten Informationen in Form eines Inter- Beispiele für Fragen zu allen drei Dimensionen:
88 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

a) Lust-Dimension: z.B. Bedeutung von Erotik, Lei- c) sexuelles Verhalten: z.B. „ich streichele sie gerne“,
denschaft, sexueller Erregung und Befriedigung, „2 x im Monat GV“, „meistens bin ich abends müde“,
Orgasmus etc.; Pornographie?, Prostitution?, Sex-Lines? Selbstbe-
b) Fortpflanzungs-Dimension: z.B. Bedeutung von friedigung? etc..
Schwangerschaft, Kinderkriegen, Eltern werden / sein
etc.; 5. Drei Formen
c) Beziehungs-Dimension: z.B. Bedeutung von Be- Das konkrete sexuelle Verhalten (vgl. 4.c) wiederum
Achtung, Angenommenheit, Geborgenheit, Vertrauen, sollte in den drei Formen exploriert werden, die alle
Schutz, Nähe, Wärme, Intimität, Sicherheit etc.. erfragt werden sollten:
a) Masturbation: Selbststimulation und -befriedi-
3. Drei Achsen gung;
Die sexuelle Präferenz-Struktur des Menschen kon- b) extragenitale sexuelle Interaktion: z.B. Strei-
figuriert sich auf drei wesentlichen Achsen: cheln, Schmusen, Kuscheln und
a) dem präferierten Geschlecht (eines gewünschten c) genitale Stimulation: manuelle, orale oder andere
Partners) (gegen-, beid- oder gleich-geschlechtlich) Stimulation, z.B. Petting, inklusive Geschlechtsver-
b) dem präferierten Alter (eines gewünschten kehr (Einführen von Penis oder Penissurrogat in
Partners) (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) Scheide oder After).
c) der präferierten Art und Weise (eines gewün-
schten Partners bzw. Objektes oder einer Interak- Beispiele für Fragen zu allen drei Formen:
tion) (Typ, Objekt, Modus, Praktik etc., die ineinander a) Selbstbefriedigung: z.B. wie oft, wie gern, wie gut
greifen und alle – von normkonform bis paraphil– klappt’s, besondere Stimulationspraktiken, Begleit-
erfragt werden sollten) phantasien, Selbstbewertungen etc.;
b) extragenitale sexuelle Interaktion: z.B. „Händ-
Beispiele für Fragen zu allen drei Komponenten: chenhalten“, „sich drücken“, „gegenseitig massieren“,
a) Geschlecht (eines gewünschten Partners): auf „Löffelchen“, „Knutschen“, „nackt im Bett umar-
das männliche, weibliche oder auf beide Geschlechter; men“, „Arm-in-Arm einschlafen“ etc.;
b) Alter (eines gewünschten Partners): z.B. prä-, c) genitale Stimulation: z.B. wie oft, wie gern, mit
peri- oder postpubertär, altersanalog, jünger, älter; der Hand befriedigen, Oralsex, Sexspielzeuge, Sex-
c) Art und Weise (eines gewünschten Partners bzw. Stellungen / GV-Positionen etc..
Objektes oder einer Interaktion): Modus, Praktik,
Typ, Objekt / Partner etc.: z.B. blond oder brünett, Damit wird deutlich, dass die beiden Instrumente SSA
klein oder groß, dick oder dünn, großer oder kleiner und SEXMED-5x3 sich nicht wechselseitig ersetzen,
Busen / Penis / Po, „im Stehen von hinten“, Lack oder sondern komplementär ergänzen: Die SSA gewähr-
Leder, Wäsche, Fesseln, Fäkalien, Exhibition, Lei- leistet eine detaillierte und differenzierte Informa-
chen, Tiere, Babys etc.. tionsgewinnung bezüglich aller sexualbiographischer
4. Drei Ebenen und störungsbezogener Sachverhalte in Form eines
Sexuelles Erleben und Verhalten sollte auf drei ver- klinischen Interviews nach ICD-10 bzw. DSM-IV,
schiedenen Ebenen exploriert werden, nämlich: der während SEXMED-5x3 als Dokumentations-Leitfa-
Ebene des den die wesentlichen Komponenten der menschlichen
a) sexuellen Selbstkonzepts, der Ebene der Sexualstruktur ohne klinischen Fokus auflistet, durch
b) sexuellen Phantasien und der Ebene des konkreten welche ein rationeller Überblick über alle wichtigen
c) sexuellen Verhaltens, (auch nicht störungsspezifischen) Aspekte des sex-
die ineinander greifen und alle erfragt werden sollten. uellen Erlebens und Verhaltens ex post, d.h., nach der
Anamneseerhebung vergegenwärtigt und dokumen-
Beispiele für Fragen zu allen drei Ebenen: tiert werden können.
a) sexuelles Selbstkonzept: z.B. „normal“ oder „au-
ßergewöhnlich“, „zurückhaltend“ oder „fordernd“,
„Macho“ oder „Schlappschwanz“, „Luder“ oder 3. „Fragebogen zum sexuellen Erleben und
„Hausmütterchen“, „schwul“ etc.; Verhalten“ FSEV
b) sexuelle Phantasien: z.B. „im Kaufhaus in einer
Umkleidekabine“, „ich werde gequält“, „wir liegen im Ein früherer Versuch, auch für die SSA selbst ein eige-
Gras und lieben uns“, „der Junge nimmt meinen Penis nes, detailliertes Dokumentationssystem zu erstellen,
in den Mund“, „sie schreit: Fick mich, Du Sau“ etc.; mit dem konkrete Einzelinformationen festgehalten
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 89

bzw. kodiert werden können, führte nicht zu einem Der FSEV liegt vor als: (1) „Gesamtform“ (FSEV-G)
weiteren eigenen Dokumentationssystem zur Sexual- und „Klinische Kurzform“ (FSEV-K), (2) als Frauen-
anamnese, sondern direkt zur Entwicklung des „Fra- und Männer-Fassung, (3) als Single- und Paar-Version.
gebogens zur sexuellen Erleben und Verhalten“ FSEV Die mit mehreren Skalen erfassten, klinisch rele-
(Ahlers et al. 2002), der alle wesentlichen Informatio- vanten Bereiche „Sexuelle Funktionen“ (F 52), „Se-
nen der SSA in standardisierter Form durch geschlos- xuelle und Geschlechts-Identität“ (F 66 / F 64) und
sene Fragen zur Selbstbearbeitung (Ankreuzen) er- „Sexuelle Neigungen“ (F 65) wurden streng nach der
fasst und damit (im Gegensatz zur SSA) einen interin- Kriteriologie des ICD-10 bzw. des DSM-IV opera-
dividuellen Vergleich, eine elektronische Verarbeitung tionalisiert.
und vor allem auch eine statistische Auswertbarkeit Das bedeutet zum Beispiel, das jede Sexualfunktion
der Ergebnisse ermöglicht. Auch hier sei nochmals (in der Abfolge des sexuellen Reaktionszyklus) je-
darauf hingewiesen, dass der Einsatz eines Fragebo- weils einzeln in den drei verschiedenen Formen des
gens (bei all seinen Vorteilen) eine gesprächsbasierte konkreten sexuellen Verhaltens (vgl. SEXMED-5x3,
Exploration in Form einer Sexualanamnese optimal Punkt 5., s.o.) erhoben wird:
ergänzen, niemals aber ersetzen kann und soll. a) bei Selbstbefriedigung,
Der FSEV ist ein standardisierten Erhebungsins- b) bei sexueller Stimulation ohne Geschlechtsver-
trument zur Erfassung und Auswertung sämtlicher kehr („Petting“) und
sexualwissenschaftlich relevanter Informationen zu c) beim Geschlechtsverkehr.
allen wesentlichen Bereichen des menschlichen sex-
uellen Erlebens und Verhaltens. Zusätzlich wird zu jeder einzelnen Sexualfunktion er-
Erhoben werden (mit gleichnamigen, modularen fragt, ob (falls gegeben) das Problem schon von An-
Skalen) sämtliche sexualwissenschaftlich relevanten fang an bzw. seit den ersten sexuellen Kontakten be-
Daten zu den Bereichen: Familiärer Hintergrund, standen hat (primär / veranlagt) oder sich erst später
kindliche und präpubertäre Sexualität / sexuelle So- eingestellt hat (sekundär / erworben). Wenn das Pro-
zialisation, Pubertät, soziosexuelle Entwicklung, sex- blem (falls gegeben) erst mit der Zeit entstanden ist,
uelle Aktivität, Koitalbeziehungen, partnerschaftliche wird erfasst, seit wie langer Zeit das Problem schon
Entwicklung, sexuelle Praktiken, Sexualphantasien, kontinuierlich besteht und ob die betreffende Person
Selbstbefriedigung (mit Begleitphantasien), präferier- einen diesbezüglichen Leidensdruck verspürt oder
te Koituspositionen, exzitative Erlebnisqualität, sex- nicht.
uelle Funktionsstörungen, emotional-kognitives Be- Mit den Items der Skala „Sexuelle und Ge-
deutungserleben, aktuelle Partnerschaft, exosexuelle schlechts-Identität“ (F 66 / F 64) werden sämtliche,
Kontakte, Pornographie, Prostitution, Geschlechts- klinisch relevanten Aspekte der Geschlechtsidentität
rollen-Identifikation, Geschlechtsidentität, sexuelle (bio-psycho-soziale Entwicklung, Ausprägung und
Identität, sexuelle Neigungen (Paraphilien), sexuelle ggf. Festigung des Bewusstseins der eigenen Ge-
Übergriffe (erlitten und verübt) u.a.w.. Die erhobenen schlechtszugehhörigkeit) sowie der sexuellen Identität
Ergebnisdaten liefern einen differenzierten, weil quan- (bio-, psycho- u. sozio-sexuelle Reifung und Entwick-
tifizierten Überblick über die sexuelle Zufriedenheit, lung, sexuelle Orientierung und Ausbildung eines sex-
sexuelle Aktivität, sexuelle Funktionalität, sexuelle uellen Selbstkonzepts) erhoben.
Identität, Geschlechtsidentität sowie die paraphile Mit den Items der Skala „Sexuelle Neigungen“ wer-
Bedürfnisstruktur von Patienten / Probanden und ihren den sämtliche, klinisch relevanten Paraphilien einzeln
Partnern. Die modularen Skalen lauten: auf den drei Ebenen abgefragt:
a) in allgemeinen Sexualphantasien,
Soziodemographische Angaben b) in Begeleitphantasien bei der Selbstbefriedi-
Sexuelle Sozialisation gung und
Sexuelle und Partnerschaftliche Entwicklung c) im realen (soziosexuellen) Verhalten.
Sexuelle und Partnerschaftliche Einstellung Ebenfalls wird hier bei jedem Item die Dauer
Sexuelle Aktivität und sexuelles Verhalten erfragt, seit der ein Problem (falls gegeben) bereits
Sexuelle Funktionen besteht bzw. wahrgenommen wurde und ob die betre-
Sexuelle Fortpflanzung ffende Person bezüglich der erfragten Inhalte einen
Sexuelle und Geschlechts-Identität Leidensdruck verspürt oder nicht.
Sexuelle Praktiken Weil es grundsätzlich nicht möglich ist, anhand
Sexuelle Neigungen eines Fragebogens (Differential-) Diagnosen zu verge-
Sexuelle Übergriffe ben, können Ergebnisse standardisierter Datenerhe-
90 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

bungen prinzipiell ausschließlich Hinweise („Ver- bzw. DSM-IV bezüglich der Störungsbereiche „Sexu-
dachtsmomente“) für das eventuelle Vorliegen einer elle Funktionen“ (F 52), „Sexuelle und Geschlechts-
jeweiligen Störung in einem jeweiligen Bereich lie- Identität“ (F 66 / F 64) und „Sexuelle Neigungen“ (F
fern. Darum ist es auch bezüglich der Ergebnisse des 65).
FSEV unzulässig, von tatsächlichen sexualmedizinis- Der Fragebogen ist – nicht zuletzt aufgrund der
chen Differential-Diagnosen zu sprechen. erfragten Inhalte – als „asisstiertes“ Erhebungsins-
Die Ergebnisse der Skalen „Sexuelle Funktionen“ trument konzipiert. Das bedeutet, dass während der
(F 52), „Sexuelle und Geschlechts-Identität“ (F 66 / F Bearbeitung durch den Probanden immer ein Unter-
64) und „Sexuelle Neigungen“ (F 65) liefern sexual- sucher (im Raum) anwesend sein sollte, um Rückfra-
medizinische Verdachts-Diagnosen bezüglich aller re- gen zu beantworten und (thematisch) erwartbare Wi-
levanten Störungsbereiche. Das bedeutet, die Ergeb- derstände (Reaktanz) aufzufangen. „Assistierte Daten-
nisse der nach ICD-10 bzw. DSM-IV operationali- erhebung“ bedeutet nicht, dass sich der Untersucher
sierten Items zu diesen Skalen lassen eine Einstufung aktiv an der Beantwortung des Fragebogens beteiligen
als „V.a. krankheitswerte Störung“ mit differential- (Interview) oder mit dem Probanden gemeinsam die
diagnostischer Spezifikation zu, z.B.: „V.a.: sekundä- Fragen beantworten soll. Es handelt sich damit um
re, situative erektile Dysfunktion“ bzw. „V.a.: Störung einen standardisiertes Selbstbeurteilungsinstrument
der Geschlechtsidentität, in der Kindheit beginnend“ für Patienten bzw. Probanden, das nicht zur unkon-
bzw. „V.a.: homo-pädophile Hauptströmung / Pädo- trollierten Postversendung vorgesehen ist, sondern zur
philie, auf Jungen orientiert, ausschließlicher Typus“. Bearbeitung unter „Aufsicht“ eines Untersuchungslei-
Eine Beeinträchtigung von Sexualfunktionen bzw. ters, wie dies bei psychologischer Testdiagnostik all-
der Verdacht auf das Vorliegen einer Geschlechtsiden- gemein lege artis ist.
titäts-Störung oder einer Paraphilie wird nach DSM- Die Funktion der Untersucher besteht bei der
IV erst als „krankheitswerte Störung“ klassifiziert, assistierten Datenerhebung darin:
wenn der Proband bzw. Patient angibt, dass ihm das
Problem seit mindestens 6 Monaten kontinuierlich den Probanden in einem kurzen, einleitenden Ge-
Leidensdruck bereitet! Deswegen wird im FSEV zu spräch mit dem Gegenstand des Fragebogens ver-
sämtlichen klinisch relevanten Items der Zeitraum er- traut zu machen,
hoben, seit dem ein Problem besteht und ebenso, ob die (stereotype) Struktur der Fragen und der Ant-
bezüglich eines möglichen Problems ein Leidens- wortmöglichkeiten zu verdeutlichen bzw. erklären,
druck besteht oder nicht. während der gesamten Bearbeitungszeit als An-
Die Funktion des FSEV besteht vornehmlich sprechpartner für Rückfragen zur Verfügung zu
darin, sexualmedizinisch relevante Daten (operationa- stehen,
lisiert nach ICD-10 bzw. DSM-IV) auf standardisierte Widerstände gegen Fragen oder Inhalte des Fra-
Weise erfassen, dokumentieren und auswerten zu kön- gebogens zu verringern bzw. zu entkräften (siehe
nen, ohne eine zeitaufwendige, interviewbasierte Se- Abschnitt: Untersucher-Training!),
xualanamnese durch entsprechend qualifiziertes Fach- auf die vollständige Beantwortung des Fragebo-
personal erheben zu müssen. Ergeben sich aus den Er- gens zu achten bzw. Probanden auf unbeantworte-
gebnissen des FSEV Hinweise auf das Vorliegen von te bzw. ausgelassene Fragen oder Fragenteile auf-
Störungsbereichen bzw. Verdachtsdiagnosen, so ent- merksam zu machen und zur nachträglichen
steht daraus die Indikation, diese Bereiche im Rahmen Beantwortung zu ermutigen,
einer „Strukturierten Sexualanamnese“ SSA (s.o.) dif- nach Bearbeitung durch die Probanden die ferti-
ferentialdiagnostisch zu explorieren und abzuklären. gen Fragebögen auf Vollständigkeit der Antworten
Bei dem FSEV handelt es sich nicht um ein nor- zu überprüfen und bei unbeantworteten Fragen oder
miertes, statistisches Testverfahren, sondern um einen Frageteilen erneut vorzulegen (Missing-Control).
voll standardisierten Fragebogen zur „assistierten Da-
tenerhebung“ per Selbstbearbeitung von Probanden Untersucher-Training
(s.u.). Resultierend daraus existiert kein mathema- Zur assistierten Erhebung des FSEV bedarf es keines
tisch-statistischer Auswertungs-Algorithmus, sondern hochqualifizierten Fachpersonals (was unter anderem
ein Auswertungs-Schlüssel. Die Ergebnisse werden Sinn und Zweck der Fragebogen-Entwicklung war).
als Rohdaten in eine Datenbank eingegeben und ste- Die Assistenz kann ohne Weiteres z.B. von entspre-
hen anschließend zur Auswertung zur Verfügung; sie chend eingewiesenen bzw. geschulten Studien-Betreu-
liefern dann mit Hilfe des Auswertungsschlüssels sexu- ern (z.B. wissenschaftliche Hilfskräfte, „study-nurs-
almedizinische Verdachts-Diagnosen nach ICD-10 es“) gewährleistet werden. Zur Einarbeitung der Un-
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 91

tersucher genügt eine einmalige, ca. zweistündige Un- lität auf dem Niveau eines standardisierten Erhe-
terweisung durch einen Mitarbeiter des Instituts für bungsinstrumentes angestrebt wird.
Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité
Berlin.
4. „Sexualmedizinischer Fragebogen bei
Einstellung chronischen Erkrankungen“ SFCE
Wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen
Einsatz des FSEV ist (wie bei allen sexualwissen- Einen weiteren wesentlichen Arbeitsbereich der klini-
schaftlichen Untersuchungen) die Überzeugung der schen Sexualwissenschaft stellt die Erforschung von
Untersuchungsleiter (z.B. Wissenschaftler, Projektlei- chronischen Erkrankungen in ihren Auswirkungen auf
ter, Prüfärzte o.ä.), dass eine Erhebung sexualmedi- Sexualität und Partnerschaft von Betroffenen und
zinischer Daten relevant, sinnvoll und wünschenswert ihren Partner dar. Im Laufe von Untersuchungen zu
ist und dass diese Überzeugung in klare Anweisungen verschiedenen chronischen Erkrankungen (vgl. Beier
an das Untersuchungs-Team umgesetzt wird. Ambiva- & Ahlers, 2003 a u.b, 2004 a u.b) ist hierbei der
lente Grundhaltungen seitens der Studienleitung über- „Sexualmedizinische Fragebogen bei chronischen
tragen sich auf Mitarbeiter und führen zu Befangen- Erkrankungen“ SFCE (Ahlers et al. 2001a) entstan-
heits-Blockaden, die sich mit den natürlichen, erwart- den, der den besonderen Bedingungen von Betroffe-
baren Befangenheiten mancher Probanden bzw. Pa- nen und ihren Partnerinnen und Partnern Rechnung
tienten addieren und so den Einsatz des FSEV behin- trägt, die sich dieser Wechselwirkung, aus Erkran-
dern bzw. die Erfassung valider sexualmedizinischer kung, Behandlung und ihrer Sexualität und Partner-
Daten gefährden. schaft ausgesetzt sehen. Hierbei werden sowohl sex-
uelle Funktionsstörungen bei chronisch Erkrankten
Betrachtungszeitraum und ihren Partnern, als auch die von den Betroffenen
Der FSEV bezieht sich in sämtlichen Fragen auf den erlebten Auswirkungen der krankheitsbezogenen Be-
Betrachtungszeitraum der vergangenen 12 Monate. handlungen (z.B. Medikation) standardisiert erfasst.
Bei allen klinisch relevanten Items werden die Pro- Der Fragebogen wurde als Betroffenen-Version
banden aufgefordert, die bisherige Bestehenddauer und Partner-Version konzipiert und ist dazu geeignet,
eines möglichen Problems numerisch einzutragen via Postversendung von Probanden selbstständig zu
(z.B. „ca. seit 6 Monaten“). Hause ausgefüllt zu werden. Er erfasst allgemeine An-
gaben zur Person, zum sozialen Umfeld (soziodemo-
Bearbeitungsdauer graphische Faktoren), Angaben zur Partnerschaft (z.B.
Die Bearbeitungsdauer der „Gesamtform“ FSEV-G Kommunikation, Zärtlichkeit) sowie krankheitsspezi-
beträgt bei 120 Items + / - 60 Minuten, bei der „Klini- fische Verhaltensweisen (z.B. Rückzugsverhalten; Ge-
schen Kurzform“ FSEV-K (nur klinisch relevante reiztheit durch eventuell eingeschränkte Selbststän-
Skalen) mit 60 Items + / - ca. 30 Minuten, bei 40 Items digkeit, Antriebslosigkeit durch Depressivität etc.).
(ohne Paraphilien) + / - ca. 20 Minuten. Sämtliche Die Angaben zu den jeweiligen Erkrankungen
Antwortoptionen sind in (5-stufiger) Likert-Skalie- können in Anlehnung an international gebräuchliche
rung konstruiert. Instrumente zur Klassifizierung der Hauptsymptome
verschiedener Krankheitsbilder (z.B. „Unified Parkin-
Einsetzbarkeit son’s Rating Scale“ UPDRS für Morbus Parkinson,
Der Fragebogen kann sowohl in der (klinischen) Indi- „Kurtzke-Skala“ für Multiple Sklerose, der „PASI“
vidualdiagnostik als auch als standardisiertes For- (psoriasis area and severity index für Psoriasis) jew-
schungsinstrument verwendet werden. Er ist bei nicht- eils angepasst werden. Gleiches gilt für die Erfassung
klinischen wie klinischen Stichproben gleichermaßen krankheitsbezogen unterschiedlicher Therapieoptio-
einsetzbar, d.h., es braucht z.B. keine krankheitsbezo- nen (einschließlich Medikamente). Bei der Erhebung
genen Adaptation zu erfolgen. Eine forschungs- bzw. der Medikamente wird erfragt, ob die Probanden/in-
projektbezogene Einkürzung bzw. Reduktion des nen medikamentös therapiert wurden sowie (wenn
FESV auf bestimmte Skalen ist problemlos möglich. dies der Fall war), mit welchen Präparaten und Do-
Der FSEV befindet sich im Prozess der statistis- sierungen und ob die Probanden einen Zusammen-
chen Validierung, wobei (im Ggs. zum 3-D, s.u.) nicht hang zwischen den eingenommenen Medikamenten
intendiert ist, das methodische Niveau eines normier- und Veränderungen ihrer Sexualität und Partnerschaft
ten Testverfahrens zu erreichen, sondern lediglich eine sehen. Sofern dies bejaht wird, wird entsprechend der
grundlegende Überprüfung von Validität und Reliabi- verschiedenen Phasen des sexuellen Reaktionszyklus
92 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

nach den beobachteten Veränderungen der Sexualität sionen von Sexualität im individuellen Erleben der
und Partnerschaft im Hinblick auf mögliche sexuelle Probanden haben.
Dysfunktionen sowie nach Häufigkeiten sexueller Nach Beier & Loewit (2004) lassen sich drei fun-
Aktivitäten und dem Auftreten sexueller Phantasien damentale Dimensionen der Sexualität unterscheiden:
gefragt. Außerdem werden die Betroffenen und ihre die Fortpflanzungsdimension, die Lustdimension und
Partner im SFCE gefragt, in wieweit sie von beruf- die Beziehungs- bzw. syndyastische Dimension, in-
lichen Helfern auf mögliche Auswirkungen der Er- nerhalb derer sich psychosoziale Grundbedürfnisse
krankung auf die Sexualität bzw. erwartbare Verän- nach Sicherheit, Vertrauen, Nähe, Geborgenheit und An-
derungen der Sexualität und resultierend der Partner- genommenheit durch sexuelle Kommunikation er-
schaft aufmerksam gemacht wurden, die mit der Er- füllen lassen. Die proportionale Bedeutung der einzel-
krankung und ihrer Behandlung einhergehen können. nen Dimensionen können interindividuelle Unterschie-
Die Fragen zu sexuellen Funktionsstörungen sind de aufweisen, und durch eine Überbewertung oder
am DSM-IV orientiert, folgen aber nicht so streng der Vernachlässigung einzelner Aspekte an der Entste-
Kriteriologie des DSM-IV, wie die Operationalisie- hung u./o. Aufrechterhaltung sexueller Funktionsstö-
rung bei den entsprechenden Items im FSEV (s.o.) rungen beteiligt sein. Die Kenntnis der Ausprägung der
und führen folglich auch nicht stringent zu Verdachts- individuellen Bedeutungserteilung der Dimensionen
diagnosen nach DSM-IV, sondern lediglich zu Be- von Sexualität ist somit für den therapeutischen Pro-
schwerdebekundungen in verschiedenen Störungsbe- zess von Bedeutung und eine quantifizierte Erfassung
reichen. Weil die Fragen dadurch weniger komplex der Bedeutungszuweisung ist Voraussetzung für eine
bleiben und die Ergebnisse methodischen nicht für empirische Einordnung der Dimensionen von Sexua-
sich in Anspruch nehmen, Verdachtsdiagnosen abzu- lität in einen breiteren wissenschaftlichem Kontext.
bilden, eignet sich der SFCE im Gegensatz zum FSEV Mit dem „Inventar zu Dimensionen von Sexuali-
zur Postversendung. tät“ (3-D) wird die individuelle proportionale Bedeu-
Neben der resultierenden Vergleichbarkeit von tung der drei Dimensionen von Sexualität quantifiziert
Betroffenen- und Partner-Aussagen besteht eine me- erfasst. Das Inventar besteht aus 43 Items, die den
thodische Besonderheit des SFCE darin, dass sämt- Skalen „Bindung“, „Lust“ und „Fortpflanzung“ zuge-
liche Angaben, insbesondere zu sexuellen Funktions- ordnet werden. Die Antwortoptionen sind in (5-stu-
störungen, jeweils in den beiden Zeitebenen: „vor der figer) Likert-Skalierung konstruiert. Die Bearbei-
Diagnose“ und „seit der Diagnose“ erfasst werden, so tungsdauer beträgt 10 bis 15 Minuten, wodurch das
dass eine (quasi-längsschnittliche) Verlaufsbeschrei- Testverfahren dem Kriterium der Effizienz genügt.
bung der sexuellen Symptomatik über die Zeit vor und Zur Überprüfung der Testgütekriterien wurde das
seit der Erkrankung im Rahmen einer (Ein-Punkt) Inventar 465 Probanden im Rahmen der „Berliner
Querschnittsuntersuchung möglich wird. Männer-Studie II“ zur Bearbeitung vorgelegt. Die
Der Fragebogen befindet sich im Prozess der sta- Reliabilität wurde sowohl durch die interne Konsis-
tistischen Validierung. Angestrebt wird das testkons- tenz als auch durch die Test-Retestmethode bestimmt.
truktive Niveau eines standardisierten Erhebungsins- Der Retest-Reliabilitäts-Koeffizienten liegt zwischen
trumentes mit Testgütekriterien zur Reliabilität. Die r= .54 bis r= .88.
Bearbeitungsdauer liegt bei 56 Einzelfragen stich- Zur Überprüfung der Validität wurde in einem ers-
proben- und indikationsabhängig bei 30 bis 45 Mi- ten Schritt eine gemeinsame Faktorenanalyse der
nuten. Die Antwortoptionen sind in (5-stufiger) Items mit zuvor definierten Markiervariablen, welche
Likert-Skalierung konstruiert. die Bedeutung der einzelnen Skalen eindeutig charak-
terisieren sollten, durchgeführt. Die faktorielle Vali-
dität konnte dabei nicht nachgewiesen werden, aller-
5. „Inventar zu Dimensionen von dings spiegelte die bei einer weiteren Faktorenanalyse
Sexualität“ 3-D empirisch ermittelte faktorielle Struktur die intendier-
ten Dimensionen der Sexualität weitgehend wieder. Es
Bei diesem Instrument handelt es sich um ein standar- wurden fünf Faktoren ermittelt, die wie folgt bezeich-
disiertes, noch nicht normiertes Testverfahren zur net werden: Fortpflanzung, Lust, Bindung-Partner-
Messung der proportionalen Bedeutung der drei fun- schaft, Bindung-Sexualität und Zärtlichkeit vs. Ge-
damentalen Dimensionen von Sexualität: Lust, Fort- schlechtsverkehr. Diese Faktoren bilden entsprechend
pflanzung, Beziehung. Mit dem Testverfahren ist es fünf Skalen. Die ursprüngliche Skala „Bindung“ wird
möglich, Aufschluss darüber zu gewinnen, welche somit durch drei Faktoren abgebildet, wodurch eine
proportionale Bedeutung die fundamentalen Dimen- stärkere Differenzierung der individuellen Bedeutung
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 93

der Bindungsdimension ermöglicht wird. Vor allem wissenschaft und Sexualmedizin der Charité in Berlin
die Skala „Zärtlichkeit vs. Geschlechtsverkehr“ ist der „Evaluationsbogen zur sexualmedizinischen Ge-
hierbei von Interesse, da sie die Bedeutung von extra- sprächsführung“ ESG entwickelt (Ahlers et al. 2003),
genitaler sexueller Interaktion relativ zur Bedeutung der sowohl als Beurteilungsgrundlage für den Lern-
genitaler Sexualität ermittelt. fortschritt in der sexualmedizinischen Ausbildung all-
Die genannten Faktoren bzw. Skalen wurden wei- gemein dient, als auch zur Beurteilung der Explora-
terhin zur Überprüfung der konvergenten und diver- tions- und Beratungsgespräche im Rahmen der Ab-
genten Validität zu verschiedenen anderen Skalen, schlussprüfungen im Curriculum Sexualmedizin an
welche sexuelle und partnerschaftliche Qualität und der Charité genutzt wird. Der Evaluationsbogen fo-
Zufriedenheit erfassen, in Beziehung gesetzt. Es konn- kussiert auf alle wesentlichen Bereiche der sexual-
te gezeigt werden, dass die Bindungsdimension nicht medizinischen Gesprächsführung und orientiert sich
nur mit partnerschaftlicher Qualität und Zufriedenheit auch an den Komponenten des SEXMED-5x3 (Ahlers
in Zusammenhang steht, sondern auch mit sexueller et al. 2001, s.o.).
Zufriedenheit. Die sexuelle Lustdimension und die Um die Konstruktion dieses Fremdbeurteilungs-
Fortpflanzungsdimension zeigten sich demgegenüber instruments zu verdeutlichen sei hier lediglich das
zu sexueller und partnerschaftlicher Qualität und Zu- erste Item aufgeführt:
friedenheit negativ assoziiert oder waren von ihnen
unabhängig. Es konnte somit gezeigt werden, dass vor Gesprächsgestaltung
allem die syndyastische Dimension der Sexualität mit Wie gut ist der Therapeut in der Lage, ein offenes Ge-
der erlebten sexuellen und partnerschaftlichen Quali- spräch mit den Patienten aufzubauen und eine kon-
tät sowie Zufriedenheit zusammenhängt. Allerdings struktive, wertschätzende und gleichberechtigte Ge-
können die bisherigen Ergebnisse nur als erste Hin- sprächsatmosphäre zu entwickeln? Überengagierte, di-
weise zur Validität des 3-D gewertet werden, weshalb rektive und symptomzentrierte Interviews, Monologe,
sich das Inventar in der Revision befindet und per- moralische Wertungen und Belehrungen etwa sollten
spektivisch zu einem normierten Testverfahren ausge- entsprechend der fünfstufigen Bewertungsscala (sehr
baut werden soll. gut gut befriedigend ausreichend nicht ausrei-
chend) als nicht ausreichend angesehen werden.
6. „Evaluationsbogen zur sexualmedizini- Der „Evaluationsbogen zur sexualmedizinischen
schen Gesprächsführung“ ESG Gesprächsführung“ ESG kann in der sexualmedizinis-
chen Ausbildung fortlaufend im Rahmen von Klein-
Die sexualmedizinische Ausbildung orientiert sich an gruppenübungen eingesetzt werden, in denen jeweils
einer möglichst praxisnahen und realitätsbezogenen drei bis vier Ausbildungsteilnehmer eine Arbeitsgrup-
Wissens- und Fertigkeitsvermittlung. Aus diesem pe bilden und aneinander sexualmedizinische Ge-
Grund finden die Abschlussprüfungen (neben der Dar- sprächsführung trainieren. In diesem Kleingruppen-
stellung und Diskussion eines sexualmedizinischen übungen übernimmt jeweils ein Teilnehmer die Rolle
Behandlungsfalls) sowohl in Form von Wissensüber- des Therapeuten, ein bzw. zwei Teilnehmer überneh-
prüfungen zur Diagnostik und Behandlung sexueller men die Rolle des Patienten bzw. des Paares und ein
Störungen statt (u.a. „Fragebogen zu sexualmedizinis- Teilnehmer übernimmt die Rolle eines Supervisors,
chen Kenntnissen“ Brähler et al. 1988, s.o.), als auch der mit Hilfe des ESG die Gesprächsführung des jewei-
in Form von Fertigkeitsüberprüfungen, die in simu- ligen Therapeuten beurteilt. Die Rollenverteilung ro-
lierten Arzt-Patient-Gesprächen erfolgen. Hierbei tiert solange, bis jeder Teilnehmer jede Rolle gespielt
werden die Patienten von Laiendarstellern (sog. hat. Nach jedem Durchgang können die im ESG erreich-
Simulationspatienten) gespielt, die vorher von den je- ten Punkte summiert werden. Weil die Beurteilungs-
weiligen Prüfern in der Darstellung ihrer Beschwer- skalen des ESG im Schulnotensystem gegliedert sind
den instruiert werden. Die Ausbildungskandidaten (1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = befriedigend, 4 = ausrei-
führen als Prüfungssituation ein Explorations- und Be- chend, 5 = nicht ausreichend), fällt die erreichte Ge-
ratungsgespräch mit den Simulationspatienten und samtpunktzahl um so niedriger aus, je besser der
werden dabei von den Prüfern hinsichtlich fachspezi- Rollen-Supervisor die jeweiligen Kriterien des ESG
fischer Lernziele beurteilt. als erfüllt angesehen hat. Außerdem ermöglicht der
Um eine strukturierte und möglichst objektive Be- ESG den Teilnehmern über den Verlauf der Ausbil-
wertung der Gesprächsgestaltung zu gewährleisten dung systematisch eigene Schwächen erkennen und
und später auch die Bewertungen verschiedener Prüfer verbessern zu können, wenn über verschiedene Super-
vergleichen zu können, wurde am Institut für Sexual- visoren hinweg immer wieder bestimmte Aspekte als
94 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beierr

nicht ausreichend angesehen wurden. Für die Zulas- sollte aber idealiter auch unter Nutzung von standard-
sung zur bzw. zum Bestehen der Abschlussprüfung isierten Dokumentationsverfahren vorgenommen wer-
kann eine Höchstpunktzahl als Mindestkriterium fest- den. Der „Dokumentationsbogen zur Dissexualitäts-
gelegt werden und damit als objektivierter Maßstab Therapie“ DDT (Ahlers et al. 2004a) dient dazu, die
fungieren. wesentlichsten bzw. wichtigsten Aspekte bei der Be-
handlung von Paraphilien und Dissexualität systema-
tisch zu erfassen und mit einem rationellen Zeitauf-
7. „Evaluationsbogen zu forensisch- wand dokumentieren zu können. Die Bearbeitung des
sexualmedizinischen Kenntnissen“ EFSK DDT erfordert + / - 10 Minuten und umfasst inhaltli-
che beispielsweise folgende Bereiche: Identifikation
Die Diagnostik und Behandlung sexueller Störungen und Integration der eigenen sexuellen Präferenz-
ist nicht Bestandteil der regulären klinischen Fort- und Struktur, Perspektivenübernahme, Empathie, Verant-
Weiterbildungen (Facharzt- und Fachpsychologen- wortungsübernahme, Impulsidentifikation und -kon-
Ausbildungen). Dies gilt im besonderen Maße auch trolle, Bedürfnisregulation und Befriedigungsauf-
und vor allem für die Diagnostik und Behandlung von schub u.s.w.. Weil der DDT dafür vorgesehen ist, nach
„Störungen der sexuellen Präferenz“ (Paraphilien) jeder Behandlungsstunde ausgefüllt zu werden, er-
sowie „Störungen des sexuellen Verhaltens“ (Dissexu- möglicht er eine differenzierte und quantifizierte Ver-
alität). Gleichzeitig erfordert die klinische Arbeit mit laufsbeobachtung einer Behandlung auf Grundlage
Patienten in diesem Bereich eine ganz besonders pro- standardisierter Dokumentation und so auch den Ver-
funde Ausbildung, nicht zuletzt, weil es um den gleich zwischen verschiedenen Behandlern und Be-
schwierigen Bereich potentieller Fremdgefährdung handlungsformen (z.B. Enzel- versus Gruppenthera-
geht. Um die Kompetenzfortschritte von Fort- und pie, TP versus VT) und eigent sich damit ebenfalls zur
Weiterbildungs-Teilnehmern bei diesen Indikationen Therapieevaluation.
in der selben Weise evaluieren zu können, wie im all-
gemeinen sexualmedizinischen Bereich (vgl. ESG,
s.o.) wurde der „Evaluationsbogen zu forensisch-sexu- 9. „Forensisches Dokumentationssystem:
almedizinischen Kenntnissen“ EFSK (Ahlers et al. Modul: Sexualdelinquenz“ FDS-S
2004) entwickelt. Er entspricht in seiner Konzeption
vollständig dem ESG, berücksichtigt dabei jedoch alle In der medizinischen und der psychologischen For-
relevanten Inhalte und Besonderheiten der forensis- schung gibt es seit langem das Bemühen, eine größt-
chen Sexualmedizin, die sowohl im diagnostischen mögliche Qualitätssicherung, also eine bessere Ver-
Prozess (u.a. bei gerichtlichen Begutachtungen), als gleichbarkeit von Erkenntnisprozessen und Ergebnis-
auch in der therapeutischen Arbeit mit Betroffenen sen in forensischen Begutachtungen zu gewährleisten.
(Dissexualitäts-Therapie) von elementarer Bedeutung Dies kann erreicht werden durch erhöhte Objektivität
sind und die somit den Ausbildungsstand eines jew- und Objektivierbarkeit und mehr Transparenz im diag-
eiligen Teilnehmers vergleichbar und standardisiert nostischen Prozess sowie durch eine standardisierte
erfassbar machen. Die Anwendungs- bzw. Einsatz- Datenerhebung und -dokumentation, die als wichtigste
möglichkeiten im Rahmen der Ausbildung entspricht Komponente der Qualitätssicherung in forensischen
ebenfalls ganz der Nutzung der ESG (s.o.). Begutachtungen gilt. Das ursprüngliche Ziel dieser
Qualitätsoptimierung war es, die quantitativ hierarchi-
sierten Entscheidungen, die von Gutachtern bei juris-
8. „Dokumentationsbogen zur tischen Zuordnungen verlangt werden, auf eine objek-
Dissexualitäts-Therapie“ DDT tive und empirisch überprüfbare Datengrundlage zu
stellen.
Weil es bei der Diagnostik und Behandlung von Stö- Das „Modul Sexualdelinquenz“ (Ahlers et al.
rungen der sexuellen Präferenz (Paraphilien) und Stö- 2000) sieht die Datenerhebung in verschiedenen The-
rungen der sexuellen Verhaltens (Dissexualität) poten- menbereiche vor, in denen die minimal zu fordernde
tiell auch um fremdgefährdendes Verhalten von Pa- Informationsmenge bei forensischen Begutachtungen
tienten geht, muss eine entsprechende Therapie beson- von Sexualstraftätern dokumentiert werden: Primär-
ders klar und eindeutig strukturiert und besonders familiäre Situation (Einstellung zur Sexualität, Um-
gründlich und differenziert dokumentiert werden. gang mit Nacktheit), sexuelle Aufklärung, wichtige
Eine solche Dokumentation kann zum einen in Form Parameter der bio-, psycho- und sozio-sexuellen Ent-
von obligatorischen Stundenprotokollen erfolgen, wicklung: Alter bei Beginn der ersten Ereignisse mit
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 95

sexueller Bewusstseins- und Identitätsbildung (z.B.


dem Einsetzen der Sekundärbehaarung, des ersten Sa- Literatur
menergusses, der ersten Selbstbefriedigung, des ersten
Geschlechtsverkehrs, der ersten partnerschaftlichen Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Wille R., Beier K. M. (2004):
Das Modul Sexualdelinquenz im Forensisch-psychiatri-
Beziehung etc.), Alter des Partners bzw. der Partnerin schen Dokumentationssystem (FPDS). Sexuologie 11
beim ersten Geschlechtsverkehr und bei der ersten (1/2).
partnerschaftlichen Beziehung etc., ggf. erlittene ge- Arentewicz G., Bulla R., Schoof-Tams K., Schorsch E.
waltlose und / oder gewaltsame sexuelle Übergriffe (1975): Verhaltenstherapie sexueller Funktionsstörungen.
und deren Häufigkeit, die sexuelle Orientierung in den Erfahrungen mit 23 Paaren. Köln: Wissenschafts-Verlag.
Begleitphantasien bei der Selbstbefriedigung, das Al- Bailes, S.; Creti, L.; Fitchen, C. S.; Libman, E.; Brender, W.;
ter und Geschlecht des jüngsten Phantasiepartners bei Amsel, R. (1998): Sexual Self-Efficacy Scale for Female
Functioning. In C. M. Davis, W. L. Yarber, R. Bauserman,
der Selbstbefriedigung, paraphile Phantasieinhalte
G. Schreer, S. L. Davis (Hrsg.): Handbook of Sexuality –
sowie deren Integriertheit in das Selbstkonzept des Related Measures (251-255). Thousand Oaks, CA: Sage.
Probanden bzw. das Ausmaß, in dem mögliche para- Bancroft, J. (2000): Die Medikalisierung sexueller Probleme.
phile Phantasieinhalte ich-fremd oder ich-vertraut Zeitschrift für Sexualforschung 13, 69-76.
(ego-dyston vs. ego-synton) in das Persönlichkeitsge- Basson, R. (2003): Biopsychosocial Models of Women´s se-
füge des Probanden integriert sind. Das „Modul Sexu- xual Response: Applications to Management of „Desire
aldelinquenz“ basiert auf Operationalisierungen nach Disorders“. Sexual Relationship and Therapy 18 (1) 107-
DSM-IV (APA 1996) und ist ein Teil des „Forensisch- 115.
Beier, K. M.; Ahlers, Ch. J. (2003a): Nähe, Bindung und Lie-
psychiatrischen Dokumentations-Systems“ FPDS, be sind schützende Faktoren – Sexualität und Partnerschaft
welches bereits in einigen Universitätskliniken in bei neurologischen Erkrankungen. In: Delisle et al. (Hrsg.):
Deutschland erprobt wurde (vgl. Ahlers et al. 2004). Schluss mit Lust und Liebe? München: Reinhardt Verlag.
Beier, K. M.; Ahlers, Ch. J. (2003b): Sexualität und Part-
nerschaft bei neurologischen Erkrankungen. In: Gaebel,
W.; Hartung, H. P. (Hrsg.): Psyche, Schmerz, sexuelle Dys-
funktion. Berlin: Springer.
Beier, K. M.; Loewit, K. K. (2004): Lust und Beziehung. Ein-
führung in die Syndyastische Sexualtherapie. Berlin:
Springer.
Beier, K. M.; Ahlers Ch. J. (2004 a): Auswirkungen von Mor-
Datenerhebungsinstrumente bus Parkinson auf Sexualität und Partnerschaft. Psycho-
neuro 30 (8) 449-452.
Beier, K. M.; Ahlers Ch. J. (2004 b): Auswirkungen von Mul-
Ahlers Ch. J. & Beier K. M. (2000): „Strukturierte Sexual- tipler Sklerose auf Sexualität und Partnerschaft. Psycho-
Anamnese“ SSA. neuro 30 (10) 463-567.
Ahlers Ch. J. & Bellardi A. M. (2000): „Sexualmedizinische Brähler; E.; Böhm A. (1988): Einstellungen zur Sexualität
Allgemein-Anamnese“ SAA. und sexualmedizinische Kenntnisse. Berlin: Springer.
Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Wille R., Beier K. M. (2000): Brähler, E.; Holling, H.; Leutner, D.; Petermann, F. (Hrsg.)
„Forensisches Dokumentationssystem, Modul: Sexualde- (2002): Brickenkamp – Handbuch psychologischer Tests
linquenz“ FDS-S. (3. Aufl). Göttingen: Hogrefe.
Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. (2001): „5 x 3 der Brähler, E.; Schumacher, J.; Strauß B. (Hrsg.) (2003): Dia-
Sexualmedizin“ SEXMED-5x3. gnostische Verfahren in der Psychotherapie. Göttingen:
Ahlers Ch. J., Goecker D., Beier K. M. (2001a): „Sexualme- Hogrefe.
dizinischer Fragebogen bei chronischen Erkrankungen“ Brener, M. M.; Rhode A. (2002): The German Version of the
SFCE. Female Sexual Function Index (FSFI-d). Systematic Vali-
Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. (2002): „Frage- dation and Concept of Evaluation. Int J Impotence Res
bogen zum sexuellen Erleben und Verhalten“ FSEV. 2002, 14 (Supplement 4) 79-90.
Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. (2003): „Evalua- Brener M. M.; Kriston L.; Zahradnik H.-P.; Härtner M.; Rho-
tionsbogen zur sexualmedizinischen Gesprächsführung“ de A. (2004): Überprüfung der Gültigkeit und Zuver-
ESG. lässigkeit des deutschen Female Sexual Function Index
Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. (2004): „Evalua- (FSFI-d). Geburtshilfe und Frauenheilkunde 64, 293-303.
tionsbogen zu forensisch-sexualmedizinischen Kenntnis- Buddeberg C. (1994): Sexualanamnese, Sexualberatung, Se-
sen“ EFSK. xualtherapie. Therapeutische Umschau 51 (2) 104-109.
Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. (2004a): „Doku- Büsing, S.; Hoppe, C.; Liedtke; R. (2001): Sexuelle Zufrie-
mentationsbogen zur Dissexualitäts-Therapie“ DDT. denheit von Frauen – Entwicklung und Ergebnisse eines
Beier K. M., Ahlers Ch. J., Mundt I. A., Loewit K. K. (2002): Fragebogens. Psychotherapie, Psychosomatik, medizini-
„Inventar zu Dimensionen von Sexualität“ 3-D. sche Psychologie 51, 68-75.
96 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier

Christmann, F.; Hoyndorf, S. (1988): Psychotherapie funktio- rapie sexueller Funktionsstörungen beim Mann. Sexualme-
neller Sexualstörungen. In F. Christmann (Hrsg.): Hetero- dizin 18 (11) 302-305.
sexualität. Ein Leitfaden für Therapeuten (o.A.). Berlin: Heim, D.; Strauss, B. (2001): Klinisch-Psychologische As-
Springer. pekte der erektilen Dysfunktion: Die Bedeutung psychoso-
Clayton, A. H.; Mc Garvey, E. L.; Clavet; G. J. (1997): The zialer Faktoren. Zeitschrift für klinische Psychologie und
Changes in Sexual Functioning Questionnaire (CSFQ). De- Psychotherapie 30 (2) 97-103.
velopment, Reliability and Validity. Psychopharmacology Heim, D.; Strauss, B. (2003): Differentialdiagnostik der erek-
Bulletin 33 (4) 731-745. tilen Dysfunktion mit Selbstbeurteilungsverfahren: Ein
Crombach-Seeber, B.; Crombach, G. (1986): Fragebogen zur Überblick. Zeitschrift für medizinische Psychologie 12, 5-13.
sexuellen Interaktion - Neugestaltung. Tübingen: dgvt. Heinemann L. A. J.; Potthoff P.; Heinemann K.; Pauls A.; Ah-
Davis C. M.; Yarber W. L.; Bauserman, R.; Schreer, G.; Da- lers Ch. J.; Saad F. (2004) „Scale for Quality of Sexual
vis, S. L. (Hrsg.) (1998): Handbook of Sexuality – Related Function (QSF) as an outcome measure for both genders?“
Measures. Thousand Oaks, CA: Sage. Journal of Sexual Medicine (in press).
Deegner, G. (1984): Anamnestischer Elternfragebogen. Göt- Hirschfeld, M. (1908): Zur Methodik der Sexualwissen-
tingen: Hogrefe. schaft: Der Psychobiologische Fragebogen. Zeitschrift für
Derogatis, L. R.; Melisaratos, N. (1979): The Derogatis Sexu- Sexualwissenschaft 1, 681-705; 684-695.
al Functioning Inventory. A multidimensional Measure of Hirschfeld, M. (Hrsg.) (1921): Der Psychobiologischer Fra-
Sexual Functioning. Journal of Sex and Marital Therapy 5 gebogen (5. Aufl). Berlin: Institut für Sexualwissenschaft.
(3), 244-281. Hoyndorf, S.; Reinhold, F.; Christmann, F. (1995): Behand-
Derogatis, L. R. (1997): The Derogatis Interview for Sexual lung sexueller Störungen. Weinheim: Beltz.
Functioning (DISF / DISF – SR). An Introductory Report. Jones, L. (2002): The Use of validated Questionnaires to as-
Journal of Sex and Marital Therapy 23 (4), 291-304. sess Female Sexual Dysfunction. World Journal of Urology
Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (2001): Leitlinien 20 (2) 89-92.
zur Diagnostik und Therapie von Libido- und Kirby, D. (1998): Mathtech Questionnaires: Sexuality Ques-
Erektionsstörungen. Urologe (A) 40, 331-339. tionnaires for Adolescents. In: C. M. Davis, W. L. Yarber,
Dittmar, F.; Kockott, G.; Nusselt, L. (1977): Ein einfaches R. Bauserman, G. Schreer, S. L. Davis (Hrsg.), Handbook
Instrument zur Messung von Gefühlen, angewendet als Kri- of Sexuality – Related Measures (35-46). Thousand Oaks,
terium des Therapieerfolges bei Erektionsstörungen. In G. CA: Sage.
Kockott (Hrsg.): Sexuelle Störungen: Verhaltensanalyse Klinger, O. J.; Loewit, K. K. (1996): Der Fragebogen „Res-
und -modifikation (o.A.). München: Urban & Schwarzenberg. sourcen in Sexualität und Partnerschaft“ (RSP) – Kon-
Engfer, A. (1978): PASE. Erstellung eines Fragebogens zur zeption und erste Ergebnisse zur Validität. Zeitschrift für
„Sexualität in Paarbeziehungen“. München: Psycho- differentielle und diagnostische Psychologie 17, 268-275.
logisches Institut der Universität München. Kröger, C.; Hahlweg, K.; Braukhaus, C.; Fehm-Wolfsdorf,
Fahrner, E. M. (1984): FUSS. Selbstunsicherheit bei Patien- G.; Groth, T. (2000): Fragebogen zur Erfassung partner-
ten mit funktionellen Sexualstörungen: Ein Fragebogen zur schaftlicher Kommunikationsmuster (FPK). Reliabilität
Diagnostik. Mitteilungen/ Gesellschaft für Praktische Se- und Validität. Diagnostica 46, 189-198.
xualmedizin 4, 15-16. Langer, D.; Hartmann, U. (1992): Psychosomatik der Impo-
Fahrner, E.-A.; Kockott, G. (2002): Sexualtherapie. Ein Ma- tenz. Stuttgart: Enke.
nual zur Behandlung von Funktionsstörungen bei Män- Libman, E.; Rothenberg, I.; Fichten, C. S.; Amsel, R. (1985):
nern. Göttingen: Hogrefe. The SSES-E: A Measure of Sexual Self- Efficacy in Erec-
Giommi, R. (2003): Psychological Diagnosis in Sexology. tile Functioning. Journal of Sex and Marital Therapy 11
Journal of endocrinological Investigation 26 (3) 106-108. (4), 233-247.
Glick H. A.; Mc Carron, T. J.; Althof, S. E.; Corty, E. W.; LoPiccolo, J.; Steger, J. C (1974): The Sexual Interaction In-
Willke, R. J. (1997): Construction of Scales for the Center ventory: A new Instrument for Assessment of sexual Dys-
for Marital and Sexual Health (CMASH). Sexual Functio- function. Archives of Sexual Behavior 3 (6) 585-595.
ning Questionnaire. Journal of Sex and Marital Therapy 23 Madersbacher, S. (2004): Sexuelle Störungen der Frau – eine
(2) 103-117. Querschnittsuntersuchung. 19 th Congressof the European
Gnirss-Bormet, R.; Sieber, M.; Buddeberg, C. (1995): Se- Association of Urology (EAU). Wien, Österreich.
xualmedizinische Diagnostik und Therapie von Erektions- Masters, W. H.; Johnson, V. E. (1970): Human Sexual Inad-
störungen in einer Spezialsprechstunde. Zeitschrift für Se- equacy. Boston: Little, Brown and Company.
xualforschung 8, 12-23. Masters, W. H.; Johnson, V. E. (1993): Liebe & Sexualität.
Green, R.; Wiener, J. (Hrsg.) (1980): Methodology in Sex Re- Berlin: Ullstein.
search. Proceedings of the Conference held in Chevy Cha- Mazer, N. A.; Leiblum, S. R.; Rosen, R. C. (2000): The Brief
se, Maryland November 18 and 19, 1977. Fishers Lane: Index of Sexual Functioning for Women (BISF-W): A new
Rockville, Md.. Scoring Algorithm and Comparison of Normative and Sur-
Hahlweg, K. (1996): Fragebogen zur Partnerschaftsdiagnos- gically Menopausal Populations. Menopause. The Journal
tik (FPD). Göttingen: Hogrefe. of the North American Menopause Society 7 (5) 350-363.
Hartmann, U. (1989): Inhalte und Funktionen sexueller Phan- Meston, C. M.; Derogatis, L. R. (2002): Validated Instru-
tasien. Stuttgart: Enke. ments for Assessing Female Sexual Function. Journal of
Hartmann, U. (1996): Spritze und Gespräch. Integrative The- Sex and Marital Therapy 28 (Supplement 1) 155-164.
Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung und der sexualmedizinischen Praxis 97

Meston, C. M. (2003): Validation of the Female Sexual Func- and Sexual-Preoccupation. Journal of Sex Research 26,
tion Index (FSFI) in Women with Female Orgasmic Disor- 256-263.
der and in Women with Hypoactive Sexual Desire Disor- Snell Jr., W. E. (1998): The multidimensional sexual Ap-
der. Journal of Sex and Marital Therapy 29, 39-46. proach Questionnaire. In C. M. Davis., W. L Yarber, R.
Nobre, P. J.; Pinto-Gouveia, J. (2003): Sexual Modes Ques- Bauserman, G. Schreer, S. L. Davis (Hrsg.): Handbook of
tionnaire: Measure to assess the Interaction among Cogni- Sexuality – Related Measures (507-508): Thousand Oaks,
tions, Emotions, and sexual Response. The Journal of Sex CA: Sage.
Research 40 (4) 368-382. Snell Jr., W. E.; Fisher, T. D.; Walters, A. S. (1993): The Mul-
Rosen, R. C.; Riley, A.; Wagner, G.; Osterloh, I. H.; Kirkpa- tidimensional Sexuality Questionnaire: An objective self-
trick, J.; Mishra, A. (1997): The International Index of report Measure of psychological Tendencies associated
Erectile Function (IIEF). A multidimensional Scale for with human Sexuality. Annual Review of Sex Research 6,
Assessment of erectile Dysfunction. Urology 49 (6) 822- 27-55.
830. Spector, I. P.; Carvey, M. P. (1990): Incidence and Prevalence
Rosen, R. C.; Cappellari, J. C.; Smith, M. D.; Lipsky, J.; Pe- of the Sexual Dysfunctions: A Critical Review of the empi-
na, B. M. (1999): Development and Evaluation of an abrid- rical Literature. Archives of Sexual Behavior 19 (4) 389ff.
ged, 5-item Version of the International Index of Erectile Spector, I. P.; Carey, M. P.; Steinberg, L. (1996): The Sexual
Function (IIEF-5) as a diagnostic Tool for Erectile Dys- Desire Inventory: Development, Factor Structure and
function. International Journal of Impotence Research 11, Evidence of Reliability. Journal of Sex and Marital The-
319-326. rapy 22 (3) 175-190.
Rosen, R. C.; Brown, C.; Heiman, J.; Leiblum, S.; Meston, Strauß, B.; Heim, D (1999): Standardisierte Verfahren in der
C.; Shabsigh, R.; Ferguson, D.; D`agostino, R. (2000): The empirischen Sexualforschung. Eine tabellarische Über-
Female Sexual Function Index (FSFI). A multidimensional sicht. Zeitschrift für Sexualforschung 12 (3) 187-236.
Self-Report Instrument for the Assessment of female se- Strauß, B.; Schumacher, J. (Hrsg.) (2005): Klinische Inter-
xual Function. Journal of Sex and Marital Therapy 26, 191- views und Ratingskalen. (Diagnostik für Klinik und Praxis,
208. Band 3) Göttingen: Hogrefe.
Rosen, R. C.; Cappelleri, J. C.; Gendrano, I. N. (2002): The Taylor, J. F.; Rosen, R. C.; Leiblum, S. R. (1994): Self – Re-
International Index of Erectile Dysfunction (IIEF): A State port Assessment of Female Sexual Function: Psychometric
of the science Review. International Journal of Impotence Evaluation of the Brief Index of Sexual Functioning for
Research 14, 226-244. Women. Archives of Sexual Behavior 23 (6) 627-643.
Rust, J.; Golombok, S. (1985): The Golombok-Rust Inven- Ter Kuile, M. M.; Van Lankveld, J. J. D. M.; Kalkhoven, P.;
tory of sexual Satisfaction (GRISS). British Journal of Van Egmond, M. (1999): The Glombok Rust Inventory of
Clinical Psychology 24, 63-64. Sexual Satisfaction (GRISS): Psychometric Properties wit-
Rust, J.; Golombok, S. (1986): The GRISS: A psychometric hin a Dutch Population. Journal of Sex and Marital The-
Instrument for the Assessment of Sexual Dysfunction. Ar- rapy 25, 59-71.
chives of Sexual Behavior 15 (2), 157-165. Thorne, F. C. (1966): The Sex Inventory. Journal of Clinical
Schaefer, G. A.; Englert, H. S.; Ahlers, Ch. J.; Roll, S.; Wil- Psychology 22, 367-374.
lich, S. N.; Beier, K. M. (2003): Erektionsstörungen und Wendt, H. (1979): Integrative Sexualtherapie. München:
Lebensqualität – Erste Ergebnisse der Berliner Männer- Pfeiffer.
Studie. Sexuologie 10 (2/3) 50-60. Westhoff, G. (1993): Handbuch psychosozialer Messinstru-
Schneider-Düker, M; Kohler, A. (1988): Die Erfassung von mente. Göttingen: Hogrefe.
Geschlechtsrollen – Ergebnisse zur Deutschen Neukon- Whitley, M. P. (1975): Sexual Satisfaction Inventory. In C. M.
struktion der Bem-Sex-Role-Inventory BSRI. Diagnostica Davis, W. L. Yarber, R. Bauserman, G. Schreer, S. L. Davis
34 (3) 256-270. (Hrsg.): Handbook of Sexuality – Related Measures (519-
Simons, J. S.; Carey, M. P. (2001): Prevalence of sexual dys- 520): Thousand Oaks, CA: Sage.
functions: Results from a decade of research. Archives of Wilson, G. D. (1988): Measurement of Sex Fantasy. Journal
Sexual Behavior Vol. 30 (2): 177-219. of Sex and Marital Therapy 3 (1) 45-55.
Snell Jr., W. E.; Papini, D. R. (1989): The Sexuality Scale: An Zimmer, D. (1989): Fragebogen zu Sexualität und Part-
Instrument to Measure Sexual-Esteem, Sexual-Depression, nerschaft (ASP, TSST, NSP) (2. Aufl). Tübingen: dgvt.

Adressen der Autoren


Dipl.-Psych. Christoph J. Ahlers, Dipl.-Psych. Gerard. A. Schaefer, Prof. Dr. med. Dr. phil. Klaus M. Beier, Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin,
Universitätsklinikum Charité, Freie- und Humboldt-Universität zu Berlin, Luisenstr. 57, 10117 Berlin, www.sexualwissenschaft-berlin.de

Das könnte Ihnen auch gefallen