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Geschichten vom Herrn Keuner

Die Geschichten vom Herrn Keuner, auch bekannt unter dem


Namen Geschichten vom Herrn K., sind Parabeln von Bertolt Brecht.

Entstehung
Sie entstanden verteilt über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren, seit dem
Jahre seiner Heirat mit Helene Weigel (1926), während Brechts Zeit im Exil
bis zu seinem Tod (1956). Die erste dieser Geschichten schrieb Brecht im
Jahre 1926 im Zusammenhang mit den Arbeiten an dem Stück Fatzer. 1948
erschienen Brechts Kalendergeschichten, in denen 39 Keuner-Geschichten
enthalten sind. Nach Brechts Tod wurden weitere Geschichten in weiteren
Publikationen veröffentlicht. In Wangen-Brüttisellen im Kanton Zürich fanden
sich im Nachlass der im Jahr 2000 verstorbenen Renata Mertens-Bertozzi, zu
deren "Debattierclub" Brecht gehört hatte, 15 bislang unbekannte Keuner-
Geschichten, die in die sogenannte „Zürcher Fassung“ des Suhrkamp
Verlags aufgenommen wurden. Die Ausgabe enthält alle 58 Geschichten, die
in der sogenannten „Züricher Mappe“ aufgefunden worden waren.[1] Die
Keuner-Geschichten wurden immer in Zusammenhang mit Brechts anderen
Werken geschrieben. Sie erschienen in der Heftreihe „Versuche“ zusammen
mit anderen experimentellen Texten, Szenen aus Dramen und Gedichten. Es
erschienen zunächst sieben Hefte, das Achte konnte 1933 nicht mehr
gedruckt werden.

Aktuell (2008) werden 121 Einzeltexte dem Keuner-Komplex zugeordnet.[2]

Inhalt
In den Geschichten vom Herrn Keuner ist die Hauptperson Herr Keuner, der
Fragen von Mitmenschen gestellt bekommt oder Erklärungen abgibt. Er
antwortet stets mit Weisheiten, die auch von Brecht stammen könnten. Somit
sind diese Geschichten ein Instrument für Brecht, um seine eigenen
Meinungen und Ansichten kundzutun. Die Keuner-Geschichten behandeln
Themen, die immer wiederkehren, in den Geschichten vom Herrn K. aber
auch in andern Werken von Brecht. So beschäftigt sich Herr Keuner mit für
Brecht typischen Motiven, wie den folgenden:

• Frauenbild
• Marxismus
• Tugenden des Menschen
• Natur
All diese Motive sind zentral in Brechts Schaffen und sind auch jene, mit
denen sich Brecht am meisten beschäftigt hat.

Form
Die Geschichten vom Herrn Keuner sind kurze Ausschnitte aus Herrn K.s
Leben, die den Parabeln zugeordnet werden, da die Geschichten auch zum
Nachdenken anregen sollen. Auffällig ist die Länge der einzelnen
Geschichten, da diese zwischen 2 und ca. 65 Zeilen variieren.

Deutung/Interpretation
Da die Geschichten vom Herrn Keuner aus einzelnen, voneinander
unabhängigen Geschichten bestehen, ist es schwierig, eine allgemeine
Interpretation zu erstellen. Vielmehr kann man die einzelnen Geschichten
separat deuten und sie müssen nicht im Kontext mit anderen
Keunergeschichten gesehen werden. Die Geschichten vom Herrn K. spiegeln
aber Brechts persönliche Meinungen und politische Ansichten wieder. Darum
wird Herr K. gerne auch als Spiegelbild Brechts gedeutet.

Herr Keuner
Die Figur war zunächst als handelnde Person in das Stück einbezogen und
nahm im Verlauf der Bearbeitungen Brechts immer mehr die Rolle des
kritischen Kommentators (im Sinne des epischen Theaters) ein. Herr Keuner
wird als Denkender dargestellt, der nur wenig Empathie mit anderen
Personen zeigt und darum eher unsympathisch wirkt. Er ist hilfsbereit,
solange keine speziellen Opfer von ihm verlangt werden. Er beurteilt die
Tugenden, die Menschen schätzen, als gut, weil sie nützlich sind, und nicht
wegen irgendwelcher Gefühle. Ansonsten weist Herr K. nicht viele
Charakterzüge auf, weil dadurch, dass die Geschichten eigentlich keine
Handlung haben, nur Keuners Aussagen bewertbar sind. Herr Keuner wird
als das Spiegelbild von Brecht angesehen.

Literaturkritik
Die Literaturkritik nahm die Keuner-Geschichten in ihrer Entstehungszeit nicht
wahr, nur Walter Benjamin schrieb darüber. Dieser erklärte auch die Herkunft
des Namens unter Bezugnahme auf Brecht von „Keiner“ her (im Dialekt von
Brechts Heimatstadt Augsburg spricht man „keiner“ als „koiner“ aus), gedacht
als eigenschaftslose Figur, die nur als denkender Vermittler in Erscheinung
tritt.

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