Sie sind auf Seite 1von 31

Wenn die Bilder Position beziehen

Georges Didi-Huberman

Maximilian Holetschek
11701838
Georges Didi-Huberman

• Geboren 13.06.1953
• Studierte Kunstgeschichte und Philosophie
• Lehrt seit 1990 am École des hautes études en sciences sociales
• Befasst sich stark mit der kritischen Lektüre kunsthistorischer
Theorien, überabeiteter Bildphilosophien unter anderem bei Sigmund
Freud, Aby Warburg und Walter Benjamin und auch Studien zu
Zeitgenössischer Kunst.
Wenn die Bilder Position beziehen - II, III, IV
• Veröffentlichung im Jahr 2009
• Analyse der Werke „Kriegsfibel“ und „Arbeitsjournal“ von Berthold
Brecht
• Betrachtung besonders hinsichtlich der Montage sowie der Verfahren
zur Umsetzung dieser und der Politischen Dimensionen
Legende
• Darstellungen der verschiedenen Wirkebenen in der Komposition der
Kriegsfibel
• Erstens die Raum-Zeit des Bildes
• Zweitens die Raum-Zeit der Zeitschrift
• Drittens die Raum-Zeit Bühne des Epigramms
Hier ist also eine Dialektik am Werk. Sie hindert uns daran, Brechts Gedicht
unabhängig von dem Bild zu lesen, das es kommentiert oder auf das es sogar zu
»antworten« scheint. Umgekehrt verhindert sie, beim Lesen der »Original«
Bildunterschrift dem Glauben zu erliegen, über das auf dem Foto Dargestellte ein
für allemal informiert zu sein. Somit bringt diese Dialektik, was den Status des
Bildes betrifft, einen heilsamen Zweifel ins Spiel, ohne dadurch aber seinen
dokumentarischen Wert zu bestreiten.
Epigramm
• Kurzes Gedicht ursprünglich verwendet als Grabinschrift oder zur
Beschreibung von Kunstwerken
• Weiterentwicklung von Brecht zum „Fotoepigramm“
• Verwendung in der Kriegsfibel wegen Verbundenheit mit
„Totengedenken“
• Aufgrund seiner „ethischen Komponente“ und der Moralischen
Konnotation
• Zur Hervorbringung von Empathie
„Die epigrammatische Form kam Brechts Absichten umso besser entgegen, als sie
[...]eine Schärfe, eine »Konzentrationskraft« und eine »Handlichkeit« voraussetzt,
die sie »zu einer Waffe machten, einer richtiggehenden poetischen Waffe gegen alle
bewaffnete Politik«. Scaliger hat das Epigramm als eine kurze Dialektik definiert“

„Es handelt sich um eine Empathie, die zu einem großen Teil auf der Auswahl der
Dokumente beruht, aber nicht nur darauf. Die Form des Epigramms selbst bringt
diesen Aspekt mit sich, in ihrer ersten Fiktion, die darin besteht, uns von Angesicht
zu Angesicht mit der grausamen Geschichte einer organisierten Zerstörung zu
konfrontieren.“
Polarität
• Brecht stellt verschiedene Polaritäten in in der Kreigsfibel heraus
• Ernsthaftigeit des Kriegsgeschehens – sarkastische Kommentare
• Neuartigkeit der Kreigsfürhung aus der Luft – Kreigsführunng am
Boden
• Konstruktion - Dekonstruktion
„Jedenfalls ist Brecht kein „surrealistischer“ Ikonograph. Er zeigt, dass der Krieg
selbst die Grenzen dessen verschiebt und überschreitet, was unsere Realität
üblicherweise bedeutet. Seine Annäherung an technische Objekte hat andererseits
aber auch nichts mit einer Art „neuer Sachlichkeit“ zu tun, im Sinne eines Staunens
angesichts der Schönheit der Welt, und sei es eine Welt des Krieges.“
Epik
• Die erzählform der Epik schafft im vergleiche zur linearen eine
Diskontinuität
• Die Epische erzählform bezieht klar Stellung
• Durch gezielte und unchronologische Aneinanderreihung Historischer
Ereignisse wird Kontrast geschaffen
„Auf ebendiese Weise müssen wir zweifellos auch die menschlichen Gesten des
Krieges betrachten, die in der Kriegsfibel dokumentiert sind: Das Werk des
epischen Dichters wird sein Ziel erreichen - in der Beziehung zwischen dem
ausgeschnittenen photographischen Dokument und der Bedeutung des ihm
antwortenden Vierzeilers-, wenn wir dadurch Zugang finden zu den Komplexitäten,
die dort im Spiel sind, zum Beispiel […] zur Widersprüchlichkeit der symmetrischen
Blicke des Bomberschützen und der thailändischen Frau, die von ihrem
Notunterstand aus den Himmel absucht“
Verfremdung
• Der Verfremdungseffekt (V-Effekt) stellt eine gezielte Unterbrechung
im Epischen Theater dar, um die Illusion zu zerstören.
• Das aufmerksam machen auf die Lückenhaftigkeit der Darstellung
• Das brechen mit den Illusionen der Bildgeschichten
• „Brecht [will] die Dinge nur verfremden, um die historischen und
politischen Zusammenhänge aufzuzeigen, in denen sie sich zu einem
gegebenen Zeitpunkt positionieren“
„In diesem Sinne gilt also: Verfremden heißt Montieren, was wiederum bedeutet, die
Evidenzen auseinanderzunehmen, um so die Differenzen visuell und zeitlich besser
nebeneinanderstellen zu können. In der Verfremdung rücken die Einfachheit und die
Einheit der Dinge in die Ferne, während ihre Komplexität und ihre dissoziierte
Natur in den Vordergrund treten.“
Befremdlichkeit
• Bezeichnung des Fremden im Zusammenhang mit V-Effekt
• Analyse des „Fremden“ als Künstlerische und Politische perspektive
• Das Fremde als das „Begreifliche aber noch nicht begriffene“
• Betrachtungskriterien für das „Fremde“ in der „Tafel der Dialektik“
„Wo für den symbolistischen Künstler die Bilder „unverändert [von Jahrhundert zu
Jahrhundert] wandern“, wo sie „keinem" gehören oder aber „Gottes“ sind, da ist
der moderne Künstler bestrebt, „neue Verfahren der Anordnung und Bearbeitung
von Wortmaterialien" zu erfinden, womit seine Arbeit „bei weitem mehr auf die
Neuanordnung von Bildern [hinausläuft] als auf [ihre] Erfindung.“ Diese neue
Anordnung [disposition] aber ist eine Montage: eine neuartige Disponierung der
Dinge, die sie uns „wie zum ersten Mal" sehen, gleichzeitig aber auch
ungewöhnlich erscheinen lässt. Die Verfremdung.“
Teilung
• „Kontraste, Brüche, Zerstreutheiten. Alles zerbricht jedoch nur, damit
der Raum zwischen den Dingen, ihr gemeinsamer Grund zum
Vorschein kommen kann, die unbemerkte Beziehung, die sie trotz
allem verbindet“
• Die Teilung der Bilder z.B. im Arbeitsjournal mit Fokus aus die
entstehenden zwischenräume
• „Ikonologie des Zwischenraumes“
„Im Gegensatz zu dieser Analyse war die Brechtsche Verfremdung für
Youssef Ishaghpour ein grundlegendes Verfahren, um das Sujet zu teilen
und die Einheit der Darstellung [representation] zu brechen: »Eben
dort, wo theatralisch Einheit hergestellt werden soll, wird Brecht das
Theater dazu benutzen, um zu teilen und zu trennen. [ ... ] Gegen die
Ästhetisierung der Politik und die theatralische Identifikation des
Faschismus wird Brecht die Kunst mit Hilfe der Verfremdung
politisieren.«“
Montage
• Betrachtung der Montage als Methode und Denkweise
• „Die gewohnte Wahrnehmung der Beziehungen zwischen Dingen oder
Situationen zu entflechten“
• Ähnliche Zielsetzung wie der V-Effekt
• Montage stellt Mittel zur Positionierung dar.
„Man zeigt und exponiert nur, um zu disponieren – nicht die Dinge
selbst […] sondern ihre Differenzen, ihre wechselseitigen Chocks, ihre
Konfrontationen und Konflikte. Die Brechtsche Poetik ließe sich
beinahe wie folgt zusammenfassen: eine Kunst, für eine bestimmte
Disposition der Differenzen zu sorgen. Insofern eine solche Disposition
die Kopräsenz oder Koexistenz unter dem dynamischen Blickwinkel des
Konflikts denkt, vollzieht sie sich zwangsläufig als eine Arbeit, die
darauf abzielt, die Dinge in Dys-position zu bringen, wenn ich so sagen
kann, das heißt die Ordnung ihres Erscheinens zu desorganisieren.
Dadurch zeigt sich, dass jede Disposition ein Zusammenprall von
Heterogenitäten ist. Ebendies heißt Montage.“
Dialektik
• Besondere Betrachtung der Beziehung zwischen Montage und
Dialektik
• „Brechts Methode ist dialektisch, sowohl im griechischen (und
etymologischen) Sinne des "Einbringens einer Differenz in den
Diskurs" als auch im hegelschen Sinne einer "Positionierung der
Wahrheit in ihrem Werden". „
• Beschreibung als "Dialektik des Montagearbeiters„: eine Dialektik
ohne Auflösung, die einen synkopischeren Rhythmus einführt.
„Wo der neohegelianische Philosoph Argumente formuliert, um die Wahrheit
zu setzen [poser], da schafft der Montagekünstler Heterogenitäten, um die
Wahrheit in Dys-position zu bringen [dys-poser], in eine Ordnung, die nicht
mehr genau die Ordnung der Vernunftgründe ist, sondern die von
„Korrespondenzen“ (um mit Baudelaire zu sprechen), von
„Wahlverwandtschaften“ (um mit Goethe und Benjamin zu sprechen), von
„Rissen“ (um mit Georges Bataille zu sprechen) oder von „Attraktionen“
(um mit Sergej Eisenstein zu sprechen)“
Unordnung
• Die Unordnung stellt die prämisse für die Montagearbeit dar
• Zur neu Anordnung der Ereignisse, wie in der Epischen Erzählweise
vorgesehen, muss der Ereignis Strang zunächst aus der vorgegebenen
Ordnung genommen werden.
• Huberman beschreibt es als „brechen der Regeln“
„Bei jeder Dialektik der Montage müsse man also notwendigerweise durch
ein Gefühl der Unordnung hindurch: eine paradoxe dialektische Unordnung.
[..]Die Unordnung wird vom Künstler in die Dialektik, oder als Dialektik,
eingeführt, weil er letztere handhabt, indem er unablässig seine Regeln oder
seine Sprachspiele ändert.“
Realismus
• Frage nach der Darstellung der „Realität“ besonders in modernen
Kunstformen
• Realität nicht als Abbild, sondern in der „Produktion von Sinn“
• Kritik verschiedener Realistischer Strömungen hinsichtlich einer
„aktiven Haltung“
• Kritischer/Sozialistischer Realismus ↔ Bürgerlicher Realismus
„Die „nichtaristotelische Dramatik“ ist vor allem „dialektisch“, gewiss.
Doch impliziert das nun Botschaft [message] oder Montage? Parole oder
Witz? Sozialistischen Realismus oder eine Art „Surrealisierung“ von allem?
Verfremdung von Begriffen oder Assoziation von Ideen? Führt all dies zu den
Fixierungen und Aporien der „militanten“ beziehungsweise „engagierten
Kunst“ […] oder zum Anarchismus der Beziehungen, ihrer „Verwandlung
ineinander, [ ... ] ihrer Berührung mit dem Traum“ […] ? Kann ein und
dieselbe Geste einen Moment der Geschichte dokumentieren und sich
gleichzeitig in die Anachronismen der Imagination zerstreuen?“
Kritik
• Verständnis von Montage als Kritik an Realistischen Darstellungen
• Montage muss Partei ergreifen und lineare Historische Aufzeigungen
in frage stellen
• Es soll „bezüglich der Wirklichkeit Position [bezogen werden], indem
man die jeweiligen Positionen der Dinge, Diskurse und Bilder in
kritischer Weise verändert.“
„Es gibt wahrscheinlich keinen kritischen Realismus ohne vorhergehende
Kritik des Realismus. Weil Brecht stets seiner Neigung folgte, die Formen zu
hinterfragen“

„Man müsste also neu definieren, um was es dem Realismus eigentlich geht,
und dazu müsste man die Frage der Form neu denken, indem man sie auf
einem Gebiet verortet, das Brecht von Anfang an als ein wissen bezeichnet -
es handelt sich natürlich um das historische Wissen; dadurch sollte es
möglich sein, den echten Realismus endlich vom schlichten Naturalismus zu
unterscheiden.“
Partei
• Huberman stellt die immanente Verbindung zwischen Kunst und
Politik dar → „Die Kunst zeigt die Politik, sie exponiert sie“
• „Partei ergreifen“ als wörtliche Deutung → beitritt in der
kommunistischen Partei
• Kritik: „Die Parteinahme würde bei Brecht nur zu einer
undialektischen Vereinfachung führen, das heißt letzten Endes zu einer
ideologischen Verfälschung der politischen Analyse“
„Die Kunst nimmt die Geschichte auseinander [dimonte] und montiert sie
neu, um ihren politischen Gehalt zu zeigen [montrer}; auch um ihren
politischen Gegnern mit Hilfe von Dokumenten und ihrer kritischen Montage
Vorhaltungen zu machen [en remontrer].“

„In diesem Sinne muss der Realismus als ein „Kampfmittel“ gedacht werden,
für das die Dialektik sowohl strategische Grundlage als auch
epistemologisches Verbindungsstück wäre: „Aufgabe der Dialektiker ist es,
die verschiedenen Denkgebiete zu dialektisieren und die politische
Komponente zu ziehen.“
Position
• Differenzierte Betrachtung der Künstlerischen Stellungnahme bei Brecht
und Benjamin
• Brecht → Parteinahme | Benjamin → Durchbrechung der Parteinahme
• Differenzierung der Begriffe „Partei“(Brecht) und „Position“(Benjamin)
„Wo die Partei [parti] den Vorrang eines Teils [partie] vor den anderen
erzwingt, schlägt die Position eine wirkungsvolle und konflikthafte Kopräsenz
vor, eine Dialektik zwischen Vielfältigkeiten. Eben deshalb, so Benjamin,
kann man Position beziehen und auf noch nie dagewesene Weise zu denken
geben, ohne dass einem bereits „ein Bild vorschwebt“.“

Das könnte Ihnen auch gefallen