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Fiktion, Fiktionalität, Realität, Fantastik, Utopie

+ Fiktion vs. Realität

- Etymoligie: Der Begriff Fiktion kommt aus dem lateinischen fingere, das so viel wie formen,
bilden, gestalten beduetet, dann auch „erdichten“, „vortäuschen“ oder ‚erlügen“.
Davon sind die Begriffe fiktiv und fiktional abgeleitet und die dazugehörigen Substantiva:
Fiktion und Fiktionalität.

- Definition: Fiktion bedeutet das Produkt des Fingierens (Erdichtens), sie bezeichnet den
erfundenen, nicht realen Charakter der in literarischen Texten dargestellten Welten. Sie
bezeichnet also einen Seinsmodus, das heißt eine Existenzweise. Gegenbegriff: Realität.

+ fiktiv vs. real


Beide Adjektive bezeichnen Seinsmodi. Was fiktiv ist, ist nicht-real, existiert in der realen
Welt nicht.

+ Fiktion (fiktiv) – Fiktonalität (fiktional)


Fiktion meint einen Seinsmodus, Fiktionalität die Qualität des Textes, eine Darstellungsweise.
Der literarische Text ist fiktional durch die Art und Weise seiner Konstruktion.

+ Fiktionalitätstheorien
+ Fiktionalität als Nachahmung (Mimesis)

Plato, Kunst ist Mimesis = Kopie der Aristoteles, Kunst ist Mimesis = darstellende
Wirklichkeit, Trugbild, Täuschung Hervorbringung, Darstellung des Möglichen

Plato
In: Politeia (Der Staat) (um 370 v.Ch.) im Buch 10
- Platos Philosophie: Die sinnlichen Erscheinungen, die Objekte unserer Welt sind nur
unvollkommene Abbilder bzw. Repräsentationen der einzig wahren Ideen. Sie bilden die Ideen auf
mangelhafte Weise ab.
- Die Kunst ist Nachahmung von sinnlichen Dingen, sie hat sinnliche Dinge zu ihrem
Gegenstand, so bezieht sie sich also mimetisch auf etwas bereits Mangelhaftes. Sie entfernt
sich so von den Ideen noch weiter, als es die real existierenden sinnlichen Dinge schon tun.
Sie ahmt nämlich die mangelhaften Abbilder der Ideen nach, und produziert so mangelhafte
Abbilder von Abbildern, also Trugbilder. Kunst ist daher Täuschung und überflüssig, wenn
nicht gar schädlich. Der Dichter ist Nachahmer einer Nachahmung.
Plato unterscheidet also drei Grade der Realität von Objekten: 1. die absolute, ewige,
unwandelbare, transzendente und also unsichtbare Ideen, z.B. die Idee eines Stuhles, einer
Blume, einer Frau, eines Mannes; 2. die Gegenstände in Raum und Zeit, zum Beispiel die
konkreten Stühle, Frauen, Männer, Blumen usw.; 3. die Abbildung dieser konkreten
Gegenstände, beispielsweise in einem an der Wand hängenden Gemälde, oder in einem
literarischen Werk. Die Maler und die Dichter erzeugen nur Phantasmen und
Trugwelten, sie übermitteln nur "Scheinwissen".

Im Buch 10 des Staates unterhalten sich Sokrates und Glaukon. Sokrates beginnt das
Gespräch damit, dass er behauptet, dass alle nachahmende Dichtung " Gift für den Verstand”
ist. Nachahmende Kunst ist verderblich und gefährlich. Er führt dann sechs Argumente auf.

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Aristoteles
-In: Peri poietikes (Poetik / Über die Dichtkunst) (um 335 v. Chr.). Das Werk ist als Fragment
überliefert: der zweite Teil der Poetik, der wahrscheinlich die Komödie behandelt, ist verloren
gegangen.
-Der uns überlieferte Teil der Poetik gliedert sich in drei Abschnitte: der erste (Kap 1-5)
beschäftigt sich allgemein und grundlegend mit der Frage, was unter Dichtung zu verstehen
ist, der zweite (Kap. 6-22) mit der Theorie der Tragödie und der dritte Abschnitt (Kap 23-26)
handelt vom Epos.
-Das Gemeinsame aller dichterischen Gattungen und Formen ist für Aristoteles die Mimesis,
die Nachahmung. Die einzelnen Gattungen unterscheiden sich dadurch, dass sie a) durch
unterschiedliche Mittel, b) auf unterschiedliche Weise und c) unterschiedliche Gegenstände
nachahmen.
Die Dichtkunst ahmt a) mit Hilfe der Sprache, mit Worten b) der Dichter redet selbst und/oder
seine Figuren reden, c) handelnde Menschen nach, die entweder gut oder schlecht sind.

-Die Aufgabe des Dichters bestimmt Aristoteles im Gegensatz zur Aufgabe des
Geschichtsschreibers:
Kap. 9.:
"Es (ist) nicht Aufgabe des Dichters (...) mitzuteilen, was wirklich geschehen ist, sondern
vielmehr, was geschehen könnte, d. h. das nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit oder
Notwendigkeit Mögliche. Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich
nicht dadurch voneinander, dass sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt (...);
sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, dass der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der
andere, was geschehen könnte. Daher ist die Dichtung etwas Philosophischeres und
Ernsthafteres als Geschichtsschreibung; denn die Dichtung teilt mehr das Allgemeine, die
Geschichtsschreibung hingegen das Besondere mit."

Geschichtsschreiber Dichter
Was wird Das Wirkliche Das Mögliche
nachgeahmt
= was wirklich geschehen ist, d.h. = was geschehen könnte nach Regeln
tatsächliche Handlungen von der Logik
Handelnden. (das heißt nach der Wahrscheinlich-
keit und der Notwendigkeit)
Das heißt mögliche Handlungen von
Handelnden.

Stellt das Besondere dar. Stellt das Allgemeine dar.

Der Geschichtsschreiber stellt dar, was Der Dichter stellt dar, wie einer (egal
ein konkreter Mensch zu einer wer) unter bestimmten Bedingungen
bestimmten Zeit an einem bestimmten handeln kann. (hogy cselekedhet az
Ort, mit einem bestimmten Ziel usw. ember egy adott helyzetben)
getan hat. (mit tett X.X. ekkor vagy
akkor)

Literarische Fiktionen sind den historischen Werken überlegen, weil sie das Allgemeine
darstellen (und daher philosophischer sind).

+ Fiktionalitätssignale (Dorrit Cohn, Käte Hamburger)


Fiktionalitätssignale nennt man Zeichen, Indizien, an denen die Leser erkennen, das ein
gegebener Text fiktional (und daher vielleicht auch literarisch) ist.

2
- Fiktionalitätssignale sind zum Beispiel Gattungsbezeichnungen wie Roman, Novelle,
Erzählung usw.)

- andere nennen Tropen als Fiktionalitätssignal

- Käte Hamburger
In: Die Logik der Dichtung (1968)
Hamburger meint, dass die Fiktion sich dadurch auszeichnet, dass sie dem Leser Zugang zu
der Innenwelt von einer Figur eröffnet – als die Innenwelt einer dritten Person. Hamburger
denkt dabei an solche Sätze, wie „Wilhelm dachte, dass ......“, „Lotte fühlte, dass
Werther ......“, „Faust wollte nicht, dass Mephistopheles .....“. In diesen Fällen stellt das Werk
dar, was im Kopf einer Figur vorgeht, was er denkt, will, fühlt. Das wird aber nicht in Ich-
Form dargestellt, d.h. nicht als „ich denke, dass ...“, „ich fühle, dass ...“, „ich will, dass...“,
sondern der Erzähler erzählt, was X denkt, will oder fühlt. Diese Technik ist für fiktionale
Texte viel charakteristischer als für nicht-fiktionale (faktuale) Texte. In der Fiktion können
wir andere Menschen in ihrem Innenleben kennen lernen, einen Einblick in ihren Geist
gewinnen.
(Hamburger formuliert das so, dass in der Fiktion Verben innerer Vorgänge [fühlen, glauben, empfinden usw.]
auf dritte Personen angewendet werden)

+ Fiktion - Fantastik

Tzvetan Todorov:
In: Einführung in die fantastische Literatur
Todorov gibt für das Fantastische folgende Definition: „In einer Welt, die durchaus unsere ist,
[...] geschieht ein Ereignis, das sich aus den Gesetzen eben dieser vertrauten Welt nicht
erklären lässt.“ (S.9) Dieses Ereignis soll doppeldeutig sein und den Leser unschlüssig
machen.
Wichtig ist also,
a) dass die dargestellte, fiktionale Welt so sein soll, wie unsere Welt, die Welt, in der wir,
Leser, leben, und
b) dass wir das Ereignis, das in dieser Welt geschieht, durch die Gesetze unserer Welt nicht
erklären können und
c) dass wir hin und hergerissen werden sollen zwischen zwei Erklärungen für dieses Ereignis:
zwischen einer natürlichen Erklärung und einer wunderbaren Erklärung.
Also: Laut Todorov befindet sich als das Fantastische nicht im Werk, sondern in der
Erfahrung des Lesers, in seiner Unschlüssigkeit, Unentschiedenheit, Hesitation zwischen zwei
Erklärungsmodellen. Todorovs Beispiel für eine fantastische Erzählung ist z.B. Kafkas
Verwandlung und Gogols Die Nase.

+ Fiktion - Utopie

Etymologie: das Wort leitet sich ab vom Griechischen utopia und bedeutet Nichtland,
Nirgendland, Nicht-Ort.
Definition: Utopie ist eine Gattung. Utopie entwirft einen Zustand des idealen
gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sie bewegt sich immer im Grenzbereich zwischen
Dichtung und politischer Reflexion. (Prototyp der Gattung: Thomas Morus: Utopia; deutsche Utopien:
Stefan Zweig: Die Welt von gestern, Georg Büchner: Lenz)
Anti-Utopien nennt man Dystopien, sie entwerfen ein absolut negatives Gesellschaftsbild.
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Verwendete Literatur:

3
Bernáth Árpád, ...: Bevezetés az irodalomtudományba.
Metzler. Lexikon Literatur- und Kulturtheorie
Tzvetan Todorov: Einführung in die fantastische Literatur. München 1972. S. 25-39.

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