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2. Praktischer Teil:
2. 1 Leben und Schaffen von Bertolt Brecht
2. 2 Entstehung des Dramas „Mutter Courage und ihre Kinder“
2. 2. 1 Der historische Kontext im Drama
2. 2. 2 Aufbau und Sprache
2. 2. 3 Die Figur der Mutter Courage
2. 2. 4 Stumme Kattrin ↔ geschwätzige Mutter Courage
2. 2. 5 Ein hartes Schicksal der Söhne
2. 2. 6 Motiv des Krieges \ des Friedens
2. 2. 7 Die Verfremdungseffekte im Drama
2. 3 Entstehungsgeschichte des Dramas „Leben des Galilei“
2. 3. 1 Die Figur von Galileo Galilei im Wissenschaft
2. 3. 2 Die wichtigsten Themen im Drama
2. 3. 3 Vernunft vs. alte Ordnung
2. 3. 4 Das Problem der Wahl: widerrufen oder sterben
2. 3. 5 Das Prinzip der Verfremdung im Drama
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Materialien zum Thema
2.1 Leben und Schaffen von Bertolt Brecht
Bertolt Brecht (eigentlich Eugen Berthold Friedrich Brecht) wurde am 10.02.1898 in Augsburg als
Sohn eines Fabrikdirektors geboren. Schon als Schüler schrieb er Gedichte. Im Jahr 1917 nach seinem
Abitur an dem städtischen Realgymnasium in Augsburg studierte er Literatur und Philosophie, später auch
Medizin in München. Vor Kriegsende wurde er eingezogen und wurde Mitglied des Augsburger
Soldatenkreises. Aufgrund der schlechten Erfahrungen, die er dort gemacht hatte, wurde er zum vehementen
Kriegsgegner.
Vom 1919 - 1923 setzt er seinen Studiengang fort und wurde dann Dramaturg und Regisseur in
München. 1920 hatte er schon über 200 Gedichte (Prosa) geschrieben. Ihm wurde 1922 der Kleist-Preis
verliehen. Im selben Jahr heiratete er Marianne Zoff und seine erste Tochter wurde geboren. 1924 - 1926
war er bei Max Reinhardt in Berlin, an der berühmten Theaterschule. Fünf Jahre nach seiner Hochzeit mit
Marianne Zoff ließ er sich 1927 scheiden. Ein Jahr später heiratete er seine zweite und letzte Ehefrau Helene
Weigel und 1930 gebar sie ihm das zweite Kind. Brecht floh 1933 mit seiner Familie vor dem Naziregime
von Deutschland über Österreich, Schweiz, Frankreich, Dänemark, Schweden, Finnland und der
Sowjetunion in die USA, nach Kalifornien (Hollywood). Währenddessen fanden öffentliche Verbrennungen
der Bücher Brechts durch die Nationalsozialisten statt, da er für einen Kommunisten gehalten wurde und
Intellektuelle allgemein verfolgt wurden.
1947 kehrte er aufgrund seines Misserfolges in Hollywood nach Europa (Schweiz) zurück. Ein Jahr später
nahm Brecht das Angebot des SED-Regimes an, Intendant eines eigenen Theaters, des Berliner Ensembles
(BE) zu werden. Zusammen mit seiner Frau Helene Weigel gelangte er mit seinen Inszenierungen zu
Weltruhm. Brecht erhielt etliche Auszeichnungen des DDR-Regimes. Am 14.08.1956 starb Bertolt Brecht
an den Folgen eines Herzinfarkts.
Berühmte Schriftstücke
Brecht wandelte sich vom Nihilisten zum Kommunisten, was in den großen Dramen zum
Ausdruck kam:
Das Leben des Galileo Galilei (1938)
Mutter Courage und ihre Kinder (1939)
Der gute Mensch von Sezuan (1938 - 1941)
Der kaukasische Kreidekreis (1944/45)
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Schweizerkas wird hingerichtet. Ihre Waren werden beschädigt und sie will sich beschweren, doch sie
entsinnt sich anders. Sie schließt sich dem Heer der Katholischen an. Der protestantische Feldprediger hilft
ihr und macht ihr auch einen Heiratsantrag. Feldhauptmann Tilly ist aber gerade gefallen, und deswegen
droht Friede auszubrechen. Dadurch stehen die Chancen zu heiraten, für Courage die vom Krieg, lebt
schlecht. Courage wechselt die Front, aber nun droht auch der Tod des Schwedenkönigs Gustav Adolf den
Krieg zu beenden. Eilif ist das erste Opfer des kurzen Friedens. Er ist wie üblich bei einem Bauern
eingebrochen, und hat dabei die Frau getötet. Da Friede ist kommt er vor Gericht. Er will noch einmal seine
Mutter besuchen, doch diese ist zur Zeit mit dem Handel beschäftigt. Er wird weggeschleppt und verurteilt.
Seine Mutter erfährt allerdings nichts davon. Der Krieg geht weiter. Vier Jahre später, schlechte Jahre für
Courage, zwingen ein paar katholische Soldaten einen Bauern ihnen einen Weg in die belagerte Stadt Halle
zu zeigen. Kattrin belauscht die Szene, steigt mit der Trommel auf das Dach des Bauernhauses und trommelt
die belagerte Stadt wach. Sie wird erschossen. Courage kommt von einem Geschäftsgang aus der
mittlerweile geretteten Stadt zurück. Sie kann es nicht fassen das ihre Tochter tot ist und singt ihr ein
Schlaflied. Dann zieht sie alleine weiter, den Soldaten folgend, in der Hoffnung Eilif zu finden. Der Krieg
geht weiter. Er hat Mutter Courage ins Elend gestürzt, doch sie hat daraus nichts gelernt. Mühsam ihren
Karren ziehend, stimmt sie in den Gesang der Soldaten ein.
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1624: Zweites Finnisches Regiment zieht in die mittelschwedische Landschaft Dalarne ein
1629: Schweden zieht in Polen ein
1631: mit dem Planwagen vor Halle
1632: Begräbnis des Feldhauptmanns Tillys bei Ingolstadt
1634: Wanderung durch das Fichtelgebirge
1636: Belagerung der Stadt HalleNicht die Feldzüge und Schlachten des Krieges stehen im
Vordergrund, sondern die sich entwickelnden gesellschaftlichen Zustände und die
menschlichen Verhaltensweisen!
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Mitleid (Baby, Leinentücher für Verletzte)
Kann nicht nur vom Widerstand reden und falsche Versprechungen machen, sondern muss
Handeln um sich auszudrücken, was sie auch tut
Höhepunkt: Das Schlagen der Trommeln für die Menschen in der Stadt
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wiederspricht sich nicht wie die Mutter Courage "Wie alles Gute ist auch der Krieg am Anfang halt schwer
zu machen." (Seite 08). Auch der Feldprediger hat eine ganz eigene Ansicht zum Krieg "der Krieg kann sich
verschnaufen müssen, ja, er kann sogar sozusagen verunglücken." (Seite 66). Für den Feldprediger ist der
Frieden das Unglück. Er sagt auch "Einen vollkommenen Krieg, wo man sagen könnt: an dem ist nix mehr
auszusetzen, wird vielleicht nie geben." (Seite 66). Das Buch gibt dem Leser, durch die vielen
verschiedenen Tugenden vom Krieg und Frieden, die von den Personen geäußert werden, die
Herausforderung des kritischen Lesens.
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So besitzt das Courage-Lied in der ersten Szene informierenden und lyrischen Charakter. Es wird aus
dem Dialog abgeleitet und erläutert die dramatische Ebene. Der Song erklärt, um was für Geschäftsleute es
sich handelt. Der Refrain ist eine lyrische Heroisierung des Berufs. Das was der Zuschauer verdammen soll,
wird mit frappierenden Merkmalen versehen - einmal erscheint es als schön, ein anderes Mal als abstoßend.
So wird der Song zur Grundlage für die Polarisation der Gefühle zwischen den beiden Polen der
moralischen und der ideellen Wertung. Er provoziert eine Ambivalenz der Überzeugungen und Emotionen,
die Einverständnis und Widerspruch in sich birgt.
Das Lied kann die Diskrepanz von Handeln und Denken, von Fühlen und Einsicht verdeutlichen.
„Das Lied vom Weib und dem Soldaten" wird in der zweiten Szene zum Mittel, die Situation zu
entscheiden - Mutter und Sohn erkennen sich wieder. Vor allem aber bringt es ein moralisches Urteil zum
Ausdruck. Der Krieg wird verurteilt:
Er verging wie der Rauch, und die Wärme ging auch
Denn es wärmten sie nicht seine Taten.
Der Text ist eine Apotheose auf den Soldatenstand und eine Warnung vor seinen Gefahren:
Doch der Soldat mit der Kugel im Lauf...
Und das Messer fängt er mit der Hand auf !...
Und der Soldat mit dem Messer am Gurt...
Doch der Soldat trieb hinab mit dem Eis...
Dieser Text soll Einsicht in die tödlichen Gesetze des Krieges verleihen. Und obwohl Mutter Courage und
ihre Kinder alle von der Tödlichkeit des Krieges wissen, lernen sie nichts daraus.(Szene eins: Mutter
Courage: „Eilif, Schweizerkas und Kattrin, so möchten wir alle zerrissen werden, wenn wir uns in'n Krieg
zu tief einlassen täten."
In Aufführungen wird die verfremdende Wirkung der Songs zusätzlich realisiert durch andere
Beleuchtung beim Liedvortrag und eine andere, künstliche Sängerhaltung der Schauspieler, was auf
Einlagen verweist, die nicht direkt aus dem Text heraus entstehen.
Außerdem wird der Musikeinsatz deutlich gezeigt. Das Orchester befindet sich, wenn möglich, sichtbar auf
der Bühne. Einen verfremdeten Klang erzeugt ein Klavier, dessen Hämmer mit Reißnägeln besetzt sind.
B) Historisierung
In Mutter Courage und ihre Kinder werden aktuelle Probleme angesprochen, z.B. der drohende 2.
Weltkrieg zur Zeit der Entstehung des Stückes, allerdings spielt die Handlung in einem anderen Jahrhundert,
mit anderen Voraussetzungen. Es wird ein Gesellschaftssystem vom Standpunkt eines anderen aus
betrachtet.
Trotzdem ist die Situation im Stück durch den Zuschauer auf die aktuelle Situation übertragbar.
Nicht Zustände sondern Prozesse werden gezeigt. Der Zuschauer kann die Schlussfolgerung ziehen, dass die
Geschichte sich geändert hat und die momentane Situation änderbar ist.
C) Gestische Sprache
Mit der gestischen Sprache wird versucht, Inneres auszudrücken und den Zusammenhang mit der
gesellschaftlichen Handlung zu zeigen.
So sagt z.B. die Courage in der 8.Szene: "Sagen Sie mir nicht, dass Friede ausgebrochen ist“. Hier
wird verdeutlicht, dass das ursprüngliche "Krieg ausbrechen“ mit einem unveränderbaren Naturereignis, z.B.
einem Vulkanausbruch, gleichgesetzt wird. Im gegebenen Kontext ist dieser Ausdruck unangebracht. Durch
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die Hineinstellung in eine fremde sprachliche Umgebung erkennt der Zuschauer das gesellschaftliche und
psychologische Wesen der Courage. Für sie ist der Friede die Katastrophe, weil sie vom Krieg lebt.
Ähnlich arbeitet der Lobgesang auf die Bestechlichkeit. Dort wird tadelnd von Tugenden
gesprochen. Die veränderte Sprache deckt jedesmal eine unnormale Erscheinung im Bereich der
gesellschaftlichen oder zwischenmenschlichen Beziehungen auf. Sie zeigt die Widersprüche der Vorgänge
und Personen: ihrer Ansichten, Haltungen und Entwicklungen.
Da der Zuschauer das in diesen Aussagen nicht vorhandene Gleichgewicht wiederherstellen möchte, werden
ihm die Missverhältnisse bewusst.
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Diese Einstellung zeigt sich auch, wenn die Courage, nachdem sie alle Kinder verloren hat, allein
weiterzieht und noch einmal das Courage-Lied singt. Hier demonstriert sie, dass sie nichts gelernt hat.
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wird von der Inquisition nach Rom beordert. Ein Eisengießer will Galilei zur Flucht überreden, doch der
lehnt ab. Als Galilei den Ernst der Lage begreift und fliehen will, ist es bereits zu spät - er wird in einem
Wagen nach Rom geschafft. Nachdem der Inquisitor dem Papst nahegelegt hat, daß das in Zweifel stellen
des bisherigen Weltsystems auch zu einem Zweifel an der gesellschaftlichen Strukturen kommen könnte ,
insofern ja Galilei in der Sprache des Volkes schreibt , erklärt sich der Papst , der zuerst Galilei verteidigt
hat , bereit Galilei wenigstens die Folterinstrumente zu zeigen, damit er seine Lehren widerrufe . Galilei
widerruft auch wirklich seine Lehre, und wird den Rest seines Lebens von der Inquisition "behütet". Doch
trotz Kontrolle schafft er es ein wissenschaftliches Werk über Mechanik und die Fallgesetze zu schreiben,
welches er durch Andrea über die Grenzen nach Amsterdam schafft. Jetzt erst erkennt Andrea, welcher
zuerst die Einstellung Galileis, seine Lehren zu widerrufen, verurteilt hat, daß Galilei auch auf dem Gebiet
der Ethik seiner Zeit voraus war, da Galilei durch den Widerruf überlebte und so seine wissenschaftlichen
Arbeite weiterführen konnte.
2. 3 Entstehungsgeschichte des Dramas „Das Leben des Galilei“
Zur Entstehung der drei Fassungen
Es gibt drei Fassungen des Schauspiels, die dänische von 1938/39, zunächst mit dem Titel DIE
ERDE BEWEGT SICH, dann in LEBEN DES GALILEI umbenannt, die amerikanische von 1947,
begonnen 1944, mit dem Titel GALILEO und die deutsche (oderBerliner) von 1955 / 56 wieder mit dem
Titel LEBEN DES GALILEI. Schon diese Daten bezeichnen den langen Erarbeitungszeitraum, über den
hinweg sich Brecht mit dem Thema befasst hat. Die einzelnen Fassungen stehen dabei deutlich unter dem
Eindruck der politischen Aktualität der jeweiligen Entstehungszeit. Es versteht sich von selbst, dass Brecht
‚seinen' Galilei als Präzedenzfall und Paradigma behandelt wissen wollte, nicht bloß als narrative
Wiedergabe eines historischen Ereignisses. In der ersten Fassung steht der Widerstand Galileis im
Vordergrund, dessen Darstellung von Brecht als Aufforderung an jene Intellektuellen verstanden wurde, die
sich von Hitler haben vereinnahmen lassen. Die Uraufführung der ersten Fassung fand am 9. September
1943 im Schauspielhaus Zürich statt.
Während der Arbeit an der zweiten Fassung nahm Brecht eine Wendung des Themas vor, die
wesentlich auf die individuelle Verantwortung des Wissenschaftlers abgestellt ist. Unter dem unmittelbaren
Eindruck der Atombombenabwürfe über Japan 1945 gewann dieses Motiv an zunehmender Schärfe und
mündete schließlich in die Selbstanklage Galileis am Ende des Stücks. Die Uraufführung der zweiten
Fassung fand am 30. Juli 1947 im Coronet Theatre in Beverly Hills, Los Angeles, statt sowie in einer von
Brecht und seinem Hauptdarsteller Charles Laughton gemeinsam erarbeiteten Inszenierung. Die zweite
amerikanische Uraufführung fand am 7. Dezember 1947 in New York statt. Hanns Eisler schrieb nicht nur
die Musik für das Stück, sondern unterbreitete auch eigene Textvorschläge. Alle Anregungen aus dieser
Zusammenarbeit fanden Eingang in die schließliche Textfassung. In der dritten Fassung, die unter der
Mitarbeit von Elisabeth Hauptmann, Benno Besson und Ruth Berlau ab 1953 in Berlin in eine endgültige
Form gebracht werden sollte, wurde die Perspektive der amerikanischen Fassung beibehalten. Sie gewann
durch die Folgen der Atombombe, von denen Oppenheimer entsetzt war, der selbst das Entwicklungsteam
geleitet hatte, und die Westorientierung in der BRD (NATO Beitritt und Wiederbewaffnung 1955) an
neuerlicher Aktualität, so dass nunmehr das Bild 14 mit der Rede Galileis geradezu als Parallele zum Fall
Oppenheimer verstanden werden konnte. Brecht selbst musste im März 1956 auf Grund seiner Erkrankung
die begonnenen Probenarbeiten abbrechen. Die Berliner Uraufführung am 15. Januar 1957 erlebte er nicht
mehr; er verstarb am 14. August 1956.
2. 3. 1 Biografie von Galileo Galilei (1564 – 1642)
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Galileo Galilei wurde am 15. Februar 1564 in Pisa geboren. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren
begann er als Mathematikprofessor in seiner Heimatstadt zu lehren. 1592 folgt Galileo Galilei einem Ruf an
die Universität von Padua. Achtzehn Jahre später bewarb er sich bei dem neunjährigen Großherzog von
Florenz, Cosmo de Medici, erfolgreich um die Stelle eines Hofmathematikers und zog nach Florenz.
Noch in Padua hatte Galileo Galilei die Konstruktion des in den Niederlanden erfundenen Fernrohrs
verbessert. Damit beobachtete er im Januar 1610, dass die Mondoberfläche uneben ist und ebenso wenig
selbst leuchtet wie die der Erde. Mehrmals richtete er sein Fernrohr auf den Jupiter, und dabei fiel ihm eines
Nachts auf, dass einer der vier kleinen "Sterne" in dessen Nähe verschwunden war. Er zog die alten
Sterntafeln zu Rate und konnte sich die Beobachtung nur dadurch erklären, dass der Jupiter die Sicht
verstellte, der "Stern" sich also hinter dem Planeten befand. Das widersprach allerdings der Lehre des
Aristoteles, die auch von der Kirche in Rom vertreten wurde: In diesem Weltbild ruhte die Erdkugel fest im
Zentrum des Alls und war von rotierenden konzentrischen Kristallschalen mit aufgeklebten Himmelskörpern
umgeben.
Drehte sich nicht die Sonne um die Erde, sondern die Erde um die Sonne, wie Nikolaus Kopernikus
(1473 – 1543) behauptet hatte? Galileo Galilei hielt mehr von experimentellen Beobachtungen als von
Dogmen. Dadurch geriet er mit der kirchlichen Lehre in Konflikt. Obwohl das Collegium Romanum Galileis
Entdeckungen bestätigte, bezeichnete das Heilige Offizium die heliozentrische Lehre von Nikolaus
Kopernikus und Galileo Galilei am 5. März 1616 als "töricht, absurd und ketzerisch im Glauben".
Galileo Galilei befolgte zunächst das kirchliche Verbot seiner Anschauung. Doch als Papst Gregor
XV. 1623 starb und am 6. August mit Papst Urban VIII. ein Förderer der Wissenschaften das höchste Amt
in der römisch-katholischen Kirche übernahm, schöpfte er neue Hoffnung und begann, sich mit den
Sonnenflecken zu beschäftigen, um zu beweisen, dass die Sonne rotiert.
Mit dem Einverständnis der Zensur veröffentlichte Galileo Galilei 1632 einen "Dialog über die
beiden hauptsächlichen Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische", doch als Papst Urban
VIII. merkte, dass die Leser das Buch als überzeugende Beweisführung für die kopernikanische Lehre
auffassten, ließ er Galilei 1633 in Florenz verhaften und nach Rom bringen. Die Inquisition verurteilte ihn
wegen des Verstoßes gegen das 1616 ausgesprochene Schweigegebot. Am 22. Juni 1633, nach mehr als drei
Wochen im Kerker, unterwarf sich Galileo Galilei der Kirche und schwor seinen Erkenntnissen ab. (Bei dem
trotzigen Ausspruch "Und sie bewegt sich doch!" handelt es sich um eine Legende.)
Ende 1633 stellte man Galileo Galilei für den Rest seines Lebens in seiner Villa in Arcetri außerhalb
von Florenz unter Hausarrest. Seit 1637 erblindet, starb Galileo Galilei am 8. Januar 1642 – einige Wochen
vor seinem 78. Geburtstag.
Mehrere Schriftsteller beschäftigten sich mit dem Konflikt zwischen Galileo Galilei und der Kirche:
Bertolt Brecht in dem Drama "Leben des Galilei" (1943), Max Brod in dem Roman "Galilei in
Gefangenschaft" (1948) und Gertrud von Le Fort in der Novelle "Am Tor des Himmels" (1954).
2. 3. 2 Die wichtigsten Themen
Vernunft ist das Maß aller Dinge
Kampf zwischen Religion und Wissenschaft
Verhalten der Kirche bei Erklärungsnotstand
Soziale Verhältnisse zur Zeit Galileis
2. 3. 3 Das Problem der Vernunft vs. alte Ordnung
Sie bleiben umstritten – nicht inhaltlich, sondern hinsichtlich ihrer Auswirkungen: Auf einem Ball
diskutiert der berühmte Gelehrte mit Kardinal Barberini, der die Vernunft des Menschen für unzulänglich
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und die Lehren des Kopernikus für gefährlich hält. Die Kirche würde die Verantwortung für irdisches
Unrecht dem Plan Gottes zuschreiben, wodurch die Ordnung aufrechterhalten würde. Jedes Infragestellen
des kirchlichen Weltbilds gefährde die Ordnung selbst.
Ein Mönch betont ebenfalls die Gefahren des Forschens. Der Glaube lindere das Leiden der
einfachen Menschen. Die Erkenntnis auf einem sich drehenden unbedeutenden Steinklumpen zu leben führe
zu Verlassenheit, Rollenverlust und Sinnlosigkeit. Galilei kontert, das Leid sei Resultat einer ungerechten
Ordnung. Der Mönch kann sich der Faszination von Galileis Forschungen letztlich nicht entziehen und wird
sein Schüler.
Acht Jahre später erfährt der Gelehrte vom nahen Tod des Papstes, als dessen Nachfolger gilt der
liberalere Barberini. Galilei und seine Schüler – der Mönch, der Linsenschleifer Federzoni und
Haushältersohn Andrea – nehmen Forschungen über die Rotation der Sonne wieder auf. Dabei überwirft
sich Galilei mit dem künftigen Schwiegersohn Ludovico, der um seinen Ruf und seine Autorität fürchtet:
Die neuen Lehren könnten seine Bauern auf neue Gedanken bringen.
2. 3. 4 Das Problem der Wahl: widerrufen oder sterben
Nach 23 Tagen im Kerker wiederruft Galilei und schwört ab, dass sich die Erde um die Sonne dreht
etc. Die Schüler sind alle enttäuscht von ihm, da sie dachten er würde der Gewalt der Kirche wiederstehen
können. Andrea wiederholt Galileis Zitat: Wer die Wahrheit nicht weiß ist bloß ein Dummkopf, aber wer sie
weiß und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher.“ Also er hinauskommt ist er sehr geschwächt. Virginia hat
die ganze Zeit gebetet, dass er wiederrufen wird.
2. 3. 5 Das Prinzip der Verfremdung im Drama
Das Schauspiel ist in 15 Szenen eingeteilt und in arabischen Ziffern durchnummeriert. Die Szenen
sind in lockerer Form zusammen gereiht. Das Geschehen läuft auch nicht mehr dramatisch auf Höhepunkt,
Katastrophe und Lösungen zu. Dadurch will Brecht eine kritische Distanz zwischen Zuschauer und
Handlung erreichen. Er will den Zuschauern keine allgemeine Lösung präsentieren, sonder sie zum
Nachdenken bringen. Beim genaueren Betrachten der Szenen weisen sie eine Chronologie der historischen
Ereignisse, eine Spannungskurve auf. In den ersten drei Szenen entfaltet Galilei seine Persönlichkeit und das
konfliktträchtige neue Wissen wird entdeckt. In den Szenen 4 bis 8 entsteht die erste Phase des Konfliktes.
Galilei ist aus einmal der tapfere und erfolgreiche Verfechter der Wahrheit.
Die zweite Phase des Konfliktes geht von der Szene 9 bis 13 Szene. Diesmal steht Galilei als Held
des Volks, doch wider als Verräter der Wahrheit dar.
Die letzten zwei Szenen zeigen die persönlichen und gesellschaftlichen Folgen des Widerrufs.
Inhaltlich sind die Szenen nach der Kompositionsprinzip von Parallele und Kontrast gestaltet. Das Fernrohr
wird als wissenschaftliche Hilfsmittel zunächst in Venedig (Sz. 2) begeistert aufgenommen, in Florenz aber
völlig abgelehnt. Als Galilei von dem Balladensänger als Sozialrevolutionär bejubelt wird, liefern seine
Adligen Arbeitgeber an Inquisition aus.
Zu Beginn jeder Szene stehen ein Epigramm und Szenentitel, der die Funktion eines Kommentars
hat. Dadurch wird der Handlung die Spannung entnommen und somit die Aufmerksamkeit des Lesers,
Betrachters vom „Was“ auf „Wie“ gelenkt. Auch die Reflexionsdialoge habe eine ähnliche Funktion. All
diese szenischen Merkmale „reflektieren auf je eigene Weise das Prinzip der Verfremdung“. Diese
Merkmale haben in Brechts epischen dialektischen Theatern die Rolle, „einen Vorgang oder einem
Charakter das Selbstverständliche, Bekannte, Einleuchtende zu nehmen und über ihm Staunen und
Neugierde zu erzeugen“. So tritt das Drama als Erkenntnismodel der gesellschaftlichen Wirklichkeit auf.
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