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22 Spurenelemente
Petro E. Petrides

22.1 Allgemeine Grundlagen – 656


22.1.1 Einteilung der Spurenelemente – 656
22.1.2 Wirkungsweise der Spurenelemente – 657
22.1.3 Klinische Bedeutung der Spurenelemente – 658

22.2 Die einzelnen Spurenelemente – 658


22.2.1 Eisen – 658
22.2.2 Kupfer – 667
22.2.3 Molybdän – 671
22.2.4 Kobalt – 672
22.2.5 Zink – 672
22.2.6 Mangan – 673
22.2.7 Fluorid – 673
22.2.8 Jod – 675
22.2.9 Chrom – 675
22.2.10 Selen – 676
22.2.11 Cadmium – 676
22.2.12 Blei – 677
22.2.13 Quecksilber – 677

Literatur – 678
656 Kapitel 22 · Spurenelemente

> > Einleitung

Viele Elemente kommen in Geweben in so geringen Konzentrationen vor (1×10–6 bis 10–12 g/g Feuchtgewicht des Organs), dass
es mit den früher verfügbaren analytischen Methoden unmöglich war, ihre Konzentration zu bestimmen. Man sagte deshalb,
22 dass sie in Spuren vorkommen und bezeichnete sie demzufolge als Spurenelemente.
Die systematische Einteilung der Spurenelemente ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da ihre einzige Gemein-
samkeit darin besteht, dass sie in Zellen von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren in geringen Konzentrationen vorkommen.
Die Höhe der Konzentration unterscheidet sich ganz erheblich von Element zu Element, von Spezies zu Spezies und von Organ
zu Organ. So benötigen Säugetiere beispielsweise sehr viel mehr Zink und Kupfer als Jod und Selen, und in tierischen Zellen
sind die Konzentrationen von Zink und Eisen sehr viel höher als die von Mangan und Kobalt. Einige offenbar nicht lebensnot-
wendige Spurenelemente kommen in Blut und Geweben des Organismus in Konzentrationen vor, die höher sind als die der
essentiellen Spurenelemente.

22.1 Allgemeine Grundlagen . Tabelle 22.1. Die Spurenelemente (in Klammern die Atomge-
wichte zur Umrechnung in molare Einheiten)
22.1.1 Einteilung der Spurenelemente Gesamtbestand Plasmaspiegel
des 70 kg schweren [mmol/l]
! Spurenelemente werden nach ihrer Lebensnotwendig- Erwachsenen [g]

keit eingeteilt. Essentiell


Eisen (56) 4–5 13–22
Die Spurenelemente können nach ihrer Lebensnotwendig- Kupfer (64) 0,04–0,08 13–23
keit in drei Gruppen eingeteilt werden (. Tabelle 22.1):
Zink (65) 2–4 15–20
4 Die essentiellen
4 die möglicherweise essentiellen und Molybdän (96) – 0,16
4 die nichtessentiellen Spurenelemente Kobalt (59) 0,0011 –
Mangan (55) 0,012–0,020 0,27
11 Spurenelemente werden als lebensnotwendig bezeich-
Jod (127) 0,01–0,02 0,006–0,047
net (. Tabelle 1.1 in Kap. 1.1, . Tabelle 22.1). Interessanter-
Zinn (119) – –
weise gehören sie mit wenigen Ausnahmen zu den Metal-
len, was für Überlegungen zu ihrer Funktion von Bedeu- Selen (79) 0,030 –
tung ist (7 Kap. 22.1.2). Vanadium (51) – –
Es ist häufig schwierig, experimentell festzustellen, ob Möglicherweise essentiell Nichtessentiell
ein Spurenelement essentiell ist oder nicht. Oft reichen
Fluor (19) Antimon (122)
schon die geringsten Mengen des jeweiligen Elements aus,
Chrom (52) Blei (207)
um Mangelerscheinungen des Organismus zu verhindern.
Versuchstiere werden zu diesem Zweck in einer Umgebung Nickel (59) Quecksilber (201)
gehalten, die eine Kontamination mit Spurenelementen Brom (80)
verhindert. Man verwendet dazu Isolatoren mit Acrylkäfi- Arsen (75)
gen, da Plastikmaterial die in ihm enthaltenen Spurenele-
Cadmium (112)
mente viel schlechter abgibt als z.B. Gummi, Glas oder Me-
talle. Die im Luftstaub enthaltenen Spurenelemente werden Barium (137)

durch starke Luftfilter entfernt. Die Tiere erhalten eine Strontium (88)
Nahrung, die aus chemisch reinen Aminosäuren (statt Pro- Silicium (28)
teinen, die oft Spurenelemente in fester Bindung enthalten) Aluminium (27)
und anderen Stoffen besteht und der ein bestimmtes Spu-
renelement fehlt. Ist dieses Element lebensnotwendig, so
treten Wachstums- und andere Störungen auf, die sich Spurenelemente, um einen Mangelzustand völlig zu verhin-
durch eine normale Nahrung wieder beheben lassen. dern. Welche biochemischen Veränderungen bei einem
. Abb. 22.1 (unterer Teil) zeigt eine Ratte, die 20 Tage in Spurenelementmangel zu den Wachstumsstörungen füh-
einem Isolator eine fluor-, zinn- und vanadiumfreie Nah- ren, ist bisher nur in wenigen Fällen bekannt. Ein Teil der
rung erhielt. Die Ratte im oberen Teil der Abbildung erhielt nichtessentiellen Spurenelemente wirkt schon in relativ
zwar dieselbe Nahrung, wurde jedoch in einem normalen niedrigen Konzentrationen toxisch (Blei und Quecksilber).
Käfig gehalten. Offensichtlich genügen die in Staub und Für die anderen Spurenelemente gilt, was Theophrastus
anderen Verunreinigungen enthaltenen Mengen dieser Paracelsus vor fast 500 Jahren formulierte:
22.1 · Allgemeine Grundlagen
657 22

Die geringe Konzentration der Spurenelemente in der Zelle


deutet darauf hin, dass sie an katalytischen Vorgängen be-
teiligt sind. So wirken die meisten Spurenelemente – die bis
auf Jod und Bor Metalle sind – vorwiegend bei der Enzym-
katalyse. Nahezu 30% aller Enzyme und alle Ribozyme
(RNA-Enzyme 7 Kap. 4.2.4) enthalten ein Metallion als we-
sentlichen Bestandteil. Enzyme, die Metallionen benötigen,
können in zwei Gruppen eingeteilt werden:
4 die Metallenzyme und
4 die metallaktivierten Enzyme

Metallenzyme. Bei den Metallenzymen sind die Metall-


ionen fest an bestimmte Stellen des Enzymproteins gebun-
den, sodass jedes Enzymmolekül eine bestimmte Anzahl
von Metallionen besitzt. Diese können nur unter Verlust
der katalytischen Aktivität des Enzyms entfernt werden.
Unter günstigen Umständen kann die Aktivität des metall-
freien Proteins (Apoenzyms) durch Zufügung des ur-
sprünglichen Metallions wiederhergestellt werden. Von ei-
nigen seltenen Ausnahmen abgesehen, führt die Hinzufü-
gung eines anderen Metalls nicht zur Wiederherstellung der
enzymatischen Aktivität. Die Wechselwirkung zwischen
dem jeweiligen Metall und dem Apoenzym muss demzu-
folge hochspezifisch sein. Metallenzyme enthalten häufig
Übergangsmetalle wie Fe3+, Fe2+, Cu2+, Zn2+ oder Mn2+.
Für bestimmte Reaktionstypen werden häufig spezifische
Metallione benutzt so
4 Cu2+ bei Oxidasen
4 Zn2+ bei mehreren Dehydrogenasen und Hydrolasen
4 Fe3+/Fe2+ bei einer Reihe Elektronen-übertragender
Enzyme und Oxygenasen

. Abb. 22.1. Spurenelementmangel. Die Ratte im unteren Teil Metallaktivierte Enzyme. Die zweite Enzymgruppe, die
wurde 20 Tage in einem Spurenelementisolator gehalten, das gesun- Metallionen benötigt, wird von den metallaktivierten En-
de Tier im oberen Teil erhielt dieselbe Nahrung, wurde jedoch unter zymen gebildet. Bei ihnen ist das Metall nur locker an das
normalen Bedingungen gehalten. (Aufnahme von K. Schwarz, Long
Protein gebunden, auch hier ist es jedoch wichtig für die
Beach)
volle enzymatische Aktivität. Bei dieser Enzymgruppe kann
das Metall bei der chemischen Reindarstellung vom Protein
»Was ist das nit gifft ist? Alle ding sind gifft/und nichts abgetrennt werden, ohne dass das metallfreie Protein seine
ohn gifft/allein die dosis macht das ein ding kein gifft ist«, Aktivität vollständig verliert. Diese weniger enge Bindung
d.h. alle essentiellen Spurenelemente können toxisch lässt vermuten, dass die Beteiligung des Metallions für die
sein, wenn sie über einen bestimmten Zeitraum in hohen Aktivität des Enzymproteins von geringerer Bedeutung ist.
Konzentrationen verabreicht werden. Während einige Trotzdem weisen auch Enzymproteine dieses Typs eine
Spurenelemente für alle Lebewesen essentiell sind (wie hohe Spezifität für das betreffende Metallion auf. Zu den
z.B. Eisen), sind andere nur für bestimmte Gruppen von Metallen, die Enzyme aktivieren, gehören die Spurenele-
Lebewesen lebensnotwendig. So wird von den meisten mente Eisen, Kupfer, Zink, Mangan, Molybdän und Kobalt
Pflanzen kein Jod benötigt, Tiere hingegen benötigen sowie die Erdalkalimetalle Magnesium und Calcium und
kein Bor. die Alkalimetalle Natrium und Kalium.
! Metalle können in Proteinen strukturgebende Funktio-
22.1.2 Wirkungsweise nen ausüben.
der Spurenelemente Außer ihrer katalytischen Funktion sind Metalle für eine
Reihe von Proteinen zur Ausbildung der korrekten drei-
! Spurenelemente sind an katalytischen Vorgängen dimensionalen Struktur notwendig. Bekannte Beispiele
beteiligt. sind die als Transkriptionsfaktoren wirkenden Zinkfinger-
658 Kapitel 22 · Spurenelemente

proteine (7 Kap. 8.5.2), oder das Calmodulin, welches nach Jodmangelgebieten) oder die Eisenmangelanämie. Fluor
Bindung von Calcium als Untereinheit der Phosphorylase- beispielsweise wird therapeutisch zur Bekämpfung der Ka-
kinase (7 Kap. 25.4.5) wirkt. ries eingesetzt. Insbesondere in Gebieten, in denen Men-
schen an Protein- und Energiemangelernährung leiden,
22 ! Metalloproteine dienen dem Transport oder der Spei-
treten nicht selten Spurenelementmangelzustände auf.
cherung von Metallen.
Auch bei der Ernährung des kranken Menschen, z.B. auf
Spurenelemente können ihre Funktionen nur in Form der parenteralem Weg oder mit speziellen Diäten bei gene-
entsprechenden Ionen wahrnehmen. In freier Form sind tischen Stoffwechseldefekten, muss die ausreichende Ver-
diese jedoch häufig toxisch, da sie z.B. als Eisen- oder Kup- sorgung mit Spurenelementen gesichert sein. Außerdem
ferionen die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (7 Kap. reduziert nach einer Reihe epidemiologischer Studien der
15.3) fördern. Es gibt infolgedessen eine große Zahl von Zusatz von Spurenelementen wie Selen zur Nahrung oder
Proteinen, deren Funktion der Transport oder die Speiche- im Trinkwasser die Häufigkeit verschiedener Krankheiten
rung von Metallionen ist. Beispiele sind für den Eisenstoff- (z.B. Krebserkrankungen und kardiovaskuläre Schäden).
wechsel das Transferrin für den extrazellulären Transport
! Spurenelemente schädigen bei Kumulation den Orga-
oder das Ferritin für die intrazelluläre Speicherung. Für den
nismus.
intrazellulären Transport zwischen einzelnen Komparti-
menten dienen die sog. Metallochaperone, zu denen die Auf der anderen Seite wirken einige Spurenelemente bereits
verschiedenen Kupferchaperone, aber auch das für den mi- in geringen Mengen toxisch. Werden Eisen bzw. Kupfer auf-
tochondrialen Eisentransport benötigte Frataxin gehören. grund angeborener genetischer Veränderungen vermehrt
aufgenommen bzw. nicht ausreichend ausgeschieden,
kommt es zur Ablagerung dieser Spurenelemente mit kon-
22.1.3 Klinische Bedeutung sekutiver Schädigung der Zelle.
der Spurenelemente Da Spurenelemente als Abfall industrieller Produk-
tionsprozesse auftreten, besteht bei unzureichenden Vor-
! Der Mangel an Spurenelementen schädigt den Orga- sichtsmaßnahmen die Gefahr einer Umweltbelastung. So
nismus. starben Hunderte von Japanern an der Itai-Itai-Krankheit,
einer Vergiftung durch Cadmium, welches in den Abwäs-
Unzureichende Zufuhr von Spurenelementen verursacht sern einer Zinkraffinerie enthalten war, die zur Bewässe-
Mangelzustände, so z.B. die Jodmangelstruma (Kropf in rung von Reisfeldern verwendet wurden.

In Kürze
5 Obwohl Spurenelemente nur in extrem geringen 5 Erworbene Mangelzustände von Spurenelementen
Mengen im Organismus (etwa 4% des Gesamtkörper- (Eisen, Jod) – bedingt durch unzureichende Nah-
gewichtes) vorkommen, sind sie für die Aufrechter- rungszufuhr, reduzierte Bioverfügbarkeit oder ver-
haltung der Gesundheit von enormer Bedeutung mehrten Verlust – verursachen Krankheiten (Anämie,
5 Diese geringen Mengen – von einigen Gramm bis zu Struma)
weniger als 100 mg – deuten darauf hin, dass die Ele- 5 Die genetisch bedingte gesteigerte intestinale Resorp-
mente an Katalysen von Protein- und RNA-Enzymen tion (Eisen) oder mangelnde Ausscheidung (Kupfer)
beteiligt sind führt zur Akkumulation und damit zu schweren Zell-
5 10 Spurenelemente sind essentiell, bei weiteren 10 ist schäden
dies noch nicht endgültig gesichert

22.2 Die einzelnen Spurenelemente ser praktisch nicht löslich ist. Für Aufnahme und Stoff-
wechsel des Eisens haben sich deshalb in allen Organismen
22.2.1 Eisen komplexe Redox- und Transportsysteme entwickelt, durch
die Eisen immer in gebundener Form vorliegt. Bei einem
! Eisen ist an Redoxreaktionen beteiligt.
Eisenüberschuss entstehendes freies Eisen ist durch seine
Eisen ist das vierthäufigste aller Elemente und das häufigste Neigung zu Redoxreaktionen toxisch: Fe2+ reagiert in der
Übergangsmetall auf der Erdoberfläche und in lebenden Fenton-Reaktion (7 Kap. 15.3) mit H2O2 unter Bildung von
Organismen. Es nimmt an Redoxreaktionen durch Elektro- Fe3+ und hochreaktiven Hydroxylradikalen. Diese können
nenübergänge zwischen seiner oxidierten Fe3+ und redu- Membranlipide, Proteine oder Nucleinsäuren schädigen.
zierten Fe2+-Form teil. In der Natur tritt es vorzugsweise als Seit Beginn dieses Jahrtausends sind eine Reihe von Ge-
Fe3+ auf, welches allerdings bei neutralem pH-Wert in Was- nen und dazugehörigen Proteinen identifiziert worden, die
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
659 22

den Zugang zum Verständnis der molekularen Grundlagen sche mRNA-Sequenzen zu binden. Stattdessen gewinnt
des Eisenstoffwechsels erlauben. Da die Funktion einzelner das Protein Aconitase-Aktivität (7 Kap. 14.2)
Proteine und vor allem auch die Wechselwirkungen zwi-
! Hämoglobin enthält fast zwei Drittel des Körpereisen-
schen ihnen noch nicht bekannt sind, sind die Vorstellun-
bestandes.
gen von den molekularen Vorgängen des Eisenstoffwech-
sels noch stetigen Änderungen unterworfen. Das Gesamtkörpereisen beträgt beim gesunden Menschen
etwa 3000–5000 mg (54–90 mmol) bzw. 45 bis 60 mg
! In Proteinen wirkt Eisen als Sauerstoff- oder Elektronen-
(0,81–1,08 mmol)/kg Körpergewicht und ist – wie . Tabel-
transporteur.
le 22.2 zeigt – auf verschiedene Fraktionen (Funktions-,
Eisen kann entweder über ein Porphyringerüst (Häm(o)- Transport- und Depoteisen) verteilt. Etwa 65% sind im Hä-
proteine) oder als Nichthäm-Eisen, meist in Form von Ei- moglobin gebunden, 4,5% im Myoglobin und 2% in Enzy-
sen-Schwefelzentren (7 Kap. 15.1.2) an das Protein gebun- men, die mit molekularem Sauerstoff (Cytochrom a/a3,
den werden. Dioxygenasen, Hydroxylasen, NO-Synthase) oder H2O2
Während Metallionen normalerweise mit Anionen (Peroxidasen, Katalasen) arbeiten und in allen Geweben
reagieren können, weist Eisen wie auch Kupfer die Be- vorkommen. Rund 10% des Eisens liegen in einer Form vor,
sonderheit auf, dass es auch mit neutralen Molekülen wie bei der das Eisen nicht in einem Porphyringerüst, sondern
Sauerstoff reagiert. Eisen ist deshalb Bestandteil des Hämo- direkt an die Peptidkette gebunden ist. Dies ist z.B. in dem
globins, des für den Sauerstofftransport im Blut verantwort- Enzym Ribonucleotid-Reduktase (das Ribonucleotide in
lichen Proteins (7 Kap. 3.3.5, 29.2.2). Desoxyribonucleotide umwandelt, 7 Kap. 19.1.3) der Fall,
4 In den Hämproteinen wird die Funktion des Hämge- was die Bedeutung von Eisen für die Zellproliferation er-
rüsts durch die Struktur des Proteins determiniert, in klärt.
das es eingebaut ist: im Hämoglobin ist das Eisen- Im Blutplasma erfolgt der Eisentransport in – nicht re-
porphyrin auf einer Seite des Gerüsts an Histidin ge- aktiver – Bindung an das Protein Transferrin, in Geweben
bunden, auf der anderen Seite bindet es molekularen wird Eisen mit den Proteinen Ferritin und Hämosiderin
Sauerstoff. Im Cytochrom c bindet es an Cystein und gespeichert.
Methionin (7 Kap. 15.1.2) und wirkt als Elektronentrans-
! Die molekularen Grundlagen der Eisenresorption im
porteur. Im Cytochrom P450 bindet es zum einen Cy-
Dünndarm werden zunehmend besser bekannt.
stein, zum anderen Sauerstoff, der zur Hydroxylierung
der jeweiligen Substrate verwendet wird (7 Kap. 15.2.2) Die Eisenresorption stellt einen komplexen Mehrschritt-
4 Bei den Nichthämeisen-Proteinen werden z.B. mehre- prozess dar, an dem verschiedene Proteine beteiligt sind.
re über Sulfidbrücken zusammengehaltene Eisenatome Vom Darmlumen muss Eisen die apikalen und basolate-
mit Cysteinresten des Proteins verbunden (z.B. Eisen- ralen Membranen der Dünndarm-Mukosazelle passieren,
Schwefelzentren der Atmungskette 7 Kap. 15.1.2). Einen um in das Blut zu gelangen. Dabei ist die Aufnahme im
Sonderfall stellt das eisenregulatorische Protein dar. Duodenum am stärksten und nimmt Richtung Ileum kon-
Bei zellulärem Eisenmangel ist es ein mRNA-bindendes tinuierlich ab. Von dem mit der Nahrung zugeführten Eisen
Protein, das die Translation einer Reihe eisenabhän- werden etwa 10% resorbiert, der Prozentsatz steigt mit der
giger Proteine beeinflusst. Ist die Zelle dagegen ausrei- Höhe des Eisenbedarfs des Organismus bis auf 40% an. Der
chend mit Eisen versorgt, so nimmt das eisenregulato- Großteil des Eisens in der Nahrung liegt als dreiwertiges
rische Protein ein Eisen-Schwefelzentrum auf. Dies anorganisches Eisenion (z.B. in Gemüse oder Getreide)
geht mit dem Verlust seiner Fähigkeit einher, spezifi- oder als dreiwertige organische Eisenverbindung (Hämei-

. Tabelle 22.2. Absolute und relative Konzentrationen der Hämeisen- und der Nichthämeisen enthaltenden Eisenverbindungen bei
Männern und Frauen mit optimalem Gesamtkörper-Eisenpool
Männer (70 kg) Fe-haltige Fraktion Menstruierende Frauen (60 kg)
mg % des Pools mg % des Pools
2800 66,1 Hämoglobin-Fe 2180 62,3
200 4,7 Myoglobin-Fe 150 4,2
10 0,2 Cytochrome, Katalasen, Peroxidasen 5 0,2
420 10 Nichthäm-Eisen 360 10,3
10 0,2 Transport-Fe (Transferrin) 5 0,2
800 18,8 Depot-Fe (Ferritin, Hämosiderin) 800 22,8
4240 100 Gesamtkörper-Fe-Pool 3500 100
660 Kapitel 22 · Spurenelemente

sen, z.B. in rotem Fleisch) vor. Im sauren Milieu des Magens


werden diese Verbindungen in freie Eisenionen und locker
gebundenes organisches Eisen gespalten. Für die Aufspal-
tung sind sowohl die Magensalzsäure als auch organische
22 Säuren (in Nahrungsmitteln und Verdauungssäften) von
Bedeutung. Reduzierende Substanzen in Nahrungsmitteln,
wie Sulfhydrylgruppen-enthaltende Aminosäuren (Cystein
in Proteinen) oder vor allem Ascorbinsäure (z.B. in Frucht-
säften) sowie eine mit der Mukosaoberfläche assoziierte
Ferrireduktase (auch als Dcytb für duodenales Cytochrom
b bezeichnet) wandeln dreiwertiges Eisen in die zweiwer-
tige Form um, in der es besser löslich und damit besser
resorbierbar ist. Die Resorption des mit der Nahrung ange-
botenen anorganischen Eisens läuft in drei Phasen ab:
4 die Aufnahme, der Import aus dem Darmlumen in die
Mukosazelle (luminaler Transfer)
4 den proteinvermittelten transzellulären Transport
und
4 die Abgabe, der Export an das Eisentransportsystem
im Blutplasma (basolateraler Transfer)

Die Aufnahme in die Mukosazelle erfolgt über den trans-


membranären Transporter für zweiwertige Metalle DMT1
(Divalenter Metall-Transporter 1, auch als NRAMP-2 oder
natural resistance associated macrophage protein bezeich-
net), der neben Eisen auch andere zweiwertige Metalle wie
Mangan, Kobalt, Kupfer, Cadmium und Blei transportiert
(. Abb. 22.2). Die Bedeutung von DMT1 wird u.a. durch
eine sehr seltene Mutation belegt, die zu einer Eisenman-
gelanämie führt.
In der Mukosazelle hat Eisen zwei potentielle Schick- . Abb. 22.2. Intestinale Eisenresorption. Entscheidende Proteine
sind Ferrireduktase (Dcytb), Mobilferrin, Ferritin und der Ferroportin
sale: es kann im Ferritin, einem Eisenspeicherprotein
(IREG)/Hephaestin-Komplex; Tr = Transferrin. (Einzelheiten 7 Text)
(7 u.), gespeichert (und in die Faeces ausgeschieden wer-
den, wenn das alternde Darmepithel nach 48 Stunden ab-
geschilfert wird) oder mit dem shuttle-Protein Mobilferrin außer in den Zellen der intestinalen Mukosa v.a. in Eisen-
zur basolateralen Membran transportiert werden. speichernden Zellen exprimiert, z.B. in Makrophagen oder
In die Zelle aufgenommenes Hämeisen wird wahr- Hepatozyten.
scheinlich durch die Hämoxygenase (7 Kap. 20.3) aus dem
! Die Eisenresorption wird durch die veränderte Expres-
Porphyringerüst freigesetzt und in den Mobilferrin-shuttle
sion von Proteinen der Dünndarmmukosa reguliert.
eingeschleust.
Als Exporter auf der basolateralen Membran wirkt ein Durch Änderung der Genexpression aller beteiligten Prote-
Komplex aus dem Metalltransporter Ferroportin, der auch ine wird die Eisenresorption reguliert. Bei einem nahrungs-
als IREG (iron regulated protein) bezeichnet wird und He- bedingten Eisenmangel kommt es zu einer Stimulation der
phaestin, einem Caeruloplasmin-ähnlichen Protein, das Expression der Gene für DMT1, Dcytb (jeweils auf das etwa
Fe2+ wieder zu Fe3+ oxidiert. Von diesem System wird das 10-fache) und Ferroportin (auf das 2–3-fache). Auf der an-
Eisen auf das Eisentransportprotein des Plasmas, Transfer- deren Seite bewirken hohe orale Eisendosen die downregu-
rin (7 unten), übertragen und mit diesem über die Pfort- lation der apicalen Ferrireduktase Dcytb und des DMT1,
ader in die Leber transportiert. Die Menge des in der Mem- sodass die Mukosazellen gegenüber zusätzlichem Eisen re-
bran der Mukosazelle vorhandenen Ferroportins bestimmt sistent werden (sog. Mukosablock). Die Regulation erfolgt
das Schicksal des Eisens: bei hohem Gehalt an Ferroportin über eisenempfindliche Elemente, die in den mRNAs von
wird Eisen in das Pfortaderblut abgegeben, bei niedrigem DMT1 und Ferroportin enthalten sind (7 unten).
Ferroportingehalt verbleibt es in der Mukosazelle und geht
! Eisen wird im Blutplasma an Transferrin gebunden.
mit ihr im Stuhl verloren (7 unten).
Ferroportin ist der einzige Eisentransporter, der für den Aus der Mukosazelle freigesetztes Eisen wird im Blutplasma
zellulären Eisenexport verwendet wird. Es wird daher an Transferrin, das für den Eisentransport verantwortliche
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
661 22

Protein, gebunden. Die Proteinbindung ist deshalb notwen- Errechnung der prozentualen Eisen-Transferrin-Sätti-
dig, weil das dreiwertige Eisen im wässrigen Medium nur gung.
eine sehr begrenzte Löslichkeit besitzt und bei physiolo- Plasmaeisen (μg/dl) · 100
gischem pH-Wert zur Polymerisation neigt. Fe-Transferrin-Sättigung (%) = 00001
Transferrin (mg/dl) · 1,41
Das Eisentransportprotein Transferrin ist ein Glyco-
protein mit einer Molekülmasse von 79,5 kDa, das elek- Bei einem Normalbereich des Transferrins von 220 bis
trophoretisch mit dem ß1-Globulin wandert und von dem 370 mg/100 ml beträgt die normale Eisen-Transferrin-Sät-
bisher über 20 genetische Varianten bekannt sind. Außer- tigung des Erwachsenen etwa 20–40%. Eine Erhöhung der
dem kann es unterschiedlich glycosyliert sein; da Alko- Eisen-Transferrin-Sättigung bei Nüchtern-Blutabnahme
holabusus zu einer Hemmung der Glycosylierung führt, zeigt deshalb eine Überladung des Organismus mit Eisen,
kann die Bestimmung des sog. CD (Carbohydrate Defi- eine Erniedrigung einen Mangel an (7 unten).
cient)-Transferrins zur seiner Diagnose herangezogen
! Nach Aufnahme in die Zelle recyclisiert der Transferrin-
werden.
rezeptor in die Plasmamembran.
Jedes Transferrinmolekül bindet – unter der gleichzei-
tigen Aufnahme eines Hydrogencarbonatanions – zwei Rund 70–90% des an Transferrin gebundenen Eisens wer-
Atome dreiwertiges Eisen. Wahrscheinlich ist mit der Ei- den durch die Erythrozytenvorstufen im Knochenmark für
senbindung eine Konformationsänderung des Proteins ver- die Hämoglobinbiosynthese verbraucht, der Rest wird für
bunden, die dazu führt, dass eisenbeladenes Transferrin die Biosynthese von Enzymen und Coenzymen verwendet
leichter an die Membran der Zelle, an die Eisen abgegeben oder wandert in die Eisenspeicher ab. In den Zellen, die das
werden soll, gebunden werden kann. Für die Membranbin- Transferrin gebundene Eisen in großen Mengen aufneh-
dung ist offenbar auch der Kohlenhydratanteil des Mole- men (Erythroblasten, Leberzellen, Makrophagen (auch
küls von Bedeutung. Kupffer-Zellen der Leber), Syncytiotrophoblasten der Pla-
Die Transferrinkonzentration im Plasma beträgt 220– centa während der Schwangerschaft (7 unten) sowie proli-
370 mg/100 ml (26–42 μmol/l). Die Gesamtmenge von 7 ferierende Zellen verschiedener Gewebe wie z.B. den Tubu-
bis 15 g Transferrin ist beim erwachsenen Menschen etwa li seminiferi des Hodens), wird Transferrin an einen spezi-
zu gleichen Teilen auf Plasma und Interstitialraum verteilt. fischen Membranrezeptor, den Transferrin-Rezeptor 1,
Durch seine Funktion als Transporteur des Eisens im Blut TfR1, gebunden, der aus zwei identischen Untereinheiten
dient Transferrin auch als Puffer zum Schutz der Gewebe mit einer Molekülmasse von jeweils etwa 90 kDa besteht
vor der toxischen (d.h. oxidierenden) Wirkung freier Ei- (. Abb. 22.3). Der N-terminale Anteil (mit 61 Aminosäu-
senionen und verhindert außerdem den Verlust von Eisen ren) des Transferrinrezeptors ist in das Cytosol gerichtet, an
in den Urin. das hydrophobe transmembranäre Segment schließt sich
der extrazelluläre C-terminale Anteil mit 671 Aminosäuren
! Aus Eisen- und Transferrinkonzentration errechnet sich
an, in dem die beiden Proteinuntereinheiten über eine Di-
die Eisen-Transferrin-Sättigung.
sulfidbrücke covalent verbunden sind. An den Transferrin-
Wie der überwiegende Teil der Plasmaproteine wird rezeptor gebundenes Transferrin wird von der Zelle zusam-
Transferrin in der Leber gebildet und zirkuliert im Blut men mit dem Rezeptor durch Endozytose aufgenommen.
mit einer Halbwertszeit von 8 bis 10 Tagen. Der nor- Durch Ansäuerung des Endosomeninhalts löst sich die
male Gehalt des proteingebundenen Eisens im Plasma Bindung des Eisens an den Transferrin/TfR-1-Komplex, es
liegt wird zu Fe2 reduziert und durch den DMT1 ins Cytosol
4 bei Männern zwischen 60 und 160 μg/dl (10–29 μmol/l) transportiert. Der Transferrin/TfR-1-Komplex wird nicht
und lysosomal abgebaut, sondern durch Exozytose in die Plas-
4 bei Frauen zwischen 40 und 150 μg/dl (7–27 μmol/l) mamembran verlagert, wo eine Freisetzung von Transferrin
erfolgt.
Damit beträgt die Gesamteisenmenge im Blutplasma etwa In einzelnen Zellen (Hepatozyten, duodenale Krypten-
3–4 mg (54–72 μmol). zellen, Erythroblasten) kommt zusätzlich ein mit TfR1 ho-
Da die Plasmaeisenkonzentration tageszeitlichen mologer Rezeptor, der TfR2 vor: dieser hat eine geringere
Schwankungen unterworfen ist (morgens sind die Werte Affinität zu Transferrin (1/25), weist eine hohe Expression
am höchsten, abends am niedrigsten), soll die Blutabnahme in Hepatozyten auf und wird nicht durch Eisenüberladung
zur Eisenbestimmung immer morgens und nüchtern er- des Hepatozyten downreguliert. Da Mutationen des TfR2-
folgen. Gens zu einer Eisenüberladung führen, wird eine Funktion
Die Transferrinkonzentration wird mit immunchemi- des Rezeptors als Eisen-Sensor diskutiert. Möglicherweise
schen Methoden bestimmt. Da ein Molekül Transferrin entfaltet TfR2 seine Wirkung über eine Modulation der Ex-
zwei Fe3+-Ionen bindet, errechnet sich bei einem Moleku- pression von Hepcidin (7 u.).
largewicht von etwa 79,5 kDa eine Bindungsfähigkeit von Mit dem TfR1 ist das HFE-Protein assoziiert, dessen
etwa 1,41 mg Eisen/mg Transferrin. Hieraus folgt für die Funktionsausfall durch Mutation für die Hämochromatose
662 Kapitel 22 · Spurenelemente

22

. Abb. 22.3. Aufnahme von Eisen in eine Zelle über den Transfer- siert. Durch Ansäuerung wird Eisen freigesetzt und an die Zelle abge-
rin-Rezeptor-1, der einen Komplex mit dem HFE-Protein bildet. geben; der Transferrin-Rezeptor-1 kehrt anschließend wieder in die
Nach Bindung des Eisens wird der Rezeptor in Endosomen internali- Zellmembran zurück. Tr = Transferrin. (Einzelheiten 7 Text)

verantwortlich ist. HFE ist ein MHC-I-ähnliches Molekül,


welches an ß2-Mikroglobulin bindet und einen Komplex
mit dem Transferrinrezeptor bildet. Dadurch wird die
TfR1-vermittelte Eisenaufnahme in die Zelle stimuliert
(. Abb. 22.3).
! Der Eisenstoffwechsel steht unter der hormonellen
Regulation durch Hepcidin.

Viele Jahrzehnte war nicht bekannt, wie der Eisenstoff-


wechsel reguliert wird. In den letzten Jahren hat eine Reihe
von Beobachtungen zu der Annahme geführt, dass Hepci-
din das Schlüsselmolekül der Regulation des Eisenstoff-
wechsels darstellt. Hepcidin ist ein kleines Peptidhormon
aus 25 Aminosäuren mit 4 Disulfidbrücken, das in der Le-
ber (»Hep«) gebildet wird, im Plasma zirkuliert und in den
Urin ausgeschieden wird. Unter in vitro Bedingungen wirkt
es auch antimikrobiell (»cidin«). Das Hormon reguliert die
intestinale Eisenresorption, die Eisenrecyclisierung durch
Makrophagen und die Eisenfreisetzung aus der Leber. Die-
se Wirkung wird über eine Hemmung des Ferroportin . Abb. 22.4. Funktion des Hepcidins bei der Eisenresorption. Das
vermittelten Eisenexports erzielt (. Abb. 22.4). Dabei bin- von der Leber sezernierte Hepcidin bindet an das Ferroportin der
Mukosazellen, was zu dessen Internalisierung und anschließendem
det Hepcidin an Ferroportin, welches internalisiert und
Abbau führt. Die Hepcidinsekretion durch die Leber wird bei Hypoxie
abgebaut wird. Dadurch kann kein Eisen mehr exportiert gehemmt und damit die Eisenresorption gesteigert. Eisenüberschuss
werden. Bei ausreichenden Eisenspeichern oder einem ho- sowie die Interleukine IL-2 und v.a. IL-6 sind Stimulatoren der Hepci-
hen Sauerstoffangebot wird Hepcidin von der Leber produ- dinsekretion und damit Hemmstoffe der Eisenresorption
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
663 22

ziert, allerdings ist über die beteiligten Signaltransduktions-


wege nichts bekannt. Bei leeren Eisenspeichern ist die Hep-
cidinproduktion in der Leber dagegen gehemmt, sodass
Ferroportinmoleküle an der basolateralen Membran stark
exprimiert werden und Eisen auf Transferrin übertragen.
Über einen ähnlichen Mechanismus reguliert Hepcidin die
Freisetzung von Eisen aus Makrophagen. Das kürzlich
identifizierte Protein Hämojuvelin (HJV) soll die Hepci-
dinproduktion modulieren.
Die Synthese von Hepcidin steht auch unter dem Ein-
fluss von Interleukin-6, welches zu einem Hepcidinanstieg
im Plasma führt. Die dadurch herbeigeführte Blockierung
der Eisenfreisetzung aus Speichern erklärt den häufig bei
Entzündungen beobachteten Abfall der Serumeisenkon-
zentration und Fe-Transferrin-Sättigung.
! Ferritin ist der Eisenspeicher im Organismus.
. Abb. 22.5. Verhältnis zwischen dem Ausmaß der Eisenresorp-
Das nicht für die Biosynthese von Hämoglobin und anderen
tion und der Menge des Gesamtkörpereisens, die indirekt durch
wichtigen Proteinen verwendete Eisen wird erst als Fe3+ im Bestimmung des Plasmaferritins ermittelt wurde. Die Eisenre-
Ferritin (25 Gewichtsprozent Fe) und – wenn der Ferritin- sorption wurde durch eine Gesamtkörpermessung nach Gabe von
speicher gefüllt ist – als Hämosiderin (35 Gewichtsprozent 10 μmol Eisenascorbinsäure quantifiziert. (Nach Valberg L.S. et al.
Fe) abgelagert. Diese Speicherproteine finden sich v.a. 1976)
4 in den Zellen des Leberparenchyms und
4 in den retikuloendothelialen Zellen von Knochenmark, samt-Ferritinkonzentration im Serum (entsteht nach der
Milz und Leber und Blutabnahme aus Plasma) zwischen 20 und 200 ng/ml
4 in der Dünndarmmukosa (Frau) bzw. 30 und 300 ng/ml (Mann). Ein auf unter 30 ng/
ml reduzierter Ferritinwert zeigt zuverlässig eine Erschöp-
Benötigt der Organismus vermehrt Eisen, so kann das Metall fung der Gesamtkörpereisenreserven an. Auf der anderen
aus dem mukosalen Ferritinspeicher mobilisiert werden. Ist Seite ist das Ferritin bei Eisenüberladung (Hämochroma-
der Eisenbedarf des Organismus gedeckt, so geht das muko- tose, 7 u.) auf Werte von über 300 ng/ml erhöht. Die Ferri-
sale Ferritin nach zwei bis drei Tagen mit der physiologischen tinbestimmung ist ein besserer Indikator für den Gesamt-
Desquamation der Darmepithelien verloren. Das Ausmaß Körpereisenbestand als die Bestimmung der Serum-
der Eisenresorption steigt mit fallendem Gesamtkörperei- Eisen-Konzentration (die nur Information über den
senbestand, der indirekt durch die Konzentration des auch Eisengehalt des Blutes gibt).
im Plasma nachweisbaren Ferritins bestimmt werden kann. Beim Eisenmangel bzw. bei -überladung korrelieren die
Mit zunehmender Verringerung des Plasmaferritinspiegels Plasmaferritinspiegel mit den jeweils bestehenden Gesamt-
wird ein höherer Prozentsatz einer konstanten Menge oral körpereisenreserven. Bei einzelnen Konstellationen wie
zugeführten Eisens resorbiert (. Abb. 22.5). Lebererkrankungen, akuten Entzündungen, Tumoren und
Apoferritin ist ein Protein mit einem Molekülmasse genetischen Erkrankungen ist diese Korrelation jedoch auf-
von 440 kDa, das aus 24 Untereinheiten besteht, die insge- gehoben, da Ferritin
samt bis zu 4500 Eisenatome aufnehmen können. Das Pro- 4 bei Leberzellschädigung vermehrt aus den Hepatozy-
tein besteht aus zwei verschiedenen Untereinheiten, den ten freigesetzt wird
sauren leichten L-Ketten und den basischen schweren H- 4 als Akutphase-Protein (7 Kap. 29.6.4) bei Entzündun-
Ketten. Die in verschiedenen Geweben synthetisierten Fer- gen und Infekten vermehrt synthetisiert wird
ritine weisen eine Mikroheterogenität auf, d.h. es existie- 4 von Tumorzellen vermehrt gebildet werden kann
ren Isoferritine mit verschiedenen antigenen Eigenschaften 4 beim sog. Hyperferritin-Katarakt-Syndrom durch
und isoelektrischen Punkten (7 Kap. 3.1.3). Dieser Mikro- eine genetisch bedingte Überproduktion von Ferritin
heterogenität liegt eine unterschiedliche Zusammensetzung L-Ketten vermehrt synthetisiert wird und in der Linse
aus L- und H-Ketten zugrunde. Leber- und Milzferritin ha- abgelagert wird
ben ihren isoelektrischen Punkt im Basischen (höherer An-
teil an H-Ketten), während Ferritine aus Herz, Nieren, Pla- Als Substrat für die Eisenspeicherung im Ferritin dient
centa und Tumoren einen sauren isoelektrischen Punkt Fe2+. Dieses wird durch eine Ferrooxidaseaktivität des Fer-
aufweisen (höherer Anteil an L-Ketten). Alle Gewebe set- ritins zu Fe3+ oxidiert:
zen Ferritine in Abhängigkeit von ihrem Eisengehalt in
das Blut frei. Beim gesunden Erwachsenen beträgt die Ge- 2Fe2 + + O2 + 4H2O → 2FeO (OH ) + H2O2 + 4H +
664 Kapitel 22 · Spurenelemente

22

. Abb. 22.6. Funktion von IRP-1 und IRP-2 für die intrazelluläre Eisenhomöostase. TfR = Transferrinrezeptor; Ft = Ferritin; δ-ALA-2-S =
δ-ALA-Synthase-2. (Nach O’Halloran 1993)

Die Menge des auf diese Weise im Ferritin als Fe3+ gespei- Hämosiderin ist wahrscheinlich ein Kondensations-
cherten Eisens beträgt bei gesunden Erwachsenen etwa produkt von Apoferritin und Zellbestandteilen wie Nu-
1500 mg (27 mmol). Der Mechanismus der Eisenfreiset- cleotiden oder Lipiden. Aus beiden Depots wird Eisen bei
zung aus Ferritin ist noch nicht genau bekannt. Sehr viele Blutverlusten und erhöhter Erythrozytenneubildung abge-
Befunde sprechen dafür, dass Ferritin zur Eisenfreisetzung geben. Während das Metall aus Ferritin rasch mobilisiert
lysosomal abgebaut werden muss. Da das freigesetzte Fe3+ werden kann, ist Eisen aus dem Hämosiderin jedoch we-
praktisch unlöslich ist, muss es durch Ferrireduktasen re- sentlich schwerer mobilisierbar.
duziert werden und steht dann dem Eisenstoffwechsel zur
! Die Regulation des zellulären Eisenstoffwechsels er-
Verfügung. Für den Eisenexport mit Hilfe von Ferroportin
folgt über eisenregulatorische Proteine.
ist allerdings eine erneute Oxidation mit Hilfe der Ferro-
oxidase Hephaestin notwendig. Die Aufnahme, Speicherung und intrazelluläre Verwertung
Bei der als Caeruloplasmin bezeichneten Ferrooxidase von Eisen, z.B. in den Hämoglobin produzierenden Ery-
(Ferooxidase I) handelt es sich um ein heterogenes, d.h. in throblasten des Knochenmarks wird durch die konzertierte
genetischen Varianten existierendes Glycoprotein, das aus Biosynthese von Transferrinrezeptoren (TfR1), der L- und
8 Untereinheiten besteht. Es wird in der Leber synthetisiert H-Ketten des Ferritins, des Ferroportins und der δ-ALA-
und ans Plasma abgegeben. Da die Ferrooxidase I ein Kup- Synthase-2 (7 Kap. 20.1.2) bestimmt. Verantwortlich hierfür
ferenzym ist, stellt sie die molekulare Verbindung von Ei- sind eisenregulatorische Proteine (iron regulatory proteins,
sen- und Kupferstoffwechsel dar. Etwa 80% des Plasmakup- IRP-1 und IRP-2), welche die Translation der mRNA für die
fers finden sich im Caeruloplasmin. Sein knockout führt genannten Proteine modulieren (. Abb. 22.6). Bei einer
allerdings bei Mäusen zu keinerlei Störung des Kupferstoff- niedrigen intrazellulären Eisenkonzentration binden IRP’s
wechsels. Caeruloplasmin oxidiert auch aromatische Di- an eisenregulatorische Elemente (iron regulatory elements,
amine wie Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin und Mela- IRE´s). Es handelt sich um mRNA-Abschnitte von etwa 30
tonin. Es soll deshalb an der Regulation des Plasmaspiegels Basen Länge, die sich im Fall der Ferritin-, δ-ALA-Syntha-
dieser Amine beteiligt sein. Ein weiteres Enzym, die Fer- se-2 und des Ferroportins in der 5’-nichttranslatierten Re-
rooxidase II, oxidiert ebenfalls Eisen, aber nicht Diamine. gion der mRNA und im Fall der Transferrinrezeptor1-
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
665 22

mRNA in der 3’-nichttranslatierten Region befinden. Die


Bindung von IRP´s am 5´-Ende verhindert die Initiation
am Ribosom und hemmt damit die Translation der Ferri-
tin-, Ferroportin- und δ-ALA-Synthase-2-mRNA. Durch
Bindung von IRP an das IRE am 3´-Ende der mRNA des
Transferrinrezeptors wird deren Stabilität erhöht, was zu
einer gesteigerten Translation dieser mRNA führt. Damit
wird vermehrt Transferrinrezeptor1 synthetisiert, sodass
die Zelle die Eisenaufnahme erhöhen kann. Ist der intrazel-
luläre Eisenspiegel angestiegen, so verliert das IRP seine
RNA-Bindungsaktivität, sodass die Translation von Ferritin
und δ-ALA-Synthase-2 erhöht werden kann. Damit kann
das aufgenommene Eisen intrazellulären Speichern und der
Hämsynthese zugeführt werden (. Abb. 22.6). Beim IRP-1
geht dieser Verlust der Bindungsfähigkeit an die mRNA mit
der Aufnahme eines Eisen-Schwefelclusters (. Abb. 15.7)
einher. Interessanterweise gewinnt das Protein damit Aco-
nitase-Aktivität, kann also Citrat in Isocitrat überführen (7
. Abb. 22.7. Übersicht über den täglichen Eisenumsatz im
Kap. 14.2). Tatsächlich entspricht das IRP-1 der cytosoli-
menschlichen Organismus. (Einzelheiten 7 Text)
schen Isoform der Aconitase, über deren Bedeutung lange
Zeit keine Klarheit herrschte. IRP-2 wird bei ausreichen-
! Das Plasmaeisen ist die Drehscheibe des Eisenstoff-
dem zellulären Eisengehalt vermehrt proteolytisch abge-
wechsels.
baut.
Da Eisen zu den wenigen Elementen gehört, die in nur
! Der physiologische Eisenverlust ist extrem niedrig.
äußerst geringen Mengen ausgeschieden werden, hält der
Eine Besonderheit des Eisenstoffwechsels ist die Unfähig- Organismus aufgenommenes Eisen sehr lange fest. Beim
keit des Organismus, größere Eisenmengen auszuscheiden. Mann ist intravenös injiziertes radioaktives Eisen etwa
Der Mann und die Frau nach der Menopause scheiden etwa 12 Jahre im Organismus nachweisbar. Um die Bilanz auf-
1–2 mg (18–36 μmol) pro Tag aus. Damit ist die Bilanz von rechtzuerhalten, muss der Organismus nur 1–2 mg (18–
Resorption und Ausscheidung ausgeglichen. Das Eisen geht 36 μmol) Eisen resorbieren (. Abb. 22.7) Das Plasmaeisen
im Organismus mit der Desquamation von Darmepithel- [4 mg (72 μmol)] stellt die Drehscheibe des Eisenstoff-
und Hautzellen, in Urin, Galle und Schweiß verloren. Das wechsels dar, über die Resorption und Ausscheidung mit
im Stuhl enthaltene Eisen stammt hauptsächlich aus dem dem inneren Eisenstoffwechsel verbunden sind. Da der
Ferritin der Darmepithelzellen, die nach einer Lebensdauer normale Erythrozyt eine Lebensdauer von 120 Tagen be-
von 2 bis 3 Tagen von der Zottenspitze abgestoßen werden. sitzt, werden täglich etwa 0,8% der zirkulierenden Erythro-
Im strengen Sinne handelt es sich nicht um eine Ausschei- zyten in der Milz abgebaut und im Knochenmark neu
dung, da dieses Eisen nur vorübergehend in den Organis- synthetisiert. Da – wie oben erwähnt – 1 ml Blut etwa
mus aufgenommen wurde. 0,5 mg (9 μmol) Hämoglobin gebundenes Eisen enthält,
Größere Eisenverluste treten bei Blutungen durch die besitzt der gesunde Erwachsene in seinen 5 Litern Blut
damit verbundenen Hämoglobinverluste auf. Da 1 g Hä- 2500 mg (45 mmol) Hämoglobineisen. Von dieser Menge
moglobin 3,4 mg Eisen (oder 1 mol Hämoglobin 4 mol werden 0,8%, d.h. 20 mg (360 μmol), täglich beim Hämo-
Eisen) besitzt, enthält 1 ml Blut mit einer Hämoglobin- globinabbau und -aufbau umgesetzt. Zusammen mit den
konzentration von 15 g/100 ml (2,3 mmol/l) ungefähr 5 mg (90 μmol) für den Umsatz an Enzym- und Spei-
0,5 mg (9 μmol) Eisen. Mit der Menstruation gehen chereisen ergibt dies einen täglichen Umsatz von 25 mg
etwa 25–60 ml Blut verloren, wodurch 12,5–30 mg (225– (450 μmol).
540 μmol) Eisen im Monat ausgeschieden werden. Von
! 10 mg Eisen müssen zur Deckung des Tagesbedarfs
großer Bedeutung ist auch der bei der Schwangerschaft
oral aufgenommen werden.
eintretende Eisenverlust, der etwa 300 mg (5,4 mmol) be-
trägt. Den größten Teil dieses Verlusts stellt dabei das dem Geht man davon aus, dass der tägliche Eisenverlust bei ge-
Fetus über die Placenta zugeführte Eisen dar. Hinzu kom- sunden Männern 0,5–1 mg (9–18 μmol) beträgt, so sollte
men der Blutverlust während der Geburt und der Eisen- täglich dieselbe Menge resorbiert werden, um eine ausge-
verlust durch die anschließende Stillzeit. Dieser Eisenver- glichene Bilanz aufzuweisen. Bei menstruierenden und
lust wird aber dadurch nahezu kompensiert, dass die schwangeren Frauen sowie während des Wachstums erhöht
Menstruation nach der Schwangerschaft einige Monate sich dieser Wert (. Tabelle 22.3). Da das Eisen der meisten
ausbleibt. Nahrungsmittel zu 5–10% resorbiert wird, muss die zuge-
666 Kapitel 22 · Spurenelemente

gert. In der Leber bewirkt die toxische Wirkung des Eisens


. Tabelle 22.3. Täglicher Eisenbedarf und notwendige täg-
liche Eisenzufuhr für verschiedene Altersgruppen (1 mg Eisen = (Fenton-Reaktion, 7 Kap. 15.3) eine Zellschädigung, die in
18 μmol Eisen) eine Fibrose übergehen kann. Aus dieser können sich eine
Cirrhose und ein Karzinom entwickeln. Eisenablagerungen
22 Täglicher Eisen-
bedarf [mg]
Notwendige täg-
liche Eisenzufuhr können die Entwicklung eines Diabetes mellitus, eine Herz-
bei einer Resorp- muskelschwäche (Cardiomyopathie) und eine Arthropa-
tion von 10 % [mg] thie begünstigen. Da ein Teil der Schäden reversibel ist,
Männer 0,5–1,0 5–10 sollte bei Diabetikern eine Hämochromatose als mögliche
Menstruierende 1,0–2,0 10–20 Ursache ausgeschlossen werden.
Frauen Die vermehrte Eisenablagerung in der Leber kann
Schwangere Frauen 2,0–4,0 20–40 4 invasiv durch Leberbiopsie (mit anschließender quan-
Jugendliche 1,5–3,0 15–30 titativer Eisenbestimmung in der Probe) oder
4 nichtinvasiv mit dem sog. SQUID-Biosuszeptometer
Kinder 0,5–1,5 5–15
(in Deutschland nur am Universitätsklinikum Eppen-
Kleinkinder 9–27 90–270
dorf Hamburg verfügbar) quantifiziert werden, welches
das durch Eisen induzierte Magnetfeld über der Leber
führte Menge etwa das Zehn- bis Zwanzigfache betragen. misst
Fleisch ist der beste Eisenlieferant.
Vorteil der Leberbiopsie ist, dass auch eine Faserbildung bei
! Chronische Eisenüberladung führt zur Störung der
der histologischen Beurteilung miterfasst wird, Vorteil der
Zellfunktion.
SQUID-Methode ist, dass es sich um ein nichtinvasives
Die Überladung des Organismus mit einem Stoff ist Verfahren handelt, das den Eisengehalt der gesamten Leber
Folge einer gestörten Bilanz, die entweder durch eine über- erfasst (und nicht nur in der »Stichprobe« der Biopsie) und
mäßige Zufuhr oder eine verringerte Ausscheidung zustan- mit dem leichter Verlaufsuntersuchungen möglich sind.
de kommt. Als Ursache für die Überladung des Organismus Da sich die Folgen der genetischen Konstellation über
mit Eisen kommt jedoch nur eine erhöhte Aufnahme in viele Jahrzehnte entwickeln, muss die tägliche Eisenresorp-
Frage, da die Ausscheidung dieses Elements sehr gering ist. tion von normalerweise 1–2 mg (18–36 μmol) auf das Dop-
Überschüssiges Eisen wird zunächst als Hämosiderin in pelte erhöht sein, um die bei Hämochromatosepatienten im
den Makrophagen des retikuloendothelialen Systems abge- Alter von 50 Jahren gefundenen Eisenablagerungen zu er-
lagert, ohne dass dadurch Parenchymschäden hervorge- klären. Wichtig ist die frühzeitige Diagnose, um die Entwick-
rufen werden. Durch häufige Erythrozytentransfusionen lung einer Lebercirrhose zu verhindern. Nach Diagnose-
kann eine Hämosiderose hervorgerufen werden, da mit stellung werden die Patienten durch zunächst wöchentliche
einem 500 ml Erythrozytenkonzentrat 250 mg (4,5 mmol) Aderlässe behandelt, wobei dem Organismus mit jeweils
Eisen zugeführt werden. 500 ml Blut 250 mg (4,5 mmol) Eisen entzogen werden.
Wird Eisen jedoch in den Parenchymzellen abgelagert Weitere – sog. Nicht-HFE – Hämochromatoseformen
und schädigt das Gewebe, so spricht man von einer Hämo- werden durch Mutationen in den Genen für Hämojuvelin
chromatose. Damit wird eine Gruppe angeborener Krank- (Typ IIA) und Hepcidin (Typ IIB), TfR2 (Typ III) und Fer-
heiten bezeichnet, die sich durch eine mit der Geburt begin- roportin (Typ IV) verursacht. Die Typ II-Hämochromato-
nende langsame Eisenakkumulation auszeichnen. Bei sen werden als juvenile Formen bezeichnet, da sie bereits im
Hämochromatosen kann der Gesamteisenbestand des Or- 2. bis 3.Lebensjahrzehnt zu Krankheitssymptomen führen.
ganismus von normalerweise 3000–5000 mg (54–90 mmol) Mit Ausnahme der Ferroportin-Hämochromatose (domi-
auf 20000–40000 mg (360–720 mmol) erhöht sein. nant) werden alle übrigen Formen rezessiv vererbt.
Die autosomal rezessive Hämochromatose Typ I stellt
! Ein Eisenmangel ist an einem erniedrigten Ferritinspie-
nicht nur die häufigste Eisenüberladung, sondern mit einer
gel erkennbar.
Inzidenz von 1:225 auch die häufigste genetische Erkran-
kung in Nordeuropa dar. Laborchemisch ist sie an einer Der Eisenmangel bzw. die dadurch verursachte Anämie ist
erhöhten Eisen-Transferrin-Sättigung erkennbar, die eine der auf der Erde am meisten verbreitete Mangelzustand, da
kontinuierliche Vergrößerung des Plasma-Eisen-Pools an- er nicht nur in unterentwickelten Ländern, sondern auch in
zeigt. Ursache sind Mutationen im HFE-Gen (hauptsäch- Industriestaaten vorkommt. Einem Eisenmangel kann
lich Homozygotie für Cys282Tyr oder His63Asp), die zu 4 eine unzureichende Eisenaufnahme infolge mangeln-
einer Steigerung der intestinalen Eisenresorption führen. der Zufuhr (z.B. bei Vegetariern) oder durch Hemmung
Allerdings ist der molekulare Mechanismus dieser Störung der Resorption bei Entzündungen
noch nicht geklärt. Als Folge wird Eisen in fast allen Orga- 4 ein erhöhter Eisenverlust (durch Darmblutungen bei
nen, insbesondere aber in Hepatozyten, endokrinem Pan- Krebs oder Ulcera oder verstärkte Monatsblutung bei
kreas, Myokard, Hypophyse, Gelenken und Hoden abgela- Frauen) oder
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
667 22

4 ein erhöhter Eisenbedarf in der Schwangerschaft und Dickdarmspiegelung und ggf. auch einer Magen-Dünn-
während des Wachstums darmspieglung. Ein Eisenmangelzustand entwickelt sich
über mehrere Phasen: ein leichter oder latenter ist nur an
zugrunde liegen. einem erniedrigten Ferritinspiegel erkennbar, da das Blut-
Störungen der duodenalen Eisenresorption können mit bild aufgrund der Priorität, die das Knochenmark gegen-
einem oralen Eisenbelastungstest nachgewiesen werden, über anderen Geweben bei der Eisenvergabe genießt noch
mit dem der Serumeisenspiegel vor und drei Stunden nach normal bleibt. Erst im fortgeschrittenen Stadium ist die
der Eiseneinnahme gemessen wird. Ein inadäquater An- Erythropoiese beeinträchtigt, was an einem Hämoglobin-
stieg veranlasst zu einer Magen-Dünndarmspiegelung. abfall und einer Verringerung des Volumens der Erythro-
Ein gastrointestinaler blutungsbedingter Eisenverlust zyten erkennbar ist (hypochrome Anämie, 7 Kap. 29.2.2).
kann durch die Anwendung des Haemokkult-Tests er- Der latente Eisenmangel kann von Symptomen wie Kon-
kannt werden, bei dem im Stuhl aus Erythrozyten freige- zentrationsschwäche oder Müdigkeit begleitet sein, da
setztes Hämoglobin über seine Pseudoperoxidase-Akti- wichtige Gehirnfunktionen eisenabhängig sind. Eisenman-
vität (Blaufärbung von Guaiac nach Zugabe von H2O2) gelzustände können durch perorale oder auch intravenöse
nachgewiesen wird. Ein positiver Test veranlasst zu einer Gaben zweiwertiger Eisenpräparate behandelt werden.

In Kürze
5 Eisen ist das quantitativ bedeutendste Spurenele- (δ-ALA-Synthase-2) beteiligt sind, über einen Metallsen-
ment im Organismus. Es ist als Redoxsystem oder sor koordiniert. Dieses Protein bindet an die mRNAs der
Sauerstofftransporteur tätig. In Proteinen ist es über genannten Proteine und moduliert dadurch ihre Trans-
das Hämgerüst oder direkt an den Proteinanteil ge- lation
bunden 5 Trotz der extrem geringen Eisenausscheidung sind Ei-
5 Eisen ist in wässrigen Lösungen schlecht löslich und senmangelzustände häufig. Sie sind Folge von unzurei-
findet sich in Organismen deshalb immer in gebun- chender Zufuhr, Resorptionsstörungen oder chroni-
dener Form. Eisenüberschuss führt über die Fenton- scher Blutungen der verschiedensten Ursachen
Reaktion zur Bildung von zellschädigenden Radikalen 5 Bei der Hämochromatose wird Eisen vermehrt resor-
5 Die Eisenresorption im Dünndarm erfolgt über das biert. Nach Jahrzehnten tritt eine Eisenüberladung in
koordinierte Zusammenspiel verschiedener Mukosa- verschiedenen Organen auf, die Diabetes mellitus,
proteine wie DMT1, Dcytb, Ferritin und Ferroportin. Arthritis oder Cardiomyopathie verursachen kann.
Eine Reihe experimenteller Belege der vergangenen Mutationen in mindestens 5 verschiedenen Genen (HFE,
Jahre spricht dafür, dass Hepcidin ein wichtiger hor- Hämojuvelin, Hepcidin, TfR2, Ferroportin) können eine
moneller Regulator des Eisenstoffwechsels ist Hämochromatose verursachen. Entscheidend ist die
5 In Zellen mit einem hohen Eisenumsatz wie den Ery- frühe Erkennung der Erkrankung, da durch eine konse-
throblasten des Knochenmarks wird die Biosynthese quente Aderlasstherapie Eisen dem Organismus wieder
der Proteine, die an Eisenaufnahme (Transferrin- entzogen werden kann und die potentiellen Folgen der
rezeptor 1), -speicherung (Ferritin) und -verwertung Eisenüberladung damit vermieden werden können

22.2.2 Kupfer protein ist, besitzt Kupfer eine Schlüsselstellung im Binde-


gewebestoffwechsel. Ferrooxidase I (Caeruloplasmin) und
! Kupferhaltige Proteine sind am Elektronentransport
beteiligt. . Tabelle. 22.4. Kupferabhängige Enzyme (Auswahl)
Enzym Funktion
Wegen ihres Redoxpotentials sind Kupferionen Bestandtei-
Superoxiddismutase (Cu,Zn) Beseitigung von O2–-Radikalen
le von Enzymen, die Elektronen auf Sauerstoff übertragen
Cytochrom c Oxidase Komplex IV der Atmungskette
(. Tabelle 22.4) Zu ihnen gehört v.a. die Cytochrom-c-Oxi-
dase der Atmungskette (Komplex IV), Kupferenzyme sind Tyrosinase Produktion von Melanin
außerdem die Superoxid-dismutase (antioxidativer Schutz), Caeruloplasmin Ferrooxidase im Plasma
Dopamin-β-Hydroxylase (Katecholaminsynthese), Mono- Hephaestin Ferrooxidase
aminoxidase (Aminabbau), Tyrosinase (Melaninbiosynthe- Lysyl-Oxidase Kollagenstoffwechsel
se) und die Peptidylglycin-α-amidierende Monoxygenase
Dopamin-β-Hydroxylase Katecholaminsynthese
(PAM), die an der Prozessierung von Neuropeptiden betei-
ligt ist. Da auch die Lysyloxidase, ein wichtiges Enzym der Peptidylglycin-α-amidierende Prozessierung von Neuro-
Monooxigenase (PAM) peptiden
Kollagen- und Elastinbiosynthese (7 Kap. 24.2), ein Kupfer-
668 Kapitel 22 · Spurenelemente

22

. Abb. 22.8. Überblick über den Kupferstoffwechsel beim Men- an. Die Gewebeverteilung der Kupfer-ATPasen ATP7A und ATP7B ist
schen. Die Werte (in mg oder μg) geben geschätzte Umsätze pro Tag rot angegeben. (Weitere Einzelheiten 7 Text)

Hephaestin sind kupferhaltige Enzyme; damit bestehen (7 Abb. 22.8). Für den Export aus den Mukosazellen wird
auch zwischen Kupfer- und Eisenstoffwechsel enge Verbin- eine als ATP7A (Menkes-Protein) bezeichnete Cu-ATPase
dungen (7 Kap. 22.2.1). benutzt. Das die Darmmukosazellen verlassende Kupfer
wird im Portalblut locker an die Transportproteine Albu-
! Die Leber ist das zentrale Organ des Kupferstoffwech-
min und Transcuprein gebunden. Dieses locker gebunde-
sels, da sie nicht nur für die Kupferaufnahme, sondern
ne wird auch (unpräzise) als freies Kupfer bezeichnet. Seine
auch für seine Ausscheidung verantwortlich ist.
Konzentration beträgt etwa 120 μg/100 ml Plasma.
Der Kupferbestand des Menschen beträgt etwa 40–80 mg Vom Darm gelangt Kupfer in die Leber. In den Kup-
(1,6–2,4 μmol). Hohe Kupferkonzentrationen finden sich ferpool des Plasmas tritt auch Kupfer aus den Geweben
v.a. in Leber und Gehirn. Bei einer täglichen Kupferzufuhr (. Abb. 22.8). In der Leber wird Kupfer in die in verschie-
von 2–5 mg (32 bis 80 mmol) mit der Nahrung [Bedarf denen subzellulären Kompartimenten lokalisierten Kupfer-
2,5 mg (40 mmol)] ist die Kupferbilanz ausgeglichen. Mit enzyme der Parenchymzelle eingebaut (7 u.) oder an Me-
der Nahrung aufgenommenes Kupfer wird vorwiegend in tallothionein gebunden und gespeichert. Eine Besonderheit
die Mukosazellen des Magens und Duodenums über einen der Leberparenchymzellen ist ihr hoher Gehalt an einer
im Einzelnen noch nicht geklärten Mechanismus aufge- weiteren Cu-ATPase, dem ATP7B-Protein (Wilson Prote-
nommen an dem möglicherweise der für die Eisenauf- in). Dieses Enzym ist bei ausgeglichenem Kupferhaushalt in
nahme verantwortliche DMT-1-Transporter beteiligt ist den Membranen des trans-Golgi-Netzwerks lokalisiert und
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
669 22

. Abb. 22.9. Kupferaufnahme und Kupferstoffwechsel in Hepa- port in das trans-Golgi-Netzwerk; Cox17 = Chaperon für den Transport
tozyten und anderen Zellen. Nach Aufnahme durch den Transporter in die Mitochondrien; MT = Metallothionein, CCO = Cytochrom C
Ctr1 wird Kupfer von verschiedenen Metallchaperonen gebunden. Oxidase, CCS = Chaperon für SOD, SOD = Superoxid-Dismutase. (Wei-
Diese transportieren Kupfer an die Orte der Biosynthese kupferhalti- tere Einzelheiten 7 Text)
ger Proteine oder zur Ausscheidung. Atox1 = Chaperon für den Trans-

liefert das für die dort ablaufende Caeruloplasminsynthese liegt. Im Einzelnen unterscheidet man folgende Metal-
benötigte Kupfer. Bei Kupferüberschuss verlagert sich das lochaperone (. Abb. 22.9):
Transportprotein ATP7B jedoch in die kanalikuläre Mem- 4 Atox1 transportiert Kupferionen zu den in den Mem-
bran der Hepatozyten und transportiert überschüssiges branen des trans-Golgi-Netzwerks gelegenen CuATPa-
Kupfer in die Gallenflüssigkeit, mit der es ausgeschieden sen ATP7B (Leber) bzw. ATP7A (übrige Gewebe). Im
wird. trans-Golgi-Netzwerk wird Kupfer dann zur jeweils ge-
Nicht von der Leber benötige Kupferionen werden über webstypischen Synthese kupferhaltiger Proteine Caeru-
die Blutzirkulation auf die extrahepatischen Gewebe ver- loplasmin (Leber), Tyrosinase (Melanozyten) oder Ly-
teilt. Ähnlich wie in der Leber werden sie nach ihrer Auf- syloxidase (Bindegewebe) benutzt. In Neuronen und
nahme zur Synthese von Kupferenzymen benutzt. Als Cu- Astrozyten stellt die ATPase ATP7A einen wichtigen
ATPase kommt hier nur das Menkes-Protein ATP7A vor, Kupfertransporter dar, der Kupfer für die Enzyme PAM
das u.a. für den Kupferexport verantwortlich ist (7 u.). (7 o.) und Dopamin-ß-Hydroxylase (7 Kap. 26.3.2) zur
Verfügung stellt
! Membranständige Transportproteine und Metallchape-
4 Cox17 ist für den Kupfertransport in die Mitochond-
rone verteilen Kupfer in der Zelle.
rien notwendig, wo es zur Synthese des Komplexes IV
Alle Zellen verwenden zur Aufnahme von Kupfer einen der Atmungskette benötigt wird
als Ctr1 (copper transporter, SLC31) bezeichneten Carrier 4 CCS ist schließlich das Metallochaperon, das für den
(. Abb. 22.9). Es handelt sich um ein bei Eukaryoten hoch Einbau von Kupfer in die Superoxiddismutase (7 Kap.
konserviertes Protein, welches mit 3 Transmembrandomä- 15.3) benötigt wird. Die Biosynthese von Superoxiddis-
nen in der Plasmamembran verankert ist. Ähnlich wie Ei- mutase ist insofern besonders komplex, als das Enzym
sen (7 Kap. 15.3) ist freies Kupfer toxisch, da es mit H2O2 ein zweites Metall, nämlich Zink braucht
unter Bildung von Hydroxylradikalen reagieren kann. In-
folgedessen erfolgt der intrazelluläre Kupfertransport bis zu Interessanterweise gelangen in der Krebstherapie wichtigen
seinem Einbau in entsprechende Proteine in Bindung an Platinderivate (Cisplatin, Carboplatin, Oxaliplatin) über
sog. Metallochaperone. Dadurch ist gewährleistet, dass die Ctr1 in die Zelle und werden wie Kupfer durch ATP7A und
Konzentration an freien Kupferionen bei etwa 10–18 mol/l 7B wieder aus der Zelle transportiert.
670 Kapitel 22 · Spurenelemente

. Abb. 22.10. Membranintegration


des bei der Wilson Erkrankung defek-
ten Kupfer-Transportproteins ATP7B.
22 Das Protein weist die Charakteristika einer
typischen P-ATPase auf. Die Kupfer bin-
denden Domänen befinden sich N-termi-
nal, die ATPase-Aktivität C-terminal

! Cu-ATPasen werden für den Transport von Kupfer in das Hepatolenticuläre Degeneration (Morbus Wilson). Die
trans-Golgi-Netzwerk oder zum Kupferexport aus Zel- häufigste Störung des Kupferstoffwechsels ist eine autoso-
len benötigt. mal-rezessiv vererbte Erkrankung, die erstmalig 1912 von
dem Londoner Neurologen Kinnier Wilson beschrieben
Bei Säugetieren und damit auch beim Menschen lassen sich wurde.
zwei Cu-ATPasen nachweisen, die für den ATP-abhängigen Die Pathogenese beruht auf zwei Störungen des Kupfer-
Transport von Kupfer durch Membranen verantwortlich stoffwechsels:
sind. Es handelt sich um die ATPasen ATP7A (Menkes- 4 einer Abnahme der biliären Kupferausscheidung
Protein) und ATP7B (Wilson- Protein), die in die Familie 4 einer Abnahme des Einbaus von Kupfer in Caeruloplas-
der P-ATPasen gehören. . Abb. 22.10 zeigt den aus der min
Aminosäuresequenz abgeleiteten Aufbau des Transporters
ATP7B. Das Protein ist mit insgesamt 8 Transmembrando- Diese führen zu einer Akkumulation dieses Metalls in der
mänen in die Membran integriert. N-terminal finden sich Leber (durch Leberbiopsie quantitativ erfassbar, siehe auch
insgesamt 6 für die Kupferbindung verantwortliche Se- Hämochromatose) mit zunehmender Leberfunktionsstö-
quenzmotive, im C-Terminus sind die ATPase-Aktivität rung (mitochondriale Dysfunktion, Zellschädigung und
und die Translokationsaktivität lokalisiert. Die Cu-ATPase Fibrose) und der konsekutiven Ablagerung von Kupfer im
ATP7A zeigt große Homologie zu ATP7B. Die wichtigen Gehirn mit Koordinationsstörungen (Nucleus lenticularis
Unterschiede zwischen den beiden Cu-ATPasen sind funk- der Basalganglien) und Verhaltensveränderungen. Die
tioneller Natur und ergeben sich aus ihrer unterschiedli- Krankheit wird deshalb auch als hepatolenticuläre De-
chen Gewebs- und Organverteilung (. Abb. 22.8): generation bezeichnet. Die Kupferablagerung in der Des-
4 ATP7A wird in vielen extrahepatischen Geweben ex- cemet-Membran des Auges kann eine goldbraune, gelbe
primiert. In den Mukosazellen ist es für den Kupferex- oder grüne Umrandung der Cornea (Kayser-Fleischer-
port auf die basolaterale Seite und damit für die Kupfer- Ring, . Abb. 22.11) verursachen.
aufnahme verantwortlich, In den meisten anderen Zel-
len reagiert ATP7A mit Atox1, transportiert Kupfer ins
Lumen des trans-Golgi-Netzwerks, wo es für die Syn-
these kupferhaltiger Proteine verwendet wird. Bei ho-
hem Kupferangebot verlagert sich ATP7B in die Plas-
mamembran und exportiert Kupfer in den Extrazellu-
lärraum. Besonders wichtig ist dies in den Epithelien
der Blut-Hirnschranke für den Kupfertransport ins
Nervensystem, in der Placenta für die Kupferversor-
gung des Föten und in den Zellen der laktierenden
Brustdrüse für die Kupferversorgung des Säuglings
4 ATP7B wird hauptsächlich in den Hepatozyten expri-
miert. Seine intrazelluläre Funktion entspricht derjeni-
gen des ATP7A. Bei hohem Kupferangebot wird der
Transporter in die kanalikuläre Membran der Hepato-
zyten verlagert, was zu einer Kupferausscheidung in die
Galle führt

! Genetische Defekte der Kupferpumpen ATP7B bzw. ATP7A . Abb. 22.11. Kayser-Fleischer-Ring beim Morbus Wilson. (Aus
verursachen Verteilungsstörungen von Kupfer im Gewebe. Kritzinger u. Wright 1985)
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
671 22

. Tabelle 22.5. Laborbefunde bei Patienten mit Morbus Wilson


(6 μmol = 1 mg Kupfer)
Normal- Morbus Wilson
werte
Plasmakupfer [μmol/l] 13–23 < 11,5
Direkt reagierendes Kupfer <3 >3 . Abb. 22.12 D-Penicillamin (β,β-Dimethylcystein), das durch zwei
im Plasma [μmol/l] hydrophobe Methylgruppen substituierte D-Isomer des Cysteins
Caeruloplasmin [mg/100 ml] 20–40 < 10
Urinkupfer [μmol/24 h] < 1,6 > 6,4 vorhandenen Kupferablagerungen durch Steigerung der
Leberkupfer < 1,6 > 8(16) Kupferausscheidung zu mobilisieren und dann eine erneu-
[μmol/g Trockengewicht] te Überladung zu vermeiden. Das wird durch eine kupfer-
Urinaminostickstoff [mg/24 h] < 400 > 500 arme Kost, durch medikamentösen Kupferentzug mit Che-
latbildnern wie dem Cysteinderivat D-Penicillamin und
die Gabe von Zink (das die Kupferaufnahme kompetitiv
Bei der Krankheit ist das Gesamtkupfer des Serums er- hemmt) erreicht. D-Penicillamin ist ein Cystein, das in ß-
niedrigt, da der Caeruloplasminspiegel reduziert ist. Das an Stellung zwei Methylgruppen enthält (β,β-Dimethylcystein,
Albumin locker gebundene Kupfer (»freies Kupfer«) ist da- . Abb. 22.12), wodurch seine Lipidlöslichkeit und damit die
gegen erhöht. Durch eine Beeinträchtigung der Nieren- Permeationsfähigkeit durch Membranen erhöht wird.
funktion ist außerdem die Ausscheidung von Kupfer (über
100 μg im 24 Std. Urin) und daneben auch die von Amino- Menkes-Erkrankung. Diese X-chromosomal vererbte neu-
säuren und Harnsäure mit dem Urin erhöht (. Tabel- rodegenerative Erkrankung wird durch Mutationen im Gen
le 22.5). der ATPase ATP7A verursacht. Dem entsprechend ist nicht
Ursache der Erkrankung ist eine Mutation im Gen für nur die Kupferresorption beeinträchtigt, sondern auch der
die ATPase7B (Chromosom 13q14.3) zugrunde (. Abb. Einbau von Kupfer in die Proteine, deren Synthese die im
22.10), das vor allem in der Leber und exprimiert wird. trans-Golgi-Netzwerk abgeschlossen wird. Zusätzlich ist
Über 200 verschiedene Mutationen (Insertionen, Deletio- der Kupfertransport ins Zentralnervensystem gestört. Die
nen, Missense-, Nonsense-, Spleißmutationen) können die Symptome der Menkes Erkrankung entsprechen einem
Erkrankung hervorrufen. Die häufigste in Europa sind die schweren Kupfermangel. Es kommt zu
His1069Gln und in Asien die Arg778Leu-Mutationen 4 einer fortschreitenden Nervendegeneration (Dopamin-
(www.lehrbuch-medizin.de). Die meisten Patienten sind β-Hydroxylase-Mangel)
gemischt-heterozygot. Durch die Mutation wird der Import 4 Hypopigmentierung (Tyrosinasemangel)
von Kupfer ins trans-Golgi-Netzwerk und v.a. der Export 4 Bindegewebsdefekten (Cutis laxa, Lysyloxidasemangel,
von überschüssigem Kupfer in die Galle beeinträchtigt. Die 7 Kap. 24.8.5) und dadurch
Therapie hat das Ziel, die Kupferzufuhr zu reduzieren, die 4 frühem Tod in der Kindheit

In Kürze
5 Fast alle kupferhaltigen Enzyme sind Oxidasen, d.h. 5 Der durch Mutationen ausgelöste partielle Ausfall von
sie übertragen Elektronen auf das Sauerstoffmolekül. ATP7B in der Leber ist die Grundlage der Wilson-Erkran-
Wie Eisen ist auch freies Kupfer toxisch, sodass Trans- kung, bei der das Metall im Hepatozyten akkumuliert
portsysteme existieren, die verhindern, dass Kupfer in und dadurch die Leberfunktion – bis hin zum komplet-
ungebundener Form auftritt ten Ausfall – stört
5 Zu den genannten Transportsystemen gehören der 5 Durch Chelatbildner kann Kupfer aus dem Organismus
Kupfertransporter Ctr1, verschiedene Metallochape- bei Patienten mit M. Wilson entfernt werden
rone und die beiden Cu-ATPasen ATP7A und ATP7B

22.2.3 Molybdän sphärischen Stickstoffs in Ammoniak durch bestimmte


Prokaryote (7 Kap. 1.1), ist ein Redoxvorgang, der an die
! Auch Molybdän ist an Elektronenübertragungen beteiligt. Gegenwart von Molybdän gebunden ist. Wegen des stufen-
weisen Ablaufs der Redoxreaktion überrascht es nicht, dass
Molybdän ist am Elektronentransferprozess der Flavoen- für manche Vorgänge mehrere Metalle notwendig sind. So
zyme wie Xanthin-, Aldehyd- oder Sulfitoxidase beteiligt. sind die meisten Molybdänenzyme auf die Gegenwart von
Auch die Stickstofffixierung, d.h. die Umwandlung atmo- Eisen (Xanthinoxidase und Aldehydoxidase) angewiesen.
672 Kapitel 22 · Spurenelemente

Wahrscheinlich werden bei der enzymatischen Reaktion Zink wirkt weiterhin als Stabilisator biologischer Mem-
die Elektronen vom Substrat über Molybdän und Flavin auf branen und ist Bestandteil genregulatorischer Transkrip-
Eisen übertragen. tionsfaktoren. Diese weisen bestimmte Domänen auf, die
für die Bindung des Proteins an die DNA verantwortlich
22 ! Über den Molybdänstoffwechsel ist bisher nur wenig
sind. Das Architekturprinzip dieser Proteinabschnitte be-
bekannt.
ruht auf dem Verbund von Cysteinylresten oder Cysteinyl-
Die Molybdänkonzentration in den Geweben ist sehr ge- und Histidylresten und zwei oder drei Zinkatomen. Je nach
ring. Da dieses Metall nur eine geringe praktische Bedeu- der Zahl der beteiligten Cystein- und Histidinresten unter-
tung in der Ernährung des Menschen besitzt, liegen bisher scheidet man zwischen C2H2-Zinkfingern, C4-Zinkfin-
nur wenige Untersuchungen über seinen Stoffwechsel gern und C6-Zinkfingern. In den ß-Zellen des endokrinen
vor. Pankreas nimmt Zink an der Speicherform des Insulin teil
(7 Kap. 26.1.1).
Die Verteilung von Zink in eukaryoten Organismen
22.2.4 Kobalt erfolgt unter Vermittlung von zwei Zinktransport-Syste-
men: der CDF- (cation diffusion facilitator) und Transpor-
! Kobalt- und Vitamin-B12-Stoffwechsel sind eng verbunden. tern der der ZIP-Familie.
CDF-Transporter (Synonym SLC30) enthalten 6 Trans-
Die Funktion dieses Metalls ist an die von Vitamin B12 membrandomänen mit intrazellulären N- und C-Termini,
gebunden, in dessen Corrinring es fest eingebaut ist die histidinreiche Bezirke zur Zinkbindung aufweisen. Sie
(7 Kap. 23.3.9). Dieses Vitamin ist als Coenzym an der Iso- sind für den Export von Zink oder die intrazelluläre Ver-
merisierung von Methylmalonyl-CoA zur Succinyl-CoA packung in Vesikel und Vakuolen verantwortlich. ZIP-
und der Methylierung von Homocystein zu Methionin Transporter (Synonym SLC39) vermitteln die Aufnahme
(7 Kap. 23.3.9) beteiligt. von Zink in die Zelle oder die Freisetzung von gespeicher-
tem Zink. Sie enthalten 8 membranassoziierte Domänen
! Kobalt wird im Organismus schnell umgesetzt.
mit extracytoplasmatischen N- und C-Termini.
Der Kobaltbestand des Menschen beträgt etwa 1,1 mg
! Zink wird im Plasma an Albumin gebunden.
(19 mmol). Mit der Nahrung aufgenommenes Kobalt wird
beim Menschen – im Gegensatz zu Tieren – zu 70–100% Ein gesunder Erwachsener enthält etwa 2–3 g (30–45 mmol)
resorbiert, dann jedoch schnell wieder mit dem Urin ausge- Zink. Davon befinden sich 99% im Intrazellulärraum. Ver-
schieden. hältnismäßig hohe Konzentrationen weisen
Bei Versuchstieren sowie gesunden Versuchsperso- 4 die Inselzellen des Pankreas (Insulinspeicher)
nen führt die Gabe von Kobaltionen (z.B. in Form von 4 Iris und Retina des Auges (Retinoldehydrogenase)
Kobaltchlorid) zu einer Steigerung der Erythrozytenpro- und
duktion, als deren Ursache eine vermehrte Biosynthese 4 Leber, Lungen und Zähne auf
von Erythropoetin in den Nieren diskutiert wird (7 Kap. 4 besonders hoch ist die Zinkkonzentration in Prostata,
28.1.10). Epididymis, Testes [und damit Spermien (Chroma-
tinstabilisierung)] und Ovarien

22.2.5 Zink Zink wird im Jejunum und Ileum unter Vermittlung der
Zinktransporter ZnT1 (aus der CDF-Familie) und ZIP 5
! Zink ist Cofaktor von mehr als 300 Enzymen. (aus der ZIP-Familie) resorbiert. Resorbiertes Zink wird im
Blut an Albumin gebunden, von dem es zur Aufnahme in
Zink ist Bestandteil und Cofaktor von mehr als 300 Enzy- die Gewebe wieder freigesetzt wird. Das im α2-Makroglo-
men (z.B. Carboanhydrase, Pankreascarboxypeptidase, bulin nachweisbare Zink ist nicht leicht austauschbar und
verschiedene Dehydrogenasen (Alkohol-, Glutamat-, Ma- repräsentiert – ähnlich wie Caeruloplasmin für Kupfer –
lat-, Lactat-, Retinol-), alkalische Phosphatase und Matrix- damit kein transportiertes Zink. Das albumingebundene
Metalloproteinasen), in denen es – anders als Eisen und Zink macht 22% des Zinks im Blut aus, der Rest findet sich
Kupfer – zwei Wirkungen besitzt: in den Erythrozyten (75%, Carboanhydrase) und Leukozy-
4 es hält durch koordinative Bindungen mehrere Ami- ten (3%, alkalische Phosphatase, Calprotectin). Die Nor-
nosäureseitenketten des Enzymproteins in einer An- malkonzentration im Plasma beträgt 100–140 μg/100 ml
ordnung fest, die zur Einleitung der chemischen Reak- (15–20 μmol/l). Der Plasmazinkspiegel unterliegt einer
tion günstig ist (strukturunterstützende Funktion) circadianen Rhythmik. Er wird durch Hormone und Cyto-
4 darüber hinaus kann es selbst durch weitere koordina- kine beeinflusst: Glucocorticoide stimulieren die Zinkauf-
tive Bindungen das Substrat festhalten, polarisieren und nahme in die Leber, Interleukin-1 und -6 führen im Rah-
zur Reaktion aktivieren (katalytische Funktion) men der Akutphaseantwort (7 Kap. 29.6.4) zu einem Abfall
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
673 22

des Zinkspiegels durch Aufnahme in verschiedene Gewebe. tochondrienreiche Gewebe weisen deshalb meist eine hö-
Die Ausscheidung von Zink aus dem Organismus erfolgt here Mangankonzentration auf. Der Gesamtmanganbe-
vorwiegend über den Stuhl. Der tägliche Zinkbedarf liegt stand des Organismus beträgt 10–20 mg (180–360 mmol)
bei 10 bis 15 mg und wird mit der in den Industriestaaten und damit 1/5 des Kupfer- und 1/100 des Zinkbestands. Die
üblichen Ernährung gedeckt. Manganausscheidung erfolgt fast vollständig in den Darm,
v.a. über die Galle, aber auch über den Pankreassaft.
! Zinkmangel kann das Immunsystem beeinträchtigen.
! Ein Manganmangel ist bisher nur bei Tieren beschrie-
Angeborener Zinkmangel (Acrodermatitis enteropathica).
ben worden.
Für diese Krankheit sind – wie ihr Name sagt – u.a. Hautef-
floreszenzen (Vesikel- und Pustelbildung durch gestörte Tierexperimenteller Manganmangel führt zu Wachstums-
Basalzellproliferation) sowie gastrointestinale Symptome und Fertilitätsstörungen sowie Skelettdeformierungen, de-
(Diarrhö) charakteristisch. Zugrunde liegt ein genetischer nen die Beeinträchtigung des manganabhängigen Knorpel-
Defekt des Zinktransportsystems ZIP 4 in den Mukosa- stoffwechsels zugrunde liegt.
zellen, der über einen Abfall des Plasmazinkspiegels zu den
genannten Symptomen führt. Durch hohe Zinkgaben kann
eine komplette klinische Remission erzielt werden, da bei 22.2.7 Fluorid
hohem Zinkangebot offenbar andere Transportsysteme ak-
tiviert werden. Fluor ist ein Halogen, das aufgrund seiner Reaktivität in der
Natur fast ausschließlich als Fluorid vorkommt. Ob Fluorid
Erworbener Zinkmangel. Ein Zinkmangel kann in vielen als für den Menschen lebensnotwendiges Spurenelement
Fällen an einer Erniedrigung des Plasmazinkspiegels er- angesehen wird, hängt von den angewendeten Kriterien zur
kannt werden. Ein Abfall ist für die Diagnose eines Zink- Beantwortung dieser Frage ab. Fluorid ist zwar nicht zum
mangels jedoch nicht ausreichend, da dieser auch bei aku- Überleben notwendig, fördert aber unter den derzeitigen
ten Entzündungen (als Teil der Akutphaseantwort) und als Lebensbedingungen Gesundheit und Wohlbefinden, da
Antwort auf Stresssituationen auftreten kann. Leichter ist optimale Fluoridgaben das Ausmaß der Karies, d.h. die Zer-
die Diagnose bei chronischen Zuständen wie langzeitiger setzung der Zähne, reduzieren.
parenteraler Ernährung (unzureichende Zufuhr), Malab- Bei den für die Herstellung von Zahnpasta verwendeten
sorptionssyndromen (unzureichende Resorption) oder Le- Fluoriden wird zwischen anorganischen Fluoriden (Natri-
berzirrhose (persistierende Funktionsstörung). Erworbener umfluorid, NaF; Natriummonofluorphosphat, Na2PO3F;
Zinkmangel kann sich ebenfalls an Haut und Schleimhäu- Zinnfluorid, SnF2) und organischen Fluoriden, bei denen
ten manifestieren und mit Störungen der humoralen und das Fluoridion an einen organischen Fettsäureaminrest ge-
zellulären Immunantwort (reduzierte Thymulinaktivität, bunden ist, unterschieden. Letztere Kombination einer hy-
7 o.) verbunden sein. drophoben Kohlenwasserstoffkette mit einem hydrophilen
Kopf ist typisch für Tenside, die sich an Oberflächen schnell
und geordnet anreichern.
22.2.6 Mangan
! Fluorid besitzt eine hohe Affinität zum Knochen- und
Zahnhartgewebe.
! Mangan spielt eine wichtige Rolle als Coenzym gluco-
genetischer Enzyme. Fluorid ist ein beim Menschen gut untersuchtes Spurenele-
ment. Die in Nahrungsmitteln (Fleisch, Fisch, fluoridiertem
Eine Reihe von Enzymen kann in vitro durch Mangan akti- Speisesalz, Fluoridtabletten), Getränken (Tee, Bier oder
viert werden. Diese Funktion kann jedoch auch von ande- Fruchtsäfte), verschiedenen Medikamenten (z.B. Fluoroste-
ren zweiwertigen Kationen übernommen werden. Die Py- roide) oder Zahnpasta enthaltenen Fluoride werden im
ruvatcarboxylase und die PEP-Carboxykinase, zwei wichti- Magen-Darm-Trakt bis zu 100% resorbiert. Die Resorption
ge Enzyme der Gluconeogenese, sowie die Arginase und die hängt von der jeweiligen Fluoridverbindung ab: leicht lös-
Mn-Superoxiddismutase sind Manganproteine. Eine spezi- liche Verbindungen wie NaF oder SnF2 werden schnell und
fische Funktion besitzt Mangan bei der Biosynthese von nahezu komplett, schwer lösliche wie CaF2 langsam und
Mucopolysaccharid-Protein-Komplexen (Proteoglykanen, unvollständig resorbiert.
7 Kap. 17.3.5) des Knorpels. Die Konzentration des im Plasma vorwiegend frei
vorliegenden Fluorids beträgt 0,01–0,02 mg/100 ml (5–
! Mitochrondrien enthalten viel Mangan.
10 μmol/l). Nach oraler Fluoridgabe steigt der Spiegel in-
Mangan wird im Gastrointestinaltrakt auf noch unbekann- nerhalb von Minuten rasch an, um nach Erreichen eines
te Weise in geringem Ausmaß resorbiert. Nach Bindung an Spitzenwerts nach etwa 30 Minuten innerhalb einer Stunde
ein β1-Globulin im Blut wird es schnell von den Geweben wieder abzufallen. Die Plasmakonzentration wird dadurch
und dort v.a. von den Mitochondrien aufgenommen. Mi- konstant gehalten, dass Fluorid rasch in das Knochensystem
674 Kapitel 22 · Spurenelemente

(Skelett und Zähne) und langsamer in Weichgewebe (Herz, geleitet (PO43– + H+ → HPO42–). Dadurch kann Calcium
Leber) aufgenommen wird. Eine rasche Ausscheidung er- nicht mehr gebunden werden und wird freigesetzt. Daran
folgt über die Nieren, in geringen Mengen auch mit dem schließt sich die Zersetzung des Dentins und des Zements
Stuhl, Schweiß und Speichel der Parotis- und Submandibu- durch den bakteriellen Abbau der Proteinmatrix an.
22 laris-Drüsen.
! Fluorid wirkt über eine direkte Reaktion mit dem Zahn-
Beim Erwachsenen finden sich 99% der Gesamtfluor-
schmelz kariesprotektiv.
konzentration im Skelett und in den Zähnen, der Rest in
den übrigen Geweben und im Extrazellulärraum. Im Ske- Fluorid wirkt vor allem über eine Reaktion mit der
lett wird es als schwer löslicher Fluorhydroxylapatit ge- Schmelzoberfläche, auf der es sich als calciumfluoridähn-
bunden, der durch Austausch von Fluoridionen gegen Hy- liches Präzipitat einlagert. Dadurch werden Protonen ent-
droxylionen im Apatitkristallgitter entsteht (7 Kap. 24.7.1). fernt und eine Wiedereinlagerung des Calciums ermög-
Aus der Verteilung im Organismus geht hervor, dass Fluo- licht. Die früher angenommene systemische Wirkung auf
rid eine ausgesprochene Affinität zum Knochen- und die Apatitbildung [Ca5OH(PO4)3] des Zahnmaterials über
Zahnhartgewebe besitzt. Bis zur Hälfte des resorbierten eine Verdrängung des Hydroxylions (aus Hydroxylapatit)
Fluorids kann vom Skelett retiniert werden, wenn die vor- durch Fluorid (unter Bildung von Fluorapatit) wird heute
ausgegangene Fluorzufuhr sehr niedrig war. Bei anhalten- eher als von untergeordneter Bedeutung angesehen. Physio-
der täglicher Zufuhr kleiner Fluoridmengen, wie sie z.B. bei logische Fluoriddosen fördern die Remineralisierung um
der unten beschriebenen Trinkwasserfluoridierung vorlie- das Mehrfache. Der kariostatische Effekt von Fluorid
gen, bildet sich ein Gleichgewicht zwischen Skelett und ex- kommt vor allem über eine direkte Wirkung auf die
trazellulärem Körperwasser aus, d.h. es kommt nicht zu Zahnoberfläche durch die Applikation fluoridierter Zahn-
einem ständigen Anstieg der Fluoridkonzentration des Ske- pasta und Mundpflegepräparate zustande. Daneben gelangt
letts. Beim erwachsenen Menschen werden durchschnitt- Fluorid nach seiner Resorption über das Blut in den Spei-
lich 30% des aufgenommenen Fluorids im Skelett eingela- chel. In diesen wird es zwar nur in geringeren Konzentra-
gert, der Rest mit dem Urin ausgeschieden. Gleichzeitig tionen, dafür aber ständig freigesetzt.
wird durch die Aktivität der Osteoklasten ebenso viel Fluo- Daneben kann Fluorid den bakteriellen Kohlenhydrat-
rid mobilisiert und durch die Nieren ausgeschieden, wie stoffwechsel hemmen, indem es als Flusssäure in das Bak-
durch den Knochenanbau fixiert wird. Bei höherer Fluorid- terium eindringt und zu einer Übersäuerung des Cytoplas-
aufnahme stellt sich die Fluoridkonzentration im Knochen mas führt. Dies kann zu einer Hemmung der Glykolyse und
auf ein höheres Niveau ein, jedoch bleibt die Fluoridbilanz des Zuckertransports in das Bakterium führen.
selbst beim Konsum eines Trinkwassers mit einem Gehalt Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt die
von 6–8 mg (315 bis 420 mmol) Fluorid/Liter noch ausge- generelle Fluoridanwendung zur Prophylaxe der Karies, die
glichen. Eine Fluoridakkumulation in Organen und ande- die häufigste chronische und progressive Krankheit bei
ren Weichgeweben findet nicht statt. Kindern und Jugendlichen darstellt. Nach den Erfahrungen
in Nordamerika, Holland, Schweden und der ehemaligen
! Karies entsteht durch Demineralisierung der Zahnober-
DDR scheint die Trinkwasserfluoridierung die wirkungs-
fläche.
vollste Form der systematischen Fluoridverabreichung zu
Die Zahnhartsubstanz (Schmelz und Dentin) stellt ein sein. Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurde
schwer lösliches Salz in einer wässrigen Lösung (Speichel) schon 1974 die gesetzliche Grundlage zur Einführung der
dar. Normalerweise besteht an der Zahnoberfläche ein Trinkwasserfluoridierung geschaffen. Da diese jedoch nicht
Gleichgewicht zwischen De- und Remineralisierung. Die- realisiert worden ist, erfolgt die individuelle Kariesprophy-
ses Gleichgewicht geht jedoch bei Plaquebesiedelung und laxe durch Fluoridtabletten, fluoridiertes Speisesalz und
zuckerreicher Ernährung verloren. Die Plaques bestehen lokale Fluoridapplikation durch fluoridhaltige Zahnpasta.
aus Ablagerungen hochmolekularer Dextrane, in denen
! Fluorid wird auch zur Behandlung der Osteoporose
säurebildende Bakterien am Zahnschmelz haften. Die
eingesetzt.
Dextrane werden hauptsächlich durch bestimmte anaerobe
Streptokokken synthetisiert, denen Saccharose (7 Kap. 2.1.3) Ein Teil der Wirkung von Fluorid wird über die Verdrän-
als Substrat dient. Der wesentliche zweite Schritt bei der gung von Hydroxyl- durch Fluoridionen erzielt, gleichzeitig
Kariesbildung beruht auf der Bildung von Säuren (Lactat) hemmt Fluorid aber auch eine spezifische Phosphotyrosin-
aus niedermolekularen Kohlenhydraten wie Saccharose Phosphatase in den Osteoblasten, die neue Knochenmatrix
durch Streptokokken und Lactobacillen (anaerobe Glyco- synthetisieren.
lyse) in der Plaque. Aufgrund der Säureproduktion über- Die Zahnfluorose ist die häufigste Nebenwirkung einer
wiegt die Demineralisierung, sodass sich zunächst eine erhöhten Fluoridzufuhr. Infolge einer Störung der Amelo-
kariöse Läsion bildet, die schließlich in eine Kavität über- blastentätigkeit kommt es zu einer fleckenförmigen Unter-
geht. Die Demineralisierung wird durch die Protonierung entwicklung des Zahnschmelzes (gesprenkelte Zähne). Die
des Phosphats im Apatit von Schmelz und/oder Dentin ein- Zahnfluorose tritt nur bei Fluoridzufuhr während der
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
675 22

Zahnbildung auf, also innerhalb der ersten 8–10 Lebens- fuhr korreliert. Der Sollwert der Jodausscheidung liegt bei
jahre; ältere Kinder und Erwachsene können nicht mehr an 150 μg/Tag. Tatsächlich liegt die mittlere Jodausscheidung
Zahnfluorose erkranken. in Deutschland nur bei etwa 60 μg/Tag.
Eine besondere Bedeutung besitzt die ausreichende
Jodversorgung während der Schwangerschaft und der Still-
22.2.8 Jod zeit, da eine Steigerung des mütterlichen Grundumsatzes
auftritt und die fetale Schilddrüse etwa ab der 12. Schwan-
Die einzig bekannte Funktion von Jod ist die eines essen- gerschaftswoche mit der eigenen Hormonsynthese be-
tiellen Bestandteils der Schilddrüsenhormone Tri- und ginnt.
Tetrajodthyronin (Thyroxin, 7 Kap. 27.2.4). Experten plädieren deshalb für die gesetzliche Einfüh-
rung der Jodprophylaxe mit Hilfe von jodiertem Kochsalz.
! 75% des Gesamtkörperjods finden sich in der Schild-
Solange hierfür noch keine gesetzliche Grundlage existiert,
drüse.
sollen alle Ärzte an der Aufklärung der Bevölkerung aktiv
In der Nahrung liegt Jod vorwiegend als anorganisches Jo- teilnehmen, das jodierte Kochsalz freiwillig zu benutzen.
did vor und wird in dieser Form fast vollständig im Magen- Mit Jodid angereichertes Kochsalz enthält 15–25 μg/g, d.h.
Darm-Trakt resorbiert. Die meisten Nahrungsmittel mit bei einem täglichen Salzverbrauch von 5 g beträgt die Jo-
Ausnahme von Meerfisch enthalten wenig Jod. Im Blut ist didzufuhr 75–125 μg. Es besteht auch keine Gefahr einer
die Konzentration des anorganischen Jodids sehr niedrig jodinduzierten Überfunktion der Schilddrüse, die erst bei
[0,08–0,60 μg/100 ml (6–47 nmol/l)], der Hauptteil ist or- täglichen Dosen von mehr als 500 μg (4 mmol) auftritt.
ganisches Jod in Form der Schilddrüsenhormone, von de-
nen nur etwa 1‰ nicht an Trägerproteine des Plasmas ge-
bunden sind. Etwa 75% des gesamten Körperjods [10– 22.2.9 Chrom
20 mg (79–158 μmol)] finden sich in der Schilddrüse.
Damit ist eine einzigartige Anreicherung eines Spurenele- ! Chrom verbessert die Glucosetoleranz.
ments in einem Organ gegeben, da die Schilddrüse nur
etwa 0,05% des Körpergewichts ausmacht. Diese Anreiche- Über die biochemische Funktion von Chrom ist bisher nur
rung wird durch die Gegenwart von Jodidtransportern wie wenig bekannt. Bei Ratten, die chromarm ernährt werden,
dem Natrium/Iodid-Symporter (NIS) oder Pendrin er- tritt eine Beeinträchtigung der Glucosetoleranz (7 Kap. 16.1.3)
möglicht (7 Kap. 27.2.4). auf, die sich durch Chromgaben wieder beheben lässt. Es
Interessanterweise wird der NIS auch in der laktieren- wurde spekuliert, dass ein chromhaltiger Glucosetoleranz-
den Mamma (Jodidausscheidung in die Milch) und beim faktor existiert; dieser konnte aber bisher nicht isoliert
Mammakarzinom stark exprimiert. werden. Tierexperimenteller Chrommangel führt zu Wachs-
Der Rest des Jods findet sich in der Muskulatur, Galle, tumsstörungen und Beeinträchtigungen des Glucose-, Fett-
Hypophyse, in Speicheldrüsen und bestimmten Teilen des und Proteinstoffwechsels. Beim Menschen werden Störun-
Auges, insbesondere dem Fettgewebe der Augenhöhle und gen der Glucosetoleranz beobachtet.
dem M. orbicularis. Beim Abbau der Schilddrüsenhormo-
! Chrom kann zur Markierung von Erythrozyten verwen-
ne freigesetztes Jod kann für die Biosynthese dieser Hormo-
det werden.
ne reutilisiert werden.
Die Jodausscheidung erfolgt hauptsächlich mit dem Chrom wird nur in geringem Ausmaß resorbiert, wobei die
Urin, daneben auch mit dem Schweiß und den Faeces. Bei Resorption von sechswertigem Chrom besser als die von
ausreichender Jodzufuhr [100–200 μg (0,79–1,58 μmol)/ dreiwertigem ist.
Tag] mit der Nahrung soll die Jodausscheidung im Urin 4 Das resorbierte sechswertige Chromanion tritt durch
zwischen 75 und 150 μg (0,59 und 1,18 μmol)/Tag liegen. die Erythrozytenmembran und bindet an den Globin-
anteil des Hämoglobins
! Der Jodmangel ist weit verbreitet.
4 Dagegen kann das dreiwertige Chromkation nicht die
Jodmangel, der in Deutschland wegen des niedrigen Jodid- Erythrozytenmembran durchdringen und bindet an
gehalts der Böden und damit auch der Agrarprodukte häu- β-Globulin und Transferrin
fig auftritt, führt zu einer als endemische Struma bezeich-
neten Störung der Schilddrüsenfunktion (7 Kap. 27.2.9), da Diese Beobachtungen führten zur Entwicklung von Metho-
der Schilddrüse nicht genügend Bausteine angeboten wer- den, mit denen durch Chrommarkierung die Lebensdauer
den. Daher wurde in verschiedenen Staaten die Strumapro- von Erythrozyten und Plasmaproteinen bestimmt werden
phylaxe durch jodiertes Kochsalz (Vollsalz) gesetzlich ein- kann. Die Chromausscheidung erfolgt vorwiegend mit dem
geführt. Urin, in kleinen Mengen auch mit der Galle, durch den
Zur Erfassung des Jodstatus ist die Jodausscheidung in Darm und die Haut. Über die Chromverteilung in Ge-
den Urin ein wichtiger Parameter, da sie eng mit der Jodzu- weben ist nur wenig bekannt. Interessanterweise nimmt
676 Kapitel 22 · Spurenelemente

der Chromgehalt des Organismus [normal etwa 6 mg


(115 μmol)] – im Gegensatz zu den meisten anderen Spu-
renelementen – mit zunehmendem Alter ab.

22
22.2.10 Selen

! Selen ist als Selenocystein Bestandteil von Proteinen.


. Abb. 22.13. Funktion der Glutathionperoxidase bei der Elimi-
Beim Menschen sind mindestens 30 Selenoproteine be- nierung von Lipidperoxiden. Die Glutathionperoxidase reduziert
kannt: dazu gehören die Familien der Glutathion-Peroxida- organische Peroxide, z.B. Lipidperoxide. Für die Glutathionregenerie-
sen (GPX), Thioredoxin-Reduktasen und Thyroxin-Dejo- rung wird als Hilfsenzym die Glutathion-Reduktase benötigt, für die
NADPH+/Regenerierung beispielsweise die Glucose-6-phosphatdehy-
dasen (7 Kap. 27.2.6). In diesen kommt Selen als Selenocy- drogenase. GSH Glutathion, reduziert; GS-SG Glutathiondisulfid
stein vor, das bei physiologischem pH-Wert vollständig
ionisiert ist und damit als sehr effektiver Redox-Katalysa-
tor wirkt. langt. Am höchsten sind die Selenkonzentrationen in der
Die Biosynthese von Selenocystein unterscheidet sich Schilddrüse, darauf folgen Nierenrinde, Pankreas, Hypo-
von der aller anderen Aminosäuren. Zunächst wird die physe und Leber. Ausgeschieden wird Selen mit den Faeces,
für den Einbau von Selenocystein in Proteine benötigte dem Urin und mit der Ausatmungsluft. Die Deutsche Ge-
tRNAsec mit der Aminosäure Serin beladen, sodass Ser- sellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Selenzu-
tRNAsec entsteht. Dieses wird in einer weiteren, komplexen fuhr von 100 μg, die jedoch mit den mit der Nahrung auf-
Reaktion unter Verwendung von Selenphosphat in Sec- genommenen Mengen nicht gedeckt wird. Nahrungsmittel
tRNAsec umgewandelt und in Selenoproteine eingebaut. Bei mit hohem Selengehalt sind Eigelb, Fisch und Fleisch. Selen
der Biosynthese der Selenoproteine verwendet Sec-tRNAsec besitzt im Vergleich zu anderen Spurenelementen eine rela-
das Codon UGA, welches normalerweise als Stopcodon tiv geringe therapeutische Breite, da bereits ab der zehn-
dient (7 Kap. 9.1.2). Beispiele für Selenoenzyme sind: fach empfohlenen Tagesdosis toxische Wirkungen auf-
4 Die Glutathionperoxidasen sind wichtige Bestandteile treten.
des antioxidativen Schutzsystems aller Zellen, kommen
! Selenmangel beeinträchtigt die Schilddrüsenfunktion.
aber auch im Extrazellulärraum vor (GPX 3) (. Abb.
22.13). Ihre besondere Bedeutung liegt in der Eliminie- Da Selen essentieller Bestandteil eines wichtigen Enzyms
rung von Lipidperoxiden, die durch Protonierung von des Schilddrüsenhormonstoffwechsels ist, führt ein Selen-
organischen Dioxyl-Radikalen entstehen (7 Kap. 15.3). mangel zur Beeinträchtigung der Bildung von Trijodthyro-
Das Enzym kommt in verschiedenen Isoformen (GPX nin. Auf der anderen Seite hemmt die orale Verabreichung
1–6) vor, von denen einige mit durch Peroxidation ge- von Selen die Produktion von Autoantikörpern gegen die
schädigten Membranphospholipiden, andere dagegen Thyreoperoxidase (7 Kap. 7.4.2). Wie die Schädigung der
mit oxidierten Lipiden in Lipoproteinen reagieren Herz- und Skelettmuskulatur zustande kommt, die bei
4 Thioredoxin-Reduktasen sind Proteine, die Thiol-Di- den in China endemischen Selenmangelerkrankungen
sulfid- Austauschreaktionen katalysieren. Sie spielen (Keshan- und Kashin-Beckkrankheit) beobachtet wird, ist
z.B. für die Ribonucleotidreduktase (7 Kap. 19.1.3), aber noch unklar. Selenmangel wird auch als Folge langandau-
auch für die Ausbildung von Disulfidbrücken bei der ernder parenteraler Ernährung und bei Malabsorptionen
Proteinfaltung eine wichtige Rolle beobachtet.
4 Thyroxin-Dejodasen katalysieren die Entfernung von Da Selen immunmodulierende Wirkungen aufweist,
Jod aus der 5- bzw. 5’-Position von Thyroxin und spie- wird die Gabe von Selen zur Krebsprophylaxe und Unter-
len somit eine wichtige Rolle bei Biosynthese und Ab- stützung von Tumortherapien propagiert.
bau der Schilddrüsenhormone in verschiedenen Gewe-
ben (7 Kap. 27.2.6)
22.2.11 Cadmium
! Selen besitzt eine relativ geringe therapeutische Breite.

Die Resorption von Selen wird durch die Wertigkeit und ! Cadmium gehört zu den in geringen Mengen toxischen
Verbindung, in der es vorliegt (gute bei Natrium-Selenit, Spurenelementen.
schlechter bei Selenocystein und Selenmethionin), sowie
die Menge des zugeführten Elements bestimmt. Im Blut Bisher sind keine cadmiumenthaltenden Metallenzyme be-
erfolgt der Transport durch die Bindung an Plasmaproteine schrieben worden. In Leber, Nieren und anderen Organen
(Selenoprotein P), wonach Selen in alle Gewebe einschließ- des Menschen findet sich eine Familie von Proteinen, die
lich Knochen, Haare, Erythrozyten und Leukozyten ge- Cadmium und Zink binden und als Metallothioneine be-
22.2 · Die einzelnen Spurenelemente
677 22

zeichnet werden. Metallothionein enthält 20 Cysteinylreste 22.2.12 Blei


(bei insgesamt 62 Aminosäuren). Es bindet 7 Atome Cad-
mium und/oder Zink pro Proteinmolekül. Daneben wer- Blei ist in Pflanzen und Böden weit verbreitet. In den Men-
den auch Kupfer und Quecksilber gebunden. Da Cadmi- schen gelangt es über Nahrungsmittel, die praktisch nicht
umionen die Biosynthese des Metallothioneins aktivieren, mehr bleifrei sind, und die Atemluft. In der Bundesrepublik
wird diesem Protein eine Funktion bei der Bindung über- beträgt die tägliche Bleizufuhr mit der Nahrung etwa 250 μg
schüssiger Cadmiummengen zugeschrieben. Dabei werden (1,2 μmol). Dazu kommt das mit der Atemluft aufgenomme-
die schädlichen Cadmiumionen durch die Bindung an das ne Blei, dessen Menge dank der Verwendung bleifreier Kraft-
Protein eingekapselt und nur sehr langsam wieder ausge- stoffe seit 1970 auf etwa ein Zehntel zurückgegangen ist.
schieden. Daneben induzieren auch Dem entsprechend sind auch die Bleispiegel im Blut zurück-
4 andere Metalle wie Zink, Kupfer oder Wismut gegangen und liegen jetzt bei etwa 33 μg/l (0,15 μmol/l) bei
4 Hormone (Cortisol, Adrenalin) und Kindern und 45,3 μg/l (0,21 μmol/l) bei Erwachsenen. Als
4 Cytokine (Interleukin-1, Interleukin-6) Grenzwert, ab dem mit gesundheitlichen Schädigungen zu
rechnen ist, gelten Werte über 150 μg/l (0,7 μmol/l). Die Wir-
die Metallothioneinsynthese, d.h. das Protein wird im Rah- kung von Blei kommt durch Bindung an Sulfhydrylgruppen
men einer allgemeinen Stressantwort vermehrt gebildet. von Enzymen und Struktur-Proteinen zustande. Viele der
toxischen Wirkungen dieses zweiwertigen Kations beruhen
! Der Stoffwechsel des Cadmiums interferiert mit dem
zudem auf seiner Ähnlichkeit mit Calcium, dessen Effekte es
ähnlicher Metalle.
hemmen oder auch imitieren kann. Die wichtigsten toxi-
Über Aufnahme und Ausscheidung von Cadmium liegen schen Wirkungen spielen sich am Gehirn und peripheren
bisher keine gesicherten Erkenntnisse vor. Der Gesamtbe- Nervensystem ab. Da die δ-ALA-Dehydratase, ein Schlüsse-
stand des Organismus an Cadmium beträgt etwa 30 mg lenzym der Porphyrinbiosynthese (7 Kap. 20.1.2), durch Blei
(270 μmol), davon findet sich 1/3 in den Nieren und etwa gehemmt wird, ist die Ausscheidung von δ-Aminolävulinat
4 mg (36 μmol) in der Leber (Metallothionein), der Rest in in den Urin ein wichtiger Indikator einer Bleivergiftung.
Pankreas, Milz, Placenta und Milchdrüsen. Cadmium be- Die Bleiausscheidung aus dem Organismus erfolgt über
einflusst aufgrund seiner chemischen Ähnlichkeit den die Nieren, ein Teil des Bleis wird auch im Knochen gespei-
Stoffwechsel von Zink, Kupfer und anderen Metallen. chert.
Die akute Bleivergiftung (hohe Blut-Bleispiegel verur-
! Cadmium ist ein Kumulationsgift.
sacht durch bleihaltiges Geschirr, bestimmte Kosmetika) ist
Im Tierexperiment ist Cadmium – wahrscheinlich auch durch Anämie (Beeinträchtigung der Porphyrinsynthese
aufgrund seiner zink- und kupferantagonistischen Wir- verursacht Hämoglobinmangel), Koliken, Lähmungen und
kung – toxisch: Beschrieben wurden kardiovaskuläre Er- Bewusstseinseinschränkungen gekennzeichnet. Die Be-
krankungen (Bluthochdruck), Nierenleiden, Hodennekro- handlung der Vergiftung erfolgt mit Komplexbildnern, die
se, Fehlgeburten und angeborene Missbildungen. In Japan Blei zur Ausscheidung in den Urin mobilisieren.
trat Ende der 50er Jahre eine cadmium-induzierte tödliche
Krankheit auf, die durch Decalcifikation der Skelettkno-
chen und Frakturen (Itai-Itai-Krankheit) gekennzeichnet 22.2.13 Quecksilber
war. Nach epidemiologischen Studien sind in Gebieten mit
hohem Cadmiumgehalt der Luft (Industrieabgase) Todes- Quecksilber wird industriell als Katalysator verwendet. Mit
fälle an hypertonischen, kardiovaskulären Leiden signifi- Abwässern in Seen und Flüsse gelangtes metallisches
kant höher, da das Metall offenbar in die Nahrungskette Quecksilber wird von Mikroorganismen in Dimethyl-
gelangt. Cadmiumverbindungen werden auch für Dekors quecksilber überführt, das über den Fischverzehr in den
von Porzellan- und Keramikgeschirr verwendet. Dieses Menschen gelangt. Aufgrund seiner Lipidlöslichkeit (hy-
Cadmium kann von der Geschirrglasur beim Kochen abge- drophobe Methylgruppen!) kann es die Blut-Hirn-Schran-
geben werden, sich im Magen mit der Salzsäure zum gif- ke passieren und damit im ZNS akkumulieren. Quecksilber
tigen Cadmiumchlorid umsetzen und in den Organismus ist zu etwa 50% in dem Zahnfüllmaterial Amalgam enthal-
eintreten. Da Cadmium im Meerwasser enthalten ist, neh- ten (der Rest besteht aus einer Mischung von Silber, Zinn,
men z.B. auch Miesmuscheln, die pro Stunde bis zu 40 l Kupfer und Zink). Amalgamfüllungen setzen kontinuier-
Wasser filtern, dieses Schwermetall auf. Von allzu häufigem lich kleine Mengen Quecksilberdampf frei, der durch Na-
Verzehr von Muscheln wird deshalb abgeraten. Cadmium sen- und Mundschleimhäute und alveolar resorbiert wird.
ist ein typisches Kumulationsgift, das erst nach Jahren oder Wie Dimethylquecksilber kann Quecksilber-Dampf in das
Jahrzehnten manifeste Organschäden hervorruft. Zielor- Gehirn gelangen, wo es zu der toxischen Form Hg2+ oxi-
gan sind die Nieren, in denen es aufgrund seiner langen diert wird, die – wie Blei – an Thiolgruppen bindet. Damit
Halbwertszeit angereichert und praktisch nicht mehr aus- trägt Amalgam wesentlich zur Quecksilberbelastung des
geschieden wird. Menschen bei.
678 Kapitel 22 · Spurenelemente

In Kürze
5 Zink ist Cofaktor von mehr als 300 Enzymen. Dazu ge- Mangelzustände häufig zu einer Beeinträchtigung der
hören Metalloproteinasen, die Komponenten der ex- Schilddrüsenfunktion führen
22 trazellulären Matrix abbauen, und Transkriptionsfak- 5 Chrom soll die Glucosetoleranz verbessern und Selen
toren. Ein Zinkmangel, der z.B. bei parenteraler Ernäh- ist Bestandteil antioxidativer Schutzsysteme
rung oder Resorptionsstörungen auftritt, kann die 5 Einige Spurenelemente, die vom Menschen nicht be-
Immunantwort beeinträchtigen nötigt werden, sind bereits in geringen Mengen schäd-
5 Fluorid besitzt eine kariesprotektive Wirkung und lich. Dazu gehören Cadmium, Blei und Quecksilber,
wirkt durch Einbau in die anorganische Substanz im die bei chronischer Exposition im Körper akkumulieren
Knochen der Osteoporose entgegen und dadurch toxisch wirken
5 Jodid ist obligater Bestandteil der Schilddrüsenhor-
mone, sodass in Jodmangelgebieten wie Deutschland

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