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32 Gastrointestinaltrakt
Georg Löffler, Joachim Mössner
Literatur – 1080
1054 Kapitel 32 · Gastrointestinaltrakt
Der Gastrointestinaltrakt ist eines der komplexesten Organsysteme des menschlichen Organismus. Er ist von vitaler Bedeutung
für sämtliche Lebensvorgänge, da er für die Aufnahme der Nahrungsstoffe und damit für die Aufrechterhaltung der Energiezu-
fuhr des Organismus verantwortlich ist.
Die Nährstoffe können i. Allg. in der angebotenen Form vom Organismus nicht aufgenommen werden, da es sich um hoch-
molekulare bzw. nicht oder nur schwer wasserlösliche Verbindungen handelt. Die Aufgabe der Verdauungsvorgänge im Ma-
gen-Darm-Trakt besteht darin, die Nahrungsstoffe zu einer für die anschließende Resorption im Duodenum, Jejunum und Ile-
um geeigneten Form abzubauen. Dies geschieht durch hydrolytische Spaltung der hochmolekularen Verbindungen in ihre
monomeren Bausteine. Sie erfolgt durch die in den verschiedenen Verdauungssäften des Magen-Darm-Traktes und in der
Dünndarmmukosa enthaltenen Enzyme, deren Wirkung durch Milieubedingungen wie die Salzsäurekonzentration des Magens
oder die Gallensäuren des Dünndarms beeinflusst wird. Die bei der Hydrolyse der Nahrungsstoffe entstehenden monomeren
Einheiten werden von den Zellen der Dünndarmmukosa resorbiert und gelangen dadurch in die Blutbahn bzw. in das Lymph-
system, von wo aus sie über den gesamten Organismus verteilt werden.
. Abbildung 32.1 zeigt die Vorgänge bei der Salzsäuresekre- Die für die Salzsäureproduktion benötigten Protonen
tion durch die Parietalzellen. Morphologisch zeichnen sich werden mit Hilfe der Carboanhydrase aus CO2 und H2O
diese durch ein spezifisches vesikuläres System aus, dessen gebildet. Das dabei entstehende Hydrogencarbonat wird
Membranen nach Stimulierung der Belegzellen mit den durch einen auf der basolateralen Seite der Belegzellen lo-
Membranen eines intrazellulären Kanalsystems fusionie- kalisierten Antiporter gegen Chloridionen ausgetauscht,
ren. Dieses stellt die Verbindung mit der luminalen Seite die über einen speziellen Chloridkanal in das Lumen abge-
der Belegzellen her. In die Vesikelmembranen ist eine Pro- geben werden. Auch die für das Funktionieren der Proto-
tonenpumpe integriert, welche unter ATP-Verbrauch Pro- nenpumpe notwendigen K+-Ionen gelangen durch einen
tonen im Austausch mit Kaliumionen gegen einen erhebli- entsprechenden Kanal auf die luminale Seite der Beleg-
chen Konzentrationsgradienten ins Lumen transportiert. zellen.
Die Protonenkonzentration im Magensaft kann bis etwa Die Salzsäure spielt eine wichtige Rolle in der Pathoge-
0,1 mol/l entsprechend einem pH-Wert von 1 betragen. nese von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren und
Da die Protonenkonzentration intrazellulär bei etwa der Reflux-Ösophagitis. Daher war die Aufklärung der
10–7 mol/l (pH 7,0) liegt, entspricht dies einem Konzentra- Struktur der Protonenpumpe des Magens sowie der Regu-
tionsgradienten von etwa 106. Die für den Austausch benö- lation ihrer Expression von großer Bedeutung. . Abbil-
tigte Energie entstammt der Hydrolyse von ATP mit einer dung 32.2a zeigt die aus der Aminosäuresequenz abgeleitete
Stöchiometrie von je 2H+ bzw. K+ pro ATP. Membrantopologie der Protonenpumpe. Es handelt sich
1056 Kapitel 32 · Gastrointestinaltrakt
. Abb. 32.4. Domänenstruktur des Mucin 1. Das MUC1-Gen be- Aminosäuren Threonin und Serin kommen besonders häufig vor und
steht aus 7 Exons und hat eine Größe von ungefähr 6 kb. Die zugehöri- werden nach der Translation zum großen Teil glycosyliert. An die
ge mRNA umfasst eine Signalsequenz (SIG) sowie eine für den Einbau cytosolische Domäne (CYT) schließt sich eine nicht translatierte Se-
in die Plasmamembran notwendige Transmembrandomäne (TM). quenz UT an. T = Threonin; S = Serin; P = Prolin; Y = Tyrosin (modifiziert
Die glycosylierte Region enthält eine core region aus 41 repetitiven nach Patton S, Gendler SJ, und Spicer AP 1995)
Sequenzen (dunkelblau) aus je 60 Basenpaaren. Die Codons für die
pH-Optimum von 3,0. Seine Funktion dürfte dem im Ma- zellen produzierten Mucin 1 dar, welches durch eine Trans-
gen von jungen Wiederkäuern vorkommenden Renin membranhelix in der Membran verankert ist. Auffallend an
(Labferment, Chymosin) entsprechen. Das wichtigste Subs- dem Mucinmolekül sind repetitive Aminosäuresequenzen,
trat dieser Protease ist das lösliche Casein (Caseinogen) der in denen Seryl- und Threonylreste etwa 25–30% der Ami-
Milch, das durch leichte Proteolyse in das unlösliche Casein nosäuren ausmachen und als Träger von Kohlenhydratsei-
(Paracasein) umgewandelt wird. tenketten dienen.
Außer diesen Proteasen produzieren die Hauptzellen Im Magen kommen darüber hinaus weitere Mucine vor,
noch die Magenlipase. Das pH-Optimum dieses Enzyms die nicht membranverankert sind, sondern sezerniert wer-
liegt bei 4–7, aber es ist relativ säurestabil, da auch bei ei- den. Ein Beispiel hierfür ist das Mucin 6 (. Abb. 32.5). Es
nem pH von 2 noch kein Aktivitätsverlust eintritt. Für die zeigt in der glycosylierten Domäne repetitive Aminosäure-
Fettverdauung beim Erwachsenen spielt es wahrscheinlich sequenzen, die 30% Threonin und 18% Serin enthalten.
keine sehr große Rolle. Man nimmt dagegen an, dass die Diese sind in O-glycosidischer Bindung mit Kohlenhydrat-
Magenlipase bei Säuglingen zur Hydrolyse der Milchlipide ketten von durchschnittlich 12 Zuckerresten Länge ver-
herangezogen wird, da dieses Enzym eine besondere Affi- knüpft, was einem sehr hohen Glycosylierungsgrad ent-
nität zu Triacylglycerinen mit kurzkettigen Fettsäuren spricht. Über die Cysteinylreste kommen Quervernetzun-
(Kettenlänge 4–8 C-Atome) hat, wie sie in der Milch vor- gen zwischen Mucinmonomeren zustande, die ein Grund
kommen. für die besonders hohe Viskosität der Mucinschicht sind.
Eine Reihe von Untersuchungen hat gezeigt, dass die
! Die Produktion von Mucinen ist eine Funktion der Ne-
Mucinschicht des Magens tatsächlich dafür verantwortlich
benzellen.
ist, dass ein pH-Gradient von einem pH-Wert von 1–2 im
Seitdem Ferchault de Reaumur im 18. Jahrhundert zeigte, Magenlumen bis zu 6–7 an der Zelloberfläche aufrecht er-
dass Magensaft Fleisch verdauen kann, hat es Physiologen halten werden kann. Man nimmt an, dass die von den Be-
und Kliniker beschäftigt, warum der Magen sich nicht legzellen synthetisierte Salzsäure als wässrige Lösung durch
selbst verdaut. Eine Erklärung für dieses Phänomen liefert kanalähnliche Strukturen der Mucinschicht an die lumina-
die Tatsache, dass viele Epithelien von Säugern eine etwa le Oberfläche des Magens gelangt und sich dort ausbreitet.
200–500 μm dicke Schleimschicht synthetisieren können, Eine Diffusion von Salzsäure erfolgt dann nicht oder nur
die zwischen dem Epithel und der Umgebung lokalisiert ist. sehr langsam.
Den wichtigsten Bestandteil dieser Schleimschicht bilden
die sog. Mucine. Mucine sind Glycoproteine mit Molekül-
massen von vielen hunderttausend, die sich durch einen 32.1.3 Pankreassekrete
besonders hohen Gehalt an O-glycosidisch verknüpften
Saccharidseitenketten auszeichnen (mehr als 50% der Feste Nahrungsbestandteile werden durch die Motilität des
Masse). Bis heute sind die Gene von 12 unterschiedlichen Magenantrums (»Antrummühle«) auf eine Partikelgröße
Mucin-Proteinen kloniert und analysiert worden. . Abbil- kleiner als 2 mm zermahlen und dann über den Pylorus in
dung 32.4 stellt die Domänenstruktur des von den Neben- das Duodenum abgegeben. So wird der Mageninhalt oder
1058 Kapitel 32 · Gastrointestinaltrakt
. Abb. 32.5. Schematischer Aufbau des gastrischen Mucins 6. den (verzweigte Strukturen). Die dargestellten Disulfidbrücken sind
Der glycosylierte Anteil ist hervorgehoben und besteht überwiegend inter- und intramolekular lokalisiert (modifiziert nach Bansil R, Stanley
aus O-glycosidisch verknüpften Oligosacchariden (wellenförmige E, LaMont JT 1995)
Linien) sowie aus wenigen N-glycosidisch verknüpften Oligosacchari-
Chymus, der von cremiger Konsistenz ist, schubweise in aktiviert Trypsinogen zu Trypsin. Die Umwandlung von
das Duodenum befördert und mischt sich dort mit dem Chymotrypsinogen zu Chymotrypsin sowie der Procarb-
duodenalen Verdauungssaft, einer Mischung aus den Se- oxypeptidasen zu Carboxypeptidasen erfolgt unter Kata-
kreten der Mukosa sowie der Brunner-Drüsen des Duode- lyse von Trypsin.
nums, der Gallenflüssigkeit und des Pankreassekrets. Wie Pepsin sind Trypsin und Chymotrypsin Endopep-
tidasen, allerdings mit einem pH-Optimum zwischen 7,5
! Alle wichtigen Verdauungsenzyme werden im Pankreas
und 8,5. Denaturierte Proteine werden besonders leicht ge-
gebildet.
spalten. Unter der Einwirkung von Trypsin und Chymo-
Beim Menschen werden in Abhängigkeit von der Nah- trypsin werden die durch die peptische Aktivität des Ma-
rungszufuhr pro Tag etwa 3000 ml Pankreassaft sezerniert, gensaftes entstandenen Proteinbruchstücke in kleinere
dessen Enzymgehalt in . Tabelle 32.1 dargestellt ist. Unter Polypeptide zerlegt. Über die Substratspezifität von Trypsin
seinen anorganischen Bestandteilen ist von besonderer Be- und Chymotrypsin 7 Kap. 3.2.3.
deutung der hohe Hydrogencarbonatgehalt, der dem Pan- Die Exopeptidase Carboxypeptidase ist ein Zinkprote-
kreassaft sein typisches alkalisches Milieu von etwa pH 8,0 in mit einer Molekülmasse von 34 kDa, das vom Pankreas
verleiht und zur Neutralisierung des sauren Mageninhalts ebenfalls als inaktive Vorstufe (Procarboxypeptidase, Mo-
32 beiträgt. lekülmasse 90 kDa) sezerniert und erst durch die Einwir-
kung von Trypsin aktiviert wird. Das Enzym spaltet die am
! Die Proteasen des Pankreas werden als inaktive Proen-
Carboxylende stehenden Aminosäuren von Polypeptiden
zyme sezerniert.
ab. Man unterscheidet zwei pankreatische Carboxypeptida-
Von besonderer Bedeutung für die Verdauung sind die im sen:
Pankreassaft reichlich vorhandenen proteolytischen En- 4 die Carboxypeptidase A hat eine besondere Affinität zu
zyme. Es handelt sich um die aromatischen Endgruppen (Phenylalanin, Tyrosin,
4 Endopeptidasen Trypsin und Chymotrypsin Tryptophan)
4 Exopeptidasen Carboxypeptidase A und B sowie 4 die Carboxypeptidase B zu basischen Endgruppen (Ly-
4 Elastase sin, Arginin, Histidin)
! Andere hydrolytische Enzyme des Pankreassekrets
Diese werden in den exokrinen Zellen (Acinuszellen) des
spalten Glycogen, Lipide oder Nucleinsäuren.
Pankreas in Form inaktiver Proenzyme synthetisiert und
intrazellulär in den Zymogengranula gespeichert. Außer den proteolytischen Enzymen enthält das Pankreas-
Ähnlich wie Pepsinogen zeichnen sich die inaktiven sekret Hydrolasen zur Aufspaltung von Kohlenhydraten,
Vorstufen Trypsinogen, Chymotrypsinogen und die Pro- Lipiden und Nucleinsäuren. Die Pankreasamylase ent-
carboxypeptidasen gegenüber den aktiven Enzymproteinen spricht in ihren Eigenschaften dem Ptyalin. Es handelt sich
dadurch aus, dass sie aus einer längeren Peptidkette beste- um eine Endoamylase oder D-Amylase, die die 1,4-D-gly-
hen und durch Abspaltung von Teilsequenzen aktiviert cosidischen Bindungen in Polysacchariden wie Stärke oder
werden (7 Kap. 4.5.3). Normalerweise findet dieser Vor- Glycogen aufspaltet. Da das Enzym die 1,6-glycosidischen
gang erst im Duodenum statt. Die in der intestinalen Mu- Bindungen nicht zu spalten vermag und seine Affinität
kosa produzierte Enteropeptidase (früher Enterokinase), zum Substrat mit Abnahme der Kettenlänge des Polysac-
ein Glycoprotein mit einem Kohlenhydratanteil von 45%, charidmoleküls geringer wird, sind ihre Reaktionspro-
32.1 · Gastrointestinale Sekrete
1059 32
dukte unterschiedlich große Bruchstücke der Polysaccha- ist zur Fettverdauung unbedingt erforderlich. Das Enzym
ridmoleküle. katalysiert bevorzugt die hydrolytische Abspaltung der in
Die D-Amylase wird in geringen Mengen an das Blut 1- bzw. 3-Positionen (D bzw. Dc-Position) stehenden Fett-
abgegeben und wegen ihres niedrigen Molekulargewichts säuren aus den Triacylglycerinen, die dabei entstehenden
mit dem Urin ausgeschieden. E-Monoacylglycerine spielen bei der Fettverdauung als
Die Pankreaslipase ist zur Hydrolyse von Triacylglyce- Emulgatoren eine wichtige Rolle. Weitere an der Lipidver-
rinen imstande, wobei als Reaktionsprodukte v.a. Mono- dauung beteiligte Pankreasenzyme sind die Carboxyleste-
acylglycerine, daneben Fettsäuren, Glycerin und in gerin- rase, die u.a. die Hydrolyse der Cholesterinester katalysiert,
gem Umfang Diacylglycerine entstehen. Ihre Anwesenheit sowie Phospholipasen.
1060 Kapitel 32 · Gastrointestinaltrakt
32
Die wichtigsten Gallensäuren der menschlichen Galle Die Gallensäuren besitzen eine Reihe wichtiger Stoffwech-
sind selfunktionen. Für die Fettverdauung stellen sie eine uner-
4 Cholsäure und lässliche Komponente dar, da sie im Duodenum mit den
4 Chenodesoxycholsäure unter der Einwirkung der Pankreaslipase entstehenden
Fettsäuren und Monoacylglycerinen Mizellen bilden. Die
deren Strukturen in . Abb. 32.6 dargestellt sind. Lipase selbst wird durch Gallensäuren gehemmt. In mizel-
Sie werden in der Leberzelle aus Cholesterin syntheti- lärer Form ist die Resorption lipophiler Substanzen be-
siert. Der erste Schritt besteht in einer Hydroxylierung des trächtlich erleichtert (7 Kap. 32.2.2).
Cholesterins in Position 7α, die wahrscheinlich der ge- Gallensäuren sind nicht nur die Ausscheidungsform
schwindigkeitsbestimmende Schritt der Gallensäurenbio- des Sterangerüstes, sondern regulieren auch die Choleste-
synthese ist. Die Hydroxylierung wird durch ein im endo- rinbiosynthese. Diese wird primär durch die Cholesterin-
plasmatischen Retikulum lokalisiertes Enzym katalysiert, zufuhr mit der Nahrung gesteuert. An Versuchstieren mit
das Sauerstoff und NADPH/H+ benötigt und teilweise Gallengangsfisteln konnte jedoch gezeigt werden, dass bei
durch Kohlenmonoxid gehemmt wird. Trotz der offen- Ableitung der Gallenflüssigkeit nach außen die Geschwin-
sichtlichen Ähnlichkeiten mit den Monooxygenasen (7 Kap. digkeit der Cholesterinbiosynthese in der Leber und im
15.2.2) ist eine Beteiligung des Cytochroms P450 bei der Darm deutlich zunimmt. Bei Verfütterung eines nicht re-
Synthese von Gallensäuren noch nicht bewiesen. Der sorbierbaren Ionenaustauscherharzes (7 Kap. 2.3.4, 3.2.1)
größte Teil der Gallensäuren wird nach Aktivierung zum mit hoher Affinität zu Gallensäuren (Cholestyramin) wer-
Coenzym-A-Ester mit Glycin oder Taurin konjugiert und den die Gallensäuren gebunden und ihre Rückresorption
in die Gallengänge ausgeschieden. verhindert. Die Cholesterinbiosynthese der Leber nimmt
entsprechend zu. Trotzdem sinkt der Cholesterinspiegel im
! Gallensäuren durchlaufen einen enterohepatischen
Blut ab, da durch die Verhinderung der Gallensäurenrück-
Kreislauf.
resorption und die Verminderung der Gallensäurekonzen-
Unter der Annahme einer täglichen Gallensekretion der tration in der Leber die Umwandlung von Cholesterin in
menschlichen Leber von etwa 500 ml lässt sich anhand der Gallensäuren stark beschleunigt wird. Der gegenteilige Ef-
in . Tabelle 32.2 angegebenen Daten errechnen, dass der fekt, nämlich eine Hemmung der Cholesterinbiosynthese,
tägliche Umsatz an Gallensäuren 10 g beträgt. Wie experi- wird durch orale Zufuhr von freien und konjugierten Gal-
mentell mit Hilfe von radioaktiv markierten Vorstufen von lensäuren in hohen Konzentrationen erreicht.
Gallensäuren gemessen werden konnte, synthetisiert die Diese Wechselbeziehungen zwischen Cholesterinbio-
Leber jedoch täglich nur 200–500 mg Gallensäuren. Dieser synthese und Gallensäurenresorption werden auch klinisch
Wert entspricht genau der täglichen Ausscheidung mit den ausgenutzt. So können Hypercholesterinämien durch Cho-
Faeces. Offensichtlich ersetzt also die Leber nur den tägli- lestyramin oder drastischer durch Entfernung des Ileums
chen Verlust von Gallensäuren im Stuhl, während eine als Ort der Gallensäurenrückresorption behandelt werden.
weitaus größere Menge von Gallensäuren sich in der Gal- In der Gallenflüssigkeit selbst wirken Gallensäuren als
lenflüssigkeit bzw. dem Duodenalinhalt befindet. Tatsäch- Lösungsvermittler für das dort, wenn auch nur in geringen
lich konnte gezeigt werden, dass die mit der Galle in das Mengen (0,26% der Gesamtgalle) vorkommende Choleste-
Duodenum eingebrachten Gallensäuren zu über 90% im rin. In dieser Konzentration ist es praktisch unlöslich in
Ileum mit Hilfe eines aktiven Transportsystems resorbiert wässrigen Medien. Ein Ausfallen kann nur dadurch verhin-
und über das Pfortadersystem zur Leber zurückgebracht dert werden, dass mit Gallensäuren und dem ebenfalls in
werden, wo sie für die erneute Sekretion in die Gallenflüs- der Galle vorkommenden Phosphatidylcholin mizelläre
sigkeit zur Verfügung stehen. Dieser enterohepatische Cholesterin-Lösungen gebildet werden. Das in . Abb. 32.7
Kreislauf der Gallensäuren erfolgt mit beträchtlicher Ge- dargestellte Diagramm ermöglicht die Bestimmung der
schwindigkeit, sodass die relativ geringe Gesamtmenge an maximalen Löslichkeit von Cholesterin in menschlicher
Gallensäuren des menschlichen Organismus (3–5 g) etwa Blasengalle. Es wurde aus Untersuchungen des Verhaltens
sechs- bis zehnmal pro Tag den Kreislauf durchläuft. von Mischungen aus Gallensäuren, Phosphatidylcholin
Die Ausscheidung von Gallensäuren mit den Faeces ist und Cholesterin in Wasser konstruiert. Bei allen Zusam-
für den Organismus die einzige Möglichkeit zur Eliminie- mensetzungen der Gallenflüssigkeit, die außerhalb des Be-
rung von Cholesterin und seinen Derivaten, da Säugetiere reiches micellärer Lösungen liegen, kommt es zur Bildung
nicht über die zur Aufspaltung des Cholesterin-Ringsystems von Cholesterinkristallen, die die Keime von Cholesterin-
notwendigen Enzyme verfügen. Die Bestimmung der tägli- steinen sein können.
chen Ausscheidung von Gallensäuren ist infolgedessen ein Da 80% der Gallensteine cholesterinreich und 50% rei-
gutes Maß zur Bestimmung der Cholesterinausscheidung. ne Cholesterinsteine sind, nimmt man an, dass Änderun-
gen des Mischungsverhältnisses der drei genannten Verbin-
! Gallensäuren sind für die Lipidresorption unerlässlich dungen für das Entstehen von Gallensteinen verantwortlich
und beeinflussen die Cholesterinbiosynthese. sind. Bei der sog. lithogenen Galle findet sich dementspre-
1062 Kapitel 32 · Gastrointestinaltrakt
chend auch häufig eine Abnahme des Phosphatidylcholin- ! Der Intestinaltrakt enthält ein umfangreiches endokri-
Gehaltes. Diese Beobachtungen waren der Anlass dafür, nes System.
Gallensteinleiden mit Gallensäuren zu behandeln. Diese
greifen nicht nur ändernd in das Verhältnis von Choleste- Im Intestinaltrakt erfolgt die Aufarbeitung und Resorption
rin, Phosphoglyceriden und Gallensalzen ein, sondern eines ständig wechselnden Angebots an Nahrungsmitteln.
32 hemmen in der Leber die Cholesterinbiosynthese und da- Es ist daher verständlich, dass die funktionellen Zustände
mit die Cholesterinausscheidung. In einigen Fällen konnte einzelner Darmabschnitte sowie der anderen an der Ver-
das Weiterwachsen von Cholesterin-(Gallen-)Steinen nicht dauung beteiligten Organe sehr genau aufeinander abge-
nur verhindert, sondern sogar eine Auflösung bereits vor- stimmt werden müssen, damit eine optimale Verdauung
handener Steine erreicht werden. und Resorption der Nahrungsstoffe gewährleistet ist. Im
Die Gallenflüssigkeit ist ein wichtiges Vehikel für eine Intestinaltrakt werden darüber hinaus große Mengen an
Vielzahl körpereigener und körperfremder Substanzen. So Flüssigkeit umgesetzt, außerdem muss der größte Teil der
werden z.B. mit den Verdauungssäften in den Intestinaltrakt gelangen-
4 die Gallenfarbstoffe Biliverdin und Bilirubin als Glucu- den Elektrolyte hier wieder rückresorbiert werden. Die ko-
ronide sowie ordinierte Regulation dieser Prozesse erfolgt bei höheren
4 von den Hormonen v.a. die Steroide der Nebennieren- tierischen Organismen sowie beim Menschen durch eine
rinde und der Gonaden mit der Gallenflüssigkeit aus- große Zahl gastrointestinaler Hormone sowie parakrin
geschieden wirksamer hormonartiger Faktoren. Diese werden nicht
von einzelnen endokrinen Drüsen sezerniert, sondern von
Mit der Galle werden auch viele Medikamente aus dem Or- endokrinen Zellen, die über den Intestinaltrakt verstreut
ganismus entfernt. Störungen des Gallenflusses behindern sind. Die Bedeutung dieses endokrinen Systems wird allein
deswegen häufig die Eliminierung von Arzneimitteln. aus der Tatsache verständlich, dass die Gesamtmasse der
hormonell aktiven Zellen im Intestinaltrakt größer ist als
die Masse aller anderen endokrinen Drüsen des Organis-
32.1.5 Duodenalsekret mus. . Tabelle 32.3 stellt eine Auswahl gastrointestinaler
Peptidhormone und Neurotransmitter zusammen. Es han-
Die Dünndarmschleimhaut bildet täglich 1000–2000 ml delt sich ausschließlich um Peptide mit Molekülmassen
eines eigenen Verdauungssekrets. Ein wesentlicher Be- unter 10 kDa. Interessanterweise kommt ein beträchtlicher
32.1 · Gastrointestinale Sekrete
1063 32
Teil von ihnen auch im Zentralnervensystem vor und wirkt Verlagerung der für die Salzsäuresekretion verantwortli-
dort als Neurotransmitter. chen H+/K+-ATPase aus intrazellulären Vesikeln in die api-
Über die physiologische Bedeutung der Enterohormo- kale Plasmamembran. Die Einzelheiten der dabei ablaufen-
ne Gastrin, Sekretin, Cholecystokinin sowie gastroinhi- den Vorgänge sind nicht genau bekannt. Folgende extrazel-
bitorisches Peptid liegen einigermaßen gesicherte Er- luläre Signale sind für Stimulierung bzw. Hemmung der
kenntnisse vor (7 u.). Über andere in der . Tabelle 32.3 Salzsäuresekretion verantwortlich (. Abb. 32.8):
genannte Peptide weiß man jedoch wesentlich weniger; ihre 4 Der wichtigste, die Salzsäuresekretion stimulierende
Wirkung lässt sich häufig nur anhand experimenteller Mo- Faktor ist Histamin, das biogene Amin der Aminosäu-
dellsysteme nachweisen. Es ist offenbar so, dass die einzel- re Histidin. Es wird in den Enterochromaffin-ähnlichen
nen funktionellen Zustände des Gastrointestinaltrakts je- Zellen (enterochromaffin-like cells, ECL-Zellen) der Ma-
weils durch eine Vielzahl von Regulationsfaktoren stabili- genmukosa produziert. Diese Zellen befinden sich in
siert werden, deren Zusammenspiel die geordnete Funktion enger Nachbarschaft zu den Belegzellen (Parietalzel-
des Intestinaltrakts garantiert. Wie kompliziert die Verhält- len), das von ihnen abgegebene Histamin wirkt als para-
nisse sind, geht aus der Tatsache hervor, dass allein für die kriner Faktor. Es reagiert mit H2-Histaminrezeptoren
Regulation der HCl-Produktion im Magenfundus und der Parietalzellen. Diese stimulieren die Adenylatcycla-
-corpus 16 hemmende bzw. aktivierende Faktoren beschrie- se, was über erhöhte intrazelluläre cAMP-Konzentra-
ben worden sind. tionen zu einer Aktivierung der Proteinkinase A führt
4 Enteroendokrine Zellen im Antrum des Magens, sog.
! Die Magensaftsekretion wird hormonell und nerval
Gastrinzellen (G-Zellen), setzen als Antwort auf Deh-
reguliert.
nungsreize, Anstieg des pH-Wertes, Alkohol, Coffein
Salzsäuresekretion. Die Salzsäureproduktion der Parietal- sowie vor allen Dingen auf bei der Proteinverdauung
zellen hängt von der gleichzeitigen Erhöhung der intrazel- entstehende Peptide das Peptidhormon Gastrin frei.
lulären Calcium- und cAMP-Konzentration ab. Die Wir- Von diesem kommen durch Proteolyse entstehende
kung beider intrazellulärer Botenstoffe beruht auf einer Formen mit 34, 17 oder 13 Aminosäuren vor. Für die
1064 Kapitel 32 · Gastrointestinaltrakt
. Abb. 32.8. Regulation der Salzsäureproduktion durch die sen cholinergen (Acetylcholin) Impulsen (N. vagus) und dem durch die
Belegzellen. Für die Regulation der Salzsäureproduktion ist das D-Zellen gebildeten Somatostatin notwendig. GRP = gastrin releasing
Zusammenspiel des aus ECL-Zellen stammenden Histamins mit dem peptide. (Einzelheiten 7 Text)
aus den Gastrinzellen (G-Zellen) stammenden Gastrin, zentralnervö-
biologische Aktivität sind vor allem die 4 C-terminalen In der Magenschleimhaut wird die Somatostatinfreiset-
Aminosäuren der Gastrine verantwortlich. Über den zung dieser Zellen auf der basolateralen Seite durch
Blutweg gelangen sie zu den Parietalzellen des Magen- cholinerge Neuronen, Gastrin und GRP gehemmt und
fundus und reagieren dort mit Gastrinrezeptoren. von der luminalen Seite durch hohe Protonenkonzen-
Diese gehören zur Familie der CCK-Gastrinrezeptoren trationen stimuliert. Somatostatin hemmt die His-
und sind heptahelicale Membranproteine. G-Protein- taminfreisetzung der ECL-Zellen sowie direkt die Salz-
vermittelt führen sie zur Aktivierung der Phospholipase säureproduktion der Parietalzellen. Der Somatostatin-
CE und damit zu einer Erhöhung der Calcium- und Rezeptor gehört zu der Gruppe der inhibitorischen
32 Diacylglycerin-Konzentration (7 Kap. 25.6.3) Rezeptoren des Adenylatcyclasesystems, d.h. seine Sti-
4 Vom Zentralnervensystem über den Nervus Vagus aus- mulierung führt zu einer Senkung des cAMP-Spiegels
gehende Impulse stimulieren über muscarinische Ace- der betroffenen Zellen (7 Kap. 25.6.2)
tylcholinrezeptoren der Klasse 3 die Salzsäureproduk-
tion der Parietalzellen. Auch diese Rezeptoren lösen Mucinsekretion. Von großer Bedeutung für den Schutz des
eine Aktivierung der Phospholipase Cβ und damit eine Magenepithels vor Selbstverdauung ist die Mucinsekretion
Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentration durch die Mucinzellen der Magenmukosa (. Abb. 32.9).
aus Auch sie wird durch eine hohe Protonenkonzentration in
4 Diese Regelkreise können weiter moduliert werden: der Magenflüssigkeit stimuliert, steht daneben aber eben-
Über muscarinische Acetylcholinrezeptoren stimuliert falls unter neurokriner, endokriner und parakriner Kon-
der Nervus Vagus sowohl die Histaminproduktion trolle.
der ECL-Zellen als auch die Gastrinsekretion der 4 Acetylcholin sowie Sekretin stimulieren die Mucin-
G-Zellen sekretion. Der Sekretinrezeptor gehört zu den stimu-
4 Von peptidergen postganglionären parasympathischen lierenden Rezeptoren des Adenylatcyclasesystems
Nervenfasern und Neuronen des enteralen Nervensys- 4 Prostaglandine des E-Typs sind wichtige Stimulatoren
tems wird ein Peptid aus 27 Aminosäuren freigesetzt, der Mucinsekretion. Diese fördern außerdem die Zell-
das Strukturhomologie zu einem Peptid in der Frosch- regeneration und die Durchblutung. Sie wirken damit
haut, dem Bombesin, zeigt und als gastrin releasing pep- cytoprotektiv gegen Schädigungen z.B. durch die Salz-
tide (GRP) bezeichnet wird. GRP stimuliert die Gas- säure. Prostaglandin E hemmt ferner über den Rezep-
trinsekretion von Gastrinzellen tor-Subtyp EP3 die Adenylatcyclase der Parietalzellen
4 Somatostatin ist ein sehr wirkungsvoller Hemmstoff und damit die HCl-Sekretion
der Salzsäureproduktion. Es wird in enteroendokrinen 4 Glucocorticoide sind sehr wirksame Hemmstoffe der
Zellen des Intestinaltrakts, den sog. D-Zellen, gebildet. Mucinsekretion (über die pathobiochemische Bedeu-
32.1 · Gastrointestinale Sekrete
1065 32
tung der genannten Faktoren bei der Entstehung des 32.10). Sie wird im Wesentlichen von zwei Zelltypen ge-
Magen- und Duodenalgeschwürs 7 Kap. 32.1.7) tragen,
4 den für die Sekretion der Verdauungsenzyme verant-
Pepsinogen-Sekretion. Die Sekretion von Pepsinogen wortlichen Acinuszellen sowie
durch die Hauptzellen des Magenfundus wird durch cho- 4 den Pankreasgangzellen, die Wasser und Hydrogencar-
linerge nervale Reize sowie durch Gastrin stimuliert. Ein bonat sezernieren
wesentlicher weiterer Reiz für die Pepsinogen-Sekretion
ist eine hohe Protonenkonzentration des Magensaftes Pankreatische Enzymsekretion. Der wichtigste physiologi-
(. Abb. 32.9). sche Stimulus für die pankreatische Enzymsekretion ist die
durch das parasympathische Nervensystem hervorgerufe-
! Sekretin und Cholecystokinin/Pankreozymin regulieren
ne Freisetzung von Acetylcholin, das über muscarinische
die Pankreassekretion.
Acetylcholinrezeptoren des Typs M1 auf den Acinuszellen
Die Bildung des Pankreassekrets wird durch eine Reihe zu einer Aktivierung der Phospholipase CE führt (. Abb.
neurokriner und endokriner Faktoren gesteuert (. Abb. 32.10). Dies löst eine Erhöhung der intrazellulären Calcium-
konzentration und damit einhergehend eine Stimulierung siologischen Bedingungen sind die wichtigsten Choleretica
der Enzymsekretion aus. die Gallensäuren. Damit hängt die Gallensekretion sehr eng
Ein weiterer wichtiger Mechanismus zur Stimulierung mit dem enterohepatischen Kreislauf der Gallensäuren zu-
der pankreatischen Enzymsekretion beruht auf dem durch sammen (7 Kap. 32.1.4). Eine leicht choleretische Wirkung
die im Duodenum und Jejunum lokalisierten I-Zellen pro- hat auch Sekretin. Es führt ähnlich wie am Pankreas zu
duzierten Peptid Cholecystokinin. Dieses ist mit dem 1943 einer Wasser- und Hydrogencarbonat-Sekretion in die Gal-
entdeckten Pankreozymin identisch, weswegen das Hor- lenflüssigkeit.
mon gelegentlich auch als Cholecystokinin-Pankreozymin Ein ganz anderes Wirkungsspektrum für die Gallenbil-
(CCK-PZ) bezeichnet wird. Ähnlich wie beim Gastrin dung hat CCK. Es löst eine Kontraktion der Gallenblase mit
kommen auch beim Cholecystokinin Peptide unterschied- Entleerung von Gallenflüssigkeit in das Duodenum aus.
licher Größe vor, die posttranslational durch Proteolyse
! Im Intestinaltrakt werden Signale erzeugt, die Nahrungs-
entstehen. Die vorherrschende Form ist das CCK 33. Die
aufnahme und Nahrungsverwertung regulieren.
biologisch aktive Region des CCK ist in den C-terminalen
sieben Aminosäuren lokalisiert. Die 5 C-terminalen Ami- Die Regulation der Nahrungsaufnahme durch Hunger-
nosäuren des CCK entsprechen denen des Gastrins, was bei bzw. Sättigungsgefühl erfolgt in den hypothalamischen
der Bestimmung der biologisch aktiven Formen beider Kerngebieten und hängt von einer großen Zahl verschie-
Hormone Schwierigkeiten verursachen kann. dener endokrin und parakrin wirkender Faktoren ab
Für die Freisetzung von CCK verantwortliche Stimuli (7 Kap. 21.4). Auch die im Folgenden aufgeführten, im In-
sind Fettsäuren, Aminosäuren und Peptide im duodenalen testinaltrakt gebildeten Faktoren spielen dabei eine große
Lumen. Außer einer gesteigerten pankreatischen Enzymse- Rolle.
kretion löst CCK eine Kontraktion der Gallenblase mit Ent-
leerung der Gallenflüssigkeit in das Duodenum sowie eine Cholecystokinin. Cholecystokinin reguliert nicht nur die
Aktivierung des Sättigungsgefühls aus (7 u.). Funktion des Pankreas und der Gallenblase (7 o.), sondern
CCK-Rezeptoren gehören zur Familie der heptahelica- hemmt auch das Hungergefühl. Über CCK-A-Rezeptoren
len Rezeptoren, die die Phospholipase Cβ stimulieren und im Intestinaltrakt bewirkt Cholecystokinin eine Unter-
so zu einer Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzen- drückung der Nahrungsaufnahme, was wahrscheinlich
tration führen. Der CCK-Rezeptor A ist spezifisch für CCK, durch den N. vagus und die hypothalamischen Zentren des
der CCK-Rezeptor B ist identisch mit dem Sekretin-Rezep- Hunger- bzw. Sättigungsgefühls weitergeleitet wird. Auch
tor und wird sowohl durch CCK als auch durch Sekretin andere intestinale Peptide wie Enterostatin oder GLP-1
aktiviert. Bei Nagern wie der Ratte und der Maus finden sich (7 Kap. 26.2.2) vermindern das Hungergefühl.
CCK-Rezeptoren des Typs A direkt auf den Acinuszellen,
weswegen CCK einen direkten stimulierenden Einfluss auf Ghrelin. Ghrelin ist ein aus 28 Aminosäuren bestehendes
32 die Enzymsekretion hat. Beim Menschen sind die Verhält- Peptid, das von Epithelzellen der Magenschleimhaut gebil-
nisse grundsätzlich anders, da keine CCK-Rezeptoren Typ det wird. Für seine Wirkung ist die Acylierung des Serins 3
A auf den Acinuszellen nachweisbar sind. Derartige Rezep- mit Octanoat erforderlich. Ghrelin wird bei Nahrungska-
toren finden sich jedoch auf vagalen afferenten Nerven, so- renz verstärkt sezerniert. Spezifische Ghrelin-Rezeptoren
dass man annimmt, dass CCK hier indirekt, d.h. über eine finden sich in der Hypophyse und im Hypothalamus. In der
Stimulierung der Acetylcholin-Freisetzung, wirkt Hypophyse stimuliert Ghrelin die Sekretion von Wachs-
tumshormon, im Hypothalamus steigert es das Hunger-
Pankreatische Wasser- und Hydrogencarbonat-Sekretion. gefühl und wirkt als Antagonist des Leptins (7 Kap. 16.1.3,
Für die ebenfalls im Pankreas erfolgende Sekretion von 21.4).
Wasser und dem für die Neutralisation der Salzsäure not-
wendigen Hydrogencarbonat sind die Pankreasgangzellen Gastroinhibitorisches Peptid (GIP). Durch Glucose, aber
verantwortlich. Ausgelöst wird die Wasser- und Hydrogen- auch durch Aminosäuren und Fettsäuren, wird die Sekre-
carbonat-Sekretion dabei durch Sekretin, ein Peptid aus 27 tion des gastroinhibitorischen Peptids im Duodenum und
Aminosäuren (. Abb. 32.10). Es wird im Duodenum und oberen Jejunum ausgelöst. Die durch GIP bewirkte Hem-
Jejunum gebildet und zeigt enge Verwandtschaft mit dem mung der Magenmotorik tritt allerdings nur in unphysiolo-
vasoaktiven intestinalen Peptid (. Tabelle 32.3). Der Sekre- gisch hohen Konzentrationen auf. Sein physiologischer Ef-
tinrezeptor gehört zur Familie der Glucagonrezeptoren, die fekt ist eine durch Erhöhung der cAMP-Konzentration her-
Bindung seines Liganden löst eine Aktivierung des Ade- vorgerufene Stimulierung der Insulinsekretion durch die
nylatcyclasesystems aus. E-Zellen der Langerhans’schen Inseln des Pankreas. Es ist
damit dafür verantwortlich, dass resorbierte Nahrungsstoffe
! Gallensäuren stimulieren die Gallenbildung.
auch rasch verwertet werden können (7 Kap. 26.1.3). Ein
Substanzen, die die Gallensekretion durch Hepatozyten sti- physiologischer Hemmstoff der Magenmotorik scheint das
mulieren, werden als Choleretica bezeichnet. Unter phy- Cholecystokinin/Pankreozymin (CCK/PZ) zu sein.
32.1 · Gastrointestinale Sekrete
1067 32
32.1.7 Pathobiochemie liche Voraussetzung ist die Besiedlung der Magenschleim-
haut mit dem Bakterium Helicobacter pylori. Dieser an das
Magen- und Duodenalulcus. Bei Störungen des Gleichge- saure Milieu der Magenschleimhaut angepasste Erreger löst
wichts zwischen Salzsäure- bzw. Pepsinsekretion und Pro- eine – häufig asymptomatisch verlaufende – Gastritis aus.
duktion der für das Epithel des oberen Intestinaltrakts es- Diese ist offenbar an der Ulcus-Entstehung beteiligt, sodass
sentiellen Schutzschicht aus Mucinen entstehen Geschwüre, der Leitsatz gilt »ohne Säure kein Ulcus, ohne Helicobacter
die unbehandelt zu schweren Blutungen und im Extremfall pylori kein Ulcus«. Man weiß noch nicht genau, wie die
zu Perforationen führen können. Auslöser hierfür sind bakteriell ausgelöste Gastritis zur Entstehung von Ulcera
i. Allg. zwei unterschiedliche Pathomechanismen: führt. Eine Erklärung wäre, dass Helicobacter große Men-
4 Eine verminderte Produktion oder Funktion der Muci- gen an Ammoniumionen produziert, möglicherweise um
ne oder dem stark sauren Magenmilieu zu entgehen. Dies führt je-
4 eine gesteigerte Produktion von Salzsäure doch zu einer gesteigerten Gastrinsekretion mit reaktiver
Steigerung der Salzsäureproduktion.
Hemmung der Mucinproduktion. Eine Hemmung der Mu- Bei rezidivierendem Ulcusleiden führt meist eine er-
cinproduktion kann u.a. verursacht werden: folgreiche Therapie der Infektion mit Helicobacter pylori
4 Durch Glucocorticoide. Diese können endogen durch bereits zu einer Heilung. Zusätzlich ist eine Hemmung der
die Nebennierenrinde produziert werden (z.B. bei Salzsäuresekretion durch Protonenpumpenblocker wie
Stress) oder als Medikamente zugeführt werden Omeprazol (7 Kap. 32.1.2) notwendig.
4 Durch Hemmung der Synthese von Prostaglandin E.
Diese wird häufig durch Aspirin (7 Kap. 12.4.2) oder Pankreasinsuffizienz. Die wichtigsten Störungen der exo-
nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ausgelöst krinen Pankreasfunktion sind:
4 Durch die verschiedensten Noxen (Hitze, Kälte, Rönt-
genbestrahlung, Kochsalz, Nitrate usw.) kann es zu ei- Akute Pankreatitis. Die häufigsten Ursachen der akuten
ner Verminderung der Bindungsstellen für Mucine an Pankreatitis sind Erkrankungen der Gallenwege und Al-
den Mukosazellen und damit zu einer Störung der Mu- koholabusus (je 40% der Fälle). Die Pathogenese der Er-
kosabarriere kommen krankung ist noch nicht vollständig geklärt. Auslösende
Faktoren sind u.a. Steine im Pankreas-Gangsystem mit da-
Steigerung der Salzsäuresekretion. Eine Überproduktion durch ausgelöster Druckerhöhung, die zu einer veränderten
von Salzsäure ist die Folge einer gesteigerten Stimulierung Permeabilität der Acinuszellen führt. Chronischer Alkohol-
der Belegzellen durch Vagusreize, Histamin oder Gastrin. abusus führt zu Stoffwechselstörungen der Acinuszellen.
Das Ausmaß der hierdurch ausgelösten Hypersekretion Der akuten Pankreatitis liegt immer eine vorzeitige Aktivie-
hängt allerdings von der angeborenen Parietalzellmasse ab. rung der als Zymogene vorliegenden Proteasen, insbeson-
Gastrin bildende Tumoren (z.B. Zollinger-Ellison-Syn- dere des Trypsinogens, zugrunde. Dabei spielt eine Störung
drom) führen allein durch die von ihnen ausgelöste exzes- des Transportes der Zymogengranula in den Acinuszellen
sive Säurestimulation zu schweren Geschwüren. eine wichtige Rolle. Dies löst eine Fusionierung der Zymo-
In der Regel führt eine nur leicht erhöhte oder mäßige gengranula mit Lyosomen, eine sog. Crinophagie, aus.
Säureproduktion alleine nicht zu einem Ulcus. Eine wesent- Durch die in den Lysosomen vorhandene Protease Kathep-
Infobox
Nobelpreis für Medizin 2005 an Robin Warren und Barry Marshall
Anfang der 80 Jahre entdeckte der australische Patholo- In der Vorstellung, dass diese Bakterien etwas mit
ge Robin Warren in der Magenschleimhaut von Patienten Gastritis und Magengeschwüren zu tun haben müssten,
mit Magen- oder Duodenalgeschwüren spiralförmige wurden Warren und Marshall u.a. durch einen durchaus
Bakterien. Dieser Befund wurde zunächst von der Fach- schmerzhaften Selbstversuch bekräftigt. Warren trank den
welt angezweifelt, da die gängige Lehrmeinung besagte, Inhalt einer größeren Kulturflasche mit Helicobacter und
dass der Mageninhalt wegen des stark sauren Milieus erkrankte prompt an einer schweren Gastritis, die mit
steril sei. Erst recht stieß seine Vermutung auf Unglau- Antibiotika geheilt werden konnte.
ben, dass die Entstehung von Magengeschwüren etwas Heute weiß man, dass etwa die Hälfte der Weltbevölke-
mit diesen Bakterien zu tun haben sollte. Robin Warren rung mit Helicobacter infiziert ist und dass etwa 10% der
ließ jedoch nicht locker. Zusammen mit dem Mikrobiolo- Infizierten im Laufe ihres Lebens ein Magen- oder Zwölffin-
gen und Internisten Barry Marshall gelang es, diese Bak- gerdarm-Geschwür entwickeln. Zur Standardtherapie der
terien zu kultivieren. Sie wurden der Ordnung Campylo- Erkrankung gehört eine Behandlung mit Protonenpum-
bacteriales zugeordnet und als Helicobacter pylori be- pen-Inhibitoren und Antibiotika.
zeichnet. Weitere Informationen: http://nobelprize.org
1068 Kapitel 32 · Gastrointestinaltrakt
sin B wird Trypsinogen zu Trypsin aktiviert, was zur Selbst- rerer Schübe einer akuten Pankreatitis und führt zur chro-
verdauung des Pankreas (Pankreasnekrose) führt. Diese nischen Pankreasinsuffizienz. Andere Ursachen der chro-
geht mit einem schweren Krankheitsverlauf einher, wobei nischen Pankreasinsuffizienz können eine verminderte
besonders die Infektion der Pankreasnekrosen durch Dick- Sekretion von Sekretin bzw. CCK sein. Durch die nicht aus-
darmbakterien von Bedeutung ist. reichende Freisetzung dieser Hormone kommt es zur sog.
pankreatico-cibalen Dyssynchronie. Weitere Ursachen
Chronische Pankreatitis. Die chronische Pankreatitis ist in der chronischen Pankreasinsuffizienz können Pankreas-
60–80% der Fälle die Folge eines chronischen Alkoholabu- karzinome oder Abfluss-Störungen des Pankreassekrets
sus. Sie entwickelt sich wahrscheinlich aus der Folge meh- sein.
In Kürze
Im Intestinaltrakt finden zwei unterschiedliche Vorgänge Die zeitgerechte Freisetzung der Verdauungsenzyme
statt, nämlich muss sehr genau reguliert werden, damit in der zur Verfü-
5 der als Verdauung bezeichnete Abbau von Nahrungs- gung stehenden Passagezeit durch das Duodenum und Je-
stoffen zu monomeren Bausteinen sowie junum auch ein vollständiger Abbau als Voraussetzung für
5 die Resorption dieser Bausteine und damit ihre Auf- die Resorption erzielt werden kann. Diese Regulation er-
nahme in den Organismus folgt über eine große Zahl von Hormonen und Transmit-
tern, die durch zentralnervöse Reize, durch parakrine Signa-
Die Verdauung der Nahrungsstoffe beginnt bereits in der le sowie durch nervale Impulse freigesetzt werden. Für die
Mundhöhle, wird im Magen fortgesetzt und im Dünn- Sekretion des Magensaftes ist das wichtigste Hormon das
darm abgeschlossen. Sie wird katalysiert durch die Aktivi- Gastrin, die Pankreassekretion wird durch Sekretin und
tät der von den verschiedenen Verdauungsdrüsen freige- Cholecystokinin reguliert. Das letztere sorgt darüber hinaus
setzten Hydrolasen. Diese spalten Polysaccharide zu Oli- durch die Entleerung der Gallenblase für die Bereitstellung
go- und Monosacchariden, Proteine zu Oligopeptiden der für die Lipidresorption benötigten Gallensäuren.
und Aminosäuren, Lipide zu Monoacylglycerinen und
Fettsäuren sowie Nucleinsäuren zu Nucleosiden.
32.2.1 Kohlenhydrate
32.2.2 Lipide
. Abb. 32.16. Intestinale Spaltung und Resynthese von Triacylglycerinen. R = Acylrest. (Weitere Einzelheiten 7 Text)
32
abläuft. Das für diesen Vorgang notwendige Acyl-CoA Assemblierung von Chylomikronen. Im Anschluss an die
entsteht aus resorbierten Fettsäuren oder durch hydrolyti- Biosynthese von Triacylglycerinen und Cholesterinestern
sche Abspaltung aus den aufgenommenen Monoacylglyce- erfolgt ihre Assoziation an das Apolipoprotein B48, wobei
rinen mit Hilfe einer in der Mukosazelle vorkommenden Chylomikronen entstehen (7 Kap. 18.5.2). Hierzu müssen
Monoacylglycerinlipase. Das D-Glycerophosphat ent- die im glatten endoplasmatischen Retikulum syntheti-
stammt im Wesentlichen der Glycolyse, kann aber auch sierten Triacylglycerine, Cholesterinester und Phospho-
durch direkte Phosphorylierung von Glycerin mit Hilfe lipide durch das Triglycerid-Transfer-Protein zum
einer ATP-abhängigen Glycerokinase entstehen. Diese ver- Golgi-Apparat transportiert werden. Das Triglycerid-
schiedenen Wege zur Triacylglycerinbildung bieten für die Transfer-Protein ist ein heterodimeres Protein, dessen eine
Mukosazelle Vorteile. Unter normalen Bedingungen wer- Untereinheit aus der Protein-Disulfidisomerase (7 Kap.
den aufgenommene Monoacylglycerine direkt zu Triacyl- 9.2.2) besteht und die andere wesentlich größere Unterein-
glycerinen acyliert. Bei einem Überschuss von nicht ver- heit in relativ hoher Konzentration in Intestinaltrakt und
esterten Fettsäuren kann zusätzlich die Möglichkeit der Leber vorkommt. Dies sind die beiden einzigen Organe,
Triacylglycerinbiosynthese aus D-Glycerophosphat und die zur Biosynthese von Apolipoprotein B-haltigen Lipo-
Fettsäuren in Anspruch genommen werden. Durch die proteinen imstande sind (7 Kap. 8.5.4). Im Golgi-Apparat
mukosaspezifische Monoacylglycerinlipase kann schließ- erfolgt dann die Assemblierung der Triacylglycerine, Cho-
lich ein Monoacylglycerin-Überschuss abgebaut und die lesterinester und Phospholipide mit dem Apolipoprotein
dabei entstehenden Fettsäuren der Triacylglycerinbio- B48 zu Chylomikronen. Diese werden durch Exozytose
synthese zugeführt werden. Außer der Triacylglycerin- von den Enterozyten freigesetzt (7 Kap. 18.5.2). Es ist zur-
bildung erfolgt in der Mukosazelle auch die Veresterung zeit nicht klar, wie die Chylomikronen vom Interzellu-
von Cholesterin, das nur in freier Form resorbiert werden lärraum durch die Basalmembran in die Lymphgefäße ge-
kann. langen.
32.2 · Verdauung und Resorption einzelner Nahrungsbestandteile
1073 32
32.2.3 Proteine, Peptide und Aminosäuren
Im Magen und Duodenum findet keine Wasserresorption . Abb. 32.19. Kopplung von Na+- und Flüssigkeitstransport im
statt. Im Gegenteil, es kommt hier bei Vorliegen eines hy- Jejunum. Rot: aktiver Transport von Na+-Ionen (Na/K-ATPase, grün: an
pertonen Speisebreis zur Wassersekretion, bis ein annä- Hexose- bzw. Aminosäure-Transport gekoppelter Na+-Transport.
hernd Plasma-isotoner Wert erreicht wird. Werden dage- (Weitere Einzelheiten 7 Text)
gen hypotone Lösungen (Wassertrinken) zugeführt, so
wird Natriumchlorid bis zur Isotonie in das duodenale Lu- gen von Na+, Cl– oder Wasser resorbiert werden (. Abb.
men sezerniert. 32.18). Der Resorptionsvorgang kommt jedoch sofort in
Gang, wenn zusätzlich Zucker oder Aminosäuren im
! Im Jejunum erfolgt der größte Teil der Wasserrückre-
Darmlumen vorhanden sind. Eine Erklärung findet dieses
sorption.
Phänomen darin, dass die treibende Kraft für den passiv
Der wichtigste Ort der gastrointestinalen Wasserrückre- erfolgenden Wassertransport der aktive Natriumtransport
sorption ist das Jejunum. Ist der Darminhalt an dieser Stel- aus dem Darmlumen in das Plasma ist, der wiederum in
le noch hypoton, verlässt Wasser infolge der osmotischen diesem Teil des Magen-Darm-Trakts mit dem Transport
Druckdifferenz zwischen Plasma und Lumen den Darm. von Monosacchariden bzw. Aminosäuren gekoppelt ist.
Unter normalen Bedingungen ist jedoch die Speiseflüssig- Die im Jejunum vorliegenden Verhältnisse werden in
keit im Bereich des Jejunums eine isotone Lösung, die sich schematischer Form in . Abb. 32.19 dargestellt. Natrium-
in etwa in ionischem Gleichgewicht mit dem Plasma befin- ionen werden mit Monosacchariden oder Aminosäuren
det. Unter diesen Bedingungen können nur geringe Men- aus dem intestinalen Lumen in die Mukosazelle transpor-
32.2 · Verdauung und Resorption einzelner Nahrungsbestandteile
1075 32
Neben der Aufnahme von Wasser und Elektrolyten durch Kohlenhydrate und Lipide werden zu niedermolekula-
die Darmwand finden ständige Flüssigkeits- und Elektro- ren organischen Säuren wie Lactat, Acetat und Butyrat ver-
lytbewegungen in der umgekehrten Richtung, d.h. in goren, wobei verschiedene Gase wie CO2, Methan und
Richtung auf das Darmlumen statt. Die absolute, als Wasserstoff entstehen können.
Absorptionsrate bezeichnete Größe des Stofftransports Proteine und Aminosäuren unterliegen dagegen im
durch die Darmwand ergibt sich aus der Geschwindig- Dickdarm einem bakteriell induzierten Fäulnisvorgang.
keitsdifferenz des Transports vom Lumen durch die baso- Viele Aminosäuren werden durch die intestinale Bakte-
laterale Membran und damit ins Blut (Insorption) und rienflora zu toxischen Aminen decarboxyliert. Auf diese
der als Exsorption bezeichneten Bewegung von Wasser Weise entsteht
bzw. Elektrolyten durch die apikale Membran in das 4 aus Lysin Cadaverin
Darmlumen hinein. 4 aus Arginin Agmatin
Dass die Exsorption nicht ausschließlich durch passive 4 aus Tyrosin Tyramin
Rückdiffusion hervorgerufen wird, geht aus der Beobach- 4 aus Ornithin Putrescin und
tung hervor, dass bei der Cholera eine massiv gesteigerte 4 aus Histidin Histamin
Flüssigkeits- und Elektrolytsekretion durch das Jejunum in
das Lumen erfolgt, obwohl die Mukosa histologisch normal Tryptophan wird in einer mehrstufigen Reaktion durch die
ist und die insorptiven Vorgänge wie aktiver Transport von Darmbakterien in Indol und Scatol (Methylindol) umge-
Monosacchariden und Aminosäuren sowie Natriumtrans- wandelt.
port ungestört ablaufen. Diese mehr oder weniger toxischen Abbauprodukte
Eine entscheidende Rolle bei der intestinalen Sekre- werden z.T. resorbiert und gelangen über die Pfortader zur
tion von Elektrolyten und Wasser spielt der Chloridtrans- Leber, wo sie durch Kopplung an Sulfat oder Glucuronat für
port durch ein als CFTR (cystic fibrosis transmembrane die Nieren ausscheidungsfähig gemacht werden. Die aus
conductance regulator) bezeichnetes Protein. CFTR, des- Indol durch Kopplung an Schwefelsäure entstehende In-
sen Mutationen die cystische Fibrose (7 Kap. 9.2.5) aus- doxylschwefelsäure wird auch als Indican bezeichnet und
lösen, ist ein in vielen Epithelzellen in der apikalen Mem- kann relativ leicht in Serum bzw. Urin nachgewiesen wer-
bran lokalisierter Chloridkanal. Zusammen mit entspre- den, da sie zu Indigo oxidiert werden kann.
chenden Transportsystemen für Na+ und K+-Ionen ist er Nimmt infolge chronischer Lebererkrankungen die Fä-
für die Sekretion von NaCl in das intestinale Lumen ver- higkeit des Leberparenchyms zum Abbau bzw. zur Entgif-
antwortlich, dem ein entsprechender Wassertransport tung toxischer Amine ab, so steigt deren Serumkonzentra-
folgt. tion an. Dies führt zu einer Funktionsstörung des Zentral-
Das CFTR-Protein unterliegt einer sehr fein gesteuer- nervensystems, die auch als hepatische Enzephalopathie
ten hormonellen Regulation. Es kann durch eine Reihe von bezeichnet wird. Ein ähnliches Krankheitsbild kann sich
32 Proteinkinasen (Proteinkinase A, cGMP-abhängige Prote- auch dann entwickeln, wenn zur Senkung des Drucks im
inkinase, Proteinkinase C, CaM-Kinase) phosphoryliert Bereich der Pfortader ein Kurzschluss zwischen Pfortader
werden, was jeweils zu einer Aktivierung der Chloridsekre- und V. cava operativ oder radiologisch interventionell
tion und damit auch des Wassertransports führt. (TIPS: transjugulärer intrahepatischer portosystemischer
stentshunt) angelegt wird und auf diese Weise ein Teil des
! Resorption anderer Nahrungsbestandteile.
Pfortaderbluts ohne Leberpassage direkt in den großen
Für eine Reihe wichtiger Nahrungsbestandteile wie Vitami- Kreislauf gelangt.
ne, Calcium, Magnesium, Phosphat und Eisen bestehen
spezielle Resorptionsmechanismen, die bei der Bespre-
chung des Stoffwechsels der einzelnen Substanzen abge- 32.2.6 Pathobiochemie
handelt werden (7 Kap. 22, 23).
! Störungen der Kohlenhydratverdauung und Resorption
beruhen auf Defekten von Enzymen oder Transportern.
32.2.5 Schicksal der Nahrungsstoffe
im Colon Eine Reihe von Störungen der Kohlenhydratverdauung und
-resorption sind auf verminderte Aktivitäten bzw. vollstän-
Duodenum, Jejunum und in geringerem Umfang Ileum digen Mangel an Disaccharidasen zurückzuführen. Kön-
sind die Hauptorte der resorptiven Vorgänge. Hat der Spei- nen Nahrungsdisaccharide nicht verdaut und damit auch
sebrei diese Darmabschnitte passiert, so hört die Resorpti- nicht resorbiert werden, gelangen sie in tiefere Darmab-
on mit Ausnahme der oben besprochenen Wasser- und schnitte. Dort lösen sie eine osmotische Diarrhoe und we-
Elektrolytaufnahme auf. Die im Darminhalt noch vorhan- gen der Fermentierung durch Darmbakterien Meteorismus
denen Reste der Nahrungsstoffe werden durch die im Co- aus. Man unterscheidet im Einzelnen zwischen primärem,
lon vorkommenden Bakterien zersetzt. sekundärem und relativem Disaccharidasenmangel.
32.2 · Verdauung und Resorption einzelner Nahrungsbestandteile
1077 32
Primärer Disaccharidasenmangel. Die häufigste Form des ten wird. I. Allg. wird Fructose als Kohlenhydrat verwen-
primären Disaccharidasenmangels ist der primäre Lacta- det, da diese über den GLUT 5-Transporter resorbiert
semangel, der auch als Lactose-Intoleranz bezeichnet wird.
wird. Bei diesem Leiden kommt es zu einer genetisch fi-
! Mangel an Gallensäuren geht mit Störungen der Fettre-
xierten Abnahme der zum Zeitpunkt der Geburt noch nor-
sorption einher.
malen Lactaseaktivität mit zunehmendem Lebensalter. Das
Leiden, das gelegentlich familiär gehäuft vorkommt, bevor- Eine Reihe von Pathomechanismen führen zu Störungen
zugt bestimmte Rassen. Bei amerikanischen Schwarzen, der Fettresorption, die sich i. Allg. am Auftreten von Fett-
Bewohnern des Vorderen Orients und der australischen stühlen (Steatorrhoe) erkennen lassen und deswegen be-
Urbevölkerung tritt es wesentlich häufiger auf als bei Euro- sonders bedeutsam sind, weil sie mit Resorptionsstörungen
päern. Das Krankheitsbild ist abzugrenzen von dem sehr essentieller lipophiler Verbindungen wie fettlöslicher Vita-
seltenen kongenitalen Fehlen der enteralen Lactase des mine und essentieller Fettsäuren einhergehen.
Säuglings. Die Behandlung des primären Lactasemangels Häufig werden Fettresorptionsstörungen durch eine
besteht in der Vermeidung von Milch und Milchprodukten. verminderte intestinale Gallensäurekonzentration ausge-
Neben dem primären Lactasemangel kommt, wenn auch löst, die durch Verlegung der ableitenden Gallenwege oder
wesentlich seltener, ein primärer Saccharase-Isomaltase- durch eine hepatische Störung der Gallensäuresynthese
Mangel vor. verursacht werden kann. Viel seltenere Ursachen sind Lipa-
se- bzw. Colipasemangel bei Pankreasinsuffizienz oder als
Sekundärer Disaccharidasenmangel. Auch beim sekundä- hereditäre Erkrankung. Ein durch massive Lipid-Einlage-
ren Disaccharidasenmangel überwiegt der Lactasemangel. rungen in den Mukosazellen gekennzeichnetes Krankheits-
Der sekundäre Lactasemangel ist eine Begleiterscheinung bild findet sich schließlich bei der sehr seltenen here-
bei vielen gastrointestinalen Erkrankungen, beispielsweise ditären A-β-Lipoproteinämie. Die betroffenen Patienten
bei der Gliadin-induzierten Sprue (7 u.), dem Kwashiorkor zeichnen sich dadurch aus, dass in ihrem Plasma keinerlei
(7 Kap. 21.5.1) und dem M. Crohn (eine chronisch ent- Lipoproteine mit Apolipoproteinen des Typs B nachweisbar
zündliche Darmerkrankung) bei Dünndarmbefall. Er kann sind. Eine genauere Untersuchung hat ergeben, dass sie
auch durch chemische Substanzen wie Colchicin und Neo- zwar durchaus imstande sind, das ApolipoproteinB100 bzw.
mycin, Chemotherapie bei malignen Erkrankungen oder B48 zu synthetisieren, jedoch keinerlei Triacylglycerin-
durch Röntgenbestrahlung hervorgerufen werden. Transfer-Proteine besitzen, da diese durch Mutationen
ausgeschaltet sind. Triacylglycerin-Transfer-Proteine wer-
Relativer Disaccharidasenmangel. Der relative Disacchari- den für die Verpackung von Triacylglycerinen in Chylomi-
dasenmangel ist durch ein Missverhältnis der in der Muko- kronen-Vesikel benötigt. Dieser Befund weist auf die enor-
sa vorhandenen Disaccharidasen zu den mit der Nahrung me Bedeutung des Lipidtransfers zwischen Membranen für
zugeführten Disacchariden gekennzeichnet. Funktionell die Biosynthese von Lipoproteinen hin.
kann der relative Disaccharidasenmangel nach Magenre-
! Die Sitosterolämie zeigt die Symptomatik einer famili-
sektion entstehen, wenn es zu einer zu raschen Entleerung
ären Hypercholesterinämie.
des Chymus aus dem Restmagen kommt. Außerdem kann
jede besonders disaccharidreiche Diät einen relativen Di- Wie in 7 Kap. 32.2.2 beschrieben, erfolgt die Aufnahme von
saccharidasenmangel erzeugen. Sterolen durch das NPC 1-like 1-Transportprotein, das al-
Grundsätzlich kommt es beim Erwachsenen mit der lerdings nicht zwischen Cholesterin und pflanzlichen Ste-
normalerweise auftretenden Verminderung der Zufuhr rolen unterscheiden kann. Unter normalen Umständen
milchhaltiger Nahrungsmittel zu einem relativen Disaccha- werden diese im vesikulären Kompartiment der Mukosa-
ridasenmangel. Dieser ist i. Allg. reversibel, da die Di- zellen sortiert und durch die Lipidtransporter ABCG5 und
saccharidasen der Dünndarmmukosa durch Zufuhr ihres ABCG8 wieder in das intestinale Lumen exportiert. Defek-
Substrats induziert werden. te dieser beiden Lipidtransporter lösen das Krankheitsbild
der Sitosterolämie aus. Bei den Patienten findet man eine
Glucose-Galactose-Malabsorption. Die Glucose-Galacto- erhöhte Konzentration von pflanzlichen Sterolen in den
se-Malabsorption ist eine sehr seltene Erbkrankheit, die auf Mukosazellen und im Blut. Die Betroffenen zeigen Xantho-
einem Defekt des luminalen Glucosetransporters SGLT1 me und leiden unter verfrühter schwerer Arteriosklerose
beruht. Die Patienten können deswegen weder Glucose mit häufiger koronarer Herzerkrankung.
noch Galactose resorbieren. Da diese Zucker in die tieferen
! Defekte von Proteinverdauung und Resorption haben
Darmabschnitte gelangen, lösen sie dort osmotische Di-
verschiedenste Ursachen.
arrhoen aus und werden bakteriell abgebaut. Für die betrof-
fenen Kinder ist dies eine lebensgefährliche Erkrankung, Die häufigsten Defekte der Proteinverdauung und Resorp-
die lediglich dadurch behandelt werden kann, dass ihre Diät tion finden sich bei der exkretorischen Pankreasinsuffi-
frei von Saccharose, Lactose, Glucose oder Galactose gehal- zienz, bei einer Atrophie bzw. Funktionseinschränkung der
1078 Kapitel 32 · Gastrointestinaltrakt
In Kürze
Für die Resorption von Monosacchariden, Aminosäu- Der Intestinaltrakt ist Ort großer Flüssigkeits- und Ionen-
ren und Oligopeptiden stehen spezifische Transport- bewegungen. Diese setzen sich aus Wasser und Elektrolyten
moleküle zur Verfügung, die den Na+- bzw. H+-abhängi- der Nahrung sowie den meist Plasma-isotonen Sekreten der
gen, sekundär aktiven Transport in die Mukosazelle einzelnen Abschnitte des Intestinaltraktes zusammen und
ermöglichen. Auf der basolateralen Seite der Mukosa- machen pro 24 Stunden etwa 8 l Flüssigkeit aus. Sowohl das
zellen erfolgt anschließend die Abgabe der aufgenom- Wasser als auch die Elektrolyte müssen im Intestinaltrakt zum
menen Verbindungen in die extrazelluläre Flüssigkeit größten Teil wieder reabsorbiert werden, um gravierende
durch erleichterte Diffusion, ebenfalls mit Hilfe spezifi- Flüssigkeits- und Elektrolytverluste zu verhindern.
scher Transportproteine. Acylglycerine werden durch Durchfallerkrankungen sind häufig und nehmen oft,
Diffusion in die Mukosazellen aufgenommen, Sterole besonders bei Kindern einen schweren Verlauf. Man unter-
durch den Niemann Pick C 1 like 1-Transporter. Intra- scheidet
zellulär erfolgt eine Resynthese zu Triacylglycerinen 5 osmotische Durchfälle, denen häufig Störungen der
und Cholesterinestern und dann die Verpackung Verdauung oder Resorption von Nahrungsstoffen zu-
mit dem Apolipoprotein B48 zu Chylomikronen. grunde liegen, und
Anschließend werden diese von den Mukosazellen 5 sekretorische Durchfälle, die durch bakterielle Infekte
sezerniert und gelangen über die Lymphbahnen in oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen aus-
den Blutkreislauf. gelöst werden
In Kürze
Der Intestinaltrakt enthält zum Schutz des Organismus vor IgA-Moleküle gelangen durch Transzytose in das Lumen des
der großen Zahl dort vorhandener Antigene eine hoch ef- Intestinaltraktes. Sie binden und inaktivieren viele Antigene,
fektive immunologische Barriere. Diese besteht aus: z.B. Toxine, Viren, Bakterien.
5 Intraepithelialen Lymphozyten Die durch IgE vermittelte Freisetzung von Mediatorstof-
5 Plasmazellen in der Lamina propria, die zur Produktion fen löst eine Wasser- und Elektrolytsekretion aus. Die damit
von IgA-Molekülen imstande sind sowie verbundene Durchfallreaktion dient der Ausschwemmung
5 unterhalb der Epithelschicht lokalisierten Mastzellen, vieler Antigene, Bakterien aber auch von Parasiten.
32 die nach Stimulierung mit IgE Mediatorstoffe freisetzen
Sachs G, Shin JM (1995) The Pharmacology of the gastric acid pump: The Wong W M, Poulsom R, Wright NA (1999) Trefoil peptides. Gut 44:890–
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